Bundesgerichtshof Beschluss, 26. März 2019 - 4 StR 381/18

bei uns veröffentlicht am26.03.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 381/18
vom
26. März 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
wegen zu 1. bis 4. und 6. bis 7.: versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 5. und 8.: versuchter gefährlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2019:260319B4STR381.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 26. März 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten D. und Ar. gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 9. März 2018 wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es diese Angeklagten betrifft ,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten jeweils der Beihilfe zur versuchten gefährlichen Körperverletzung schuldig sind;
b) in den jeweiligen Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revisionen der Angeklagten A. , U. , C. , Ec. , P. und Ce. wird das vorbezeichnete Urteil, auch soweit es die nicht revidierenden Mitangeklagten K. S. , B. und Y. betrifft, in den jeweiligen Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten A. , U. , C. , Ec. , P. und Ce. sowie die nicht revidierenden Angeklagten B. und K. S. wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Landfriedensbruch zu Freiheitsstrafen von drei Jahren (A. ), vier Jahren und sechs Monaten (U. ) und drei Jahren und acht Monaten (C. ) sowie Jugendstrafen in Höhe von einem Jahr und sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung (Ec. ), zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung (P. ), zwei Jahren und sechs Monaten (Ce. ), einem Jahr und sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung (B. ) sowie zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung (K. S. ) verurteilt. Gegen die Angeklagten D. und Ar. sowie den nicht revidierenden Mitangeklagten Y. hat es wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung Jugendstrafen in Höhe von drei Jahren (D. ), einem Jahr und drei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung (Ar. ) sowie neun Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung (Y. ) verhängt. Der Angeklagte Dy. S. wurdefreigesprochen. Die Revisionen der Angeklagten D. und Ar. führen zu einerÄnderung des Schuldspruchs und einer Aufhebung des Strafausspruchs. Die Revisionen der Angeklagten A. , U. , C. , Ec. , P. und Ce. führen jeweils zu einer Aufhebung des Strafausspruchs und zu einer entsprechenden Erstreckung auf die nicht revidierenden Angeklagten B. , K. S. und Y. . Im Übrigen sind die Revisionen unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen getroffen :
3
Einige Wochen vor dem 3. November 2016 traten die Angeklagten K. S. und U. in Überlegungen ein, das türkische Café in der H. straße in E. anzugehen, um durch diese Aktion auf die Situation der kurdischen Bevölkerung in der Türkei aufmerksam zu machen. Zu diesem Zweck begannen sie, Teilnehmer zu mobilisieren. Die Angeklagten Ce. , B. , C. und Y. sagten ihre Beteiligung zu.
4
Kurz vor dem 3. November 2016 fassten die Angeklagten K. S. und U. den konkreten Plan, das Café anzugreifen, die Scheiben einzuschlagen, sodann in das Café hineinzugehen, dort aufgehängte türkische Fahnen abzureißen und sich mit den türkischen Gästen zu prügeln. Der Angeklagte P. wollte sich ebenfalls beteiligen. Die Angeklagten K. S. und U. beschafften daraufhin eine Vielzahl von jeweils 200 bis 250 Gramm schweren Metallzylindern; U. besorgte im Einvernehmen mit K. S. und P. darüber hinaus noch zwei Hämmer , Leucht-/Silvesterraketen und Eisenstangen. Bei einem Treffen am Abend des 3. November 2016 bereiteten die Angeklagten K. S. , U. und P. die für den nächsten Tag geplante Aktion vor, wobei U. die als Tatwerkzeuge vorgesehenen Gegenstände mitbrachte. Gemeinsam machten sie sich ein Bild von den Örtlichkeiten. Dabei schlug der Angeklagte K. S. vor, auch „Molotowcocktails“ einzusetzen, diese aber nur zur Erregung von Aufmerksamkeit auf die Straße zu werfen.
U. und P. waren damit einverstanden. K. S. schrieb die bisherige Tatplanung nieder.
5
Im Verlauf des 4. November 2016 besorgten die Angeklagten K. S. und U. die für den Bau von Brandsätzen erforderlichen Utensilien. Inzwischen hatten auch die übrigen Angeklagten Kenntnis von dem Vorhaben. Am Abend sammelten sich alle Angeklagten und weitere Personen an einem Spielplatz in der Nähe des Tatobjektes. Dort wurden die Brandsätze gemischt und die übrigen Utensilien bereitgelegt. Der Angeklagte K. S. und teilweise auch der Angeklagte U. erläuterten das Vorhaben. Allen Angeklagten war bekannt, dass durch das geplante Werfen der Metallzylinder durch die Scheiben des Cafés dort anwesende Gäste erheblich verletzt werden konnten.Dies nahmen sie billigend in Kauf. Die Angeklagten U. und C. stellten die Brandflaschen her; der Angeklagte P. holte die Schlagwerkzeuge und die Metallzylinder, die anschließend verteilt wurden.
6
Anschließend liefen die elf Angeklagten und weitere Personen unter der Führung des Angeklagten K. S. zu dem Café, in dem sich zahlreiche Personen aufhielten (UA 75). Dort wurden von den zum Teil vermummten Gruppenmitgliedern zahlreiche Metallzylinder gegen die Scheiben geworfen , die dadurch teilweise zerstört wurden. Der Angeklagte U. warf einen Metallzylinder gegen eine Fensterscheibe und in das Café hinein. Außerdem zündete er eine Leuchtrakete. Der Angeklagte Ec. warf eine Leuchtrakete in das Café. Der (nicht revidierende) Angeklagte Y. wollte Gegenstände werfen, wurde hieran aber durch vor ihm stehende Mittäter gehindert. Verschiedene Personen schlugen Scheiben ein. Der Angeklagte A. zerschlug eine Scheibe mit der Faust, während der Angeklagte P. eine andere Scheibe mit seinem Ellbogen einschlug. Beide verletzten sich dabei leicht. Der Angeklagte Ce. und der (nicht revidierende) Angeklagte B. schlugen mit einem zu diesem Zweck mitgeführten Hammer (Ce. ) und einer Metallstange (B. ) auf jeweils eine einzelne Scheibe ein. Von einem Eindringen nahmen die dafür vorgesehenen Beteiligten wegen der Anwesenheit eines großen Hundes Abstand. Die Angeklagten D. und Ar. liefen lediglich in der Gruppe mit undgaben dieser so Rückhalt. Schließlich wurde von einer unbekannten Person absprachewidrig ein Brandsatz in das Café geworfen und entfachte dort ein Feuer an einem unbesetzten Tisch. Der entstandene Brand konnte von einem Gast alsbald gelöscht werden. In der Folge rannten alle Beteiligten in verschiedene Richtungen davon.
7
Durch die Tat wurden mehrere Fensterscheiben und die Scheiben der Eingangstür des Cafés zerstört. Der Glasschaden betrug insgesamt etwa 1.800 Euro. Der den Angeklagten nicht zurechenbare Brandschaden betrug 1.000 Euro. Die im Café anwesenden Personen wurden nicht verletzt. Lediglich der Zeuge Cu. erlitt beim Löschen des Feuers leichte Verbrennungen an den Händen.

II.


8
Die erhobenen Verfahrensrügen greifen aus den vom Generalbundesanwalt angeführten Gründen nicht durch. Dabei kann es dahinstehen, ob einzelne geltend gemachte Beanstandungen bereits deshalb nach § 344 Abs. 2 StPO unzulässig sind, weil der Sachvortrag aus einem zusammenhanglosen Konvolut von Aktenteilen besteht.

III.


