Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2019 - 5 StR 87/19

bei uns veröffentlicht am03.04.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 87/19
vom
3. April 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:030419B5STR87.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 3. April 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. September 2018, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Auf die Revision des Angeklagten F. wird das vorgenannte Urteil dahin geändert, dass
a) - der Angeklagte F. der Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen, davon in fünf Fällen tateinheitlich mit bandenmäßigem unerlaubten Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in fünf Fällen tateinheitlich mit bandenmäßigem unerlaubten Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in einem Fall tateinheitlich mit bandenmäßigem unerlaubten Anbau und bandenmäßigem unerlaubten Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist, - der nicht revidierende Angeklagte W. der Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zehn Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit bandenmäßigem unerlaubten Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in fünf Fällen tateinheitlich mit bandenmäßigem unerlaubten Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist, - der nicht revidierende Angeklagte S. der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,
b) im Strafausspruch, dass bei dem Angeklagten F. sowie den Nichtrevidenten W. und S. jeweils die für die Tat im Fall 13 festgesetzte Einzelstrafe entfällt und
c) dass hinsichtlich des Angeklagten F. die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 26.206,14 Euro angeordnet ist.
Die weitergehende Revision des Angeklagten F. wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten L. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen sowie Entziehung elektrischer Energie zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Den Angeklagten F. hat es wegen Beihilfe zum bandenmäßigem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit bandenmäßigen unerlaubten Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge , in weiteren fünf Fällen in Tateinheit mit bandenmäßigem unerlaubten Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in weiteren zwei Fällen in Tateinheit mit bandenmäßigem unerlaubten Anbau von Betäubungsmitteln sowie mit bandenmäßigem unerlaubten Herstellen von Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Außerdem hat es Einziehungsentscheidungen und hinsichtlich des Angeklagten L. eine Adhäsionsentscheidung getroffen.
2
Ferner hat es gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten W. wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit bandenmäßigem unerlaubten Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und in weiteren sechs Fällen mit bandenmäßigem unerlaubten Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten und gegen den weiteren Nichtrevidenten

S.

wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in sechs Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verhängt.
3
Die Angeklagten L. und F. wenden sich gegen das Urteil mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Der Angeklagte L. beanstandet zudem das Verfahren. Sein Rechtsmittel führt mit der Verfahrensrüge zur Aufhebung des Urteils. DieRevision des Angeklagten F. hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg und war insoweit auf die Nichtrevidenten W. und S. zu erstrecken; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


4
Das Rechtsmittel des Angeklagten L. hat mit der Verfahrensrüge Erfolg.
5
1. Die Revision beanstandet, dass der beisitzende Richter am Landgericht D. am zweiten Sitzungstag der insgesamt zweitägigen Hauptverhandlung – an dem Teile der Beweisaufnahme, unter anderem die Vernehmung einer Zeugin und die Verlesung von Urkunden, durchgeführt, die Schlussvorträge gehalten und das Urteil verkündet wurde – nicht anwesend war. Dies ist durch das Hauptverhandlungsprotokoll, das keine Berichtigung erfahren hat, im Sinne des § 274 StPO bewiesen.
6
a) Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben.
7
Das Revisionsvorbringen genügt den Erfordernissen des vollständigen Tatsachenvortrags im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Insbesondere handelt es sich entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht lediglich um eine unzulässige Protokollrüge (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 4StR 111/11, StraFo 2011, 317; Urteil vom 20. April 2006 – 4 StR 604/05, NStZ-RR 2007, 52, 53). Dem Revisionsvorbringen ist vielmehr die bestimmte Behauptung zu entnehmen, dass der beisitzende Richter D. am zweiten Hauptverhandlungstag abwesend war. Die in diesem Zusammenhang an ein wörtliches Zitat aus dem Sitzungsprotokoll anknüpfende Formulierung in der Revisionsbegründungsschrift, wonach der beisitzende Richter „danach“ – nach dem zitierten Protokollinhalt – nicht anwesend war, dient allein der Beweisführung hinsichtlich des behaupteten Verfahrensfehlers (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2014 – 3 StR 497/14) und beanstandet nicht lediglich eine unzureichende Protokollierung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 210/13, BGHSt 59, 130, 132 f.).
8
b) Die Beanstandung hat auch in der Sache Erfolg und begründet einen absoluten Revisionsgrund nach § 226 Abs. 1 i.V.m. § 338 StPO.
9
Die Abwesenheit eines (beisitzenden) Richters oder eines Schöffen während wesentlicher Teile der Hauptverhandlung führt nach der bisherigen Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung in der Literatur zum absoluten Revisionsgrund der vorschriftswidrigen Gerichtsbesetzung im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO (BGH, Urteile vom 12. Juli 2001 – 4 StR 550/00, NJW 2001, 3062, und vom 11. Februar 1999 – 4 StR 657/98, BGHSt 44, 361, 365; Beschluss vom 20. Oktober 1981 – 5 StR 564/81, NStZ 1982, 41; SSW-StPO/Momsen, 3. Aufl., § 338 Rn. 43; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 338 Rn. 71; Löwe /Rosenberg/Franke, StPO, 26. Aufl., § 338 Rn. 80). Ob Fallkonstellationen der psychischen oder physischen Abwesenheit von Richtern stattdessen unter § 338 Nr. 5 StPO zu subsumieren sind (hierfür Löwe/Rosenberg/Becker, aaO, § 226 Rn. 27 mwN; mit ausdrücklich formulierter Neigung zur Anwendung von § 338 Nr. 5 StPO, im Ergebnis aber offenlassend BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 3 StR 84/16, NStZ 2017, 372, 373) bedarf hier keiner Entscheidung , da eine Rügepräklusion auch bei Anwendung des § 338 Nr. 1 StPO vorliegend ausscheidet (vgl. BGH, aaO; Urteil vom 11. Februar 1999 – 4 StR 657/98, BGHSt 44, 361, 364).
10
2. Das unbeschränkte Rechtsmittel des Angeklagten L. führt auch zur Aufhebung des Adhäsionsausspruchs. Denn der die Entziehung elektrischer Energie betreffende Anspruch gründet in einer Straftat, auf die sich die Aufhebung bezieht, womit die Grundlage des bürgerlich-rechtlichen Anspruchs entfällt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2018 – 5 StR 373/18).

II.


