Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2016 - 4 StR 376/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:200116B4STR376.15.0
bei uns veröffentlicht am20.01.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 376/15
vom
20. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
ECLI:DE:BGH:2016:200116B4STR376.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 20. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 30. März 2015, soweit es die Angeklagten betrifft, im Ausspruch über die Verfallsanordnungen dahin geändert, dass sich die Anordnungen des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 8.000 € – gegen die Angeklagten P. und L. N. jeweils als Gesamtschuldner in Höhe von 7.000 € mit dem Angeklagten Q. N. und in weiterer Gesamtschuldnerschaft in Höhe von 1.000 € mit dem Angeklagten D. , – gegen den Angeklagten D. als Gesamtschuldner mit dem Angeklagten Q. N. und in weiterer Gesamtschuldnerschaft in Höhe von 1.000 € jeweils mit den Angeklagten P. und L. N. sowie – gegen den Angeklagten Q. N. als Gesamtschuldner mit dem Angeklagten D. und in weiterer Gesamtschuldnerschaft in Höhe von 7.000 € jeweils mit den Angeklagten P. und L. N.
richten.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
3. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren und die Angeklagten Q. N. , P. und L. N. jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren (Q. N. ), vier Jahren und sechs Monaten (P. ) und fünf Jahren und sechs Monaten (L. N. ) verurteilt. Des Weiteren hat es gegen alle Angeklagten jeweils den Verfall von Wertersatz in Höhe von 8.000 € angeordnet. Hiergegen richten sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel führen lediglich zu einer Änderung der Verfallsanordnungen.
2
1. Hinsichtlich der Schuld- und Strafaussprüche sind die Revisionen der Angeklagten unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, weil die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat. Zu den Verfahrensrügen ist ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts anzumerken:
3
Entgegen der Auffassung der Revisionen ist die Strafkammer durch den Umstand, dass die beiden Übersetzer im Ermittlungsverfahren bei der Übertragung aufgezeichneter Telefongespräche in die deutsche Sprache als Sachverständige tätig waren, nicht gehindert gewesen, sie in der Hauptverhandlung ausschließlich als Zeugen zum Gegenstand ihrer sinnlichen Wahrnehmung zu vernehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, NJW 2003, 150, 151; Trück in MüKo-StPO, § 85 Rn. 15; vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Mai 1965 – 2 StR 92/65, BGHSt 20, 222, 223 f.; Beschlüsse vom 15. August 2001 – 3 StR 225/01, NStZ 2002, 44; vom 18. März 2010 – 3 StR 426/09, NStZ-RR 2010, 210 [Ls]).
4
Die Rüge, mit welcher der Angeklagte P. beanstandet, dass die beiden Übersetzer vor ihrer zweiten Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung auf Veranlassung des Gerichts einzelne Telefongespräche erneut anhörten, ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dabei kann da- hinstehen, ob der pauschale Verweis der Revision auf eine Vorgabe „des Gerichts“ den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt, weil sich aus den Urteilsgründen, die der Senat aufgrund der gleichfalls erhobenen Sachrüge zur Kenntnis nimmt, ergibt, dass die Aufforderung zum erneuten Abhören einiger Telefongespräche durch den Vorsitzenden der Strafkammer am 16. Hauptverhandlungstag erfolgte. Die Rüge ist aber unzulässig, weil dem Revisionsvorbringen nicht zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer die Aufforderung des Vorsitzenden, bei der es sich um eine auf die Sachleitung bezogene Anordnung handelte (vgl. Schneider in KK-StPO, 7. Aufl., § 238 Rn. 11), nach § 238 Abs. 2 StPO beanstandet hat. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob die Grundsätze, die für die Vorbereitung von Zeugenvernehmungen zu in amtlicher Eigenschaft gemachten Wahrnehmungen gelten (vgl. BGH, Urteile vom 28. November 1950 – 2 StR 50/50, BGHSt 1, 4, 8; vom 11. November 1952 – 1 StR 465/52, BGHSt 3, 281, 283; vom 21. März 2012 – 1 StR 43/12, NStZ 2012, 521, 522 f.; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 69 Rn. 8; Ignor/Bertheau in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 69 Rn. 9; Franke in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 2. Aufl., § 69 Rn. 4), auf von der Polizei im Ermittlungsverfahren hinzugezogene sachverständige Hilfspersonen übertragen werden können.