9
Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.
10
1. Die Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte D. und die Angeklagte Ar. an der versuchten gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 StGB zum Nachteil der Gäste des Cafés als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) beteiligten. Stattdessen ist jeweils lediglich von einer Beihilfe (§ 27 StGB) zur versuchten gefährlichen Körperverletzung auszugehen.
11
a) Die Strafkammer hat ihre Annahme, die Angeklagten D. und Ar. seien an der versuchten gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 StGB als Mittäter beteiligt gewesen, obgleich sie mit der Gruppe nur mitgelaufen seien, auf deren Geständnisse gestützt. So habe die Angeklagte Ar. ausdrücklich eingeräumt, den ihr bekannten Tatplan gebilligt und sich dazu entschlossen zu haben, an dem „Gesamtauftritt der Gruppe“ und dem Angriff auf das Café teilzunehmen. Dabei habe sie nach ihrem eigenen Bekunden keine fremde Tat fördern wollen, sondern die Tat als eigene gewollt. Ihren Tatbeitrag habe sie als psychische Förderung der Tat im Bewusstsein von dessen Wirkung (offensichtlich gegebener Rückhalt, Vergrößerung der Gruppe) verstanden wissen wollen. Der Angeklagte D. habe ebenfalls eingeräumt, den ihm bekannten Tatplan gebilligt zu haben und erklärt, dass seine Einlassung als ein auf den Vorwurf der mittäterschaftlichen Begehung bezogenes Geständnis verstanden werden solle.
12
b) Dies vermag die Annahme einer mittäterschaftlichen Begehung gemäß § 25 Abs. 2 StGB nicht zu begründen.
13
aa) Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Beteiligte einen objektiven Tatbeitrag leisten muss. Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungsoder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Diese Willensrichtung ist keine einfache innere Tatsache und auch nicht davon abhängig, welchen Sinn der Beteiligte seinem Handeln beilegt; ihre Annahme oder Ablehnung ist vielmehr das Ergebnis einer wertenden Gesamtbetrachtung , in die alle festgestellten Umstände einzubeziehen sind. Wesentliche Anhaltspunkte können dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg , der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Beteiligten abhängt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2017 – 2 StR 161/17, NStZ-RR 2018, 40; Beschluss vom 23. Mai 2017 – 4 StR 617/16, juris Rn. 13 [insoweit in NStZ-RR 2017, 246 nicht abgedruckt]; Urteil vom 10. Januar 1956 – 5 StR 529/55, BGHSt 8, 393, 396; siehe auch Urteil vom 12. Februar 1952 – 1 StR 59/50, BGHSt 2, 150, 156; weitere Nachweise bei Murmann in SSW-StGB, 4. Aufl., vor §§ 25 ff. Rn. 10 und Roxin in LK-StGB, 11. Aufl., § 25 Rn. 16 ff.).
14
bb) Daran gemessen haben die Angeklagten Ar. und D. nicht als Mittäter gehandelt. Ihre Tatbeiträge beschränkten sich darauf, an dem „Ge- samtauftritt der Gruppe“ teilzunehmen, diese durch ihre Anwesenheit zu vergrößern und den aktiv handelnden Beteiligten Rückhalt zu geben. Zwar kann eine psychische Bestärkung ein relevanter Tatbeitrag im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB sein; um allein – in Abgrenzung zur psychischen Beihilfe – die Annahme von Mittäterschaft zu tragen, muss ihr dann aber ein erhebliches Gewicht zukommen. Dies ist hier aber nicht der Fall. Die Feststellungen lassen nicht erkennen , dass die Anwesenheit der Angeklagten für die Durchführung und den Ausgang der Tat maßgeblich war und damit auch von ihrem Willen abhing. Selbst ein hierauf gerichtetes Wollen ist nicht erkennbar. Auch ist es nicht von maßgeblicher Bedeutung, dass die AngeklagteAr. angegeben hat, „die Tat als eigene“gewollt zu haben. Allein der Umstand, dass ein Beteiligter eine Tat als gemeinsame ansehen will und seinem Tatbeitrag eine entsprechende Bedeutung beimisst, vermag eine Mittäterschaft nicht begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2017 – 2 StR 220/17, NStZ 2018, 144, 145 mwN).
15
c) Da die getroffenen Feststellungen eine Beihilfe der Angeklagten zu einer versuchten gefährlichen Körperverletzung in den festgestellten Tatmodalität (en) (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4, Abs. 2, §§ 27, 22, 23 StGB) tragen und unter den hier gegebenen Umständen auszuschließen ist, dass bei erneuter Verhandlung der Sache weitere Feststellungen getroffen werden können , die möglicherweise die Annahme von Mittäterschaft rechtfertigen, waren die Schuldsprüche entsprechend zu ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der jeweiligen Strafaussprüche zur Folge.
16
2. Bei den Angeklagten A. , U. , C. , Ec. , P. und Ce. halten die Strafaussprüche rechtlicher Überprüfung nicht stand.
17
a) Hinsichtlich der Angeklagten A. , U. , P. und Ce. hat die Strafkammer rechtsfehlerhaft jeweils auch das Regelbeispiel des § 125a Satz 2 Nr. 4 2. Alternative StGB aF für gegeben erachtet. Dies lässt besorgen, dass sie aus diesem Grund von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist.
18
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können die Regelbeispiele des § 125a Satz 2 StGB aF nur eigenhändig verwirklicht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2015 – 2 StR 310/15, NStZ 2016, 403; Beschluss vom 9. September 1997 – 1 StR 730/96, BGHSt 43, 237, 240; Beschluss vom 11. November 1976 – 3 StR 333/76, BGHSt 27, 56, 58 f. [zu § 125a Satz 2 Nr. 2]; Schäfer in MünchKomm.z.StGB, 3. Aufl., § 125a Rn. 40 mwN; aA Sternberg-Lieben/Schittenhelm in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 125a Rn. 17). Das Regelbeispiel des § 125a Satz 2 Nr. 4 StGB aF verwirklicht daher nur, wer selbst einen bedeutenden Schaden an fremden Sachen anrichtet.
19
bb) Das Landgericht hat nicht festgestellt, welchen Schaden die Angeklagten eigenhändig verursachten. Angesichts des relativ niedrigen Gesamtschadens (1.800 Euro Glasschaden), der unterschiedlichen Schadensorte und der Tatsache, dass mehrere Scheiben auch von anderen Personen mit Metallzylindern eingeworfen wurden, liegt es auch nicht auf der Hand, dass die einzelnen Angeklagten jeder für sich einen bedeutenden Schaden anrichteten. Hinsichtlich des Angeklagten Ce. ist nur festgestellt, dass er auf eine Scheibe „einschlug“; der Angeklagte P. schlug lediglich eine Scheibe mit seinem Ellbogen ein.
20
b) In Bezug auf den Angeklagten Ce. begegnet auch die Annahme des Regelbeispiels des § 125a Satz 2 Nr. 2 StGB aF (UA 127) rechtlichen Beden- ken, weil die erforderliche Verwendungsabsicht des mitgeführten gefährlichen Werkzeugs nicht festgestellt ist.
21
aa) Nach dem hier anzuwendenden § 125a Satz 2 Nr. 2 2. Alternative StGB aF ist es – worauf es nach der Neufassung der Vorschrift ebenso wie bei § 113 Abs. 2 StGB nun nicht mehr ankommt (vgl. BT-Drucks. 18/11161, S. 9 und 10) – erforderlich, dass der Täter die Absicht hatte, das mitgeführte gefährliche Werkzeug bei der Tat zu verwenden, wobei ein zumindest mittelbarer Einsatz gegen eine Person ins Auge gefasst worden sein muss (vgl. BayObLG, Urteil vom 3. Oktober 1986 – 1 St 95/86, BayObLGSt 1986, 103, 104 f. [zur „anderen Waffe“]; Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 125a Rn. 9; Krauss in LK-StGB, 11. Aufl., § 125a Rn. 17; Ostendorf in Kindhäuser /Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Aufl., § 125a Rn. 9; Dölling, JR 1987, 467, 468; Schäfer in MünchKomm.z.StGB, 3. Aufl., § 125a Rn. 38 mwN).
22
bb) Dies ist hier nicht belegt. Zwar führte der Angeklagte Ce. nach den Feststellungen einen Hammer mit; er verwendete diesen seiner vorgefassten Absicht gemäß aber nur dazu, um damit auf eine Fensterscheibe einzuschlagen. Dass er auch die Absicht hatte, diesen Hammer im Fall einer körperlichen Konfrontation zumindest mittelbar gegen Personen einzusetzen, ergibt sich daraus nicht.
23
c) Schließlich hat die Jugendkammer rechtsfehlerhaft allen Angeklagten angelastet, dass sie gegen Personen vorgegangen seien, von denen sie nur vermuteten, dass sie eine andere politische Einstellung vertraten als sie selbst. Sie seien davon ausgegangen, dass sich in dem Café Personen aufhielten, die die türkische Regierung unterstützten und die Beschneidung der Rechte der Kurden in der Türkei guthießen, obgleich sie hierfür keine Anhaltspunkte gehabt hätten. Stattdessen hätten ihnen insoweit (nur) die Angaben Dritter genügt.
24
Diese Formulierung deutet darauf hin, dass die Jugendkammer die Angeklagten in der Pflicht sah, sich intensiver als geschehen darüber zu vergewissern , dass es sich bei den Geschädigten tatsächlich um Mitglieder der aus politischen Gründen angegriffenen Zielgruppe handelte. Zwar kann auch bei Vorsatzdelikten der Verstoß gegen eine bestehende gesonderte Pflicht beachtlich sein (vgl. Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 46 Rn. 17). Die hier vom Landgericht möglicherweise angenommene Pflicht besteht aber nicht. Soweit mit dieser Wendung zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass die Angeklagten bereit waren, für die Erreichung ihrer politischen Ziele auch an der politischen Auseinandersetzung unbeteiligte Dritte zu gefährden (zur willkürlichen Auswahl von Unbeteiligten vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 – 5 StR 306/03, NJW 2004, 3051, 3054), ist dies nicht belegt. Denn die Angeklagten gingen, wenn auch ohne weitere Absicherung, davon aus, nur politische Gegner zu treffen. Sollte diese Erwägung dahin zu verstehen sein, dass sich die Angeklagten leichtfertig zur Tatbegehung entschlossen haben, läge darin eine unzulässige straferschwerende Berücksichtigung der Tatbegehung überhaupt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2008 – 3 StR 425/08, NStZ-RR 2009, 73 mwN).
25
3. Die aufgezeigten Rechtsfehler lassen die Schuldsprüche bei den Angeklagten A. , U. , P. und Ce. wegen Landfriedensbruchs gemäß § 125, § 125a StGB aF unberührt. Zwar hat die Jugendkammer in Bezug auf diese Angeklagten rechtsfehlerhaft das Regelbeispiel des § 125a Satz 2 Nr. 4 2. Alternative StGB aF bejaht und bei dem Angeklagten Ce. auch das Regelbeispiel des § 125a Satz 2 Nr. 2 2. Alternative StGB aF ohne ausreichenden Beleg angenommen; die Urteilsgründe ergeben aber – jedenfalls in ihrem Gesamtzusammenhang –, dass das Landgericht bei diesen Angeklagten aufgrund ihres Zusammenwirkens mit „Waffenträgern“, des hohen angerichte- ten Gesamtschadens und ihrer bedeutenden Tatbeiträge (UA 126, 136/137) auch bereits die Voraussetzungen eines unbenannten besonders schweren Falls des § 125a Satz 1 StGB aF für gegeben erachtet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. September 1997 – 1 StR 730/96, BGHSt 43, 237, 240). Dass die Jugendkammer von der Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls gemäß § 125a Satz 1 StGB aF ohne den rechtsfehlerhaft angenommenen Strafschärfungsgrund der mangelhaften Vergewisserung über die politische Einstellung der Café-Gäste abgesehen hätte und deshalb eine Verurteilung (nur) wegen Landfriedensbruchs gemäß § 125 StGB aF neben der Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4, Abs. 2, §§ 22, 23 StGB infolge der Subsidiaritätsklausel des hier anzuwendenden § 125 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB aF ausgeschieden wäre (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2015 – 2 StR 310/15, NStZ 2016, 403, 404; Urteil vom 24. März 2011 – 4 StR 670/10, NStZ 2011, 576, 577 mwN), schließt der Senat aus.
26
4. Die Aufhebung war nach § 357 Satz 1 StPO – auch um dem neuen Tatrichter eine einheitliche Strafzumessung zu ermöglichen – auf die Strafaussprüche gegen die nicht revidierenden Angeklagten Y. , B. und K. S. zu erstrecken, weil der unter 2c) aufgezeigte Rechtsfehler auch bei ihnen vorliegt. Bei dem Angeklagten B. ist die Jugendkammer zudem fehlerhaft vom Vorliegen der Regelbeispiele des § 125a Satz 2 Nr. 2 und 4 StGB ausgegangen.
Sost-Scheible Roggenbuck Quentin
Feilcke Bartel

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 189/19 vom 6. August 2019 in der Strafsache gegen wegen Raubes mit Todesfolge ECLI:DE:BGH:2019:060819B3STR189.19.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhör

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Aug. 2019 - 3 StR 190/19

bei uns veröffentlicht am 06.08.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 190/19 vom 6. August 2019 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen zu 1.: Volksverhetzung u.a. zu 2.: Volksverhetzung ECLI:DE:BGH:2019:060819B3STR190.19.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung

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Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 161/17
vom
13. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:130917B2STR161.17.1

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. September 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 21. Dezember 2016, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen trafen am Abend des 20. Dezember 2015 der Mitangeklagte D. S. , der ältere Bruder des Angeklagten, und der stark alkoholisierte Nebenkläger an der U. in S. aufeinander. Möglicherweise kam es zwischen den beiden Männern zu einer verbalen Auseinandersetzung.
3
In der Folge erhielt der Angeklagte von D. S. einen Anruf, in dem dieser ihn aufforderte, ihm den Baseballschläger zu bringen, den er, D. S. , im Ankleidezimmer seiner Wohnung aufbewahre. Der Angeklagte folgte dem Ansinnen und begab sich mit dem Baseballschläger zu dem wenige Meter entfernten Kinderspielplatz an der U. . Er traf dort, wie verabredet, auf seinen Bruder und übergab ihm den Baseballschläger, damit dieser ihn gegen den Nebenkläger verwenden konnte. Über den geplanten Einsatz des Baseballschlägers hatte D. S. den Angeklagten zuvor am Telefon informiert.
4
Nachdem der Angeklagte seinem Bruder den Baseballschläger übergeben hatte, schlug dieser mit voller Wucht einmal auf den Kopf des Nebenklägers , der sofort zu Boden ging. Der Angeklagte und sein Bruder verließen den Tatort. D. S. veranlasste kurze Zeit später die Zeugin W. , einen Krankenwagen zu verständigen.
5
Der Schlag mit dem Baseballschläger war potentiell lebensgefährlich. Der Nebenkläger erlitt durch den Schlag eine Trümmerfraktur des Gehirn- und Gesichtsschädels sowie den dauerhaften Verlust des linken Augenlichts. Er musste längere Zeit stationär behandelt und mehrfach operiert werden. Bis heute leidet er physisch und psychisch unter den Folgen der Tat.

II.