11
Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten F. hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg, was vorliegend zur Erstreckung der Entscheidung auf die Nichtrevidenten W. und S. führt (§ 357 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.
12
1. In den Fällen 13 und 14 der Urteilsgründe begegnet die konkurrenzrechtliche Bewertung der Strafkammer durchgreifenden Bedenken.
13
Nach den insoweit maßgeblichen Feststellungen betrieb der Angeklagte L. ab Frühjahr 2017 bis 26. September 2017 unterstützt durch die Angeklagten F. , W. und S. in einem von ihm angemieteten und entsprechend hergerichteten Gebäude in eine Cannabisplantage. In dieser wurden wiederholt Cannabispflanzen in verschiedenen Räumen aus Setzlingen aufgezogen, geerntet und zum gewinnbringenden Verkauf zu Marihuana weiterverarbeitet.
14
Der Plantagenbetrieb wurde von dem Angeklagten L. geführt. Er übernahm Einkauf und Transport von neuen Setzlingen, traf die Entscheidungen darüber, welche Arbeiten wann durchgeführt wurden und verkaufte das geerntete Marihuana an unbekannte Abnehmer in Berlin. Die Angeklagten F. und W. hielten sich wochentags gemeinsam mit dem Angeklagten L. in der Regel mehrere Stunden auf der Plantage auf und führten nach dessen Weisungen anfallende Arbeiten durch. Diese Tätigkeit beinhaltete neben pflegerischen Arbeiten insbesondere die Mitwirkung an der Einpflanzung von neu erworbenen Setzlingen und bei der Ernte von Pflanzen. Als Gegenleistung für ihre Tätigkeit erhielten die Angeklagten F. und W. ein regelmäßiges Entgelt von L. . Dem Zusammenwirken von L. , F. und W. lag die von dem Willen dieser Beteiligten getragene Abrede zugrunde, künftig für jedenfalls eine gewisse Dauer durch die Mitwirkung bei den auf der Plantage anfallenden Arbeiten Betäubungsmitteldelikte zu begehen.
15
Nach den Feststellungen der Strafkammer zu den Fällen 13 und 14 kaufte der Angeklagte L. Ende Mai 2017 mindestens 1.405 Cannabisstecklinge in , transportierte diese zur Plantage nach und baute sie dort in den folgenden Tagen gemeinsam mit dem Angeklagten F. in den Räumen Nr. 6 und Nr. 10 an. Die in Raum Nr. 10 aufgezogenen mindestens 280Pflanzen erntete der Angeklagte L. am 10. August 2017 gemeinsam mit dem Mitangeklagten W. (Gesamtwirkstoffmenge mindestens 190 g THC). Die in Raum Nr. 6 angebauten mindestens 1.125 Pflanzen (Gesamtwirkstoffmenge mindestens 765 g THC) ernteten die Angeklagten L. , F. und W. gemeinsam zwischen Anfang August und dem 15. August 2017 ab. Der Angeklagte L. verkaufte „die Ernten im Folgenden in “ (UAS. 14). Der Mitangeklagte S. , der gelegentlich für ein „Spritgeld“ Fahrdiensteverrichtete und in einem Fall auch bei der Ernte von Cannabispflanzen mithalf, holte die Angeklagten F. und W. am 14. August 2017 mit dem Pkw von der Plantage ab und fuhr sie am Folgetag zur Fortsetzung der Arbeiten dorthin zurück. Ihm war dabei bewusst, dass die Plantage dem gewinnbringenden Anbau von Cannabisprodukten in nicht geringer Menge diente und die Angeklagten dort gerade mit Erntearbeiten beschäftigt waren.
16
Das Landgericht hat das zu den Taten 13 und 14 beschriebene Geschehen bezüglich des Angeklagten L. als zwei Taten des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bewertet. Den Angeklagten F. hat es insoweit wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils tateinheitlich begangen mit bandenmäßigem (täterschaftlichen ) Anbau und bandenmäßigem (täterschaftlichen) Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Hinsichtlich des Nichtrevidenten W. ist die Kammer auf der Grundlage dieses Geschehens ebenfalls von zwei Taten der Beihilfe zum Handeltreiben (§ 53 StGB), jeweils tateinheitlich begangen mit bandenmäßigem (täterschaftlichen) Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, ausgegangen. Schließlich hat es die Tatbeiträge des nicht revidierenden Mitangeklagten S. insoweit als Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen bewertet.
17
2. Die im Übrigen rechtsfehlerfreie Bewertung der Strafkammer begegnet hinsichtlich des Angeklagten F. im Hinblick auf den zu den Fällen 13 und 14 festgestellten Sachverhalt in zweifacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
18
a) Zum einen wird der Schuldspruch wegen neben der Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tateinheitlich jeweils verwirklichten bandenmäßigen Herstellens von den Feststellungen nicht getragen. Denn im Fall 13 ist insoweit nur ausgeführt, dass der Angeklagte F. bei der Anpflanzung der von L. erworbenen Cannabisstecklinge in Raum Nr. 6 mitwirkte, die Ernte dieser Pflanzen aber durch den Angeklagten L. und den Angeklagten W. – ohne Mitwirkung des Angeklagten F. – erfolgte.
19
b) Zum anderen ist die Annahme von zwei Haupttaten des Angeklagten L. hinsichtlich der Taten 13 und 14 nicht ausreichend belegt. Denn im Unterschied zu den übrigen Taten, bei denen jeweils der gesonderte Verkauf der abgeernteten Pflanzen eines Anbauvorgangs durch den Angeklagten L. unter Ausschluss einer Vermischung mit Ernten aus weiteren Räumen der Plantage mit der Folge der rechtsfehlerfreien Annahme von Tatmehrheit (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2015 – 3 StR 546/14, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 2; Beschlüsse vom 28. März 2018 – 2 StR 176/17 und vom 22. Januar 2019 – 2 StR 212/18) festgestellt ist, kann ein gemeinsamer Verkauf des aus den Ernten der in den Räumen Nr. 6 und Nr. 10 gewonnenen Marihuanas angesichts der festgestellten, im engen zeitlichen Kontext liegenden Erntezeit- punkte und der Feststellungen zum Verkaufsgeschehen nicht ausgeschlossen werden. Jedenfalls die Vermischung der Ernten und deren anschließender gemeinsamer Verkauf führt zur Annahme einer Tat (Bewertungseinheit) des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge des Angeklagten L. (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2011 – 3 StR 485/10 und vom 22. Januar 2019 – 2 StR 212/18; Urteil vom 19. Febru- ar 2015 – 3 StR 546/14). Demzufolge liegt auch für den Gehilfen insoweit nur eine Beihilfe vor.
20
Diese Beihilfe steht nicht nur in Tateinheit mit dem täterschaftlichen Herstellen , sondern auch mit dem (einfachen) täterschaftlichen Anbau von Betäubungsmitteln. Denn die von der Strafkammer in den Fällen 13 und 14 angenommenen Anbauvorgänge in den Räumen Nr. 6 und Nr. 10 der Plantage sind angesichts der einheitlichen Beschaffung von Stecklingen und der im engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführten Pflanzung als eine einheitliche Tat des Anbaus zu bewerten (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2016 – 5 StR 461/16). Infolge dessen war der Angeklagte F. aufgrund des zu den Fällen 13 und 14 der Urteilsgründe festgestellten Sachverhalts wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tateinheitlich begangen mit bandenmäßigem Anbau und mit bandenmäßigem Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig zu sprechen.
21
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können.
22
c) Mit der Änderung der konkurrenzrechtlichen Bewertung entfällt die im Fall 13 der Urteilsgründe festgesetzte Einzelstrafe von zwei Jahren. Für das nunmehr als Beihilfe zum bandenmäßigem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bandenmäßigen unerlaubten Anbau und mit bandenmäßigem unerlaubten Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bewertete Geschehen verbleibt es bei der im Fall 14 der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafe von drei Jahren. Der Wegfall der Einzelstrafe im Fall 13 führt nicht zu einer Änderung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht angesichts der Einsatzfreiheitsstrafe von drei Jahren und verbleibenden Einzelstrafen von drei Jahren, zweimal zwei Jahren und sechs Monaten, siebenmal zwei Jahren Freiheitsstrafe und 180 Tagessätzen Geldstrafe zu einer milderen Gesamtstrafe gelangt wäre.
23
d) Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Teilaufhebung auf die nichtrevidierenden Mitangeklagten W. und S. zu erstrecken, auch wenn sich dieses Ergebnis nicht auf die Gesamtstrafen auswirkt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. August 2018 – 3 StR 301/18, NStZ-RR 2018, 352, 353; 9. März 2005 – 2 StR 544/04, NStZ-RR 2005, 199, 200; vom 14. Mai 1996 – 1 StR 245/96, NStZ 1996, 507, 508). Da das von der Strafkammer zu den Fällen 13 und 14 festgestellte Geschehen beim Haupttäter zu einer Tat (§ 52 StGB) zusammenzufassen ist, können die Gehilfen S. und W. – ebenso wie der Angeklagte F. – auch nur in diesem rechtlichen Umfang Hilfe geleistet haben (§ 27 StGB). Hinsichtlich des Nichtrevidenten W. liegt ferner in dem Abernten der Pflanzen aus den Räumen Nr. 6 und 10 aufgrund des engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhangs (nur) ein tateinheitlich zur Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge be- gangenes (täterschaftliches) bandenmäßiges Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
24
Damit entfallen auch bei den Mitangeklagten S. und W. die für diese im Fall 13 jeweils festgesetzten Einzelstrafen von zwei Jahren Freiheitsstrafe (W. ) und sechs Monaten Freiheitsstrafe (S. ). Indes ist bei dem Angeklagten W. bei einer Einsatzfreiheitsstrafe von drei Jahren sowie verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen von einmal drei Jahren, sechsmal zwei Jahren und zweimal zwei Jahren und sechs Monaten auszuschließen, dass sich der Wegfall auf die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe auswirkt. Gleiches gilt angesichts einer Einsatzfreiheitsstrafe von zehn Monaten und verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen von viermal drei Monaten sowie gleichbleibenden Schuldumfangs bei dem Angeklagten S. .
25
e) Schließlich bedurfte die durch das Landgericht getroffene Einziehungsentscheidung der Klarstellung. Enthält ein nach § 55 StGB einzubeziehendes Urteil, wie vorliegend, eine Einziehung des Wertes von Taterträgen und liegen auch bei dem neu abzuurteilenden Sachverhalt die Voraussetzungen für eine solche Einziehung vor, so muss im Rahmen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung eine einheitliche Entscheidung hierüber ergehen, die in die Urteilsformel aufzunehmen ist (BGH, Urteil vom 29. Mai 2008 – 3 StR 94/08, NStZ-RR 2008, 275, 276; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung , 6. Aufl., Rn. 1262). Der Senat holt dies klarstellend nach und ordnet die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von insgesamt 26.206,14 Euro an (19.406,14 Euro aus dem Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde/Spree vom 19. Februar 2018 zuzüglich der rechtsfehlerfrei festgesetzten 6.800 Euro aus dem vorliegenden Urteil).
26