5
2. Die im angefochtenen Urteil getroffenen Verfallsanordnungen halten dagegen einer rechtlichen Prüfung insoweit nicht stand, als das Landgericht die zum Teil bestehende gesamtschuldnerische Haftung der Angeklagten nicht berücksichtigt hat.
6
Nach den Feststellungen veräußerten die Angeklagten Q. . N. und D. jeweils Teile des geernteten Marihuanas, wobei der Angeklagte Q. N. insgesamt 160.000 € und der Angeklagte D. 5.500 € erlangten. Von diesen Beträgen kehrten die Angeklagten Q. N. jeweils 7.000 € und der Angeklagte D. jeweils 1.000 € an die jeweiligen anderen Tatgenossen aus. Da die Angeklagten Q. N. und D. mithin zunächst (Mit-)Verfügungsmacht an den an die jeweils anderen Angeklagten ausgekehrten Erlösanteilen hatten, haften die Angeklagten beim Verfall von Wertersatz in diesem Umfang als Gesamtschuldner (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2013 – 4 StR 144/13 Rn. 7; vom 23. November 2011 – 4 StR 516/11, NStZ 2012, 382, 383; vom 25. September 2012 – 4 StR 137/12, NStZ 2013, 401). Der Umstand, dass das Landgericht bei den Angeklagten Q. N. und D. nach § 73c StGB von einer den Betrag des ihnen jeweils verbleibenden Erlösanteils übersteigenden Verfallsanordnung abgesehen hat, lässt das Gesamtschuldverhältnis unberührt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 4 StR 137/12 aaO). Die Aussprüche über die Anordnungen des Wertersatzverfalls sind daher entsprechend zu ergänzen.
7
3. Der geringfügige Teilerfolg der Rechtsmittel rechtfertigt es nicht, die Angeklagten teilweise von den durch ihre Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Bender

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

5 StR 42/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Oktober 2002

beschlossen:
Die sofortigen Beschwerden des Angeklagten P und der Nebenkläger M G und K gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts Cottbus im Urteil vom 13. November 2000 werden verworfen.
Die Kosten der sofortigen Beschwerden tragen die Beschwerdeführer.
G r ü n d e Das Landgericht hat in Anwendung von § 74 JGG davon abgesehen, den Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen. Hiernach entbehrt die sofortige Beschwerde des Angeklagten P der Beschwer, so daß dieses Rechtsmittel unzulässig ist. Die sofortigen Beschwerden der Nebenkläger M G und K sind unbegründet. Das Landgericht hat in den Urteilsgründen (UA S. 195) zutreffend ausgeführt, weshalb es davon abgesehen hat, die Auslagen der Nebenkläger den Angeklagten aufzuerlegen.
Zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Nebenklägers B ist das Revisionsgericht nicht berufen, da dieser Nebenkläger selbst keine Revision eingelegt hat, mithin die Voraussetzungen des § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO nicht vorliegen (vgl. Franke in KK 4. Aufl. § 464 Rdn. 13).
Über das Rechtsmittel wird vielmehr das nach § 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG zuständige Oberlandesgericht zu entscheiden haben.
Harms Häger Raum Brause Schaal

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.

(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 43/12
vom
21. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. März
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsreferendar
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Weiden i.d.OPf. vom 6. Oktober 2011 wird verworfen.
Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sie sich mit ihrer Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die auf die allgemeine Sachrüge vorgenommene Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Näherer Erörterung bedarf allein die im Ergebnis nicht durchdringende Verfahrensrüge, das Landgericht habe die §§ 261, 252, 52 StPO verletzt.
