Bundesgerichtshof Beschluss, 28. März 2019 - 4 StR 45/19

bei uns veröffentlicht am28.03.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 45/19
vom
28. März 2019
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:280319B4STR45.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 28. März 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 26. Oktober 2018 jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen II. 19 bis 33 der Urteilsgründe,
b) im Strafausspruch in den Fällen II. 15 und 16 der Urteilsgründe ,
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
d) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen , soweit diese einen Betrag von 220 EUR übersteigt. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen, wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 19 Fällen, wegen Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an Minderjährige in zwei Fällen und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Eisleben vom 4. Mai 2018 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.
2
Die hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in den Fällen II. 19 bis 33 der Urteilsgründe hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
a) Nach den Feststellungen „erwarb“ die Zeugin R. vom Angeklagten für den 16 bzw. 17 Jahre alten S. an 15 im Einzelnen nicht mehr konkretisierbaren Tagen im Zeitraum von November 2016 bis Mai 2017 jeweils 1 Gramm Marihuana zum Preis von 10 EUR. Dabei übergab sie das von S. unmittelbar zuvor erhaltene Geld an den Angeklagten und erhielt dafür im Gegenzug das Rauschgift, das sie sodann dem Minderjährigen aushändigte. In zwei Fällen bestand zwischen dem Angeklagten und dem Minderjährigen, dessen Alter der Angeklagte kannte, ein „persönlicher Verkaufskontakt“.
5
b) Diese Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte vorsätzlich Betäubungsmittel an einen Minderjährigen abgegeben hat. Ihnen kann nicht entnommen werden, dass der Angeklagte wusste oder jedenfalls damit rechnete , dass die der Zeugin R. übergebenen Betäubungsmittel für den min- derjährigen S. bestimmt waren und sie nur als „Botin“ tätig war (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2015 – 5 StR 109/15, NStZ-RR 2015, 218). Ein persönlicher Kontakt ist nur für zwei Fälle belegt, ohne dass sich den Feststellungen und Beweiserwägungen Näheres zum Zeitpunkt, zur Art und zum Ausmaß des Kontakts entnehmen ließe.
6
2. Darüber hinaus halten die Strafaussprüche in den Fällen II. 15 und 16 der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
Das Landgericht hat die beiden Taten im Urteilstenor sowie in der rechtlichen Würdigung zutreffend als „Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmit- telbaren Verbrauch an Minderjährige“ gewertet und ist, weil es gewerbsmäßiges Handeln nicht festzustellen vermochte, nicht davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Qualifikationstatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllt hat. Gleichwohl hat das Landgericht – ersichtlich aufgrund eines Versehens – der Strafzumessung in diesen beiden Fällen den Qualifikationstatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG zugrunde gelegt, der das Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an Minderjährige umfasst, wenn es gewerbsmäßig erfolgt. Ungeachtet des Umstands, dass die Strafkammer unter Berücksichtigung der Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG von einem minder schweren Fall ausgegangen ist, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die Strafaussprüche auf diesem Rechtsfehler beruhen.
8
3. Die Einziehungsentscheidung hat keinen Bestand, soweit sie sich auf die von der Aufhebung umfassten Verurteilungen in den Fällen II. 19 bis 33 der Urteilsgründe bezieht. Die Einziehung ist daher aufzuheben, soweit sie einen Betrag in Höhe von 220 EUR übersteigt.
9
Im Übrigen sieht der Senat im Hinblick auf die vom Landgericht bewilligte , jedoch nicht näher begründete Ratenzahlung Anlass zu folgendem Hinweis:
10
Das Landgericht hat die „Einziehung von Wertersatz“ in Höhe von 370 EUR angeordnet und dem Angeklagten Ratenzahlung bewilligt. Hierfür fehlt es seit der Neuregelung des Rechts der Vermögensabschöpfung durch das zum 1. Juli 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I 2017, S. 872) an einer Rechtsgrundlage.
11
§ 73c Abs. 2 StGB aF, der ausdrücklich auf § 42 StGB verwies und damit die Möglichkeit der Bewilligung von Zahlungserleichterungen im Erkenntnisverfahren eröffnete, ist ersatzlos weggefallen. Etwaige Härten sind nunmehr gemäß § 459g Abs. 5 StPO ausschließlich im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2019 – 5 StR 95/19; Köhler, NStZ 2017, 497, 500). Für eine entsprechende Anwendung des § 42 StGB ist in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke kein Raum.
12
Der Angeklagte ist durch den hierin liegenden Rechtsfehler jedoch nicht beschwert. Sollte im Vollstreckungsverfahren die Entreicherung des Angeklagten oder sonst festgestellt werden, dass die Vollstreckung der Einziehung des Wertes von Taterträgen unverhältnismäßig ist, so hat die Vollstreckung der Einziehungsanordnung zwingend zu unterbleiben (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 2019 – 5 StR 95/19 und vom 27. September 2018 – 4 StR 78/18, NStZ-RR 2019, 22, 23; Beschluss vom 22. März 2018 – 3 StR 577/17, wistra 2018, 427).
13
Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.
Quentin Roggenbuck Bender
Feilcke Bartel

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


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Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s

Strafgesetzbuch - StGB | § 42 Zahlungserleichterungen


Ist dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. D

Strafprozeßordnung - StPO | § 459g Vollstreckung von Nebenfolgen


(1) Die Anordnung der Einziehung oder der Unbrauchbarmachung einer Sache wird dadurch vollstreckt, dass die Sache demjenigen, gegen den sich die Anordnung richtet, weggenommen wird. Für die Vollstreckung gelten die Vorschriften des Justizbeitreibungs