f) Im Hinblick auf den geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten F. mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

27
3. Für die neue Hauptverhandlung sieht der Senat Anlass zu folgenden Hinweisen:
28
Die Annahme von Tatmehrheit zwischen bandenmäßigem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und der Entziehung elektrischer Energie begegnet auf der Grundlage der bisherigen Urteilsfeststellungen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2005 – 2 StR 192/05, NStZ 2006, 578, 579; Beschluss vom 22. Januar 2019 – 2 StR 212/18). Die Tathandlung der Energieentziehung stellt sich nach den bisher getroffenen Feststellungen vielmehr hiernach als ein Teilakt des jeweiligen Handeltreibens (§ 52 Abs. 1 1. Alt. StGB) dar.
29
Bezüglich einer etwa neu zu treffenden Adhäsionsentscheidung weist der Senat darauf hin, dass Gegenstand und Grund des Anspruchs im Antrag bestimmt zu bezeichnen sind, § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO. Die Angabe des Grundes kann nur in einfachen Fällen durch Bezugnahme auf die Anklageschrift erfolgen (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2013 – 4 StR 368/13, NStZ-RR 2014, 90). Dies genügt aber in der Regel nicht, wenn es um zahlreiche Tatvorwürfe gegen mehrere Angeklagte geht (BGH, Beschluss vom 15. März 2017 – 4 StR 22/17, NStZ-RR 2017, 142). Denn es muss sich aus der Antragsschrift eindeutig ergeben , auf welchen Sachverhalt sich die Forderung bezieht und welche Leistung von welchem Angeklagten begehrt wird. Der geforderte Geldbetrag ist in Fällen, in denen es sich nicht um Schmerzensgeld handelt, zudem zu beziffern (KK-StPO/Zabeck, 8. Aufl., § 404 Rn. 5; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 404 Rn. 3).
Mutzbauer Sander RiBGH Prof. Dr. König ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer
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Bundesgerichtshof Urteil, 28. März 2018 - 2 StR 176/17

bei uns veröffentlicht am 28.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 176/17 vom 28. März 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ECLI:DE:BGH:2018:280318U2STR176.17.0 De

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juni 2011 - 3 StR 485/10

bei uns veröffentlicht am 28.06.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 485/10 vom 28. Juni 2011 in der Strafsache gegen wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Gene

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2018 - 3 StR 301/18

bei uns veröffentlicht am 07.08.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 301/18 vom 7. August 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. hier: Revision des Angeklagten S. ECLI:DE:BGH:2018:070818B3STR301.18.0 Der 3. S

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2013 - 3 StR 210/13

bei uns veröffentlicht am 12.12.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 S t R 2 1 0 / 1 3 vom 12. Dezember 2013 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja - nur A. II. (Überschrift) Nr. 3 Veröffentlichung: ja ________________________________ StPO § 337 Abs. 1, § 257c Abs. 5, § 273 Abs. 1a

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Apr. 2006 - 4 StR 604/05

bei uns veröffentlicht am 20.04.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 604/05 vom 20. April 2006 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. April 2006, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richt

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2013 - 4 StR 368/13

bei uns veröffentlicht am 22.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 368/13 vom 22. Oktober 2013 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführe

Bundesgerichtshof Urteil, 29. Mai 2008 - 3 StR 94/08

bei uns veröffentlicht am 29.05.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 94/08 vom 29. Mai 2008 in der Strafsache gegen wegen Bandenhandels von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. Mai 2008, an de

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2017 - 4 StR 22/17

bei uns veröffentlicht am 15.03.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 22/17 vom 15. März 2017 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. ECLI:DE:BGH:2017:150317B4STR22.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbu

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2016 - 3 StR 84/16

bei uns veröffentlicht am 20.09.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 84/16 vom 20. September 2016 Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein BGHR: ja Veröffentlichung: ja StPO § 247a Abs. 1 § 247a Abs. 1 StPO gestattet die einzig zulässige Art und Weise der Videovernehmung ein

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Feb. 2015 - 3 StR 546/14

bei uns veröffentlicht am 19.02.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 S t R 5 4 6 / 1 4 vom 19. Februar 2015 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1

Referenzen

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 604/05
vom
20. April 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. April
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hagen vom 22. Juni 2005 wird verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freisprechung im Übrigen - wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision , mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

A.


2
1. Nach den der Verurteilung zu Grunde liegenden Feststellungen der Strafkammer besuchte der Angeklagte während eines Hafturlaubs seine Ehefrau , die ihm bereits vor Monaten mitgeteilt hatte, dass sie sich von ihm trennen wolle. Sie hielt trotzdem weiter Kontakt zu dem Angeklagten, obwohl sie sich inzwischen einem anderen Mann zugewandt, die gemeinsame Wohnung aufgegeben und eine neue Wohnung bezogen hatte. Beide verabredeten, eine Kirmes zu besuchen. Zuvor wollte die Ehefrau jedoch noch duschen und sich umziehen. Der Angeklagte nutzte diese Gelegenheit, sie in ihrer Wohnung zu bedrängen und unter Anwendung körperlicher Kraft u.a. den Geschlechtsverkehr mit ihr zu erzwingen.
3
2. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat bestritten und sich dahin eingelassen, dass es zwischen seiner Ehefrau und ihm zu einverständlichen sexuellen Handlungen gekommen sei. Die Strafkammer hat der Geschädigten geglaubt, die das Geschehen wie festgestellt geschildert hat.

B.