2
1. Nach den landgerichtlichen Feststellungen begann die nicht berufstätige Angeklagte am 14. Februar 2011 in der gemeinsamen Wohnung einen Streit mit ihrem Ehemann M. H. , einem Sergeant der US-Army, weil dieser entgegen seiner Zusicherung nach der Rückkehr von seinem Dienst die Wohnung nicht gereinigt hatte. Im Verlauf der Auseinandersetzung schrie die „erheblich gereizte“ Angeklagte ihren Mann an und versetzte ihm eine Ohrfeige („Watsche“). Dieser versuchte erfolglos, sie durch Rütteln an ihren Schultern zu beruhigen. Stattdessen begab sich die Angeklagte in die Küche und ergriff aus dem dortigen Messerblock ein spitz zulaufendes, einseitig geschliffenes Küchenmesser mit einer Gesamtlänge von 18,5 Zentimetern und einer Klingenlänge von acht Zentimetern.
3
Nach einem kurzen Gerangel, in dessen Verlauf M. H. vergeblich versucht hatte, seiner Frau das Messer wegzunehmen, standen sich beide „von Angesicht zu Angesicht gegenüber“. In dieser Situation versetzte die Angeklagte ihrem Ehemann - ohne Tötungsvorsatz - einen wuchtigen Stich mit dem Küchenmesser in den linken Halsbereich. Der drei Zentimeter breite Einstich führte zu einem acht Zentimeter tiefen Stichkanal, womit die Angeklagte gerechnet hatte. Wäre die nur wenige Millimeter daneben verlaufende große Halsvene getroffen worden, wäre M. H. infolge des dann hohen Blutverlustes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch vor dem Eintreffen des Notarztes verstorben. So musste die Wunde zwar in einer Notfalloperation behandelt werden; der Geschädigte konnte aber noch gemeinsam mit der Angeklagten die in der Küche befindlichen Blutspuren wegwischen. Er hat vor, die Ehe fortzusetzen.
4
2. Der Verfahrensrüge, das Landgericht habe gegen die §§ 261, 252, 52 StPO verstoßen, liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
5
Der geschädigte Ehemann der Angeklagten hat in der Hauptverhandlung als Zeuge lediglich bekundet, er habe „seiner Ehefrau absolut verziehen“, und sich im Übrigen auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO). Das Landgericht hat daher den Ermittlungsrichter zeugenschaftlich dazu gehört, was M. H. ihm gegenüber im Rahmen der am Tag nach der Tat durchgeführten Vernehmung - als mit der Angeklagten verheirateter Zeuge ordnungsgemäß belehrt - angegeben hat. Dieser hat zwar ausgesagt, keine genaueren Erinnerungen an den ihm berichteten Geschehensablauf mehr zu haben. Neben den äußeren Umständen der Vernehmung konnte er aber noch das Kerngeschehen schildern, nämlich dass es sich um eine eheliche Auseinandersetzung gehandelt habe, in deren Verlauf die Angeklagte ein Messer geholt und ihr Ehemann ihr dies wegzunehmen versucht habe. Nach der Darstellung M. H. ´ „seien beide gestanden, als es zu dem Stich gekommen sei“ (UA S. 24, 26). Im Übrigen habe er nur das protokolliert, was der Zeuge ausgesagt hat. Das Protokoll der ermittlungsrichterlichen Vernehmung M. H. ´ war dem Ermittlungsrichter in der Hauptverhandlung vorgehalten , aber nicht verlesen worden. Dennoch hat das Landgericht die Ansicht vertreten, dass in einer Konstellation wie der vorliegenden - Ermittlungsrichter erinnert sich an das Kerngeschehen und gibt an, dass das Protokollierte auch so ausgesagt wurde - eine ergänzende Verwertung der protokollierten Aussage (zumindest teilweise [UA S. 4]) zulässig sei (UA S. 27). Es hat sich insbesonde- re aufgrund „der über den Ermittlungsrichter eingeführten Aussage des Zeugen H. “ von der festgestellten Tat der Angeklagten überzeugt (UA S. 33).
6
3. a) Die Revision hält dies vor allem deswegen für rechtsfehlerhaft, weil der Inhalt des ermittlungsrichterlichen Protokolls nur vorgehalten, jedoch „zu keinem Zeitpunkt formell in Gänze in das Verfahren eingeführt wurde“. Es rei- che im Übrigen nicht aus, wenn der Richter bekunde, dass die damalige Aussage richtig aufgenommen worden sei.