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR109/15
vom
14. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. April 2015 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 8. Dezember 2014 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Überlassung von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an Minderjährige in vier Fällen und der Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige schuldig ist, und
b) mit den zugehörigen Feststellungen im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Abgabe von Betäubungsmitteln an einen Minderjährigen in vier Fällen und Überlassung von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an einen Minderjährigen unter Einbeziehung der Strafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen ließ der Angeklagte an vier Tagen den im Tatzeitraum März/April 2013 15-jährigen Sohn seiner früheren Lebensgefährtin Marihuana mitrauchen, das er für den gemeinsamen Konsum in eine Pfeife bzw. einen Joint gefüllt hatte (Fälle 1 bis 4 der Urteilsgründe). Schließlich überließ er dem Jugendlichen, der an dem Betäubungsmittelkonsum inzwischen Gefallen gefunden hatte, eine Menge von 6,6 Gramm Marihuana. Davon konsumierte der Jugendliche gemeinsam mit Mitschülern am 26. April 2013, bevor das Rauschgift anschließend sichergestellt wurde (Fall 5 der Urteilsgründe).
3
2. Der Schuldspruch ist hinsichtlich der angewendeten Tatbestandsvarianten des § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG rechtsfehlerhaft und dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend zu ändern. Danach hat der Angeklagte sich nur im Fall 5 der Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige nach § 29a Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 BtMG und in den ersten vier Fällen jeweils des Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Gebrauch an Minderjährige nach § 29a Abs. 1 Nr. 1 Fall 3 BtMG schuldig gemacht. Eine Abgabe von Betäubungsmitteln im Sinne dieser Vorschrift bedeutet jede Gewahrsamsübertragung an eine andere Person zur freien Verfügung. An der Gewahrsamsübertragung zur freien Verfügung fehlt es aber, wenn das Betäubungsmittel, wie dies der Angeklagte getan hat, zum sofortigen Verbrauch an Ort und Stelle hingegeben wird; eine solche Fallgestaltung wird von der weiteren Tatbestandsvariante der Verbrauchsüberlassung erfasst (vgl. zur Abgrenzung BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 1998 – 3 StR 241/98, NStZ-RR 1998, 347, und vom 5. Februar 2014 – 1 StR 693/13, NStZ 2014, 717; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 29a Rn. 13 f.).
4
Der Richtigstellung des Schuldspruchs steht § 265 StPO nicht entgegen.
5
3. Die Strafzumessungsentscheidungen weisen durchgreifende Rechtsfehler auf.
6
a) Das Landgericht hat bei den einzelnen Taten jeweils das Vorliegen eines minder schweren Falls im Sinne von § 29a Abs. 2 BtMG verneint und sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung als strafschärfenden Umstand berücksichtigt, dass der Angeklagte als Lebensge- fährte der Mutter des Jugendlichen „zu diesem in einem betreuungsähnlichen Verhältnis stand und quasi in der Rolle eines Stiefvaters war“ (UA S. 13). Diese Bewertung steht jedoch im Widerspruch zu den Feststellungen und den weiteren Gründen des angefochtenen Urteils. Danach hat zwischen dem zur Tatzeit 25 Jahre alten Angeklagten und dem im großmütterlichen Haushalt lebenden Sohn seiner Lebensgefährtin ein „freundschaftliches Verhältnis“ (UA S. 4)be- standen. Nach Überzeugung des Landgerichts ist dem Angeklagten klar gewe- sen, dass der Jugendliche „ihn als den Älteren bewundert, auch und gerade wenn es sich eher um eine kumpelhafte Beziehung als um eine väterliche han- delt“ (UA S. 13).Hierfür hat sich das Landgericht in der Beweiswürdigung ersichtlich auch auf die Aussage der Großmutter und gesetzlichen Vertreterin des Jugendlichen gestützt. Nach deren Beschreibung des engen freundschaftlichen Verhältnisses, die in der Sache den Bekundungen des Jugendlichen selbst entspricht , seien „die beiden wie zwei Schulfreunde gewesen, wie zwei alberne Kinder“ (UA S. 11).
7
b) Bei Fall 5 hat das Landgericht zudem straferschwerend gewertet, dass es sich bei den vom Angeklagten überlassenen 6,6 Gramm Marihuana nicht mehr nur um eine geringe, sondern um eine „normale“ Menge gehandelt habe. Ungeachtet seiner bereits zweifelhaften Annahme, bezüglich des hier zu beurteilenden Cannabiskrauts gelte eine Bruttogewichtsmenge von 6 Gramm als Obergrenze einer geringen Menge, wie sie in der Rechtsprechung für Cannabisharz (Haschisch) bisweilen angenommen worden ist (vgl. BayObLG, NJW 2003, 1681; Patzak, aaO, § 29 Teil 28 Rn. 39 mwN; siehe aber auch BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – 3 StR 245/95, BGHSt 42, 1, 10 f.), hat das Landgericht damit einem – ohnehin nicht existenten (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 ff.) – „Normalfall“ der Tatbestandsverwirklichung strafschärfende Wirkung beigemessen. Hierdurch hat es gegen § 46 Abs. 3 StGB verstoßen.
8
c) Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Vorgehensweise zur Anwendung des § 29a Abs. 2 BtMG und deshalb zu milderen Einzelstrafen gelangt wäre.
9
d) Schon die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage. Überdies kann der Ausspruch über die Gesamtstrafe auch deshalb nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht bezüglich der nach § 55 Abs. 1 StGB einbezogenen Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Schleswig vom 2. Juli 2014 zwar das Delikt und die Tatzeit benannt, jedoch die herangezogenen wesentlichen Zumessungserwägungen nicht nachvollziehbar dargestellt hat. Das vorliegende Urteil lässt deshalb eine vollständige Überprüfung der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe nicht zu (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2009 – 4 StR 130/09, NStZ-RR 2009, 277, und vom 8. Februar 2011 – 4 StR 658/10; Schäfer /Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1475 mwN; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 55 Rn. 17).
10
Schließlich hat das Landgericht bei der Gesamtstrafenbildung strafschär- fend berücksichtigt, dass der Angeklagte „im Zeitpunkt der Hauptverhandlung nunmehr zweifach (vorbestraft)“ gewesen sei (UA S. 14).Damit hat es rechtsfehlerhaft die einbezogene Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Schleswig vom 2. Juli 2014 als Vorstrafe gewertet und dabei verkannt, dass als solche nur eine Verurteilung, die vor der dem aktuellen Verfahren zugrunde liegenden Straftat erfolgt ist, in Betracht kommt.
Sander Dölp König
Berger Bellay

