Bundesgerichtshof Beschluss, 28. März 2019 - 4 StR 45/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 28. März 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
a) in den Fällen II. 19 bis 33 der Urteilsgründe,
b) im Strafausspruch in den Fällen II. 15 und 16 der Urteilsgründe ,
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
d) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen , soweit diese einen Betrag von 220 EUR übersteigt. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen, wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 19 Fällen, wegen Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an Minderjährige in zwei Fällen und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Eisleben vom 4. Mai 2018 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.
- 2
- Die hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- 1. Die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in den Fällen II. 19 bis 33 der Urteilsgründe hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 4
- a) Nach den Feststellungen „erwarb“ die Zeugin R. vom Angeklagten für den 16 bzw. 17 Jahre alten S. an 15 im Einzelnen nicht mehr konkretisierbaren Tagen im Zeitraum von November 2016 bis Mai 2017 jeweils 1 Gramm Marihuana zum Preis von 10 EUR. Dabei übergab sie das von S. unmittelbar zuvor erhaltene Geld an den Angeklagten und erhielt dafür im Gegenzug das Rauschgift, das sie sodann dem Minderjährigen aushändigte. In zwei Fällen bestand zwischen dem Angeklagten und dem Minderjährigen, dessen Alter der Angeklagte kannte, ein „persönlicher Verkaufskontakt“.
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- b) Diese Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte vorsätzlich Betäubungsmittel an einen Minderjährigen abgegeben hat. Ihnen kann nicht entnommen werden, dass der Angeklagte wusste oder jedenfalls damit rechnete , dass die der Zeugin R. übergebenen Betäubungsmittel für den min- derjährigen S. bestimmt waren und sie nur als „Botin“ tätig war (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2015 – 5 StR 109/15, NStZ-RR 2015, 218). Ein persönlicher Kontakt ist nur für zwei Fälle belegt, ohne dass sich den Feststellungen und Beweiserwägungen Näheres zum Zeitpunkt, zur Art und zum Ausmaß des Kontakts entnehmen ließe.
- 6
- 2. Darüber hinaus halten die Strafaussprüche in den Fällen II. 15 und 16 der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 7
- Das Landgericht hat die beiden Taten im Urteilstenor sowie in der rechtlichen Würdigung zutreffend als „Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmit- telbaren Verbrauch an Minderjährige“ gewertet und ist, weil es gewerbsmäßiges Handeln nicht festzustellen vermochte, nicht davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Qualifikationstatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllt hat. Gleichwohl hat das Landgericht – ersichtlich aufgrund eines Versehens – der Strafzumessung in diesen beiden Fällen den Qualifikationstatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG zugrunde gelegt, der das Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an Minderjährige umfasst, wenn es gewerbsmäßig erfolgt. Ungeachtet des Umstands, dass die Strafkammer unter Berücksichtigung der Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG von einem minder schweren Fall ausgegangen ist, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die Strafaussprüche auf diesem Rechtsfehler beruhen.
- 8
- 3. Die Einziehungsentscheidung hat keinen Bestand, soweit sie sich auf die von der Aufhebung umfassten Verurteilungen in den Fällen II. 19 bis 33 der Urteilsgründe bezieht. Die Einziehung ist daher aufzuheben, soweit sie einen Betrag in Höhe von 220 EUR übersteigt.
- 9
- Im Übrigen sieht der Senat im Hinblick auf die vom Landgericht bewilligte , jedoch nicht näher begründete Ratenzahlung Anlass zu folgendem Hinweis:
- 10
- Das Landgericht hat die „Einziehung von Wertersatz“ in Höhe von 370 EUR angeordnet und dem Angeklagten Ratenzahlung bewilligt. Hierfür fehlt es seit der Neuregelung des Rechts der Vermögensabschöpfung durch das zum 1. Juli 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I 2017, S. 872) an einer Rechtsgrundlage.