7
b) Auch der Generalbundesanwalt sieht die Verfahrensrüge als begründet an. Denn das Geschehen direkt nach der Tat, während dessen M. H. seine Frau zu Boden ringen konnte, so dass diese sich in gebückter Haltung vor ihm befand und sich Blut auf ihren Kopf- und Brustbereich ergoss, habe das Landgericht bei der bestehenden Beweislage nur aufgrund der protokollierten Angaben des Geschädigten beim Ermittlungsrichter feststellen können.
8
4. Die Verfahrensrüge ist zwar zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2001 - 5 StR 604/00, StV 2001, 386), aber im Ergebnis unbegründet. Denn das Urteil beruht auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler jedenfalls nicht (§ 337 Abs. 1 StPO).
9
a) Allerdings trifft es zu, dass frühere Vernehmungen eines die Aussage gemäß § 52 StPO verweigernden Zeugen grundsätzlich nicht verwertet werden dürfen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf dann nur das herangezogen werden, was ein vernehmender Richter über die vor ihm gemachten Angaben des über sein Zeugnisverweigerungsrecht ordnungsgemäß belehrten Zeugen aus seiner Erinnerung bekundet. Hierzu darf ihm sein Vernehmungsprotokoll - notfalls durch Verlesen - vorgehalten werden. Dies darf allerdings nicht dazu führen, den Inhalt der Niederschrift selbst für die Beweiswürdigung heranzuziehen. Verwertbar ist vielmehr nur das, was auf den Vorhalt hin in die Erinnerung des Richters zurückkehrt, und es genügt nicht, wenn er lediglich erklärt, er habe die Aussage richtig aufgenommen (BGH, Urteil vom 2. April 1958 - 2 StR 96/58, BGHSt 11, 338, 341; BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 - 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 150; BGH, Urteil vom 30. März 1994 - 2 StR 643/93, StV 1994, 413; BGH, Beschluss vom 4. April 2001 - 5 StR 604/00, StV 2001, 386).
10
b) Nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung ohne Rechtsfehler berücksichtigt, woran sich der Ermittlungsrichter bei seiner eigenen Zeugenvernehmung erinnern konnte. Hierzu gehörten insbe- sondere wesentliche Teile des Kerngeschehens, nämlich dass die Angeklagte im Rahmen einer ehelichen Auseinandersetzung ein Messer geholt habe und sie sowie ihr Ehemann sich gegenüber gestanden hätten, als es zu dem Messerstich kam.
11
c) Soweit das Landgericht für die vorliegende Fallgestaltung eine diese Erinnerung ergänzende Verwertung der protokollierten Aussage als (zumindest teilweise) zulässig angesehen hat, steht diese Auffassung mit der dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar nicht im Einklang. Der Senat kann aber ausschließen, dass sich dies auf das gefällte Urteil ausgewirkt hat. Denn das Landgericht hat allenfalls die Darstellung M. H. ´, nach dem Stich habe er seine Frau zu Boden gerungen und diese habe sich dann in gebückter Haltung vor ihm befunden (UA S. 12; oben 3. b), und somit einen für die Gesamtwürdigung der Beweise wenig bedeutsamen Umstand dem ermittlungsrichterlichen Vernehmungsprotokoll entnommen.
12
Dem Urteil liegt eine insgesamt sorgfältige und umfassende Beweiswürdigung zugrunde. Das Landgericht hat alle wesentlichen Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen. Dabei ist es zutreffend von der Einlassung der Angeklagten ausgegangen. Diese hat in ihren Vernehmungen bei der Polizei, beim Ermittlungsrichter und in der Hauptverhandlung sowie gegenüber der Sachverständigen stets eingeräumt, ihren Ehemann mit einem Messerstich verletzt zu haben. Auch das von der Strafkammer festgestellte „Geschehen vor der Tat“ hat sie dabei in den wesentlichen Punkten konstant geschildert (UA S. 15 ff.).