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

Ist dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Das Gericht kann dabei anordnen, daß die Vergünstigung, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, entfällt, wenn der Verurteilte einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt. Das Gericht soll Zahlungserleichterungen auch gewähren, wenn ohne die Bewilligung die Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens durch den Verurteilten erheblich gefährdet wäre; dabei kann dem Verurteilten der Nachweis der Wiedergutmachung auferlegt werden.

(1) Die Anordnung der Einziehung oder der Unbrauchbarmachung einer Sache wird dadurch vollstreckt, dass die Sache demjenigen, gegen den sich die Anordnung richtet, weggenommen wird. Für die Vollstreckung gelten die Vorschriften des Justizbeitreibungsgesetzes.

(2) Für die Vollstreckung der Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten, gelten die §§ 459, 459a sowie 459c Absatz 1 und 2 entsprechend.

(3) Für die Vollstreckung nach den Absätzen 1 und 2 gelten außerdem die §§ 94 bis 98 entsprechend mit Ausnahme von § 98 Absatz 2 Satz 3, die §§ 102 bis 110, § 111c Absatz 1 und 2, § 111f Absatz 1, § 111k Absatz 1 und 2 sowie § 131 Absatz 1. § 457 Absatz 1 bleibt unberührt. Vor gerichtlichen Entscheidungen unterbleibt die Anhörung des Betroffenen, wenn sie den Zweck der Anordnung gefährden würde.

(4) Das Gericht ordnet den Ausschluss der Vollstreckung der Einziehung nach den §§ 73 bis 73c des Strafgesetzbuchs an, soweit der aus der Tat erwachsene Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erloschen ist. Dies gilt nicht für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind.

(5) In den Fällen des Absatzes 2 unterbleibt auf Anordnung des Gerichts die Vollstreckung, soweit sie unverhältnismäßig wäre. Die Vollstreckung wird auf Anordnung des Gerichts wieder aufgenommen, wenn nachträglich Umstände bekannt werden oder eintreten, die einer Anordnung nach Satz 1 entgegenstehen. Vor der Anordnung nach Satz 2 unterbleibt die Anhörung des Betroffenen, wenn sie den Zweck der Anordnung gefährden würde. Die Anordnung nach Satz 1 steht Ermittlungen dazu, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Vollstreckung vorliegen, nicht entgegen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 95/19
vom
8. Mai 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls mit Waffen u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:080519U5STR95.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Mai 2019, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher, Köhler als beisitzende Richter,
Bundesanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 25. September 2018 dahin geändert , dass gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 450 Euro angeordnet wird.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die durch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft entstandenen Kosten aufzuerlegen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen in zwei Fällen, Diebstahls in drei Fällen, Unterschlagung in zwei Fällen, gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und wegen Sachbeschädigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte und wirksam auf die unterlassene Anordnung der Einziehung von Wertersatz beschränkte , vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat in der Höhe des tenorierten Betrages Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zu den Taten, bei denen der Angeklagte Beute erlangte, entwendete er bei einem Diebstahl eine Spielekonsole im Wert von 100 Euro (Fall 6 der Urteilsgründe) und brachte er durch Unterschlagungen zwei Musikboxen im Wert von 150 Euro (Fall 8 der Urteilsgründe ) und von 200 Euro (Fall 9 der Urteilsgründe) an sich.
3
2. Die Jugendkammer hat von einer Anordnung der Einziehung des Wertersatzes der Taterträge gegen den nicht mehr bereicherten Angeklagten abgesehen. Zur Begründung hat sie unter anderem ausgeführt, dass die Verhängung der in §§ 73 ff. StGB vorgesehenen Maßnahmen im Jugendstrafrecht jedenfalls nach der Neuregelung dieser Vorschriften nicht zwingend sei. Sie könnten unter Berücksichtigung des in § 2 Abs. 1 Satz 2 JGG zum Ausdruck kommenden Grundsatzes, wonach sich die Rechtsfolgen im Jugendstrafrecht vorrangig an dem Erziehungsgedanken zu orientieren hätten, keine uneingeschränkte Anwendung finden. Die entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung , die maßgeblich darauf abgestellt habe, dass zur Vermeidung von Härtefällen die Regelung des § 73c StGB aF als Korrektiv zur Verfügung stehe, sei insbesondere nach derem ersatzlosen Wegfall neu zu bewerten. Bei der Gesetzesneufassung habe diese Frage offensichtlich keine Berücksichtigung gefunden. Dem Jugendstrafrecht sei die Vorrangigkeit des Erziehungsgedankens auch bei nicht unmittelbar sanktionsbezogenen Entscheidungen nicht fremd, wie sich etwa auch bei der Frage der Kostenauferlegung nach § 74 JGG zeige.