6
Der Schuldspruch wegen „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5, 226 Abs. 1 Nr. 1, 1. Var., 25 Abs. 2, 52 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
1. Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objektiven Tatbeitrag leisten muss. Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungsoder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen. Wesentliche Anhaltspunkte können dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betroffenen abhängt (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 11. Juli 2017 - 2 StR 220/17, juris Rn. 6; BGH, Beschlüsse vom 23. Mai 2017 - 4 StR 617/16, juris Rn. 13; vom 22. März 2017 - 3 StR 475/16, juris Rn. 12; vom 2. Juli 2008 - 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26; Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254).
8
2. Gemessen hieran begegnet die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar weist die Strafkammer zutreffend darauf hin, dass in dem Überbringen und der Übergabe des als Tatwerkzeug verwendeten Baseballschlägers durch den Angeklagten ein wesentlicher Tatbeitrag zu sehen ist, der die anschließende Tatausführung durch D. S. überhaupt erst ermöglichte und maßgeblich prägte. Zudem war der Angeklagte am Tatort anwesend. Beides vermag aber, auch unter Berücksichtigung des tatrichterlichen Beurteilungsspielraumes (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 4 StR 617/16, juris Rn. 13), die Annahme von Mittäterschaft nicht zu rechtfertigen. Denn der Angeklagte hat weder die Tat initiiert, noch hat er an der unmittelbaren Tatausführung mitgewirkt. Auf die Auswahl des Tatopfers bzw. die Art der Tatausführung hatte er keinen Einfluss. Ein maßgebliches Tatinteresse ist nicht festgestellt.
9
Soweit die Strafkammer die Mittäterschaft mit dem „gemeinsamen Tatplan“ begründet, wird diese Annahme nicht durch die Feststellungen belegt. Denn der Mitangeklagte D. S. hatte im Zeitpunkt des Anrufes beim Angeklagten den Tatplan bereits gefasst und begehrte lediglich die Unterstützung seines Bruders durch Übergabe des Tatwerkzeugs.
10
Die Annahme der Kammer ein weiterer, die bisherige Tathandlung ergänzender, mittäterschaftlicher Tatbeitrag des Angeklagten habe darin gelegen, seinen Bruder am Tatort psychisch zu unterstützen, wird durch die Feststellungen ebenfalls nicht getragen. Die psychische Unterstützung eines Tatgenossen setzt voraus, dass die Tatbegehung objektiv gefördert oder erleichtert wird und dass dies dem unterstützenden Tatgenossen bewusst ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2014 - 5 StR 2/14, NStZ 2014, 351, 352; vom 30. April 2013 - 3 StR 85/13, NStZ-RR 2013, 249; Senat, Beschluss vom 17. März 1995 - 2 StR 84/95, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 14). Zum Beleg einer psychischen Unterstützung bedarf es genauer Feststellungen, insbesondere zur objektiv fördernden Funktion der Handlung sowie zu der entsprechenden Willensrichtung des Tatgenossen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2014 - 5 StR 2/14, NStZ 2014, 351, 352; vom 25. Oktober 2011 - 3 StR 206/11, NStZ 2012, 316).
11
Den Feststellungen ist weder zu entnehmen, dass die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort die Tathandlung seines Bruders psychisch förderte, noch, dass der Angeklagte mit einer entsprechenden Willensrichtung am Tatort verblieb. Es versteht sich keineswegs von selbst, dass D. S. von seinem jüngeren Bruder jenseits der Übergabe des Baseballschlägers eine weitere Unterstützung erbeten hätte. Denn der mit einem Baseballschlägerbewaffnete D. S. brauchte angesichts des hochgradig alkoholisierten Nebenklägers, der „ein leichtes“ und „weitgehend schutzloses Opfer“ war, für die geplante körperliche Attacke erkennbar keine weitergehende Unterstützung.
12
Letztlich wird auch die Annahme der Kammer, der Angeklagte habe ein „nicht unwesentliches“ eigenes Interesse am Taterfolg gehabt,nicht durch die Feststellungen getragen. Dass es dem Angeklagten darum ging, „die gekränkte Familienehre wieder herzustellen“, hat die Kammer nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Dies lässt sich insbesondere nicht aus der „problematischen Vorgeschich- te im Zusammenhang mit dem Geschädigten“ schließen. Denn die Feststellungen belegen weder, dass der Nebenkläger gegenüber einem Familienmitglied noch gegenüber den Hunden der Familie S. übergriffig geworden ist. Hinsicht- lich des „vermeintlichen“ Übergriffs auf die Schwester istlediglich festgestellt, dass es im Dezember 2015 zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Nebenkläger auf der einen und den Zeuginnen De. S. - der Schwester des Angeklagten - und deren Freundin L. -C. auf der anderen Seite gekommen war, in deren Folge der Nebenkläger mindestens einer der Damen mit der Hand einen „Klaps“ auf den Hinterkopf versetzt hatte.
13
Ob der nachtatlichen Behauptung des Angeklagten gegenüber der Zeugin W. , der Nebenkläger habe nach dem Hund des D. S. getreten, ein realer Tritt gegen den Hund zu Grunde lag, bleibt offen. Mit der naheliegenden Möglichkeit, dass diese Behauptung falsch war und allein zur Rechtfertigung der Tat vor der Zeugin W. diente, hat die Strafkammer sich nicht auseinandergesetzt. Dies hätte aber nahegelegen, zumal keiner der beiden Angeklagten im Rahmen der Einlassung einen tatsächlichen Tritt des Nebenklägers gegen den Hund des D. S. geschildert hat.
14
3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen zwar eine Beihilfe des Angeklagten zu einer gefährlichen Körperverletzung in den festgestellten drei Tatmodalitäten sowie zu einer tateinheitlich hierzu begangenen schweren Körperverletzung durch den Mitangeklagten D. S. (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 2. Var., 4 und 5, 226 Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2, 27 StGB). Eine Schuldspruchberichtigung kommt gleichwohl nicht in Betracht, da nicht auszuschließen ist, dass bei erneuter Verhandlung der Sache weitere Feststellungen getroffen werden können, die möglicherweise die Annahme von Mittäterschaft rechtfertigen.
Appl Krehl Zeng Grube Schmidt
13
Mittäterschaft liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – in Abgrenzung zur Beihilfe – dann vor, wenn ein Tatbeteiligter nicht bloß fremdes Tun fördern, sondern seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils will. Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, handelt mittäterschaftlich, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die gemeinschaftliche Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 2. März 2017 – 4 StR 196/16; vom 30. Juni 2005 – 5 StR 12/05, NStZ 2006, 44, 45; vom 15. Januar 1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291). Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (BGH aaO). Dabei ist dem Tatrichter – vor allem in Grenzfällen – ein Beurteilungsspielraum eröffnet, der revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann. Enthalten die Urteilsgründe eine hinreichende Darlegung aller maßgeblichen Gesichtspunkte, ist die tatrichterliche Wertung vom Revisionsgericht auch dann hinzunehmen, wenn im Einzelfall eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre (BGH aaO).

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 220/17
vom
11. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls
ECLI:DE:BGH:2017:110717B2STR220.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 11. Juli 2017 gemäß § 349Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 14. Februar 2017, soweit er verurteilt worden ist, mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten – nach vorläufiger Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Fälle 1 bis 8 gemäß § 154 Abs. 2 StPO sowie nach Einstellung des Verfahrens durch Prozessurteil hinsichtlich der Fälle 38, 39, 41 bis 43 wegen des Verfahrenshindernisses der Spezialität (richtig: Vollstreckungshindernis , vgl. Senat, Beschluss vom 16. November 2016 – 2StR 246/16, NStZ-RR 2017, 116 mwN) – wegen Diebstahls in drei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Entscheidung über den Anrechnungsmaßstab für die in Litauen erlittene Auslieferungshaft getroffen. Die dagegen gerichtete, auf die unausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg. Der Tatrichter hat die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten hinsichtlich der zur Tateinheit (§ 52 StGB) verbundener Diebstähle dreier Kraftfahrzeuge nicht tragfähig belegt.
2
1. a) Nach den Feststellungen reiste der Angeklagte am 7. Dezember 2015 gemeinsam mit dem gesondert verfolgten P. und einer weiteren, unbekannt gebliebenen männlichen Person mit dem Zug von Litauen über Polen nach Deutschland ein, um „zwei bis drei“ wertvolleKraftfahrzeuge zu entwenden und sie unmittelbar nach ihrer Entwendung nach Litauen zu verbringen. Die Beteiligten kamen überein, dass der Angeklagte das erste der zu entwendenden Kraftfahrzeuge über Polen nach Litauen fahren und hierfür eine Entlohnung in Höhe von 500,00 Euro erhalten sollte. Aufgrund dieser Abrede „wusste der Angeklagte, dass der gesondert verfolgte P. und die männliche, unbekannt gebliebene Person die Fahrzeuge entwenden würden. Ihm war gleichzeitig bewusst , dass ohne sein Mitwirken die geplante Entwendung von zwei bis drei Fahrzeugen nicht möglich sein würde. Denn jeder der drei Beteiligten sollte ei- nes der zu Stehlen beabsichtigten Fahrzeuge nach Litauen fahren“. Der Angeklagte erhielt von einem seiner Begleiter ein „Arbeitshandy“ ausgehändigt, über das er später Anleitungen für die genaue Fahrtroute nach Litauen erhalten sollte.
3
In Ausführung dieses Tatentschlusses entwendete der gesondert Verfolgte P. und die zweite, unbekannt gebliebene männliche Person am 8. Dezember 2015 gegen 1.00 Uhr in W. einen Pkw BMW 740d xDrive im Wert von mindestens 35.000 Euro. Der Angeklagte wartete während des Diebstahls absprachegemäß an einer Kreuzung in der Nähe des Tatorts. Etwa zwei bis drei Minuten nach dem Diebstahl wurde dem Angeklagten das „bereits gestartete“ Fahrzeug übergeben. Er stieg in das Fahrzeug ein und fuhr davon. Der gesondert verfolgte P. und der weitere Täter entwendeten „im unmit- telbaren Anschluss“ noch zwei weitere Kraftfahrzeuge, einen BMW 530d sowie einen BMW 535xd im Gesamtwert von rund 80.000,00 Euro und fuhren mit ihnen davon.
4
b) Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte als Mittäter der drei zur Tateinheit (§ 52 StGB) verbundenen Fahrzeugdiebstähle anzusehen sei. Nach seiner teilgeständigen Einlassung sei zu Beginn der Reise noch unklar gewesen, wer welchen konkreten Tatbeitrag erbringen solle. Daraus folge , dass der Angeklagte nicht nur zum Abtransport, sondern auch zur Entwendung der Fahrzeuge bereit gewesen sei. Der Abtransport des (ersten) Fahrzeugs durch den Angeklagten sei für den Taterfolg wesentlich gewesen, da ohne seine Mitwirkung die beiden weiteren Fahrzeuge nicht hätten entwendet werden können. Dies, so das Landgericht, habe dem Angeklagten „bewusst sein müssen“, da ihm die Technikdes Kraftfahrzeugdiebstahls – die Entwendung von mit einem so genannten „Keyless-Go-System“ ausgestatteten Kraftfahrzeugen unter Einsatz eines „Funkwellenverlängerers“ – bekannt gewesen sei. Er habe auch ein erhebliches eigenes Interesse am Taterfolg gehabt, weil er „für den Abtransport des ersten Fahrzeugs“ 500,00 Eurohabe erhalten sollen.
5
2. Diese Feststellungen und Erwägungen tragen die Annahme von Mittäterschaft nicht.
6
a) Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objektiven Tatbeitrag leisten muss. Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen. Wesentliche Anhaltspunkte können dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Mai 2017 – 4 StR 617/16, juris Rn. 13; vom 22. März 2017 – 3 StR 475/16, juris Rn. 12; Urteil vom 17. Oktober2002 – 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; Beschluss vom 2. Juli 2008 – 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26).
7
b) Gemessen hieran begegnet die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Allein die festgestellte vorherige Kenntnis des Angeklagten von der Tat und sein Wille, diese als gemeinsame anzusehen, kann eine Mittäterschaft nicht begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2015 – 3 StR 336/15, NStZ-RR 2016, 6, 7; vgl. aber auch BGH, Urteil vom 15. Juli 1999 – 5 StR 155/99, NStZ 1999, 609, 610; MüKoStGB/Joecks, 3. Aufl., § 25 Rn. 27 ff.). Soweit das Landgericht in den festgestellten Tatbeiträgen des Angeklagten – der im Vorfeld der Tat erfolgten Zusage, das erste der entwendeten Kraftfahrzeuge zu übernehmen und nach Litauen zu überführen sowie der unmittelbar nach der Entwendung des ersten Fahrzeugs erfolgten Übernahme und des Fahrtantritts in Richtung Litauen – die Tatbestandsverwirklichung fördernde Tatbeiträge angesehen hat, begegnet dies zwar für sich genommen keinen Bedenken. Das Landgericht hat jedoch nicht erkennbar geprüft, ob der an einer Kreuzung in Tatortnähe wartende An- geklagte Tatherrschaft oder jedenfalls den Willen zur Tatherrschaft hatte. Dies verstand sich vorliegend in Ansehung aller Umstände des Einzelfalls nicht von selbst. Hinzu tritt, dass der Tatrichter nicht erkennbar in seine Erwägungen einbezogen hat, dass der Angeklagte sich nach Übergabe des ersten Fahrzeugs mit diesem vom Tatort entfernt hat und die Ausführung der weiteren Diebstähle – soweit ersichtlich – seinem Einfluss und seinem Willen entzogen waren. Zwar hat das Landgericht – im rechtlichen Ansatzpunkt zutreffend – in seine Erwägungen eingestellt, dass der Angeklagte ein erhebliches eigenes Tatinteresse hatte, und dies damit begründet, dass er „für den Abtransport des ersten Fahr- zeugs“ eine Entlohnungin Höhe von 500,00 Euro erhalten sollte. Damit ist ein erhebliches Eigeninteresse des Angeklagten an der Entwendung auch der beiden weiteren Kraftfahrzeuge jedoch nicht belegt. Darüber hinaus hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Erwägungen eingestellt, dass der Angeklagte von P. und dem unbekannt gebliebenen weiteren Täter ein so genanntes Arbeitshandy ausgehändigt erhielt, über das ihm Anweisungen für die Rückreise erteilt werden sollten; dies hätte in die gebotene umfassende Abwägung aller für und gegen eine Mittäterschaft sprechenden Umstände eingestellt werden müssen.
8
Schließlich ist die tatrichterliche Annahme, dass die drei Diebstähle im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehen, nicht tragfähig belegt. Das Landgericht hat seine Auffassung nicht näher begründet. Zwar kommt die Annahme von drei im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehender Taten des Diebstahls in Betracht, wenn zwischen allen drei Taten ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang bestand, aufgrund dessen sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise als einheitliches Tun erweist (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 – 3 StR 54/16, NStZ-RR 2016, 274, 275; Beschluss vom 27. Juni 1996 – 4 StR 166/96, NStZ 1996, 493, 494). Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte und die beiden weiteren Täter alle drei Fahr- zeuge vorab als Tatobjekte ausgekundschaftet und sich zur Entwendung dieser Kraftfahrzeuge entschlossen hatten, sind – ungeachtet des Umstands, dass dies in Ansehung der organisiert wirkenden Gesamtumstände der Tat nicht fern liegt – nicht festgestellt. Darüber hinaus ist den Urteilsgründen zwar zu entnehmen , dass, allerdings nur die beiden ersten Kraftfahrzeuge, in ein und derselben Straße entwendet worden sind. Ob damit in räumlicher und in zeitlicher Hinsicht ein ausreichend enger Zusammenhang hinsichtlich aller drei Diebstähle gegeben ist, der die Annahme von Tateinheit belegt, hätte jedoch näherer Feststellung und Erörterung bedurft. Die Annahme von Tateinheit kann sich in der vorliegenden Fallkonstellation zum Nachteil des Angeklagten auswirken und deshalb nicht zu seinen Gunsten unterstellt werden.
9
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Appl RiBGH Prof. Dr. Krehl Zeng ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Appl Bartel RBGH Dr. Grube ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Appl

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

In besonders schweren Fällen des § 125 Abs. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schußwaffe bei sich führt,
2.
eine andere Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
3.
durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
4.
plündert oder bedeutenden Schaden an fremden Sachen anrichtet.

