Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2017 - 4 StR 22/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:150317B4STR22.17.0
bei uns veröffentlicht am15.03.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 22/17
vom
15. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:150317B4STR22.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 15. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 27. September 2016, soweit es sie betrifft,
a) im Schuldspruch klarstellend dahin neu gefasst, dass die Angeklagte im Fall II. 22 der Urteilsgründe nicht wegen Herstellung kinderpornographischer Schriften, sondern wegen Besitzverschaffung kinderpornographischer Schriften verurteilt ist,
b) im Adhäsionsausspruch aufgehoben; von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag der Nebenklägerinnen wird abgesehen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die sonstigen durch dieses Verfahren entstandenen Auslagen trägt jeder Beteiligte selbst.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 19 Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung , sowie wegen Herstellung kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Es hat ferner eine Adhäsionsentscheidung zu Gunsten der Nebenklägerinnen getroffen. Die Revision der Angeklagten, mit der sie ohne nähere Begründung die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Die Verfahrensrüge ist nicht näher ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

II.


3
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat in den Fällen II. 1 bis 19 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
4
Die Annahme der Strafkammer, die Angeklagte habe sich in diesen Fällen (jeweils tateinheitlich) wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes im Sinne von § 176a Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 176 Abs. 2 StGB strafbar gemacht, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Da § 176 Abs. 2 StGB die Verursa- chung sexueller Handlungen von oder an einem Dritten durch Einwirken auf das kindliche Opfer strafrechtlich erfasst, liegt die für eine gemeinschaftliche Tatbegehung erforderliche gleiche Zielrichtung des täterschaftlichen Handelns hier darin, dass der Täter nach § 176 Abs. 2 StGB durch seinen Bestimmungsakt gerade diejenige sexuelle Handlung ermöglicht, die der andere im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB vornimmt (Senatsurteil vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 248/13, BGHSt 59, 28, 33; zum Begriff der sexuellen Handlung beim Eindringen in den Körper mit Gegenständen vgl. jüngst Senatsurteil vom 8. Dezember 2016 – 4 StR 389/16). Auch diese Art des Zusammenwirkens gegenüber dem Tatopfer weist den im Vergleich zu den Grundtatbeständen gesteigerten Unrechtsgehalt auf, der für die Qualifikation kennzeichnend ist (Senatsurteil vom 10. Oktober 2013 aaO). So verhält es sich nach den Feststellungen im vorlie- genden Fall. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang auf „§ 176a Abs. 1 Nr. 4 StGB“ Bezug nimmt, handelt es sich ersichtlich um ein Schreibversehen.
5
2. Im Fall II. 22 der Urteilsgründe, in dem die Angeklagte nach den Feststellungen Bilddateien ihrer Töchter in teilweise unbekleidetem Zustand unter sexuell aufreizender Wiedergabe des nackten Gesäßes angefertigt hat, ist zwar, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, der Tatbestand des § 184b Abs. 3 StGB erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist zum einen strafbar, wer es unternimmt, sich den Besitz derartiger Schriften zu verschaffen, wodurch auch die Herstellung zum Eigengebrauch erfasst wird (MünchKommStGB/Hörnle, 3. Aufl., § 184b Rn. 35), zum anderen, wer eine solche Schrift besitzt, wobei diese Tatmodalität ersichtlich als Auffangtatbestand ausgestaltet ist (Hörnle aaO, Rn. 40 mwN). Aus Gründen der Klarstellung fasst der Senat die Beschlussformel mit der Maßgabe neu, dass die Angeklagte insoweit wegen Verschaffung des Besitzes kinderpornographischer Schriften verurteilt ist.
6
3. Der Adhäsionsausspruch über die Zuerkennung von Schmerzensgeld für die vier Nebenklägerinnen kann keinen Bestand haben.
7
a) Der von den Nebenklägerinnen gestellte Adhäsionsantrag entsprach nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO. Nach dieser Vorschrift muss der Antrag unter anderem den Gegenstand und den Grund des geltend gemachten Anspruchs bestimmt bezeichnen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 13. August 2013 – 4 StR 281/13, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 7; LR-StPO/Hilger, 26. Aufl., § 404 Rn. 1). Das ist im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht geschehen.
8
b) Zwar hat die Bevollmächtigte der Nebenklägerinnen durch einen in der Hauptverhandlung rechtzeitig (§ 404 Abs. 1 Satz 1 StPO) übergebenen Schriftsatz für diese jeweils einen unbezifferten Schmerzensgeldanspruch als Adhäsionsantrag geltend gemacht (PB 17). In dem Schriftsatz wird zum Grund der Ansprüche und zur Höhe der verlangten Schmerzensgelder aber lediglich auf das zu erwartende Ergebnis der Hauptverhandlung verwiesen („hinsichtlich des Tathergangs und der psychischen und physischen Verletzungshandlungen“). Eine weitere Konkretisierung ist – soweit ersichtlich – nicht erfolgt, auch nicht in Form einer Bezugnahme auf die in der Anklageschrift erhobenen Tatvorwürfe, was bei einfach gelagerten Sachverhalten ausreichen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2013 – 4 StR 368/13, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Satz 2 Wirksamkeit 1). Schon mit Blick darauf, dass der Adhäsionsantrag dieselben Wirkungen wie die Erhebung einer zivilrechtlichen Klage hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 412/03, StraFo 2004, 144), hätte es im vorliegenden Fall, in dem es um zahlreiche Tatvorwürfe gegen zwei Angeklagte ging, näherer Darlegungen der Nebenklägerinnen bedurft, auf welche der Taten zu ihrem Nachteil sie ihre Adhäsionsanträge stützen wollten.
9
4. Eine Zurückverweisung der Sache allein zur prozessordnungsgemäßen Nachholung des Adhäsionsverfahrens kommt nicht in Betracht, da wirksame Anträge nicht mehr gestellt werden könnten. Der Senat spricht deshalb aus, dass insoweit gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 und 6 StPO von einer Entscheidung abgesehen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 13. August 2013 aaO).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Feilcke