II.


4
Die Staatsanwaltschaft wendet sich zu Recht gegen die Ablehnung einer Einziehungsentscheidung durch das Landgericht.
5
1. Es hat bereits der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Bezug auf die früheren Vorschriften zum Recht der Vermögensabschöpfung gemäß §§ 73 ff. StGB aF entsprochen, dass die Verhängung der dort vorgesehenen Maßnahmen über die Verweisung in § 2 Abs. 2 JGG i.V.m. § 8 Abs. 3 JGG auch im Jugendstrafrecht zulässig war, und zwar unabhängig davon, ob der Wert des Erlangten noch im Vermögen des Jugendlichen vorhanden war. Diese gesetzgeberische Entscheidung, wonach der Vermeidung von Härten allein die Vorschrift des § 73c StGB aF diente, durfte nicht unter Berufung auf erzieherische Interessen unterlaufen werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2010 – 4 StR 126/10, BGHSt 55, 174, 177 f., mit zust. Anm. Altenhain, NStZ 2011, 272).
6
Entgegen der Auffassung der Jugendkammer gibt die umfassende Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung mit dem Wegfall der Härtefallklausel des § 73c StGB aF keinen Anlass zu einer Neubewertung (vgl. BGH, Urteile vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623/17 und 624/17; vom 21. November 2018 – 2 StR 262/18, NStZ 2019, 221, 222 mit abl. Anm. Eisenberg; Beschluss vom 24. Januar 2019 – 5 StR 475/18; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. März 2019 – 2 Ss 379/18; MüKo-StGB/Laue, 3. Aufl., § 6 JGG Rn. 8). Die gesetzliche Neuregelung hat den Rechtscharakter der Maßnahme nicht verändert (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2018 – 5 StR 600/17, NStZ 2018, 366, 367 mwN). Anstelle einer Berücksichtigung der finanziellen Situation des Täters oder Teilnehmers bereits im Erkenntnisverfahren ist zur Vermeidung unbilliger Härte nunmehr im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO die Möglichkeit getreten, von einer Vollstreckung der Einziehungs- entscheidung abzusehen. Die vollstreckungsrechtliche Härteklausel schützt den Betroffenen ebenso wirkungsvoll vor übermäßigen Eingriffen wie § 73c StGB aF (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – 1 StR 651/17, NStZ-RR 2018, 241, 242 f.; Beschluss vom 22. März 2018 – 3 StR 577/17, wistra 2018, 427 f.; Köhler, NStZ 2018, 731, 732). Bei einer Entreicherung oder sonstigen Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung stellt sich die Neuregelung für den Angeklagten sogar günstiger dar, weil nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO eine Vollstreckung der Einziehungsanordnung zwingend zu unterbleiben hat (vgl. BGH, Urteil vom 27. September

2018

– 4 StR 78/18, NStZ-RR 2019, 22, 23; Beschluss vom 22. März 2018 – 3 StR 577/17 aaO).
7
Im Rahmen der Neuregelung der Vermögensabschöpfung hat der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen, Sonderregelungen für das Jugendstrafverfahren zu treffen (vgl. Korte, NZWiSt 2018, 231, 232 f.) und Maßnahmen der Einziehung etwa den nach der Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 1 JGG unzulässigen Nebenfolgen zuzuordnen. Vielmehr hat er die Anwendbarkeit des Instituts der Einziehung bzw. der Wertersatzeinziehung auch weiterhin für das gesamte Strafrecht angeordnet, was sich für das Jugendstrafrecht mittelbar daraus ergibt, dass er an der Regelung des § 76 Satz 1 JGG über die Voraussetzungen des vereinfachten Jugendverfahrens festgehalten und sie lediglich redaktionell (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 104) angepasst hat. Im Rahmen der nunmehr im Vollstreckungsverfahren vorzunehmenden Härtefallprüfung, die bei Jugendlichen in der Zuständigkeit des Jugendgerichts liegt (§ 82 Abs. 1 JGG), sind sowohl der Umstand der Entreicherung als auch sonstige für die Verhältnismäßigkeit maßgeblichen Aspekte und damit im Jugendstrafrecht insbesondere auch erzieherische Erwägungen zu berücksichtigen, wobei ohnehin die Abschöpfung der Erträge aus Straftaten dem Erziehungsgedanken regelmäßig entsprechen wird (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2010 – 4 StR 126/10, aaO, S. 179 Rn. 13; Korte, aaO, S. 233).
8
2. Da die Regelungen der §§ 73 Abs. 1, 73c StGB mithin auch im Jugendstrafrecht die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen als zwingende Rechtsfolge vorsehen, kann der Senat auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst in der Sache entscheiden (vgl. BGH, Urteile vom 27. September 2018 – 4 StR 78/18, aaO; vom 21. November 2018 – 2 StR 262/18, aaO; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 354 Rn. 12) und die Einziehung des Wertes der in den Fällen 6, 8 und 9 erlangten Beute in Höhe von insgesamt 450 Euro anordnen. Der Senat schließt aus, dass noch Feststellungen getroffen werden könnten, die zu einem höheren Einziehungsbetrag führen würden.
Sander König Berger
Mosbacher Köhler