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BESCHLUSS
2 StR 310/15
vom
2. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:021215B2STR310.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 2. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 16. März 2015 mit den Feststellungen aufgehoben ; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bestehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Landfriedensbruch und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt , eine Entscheidung nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB getroffen und ihn im Übrigen freigesprochen. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
2
Das Landgericht ist von einem besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs ausgegangen, weil der Angeklagte sich die Verwirklichung des Regelbeispiels in § 125a Satz 2 Nr. 2 StGB durch seine Mittäter zurechnen lassen müsse. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundegerichtshofs können die Regelbeispiele des § 125a Satz 2 StGB allerdings nur eigenhändig verwirklicht werden (vgl. zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 9. September 1997 - 1 StR 730/96, BGHSt 43, 237, 240). Da den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen ist, dass der Angeklagte selbst eines der Regelbeispiele in eigener Person verwirklicht hat, ist für die Annahme eines besonders schweren Falles des Landfriedensbruchs insoweit kein Raum.
3
Dies hat zur Folge, dass der Landfriedensbruch nach § 125 Abs. 1 StGB aufgrund der Subsidiaritätsklausel hinter die vom Angeklagten verwirklichte gefährliche Körperverletzung zurücktritt; insoweit bedingt der Wegfall des besonders schweren Falles nach § 125a Satz 2 Nr. 2 StGB eine Korrektur des Schuldspruchs. Der Senat stellt indes den Schuldspruch nicht um, sondern hebt ihn insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, das Vorliegen eines unbenannten besonders schweren Falles des Landfriedensbruchs nach § 125a Satz 1 StGB zu prüfen. Würde das Landgericht von der Verwirklichung eines unbenannten besonders schweren Falles ausgehen, bedürfte es insoweit einer Änderung des Schuldspruchs nicht.
4
Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der Feststellungen nach sich; die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können jedoch bestehen bleiben.
5
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass auch eine Verurteilung nach § 231 StGB in Betracht kommt und – entsprechend dem Hinweis des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 3. August 2015 - näher zu prüfen sein wird, ob Tateinheit zwischen Fahren ohne Fahrerlaubnis zum Tatort und den späteren Übergriffen gegen das Tatopfer anzunehmen ist. Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng

In besonders schweren Fällen des § 125 Abs. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schußwaffe bei sich führt,
2.
eine andere Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
3.
durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
4.
plündert oder bedeutenden Schaden an fremden Sachen anrichtet.

(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.

(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Wer aus terroristischen Motiven gezielt an der politischen
Auseinandersetzung unbeteiligte Dritte durch einen
Sprengstoffanschlag tötet, handelt aus niedrigen Beweggründen
(Sprengstoffanschlag auf die Berliner Diskothek
"La Belle" im Jahre 1986).
BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 - LG Berlin
5 StR 306/03 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 24. Juni 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 15. und 24. Juni 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof K ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof F
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Ko ,
Rechtsanwalt L
als Verteidiger des Angeklagten C ,
Rechtsanwalt P ,
Rechtsanwalt Ka
als Verteidiger des Angeklagten A C ,
Rechtsanwältin G ,
Rechtsanwältin Kr
als Verteidigerinnen der Angeklagten V C ,
Rechtsanwalt Kl ,
Rechtsanwalt Li ,
Rechtsanwalt R
als Verteidiger des Angeklagten E ,
Rechtsanwalt S ,
Rechtsanwältin W
als Verteidiger der Angeklagten H ,
Rechtsanwältin B ,
Rechtsanwalt D ,
Rechtsanwalt Eh ,
Rechtsanwalt Fo ,
Rechtsanwalt Fr ,
Rechtsanwalt Ga ,
Rechtsanwalt Gr ,
Rechtsanwalt Groe ,
Rechtsanwalt Gro ,
Rechtsanwalt Hi ,
Rechtsanwalt Ho ,
Rechtsanwalt Kar ,
Rechtsanwalt Kö ,
Rechtsanwalt La ,
Rechtsanwältin Le ,
Rechtsanwalt Lei ,
Rechtsanwalt M ,
Rechtsanwalt Mü ,
Rechtsanwalt N ,
Rechtsanwältin Pl ,
Rechtsanwalt Plö ,
Rechtsanwalt Ro ,
Rechtsanwalt Sc ,
Rechtsanwalt Sch ,
Rechtsanwalt Schu ,
Rechtsanwältin Se ,
Rechtsanwalt Wa ,
Rechtsanwalt We ,
Rechtsanwältin Wo ,
Rechtsanwalt Wol ,
Rechtsanwalt Wr
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte Re ,
Justizangestellte Wah
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
am 24. Juni 2004 für Recht erkannt:
Die Revisionen 1. der Staatsanwaltschaft, 2. der beschwerdeführenden Nebenkläger Ba , Be , Br , Ed , El , Fre , Gra , Kan , Laub , Mar , Mas , Mc C , Mö , I und M N , No , Nu , Pf , Red und St sowie 3. der Angeklagten V C , A C , C und E gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. November 2001 werden verworfen.
Die Angeklagten V C , A C , C und E tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel und die den nicht beschwerdeführenden Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen. Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten durch diese Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen. Die beschwerdeführenden Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Der Nebenkläger Br trägt die durch sein Rechtsmittel der Angeklagten H entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagte V C wegen (gemeinschaftlich begangenen) dreifachen Mordes in Tateinheit mit 104fachem ver- suchten Mord und vorsätzlicher Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie die Angeklagten A C , C und E wegen Beihilfe hierzu zu Freiheitsstrafen zwischen 12 und 14 Jahren verurteilt; die Angeklagte H hat es freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihren – auch mit Verfahrensrügen begründeten – Revisionen in der Sache dagegen , daß die Angeklagten A C , C und E nicht wegen mittäterschaftlicher Beteiligung an der Tat verurteilt worden sind, daß der Angeklagten V C eine erhebliche Verminderung ihrer Steuerungsfähigkeit strafmildernd zugute gehalten und bei keinem der Angeklagten das weitere Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe angenommen worden ist; die Staatsanwaltschaft erstrebt letztlich eine Verurteilung dieser vier Angeklagten zu lebenslangen Freiheitsstrafen. Die Nebenkläger wenden sich mit unterschiedlichen Anträgen ebenfalls gegen die unterbliebene mittäterschaftliche Verurteilung. Ferner wird von einem Nebenkläger der Freispruch der Angeklagten H angefochten. Auch die verurteilten Angeklagten haben Revisionen eingelegt.
Alle Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

A.

Sachverhalt
Nach den Feststellungen des Landgerichts bestanden seit Januar 1986 wachsende Spannungen zwischen den USA und Libyen. Etwa Mitte März 1986 beauftragten libysche Dienststellen das in Ost-Berlin gelegene „Libysche Volksbüro“ (die für die DDR zuständige libysche Auslandsvertretung , im folgenden: LVB), in Deutschland Anschläge gegen amerikanische Einrichtungen zu begehen.
Zunächst wurde im LVB geplant, einen amerikanischen Bus, der täglich – mit amerikanischen Soldaten besetzt – zwischen West- und Ost-Berlin verkehrte, auf Ost-Berliner Gebiet mit Waffen anzugreifen. Der Angeklagte C war Mitglied der palästinensischen Terrororganisation PFLP-GC und am LVB als sogenannter technischer Mitarbeiter akkreditiert. Er wurde in diese Planung mit eingebunden; sein Diplomatenfahrzeug sollte bei dem Anschlag eingesetzt werden. Der Angeklagte E hielt sich 1985 und 1986 in Ost-Berlin auf. Er war Angestellter des libyschen Propagandaministeriums sowie Mitglied sogenannter Revolutionskomitees. Er hatte häufiger Kontakt zum LVB und lernte dabei den Angeklagten C kennen. Ohne selbst in den Anschlagsplan eingebunden zu sein, wußte er davon und unternahm nichts dagegen. Der Angeklagte A C lebte seit 1976 in West-Berlin. Er wurde 1982 vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) als informeller Mitarbeiter (IM) angeworben und hatte die Aufgabe, insbesondere über Araber in West-Berlin Informationen zu beschaffen. Über seine Treffen mit den Angeklagten C und E , auch über geplante Aktionen gegen Amerikaner , berichtete er seinem Führungsoffizier. Vermutlich wegen der daraufhin vom MfS veranlaßten Überwachungsmaßnahmen wurde der Plan, einen Anschlag auf den amerikanischen Bus in Ost-Berlin zu verüben, aufgegeben.
Spätestens am 19. März 1986 wurde stattdessen der Plan entwickelt, denselben Bus in West-Berlin mit Waffen anzugreifen. Zur Vorbereitung einer solchen Tat transportierte der Angeklagte C gemeinsam mit einem im LVB tätigen diplomatischen Kurier Pistolen und Handgranaten von Ost- nach West-Berlin. Die Angeklagten C , A C und E nahmen an einem Gespräch über Einzelheiten des geplanten Anschlags teil. Wegen der Weigerung des hieran beteiligten, der PFLP-GC nahestehenden A J , an der Tat mitzuwirken, wurde auch dieser Plan im LVB nicht weiter verfolgt. Die Angelegenheit fand durch den Rücktransport der Waffen einen tatsächlichen Abschluß.
Zwischen dem 20. und 25. März 1986 sahen sich die Angeklagten E und A C gemeinsam mit dem der PFLP-GC nahestehenden I M in West-Berlin befindliche amerikanische Einrichtungen an, um aufzuklären , ob sie für einen Anschlag in Betracht kamen. Diese Objekte wurden jedoch von den im LVB tätigen Diplomaten A K und A E als potentielle Anschlagsziele verworfen.
Den weiteren Geschehensablauf zwischen dem 25. und 30. März 1986 konnte das Landgericht nur teilweise aufklären. Von Personen aus dem Umfeld des LVB wurde gezielt nach von Amerikanern besuchten Diskotheken in West-Berlin gesucht. Am 29. März 1986 teilte der Angeklagte A C seinem Führungsoffizier die Namen von drei Diskotheken mit, die in die engere Wahl gezogen wurden. Spätestens am 30. März 1986 übergab der Angeklagte A C dem Angeklagten E einen von der Angeklagten V C geschriebenen Zettel mit den Namen und Anschriften dieser drei Diskotheken. Der Hintergrund der Entstehung dieses Zettels konnte nicht aufgeklärt werden. Bei der Einreise des Angeklagten E am 30. März 1986 von West- nach Ost-Berlin entdeckten Kontrollorgane der DDR den Zettel und fertigten eine Fotokopie, die an das MfS weitergeleitet wurde. Der Angeklagte E übergab danach den Zettel an den Diplomaten A K . Im LVB wurde die Diskothek „La Belle“ als Anschlagsziel festgelegt. Das Landgericht hat zu Gunsten aller Angeklagten nicht ausgeschlossen , daß diese an der Festlegung des Anschlagsziels nicht beteiligt waren.
Spätestens zwischen dem 30. März und dem 4. April 1986 erfuhren die Angeklagten E und C , daß im LVB entschieden worden war, einen Bombenanschlag auf die Diskothek „La Belle“ zu verüben. Unter Verwendung von 1.500 Gramm Plastiksprengstoff, den das LVB bereitstellte, sollte in der in Berlin-Kreuzberg gelegenen Wohnung der Angeklagten V C in Anwesenheit der Angeklagten V und A C eine Bombe gebaut werden; V C sollte veranlaßt werden, diese Bombe in die Diskothek zu bringen und dort zu zünden.
Die Angeklagten E und C entschlossen sich vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen den USA und Libyen, sich an diesem Anschlag zu beteiligen und letztlich den USA Schaden zuzufügen; der Angeklagte E hoffte hierdurch auch, seine Chancen für eine Akkreditierung am LVB zu erhöhen. Die Motive der Angeklagten V C , die ebenso wie der Angeklagte A C als IM für das MfS tätig war, ihre Wohnung zur Verfügung zu stellen und den Anschlag auszuführen, sind unklar geblieben. Auch beim Angeklagten A C hat sich die Strafkammer keine sichere Überzeugung von dessen Tatmotiv verschaffen können.
Am 4. April 1986 übernahm die Ehefrau des Angeklagten C im LVB den Sprengstoff und überbrachte ihn der Angeklagten V C . Am selben Abend wurde in der Wohnung der Angeklagten V C mit dem Sprengstoff und einer Zündvorrichtung eine Bombe zusammengesetzt. In der Wohnung befanden sich zu diesem Zeitpunkt die Angeklagten V und A C , C und E sowie die Freigesprochene H , eine Schwester der Angeklagten V C . Eine aktive Beteiligung der Angeklagten an der Zusammensetzung der Bombe hat die Strafkammer bei keinem Angeklagten festzustellen vermocht. Wer von den Angeklagten die Bombe zusammensetzte und wer die Angeklagte V C in die Funktionsweise der Bombe einwies, konnte nicht festgestellt werden. Vor dem Hintergrund divergierender Angaben der Angeklagten E und A C ist zugunsten eines jeden der Angeklagten E , C und A C davon ausgegangen worden, daß jeweils die beiden anderen die Bombe zusammensetzten.
Zwischen 22.00 und 23.00 Uhr verließen die Angeklagten E , C und A C die Wohnung. Auf Nachfrage der Angeklagten V C erklärte sich ihre Schwester bereit, mit in die Diskothek „La Belle“ zu gehen , wobei diese möglicherweise lediglich davon ausging, zu einem „normalen“ Diskothekenbesuch aufgefordert zu werden. Die Angeklagte V C transportierte die Bombe in einer Tasche zur Diskothek, aktivierte
den Zeitzünder und verließ mit ihrer Schwester die Diskothek, in der sich über 200 Menschen aufhielten. Gegen 1.45 Uhr des 5. April 1986 explodierte die Bombe. Drei Menschen starben an ihren durch die Explosion verursachten schweren Verletzungen. Zahlreiche weitere Besucher sowie Angestellte des Lokals erlitten Verletzungen unterschiedlichen Grades.