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 389/16
vom
8. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:081216U4STR389.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Dezember 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible, Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Paul als beisitzende Richter, Staatsanwältin – in der Verhandlung –, Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung – als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts, Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger, Rechtsanwältin – in der Verhandlung – als Vertreterin des Nebenklägers, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 28. April 2016 wird verworfen.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels, die dem Neben- und Adhäsionskläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen und die im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil – mit Ausnahme der Entscheidung über die Adhäsionsanträge – mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in sechs Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung , zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft jeweils mit der Sachrüge. Während die Revision des Angeklagten unbegründet ist, hat das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hielten sich die Brüder J. und P. G. vom 22. bis zum 30. August 2015 mit dem Angeklagten auf dem Campingplatz am T. auf. Der Angeklagte, der eine besondere Erregung daran empfindet, wenn größere – schon trockene – Kinder von ihm eine Windel angezogen bekommen, ging an den Abenden vom 22. bis zum 27. August 2015 jeweils mit dem achtjährigen P. , der keinerlei Krankheitsanzeichen aufwies, in seinen Wohnwagen. P. musste sich mit dem Rücken aufs Bett legen. Der Angeklagte cremte dessen Genitalbereich, den Penis und den Po, insbesondere um den Anus, ein und nahm eine rektale Fiebermessung vor. Anschließend behauptete er wahrheitswidrig, dass P. Fieber habe und deshalb Fieberzäpfchen erforderlich seien. Er führte P. jeweils ein Zäpfchen mit einem abführenden Medikament – entweder Glycilax oder Dulcolax – und ein Zäpfchen gegen Übelkeit – Vomex A – ein. Die Zäpfchen steckte der Angeklagte jeweils mit seinem Daumen in den Anus, wobei er die Zäpfchen falsch herum einführte und seinen Daumen ebenfalls soweit in den Anus hineinsteckte, bis das Zäpfchen nicht weiter hineingeschoben werden konnte. Die Schmerzensbekundungen von P. ignorierte er. Anschließend zog der Angeklagte P. eine Windel an und darüber einen Kinderbody. Kurze Zeit später verspürte P. einen starken Drang, auf die Toilette zu gehen. Der Angeklagte forderte ihn auf, in die Windel zu machen. Danach schlief P. aufgrund der Nebenwirkung des Präparates Vomex A im Bett des Angeklagten ein.
3
Das Landgericht hat das Vorliegen sexueller Handlungen, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind, bejaht. Die Qualifikation des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB sei aber nicht erfüllt, weil das Eindringen mit Zäpfchen und Daumen in den Anus von P. nicht als beischlafähnliche Handlung angesehen werden könne. Diese Vorgehensweise sei bei Kindern nicht unüblich, auch P. habe schon früher Zäpfchen erhalten. Tateinheitlich habe sich der Angeklagte der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gemacht. Eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB sei hingegen nicht gegeben, weil die vom Angeklagten verabreichte Dosis der Medikamente – abgesehen von der abführenden Wirkung und der Nebenwirkung der Müdigkeit – keine erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung habe auslösen können. Auch eine Misshandlung Schutzbefohlener liege nicht vor, weil ein länger andauerndes Leiden oder Schmerzempfinden nicht habe festgestellt werden können.