Ist dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Das Gericht kann dabei anordnen, daß die Vergünstigung, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, entfällt, wenn der Verurteilte einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt. Das Gericht soll Zahlungserleichterungen auch gewähren, wenn ohne die Bewilligung die Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens durch den Verurteilten erheblich gefährdet wäre; dabei kann dem Verurteilten der Nachweis der Wiedergutmachung auferlegt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 95/19
vom
8. Mai 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls mit Waffen u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:080519U5STR95.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Mai 2019, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher, Köhler als beisitzende Richter,
Bundesanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 25. September 2018 dahin geändert , dass gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 450 Euro angeordnet wird.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die durch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft entstandenen Kosten aufzuerlegen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen in zwei Fällen, Diebstahls in drei Fällen, Unterschlagung in zwei Fällen, gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und wegen Sachbeschädigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte und wirksam auf die unterlassene Anordnung der Einziehung von Wertersatz beschränkte , vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat in der Höhe des tenorierten Betrages Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zu den Taten, bei denen der Angeklagte Beute erlangte, entwendete er bei einem Diebstahl eine Spielekonsole im Wert von 100 Euro (Fall 6 der Urteilsgründe) und brachte er durch Unterschlagungen zwei Musikboxen im Wert von 150 Euro (Fall 8 der Urteilsgründe ) und von 200 Euro (Fall 9 der Urteilsgründe) an sich.
3
2. Die Jugendkammer hat von einer Anordnung der Einziehung des Wertersatzes der Taterträge gegen den nicht mehr bereicherten Angeklagten abgesehen. Zur Begründung hat sie unter anderem ausgeführt, dass die Verhängung der in §§ 73 ff. StGB vorgesehenen Maßnahmen im Jugendstrafrecht jedenfalls nach der Neuregelung dieser Vorschriften nicht zwingend sei. Sie könnten unter Berücksichtigung des in § 2 Abs. 1 Satz 2 JGG zum Ausdruck kommenden Grundsatzes, wonach sich die Rechtsfolgen im Jugendstrafrecht vorrangig an dem Erziehungsgedanken zu orientieren hätten, keine uneingeschränkte Anwendung finden. Die entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung , die maßgeblich darauf abgestellt habe, dass zur Vermeidung von Härtefällen die Regelung des § 73c StGB aF als Korrektiv zur Verfügung stehe, sei insbesondere nach derem ersatzlosen Wegfall neu zu bewerten. Bei der Gesetzesneufassung habe diese Frage offensichtlich keine Berücksichtigung gefunden. Dem Jugendstrafrecht sei die Vorrangigkeit des Erziehungsgedankens auch bei nicht unmittelbar sanktionsbezogenen Entscheidungen nicht fremd, wie sich etwa auch bei der Frage der Kostenauferlegung nach § 74 JGG zeige.

II.


4
Die Staatsanwaltschaft wendet sich zu Recht gegen die Ablehnung einer Einziehungsentscheidung durch das Landgericht.
5
1. Es hat bereits der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Bezug auf die früheren Vorschriften zum Recht der Vermögensabschöpfung gemäß §§ 73 ff. StGB aF entsprochen, dass die Verhängung der dort vorgesehenen Maßnahmen über die Verweisung in § 2 Abs. 2 JGG i.V.m. § 8 Abs. 3 JGG auch im Jugendstrafrecht zulässig war, und zwar unabhängig davon, ob der Wert des Erlangten noch im Vermögen des Jugendlichen vorhanden war. Diese gesetzgeberische Entscheidung, wonach der Vermeidung von Härten allein die Vorschrift des § 73c StGB aF diente, durfte nicht unter Berufung auf erzieherische Interessen unterlaufen werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2010 – 4 StR 126/10, BGHSt 55, 174, 177 f., mit zust. Anm. Altenhain, NStZ 2011, 272).
6
Entgegen der Auffassung der Jugendkammer gibt die umfassende Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung mit dem Wegfall der Härtefallklausel des § 73c StGB aF keinen Anlass zu einer Neubewertung (vgl. BGH, Urteile vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623/17 und 624/17; vom 21. November 2018 – 2 StR 262/18, NStZ 2019, 221, 222 mit abl. Anm. Eisenberg; Beschluss vom 24. Januar 2019 – 5 StR 475/18; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. März 2019 – 2 Ss 379/18; MüKo-StGB/Laue, 3. Aufl., § 6 JGG Rn. 8). Die gesetzliche Neuregelung hat den Rechtscharakter der Maßnahme nicht verändert (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2018 – 5 StR 600/17, NStZ 2018, 366, 367 mwN). Anstelle einer Berücksichtigung der finanziellen Situation des Täters oder Teilnehmers bereits im Erkenntnisverfahren ist zur Vermeidung unbilliger Härte nunmehr im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO die Möglichkeit getreten, von einer Vollstreckung der Einziehungs- entscheidung abzusehen. Die vollstreckungsrechtliche Härteklausel schützt den Betroffenen ebenso wirkungsvoll vor übermäßigen Eingriffen wie § 73c StGB aF (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – 1 StR 651/17, NStZ-RR 2018, 241, 242 f.; Beschluss vom 22. März 2018 – 3 StR 577/17, wistra 2018, 427 f.; Köhler, NStZ 2018, 731, 732). Bei einer Entreicherung oder sonstigen Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung stellt sich die Neuregelung für den Angeklagten sogar günstiger dar, weil nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO eine Vollstreckung der Einziehungsanordnung zwingend zu unterbleiben hat (vgl. BGH, Urteil vom 27. September