13
Die Angeklagte hat allerdings jeweils angegeben, ihr Mann habe sich hinter ihr befunden, als sie den Stich ausgeführt habe. In der Hauptverhandlung hat sie insofern - anders als zuvor - nicht mehr behauptet, sie habe zu diesem Zeitpunkt am Boden gekniet. Im Kern hat sie sich damit aber stets auf eine rechtfertigende oder zumindest die Schuld mindernde Lage berufen. Das Landgericht hat dies erkannt und seine Prüfung daher auf die Frage konzentriert , in welcher Situation sich die beiden an der Auseinandersetzung Beteiligten unmittelbar vor dem Messerstich befanden. Es hat letztlich der - rechtsfehlerfrei in die Hauptverhandlung eingeführten (oben b) - Darstellung M. H. ´ geglaubt, er und seine Frau hätten sich gegenüber gestanden. Dabei hat das Landgericht plausibel darauf abgestellt, dass der Geschädigte der Angeklagten verziehen hat und an deren Strafverfolgung vom Beginn der Ermittlungen an keinerlei Interesse hatte (UA S. 23, 33). Vor allem hat es die mehrfach erfolgte Schilderung der Angeklagten, sie habe bei der Tatbegehung gekniet , überzeugend als widerlegt angesehen. Denn wie die Beweisaufnahme durch entsprechenden Sachverständigenbeweis erbracht hat, konnte weder die vom Geschädigten erlittene Verletzung, d.h. der konkrete Stichkanal, noch das entstandene Blutspurenbild durch einen in dieser Position nach hinten geführten Stich verursacht worden sein (UA S. 5, 28 ff.).
14
Angesichts dieser klaren Beweislage besorgt der Senat nicht, dass sich das Nachtatgeschehen maßgeblich auf die landgerichtliche Überzeugungsbildung ausgewirkt hat. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass das Landgericht in diesem Zusammenhang zudem festgestellt hat, M. H. habe wenige Minuten nach der Tat gegenüber der zu Hilfe gekommenen Nachbarin C. M. u.a. geäußert, er habe die Angeklagte nach dem Messerstich „zu Boden gedrückt“ (UA S. 13).
15
Ergänzend bemerkt der Senat: Ein zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge wird regelmäßig deshalb durch den Ermittlungsrichter vernommen, weil bei einer späteren - aus welchen Gründen auch immer erfolgten - Zeugnisver- weigerung nur die Aussage des Ermittlungsrichters über die Angaben des Zeugen verwertbar ist. In derartigen Fällen, erfahrungsgemäß oft Gewalt- und/oder Sexualdelikte zum Nachteil von Frauen oder Kindern, hat der Ermittlungsrichter daher die Pflicht, sich schon während der von ihm durchgeführten Vernehmung intensiv darum zu bemühen, sich den Aussageinhalt einzuprägen. Ausfluss dieser Pflicht des Ermittlungsrichters ist es auch, dann, wenn seine Vernehmung als Zeuge ansteht, die Vernehmungsniederschriften einzusehen, um sich erforderlichenfalls die Einzelheiten ins Gedächtnis zurückzurufen (vgl. hierzu zusammenfassend Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 69 Rn. 8 mwN).