4
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
5
I. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
6
1. Die Aufklärungsrüge (Anhörung eines weiteren Sachverständigen, der bekundet hätte, dass auf Grund der - wie festgestellt - "massiven sexuellen Übergriffe" bei der Geschädigten hätten Verletzungen vorliegen müssen) ist unzulässig erhoben, weil das "schriftliche Gutachten" der gehörten Sachverständigen (RB S. IV – Bd. I Bl. 46 bis 53 d.A.: Ärztlicher Untersuchungsbericht) nicht vollständig mitgeteilt wurde. Die insoweit von der Revision in Bezug genommenen Urteilsstellen reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob sich das Landgericht hätte gedrängt sehen müssen, einen weiteren Sachverständigen anzuhören (vgl. dazu BGH NStZ 1999, 45; Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 244 Rdn. 81).
7
2. Ohne Erfolg bleibt auch die Beanstandung, das Landgericht habe durch die Verlesung von Teilen der Ermittlungsakte betreffend den Zeugen Peter K. jun. gegen die §§ 250, 251 StPO verstoßen.
8
a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
9
Der Angeklagte hatte behauptet, die Geschädigte habe nicht nur ihn zu Unrecht belastet, sondern früher auch gegen ihren ehemaligen Freund Peter K. jun. unwahre Vorwürfe erhoben. So habe sie Peter K. jun. u.a. in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu Unrecht belastet.
10
Peter K. jun. wurde im Hauptverhandlungstermin vom 22. Juni 2005 als Zeuge gehört. Nach seiner Entlassung wurde die Geschädigte vernommen und "im Zuge (ihrer) Vernehmung ... wurden die Ermittlungsakten 200 Js 2384/01 erörtert" (Bd. II Bl. 247 d.A.). Weiter heißt es in der Sitzungsniederschrift : "Nach Anhörung und mit Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten auf Anordnung des Vorsitzenden: Die Beschuldigtenvernehmung des Peter K. vom 10.12.2001 Bl. 13-16 aus der Beiakte 200 Js 2384/01 soll verlesen werden, § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO.
Die Anordnung wurde ausgeführt."
11
Danach ordnete der Vorsitzende an, dass die Geschädigte unvereidigt bleibt. Sie wurde im allseitigen Einverständnis entlassen und die Beweisaufnahme wurde geschlossen.
12
Im Urteil ist ausgeführt, dass eine im Rahmen der Hauptverhandlung erfolgte Verlesung von Vernehmungsprotokollen aus der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Hagen 22 [gemeint ist: 200] Js 2384/01 die Behauptung des Angeklagten, die Geschädigte habe Peter K. jun. in diesem Verfahren zu Un- recht belastet, nicht bestätigt, sondern widerlegt habe, “da alle wesentlichen Angaben der (Geschädigten) in diesem Verfahren von Peter K. jun. bestätigt worden (seien)“.
13
b) Die Revision macht geltend:
14
aa) Die Voraussetzungen der vom Landgericht herangezogenen Verlesungsvorschrift (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO) hätten nicht vorgelegen, weil nach dieser Bestimmung die Vernehmung eines Zeugen durch die Verlesung der Niederschrift über seine frühere richterliche Vernehmung nur ersetzt werden dürfe, wenn der Zeuge verstorben oder in Geisteskrankheit verfallen oder wenn sein Aufenthalt nicht zu ermitteln sei. Der Strafkammer sei aber die ladungsfähige Anschrift des zuvor vernommenen Zeugen K. jun. bekannt gewesen. Er hätte daher gemäß § 250 StPO erneut persönlich gehört werden müssen.
15
bb) Die ursprüngliche Fassung des Protokolls habe den Zusatz, "dass alle Prozessangehörigen zugestimmt haben sollen", nicht enthalten; die Sitzungsniederschrift sei vielmehr insoweit handschriftlich ergänzt worden. Eine Genehmigung dieser Protokollergänzung bzw. –berichtigung fehle. Eine Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten könne daher "nicht festgestellt" werden.
16
cc) Verlesbare Protokolle nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO seien nur richterliche Vernehmungsprotokolle. Verlesen worden sei aber eine polizeiliche Vernehmung des Zeugen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens.
17
dd) Die Verlesung sei nicht durch einen Gerichtsbeschluss, sondern auf Grund einer Anordnung des Vorsitzenden erfolgt. Der Beschluss müsse im Üb- rigen so genau begründet sein, dass eine rechtliche Nachprüfbarkeit möglich ist. Dies sei bei der Anordnung des Vorsitzenden nicht der Fall gewesen.
18
ee) Das Gericht hätte - trotz der Verlesung - im Rahmen seiner Aufklärungspflicht die Beweisperson persönlich hören müssen, und zwar selbst dann, “wenn die Prozessbeteiligten mit der Verlesung … einverstanden (waren) …, insbesondere wenn die Vernehmungsschrift ersichtlich ungenau oder unklar oder die Beweisperson das alleinige Beweismittel ist“. Hier habe die Strafkammer "trotz der kurzfristigen Kenntnis der Akte von einer eingehenden Prüfung und ggf. erneuten Ladung oder Vernehmung des bekannten Zeugen K. jun. abgesehen".
19
Das Urteil beruhe auf den Verfahrensfehlern, weil die fehlerhaft verlesene Beschuldigtenvernehmung zu Lasten des Angeklagten verwendet worden sei und “die erneute Vernehmung des Zeugen K. jun. den Inhalt der Beschuldigtenvernehmung bzw. deren Feststellungen aus dem Verfahren widerlegt hätte“.
20
c) Die Einwendungen der Revision greifen nicht durch:
21
aa) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO beziehe sich nur auf frühere richterliche Vernehmungen, die zudem nur verlesen werden dürften, wenn der Zeuge verstorben oder in Geisteskrankheit verfallen oder wenn sein Aufenthalt nicht zu ermitteln ist (Rügen B I 2 b aa, cc), beruft er sich auf die zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht mehr aktuelle Gesetzeslage vor dem 1. September 2004. Durch Art. 3 Nr. 12 des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. August 2004 (BGBl I 2198) wurde die Vorschrift mit Wirkung vom 1. September 2004 dahingehend neu gefasst, dass die Vernehmung eines Zeugen durch die Verlesung einer (auch polizeilichen) Niederschrift über eine Vernehmung ersetzt werden kann, wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind. Diese Voraussetzungen lagen hier vor.
22
bb) Die Rüge B I 2 b bb (eine Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten könne nach dem Protokoll "nicht festgestellt" werden) ist unzulässig; denn die Revision kann nicht auf einen möglichen Mangel des Protokolls – hier: dessen nicht genehmigte Berichtigung - gestützt werden (vgl. Meyer-Goßner aaO § 273 Rdn. 36, § 344 Rdn. 26 m.w.N.). Auf einem Fehler des Protokolls kann das Urteil nicht beruhen (BGHSt 7, 162, 163). Die Revision behauptet nicht, dass die Zustimmung nicht erteilt worden ist.
23
cc) Die Beanstandungen B I 2 b dd und ee (es sei kein begründeter Gerichtsbeschluss ergangen; die Aufklärungspflicht habe eine erneute Vernehmung des Zeugen geboten) haben ebenfalls keinen Erfolg:
24
Grundsätzlich begründet es allerdings die Revision, wenn der nach § 251 Abs. 4 StPO geforderte Gerichtsbeschluss nicht ergangen ist (vgl. BGH NStZ 1988, 283; 1993, 144). Der Beschluss dient der Unterrichtung der Verfahrensbeteiligten über den Grund der Verlesung und der eindeutigen Bestimmung des Umfangs der Verlesung. Bei Kollegialgerichten - wie hier – soll er zudem unter Beachtung der Aufklärungspflicht die Meinungsbildung des gesamten Gerichts, und nicht nur des Vorsitzenden, über das einzuschlagende Verfahren sicherstellen und insbesondere den Schöffen im Hinblick auf den Grundsatz der Unmittelbarkeit den Ausnahmecharakter der Verlesung deutlich machen. Entscheidend ist insoweit, ob die (erneute) persönliche Vernehmung des Zeugen zur weiteren Aufklärung erforderlich ist oder ob die Verlesung der Niederschrift genügt (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 261).
25
Das Urteil kann auf dem nicht ergangenen Gerichtsbeschluss beruhen, wenn sich den Verfahrensbeteiligten der Grund der Verlesung nicht erschlossen hat und damit die der Anordnung der Verlesung zu Grunde liegenden Erwägungen rechtlich nicht überprüfbar sind (vgl. BGHR StPO § 251 Abs. 4 Gerichtsbeschluss 1, 3, 4; § 251 Abs. 4 S. 1 Anordnung 1) bzw. das Gericht die Verlesungsvoraussetzungen (im Gegensatz zum Vorsitzenden) möglicherweise verneint hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 1979 – 5 StR 531/79).
26
(1) Soweit die Unterrichtungs- und Überprüfungsfunktion des § 251 Abs. 4 Sätze 1 und 2 StPO betroffen ist, beruht das Urteil ersichtlich nicht auf dem fehlenden Beschluss; denn der Grund und der Umfang der Verlesung waren klar – nämlich die Einführung der Beschuldigtenvernehmung des Zeugen K. jun. in dem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren in die Hauptverhandlung mit allgemeinem Einverständnis (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO). Ob es (daneben) geboten war, den Vernehmungsbeamten und/oder den damaligen Beschuldigten K. jun. dazu als Zeugen zu hören, war eine Frage der gerichtlichen Aufklärungspflicht (vgl. dazu BGH NStZ 1988, 283; BGHR StPO § 251 Abs. 4 Gerichtsbeschluss

4).