II.


4
Die Revision des Angeklagten zeigt keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf (§ 349 Abs. 2 StPO).

III.


5
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
6
1. Das Landgericht hat zutreffend eine sexuelle Handlung im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB bejaht.
7
a) Eine sexuelle Handlung liegt grundsätzlich vor, wenn die Handlung objektiv , also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild, einen eindeutigen Sexualbezug aufweist (vgl. BGH, Urteile vom 20. Dezember 2007 – 4 StR 459/07, BGHR StGB § 184f Sexuelle Handlung 2; vom 14. März 2012 – 2 StR 561/11, NStZ-RR 2013, 10, 12 jeweils mwN). Dies ist bei den festgestellten Handlungen – Eincremen des Genitalbereichs, Einführen eines Thermometers und von Zäpfchen mittels des Daumens in den Anus eines achtjährigen Jungen – nicht der Fall. Bei äußerlich ambivalenten Handlungen, die – wie hier – für sich betrachtet nicht ohne weiteres einen sexuellen Bezug aufweisen, ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalls , also auch die Zielrichtung des Täters, kennt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, NStZ 2002, 431, 432; Beschluss vom 23. August 1991 – 3 StR 292/91, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 5). Selbst wenn man insoweit eine sexuelle Absicht des Täters verlangen würde (BGH, Urteile vom 20. Dezember 2007 und vom 14. März 2012 aaO), läge diese nach den Feststellungen hier vor, wobei dahinstehen kann, ob bereits das Eincremen des Genitalbereichs und das Eindringen mit Thermometer, Zäpfchen und Daumen in den Körper des Kindes als solches oder erst das spätere Anlegen der Windel zu einer sexuellen Stimulation geführt hat. Das Landgericht hat in einer fehlerfreien Beweiswürdigung eine medizinische Indikation für diese Handlungen ausgeschlossen und als Motiv hierfür allein den Wunsch des Angeklagten , Kinder mit Windeln zu erleben, um sich sexuell zu erregen, festgestellt.
8
b) Die Handlungen waren auch erheblich im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB, denn sie lassen sowohl nach ihrer Bedeutung als auch nach ihrer Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des durch die §§ 174 ff. StGB geschützten Rechtsguts besorgen (zu den allgemeinen Voraussetzungen vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; Urteil vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; Beschluss vom 12. September 2012 – 2 StR 219/12, NStZ 2013, 280 mwN). Das Geschehen war nach allgemeinem Empfinden weit entfernt von einem bagatellhaften Übergriff.
9
2. Das Landgericht hat aber rechtsfehlerhaft den schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes (§ 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB) verneint.
10
a) Nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB wird der sexuelle Missbrauch von Kindern in den Fällen des § 176 Abs. 1 und 2 StGB mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, wenn eine Person über achtzehn Jahren mit dem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind. Die Strafvorschrift des § 176 StGB schützt die ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern. Der Begriff „Eindringen in den Körper“ in § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB umschreibt besonders nachhaltige Begehungsweisen und stellt sie unter erhöhte Strafdrohung (BGH, Urteil vom 16. Juni 1999 – 2 StR 28/99, BGHSt 45, 131, 132; Beschluss vom 19. Dezember 2008 – 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118, 119). Erforderlich ist, dass die sexuelle Handlung mit Blick auf das geschützte Rechtsgut, nämlich die ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2008 aaO), ähnlich schwer wiegt wie eine Vollziehung des Beischlafs. Auf eine besondere Erniedrigung des Opfers stellt § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB daher nicht ab, sondern allein auf das Eindringen in den Körper, welches als schwerwiegende Beeinträchtigung der körperlichen Integrität anzusehen ist (BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 4 StR 389/99, NJW 2000, 672 f. mit Anm. Renzikowski, NStZ 2000, 367 f.; und Beschluss vom 19. Dezember 2008 – 2 StR 383/08 aaO). Eine solche ist bei einem Eindringen mit dem Finger oder mit Gegenständen in Scheide oder After eines Kindes grundsätzlich anzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 – 2 StR 65/11, BGHSt 56, 223, 224; LK/Hörnle, StGB, 12. Aufl., § 176a Rn. 27; SK/Wolters, StGB, 135. Lfg. 2012 § 176a Rn. 16; aA Folkers, JR 2007, 11, 14 f.).