Nack Wahl Elf Jäger Sander
7
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Angeklagte P. hatte Mitverfügungsmacht an dem Gesamtbetrag von 5.000 €, der Angeklagte Ö. zumindest Mitverfügungsmacht in Höhe eines Betrages von 3.500 €, soweit er nicht, was nahe liegt, nach der Absprache der Angeklagten mit S. (UA S. 13) von vornherein auch Mitverfügungsmacht an dem allein dem Angeklagten P. übergebenen Geld hatte. In einem solchen Fall haften die Angeklagten beim Verfall bzw. Verfall von Wertersatz als Gesamtschuldner (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2011 – 4 StR 516/11, NStZ 2012, 382, 383; Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 52). Zwar hat das Landgericht lediglich den Verfall eines Betrages von jeweils 2.500 € angeordnet , der dem jeweiligen Angeklagten im Ergebnis zugeflossen ist. Da aber auch insoweit der jeweils andere Mitangeklagte an diesem Geld zunächst Mitverfügungsmacht hatte, sind die Angeklagten durch die Nichtberücksichtigung der Gesamtschuldnerschaft beschwert. Eine Erhöhung der Verfallsanordnung auf den Gesamtbetrag scheidet wegen des Verbots der reformatio in peius (§ 358 Abs. 2 StPO) aus.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 516/11
vom
23. November 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 23. November 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und Abs. 4, § 357 Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten F. wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 15. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit
a) hinsichtlich dieses Angeklagten der Verfall von Wertersatz in Höhe eines Betrages von 40.000 € angeordnet wurde und
b) hinsichtlich des früheren Mitangeklagten G. wegen der Taten II.1. bis 12. der Urteilsgründe der Verfall von Wertersatz angeordnet wurde.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten F. wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in jeweils mehreren Fällen verurteilt und beim Angeklag- ten F. den Verfall von Wertersatz in Höhe eines Betrages von 40.000 € und beim früheren Mitangeklagten G. in Höhe von 30.000 € angeordnet. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte F. mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Verfallsanordnungen.
2
1. Die Revision des Angeklagten F. ist aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 12. Oktober 2011 dargelegten Gründen erfolglos, soweit sie sich gegen den Schuld- und den Strafausspruch richtet (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
2. Jedoch hat die Anordnung von Wertersatzverfall keinen Bestand.
4
Insofern bestehen zwar keine Bedenken dagegen, dass die Strafkammer nach § 73a StGB die von den Angeklagten durch den Verkauf der Drogen erzielten Erlöse abschöpfen wollte. Die Strafkammer hat es aber versäumt darzulegen , warum sie insofern nicht von einer - zumindest teilweisen - gesamtschuldnerischen Haftung der beiden Angeklagten ausgeht. Dies war vorliegend unerlässlich, da sie beim Angeklagten F. 23 Taten und beim Angeklagten G. 13 Taten festgestellt und abgeurteilt hat, wobei die Angeklagten 12 Taten gemeinsam begangen haben. Dem Hinweis der Strafkammer im Rahmen der Ausführungen zu § 73c StGB auf den Verkauf des mit den Drogengeldern von den Angeklagten zunächst gemeinsam gekauften Pkw Mercedes entnimmt der Senat, dass das Landgericht die Verfallsanordnung zumindest auch auf die von beiden Angeklagten gemeinsam begangenen Taten II. 1. bis 12. der Urteilsgründe bezogen hat, in denen die Angeklagten die durch die Drogengeschäfte erzielten Erlöse in einen "gemeinsamen Topf" einbezahlt haben und - nahe liegend - als Mittäter (Mit-)Verfügungsmacht an dem Geld hat- ten. In einem solchen Fall haften die Angeklagten beim Verfall (von Wertersatz) für diesen (Teil-)Betrag aber nur als Gesamtschuldner (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 52).
5
Anders als bei einer Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO, bei der insbesondere wegen des erst erhebliche Zeit später gegebenenfalls eintretenden Auffangrechtserwerbs des Staates und der während dieses Zeitraums möglicherweise eintretenden Veränderungen (etwa durch Teilzahlungen oder das Bekanntwerden eines Mittäters) eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Täter oder Teilnehmer nicht in den Urteilstenor aufgenommen, sondern erst in der Entscheidung nach § 111i Abs. 6 StPO ausgesprochen werden muss (BGH aaO), bedarf es bei der Anordnung von Wertersatzverfall nach § 73a StGB des Ausspruchs über die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Täter oder Teilnehmer schon im tatrichterlichen Urteil. Denn der Staat erwirbt bei der Anordnung von Wertersatzverfall nicht nur einen Zahlungsanspruch (vgl. SSWStGB /Burghart, § 73e Rn. 2), er kann diesen vielmehr nach § 459g Abs. 2 StPO wie eine Verurteilung, die zu einer Geldzahlung verpflichtet, also nach den §§ 459 ff. StPO, vollstrecken. Dies erfordert - nicht anders als in einem zivilgerichtlichen Urteil und entsprechend den dort verwendeten Formulierungen - die Aufnahme einer (im Urteilszeitpunkt bekannten) gesamtschuldnerischen Haftung schon in den "Titel" (vgl. auch BGH, Beschluss vom 6. Juli 2007 - 2 StR 189/07).