B.


Revisionen der Staatsanwaltschaft
I. Verfahrensrügen
1. Mit zwei Verfahrensrügen beanstandet die Beschwerdeführerin eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO), weil das Landgericht die im Ermittlungsverfahren gemachten Aussagen des Angeklagten E nicht verwertet hat.

a) Sie macht zunächst geltend, das Landgericht habe hinsichtlich dieser Aussagen zu Unrecht ein Verwertungsverbot gemäß § 136a Abs. 3 StPO bejaht. Dazu trägt sie vor:
Der Angeklagte E habe bei einer Vernehmung in der deutschen Botschaft auf Malta vom 10. September 1996 und bei vier Folgevernehmungen in Deutschland zwischen Oktober und Dezember 1996 geständige Angaben gemacht. Die Strafkammer habe diese Angaben des Angeklagten aus dem Ermittlungsverfahren zu Unrecht nicht verwertet. Entgegen ihrer Auffassung sei in dem rechtlichen Hinweis, den die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten E vor dessen erster Vernehmung gegeben habe, keine Täuschung im Sinne von § 136a StPO zu sehen. Auf der fehlerhaften Annahme eines Verwertungsverbotes beruhe das angefochtene Urteil auch: Hätte das Landgericht die Angaben des Angeklagten E berücksichtigt, hätte es zumindest
die Angeklagten C und A C nicht nur wegen Beihilfe zum Mord, sondern wegen gemeinschaftlicher Tatbegehung verurteilen müssen.
Nach Auffassung des Tatrichters ist der Angeklagte E dadurch getäuscht worden, daß in ihm der irrige Eindruck erweckt wurde, geständige Angaben würden sich unabhängig von dem Gewicht des eingeräumten Tatbeitrags bei einer Verurteilung mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich strafmildernd für ihn auswirken. Dies sei geschehen, obwohl der Angeklagte E zum damaligen Zeitpunkt des mehrfachen mittäterschaftlichen Mordes beschuldigt wurde und bei Mord lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen ist, ohne daß wegen eines Geständnisses diese Strafe gemildert werden kann. Der Aussage des für den entsprechenden Hinweis an den Angeklagten E verantwortlichen Oberstaatsanwalts in der Hauptverhandlung, er habe das Geständnis als Anhaltspunkt für eine Prüfung der Schwere der Schuld nach § 57a StGB angesehen, ist die Strafkammer nicht gefolgt.

b) Die Rüge ist nicht ordnungsgemäß erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Der Beschwerdeführer, der eine Verletzung des Verfahrensrechts geltend machen will, muß die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig und genau angeben, daß das Revisionsgericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (BGHSt 3, 213, 214; 21, 334, 340; 29, 203; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Befangenheitsrüge 1, Beweisantragsrecht 2, Beweiswürdigung 3, letztes Wort 1, 3 und Verwertungsverbot 5; st. Rspr.).
Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft hier nicht. Das Landgericht hat bei seiner in den Urteilsgründen vorgenommenen Beweiswürdigung zum Inhalt des Gesprächs im Hotel einen Vermerk des Oberstaatsanwalts vom 3. Dezember 1996 herangezogen, wo-
nach „der Angeklagte E für seine Tat mit vier bis sieben Jahren Freiheitsstrafe zu rechnen“ habe (UA S. 198). Ohne vollständige Kenntnis dieses Vermerks, den die Revision nicht mitteilt, kann der Senat nicht prüfen, ob es sich bei dem rechtlichen Hinweis an den Angeklagten E um eine Täuschung des Angeklagten oder allenfalls um eine doppeldeutige Erklärung gehandelt hat.

c) Demnach kommt es auf die weitere erhobene Beanstandung, daß im Urteil die im Ermittlungsverfahren gemachten Aussagen des Angeklagten E auch wegen eines Verstoßes gegen die Benachrichtigungspflicht des § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO als unverwertbar behandelt werden, nicht mehr an. Die Rüge kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das Landgericht für diese Aussagen die Annahme eines nach § 136a Abs. 3 StPO bestehenden Verwertungsverbots bejaht hat, das von der Revision nicht wirksam angefochten worden ist.
2. Soweit die Beschwerdeführerin mit der Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) die unterbliebene Vernehmung der Zeugen He und Gav rügt, kann sie keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat die Ablehnung des zugehörigen Beweisantrags rechtsfehlerfrei auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützt. Nach dieser Bestimmung kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen abgelehnt werden, wenn dessen Vernehmung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist, ohne daß die Erreichbarkeit dieses Zeugen geprüft werden müßte (BGHSt 40, 60, 62; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 244 StPO Rdn. 43 f.).
Es ist schon zweifelhaft, ob der Revisionsvortrag der Staatsanwaltschaft vollständig ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Es fehlt nämlich an jeglichen näheren Angaben zum aktenmäßig erfaßten Hintergrund für die benannten Zeugen, dessen Kenntnis für die Beurteilung nach § 244 Abs. 5
Satz 2 i. V. m. Abs. 2 StPO wesentlich wäre. Jedenfalls ist die Rüge unbe- gründet.
Bei der Beurteilung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO darf der Tatrichter das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme zugrunde legen. Mit Rücksicht hierauf hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei dargelegt, daß selbst dann, wenn die Zeugen die behaupteten Tatsachen bekundet hätten, aufgrund der zu den Beweisthemen bereits durchgeführten Beweisaufnahme keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten gewesen wären, die ihre Überzeugung hätten beeinflussen können. Im Hinblick auf das prahlerische Verhalten des Angeklagten C ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer aus dessen behaupteten Angaben gegenüber dem Zeugen He nicht auf einen Täterwillen schließen wollte. Daß der Angeklagte C Anschläge mit dem Diplomaten A K gemeinsam plante, war entgegen dem Revisionsvorbringen nicht Gegenstand des Beweisantrags.
3. Ohne Erfolg bleibt auch die Aufklärungsrüge, mit der sich die Revision dagegen wendet, daß der Tatrichter nicht gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO die 1991 erfolgte polizeiliche Beschuldigtenvernehmung und die 1993 stattgefundene richterliche Zeugenvernehmung des ausländischen Zeugen A verlesen hat. Die Beschwerdeführerin teilt schon nicht mit, aufgrund welcher Umstände die Strafkammer nach Ablauf von fast acht Jahren davon hätte ausgehen müssen, daß die tatsächlichen Grundlagen für eine Verlesung, auf die sich die Beschwerdeführerin berief, noch fortbestanden. Auch brauchte der Tatrichter aus den unter Beweis gestellten Tatsachen nicht den von der Beschwerdeführerin gewünschten Schluß auf einen Täterwillen des Angeklagten C zu ziehen.
II. Sachrüge
Ohne durchgreifenden Erfolg beanstanden die – insoweit vom Generalbundesanwalt vertretenen – Revisionen der Staatsanwaltschaft mit der
Sachrüge, das Landgericht hätte die Angeklagten C , A C und E als Mittäter bestrafen müssen, im Falle der Angeklagten V C nicht eine erhebliche Verminderung ihrer Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB zugrunde legen dürfen und bei allen vier Angeklagten das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe bejahen müssen.
1. Angeklagte C , A C und E

a) Soweit sich die Staatsanwaltschaft zum Nachteil dieser Angeklagten mit dem Ziel höherer Bestrafung gegen deren Verurteilung nur wegen Beihilfe zum Mord wendet, hat sie keinen Erfolg.
aa) Mittäterschaft liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann vor, wenn ein Tatbeteiligter nicht bloß fremdes Tun fördern will, sondern seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils will. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfaßt sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (BGHSt 37, 289, 291; BGH StV 1998, 540 m.w.N.). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Läßt das angefochtene Urteil erkennen, daß der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (BGH StV 1998, 540 m.w.N.).
bb) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hätte es womöglich näher gelegen, die Angeklagten als Mittäter und nicht als bloße
Gehilfen anzusehen. Der Senat muß jedoch berücksichtigen, daß das Landgericht bei der gegebenen ungewöhnlich schwierigen und teilweise kargen Beweislage für sich rechtsfehlerfrei zum unmittelbaren Tatgeschehen grundsätzlich nur Mindestfeststellungen, die durch Tatsachen oder übereinstimmende Angaben mehrerer Angeklagter getragen werden, der Beweiswürdigung zugrunde gelegt hat. Zudem sind die Angeklagten nicht die Drahtzieher und eigentlichen Initiatoren des Sprengstoffanschlags; dessen Ziel wurde im LVB festgelegt, das auch den bei der Tat verwendeten Sprengstoff lieferte.
Deshalb ist unter Berücksichtigung der maßgeblichen Kriterien die Entscheidung des Landgerichts, die Angeklagten C , A C und E seien Gehilfen und nicht Mittäter gewesen, aus revisionsrechtlicher Sicht hinzunehmen. Das Landgericht hat darauf abgestellt, daß keiner dieser Angeklagten am Transport der Bombe in die Diskothek und an der Auslösung des Zündmechanismus beteiligt oder auch nur anwesend war, als die Angeklagte V C in der Diskothek die Zündung auslöste. Das Landgericht hat weiter bedacht, daß die im LVB tätigen leitenden Mitarbeiter – die beide auch dem libyschen Geheimdienst angehörten – die „Federführung hinsichtlich aller Überlegungen und Planungsschritte“ innehatten (UA S. 351, 359, 364).
Die Strafkammer konnte sich hinsichtlich der Feststellungen zur unmittelbaren Vorbereitung und Durchführung des Anschlags nur auf die Einlassungen der Angeklagten E und A C sowie zum Ablauf des Zusammentreffens in der Wohnung am 4. April 1986 zusätzlich auf die Angaben der Angeklagten V C stützen. Andere Beweismittel, insbesondere die Vernehmung von Zeugen, waren unergiebig. Die Einlassungen der Angeklagten A C und E zur Planung von Anschlägen gegen amerikanische Einrichtungen im März 1986 sowie zur Vorbereitung des konkreten Bombenanschlags wichen erheblich voneinander ab. Der Tatrichter hat sich auch nach Auseinandersetzung mit sämtlichen Einzelheiten beider Einlassungen und ihrer umfassenden Würdigung nicht in der Lage gesehen,
eine der beiden Einlassungen als zuverlässiger im Vergleich zur anderen Einlassung anzusehen. Daher ist das Landgericht den Angaben, soweit sie Belastungen anderer zum Gegenstand haben, mit großer Sorgfalt begegnet und hat letztlich seine Feststellungen auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ dieser Einlassungen gestützt, soweit nicht durch weitere Beweismittel eine Einlassung eines Angeklagten zur Überzeugung des Landgerichts bestätigt wurde. Deshalb konnten an vielen Stellen die Einlassungen der Angeklagten zwar nicht als Grundlage für sichere Feststellungen dienen, andererseits aber auch nicht zur Überzeugung der Strafkammer widerlegt werden, so daß insoweit nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ von der jeweils günstigeren Variante für den einzelnen Angeklagten ausgegangen wurde.
Im Hinblick auf einen Anschlag auf einen amerikanischen Bus konnte die Strafkammer nur feststellen, daß die Angeklagten in nicht näher zu ermittelnder Weise an letztlich abgebrochenen Planungen beteiligt waren. Hinsichtlich des Anschlags auf die Diskothek konnte ebenfalls nicht festgestellt werden, daß die Angeklagten an der Planung und Vorbereitung beteiligt waren. Nach den Urteilsgründen ist davon auszugehen, daß die Angeklagten C und E aus dem LVB lediglich angewiesen wurden, in der Wohnung durch ihre Anwesenheit die Realisierung des Tatplans zu unterstützen, daß sie auch nur diese Rolle einnehmen wollten und daß dem Angeklagten A C erst nach Betreten der Wohnung der konkrete Tatplan bekannt wurde. Über die Anwesenheit in der Wohnung und die dadurch für die anderen Beteiligten zum Ausdruck gebrachte Billigung und Unterstützung des Vorhabens hinaus konnten keine weiteren Tatbeiträge der Angeklagten festgestellt werden. Zugunsten eines jeden einzelnen hat die Strafkammer ohne Rechtsfehler unterstellt, daß er am Bau der Bombe nicht aktiv mitgewirkt hat.
Zwar hat der Tatrichter bei seiner Abwägung nicht ausdrücklich erörtert , daß alle drei Angeklagte an einer Zusammenkunft mit A J , der für eine Beteiligung an dem beabsichtigten Anschlag auf einen amerikanischen Bus vorgesehen war, teilgenommen haben. Entgegen der Auffassung
der Revision ist dieser Umstand jedoch nicht aussagekräftig im Hinblick auf eine mögliche Mittäterschaft der Angeklagten. Es konnte nicht festgestellt werden, welche Rolle die Angeklagten bei diesem Gespräch spielten und welche Aufgaben ihnen bei dem geplanten Anschlag zukommen sollten.
Auch sonst liegen keine Umstände vor, die den Tatrichter an einer Bewertung der Tatbeiträge der Angeklagten als Beihilfe hindern mußten. Insbesondere ergeben diese sich nicht notwendig aus den Feststellungen zur Art ihrer Anbindung an das LVB und zu ihren sonstigen Aktivitäten. Daß danach eine abweichende tatrichterliche Wertung – insbesondere bei den Angeklagten E und C , auch angesichts ihrer festgestellten politischen Motivation – durchaus möglich gewesen wäre, begründet noch keinen Anlaß zu einem Eingreifen durch das Revisionsgericht.