11
b) Das sexuell motivierte Einführen eines Thermometers, von Zäpfchen und des Daumens in den Anus – wie hier – stellt danach jeweils ein „Eindringen in den Körper“ im Sinne des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB dar. Als sexuelle Hand- lungen wiegen diese Tätigkeiten im Hinblick auf die Intensität des Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung und in die ungestörte sexuelle Entwicklung eines Kindes entgegen der Auffassung des Landgerichts so schwer, dass sie einem Beischlaf ähnlich sind. Auf eine möglicherweise fehlende konkrete Beeinträchtigung der sexuellen Entwicklung des Tatopfers durch die sexuelle Handlung (UA 16) kommt es hingegen für die Beurteilung des Schweregrades und damit der Beischlafähnlichkeit der Handlung nicht an.
12
3. Der Rechtsfehler führt auch zur Aufhebung der – mit Blick auf die beim Einführen der Zäpfchen festgestellten Schmerzen des Kindes – rechtsfehlerfreien tateinheitlichen Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Hingegen ist die Verneinung der Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden. Der Vortrag der Revision zu der Wirkung der verabreichten Zäpfchen ist weitgehend urteilsfremd. Um die behauptete Schädlichkeit der Medikamente in das Revisionsverfahren einzuführen, hätte es einer entsprechenden Aufklärungsrüge bedurft. Auch ein Quälen des Kindes nach § 225 Abs. 1 StGB liegt nach den bisherigen Feststellungen nicht nahe.
13
4. Die Aufhebung der Entscheidungen über die Anträge im Adhäsionsverfahren durch den Senat ist nicht geboten. Darüber hat das neue Tatgericht zu entscheiden (BGH, Beschlüsse vom 12. April 2016 – 2 StR 523/15 Rn. 23, insofern nicht abgedruckt in NStZ 2016, 526; vom 2. Februar 2006 – 4 StR 570/05, NJW 2006, 1890, 1891).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Paul

(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat:
a)
sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren (Kind),
b)
die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder
c)
die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes,
2.
es unternimmt, einer anderen Person einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen,
3.
einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herstellt oder
4.
einen kinderpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder der Nummer 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.
Gibt der kinderpornographische Inhalt in den Fällen von Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 4 kein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Wer es unternimmt, einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(4) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 Nummer 1 strafbar.

(5) Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung von Folgendem dienen:

1.
staatlichen Aufgaben,
2.
Aufgaben, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben, oder
3.
dienstlichen oder beruflichen Pflichten.

(6) Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 und Satz 2 gilt nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wenn

1.
die Handlung sich auf einen kinderpornographischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist, und
2.
die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(7) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder Absatz 3 bezieht, werden eingezogen. § 74a ist anzuwenden.

(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Ist der Antrag außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird er dem Beschuldigten zugestellt.

(2) Die Antragstellung hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. Sie treten mit Eingang des Antrages bei Gericht ein.