2018

– 4 StR 78/18, NStZ-RR 2019, 22, 23; Beschluss vom 22. März 2018 – 3 StR 577/17 aaO).
7
Im Rahmen der Neuregelung der Vermögensabschöpfung hat der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen, Sonderregelungen für das Jugendstrafverfahren zu treffen (vgl. Korte, NZWiSt 2018, 231, 232 f.) und Maßnahmen der Einziehung etwa den nach der Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 1 JGG unzulässigen Nebenfolgen zuzuordnen. Vielmehr hat er die Anwendbarkeit des Instituts der Einziehung bzw. der Wertersatzeinziehung auch weiterhin für das gesamte Strafrecht angeordnet, was sich für das Jugendstrafrecht mittelbar daraus ergibt, dass er an der Regelung des § 76 Satz 1 JGG über die Voraussetzungen des vereinfachten Jugendverfahrens festgehalten und sie lediglich redaktionell (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 104) angepasst hat. Im Rahmen der nunmehr im Vollstreckungsverfahren vorzunehmenden Härtefallprüfung, die bei Jugendlichen in der Zuständigkeit des Jugendgerichts liegt (§ 82 Abs. 1 JGG), sind sowohl der Umstand der Entreicherung als auch sonstige für die Verhältnismäßigkeit maßgeblichen Aspekte und damit im Jugendstrafrecht insbesondere auch erzieherische Erwägungen zu berücksichtigen, wobei ohnehin die Abschöpfung der Erträge aus Straftaten dem Erziehungsgedanken regelmäßig entsprechen wird (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2010 – 4 StR 126/10, aaO, S. 179 Rn. 13; Korte, aaO, S. 233).
8
2. Da die Regelungen der §§ 73 Abs. 1, 73c StGB mithin auch im Jugendstrafrecht die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen als zwingende Rechtsfolge vorsehen, kann der Senat auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst in der Sache entscheiden (vgl. BGH, Urteile vom 27. September 2018 – 4 StR 78/18, aaO; vom 21. November 2018 – 2 StR 262/18, aaO; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 354 Rn. 12) und die Einziehung des Wertes der in den Fällen 6, 8 und 9 erlangten Beute in Höhe von insgesamt 450 Euro anordnen. Der Senat schließt aus, dass noch Feststellungen getroffen werden könnten, die zu einem höheren Einziehungsbetrag führen würden.
Sander König Berger
Mosbacher Köhler

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 78/18
vom
27. September 2018
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:270918U4STR78.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. September 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 12. September 2017 dahin geändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 17.950 Euro angeordnet wird.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 15 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, von der drei Monate als vollstreckt gelten. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Des Weiteren hat es die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 1.250 Euro angeordnet. Mit ihrer ausdrücklich auf die Einziehungsentscheidung beschränkten Revision, die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet ist und vom Generalbundesanwalt vertreten wird, beanstandet die Staatsanwaltschaft die Einziehungsanordnung in den Fällen II.1 Anklagepunkt 2 bis 6 der Urteilsgründe.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen – soweit für den Rechtsmittelangriff der Staatsanwaltschaft von Belang – kaufte der Angeklagte, der zuvor bereits ein Veräußerungsgeschäft von Marihuana zwischen seinem Lieferanten und einem Abnehmer vermittelt hatte, in der Zeit vom 9. April bis 9. Juli 2009 in fünf Fällen bei seinem Lieferanten Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 10 % THC in Mengen von 500 Gramm, dreimal einem Kilogramm und zwei Kilogramm, die er anschließend an verschiedene Abnehmer übergab. Die für den Erwerb der Marihuanamengen an den Lieferanten entrichteten Geldbeträge – 1.500, zweimal 3.000, 3.200 und 6.000 Euro – hatte er zuvor von seinen jeweiligen Abnehmern erhalten. Für die Vermittlung der Verkaufsgeschäfte erhielt der Angeklagte vom Lieferanten Provisionen in Höhe von insgesamt 400 Euro. Aus vom Revisionsangriff nicht betroffenen Taten flossen ihm weitere 850 Euro zu.
4
Das Landgericht hat bei der Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in den beanstandeten Fällen allein auf die vom Angeklagten erlangten Provisionszahlungen abgestellt. Die von den Abnehmern übergebenen Geldbeträge hat es unberücksichtigt gelassen, weil die nach alter Rechtslage zur Vermeidung unbilliger Härten bestehende Korrekturmöglichkeit über die Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB aF infolge der Gesetzesänderung nicht mehr gegeben sei.

II.