b) Das Landgericht hat die Tat rechtsfehlerfrei als heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen Mord beurteilt. Der Tatrichter hat aber das Vorliegen des weiteren Mordmerkmals einer Tötung aus niedrigen Beweggründen verneint, weil „das politische Motiv ... dieses Mordmerkmal (nicht) ausfüllen“ könne, „zumal hierbei dem Bewertungspluralismus Rechnung zu tragen“ sei (UA S. 356, 357). Diese Wertung ist unzutreffend und wird zu Recht von der Staatsanwaltschaft, der sich etliche Nebenkläger angeschlossen haben, beanstandet. Zudem lassen die Ausführungen des Landgerichts besorgen, daß es die Voraussetzungen für die Annahme einer Beihilfe zum Mord aus niedrigen Beweggründen verkannt hat.
Wegen Beihilfe zum Mord aus niedrigen Beweggründen können die Angeklagten dann verurteilt werden, wenn V C oder deren Mittäter – die libyschen Drahtzieher und eigentlichen Initiatoren des Sprengstoffanschlags – aus niedrigen Beweggründen gehandelt haben und sie selbst als Gehilfen ihre Tatbeiträge entweder ebenfalls aus niedrigen Beweggründen oder in Kenntnis der niedrigen Beweggründe der Mittäter er-
bracht haben (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1996, 384, 385 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen vor.
Wer aus terroristischen Motiven gezielt an der politischen Auseinan- dersetzung unbeteiligte Dritte durch einen Sprengstoffanschlag tötet, handelt aus niedrigen Beweggründen. Solches trifft ersichtlich für die maßgeblichen libyschen Hinterleute dieses Anschlags wie auch für die Angeklagten C , A C und E selbst zu.
Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (vgl. BGHSt 35, 116, 127; BGH StV 1996, 211, 212). Die hierzu von der Strafkammer festgestellten Umstände lassen die Wertung des Beweggrundes als „niedrig“ durch den Senat zu. Die zufällige, unterschiedslose und deshalb willkürliche Auswahl von unbeteiligten Menschen als Opfer rechtfertigt die Einstufung der Motivation als „niedrig“ (vgl. BGHSt 47, 128, 132 m.w.N.; Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 27; Schneider in MünchKomm-StGB § 211 Rdn. 79, 85). Das „Startbahn -West-Urteil“ des Bundesgerichtshofs (NStZ 1993, 341; ablehnend dazu Jähnke und Schneider aaO) steht dieser Wertung nicht entgegen, weil der dortige Einzelfall sowohl in der Tatmotivation als auch in der Auswahl der Opfer wesentliche Besonderheiten aufwies; im vorliegenden Fall waren die Opfer völlig unbeteiligt. Zudem ist der regelmäßig verheerend wirkende unkontrollierbare Einsatz von Bomben oder Minen von vornherein eklatant menschenverachtend (vgl. BGHSt 40, 218, 232; 44, 204, 209; v. Selle NJW 2000, 992, 996).
Auf die Herkunft der Angeklagten aus dem Libanon bzw. aus Libyen, wo der Sprengstoffanschlag auf die Diskothek möglicherweise aus politischer
Verblendung und weitgehender Indoktrination von manchen gebilligt worden sein mag, kann es bei der Gesamtwürdigung, ob das Tötungsmotiv als niedrig einzuschätzen ist, nicht ankommen. Der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes ist grundsätzlich den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe , die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt, zu entnehmen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 41; BGH NJW 2004, 1466 – zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt – m.w.N.).

c) Die Annahme einer Beihilfe zum Mord auch aus niedrigen Beweggründen bei den Angeklagten C , A C sowie E und die damit verbundene Abweichung von der Rechtsauffassung des Tatrichters führt hier nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß bei zutreffender Bejahung eines Mordmerkmals die fehlerhafte Verneinung eines weiteren Mordmerkmals den Bestand des Schuldspruchs jedenfalls dann nicht gefährdet, wenn hinsichtlich des fehlerhaft behandelten Mordmerkmals weitere tatrichterliche Feststellungen – so wie hier – nicht erforderlich sind (vgl. BGHR StPO § 353 Abs. 1 Teilaufhebung 1). Der Senat schließt zudem aus, daß der jetzt erfolgten Bejahung des zusätzlichen Mordmerkmals niedriger Beweggründe, dessen Tenorierung es nicht bedarf, Auswirkungen auf die Strafaussprüche zukämen; diese können bestehen bleiben. Die Strafen sind untereinander sachgerecht differenziert und bewegen sich im oberen Bereich des zutreffend bestimmten Strafrahmens. Das schreckliche Tatbild ist vom Landgericht , für das die numerische Zahl der Mordmerkmale nicht strafentscheidend war, berücksichtigt worden. Vor dem Hintergrund der nach § 211 Abs. 1 StGB i. V. m. § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB für Beihilfe zum Mord bestehenden Obergrenze von 15 Jahren Freiheitsstrafe kommt hinzu, daß auf den inzwischen nochmals beträchtlich verlängerten zeitlichen Abstand zur
Tat strafmildernd Bedacht zu nehmen wäre (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13).
2. Angeklagte V C

a) Das Landgericht hat bei der Angeklagten eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf Grund der Auswirkungen einer depressiven Erkrankung in Verbindung mit einer histrionischen Persönlichkeitsstörung für nicht ausgeschlossen erachtet, obgleich der in der Hauptverhandlung gehörte psychiatrische Sachverständige Krö davon ausging, daß die Begutachtung keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit erbracht hätte.
aa) Die Anwendung des § 21 StGB begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das Landgericht ist zwar im Ergebnis nicht dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen gefolgt. Dies war aber auch von Rechts wegen nicht geboten, weil der gerichtlich bestellte Sachverständige dem Richter für die Prüfung der Tatsachenfrage, ob eine krankhafte seelische Störung der Angeklagten zur Tatzeit vorgelegen hat, nur die von ihm ermittelten Befundtatsachen mitteilen und Sachkunde vermitteln soll, ihn aber nicht von der Verantwortung für die Entscheidung der aufgeworfenen Fragen entbinden kann (vgl. BGHSt 8, 113, 117 f.; BGH GA 1962, 116). Bei der Prüfung der Erheblichkeit einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB handelt es sich um eine Rechtsfrage (BGHSt 8, 113, 124; Jähnke in LK 11. Aufl. § 21 Rdn. 8 ff. m.w.N.), die der Tatrichter ausschließlich in eigener Verantwortung beantworten muß (BGHR StGB § 21 Sachverständiger 11). Weder bezüglich der Beweiswürdigung des Landgerichts zum Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung noch seiner rechtlichen Bewertung, daß diese die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten erheblich im Sinne des § 21 StGB beeinträchtigt habe, sind letztlich Rechtsfehler zu erkennen.

Der Sachverständige hat zwar nicht sicher feststellen, aber auch nicht ausschließen können, daß die Angeklagte zur Tatzeit an einer mittelschweren Depression im Sinne der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen internationalen Klassifikation (ICD-10 F33) litt, die als krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB anzusehen ist. Die Strafkammer hat sich nach eigener Prüfung dieser Sichtweise angeschlossen.
Darüber hinaus hat sie erneut nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht ausschließen können, daß die Angeklagte aufgrund der Auswirkungen einer möglicherweise im Abklingen befindlichen depressiven Phase nur erheblich vermindert in der Lage gewesen sein könnte, nach ihrer Unrechtseinsicht zu handeln. Der Sachverständige hat hierzu hervorgehoben, daß die für Depressionen typischen Krankheitssymptome wie die Unfähigkeit, einfache Aufgaben des Alltags zu bewältigen, verminderte Konzentration und geringes Selbstwertgefühl in der Regel zur Folge haben bzw. vermuten lassen, daß Depressionen die Bereitschaft zur Begehung von Straftaten eher hemmen als fördern. Sollte die Angeklagte sich zur Tatzeit in einer depressiven Phase befunden haben und dennoch in der Lage gewesen sein, gezielt den Anschlag zu verüben, sei dies aus seiner Sicht allenfalls denkbar, wenn sie diese Tat trotz, nicht aber aufgrund der Depression begangen hätte. Das Landgericht hat sodann mit dem Sachverständigen anhand einschlägiger psychiatrischer Fachliteratur die bestehenden Unsicherheiten bei der vorzunehmenden Bewertung erörtert. Dabei hat sich der Sachverständige gegen eine darin vertretene Sichtweise gewandt, daß durch eine Depression eine „Auflockerung der Gesamtpersönlichkeit“ hervorgerufen werden könne. Er hat aber auch eingeräumt, daß es grundsätzlich Fallkonstellationen gäbe, bei denen Depressionen zur Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters führen könnten. In der forensischen Psychiatrie sei bis heute nicht abschließend geklärt, welche Auswirkungen Depressionen in der abklingenden Phase auf das Verhalten von Straftätern hätten.

Vor diesem Hintergrund hat die Strafkammer nicht auszuschließen vermocht, daß einerseits die Angeklagte aufgrund des Abklingens der Krankheitssymptome überhaupt in der Lage war, die Tat auszuführen, andererseits aber durch die Krankheit bei ihr Kontrollmechanismen noch so außer Kraft gesetzt waren, daß sie nur erheblich vermindert in der Lage war, entsprechend ihrer Unrechtseinsicht zu handeln. Dabei waren zwei Besonderheiten ausschlaggebend. Zum einen hat der Sachverständige zusätzlich eine histrionische Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.4) diagnostiziert, die sich durch starkes Angewiesensein auf Bewunderung, durch theatralische Verhaltensweisen in Verbindung mit dieser Geltungsssucht sowie durch Affekte zum Überziehen und Sichinszenieren auszeichnet und nach vertretbarer Auffassung des Landgerichts im Zusammenwirken mit der abklingenden Depression das Hemmungsvermögen der Angeklagten verstärkt beeinträchtigt haben kann. Zum anderen konnten weder der Sachverständige noch das Landgericht trotz mehrjähriger Hauptverhandlung das Motiv der Angeklagten, vor 15 Jahren einen derartigen Bombenanschlag zu begehen, sicher aufklären. Der Klärung des Tatmotivs kommt aber auch nach den Darlegungen des Sachverständigen eine wesentliche Bedeutung bei der Einschätzung der Schuldfähigkeit eines Täters zu. Für den Tatrichter ist es hiernach denkbar, daß bei der hier nicht ausgeschlossenen Konstellation einer ausklingenden Depression mit histrionischer Komponente die Angeklagte mit etwa folgender Vorstellung handelte: „Mir ist sowieso alles egal, aber zumindest wird die ganze Welt über mich reden“ (UA S. 339). Das Landgericht selbst sieht seine Zweifel auf den Unsicherheiten gegründet, die von dem Sachverständigen bei der Bewertung des Falles selbst benannt worden sind und von ihm auch nach Auseinandersetzung mit der einbezogenen psychiatrischen Fachliteratur nicht ausgeräumt werden konnten.
bb) Die tatrichterliche Wertung ist namentlich vor dem Hintergrund erheblicher Einflußnahme Dritter auf den Entschluß der Angeklagten zur Tat-
begehung vertretbar. Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
Zu Unrecht vermißt die Revision konkrete Anknüpfungstatsachen dafür , daß sich die Angeklagte in einer mittelschweren Depression befunden haben könnte. Die Strafkammer hat zutreffend ausgeführt, daß den Einlassungen der Angeklagten E und A C insoweit nur geringeres Gewicht zukommt (vgl. auch BGH, Beschluß vom 31. März 2004 – 5 StR 351/03), und in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen dargelegt , es sei nicht ungewöhnlich, daß Menschen, die zu Depressionen neigen, nach Jahren nicht mehr in der Lage seien, ihre psychische Verfassung auf einen bestimmten viele Jahre zurückliegenden Zeitpunkt zu beschreiben. Für Frühsommer 1985 und Dezember 1986 sind zumindest mittelschwere Depressionen ebenso belegt wie in einem ärztlichen Attest aus dem Jahre 1994 (UA S. 33, 150, 329). Berichten des MfS über Treffen mit der Angeklagten brauchte der Tatrichter aus Rechtsgründen nicht zu entnehmen, daß lediglich zu den beiden darin genannten Zeitpunkten depressive Phasen bestanden haben.
Daß die Angeklagte nach ihrer Einlassung nicht allein zur Diskothek gehen wollte und auf ihre Schwester einwirkte, sie zu begleiten, steht der Annahme einer schweren depressiven Phase nicht entgegen. Die Fähigkeit, planvoll vorzugehen, wird hierdurch nicht etwa völlig ausgeschlossen.
Der Senat besorgt auch nicht, die Strafkammer könne bei der Prüfung eines Motivs der Angeklagten übersehen haben, daß diese zur Tatzeit arbeitslos war und vom Angeklagten A C keine finanzielle Unterstützung erhalten hatte. Der Tatrichter hat sich mit einem Motiv aus finanziellen oder sonstigen materiellen Gründen ausführlich und rechtsfehlerfrei auseinandergesetzt (UA S. 296 – 298).
b) Soweit das Landgericht hinsichtlich der Angeklagten V C das Vorliegen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe nicht an-
genommen hat, unterliegt das im Hinblick auf die nicht ausgeschlossene er- hebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit dieser Angeklagten keinen gleichermaßen durchgreifenden Bedenken wie bei den drei anderen Angeklagten (vgl. zum Vorliegen der subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe BGH NJW 2004, 1466 – zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt – m.w.N.). Da sie Mittäterin ist, kommt es sie betreffend darauf an, ob sie selbst niedrige Beweggründe hatte. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte die Angeklagte V C im wesentlichen motivlos und ihr Handeln war – jedenfalls nicht ausschließbar – von depressiven Phasen bestimmt, die jedoch nicht ihre Fähigkeit zum planvollen Handeln ausschlossen. Aufgrund dieser Disposition läßt sich aus den Urteilsgründen nicht sicher ableiten, ob bei der Angeklagten auch die subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe erfüllt sind. Dies nötigt indes nicht zu einer Zurückverweisung der Sache. Aus denselben Gründen wie bei den drei anderen Angeklagten wäre auch bei der Angeklagten V C eine Auswirkung auf den Schuld- oder Strafausspruch zu verneinen.