(3) Ist der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt, so wird der Antragsteller von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. Der Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter und der Ehegatte oder Lebenspartner des Antragsberechtigten können an der Hauptverhandlung teilnehmen.

(4) Der Antrag kann bis zur Verkündung des Urteils zurückgenommen werden.

(5) Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten ist auf Antrag Prozeßkostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, sobald die Klage erhoben ist. § 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll; dem Antragsteller, der sich im Hauptverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedient, soll dieser beigeordnet werden. Zuständig für die Entscheidung ist das mit der Sache befaßte Gericht; die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 281/13
vom
13. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 13. August 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 12. März 2013
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass in den Fällen II. 1 bis 3 der Urteilsgründe die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen entfällt,
b) im Adhäsionsausspruch aufgehoben; von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag der Nebenklägerin wird abgesehen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die sonstigen durch dieses Verfahren entstandenen Auslagen tragen der Beschwerdeführer und die Adhäsionsklägerin selbst.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der Adhäsionsentscheidung; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Die Rüge der Verletzung von § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO, da das Landgericht einen Beweisantrag des Beschwerdeführers auf Einholung eines psychologischen Gutachtens zur Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin zu Unrecht zurückgewiesen habe, ist aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 2. Juli 2013 jedenfalls unbegründet.
3
2. a) Der Schuldspruch bedarf in den Fällen II. 1 bis 3 der Urteilsgründe der Änderung dahin, dass der Angeklagte in diesen Fällen allein des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes (§ 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der bis zum 31. März 2004 geltenden Fassung) schuldig ist. Die Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichten sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB) muss entfallen, weil insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Daran ändert es nichts, dass – was der Senat nach § 354a StPO zu beachten hat – nach § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB in der durch Art. 1 Nr. 4 des Ge- setzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) geänderten Fassung die Verjährung nunmehr auch bei Straftaten nach § 174 StGB bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Opfers ruht. Diese Regelung gilt zwar auch rückwirkend für vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. April 2004 begangene Taten; ihre Anwendung ist indes ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes bereits Verjährung eingetreten war (Senatsbeschluss vom 24. Juni 2004 – 4 StR 165/04, BGHR StGB § 78b Abs. 1 Ruhen 12; vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. September 2006 – 5 StR 364/06).
4
So verhält es sich hier. Nach den Feststellungen des Landgerichts ereigneten sich die von den Fällen II. 1 bis 3 der Urteilsgründe erfassten Taten zu jeweils nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten zwischen November 1998 und April 1999. Danach ist in Anwendung des Zweifelssatzes zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass die für den Tatbestand des § 174 StGB maßgebliche fünfjährige Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) vor dem 1. April 2004 bereits abgelaufen war.
5
b) Der Senat schließt aus, dass der Tatrichter in diesen Fällen auf niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte, wenn er die Strafverfolgungsverjährung im Hinblick auf die Strafbarkeit gemäß § 174 StGB beachtet hätte. Die Strafkammer hat zwar die tateinheitliche Verwirklichung von zwei Straftatbeständen erschwerend herangezogen, bei der Bemessung der Einzelstrafen aber neben den psychischen Tatfolgen maßgeblich zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt , dass die Geschädigte bei Begehung dieser Taten noch sehr jung war und die Durchführung des Analverkehrs ihr starke Schmerzen bereitete. Schließlich darf auch die Verwirklichung teilverjährter idealkonkurrierender Delikte strafschärfend berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 6. April 2001 – 2 StR 75/01).
6
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

II.