5
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist ausweislich der Ausführungen in der Revisionsbegründungsschrift, die sich ausschließlich gegen die Höhe der Einziehungsbeträge in den Fällen II.1 Anklagepunkt 2 bis 6 der Urteilsgründe richten, über die ausdrücklich erklärte Revisionsbeschränkung hinaus auf die Einziehungsentscheidung in den genannten Fällen beschränkt. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Frage der Einziehung von Taterträgen oder deren Wert ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wirksam (vgl. BGH, Urteile vom 15. Mai 2018 – 1 StR 651/17, NStZ-RR 2018, 241; vom 7. Juni 2018 – 4 StR 63/18 Rn. 1). Gegen eine Anfechtung der Einziehungsentscheidung nur bezüglich eines Teils der abgeurteilten Taten bestehen unter dem Gesichtspunkt der Trennbarkeit (vgl. KK-StPO/Gericke, 7. Aufl., § 344 Rn. 6 mwN) ebenfalls keine Bedenken, da die Voraussetzungen der Einziehung von Taterträgen aus verschiedenen Taten unabhängig voneinander beurteilt werden können.
6
2. Das Rechtsmittel ist begründet. Die Einziehungsentscheidung in den Fällen II.1 Anklagepunkt 2 bis 6 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Strafkammer die dem Angeklagten von seinen Abnehmern zugeflossenen Geldbeträge zu Unrecht bei der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB außer Acht gelassen hat.
7
a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Abschöpfung von Taterträgen in den vorliegenden Fällen aufgrund der Übergangsvorschrift des Art. 316h Satz 1 EGStGB nach den durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) neu gefassten Vorschriften des Strafgesetzbuches beurteilt. Die Anwendung der Neuregelung auf bereits vor deren Inkrafttreten am 1. Juli 2017 begangene Taten begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – 1 StR 651/17 aaO; Beschlüsse vom 22. März 2018 – 3 StR 42/18, NStZ 2018, 400; vom 22. März 2018 – 3 StR 577/17; vgl. auch BT-Drucks. 18/11640, S. 84).
8
b) Nach § 73 Abs. 1 StGB unterliegen Vermögensgegenstände, die der Täter durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangt hat, der Einziehung. „Durch“ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist ein Vermögenswert – nicht anders als „aus“ der Tat unter Geltung des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF –, wenn er dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er der faktischen Verfügungsgewalt des Täters unterliegt. Da es sich bei dem Erlangen um einen tatsächlichen Vorgang handelt, kommt es auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse nicht an (vgl. BGH, Urteile vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623 und 624/17 Rn. 8; vom 2. Juli 2015 – 3 StR 157/15, NStZ-RR 2015, 310; vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 45 f.; vom 4. Februar 2009 – 2 StR 504/08, BGHSt 53, 179, 180).
9
Nach diesen Grundsätzen werden bei einem Absatz von Betäubungsmitteln in einer Handelskette von einem als Zwischenhändler oder – wie der Angeklagte – als selbständiger Vermittler agierenden Täter auch solche Geldbeträge wirtschaftlich erlangt, die er von seinem Abnehmer vereinnahmt und in der Folgezeit an den Lieferanten weitergibt (vgl. BGH, Urteile vom 4. Februar 2009 – 2 StR 504/08 aaO; vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 68; vom 12. August 2003 – 1 StR 127/03, NStZ 2004, 440; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 33 Rn. 79). Denn die vereinnahmten Geldbeträge sind dem Vermögen des Täters so zugeflossen, dass er jedenfalls vorübergehend die tatsächliche Verfügungsgewalt über sie ausüben konnte. Danach erlangte der Angeklagte in den Fällen II.1 Anklagepunkt 2 bis 6 der Urteilsgründe – wovon auch die Strafkammer ausgegangen ist – nicht nur die erhaltenen Provisionen, sondern auch die von den Abnehmern vereinnahmten Geldbeträge im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Die Ausnahmekonstellation eines nur kurzfristigen, für einen anderen ausgeübten Besitzes (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 2018 – 4 StR 63/18 Rn. 12; Be- schluss vom 27. Oktober 2009 – 5 StR 242/09, BGHR StGB § 73 Erlangtes 9) oder einer lediglich botenmäßigen Weiterleitung des Kaufgeldes (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2011 – 4 StR 25/11) liegt nicht vor.
10
c) Sind die Voraussetzungen der Einziehung von Taterträgen nach § 73 Abs. 1 StGB oder einer hieran anknüpfenden Wertersatzeinziehung gemäß § 73c StGB erfüllt, sieht die gesetzliche Regelung die Anordnung der entsprechenden Vermögensabschöpfung zwingend vor, sofern kein Ausschlusstatbestand des § 73e StGB gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – 1 StR 651/17 aaO). Ist dies – wie hier – nicht der Fall, muss der Tatrichter die Einziehungsanordnung treffen. Eine Möglichkeit, hiervon abzusehen, räumt ihm das Gesetz nicht ein. Die Strafkammer war daher nicht befugt, hinsichtlich der in den Fällen II.1 Anklagepunkt 2 bis 6 der Urteilsgründe vereinnahmten Geldbeträge teilweise von der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen abzusehen.
11
Entgegen der Auffassung der Strafkammer wird der Angeklagte zudem durch die Anwendung des neuen Vermögensabschöpfungsrechts, das anstelle der aufgehobenen, vormals im Erkenntnisverfahren zu prüfenden Härtevorschrift des § 73c StGB aF mit der Regelung des § 459g Abs. 5 StPO eine entsprechende Verhältnismäßigkeitsprüfung im Vollstreckungsverfahren vorsieht, im Ergebnis nicht schlechter gestellt. Für den Fall, dass der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist, stellt sich die Neuregelung für ihn sogar günstiger dar, weil nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO eine Vollstreckung der Einziehungsanordnung zwingend zu unterbleiben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2018 – 3 StR 577/17).
12
d) Da die Regelungen der § 73 Abs. 1, § 73c StGB die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen als zwingende Rechtsfolge vorsehen, kann der Senat auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst in der Sache entscheiden (vgl. LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 354 Rn. 12; SK-StPO/Wohlers, 5. Aufl., § 354 Rn. 38) und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 17.950 Euro anordnen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 577/17