6
3. Da dem Landgericht bei der Anordnung des Wertersatzverfalls mithin ein nicht auf "individuellen" Erwägungen beruhender sachlich-rechtlicher Fehler unterlaufen ist, der den nicht Revision führenden Angeklagten G. ebenso betrifft, ist die Urteilsaufhebung auf diesen zu erstrecken (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2009 - 4 StR 102/09, StV 2010, 19; vom 27. April 2010 - 3 StR 112/10, NStZ 2010, 568, 569 m.Anm. Spillecke). Die Erstreckung erfasst allerdings nicht eine (etwaige) Anordnung eines Wertersatzverfalls im Fall II.13. der Urteilsgründe. Diese Tat wurde vom Angeklagten G. alleine begangen und bezieht sich auf eine beim Angeklagten F. weder angeklagte noch abgeurteilte prozessuale Tat, so dass insofern eine Erstreckung nach § 357 StPO ausscheidet (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 357 Rn. 13 mwN).
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 137/12
vom
25. September 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 25. September 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 13. Oktober 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) hinsichtlich beider Angeklagten, aa) soweit sie wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden sind (Fall II.1 der Urteilsgründe), jedoch bleiben insoweit die Feststellungen zum Weiterverkauf der gelieferten 1.065 Gramm Kokain bestehen, bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
b) hinsichtlich des Angeklagten M. , soweit gegen ihn der Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 59.699,60 Euro angeordnet worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von sieben Jahren (Mg. ) bzw. acht Jahren und sechs Monaten (M. ) verurteilt. Außerdem hat es unter anderem sichergestelltes Kokaingemisch eingezogen, den Verfall bei dem Angeklagten Mg. sichergestellten Bargeldes und gegenüber dem Angeklagten M. den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 59.699,60 Euro angeordnet. Die hiergegen eingelegten Revisionen führen jeweils auf die Sachrüge zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 31. Juli 2012 angeführten Gründen offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Die Verurteilung der Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe wegen mittäterschaftlich begangener unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
1. Nach den hierzu getroffenen Feststellungen vereinbarte der Angeklagte M. mit einem auf der Insel Mallorca lebenden Rauschgifthändler namens A. die Lieferung einer Kokainprobe. A. schickte daraufhin einen Kurier mit 15 Gramm Kokainzubereitung von Spanien nach Halle/Saale. Dort wurde das Rauschgift auf Anweisung des Angeklagten M. von dem Ange- klagten Mg. übernommen. In der Folge verhandelte der Angeklagte M. mit A. über den Preis der Hauptlieferung. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen ließ A. weitere 1.050 Gramm Kokainzubereitung durch einen Kurier von Spanien nach Halle/Saale bringen. Die insgesamt gelieferten 1.065 Gramm Kokainzubereitung hatten einen Cocain-HydrochloridAnteil von 27,4 % und wurden von den Angeklagten mit Gewinn weiterverkauft.
4
2. Täterschaft und Teilnahme bei der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln richten sich nach den zu den §§ 25 ff. StGB entwickelten allgemeinen Grundsätzen. Mittäter einer Einfuhr kann daher auch sein, wer das Rauschgift nicht eigenhändig über die Grenze transportiert, sondern von anderen Personen auf das Bundesgebiet verbringen lässt (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 1984 – 3 StR 438/84, NJW 1985, 1035). Wesentliche Anhaltspunkte für eine Mittäterschaft sind der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und das Vorhandensein von Tatherrschaft, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich vom Willen des Betreffenden abhängen (BGH, Urteile vom 8. November 1989 – 3 StR 377/89, NStZ 1990, 130; vom 12. Januar 1988 – 1 StR 614/87, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 8; vom 10. Juni 1987 – 3 StR 119/87, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 4). Daher kann nicht schon in jedem Veranlassen der Einfuhr von Betäubungsmitteln eine täterschaftliche Einfuhr gesehen werden. Beschränkt sich der Käufer darauf, Betäubungsmittel im Ausland zu bestellen und bleibt es völlig dem Verkäufer und den von ihm beauftragten Kurieren überlassen , wie die bestellten Betäubungsmittel nach Deutschland gelangen, scheidet die Annahme einer Mittäterschaft regelmäßig aus (BGH, Beschluss vom 22. Januar 1987 – 1 StR 647/86, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 3). Dagegen kann eine mittäterschaftliche Einfuhr des Käufers zu bejahen sein, wenn das Verbringen des Rauschgifts über die deutsche Grenze ein Teil des mit dem Verkäufer vereinbarten Gesamtkonzepts ist (BGH, Urteil vom 25. August 1987 – 1 StR 268/87, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 6).