7
1. Der Adhäsionsausspruch über die Zuerkennung von Schmerzensgeld kann jedoch keinen Bestand haben.
8
a) Der von der Nebenklägerin vor Beginn der Hauptverhandlung vor dem Landgericht gestellte Adhäsionsantrag entsprach nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO. Nach dieser Vorschrift muss der Adhäsionsantrag u.a. den Gegenstand und den Grund des geltend gemachten Anspruchs bestimmt bezeichnen (vgl. dazu LR-StPO/Hilger, 26. Aufl., § 404 Rn. 1 mwN). Das ist hier nicht geschehen.
9
b) Zwar hat der Bevollmächtigte der Nebenklägerin mit einem beim Landgericht am 2. Oktober 2012 eingegangenen Schriftsatz einen einschließlich der Zinsforderung bezifferten Schmerzensgeldanspruch als Adhäsionsantrag geltend gemacht (SA II/105). In dem Schriftsatz ist zum Grund des Anspruchs aber lediglich ausgeführt, eine ausführliche Begründung werde erfolgen , wenn die Anklageschrift vorliege. Zur Höhe des verlangten Schmerzensgeldes enthält der Schriftsatz nur den allgemeinen Hinweis auf die mehrfachen und jahrelangen strafrechtlich relevanten Handlungen und die dadurch bei der Nebenklägerin hervorgerufenen sehr schweren psychischen Beeinträchtigungen. Die angekündigte ausführliche Begründung des Adhäsionsantrags ist auch nach Kenntnisnahme von der Anklageschrift nicht erfolgt, auch nicht in Form einer bloßen Bezugnahme auf die in der Anklageschrift erhobenen Tatvorwürfe. Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, welche generellen Anforderungen an einen wirksamen Adhäsionsantrag im Sinne von § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO zu stellen sind. Jedenfalls im vorliegenden Fall genügte die Begründung aus dem Schriftsatz vom 1. Oktober 2012 allein nicht. Dem Angeklagten wurden in der Anklage insgesamt 30 Straftaten zum Nachteil der Nebenklägerin über einen Zeitraum von etwa sechs Jahren an verschiedenen Orten vorgeworfen. In der Abschlussverfügung hatte die Staatsanwaltschaft das Verfahren zudem wegen weiterer aktenkundiger Taten zum Nachteil der Nebenklägerin vorläufig im Hinblick auf die angeklagten Taten gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Schon angesichts des Umfangs der angeklagten und der eingestellten Vorwürfe hätte es genauerer Darlegungen der Nebenklägerin bedurft, auf welche der Taten zu ihrem Nachteil sie ihren Adhäsionsantrag auf Zahlung eines Schmerzensgeldes , der dieselben Wirkungen wie die Erhebung einer zivilrechtlichen Klage hat (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 412/03, StraFo 2004, 144), stützen wollte.
10
2. Eine Zurückverweisung der Sache allein zur prozessordnungsgemäßen Nachholung des Adhäsionsverfahrens kommt nicht in Betracht, da ein wirksamer Antrag nicht mehr rechtzeitig gestellt werden könnte. Der Senat spricht deshalb aus, dass insoweit gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 und 6 StPO von einer Entscheidung abgesehen wird (vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2007 – 3 StR 426/07, StV 2008, 127).

III.


11
Eine Entscheidung gemäß § 473 Abs. 4 StPO kommt angesichts des nur geringfügigen Erfolgs des Rechtsmittels nicht in Betracht. Im Übrigen beruht die Kosten- und Auslagenentscheidung auf § 472a Abs. 2, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Ist der Antrag außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird er dem Beschuldigten zugestellt.

(2) Die Antragstellung hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. Sie treten mit Eingang des Antrages bei Gericht ein.

(3) Ist der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt, so wird der Antragsteller von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. Der Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter und der Ehegatte oder Lebenspartner des Antragsberechtigten können an der Hauptverhandlung teilnehmen.

(4) Der Antrag kann bis zur Verkündung des Urteils zurückgenommen werden.