vom
22. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:220318B3STR577.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. März 2018 einstimmig
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stade vom 30. August 2017 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Die Strafkammer hat rechtsfehlerfrei die Einziehung des Werts der Taterträge von 48.000 € angeordnet. Die Strafkammer hat nach Art. 306h EGStGB zutreffend die Vorschriften der § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1, § 73d Abs. 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBI. I S. 872) angewendet, weil sie erst nach dessen Inkrafttreten am 1. Juli 2017 über die Abschöpfung des durch die Taten Erlangten befunden hat und in dem Verfahren zuvor keine andere Entscheidung zum früheren Verfall oder Wertersatzverfall ergangen war. Der Senat vermag dem Beschwerdeführer nicht darin zu folgen, dass die Anwendung des neuen Rechts auf die im Jahr 2008 begangenen Taten Verfassungsrecht verletze, sei es das spezielle in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Rückwirkungsverbot für (Kriminal-)Strafen und strafähnliche Sanktionen, sei es das allgemeine im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) verankerte Rückwirkungsverbot für sonstige Maßnahmen (s. auch BT-Drucks. 18/11640, S. 84). Ungeachtet der Rechtsnatur der nach § 73 StGB nF angeordneten Einziehung von Taterträgen (zum alten Recht des Verfalls vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 14 ff.; BGH, Urteil vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369) wird der Angeklagte durch die Anwendung des neuen Vermögensabschöpfungsrechts schon nicht im Ergebnis schlechter gestellt. Die von ihm vereinnahmten Kaufpreiszahlungen aus seinen Drogenverkäufen wären nach altem Recht ebenfalls abgeschöpft worden; gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB aF wäre der Wertersatzverfall nach dem Bruttoprinzip , wonach sich die vom Angeklagten für das Handeltreiben getätigten Aufwendungen nicht verfallsmindernd ausgewirkt hätten, grundsätzlich zwingend anzuordnen gewesen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 68). Dadurch, dass im Erkenntnisverfahren nach neuem Recht keine Verhältnismäßigkeitsprüfung mehr entsprechend der Härtevorschrift des § 73c StGB aF vorgesehen ist, ist ebenso wenig eine derartige Schlechterstellung eingetreten. Denn eine solche Prüfung findet nunmehr nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO nF im Vollstreckungsverfahren statt. Die Neuregelung ist für den Angeklagten insofern vorteilhaft, als nach § 459g Abs. 5 Satz 1 Alternative 1 StPO nF die Vollstreckung obligatorisch zu unterbleiben hat, soweit der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, während § 73c Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StGB aF für diesen Fall lediglich ein fakultatives Absehen von der Verfallsanordnung nach tatrichterlichem Ermessen regelte. Daneben ist über den Einzelfall hinaus zu bedenken, dass nach früherem Recht ein Angeklagter , wenn er im Hinblick auf die Härtevorschrift Angaben zu seinem Vermö- gen machen wollte, gegebenenfalls auf seine Verteidigung gegen den Tatvorwurf Bedacht nehmen musste. So können Verfahrenskonstellationen bestehen, in denen die positive Darstellung der eigenen Vermögenslage einem Tatnachweis zuwiderläuft. Zu denken ist insbesondere an Wirtschaftsstraftaten, aber auch an Betäubungsmitteldelikte, falls etwa ein Angeklagter, der im Besitz einer erheblichen Menge Rauschgift angetroffen worden war, erklärt, er sei für die Finanzierung des Eigenkonsums nicht auf die gewinnbringende Veräußerung einer Teilmenge angewiesen. Derartige - ein rein interessengeleitetes Vorgehen erschwerende - faktische Einschränkungen für das Vorbringen zur Verhältnismäßigkeit bestehen für den rechtskräftig Verurteilten nicht. Der durch § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO nF gewährte Schutz vor unverhältnismäßigen Eingriffen stellt sich aus Sicht des Verurteilten als wirkungsvoll dar. Die Vorschrift bestimmt, dass die Prüfung der Härteklausel von einem Gericht (zur Zuständigkeit s. § 462 Abs. 1 Satz 1, § 462a Abs. 1 und § 462a Abs. 2 Satz 1 StPO) vorzunehmen ist. Der rechtskräftig Verurteilte kann diese gerichtliche Prüfung selbst herbeiführen, ohne dass er eine vollstreckungsrechtliche Entscheidung der Vollstreckungsbehörde abzuwarten hätte. Zwar erweist sich das neue Vermögensabschöpfungsrecht insoweit als lückenhaft, als es im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht regelt, unter welchen Voraussetzungen der jeweilige Vorgang von der Vollstreckungsbehörde zum Gericht gelangt. § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO nF ist jedoch dahin auszulegen, dass nicht nur die Vollstreckungsbehörde die gerichtliche Entscheidung anregen kann, sondern auch der Einziehungsadressat antragsberechtigt ist, das Gericht aber auch amtswegig vorgehen darf (ebenso BeckOK StPO/Coen, § 459g Rn. 20). Dieses Verständnis entspricht der herrschenden Meinung zu der Vorschrift des § 459d StPO (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 28. Dezember 1984 - 1 Ws 568/84, NStZ 1985, 575; LR/Graalmann-Scheerer, StPO, 26. Aufl., § 459d Rn. 12; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 459d Rn. 2), die ein gerichtliches Absehen von der Geldstrafenvollstreckung zum Zweck der Resozialisierung ermöglicht, ohne Fragen eines Antragsrechts oder einer Prüfung von Amts wegen zu normieren. Sollte die Vollstreckungsbehörde indes bereits eine anderweitige vollstreckungsrechtliche Entscheidung nach den §§ 459g bis 459n StPO nF getroffen haben, so hat der Betroffene außerdem die Möglichkeit , hiergegen Einwendungen gemäß § 459o StPO nF zu erheben, um so eine gerichtliche Entscheidung zu § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO nF herbeizuführen. Nach alledem macht allein der Umstand, dass - anders als nach der alten Rechtslage - nunmehr nach § 459g Abs. 5 Satz 2 StPO nF die Vollstreckung wieder aufgenommen werden kann, wenn sich die für die Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgebenden Tatsachen oder Erkenntnisse nachträglich ändern, die neue Rechtslage nicht für den Angeklagten insgesamt ungünstiger.
Becker Spaniol Tiemann Berg Leplow