27
(2) Zur Prüfung der Frage, ob ein Beruhen des Urteils auf dem fehlenden Gerichtsbeschluss nicht auszuschließen ist, weil das Gericht unter Beachtung von Aufklärungsgesichtspunkten anders entschieden hätte als der Vorsitzende allein – es insbesondere statt der Verlesung der Beschuldigtenvernehmung den Zeugen K. jun. (nochmals) gehört hätte, ist die Kenntnis des Inhalts der verlesenen Niederschrift sowie der vorangegangenen Aussage des Zeugen K. jun. erforderlich; denn daraus kann sich ohne weiteres erschließen , dass die (nochmalige) Vernehmung des Zeugen fern lag. Da die Revision den Wortlaut oder zumindest den wesentlichen Inhalt der verlesenen Niederschrift und den Inhalt der Zeugenaussage nicht mitteilt, kann der Senat die Beruhensfrage nicht prüfen. Das gilt auch, wenn die Rüge in eine Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) umgedeutet würde. Die Rüge ist insoweit nicht zulässig erhoben (vgl. BGH NStZ 1998, 369 [zu § 338 Nr. 8 StPO], Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 251 Rdn. 103).
28
II. Auch die Sachrüge bleibt erfolglos.
29
Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch und den Strafausspruch.
30
Soweit die Revision geltend macht, die Beweiswürdigung sei widersprüchlich , "zu pauschal" und lückenhaft, setzt sie ihre eigenen Wertungen an die Stelle der Würdigung durch den Tatrichter. Damit kann sie im Revisionsverfahren nicht gehört werden. Entsprechendes gilt für die vom Beschwerdeführer erhobenen Beanstandungen zur Strafzumessung. Das Landgericht musste nicht sämtliche Strafzumessungsgründe, sondern nur die für die Strafe bestimmenden Umstände angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); das hat es getan. Dass es im Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen zu Lasten des Angeklagten gewertet habe, er habe bereits vor oder bei Betreten der Wohnung der Geschädigten einen Vergewaltigungsvorsatz gehabt, ist dem Urteil - entgegen der Auffassung der Revision - nicht zu entnehmen. In den Strafzumessungsgründen ist lediglich zu Lasten des Angeklagten gewertet worden, dass er die Tat während einer Strafhaft begangen und er das Vertrauen des Tatopfers, das ihn arglos in die Wohnung mitgenommen hatte, grob missbraucht und für sich ausgenutzt hat. Das entspricht den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 4 9 7 / 1 4
vom
11. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. November 2014
gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 21. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Beanstandung einer Verletzung von § 257c Abs. 5 StPO Erfolg.
2
1. Die Rüge ist zulässig erhoben. Dem Vortrag der Revision ist die bestimmte Behauptung zu entnehmen, der Angeklagte sei entgegen § 257c Abs. 5 StPO nicht darüber belehrt worden, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen sich das Gericht nach § 257c Abs. 4 StPO von dem in Aus- sicht gestellten Ergebnis einer Verständigung lösen kann. Die im Zusammenhang mit dieser und anderen Beanstandungen gewählten Formulierungen ("aus dem Sitzungsprotokoll ergibt sich nicht" bzw. "ausweislich des Sitzungsprotokolls" bzw. "lässt sich dem Protokoll entnehmen") könnten zwar Anlass geben, in dem Vorbringen lediglich eine Protokollrüge, nämlich die Beanstandung einer unzureichenden Protokollierung der Verfahrensgeschehnisse zu sehen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 210/13, BGHSt 59, 130). Indes dient die Bezugnahme auf die Niederschrift hier eindeutig nur der Beweisführung hinsichtlich der behaupteten Verfahrensfehler.
3
Die Rüge ist auch begründet. Der Angeklagte ist nicht belehrt worden. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil, dessen Feststellungen sich auf das "vollumfängliche Geständnis des Angeklagten" (UA S. 12) gründen, auf diesem Belehrungsfehler in der Weise beruht, dass der Angeklagte kein Geständnis abgelegt und sich vielmehr gegen den Tatvorwurf verteidigt hätte, wenn er ordnungsgemäß belehrt worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - 1 StR 563/12, StV 2013, 611). Die Sache muss deshalb erneut verhandelt und entschieden werden.
4
2. Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass das Gericht bei dem Verständigungsvorschlag zwar einen Strafrahmen, also eine Strafobergrenze und eine Strafuntergrenze, angeben muss (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 - 3 StR 426/10, NStZ 2011, 648), entgegen der Ansicht der Revision bei einer Verständigung aber nicht verpflichtet ist, dem Angeklagten auch mitzuteilen , welche Strafe bei einem Schuldspruch nach "streitiger Hauptverhandlung" in Betracht kommen könnte (BGH, Urteil vom 3. September 2013 - 5 StR 318/13, NStZ 2013, 671).
5
Der neue Tatrichter wird auch die sachlichrechtlichen Bedenken aus der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zu berücksichtigen haben.
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 1 0 / 1 3
vom
12. Dezember 2013
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja - nur A. II. (Überschrift) Nr. 3
Veröffentlichung: ja
________________________________
Allein auf der fehlenden oder fehlerhaften Protokollierung einer Belehrung gemäß
§ 257c Abs. 5, § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO kann das Urteil nicht beruhen.
BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 210/13 (OLG Frankfurt am
Main)
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland u.a.
zu 2.: versuchten Erwerbs einer halbautomatischen Kurzwaffe u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
12. Dezember 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. S. wird das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. Dezember 2012, soweit es ihn betrifft, dahin ergänzt, dass er im Übrigen freigesprochen wird und die Staatskasse insoweit seine notwendigen Auslagen sowie die Kosten des Verfahrens trägt.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten S. S. und die Revision des Angeklagten J. S. werden verworfen.
3. Der Angeklagte J. S. hat die Kosten seines Rechtsmittels, der Angeklagte S. S. die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten S. S. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in vier Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten Erwerb einer halbautomatischen Kurzwaffe, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten sowie den Angeklagten J. S. wegen versuchten Erwerbs einer halbautomatischen Kurzwaffe und wegen des Besitzes eines verbotenen Gegenstandes sowie von Munition zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte S. S. erhebt mit seiner Revision die allgemeine Sachrüge und eine Verfahrensrüge. Der Angeklagte J. S. begehrt mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision allein die Nachholung eines Teilfreispruchs. Während die Revision des Angeklagten S. S. insofern einen Teilerfolg erzielt, als bei ihm ein unterbliebener Teilfreispruch nachzuholen ist, hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
A. Revision des Angeklagten S. S.
3