- 11
- § 73c Abs. 2 StGB aF, der ausdrücklich auf § 42 StGB verwies und damit die Möglichkeit der Bewilligung von Zahlungserleichterungen im Erkenntnisverfahren eröffnete, ist ersatzlos weggefallen. Etwaige Härten sind nunmehr gemäß § 459g Abs. 5 StPO ausschließlich im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2019 – 5 StR 95/19; Köhler, NStZ 2017, 497, 500). Für eine entsprechende Anwendung des § 42 StGB ist in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke kein Raum.
- 12
- Der Angeklagte ist durch den hierin liegenden Rechtsfehler jedoch nicht beschwert. Sollte im Vollstreckungsverfahren die Entreicherung des Angeklagten oder sonst festgestellt werden, dass die Vollstreckung der Einziehung des Wertes von Taterträgen unverhältnismäßig ist, so hat die Vollstreckung der Einziehungsanordnung zwingend zu unterbleiben (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 2019 – 5 StR 95/19 und vom 27. September 2018 – 4 StR 78/18, NStZ-RR 2019, 22, 23; Beschluss vom 22. März 2018 – 3 StR 577/17, wistra 2018, 427).
- 13
- Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.
Feilcke Bartel
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, - 2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt, - 3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder - 4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.
Ist dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Das Gericht kann dabei anordnen, daß die Vergünstigung, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, entfällt, wenn der Verurteilte einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt. Das Gericht soll Zahlungserleichterungen auch gewähren, wenn ohne die Bewilligung die Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens durch den Verurteilten erheblich gefährdet wäre; dabei kann dem Verurteilten der Nachweis der Wiedergutmachung auferlegt werden.
(1) Die Anordnung der Einziehung oder der Unbrauchbarmachung einer Sache wird dadurch vollstreckt, dass die Sache demjenigen, gegen den sich die Anordnung richtet, weggenommen wird. Für die Vollstreckung gelten die Vorschriften des Justizbeitreibungsgesetzes.
(2) Für die Vollstreckung der Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten, gelten die §§ 459, 459a sowie 459c Absatz 1 und 2 entsprechend.
(3) Für die Vollstreckung nach den Absätzen 1 und 2 gelten außerdem die §§ 94 bis 98 entsprechend mit Ausnahme von § 98 Absatz 2 Satz 3, die §§ 102 bis 110, § 111c Absatz 1 und 2, § 111f Absatz 1, § 111k Absatz 1 und 2 sowie § 131 Absatz 1. § 457 Absatz 1 bleibt unberührt. Vor gerichtlichen Entscheidungen unterbleibt die Anhörung des Betroffenen, wenn sie den Zweck der Anordnung gefährden würde.
(4) Das Gericht ordnet den Ausschluss der Vollstreckung der Einziehung nach den §§ 73 bis 73c des Strafgesetzbuchs an, soweit der aus der Tat erwachsene Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erloschen ist. Dies gilt nicht für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind.
(5) In den Fällen des Absatzes 2 unterbleibt auf Anordnung des Gerichts die Vollstreckung, soweit sie unverhältnismäßig wäre. Die Vollstreckung wird auf Anordnung des Gerichts wieder aufgenommen, wenn nachträglich Umstände bekannt werden oder eintreten, die einer Anordnung nach Satz 1 entgegenstehen. Vor der Anordnung nach Satz 2 unterbleibt die Anhörung des Betroffenen, wenn sie den Zweck der Anordnung gefährden würde. Die Anordnung nach Satz 1 steht Ermittlungen dazu, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Vollstreckung vorliegen, nicht entgegen.
Ist dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Das Gericht kann dabei anordnen, daß die Vergünstigung, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, entfällt, wenn der Verurteilte einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt. Das Gericht soll Zahlungserleichterungen auch gewähren, wenn ohne die Bewilligung die Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens durch den Verurteilten erheblich gefährdet wäre; dabei kann dem Verurteilten der Nachweis der Wiedergutmachung auferlegt werden.