(5) Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten ist auf Antrag Prozeßkostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, sobald die Klage erhoben ist. § 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll; dem Antragsteller, der sich im Hauptverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedient, soll dieser beigeordnet werden. Zuständig für die Entscheidung ist das mit der Sache befaßte Gericht; die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 368/13
vom
22. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Oktober 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 9. April 2013 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass für die Tat II. 6 der Urteilsgründe eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt wird. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die dem Neben- und Adhäsionskläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „6-fachenschweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen sowie des 2-fachen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen“ zu der Gesamt- freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen; von weiteren Tatvorwürfen hat es ihn freigesprochen. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungs- formel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Im Fall II. 6 der Urteilsgründe begegnet die Zumessung der Einzelfreiheitsstrafe durchgreifenden rechtlichen Bedenken. In diesem Fall hat das Landgericht den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; einen minder schweren Fall nach § 176a Abs. 4 Halbs. 2 StGB hat es in diesem wie auch in allen anderen Fällen des § 176a Abs. 2 StGB verneint.
3
Der Generalbundesanwalt hat insoweit ausgeführt: „Die Verhängung der Einzelstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten bei der Tat II. 6. der Urteilsgründe kann allerdings keinen Bestand haben. Die ergänzend zu dieser Tat aufgeführten Strafzumessungskriterien (Durchführung von Oral- und Analverkehr, erhebliche Schmerzen des Nebenklägers , Weinen des Nebenklägers veranlasste den Angeklagten nicht zur Beendigung des Verkehrs), die dieser Tat ein überdurchschnittliches Gewicht zukommen lassen soll (UA, S. 24), sind nicht durch die Feststellungen gedeckt. Die Jugendschutzkammer hat hier die Feststellungen zu verschiedenen Einzeltaten vermengt. Der Angeklagte hat zwar bei der Tat II. 6. - wie aber auch bei der Tat II. 5. - am Nebenkläger Oral- und Analverkehr verübt, jedoch hat die Kammer bei dieser Tat nicht die erheblichen Schmerzen, die auch nachfolgend beim Stuhlgang anhielten, und ein Weinen des Nebenklägers bei der Tatausübung festgestellt. Diese Feststellungen betreffen die Tat II. 4., bei der es aber nur zu Anal- und nicht zu Oralverkehr kam.“
4
In Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts reduziert der Senat die Einzelfreiheitsstrafe im Fall II. 6 der Urteilsgründe auf zwei Jahre. Dies entspricht den – rechtsfehlerfrei zugemessenen – Einzelstrafen, die das Landgericht in dem in jeder Hinsicht parallel liegenden Fall II. 5 der Urteilsgründe sowie auch in dem wegen der festgestellten Umstände und Folgen der Tat (Weinen und länger andauernde Schmerzen) schwerer wiegenden Tat unter II. 4 der Urteilsgründe verhängt hat.
5
2. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist die Adhäsionsentscheidung rechtsfehlerfrei ergangen. Das Landgericht hat den Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 6.000 € verurteilt.
6
a) Der Adhäsionskläger hat den hierauf gerichteten Zahlungsantrag nicht verspätet angebracht (§ 404 Abs. 1 Satz 1 StPO). Der Vertreter des Adhäsionsklägers hatte den Leistungsantrag, der zuvor nicht außerhalb der Hauptverhandlung zugestellt oder in ihr bereits verlesen worden war, im Termin vom 9. April 2013 zunächst erst nach dem Schlussvortrag der Vertreterin der Staatsanwaltschaft gestellt. Nach den weiteren Schlussvorträgen und dem letz- ten Wort des Angeklagten wurde „nochmals in die Beweisaufnahme eingetreten“ und diese sodann wieder geschlossen. Anschließend wiederholten die Ver- fahrensbeteiligten ihre zuvor gestellten Anträge. Gemäß § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO kann der Adhäsionsantrag nach Beginn der Schlussvorträge, die dem den Rechtszug abschließenden Urteil vorausgehen, nicht mehr gestellt werden; diese Präklusion greift jedoch nicht ein, wenn das Gericht erneut in die Beweisaufnahme eingetreten ist (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 404 Rn. 4); es ist stets auf den Beginn der letzten Schlussvorträge abzustellen (Hilger in LöweRosenberg , StPO, 26. Aufl., § 404 Rn. 4). Danach ist der Adhäsionsantrag hier noch rechtzeitig angebracht worden; der Zweck der Regelung in § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass der Staatsanwalt Gelegenheit haben muss, zu dem geltend gemachten vermögensrechtlichen Anspruch des Verletzten Stellung zu beziehen (BGH, Beschlüsse vom 9. August 1988 – 4 StR 342/88, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 1, und 9. September 2008 – 1 StR 449/08, NStZ 2009, 566, 567), ist auch in der hier gegebenen Fallgestaltung erfüllt.
7
b) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Generalbundesanwalts, dass der Adhäsionsantrag nicht den Anforderungen des § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO genügt. Nach dieser Vorschrift muss der Adhäsionsantrag unter anderem den Gegenstand und den Grund des geltend gemachten Anspruchs bestimmt bezeichnen (vgl. dazu Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 404 Rn. 1 mwN). Unter den hier gegebenen Umständen reichte dazu jedoch die im Antrag vom 12. Februar 2013 erfolgte Bezugnahme auf die in der Anklageschrift erhobenen Tatvorwürfe aus (vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. August 2013 – 4 StR 281/13). Der der Anklage zugrunde liegende Sachverhalt ist einfach und überschaubar. In allen Fällen richteten sich die Vorwürfe ausschließlich gegen den Angeklagten; Tatopfer war in allen Fällen der Adhäsionskläger.
8
c) Der Senat kann über die Revision des Angeklagten durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 und 4 StPO befinden, obwohl der Generalbundesanwalt die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Adhäsionsausspruch beantragt hat. Kann das Revisionsgericht über den strafrechtlichen Teil des Urteils im Beschlussverfahren entscheiden, so kann es hierbei auch über das Rechtsmittel gegen die Zubilligung einer Entschädigung des Verletzten ohne Bindung an den Antrag des Generalbundesanwalts mitbefinden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 2009 – 2 StR 239/09, NStZ-RR 2009, 382, und 18. November 2011 – 1 StR 475/11).
9
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
10
Die Herabsetzung der Einzelstrafe im Fall II. 6 der Urteilsgründe auf zwei Jahre nötigt nicht zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. In Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt schließt der Senat – auch im Blick auf die weiter verhängten Einzelstrafen (fünfmal zwei Jahre und zweimal sechs Monate Freiheitsstrafe) – aus, dass das Landgericht, hätte es auch im Fall II. 6 eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, eine noch mildere Gesamtstrafe festgesetzt hätte.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Mutzbauer Bender