5
Das Urteil enthält keine Feststellungen dazu, ob und inwieweit die Angeklagten Einfluss auf die Gestaltung des Einfuhrvorgangs hatten oder ob hierauf bezogene Vereinbarungen getroffen wurden. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Menge und zur Qualität des gelieferten Rauschgiftes sowie dessen gewinnbringenden Weiterverkauf (UA S. 5 letzter Absatz und UA 6 erster Absatz ) können bestehen bleiben.
6
Mit der Aufhebung der Verurteilung im Fall II.1 der Urteilsgründe und der dafür verhängten Einzelstrafen verlieren auch die Gesamtstrafenaussprüche ihre Grundlage.

II.


7
Die gegenüber dem Angeklagten M. getroffene Anordnung des Verfalls eines Geldbetrages von 59.699,60 Euro war aufzuheben, weil das Landgericht keine Feststellungen zu einer gesamtschuldnerischen Haftung getroffen hat.
8
Die Strafkammer hat zu Recht versucht, nach § 73a StGB die von dem Angeklagten M. durch den Verkauf der Betäubungsmittel erzielten Erlöse abzuschöpfen. Dabei hat sie jedoch nicht dargelegt, warum sie insofern nicht von einer – zumindest teilweisen – gesamtschuldnerischen Haftung mit dem Angeklagten Mg. ausgeht. Dies war hier unerlässlich, weil die Angeklag- ten nach den Feststellungen alle Taten gemeinsam begangen haben und der Angeklagte Mg. mit der Entgegennahme der Kaufpreiszahlungen der Abnehmer befasst war, sodass davon ausgegangen werden muss, dass auch er (Mit-)Verfügungsmacht an dem Geld hatte. In einem solchen Fall haften die Angeklagten beim Verfall (von Wertersatz) als Gesamtschuldner (BGH, Beschluss vom 23. November 2011 – 4 StR 516/11, NStZ 2012, 382, 383; vgl. Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 52). Der Umstand, dass das Landgericht hinsichtlich des Angeklagten Mg. nach § 73c StGB von einer Verfallsanordnung abgesehen hat, führt nicht zum Wegfall des Gesamtschuldverhältnisses , weil darin nur ein Verzicht auf eine unmittelbare Inanspruchnahme dieses Angeklagten zu sehen ist, die übrigen Wirkungen der Gesamtschuld (Innenregress) aber fortbestehen.
9
Anders als bei einer Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO, bedarf es bei der Anordnung von Wertersatzverfall nach § 73a StGB des Ausspruchs über die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Täter oder Teilnehmer schon im tatrichterlichen Urteil, weil nach § 459g Abs. 2 StPO aus der Verfallsanordnung im Strafurteil wie aus einem zivilgerichtlichen Zahlungstitel nach den §§ 459 ff. StPO vollstreckt werden kann. Dies erfordert – nicht anders als in einem zivilgerichtlichen Urteil und entsprechend den dort verwendeten Formulierungen – die Aufnahme einer (im Urteilszeitpunkt bekannten) gesamtschuldnerischen Haftung schon in den "Titel" (BGH, Beschluss vom 23. November 2011 – 4 StR 516/11, NStZ 2012, 382, 383; vgl. Beschluss vom 6. Juli 2007 – 2 StR189/07).
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.