I. Nach den Feststellungen und Wertungen des Oberlandesgerichts förderte der Angeklagte S. S. in mehreren Einzelfällen bewusst die "Khalistan Zindabad Force". Hierbei handelt es sich um eine von Pakistan aus gesteuerte Gruppierung, die einen unabhängigen Sikh-Staat Khalistan sowie die Bewahrung des orthodoxen Sikh-Glaubens anstrebte und diese Ziele unter anderem durch Sprengstoffanschläge und die gezielte Ermordung von Gegnern zu erreichen suchte. Die nicht revidierenden Mitangeklagten B. S. und G. S. waren von Sommer 2009 bis zu ihrer Verhaftung im Juli 2010 in die Gruppierung eingeordnet, hatten regelmäßigen Kontakt zu deren damaliger Führungsperson R. S. und gestalteten unterschiedliche Aktionen mit. Der Angeklagte S. S. unterstützte sie und die Organisation im Einzelnen in folgender Weise: Spätestens seit September 2009 war er mit der Beschaffung von Handfeuerwaffen und Munition beauftragt. Er beriet Anfang September 2009 G. S. und am 3. November 2009 diesen sowie B. S. hinsichtlich verschiedener Waffen im Wissen, dass er die Mitangeklagten dadurch in die Lage versetzte, geeignete Waffen auch ohne seine weitere Mitwirkung zu erwerben und einzusetzen. Ferner erklärte er sich in einem Telefonat mit B. S. am 5. Januar 2010 spontan bereit, notfalls persönlich nach Indien zu reisen, um eine geplante Auskundschaftung verschiedener indischer Militärstützpunkte zu unterstützen. Überdies beriet er am 2. März 2010 im Rahmen eines Waffenankaufs B. S. telefonisch. Dieser erwarb schließlich - gemeinsam mit dem Angeklagten J. S. - eine Schreckschusspistole , wobei alle drei davon ausgingen, dass es sich um eine halbautomatische Pistole handelte. Schließlich druckte der Angeklagte S. S. im April 2010 auf Anweisung einen Briefkopf der "Khalistan Zindabad Force" aus und stellte ihn B. S. zur Verfügung. Eine über diese einzelnen Tätigkeiten hinaus gehende dauerhafte Einbindung des Angeklagten S S. in die Verbandsstruktur der "Khalistan Zindabad Force" hat das Oberlandesgericht nicht feststellen können.
4
Soweit der Angeklagte S. S. im Juli 2010 von dem Plan erfuhr , einen Sektenführer in Österreich zu erschießen, und keine Maßnahmen ergriff, die von ihm abgelehnte Tat zu verhindern, ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass eine Strafbarkeit wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138 Abs. 1 Nr. 5 oder Abs. 2 StGB) nicht in Betracht komme, weil die Strafverfolgungsbehörden durch Telefonüberwachungen bereits Kenntnis von der Planung gehabt hätten.
5
II. Die Rüge des Angeklagten S. S. , das Oberlandesgericht habe "§§ 257c Abs. 2, 4 und 5, 237 Abs. 1a StPO in Verbindung mit dem Recht auf ein faires Verfahren" verletzt, bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
6
1. Am 27. Hauptverhandlungstag unterbreitete das Oberlandesgericht den Angeklagten einen - als Anlage zu Protokoll genommenen - näher ausgeführten und begründeten "Verständigungsvorschlag gemäß § 257c StPO". Am 52. Hauptverhandlungstag wurde laut (von der Revision insoweit nicht mitgeteiltem ) Protokoll festgestellt, dass unter anderem hinsichtlich des Angeklagten S. S. eine "verfahrensbeendende Absprache entsprechend § 257c StPO" stattgefunden habe. Mit der Rüge beanstandet die Revision, dass sich aus dem Protokoll nicht ergebe, ob eine Verständigung zustande gekommen und eine Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO erteilt worden sei. Zudem sei nicht dokumentiert, ob und wie die Angeklagten sich zu dem Verständigungsvorschlag geäußert hätten. Überdies habe der gerichtliche Verständigungsvorschlag einzelne Strafnormen zitiert, obschon der Schuldspruch nicht Gegenstand der Verständigung sein dürfe.
7
2. Bereits unzulässig ist die Verfahrensrüge, soweit der Beschwerdeführer beanstandet, das Zustandekommen einer Verständigung und der nähere Ablauf des vorangehenden Verfahrens seien nicht dokumentiert. Die Revision unterlässt es, die insofern zur Entscheidung erforderlichen Tatsachen vollständig vorzutragen. So teilt sie den die Verständigung betreffenden Inhalt des Protokolls nicht abschließend mit, sondern verschweigt, dass laut Protokoll zum einen der Vorsitzende bereits am 26. Hauptverhandlungstag über (nach Schluss des vorangegangenen Verhandlungstermins geführte) Besprechungen mit dem Ziel einer möglichen Verständigung berichtete und zum anderen später eine "verfahrensbeendende Absprache" festgestellt wurde. Die Kenntnis dieser Gesichtspunkte wäre indes für die Prüfung erforderlich, ob das Protokoll den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung in der nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO gebotenen Weise wiedergibt. Der lückenhafte Revisionsvortrag führt insoweit zur Unzulässigkeit der Rüge (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. November 2010 - 1 StR 544/09, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Anforderungen 1; vom 16. April 1999 - 3 StR 642/98; BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 2 BvR 656/99 u.a., BVerfGE 112, 185, 208 f. mwN).
8
3. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, aus dem Protokoll ergebe sich keine Belehrung des Angeklagten gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2, § 257c Abs. 5 StPO, bleibt seine Verfahrensrüge ebenfalls erfolglos, da das Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensverstoß nicht beruhen kann (§ 337 Abs. 1 StPO).
9
a) Der Beschwerdeführer rügt, dass sich in der Sitzungsniederschrift keine Protokollierung einer gemäß § 257c Abs. 5 StPO etwaig erteilten Belehrung finde. Damit ist Gegenstand der Verfahrensrüge allein die Frage einer ordnungsgemäßen Protokollierung; denn aus der Revisionsbegründung ergibt sich - auch bei einer Auslegung nach ihrem Gesamtzusammenhang - nicht die Behauptung , dass eine Belehrung in der Hauptverhandlung tatsächlich unterblieben ist, und dieser Gesichtspunkt von der Urteilsanfechtung umfasst sein soll.
10
aa) Die Revisionsbegründung muss bei der Rüge der Verletzung einer Verfahrensnorm die den Verfahrensmangel enthaltenden Tatsachen angeben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit etwa BVerfG, Beschluss vom 12. November 1984 - 2 BvR 1350/84, NJW 1985, 125, 126). Nur in diesem Umfang ist das Revisionsgericht überhaupt zu eigener Prüfung berechtigt (§ 352 Abs. 1 StPO). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass dem Vorbringen in der Revisionsbegründung, ein bestimmter Verfahrensvorgang sei nicht protokolliert worden, regelmäßig nicht die Behauptung zu entnehmen ist, dieser Verfahrensvorgang habe tatsächlich in der Hauptverhandlung auch nicht stattgefunden (vgl. allgemein BGH, Urteile vom 1. Februar 1955 - 5 StR 678/54, BGHSt 7, 162 ff. mwN; vom 20. April 2006 - 4 StR 604/05, NStZ-RR 2007, 52, 53; vom 12. Januar 2005 - 2 StR 138/04, NStZ 2005, 281; vom 20. Oktober 1970 - 1 StR 225/70; Beschluss vom 4. April 2006 - 3 StR 23/06; RG, Urteil vom 26. Mai 1914 - II 374/14, RGSt 48, 288, 289 f.; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 86). Dem liegt im Wesentlichen die Überlegung zugrunde, dass bei dem alleinigen Abstellen auf das Protokoll offen bleibt, ob der Vorgang gegebenenfalls stattgefunden hat und nur versehentlich nicht protokolliert worden ist. Im Übrigen würde das Erfordernis des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO übergangen, da an Stelle der bestimmten Behauptung einer Tatsachenangabe lediglich das Protokoll, das nur ein Beweismittel darstellt (vgl. § 274 Satz 1 StPO), angeführt wird.
11
bb) Vorliegend stellt die Revisionsbegründung ("Ob […] eine Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO erfolgt ist, ergibt sich - falls die Verteidigung insoweit nichts übersehen hat - aus dem Protokoll nicht.") allein auf die fehlende Protokollierung ab. Dies wird durch die anschließenden Rechtsausführungen bestärkt, denen zufolge das Oberlandesgericht "mit dieser Vorgehensweise […] gegen § 273a Abs. 1a StPO" verstoßen habe. Zudem geht die Revision selbst von einer "etwaig erfolgten Belehrung" aus und lässt damit ausdrücklich offen, ob eine solche erteilt worden ist oder nicht. Gerade in der Zusammenschau wird deutlich, dass die Verfahrensrüge die unterlassene Protokollierung und nicht eine unterbliebene Belehrung selbst zum Gegenstand hat.
12