(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Ist der Antrag außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird er dem Beschuldigten zugestellt.

(2) Die Antragstellung hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. Sie treten mit Eingang des Antrages bei Gericht ein.

(3) Ist der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt, so wird der Antragsteller von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. Der Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter und der Ehegatte oder Lebenspartner des Antragsberechtigten können an der Hauptverhandlung teilnehmen.

(4) Der Antrag kann bis zur Verkündung des Urteils zurückgenommen werden.

(5) Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten ist auf Antrag Prozeßkostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, sobald die Klage erhoben ist. § 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll; dem Antragsteller, der sich im Hauptverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedient, soll dieser beigeordnet werden. Zuständig für die Entscheidung ist das mit der Sache befaßte Gericht; die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 412/03
vom
17. Dezember 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Dezember 2003 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 15. Juni 2003 dahin geändert, daß der dem Geschädigten J. R. zugesprochene Anspruch in Höhe von 1.500 % Zinsen über dem Basiszinssatz erst ab dem 14. Februar 2003 zu verzinsen ist. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen. Die Beschwerdeführer haben die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

Die Strafkammer hat dem Nebenkläger entsprechend dessen am 14. Februar 2003 bei Gericht eingegangenem Antrag einen Schadensersatzanspruch und Schmerzensgeldanspruch in Höhe von insgesamt 1.500 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28. April 2002 zugesprochen. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, stehen ihm die beantragten Zinsen aber nicht ab dem Tattag (28. April 2002) zu, sondern erst ab Rechtshängigkeit des Adhäsionsantrages (§ 286 Abs. 1 Satz 2, § 288 Abs. 1 BGB, § 404 Abs. 2 StPO). Die Rechtshängigkeit ist mit dem Eingang der Antragsschrift bei Gericht am 14. Februar 2003 eingetreten. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 404 Abs. 2 StPO hat bereits die Antragstellung dieselben Wirkungen wie die Erhebung einer zivilrechtlichen Klage.
Im übrigen hat die auf die Revisionsbegründungen hin gebotene Überprüfung des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Der nur geringe Teilerfolg der Revisionen wirkt sich auf die Kostenentscheidung nicht aus. Nack Wahl Schluckebier Kolz Elf

(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.

(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.

(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.

(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.

(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.