C.


Revisionen der Nebenkläger
I. Revisionen des Nebenklägers Br
1. Die Zulässigkeit der gegen die wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes verurteilten Angeklagten V C gerichteten Revision scheitert an § 400 Abs. 1 StPO. Der Nebenkläger könnte mit seiner Revision, da das Landgericht das Tötungsdelikt als Mord beurteilt hat, hinsichtlich dieses Nebenklagedelikts nur eine andere Rechtsfolge der Tat erreichen; mit diesem Ziel kann er das Urteil nicht anfechten (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 12).
2. Die den Freispruch der Angeklagten H betreffende Revision bleibt erfolglos.

a) Die Verfahrensrüge greift nicht durch. Die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags in den Urteilsgründen als bedeutungslos ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Tatrichter darf eine mögliche Indiztatsache dann als bedeutungslos ansehen, wenn sie selbst für den Fall des Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnte, weil das Gericht in seiner freien Beweiswürdigung einen möglichen, wenn auch nicht zwingenden Schluß aus der Tatsache nicht ziehen will (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 2, 4 und 23 m.w.N.).

b) Die Sachrüge ist unbegründet.
Die Beweiswürdigung ist frei von Rechtsfehlern und verstößt insbesondere nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze. Daß eine abweichende tatgerichtliche Wertung möglich gewesen wäre, vielleicht sogar näher gelegen hätte, berechtigt das Revisionsgericht noch nicht zum Eingreifen.
3. Auch den gegen die Angeklagten C , A C und E gerichteten Revisionen bleibt ein Erfolg versagt.

a) Die Verfahrensrügen, die sich gegen die Nichtverurteilung der Angeklagten C , A C und E als Mittäter richten, gehen fehl.
Die Behauptungen der Revision, die am 274. Hauptverhandlungstag gestellten Hilfsbeweisanträge seien nicht beschieden worden, ist falsch. Im Urteil sind diese Anträge als bloßer Wiederholungsantrag bzw. wegen eigener Sachkunde des Gerichts zurückgewiesen worden (UA S. 202 ff., 238).
b) Soweit sich die Sachrüge gegen die Nichtverurteilung des Angeklagten C als Mittäter richtet, ist sie unbegründet (vgl. die Ausführungen zur Sachrüge der Staatsanwaltschaft und unten II. a.E.).

Die Revision des Nebenklägers ist dagegen unzulässig, soweit mit ihr als weiteres Anfechtungsziel die Bejahung des zusätzlichen Mordmerkmals der sonst niedrigen Beweggründe erstrebt wird. Die Annahme eines weiteren Mordmerkmals würde sich allenfalls auf den Rechtsfolgenausspruch auswirken können. Nach § 400 Abs. 1 StPO kann der Nebenkläger ein Urteil aber nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird (vgl. BGH NJW 1999, 2449).
4. Soweit das Gericht nach § 405 Satz 2 StPO davon abgesehen hat, über den Antrag auf Schmerzensgeld im Adhäsionsverfahren zu entscheiden , ist die Rüge bereits deshalb unzulässig, weil dem Antragsteller insoweit ein Rechtsmittel nicht zusteht (§ 406a Abs. 1 StPO).
II. Revisionen der weiteren beschwerdeführenden Nebenkläger
Die Revisionen der Nebenkläger Ba , Be , Ed , El , Frei , Gra , Kan , Laub , Mar , Mas , Mc C , Mö , I und M N , No , Nu , Pf , Red und St sind unbegründet, soweit sie sich gegen die Nichtverurteilung der Angeklagten C , A C und E wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes wenden, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Nebenkläger ergeben hat. Insoweit wird auf die Ausführungen zur Sachrüge der Staatsanwaltschaft Bezug genommen.
Der Senat verkennt nicht, daß insbesondere aus der Perspektive der teilweise erheblich verletzten und schwer betroffenen Opfer die Verhängung nur zeitiger Freiheitsstrafen – die der schwierigen Beweis- und Rechtslage geschuldet ist – nicht leicht nachzuvollziehen sein mag. Dies gilt umso mehr, als eine andere Entscheidung des Landgerichts gleichermaßen vertretbar zu begründen und damit aus revisionsrechtlicher Sicht ebenfalls hinzunehmen
gewesen wäre. Bei allem ist aber auch zu bedenken, daß nicht die eigentlichen Haupttäter – libysche Drahtzieher und Hintermänner – vor Gericht standen.

D.


Revisionen der Angeklagten
I. Revision des Angeklagten C
1. Im Zusammenhang mit der Festsetzung des Umrechnungsmaßstabs für die im Libanon vollzogene Auslieferungshaft und der Bestimmung ihrer anrechnungsfähigen Dauer ist ein Verstoß gegen § 261 StPO nicht zu erkennen. Die eingeholte Stellungnahme des Auswärtigen Amtes zu den Haftverhältnissen im Libanon steht entgegen der Behauptung der Revision im Einklang mit den Wertungen des Landgerichts. Die Feststellung einer vom Angeklagten im Libanon bis Januar 1994 verbüßten Freiheitsstrafe kann durch die Zeugenaussage eines Ermittlungsbeamten, gegebenenfalls auf Vorhalt einer aktenkundigen Mitteilung aus dem Libanon, in die Hauptverhandlung eingeführt worden sein.
2. Die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
II. Revision des Angeklagten A C
Die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieses Angeklagten.
III. Revision der Angeklagten V C
1. Die Revision beanstandet im Ergebnis ohne Erfolg die Verletzung von § 136 Abs. 1 Satz 1 und § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO, weil die Angeklagte vor ihrer Aussage bei der Staatsanwaltschaft nicht ordnungsgemäß informiert und belehrt worden sei; daraus folge ein Beweisverwertungsverbot.
Das Landgericht hat – zutreffend – die Auffassung vertreten, daß der vernehmende Oberstaatsanwalt verpflichtet gewesen wäre, die Angeklagte zu Beginn der Vernehmung über die Tatsache der erfolgten Anklageerhebung und den aktuellen Umfang des Tatvorwurfs in der Anklageschrift zu unterrichten. Im Ergebnis mit Recht hat die Strafkammer aber ein Verwertungsverbot verneint. Über ihr Schweigerecht war die Angeklagte informiert. Jenseits davon lag ein relevantes Informationsdefizit nicht vor. Durch den Haftbefehl war für die Angeklagte erkennbar, daß sich der Tatvorwurf zusätzlich zu der Tötung von drei Menschen auch auf weitere Opfer erstrecken würde; die Tat insoweit rechtlich als versuchten Mord zu würdigen, lag angesichts der nicht beherrschbaren Sprengstoffexplosion nahe.
2. Die Überprüfung des Urteils auf die weitere Verfahrensrüge und die erhobene Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten.
IV. Revision des Angeklagten E
Die Angriffe gegen die Strafzumessung, die die Revision mit der Sachrüge vorbringt, können keinen Erfolg haben.
1. Der sachlichrechtlichen Nachprüfung hält stand, daß der Tatrichter den Umstand, daß der Angeklagte „schon vor dem Anschlag längere Zeit in Vorbereitungshandlungen involviert war“ (UA S. 377), straferschwerend berücksichtigt hat. Die Stärke des Tatwillens (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB) kann sich auch aus Tatvorbereitungen ergeben. Für eine rechtsfehlerhafte Anlastung eines Verhaltens, in dem ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten
zu finden wäre, ist bei den vorliegenden Sachverhaltsfeststellungen nichts ersichtlich.
2. Irgendwelche tragfähigen Anhaltspunkte für einen Ansatz, die Bestrafung des Beschwerdeführers sei im Vergleich zu derjenigen des Angeklagten A C rechtsfehlerhaft zu hoch bemessen worden (vgl. hierzu Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 46 Rdn. 25a), bestehen nicht.
Harms Basdorf Gerhardt Raum Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 425/08
vom
10. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 10. November
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. April 2008 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet i. S. des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Während der Schuldspruch rechtlicher Nachprüfung standhält, kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben.
3
Schon die Erwägung, dass vor allem zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen sei, dass er Rädelsführer einer - näher dargelegten - besonders gefährlichen kriminellen Vereinigung in einem Zeitraum von über einem Jahr gewesen sei, erscheint unter dem Gesichtspunkt des § 46 Abs. 3 StGB nicht frei von Bedenken.
4
Nicht mehr hinnehmbar ist indes, dass straferschwerend die "Selbstverständlichkeit ins Gewicht fiel, mit der der Angeklagte zur Erreichung seiner politischen Ziele bereit war, gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu verstoßen". Diese Formulierung lässt besorgen, dass das Oberlandesgericht dem Angeklagten zur Last legt, dass er überhaupt die Straftat begangen hat, anstatt von ihr Abstand zu nehmen. Das ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 106; 2001, 295; BGHR § 46 Abs. 2 StGB Wertungsfehler 14). Die angenommene "Selbstverständlichkeit" ist zudem nicht belegt; sie lässt sich auch nicht dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen.
5
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafe ohne den aufgezeigten Rechtsfehler und die bedenkliche Erwägung - andere Umstände hat das Oberlandesgericht nicht strafschärfend berücksichtigt - milder ausgefallen wäre.
6
Die Strafe muss deshalb neu zugemessen werden. Becker Miebach Pfister Sost-Scheible Hubert

(1) Wer sich an

1.
Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder
2.
Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit,
die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, als Täter oder Teilnehmer beteiligt oder wer auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Soweit die in Absatz 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Handlungen in § 113 mit Strafe bedroht sind, gilt § 113 Abs. 3, 4 sinngemäß. Dies gilt auch in Fällen des § 114, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.

In besonders schweren Fällen des § 125 Abs. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schußwaffe bei sich führt,
2.
eine andere Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
3.
durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
4.
plündert oder bedeutenden Schaden an fremden Sachen anrichtet.