b) Es kann offen bleiben, ob die danach allein zu prüfende Rüge, aus dem Protokoll lasse sich die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO nicht erkennen , - wie für "Protokollrügen" regelmäßig angenommen (etwa BGH, Beschluss vom 4. April 2006 - 3 StR 23/06; Urteil vom 17. Januar 1978 - 1 StR 734/77) - bereits unzulässig oder in der konkreten Konstellation ausnahmsweise zulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310). Der Beanstandung bleibt der Erfolg jedenfalls versagt; denn es ist denklogisch ausge- schlossen, dass das Urteil auf einer unzureichenden Protokollierung beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Hierzu gilt:
13
Die Fertigstellung des Protokolls geht der Verkündung des Urteils nach. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Protokoll die Urteilsformel enthalten muss (§ 273 Abs. 1 Satz 1 StPO) und es mithin vor der Urteilsverkündung nicht fertiggestellt (vgl. § 271 Abs. 1 StPO) werden kann. Vor der Fertigstellung steht der tatsächliche Protokollinhalt noch nicht fest und ist im Einzelnen ungewiss. Das Protokoll über den Verlauf der (sich gegebenenfalls über mehrere Tage erstreckenden) Hauptverhandlung bildet eine Einheit und ist erst mit den Unterschriften unter die gesamte Niederschrift fertiggestellt. Zuvor angefertigte Protokollteile sowie Mitschriften haben lediglich Entwurfscharakter und sind nicht Bestandteil der Akten (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Oktober 1980 - StB 43/80, BGHSt 29, 394, 395; Urteil vom 20. November 1961 - 2 StR 395/61, BGHSt 16, 306, 307). Das Gericht hat - ebenso wie alle Verfahrensbeteiligten - keine Kenntnis vom späteren Protokollinhalt. Grundlage für das Urteil ist das tatsächliche Geschehen in der Hauptverhandlung, nicht die spätere Niederschrift. Liegt mithin das Protokoll erst nach der Urteilsverkündung vor, ist ausgeschlossen, dass die Protokollierung einen Einfluss auf das bereits zuvor ergangene Urteil hat (st. Rspr.; instruktiv RG, Urteil vom 29. Januar 1909 - II 975/08, RGSt 42, 168, 170 f.; s. auch BGH, Urteile vom 20. April 2006 - 4 StR 604/05, NStZRR 2007, 52, 53; vom 1. Februar 1955 - 5 StR 678/54, BGHSt 7, 162, 163; Beschluss vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10, NStZ 2011, 170; Radtke, NStZ 2013, 669).
14
c) Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht vor dem Hintergrund geboten , dass das Gesetz zur Regelung der Verständigung in Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (Verständigungsgesetz, BGBl. I S. 2353) unter anderem das Ziel verfolgt, eine wirksame "vollumfängliche" Kontrolle verständigungsbasierter Ur- teile durch das Rechtsmittelgericht zu ermöglichen (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1066 [Rn. 94]).
15
aa) Das Verständigungsgesetz hat die revisionsrechtlichen Regelungen der StPO - von dem Ausschluss eines Rechtsmittelverzichts nach einer Verständigung (§ 302 Abs. 1 Satz 2 StPO) abgesehen - unverändert gelassen. Zum einen sind die allgemeinen Vorschriften, nach denen dem Revisionsgericht die Prüfung von Verfahrensverstößen nur aufgrund einer entsprechenden Rüge und der Angabe der zu ihrer Beurteilung erforderlichen Tatsachen erlaubt ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2, § 352 Abs. 1 StPO), nicht modifiziert worden (vgl. im Ergebnis auch BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13, BGHSt 58, 315; Urteil vom 3. September 2013 - 5 StR 318/13, NStZ 2013, 671; BT-Drucks. 16/12310 S. 9). Zum anderen hat das Verständigungsgesetz davon abgesehen, Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung den absoluten Revisionsgründen zuzuordnen (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1067 [Rn. 97]). Soweit das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen ist, dass ein Urteil regelmäßig auf einem Verstoß gegen "Transparenz- und Dokumentationspflichten" des Verständigungsverfahrens beruhe (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1067 [Rn. 97 ff.]; Beschluss vom 30. Juni 2013 - 2 BvR 85/13, NStZ-RR 2013, 315, 316), war jeweils nicht allein die fehlende oder fehlerhafte spätere Protokollierung Entscheidungsgegenstand, sondern zumindest auch die Nichtbeachtung einer vor dem Urteilsspruch gegenüber Verfahrensbeteiligten bestehenden Transparenzpflicht an sich. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts können deshalb nicht dahin verstanden werden, dass - entgegen den Gesetzen der Logik - kraft Verfassungsrechts grundsätzlich bereits auf die Rüge der unterlassenen Protokollierung eines nach den Regeln des Verständigungsverfahrens erforderlichen Hinweises oder einer notwendigen Belehrung die Aufhebung des angefochtenen Urteils geboten sei.
16
Die Fragen, inwieweit das Bundesverfassungsgericht überhaupt allgemeine Vorgaben für eine im Tatsächlichen zu klärende Beruhensprüfung machen kann (vgl. etwa Knauer, NStZ 2013, 433, 436; Stuckenberg, ZIS 2013, 212, 215 f.) und wie weit die Bindungswirkung der Entscheidung im Einzelnen reicht (s. BVerfG, Beschlüsse vom 6. November 1968 - 1 BvR 727/65, BVerfGE 24, 289, 297; vom 10. Juni 1975 - 2 BvR 1018/74, BVerfGE 40, 88, 93 f.; vom 18. Januar 2006 - 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 109 f.; BFH, Urteil vom 11. August 1999 - XI R 77/97, NJW 1999, 3798; Maunz/SchmidtBleibtreu /Klein/Bethge, BVerfGG, § 31 Rn. 88 [Stand: Juli 2013]), bedürfen hier daher keiner weiteren Erörterung.
17
bb) Soweit der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in einem Urteil vom 10. Juli 2013 (2 StR 195/12, BGHSt 58, 310) die Auffassung vertreten hat, dass das Prozessverhalten des Angeklagten durch das Fehlen einer Dokumentation im Protokoll beeinflusst und ein Beruhen des Urteils auf dem Protokollierungsfehler nicht ausgeschlossen werden könne, vermag der Senat dem aus den dargelegten Gründen nicht zu folgen. Eines Verfahrens nach § 132 Abs. 2 GVG bedarf es deswegen jedoch nicht. Zum einen betraf das dortige Urteil nicht die hier zu prüfende fehlende Protokollierung der Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO. Zum anderen handelt es sich bei der Frage, ob das Urteil auf einem bestimmten Verfahrensfehler beruhen kann, nicht um eine Rechtsfrage im Sinne des § 132 Abs. 2 GVG, sondern um eine im Einzelfall zu prüfende Tatsachenfrage (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2006 - 1 StR 466/05, NJW 2006, 3582, 3586; Herdegen, NStZ 1990, 513, 515).
18
4. Eine unzulässige Verständigung über den Schuldspruch (§ 257c Abs. 2 Satz 3 StPO) liegt entgegen der Ansicht der Revision nicht vor.
19
Der Beschwerdeführer begründet seine diesbezügliche Annahme allein mit dem Wortlaut des gerichtlichen Verständigungsvorschlags, der konkrete Straftatbestände und diesen zugeordnete Sachverhalte aufführt. Indes ist dies ersichtlich nicht dahin zu verstehen, dass entsprechende Schuldsprüche Gegenstand der Verständigung sein sollten. Vielmehr hat das Oberlandesgericht lediglich dargelegt, auf Grund welcher Erwägungen es "im Bewusstsein der Problematik einer vorläufigen Beweisprognose" zu dem allein die Rechtsfolgen betreffenden Vorschlag gekommen ist. Einer solchen unverbindlichen Beurteilung der Sach- und Rechtslage steht weder Verfassungs- noch Strafverfahrensrecht entgegen (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1068 [Rn. 106]). Das Gericht ist sogar grundsätzlich dazu gehalten, in seinem Vorschlag das vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung erwartete Prozessverhalten genau zu bezeichnen und "unter antizipierender Berücksichtigung dieses Verhaltens und Beachtung der Vorgaben des materiellen Rechts eine strafzumessungsrechtliche Bewertung des Anklagevorwurfs vorzunehmen" (BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11, BGHSt 57, 273, 278; vgl. auch BT-Drucks. 16/12310 S. 14). Eine solche Bewertung ist schwerlich möglich, ohne zunächst klarzustellen, von welchen Delikten und Strafrahmen das Gericht ausgeht. Vor diesem Hintergrund folgt aus dem Hinweis auf einen bestimmten Sachverhalt und eine rechtliche Wertung, die es seinem Vorschlag vorläufig zugrunde legt, keine Verständigung über den Schuldspruch.