(1) Wer sich an

1.
Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder
2.
Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit,
die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, als Täter oder Teilnehmer beteiligt oder wer auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Soweit die in Absatz 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Handlungen in § 113 mit Strafe bedroht sind, gilt § 113 Abs. 3, 4 sinngemäß. Dies gilt auch in Fällen des § 114, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 310/15
vom
2. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:021215B2STR310.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 2. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 16. März 2015 mit den Feststellungen aufgehoben ; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bestehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Landfriedensbruch und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt , eine Entscheidung nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB getroffen und ihn im Übrigen freigesprochen. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
2
Das Landgericht ist von einem besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs ausgegangen, weil der Angeklagte sich die Verwirklichung des Regelbeispiels in § 125a Satz 2 Nr. 2 StGB durch seine Mittäter zurechnen lassen müsse. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundegerichtshofs können die Regelbeispiele des § 125a Satz 2 StGB allerdings nur eigenhändig verwirklicht werden (vgl. zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 9. September 1997 - 1 StR 730/96, BGHSt 43, 237, 240). Da den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen ist, dass der Angeklagte selbst eines der Regelbeispiele in eigener Person verwirklicht hat, ist für die Annahme eines besonders schweren Falles des Landfriedensbruchs insoweit kein Raum.
3
Dies hat zur Folge, dass der Landfriedensbruch nach § 125 Abs. 1 StGB aufgrund der Subsidiaritätsklausel hinter die vom Angeklagten verwirklichte gefährliche Körperverletzung zurücktritt; insoweit bedingt der Wegfall des besonders schweren Falles nach § 125a Satz 2 Nr. 2 StGB eine Korrektur des Schuldspruchs. Der Senat stellt indes den Schuldspruch nicht um, sondern hebt ihn insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, das Vorliegen eines unbenannten besonders schweren Falles des Landfriedensbruchs nach § 125a Satz 1 StGB zu prüfen. Würde das Landgericht von der Verwirklichung eines unbenannten besonders schweren Falles ausgehen, bedürfte es insoweit einer Änderung des Schuldspruchs nicht.
4
Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der Feststellungen nach sich; die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können jedoch bestehen bleiben.
5
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass auch eine Verurteilung nach § 231 StGB in Betracht kommt und – entsprechend dem Hinweis des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 3. August 2015 - näher zu prüfen sein wird, ob Tateinheit zwischen Fahren ohne Fahrerlaubnis zum Tatort und den späteren Übergriffen gegen das Tatopfer anzunehmen ist. Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 670/10
vom
24. März 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. März
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
die Angeklagten F. und G. in Person,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Franke,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten F. wird das Urteil des Landgerichts Rostock 6. März 2010, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen Landfriedensbruchs entfällt,
b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten F. sowie die Revision des Angeklagten G. werden verworfen.
3. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil
a) in den Schuldsprüchen dahin abgeändert, dass die Angeklagten F. und G. jeweils der gefährlichen Körperverletzung schuldig sind, der Angeklagte G. in Tateinheit mit Landfriedensbruch,
b) in den Strafaussprüchen mit den Feststellungen aufgehoben.
4. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft sowie des An- geklagten F. , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
5. Der Angeklagte G. trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit Körperverletzung schuldig gesprochen und den Angeklagten G. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten, den Angeklagten F. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Ferner hat es die Vollstreckung der Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt. Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten mit der Sachrüge; auch die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren Rechtsmitteln, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, die Verletzung materiellen Rechts. Während der Revision des Angeklagten G. der Erfolg versagt bleibt, haben die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten F. jeweils den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.

A.


2
Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Am Vormittag des 30. Juni 2007 waren etwa 150 Sympathisanten der politisch rechten Szene von G. aus in einem S-Bahn-Zug unterwegs nach R. , um dort an einer Demonstration der NPD teilzunehmen. In dem ersten Doppelstock-Wagen der S-Bahn befanden sich lediglich sieben Personen dieser Gruppe im Obergeschoß; der größte Teil der Demonstranten fuhr im zweiten und dritten Wagen mit. Während eines Zwischenhaltes im Bahnhof S. stiegen etwa 50 bis 60 dem linken politischen Spektrum zuzuordnende Personen in den ersten Wagen des Zuges. Sie beabsichtigten, in R. an einer für denselben Zeitpunkt organisierten Gegendemonstration teilzunehmen. In dieser Gruppe der Gegendemonstranten befanden sich auch die späteren Geschädigten, die Zeugen T. , M. , A. und B. . Während der Weiterfahrt entdeckten einige unbekannt gebliebene Gegendemonstranten die an ihrem Äußeren erkennbaren sieben Personen der rechten Szene. Nachdem sie die Zwischentür zum zweiten Wagen versperrt hatten, begannen die Gegendemonstranten ohne ersichtlichen Grund eine verbale und dann auch eine körperliche Auseinandersetzung. Um den zahlenmäßig deutlich überlegenen Gegendemonstranten auszuweichen, stiegen die Angegriffenen am nächstfolgenden Bahnhof P. sämtlich in den zweiten S-Bahn-Wagen um. Noch im Bahnhof verhinderte ein Unbekannter die Weiterfahrt des Zuges durch Betätigung der Notbremse. Zahlreiche Sympathisanten der rechten Szene, darunter die Angeklagten, verschafften sich daraufhin in Gruppen von bis zu 20 Personen Zugang zum ersten Wagen des S-Bahn-Zuges. Dort versetzten sie Gegendemonstranten und unbeteiligten Fahrgästen eine Vielzahl von Schlägen und Tritten, stießen Drohungen aus und forderten die in dem Wagen befindlichen Personen auf, den Zug zu verlassen. Der Angeklagte G. , Fraktionsmitarbeiter der NDP im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und nach eigenen Angaben Leiter des Ordnungsdienstes der NPD am Tattag, schlug zunächst einer unbeteiligten Frau, deren Identität nicht näher festgestellt werden konnte, in den Bauch. Ferner trat er der Zeugin K. gegen das Bein, versetzte dem Zeugen T. einen Faustschlag gegen das linke Ohr und schlug den Zeugen B. nieder; sodann trat er auf diesen ein. Währenddessen erteilte er im Befehlston lautstark Anweisungen. Der Angeklagte F. schlug während des insgesamt mehrere Minuten dauernden Geschehens auf den Zeugen A. sowie auf weitere, namentlich nicht bekannte Personen ein. Die Personen, die auf Grund der Gewalttätigkeiten den Zug verließen, mussten ein Spalier von etwa 100 NPD-Sympathisanten passieren und erlitten dabei weitere Misshandlungen. Auch auf dem Bahnsteig kam es zwischen Anhängern der beiden politischen Gruppierungen zu Schlägereien; der Geschädigte T. wurde nach dem Faustschlag des Angeklagten G. von Unbekannten weiter misshandelt und vom Bahnsteigrand eine Böschung hinunter geworfen.
4
Durch die Gewalttätigkeiten der Angeklagten erlitten die Geschädigten multiple Kontusionen, Schürfwunden und Schwellungen.

B.


I.


5
Zu den Revisionen der Angeklagten:
6
1. a) Soweit der Angeklagte F. vom Landgericht wegen Körperverletzung verurteilt worden ist, hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge keinen Rechtsfehler zu dessen Nachteil ergeben. Der Schuldspruch wird insoweit von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen. Die Strafkammer hat insbesondere zu Recht eine Notwehrsituation verneint, da die Aggressionen der Gegendemonstranten im ersten Wagen des Zuges zum Tatzeitpunkt bereits beendet waren.
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b) Jedoch muss die tateinheitliche Verurteilung wegen Landfriedensbruchs im Hinblick auf die Subsidiaritätsklausel des § 125 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB entfallen.
8
Danach kann eine Verurteilung wegen Landfriedensbruchs nur erfolgen, wenn die Tat nicht in einer anderen Vorschrift mit schwererer Strafe bedroht ist. So verhält es sich hier jedoch, da die Körperverletzung gemäß § 223 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, Landfriedensbruch gemäß § 125 StGB aber nur mit einer solchen bis zu drei Jahren bedroht ist. Dies hat das Landgericht im Ansatz zwar nicht verkannt, die tateinheitliche Verurteilung jedoch ausnahmsweise "zur Klarstellung des spezifischen Tatunrechts für unbedingt erforderlich“ gehalten. Ungeachtet der Frage der Zweckmäßigkeit einer solchen Subsidiaritätsklausel überschreitet deren vom Landgericht vorgenommene Auslegung den Wortsinn, der keine einschränkende Auslegung gestattet (BGH, Beschluss vom 9. September 1997 – 1 StR 730/96, BGHSt 43, 237, 238).
9
c) Zwar wird der auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruhende Strafausspruch von dieser Änderung des Schuldspruchs für sich genommen nicht berührt. Er kann gleichwohl keinen Bestand haben, da die Strafkammer, wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, mit den grundsätzlich gesamtstrafenfähigen Verurteilungen durch das Amtsgericht Sch. vom 8. Oktober 2007 und durch das Amtsgericht W. vom 29. November 2007 keine Gesamtstrafe gebildet und entgegen § 55 StGB mit nicht tragfähiger Begründung von der Einbeziehung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts W. vom 29. Januar 2008 abgesehen hat (zum zwingenden Charakter von § 55 StGB vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 55 Rn. 34 m. Nachw. z. Rspr. des BGH).
10
2. Die Revision des Angeklagten G. ist unbegründet; die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
11
a) Die Annahme eines – unbenannten – besonders schweren Falles des Landfriedensbruchs im Sinne des § 125a StGB hält rechtlicher Nachprüfung stand. Außerhalb der in § 125a StGB genannten Regelbeispiele kommt eine Verurteilung wegen eines besonders schweren Falles des Landfriedensbruchs namentlich dann in Betracht, wenn der Täter – wie nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen der Angeklagte – Rädelsführer der Menschenmenge ist (Senatsbeschluss vom 7. Mai 1998 – 4 StR 88/98). Die für die Anwendung der Strafverschärfung gebotene Prüfung, ob der Ausnahmestrafrahmen unter Berücksichtigung des gesamten Tatbildes, der Täterpersönlichkeit und der besonderen Umstände des Falles geboten erscheint (Senat aaO), hat das Landgericht in den Urteilsgründen vorgenommen. Sie ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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b) Die Subsidiaritätsklausel des § 125 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB steht der tateinheitlichen Verurteilung auch wegen Körperverletzung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB nicht entgegen.
13
Zwar greift diese Klausel nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann ein, wenn ein besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs nach § 125a StGB vorliegt. Maßstab für den nach § 125 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB vorzunehmenden Vergleich ist dann aber der Strafrah- men der als Strafzumessungsregel ausgestalteten Bestimmung des § 125 a Satz 1 StGB, die Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren androht (BGH, Beschluss vom 9. September 1997 – 1 StR 730/96, BGHSt 43, 237, 240; Urteil vom 31. Mai 1994 – 5 StR 154/94; Beschluss vom 11. März 1998 – 3 StR 591/97; Beschluss vom 14. Oktober 1999 – 4 StR 312/99, NStZ 2000, 194, 195; Urteil vom 29. April 2004 – 4 StR 43/04, BGHR StGB § 125 Abs. 1 Menschenmenge 2; Beschluss vom 6. April 2009 – 5 StR 94/09; vgl. aber auch BGH, Beschluss vom 7. April 2005 – 2 StR 537/04 unter unklarer Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 2. September 1998 – 2 StR 369/98, BGHR StGB § 125a Konkurrenzen 1; zum Schrifttum SSW-StGB/Fahl, § 125a Rn. 7).

II.


14
Zu den Revisionen der Staatsanwaltschaft:
15
1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass das Landgericht die Angeklagten lediglich wegen Körperverletzung (§ 223 StGB), nicht aber wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) verurteilt hat. Nach den Feststellungen haben die Angeklagten die Tat mit anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen.
16
Der Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, der neben einem weiteren (Mit-)Täter auch den Teilnehmer ausdrücklich einschließt (BGH, Urteil vom 3. September 2002 – 5 StR 210/02, BGHSt 47, 384, 386), setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass mindestens zwei Beteiligte am Tatort bewusst zusammenwirken, wobei die eigenhändige Ausführung von Verletzungshandlungen durch jeden der Anwesenden nicht erforderlich ist (vgl. nur Senatsurteil vom 25. März 2010 – 4 StR 522/09, NStZ- RR 2010, 236 m.w.N.). Gemessen daran wird die rechtliche Bewertung des Verhaltens der Angeklagten als gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB von den dazu getroffenen Urteilsfeststellungen in jeder Hinsicht getragen, da diese die Körperverletzungshandlungen gemeinsam mit ihren gruppenweise in den S-Bahn-Wagen eingedrungenen Gesinnungsgenossen verübten. Der Senat hat die Schuldsprüche entsprechend geändert. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich die Angeklagten gegenüber dem geänderten Schuldvorwurf ersichtlich nicht anders hätten verteidigen können. Soweit der Angeklagte G. betroffen ist, steht die Subsidiaritätsklausel des § 125 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB einer tateinheitlichen Verurteilung wegen der übereinstimmenden Strafrahmen der § 125a Satz 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht entgegen.
17
2. Im Hinblick auf die höhere Strafdrohung des § 224 Abs. 1 StGB ist jedoch nicht auszuschließen, dass die verhängten Strafen bei zutreffender rechtlicher Bewertung höher ausgefallen wären. Die Sache bedarf daher zu den Strafaussprüchen neuer Verhandlung und Entscheidung.

C.


18
Da sich das Verfahren nunmehr ausschließlich gegen Erwachsene richtet , verweist der Senat die Sache daher an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (Senatsurteil vom 28. April 1988 – 4 StR 33/88, BGHSt 35, 267).
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Franke Bender

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

In besonders schweren Fällen des § 125 Abs. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schußwaffe bei sich führt,
2.
eine andere Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
3.
durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
4.
plündert oder bedeutenden Schaden an fremden Sachen anrichtet.