20
Dafür, dass das Oberlandesgericht lediglich eine nicht abschließende und nicht von der eigentlichen Verständigung umfasste Einschätzung abgege- ben hat, spricht ferner, dass es den Angeklagten trotz der getroffenen Verständigung nicht in dem Umfang schuldig gesprochen hat, der sich aus der im Vorschlag genannten Zwischenbewertung ergab (s. auch zum Bindungsumfang BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2012 - 1 StR 421/12, NStZ-RR 2013, 184).
21
III. Erfolg hat das Rechtsmittel insoweit, als das Oberlandesgericht den Angeklagten S. S. nicht von dem in der zugelassenen Anklageschrift erhobenen Vorwurf freigesprochen hat, er habe tateinheitlich zu einer Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland spätestens am 27. Juli 2010 von dem Vorhaben eines Mordes erfahren und eine rechtzeitige Anzeige unterlassen.
22
1. Geht der Eröffnungsbeschluss davon aus, dass die dem Angeklagten angelasteten strafbaren Handlungen sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen als eine einheitliche Tat im materiellrechtlichen Sinne darstellen, so muss ein Teilfreispruch zwar dann nicht ergehen, wenn sich eine der Handlungen nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung als nicht nachweisbar oder nicht strafbewehrt erweist, es im Übrigen aber bei der konkurrenzrechtlichen Bewertung der Einzelakte verbleibt (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 12 mwN). Anderes gilt indes, wenn die Hauptverhandlung ergibt, dass es sich bei den dem Angeklagten angelasteten Handlungen um selbständige, tatmehrheitliche Delikte handelt, etwa weil das verbindende Element, das die Einzelakte zu einer natürlichen Handlungseinheit verschmolzen hätte, nicht zu belegen ist. Erweist sich in diesem Falle ein dem Angeklagten von Anklage und Eröffnungsbeschluss vorgeworfener Einzelakt als nicht nachweisbar, so ist der Angeklagte insoweit freizusprechen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2011 - 2 StR 90/11, juris Rn. 19; KK/Ott, StPO, 7. Aufl., § 260 Rn. 20; zur fortgesetzten Handlung bereits BGH, Beschluss vom 7. Januar 1988 - 4 StR 669/87, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 4; RG, Urteil vom 29. Mai 1923 - I 1161/22, RGSt 57, 302, 303 f.).
23
2. So liegt es hier. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte dem Angeklagten S. S. eine mitgliedschaftliche Beteiligung an der (ausländischen ) terroristischen Vereinigung (§ 129b Abs. 1, § 129a Abs. 1 StGB) nicht nachgewiesen werden. Nur dieses Delikt verbindet indes aufgrund seiner Struktur die einzelnen Betätigungsakte des Mitglieds zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit (BGH, Beschluss vom 15. Februar 2007 - StB 19/06, NStZ 2007, 401); erweist sich der Betätigungsakt noch nach einer weiteren Bestimmung als strafbar, so besteht Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) zwischen diesem Delikt und der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung (vgl. allgemein dazu BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 290 f. mwN). Dagegen stehen Unterstützungshandlungen zugunsten einer (ausländischen ) terroristischen Vereinigung (§ 129b Abs. 1, § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB), so sie nicht zur Erreichung eines einheitlichen Unterstützungserfolgs begangen werden, zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 131 f.); davon ist zutreffend auch das Oberlandesgericht ausgegangen. Da es nun aber hinsichtlich einer dieser dem Angeklagten angelasteten und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auf der Grundlage der dargestellten Rechtslage allenfalls tatmehrheitlich verwirklichten Einzelhandlungen eine Strafbarkeit verneint hat, hätte es den Angeklagten insoweit freisprechen müssen.
24
Eine Überprüfung der zur Verneinung der Strafbarkeit führenden Erwägungen des Oberlandesgerichts (vgl. insofern zweifelnd etwa Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht, Besonderer Teil, 2. Aufl., § 46 Rn. 12) war dem Senat angesichts der allein vom Angeklagten eingelegten Revision nicht eröffnet.
25
3. Der Senat holt deshalb den Teilfreispruch - mit der sich aus § 467 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge - nach (§ 354 Abs. 1 StPO).
26
IV. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils auf die erhobene Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten S. S. ergeben. Hinsichtlich der Einzelheiten verweist der Senat auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts.
27
B. Revision des Angeklagten J. S.
28
I. Der Angeklagte J. S. begehrt mit seiner in zulässiger Weise beschränkten Revision allein einen Teilfreispruch, soweit das Oberlandgericht die - nach Anklage und Eröffnungsbeschluss dem Angeklagten neben den beiden Waffendelikten jeweils in Tateinheit zur Last gelegte - Strafbarkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung nicht festgestellt hat. Auch wenn die Rechtsmittelbeschränkung nicht ausdrücklich erklärt wurde, kommt sowohl in der Revisions- als auch in der Revisionsbegründungsschrift zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer allein das Fehlen eines Teilfreispruchs beanstandet (vgl. zur Revisionsauslegung bereits BGH, Urteil vom 16. Februar 1956 - 3 StR 473/55, NJW 1956, 756, 757).
29
II. Die (insoweit beschränkte) Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten J. S. ergeben. Eines Teilfreispruchs bedurfte es entgegen der mit der Revision vorgebrachten Ansicht - anders als bei dem Angeklagten S. S. (s.o.) - nicht.
30
Die mit dem Eröffnungsbeschluss zugelassene Anklage hatte dem Angeklagten J. S. zur Last gelegt, durch dieselbe rechtliche Handlung sich spätestens ab Spätsommer 2009 bis zu seiner Festnahme im De- zember 2010 als Mitglied an der "Khalistan Zindabad Force" beteiligt zu haben, im März 2010 gemeinsam mit B. S. mit Hilfe des Angeklagten S. S. versucht zu haben, eine halbautomatische Kurzwaffe zu erwerben, und bei seiner Festnahme eine einen anderen Gegenstand vortäuschende Hieb- und Stoßwaffe sowie Munition besessen zu haben. Zwar ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte sich nicht wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung strafbar gemacht hat und daher die in Anklage und Eröffnungsbeschluss angenommene Verklammerung der beiden Waffendelikte zu einer Tat in materiellem Sinne wegfällt. Allerdings sind - insoweit im Unterschied zum Angeklagten S. S. - sämtliche danach bestehen bleibende einzelne Taten abgeurteilt worden. Eine selbständige (materiellrechtliche) Tat, die Gegenstand eines Freispruchs sein könnte, liegt mithin nicht vor. Entfällt lediglich ein in Tateinheit stehender Tatvorwurf, kommt ein Freispruch nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2004 - 5 StR 548/03, NJW 2005, 2720, 2723). Da die nicht erwiesene Mitgliedschaft in der Vereinigung mit den beiden Waffendelikten jeweils in Tateinheit stünde, ist der Tatvorwurf des Eröffnungsbeschlusses durch den Schuldspruch erschöpft.
Becker Schäfer Mayer Gericke Spaniol

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 84/16
vom
20. September 2016
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
§ 247a Abs. 1 StPO gestattet die einzig zulässige Art und Weise der Videovernehmung
eines Zeugen in der Hauptverhandlung (sog. Englisches Modell). Andere
Formen der audiovisuellen Zeugenvernehmung, insbesondere solche, bei
denen der Vorsitzende des Gerichts sich mit dem Zeugen außerhalb des
Sitzungszimmers befindet und diesen dort befragt (sog. Mainzer Modell), sind
nicht zulässig.
BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - 3 StR 84/16 - LG Lüneburg
ECLI:DE:BGH:2016:200916B3STR84.16.0

in der Strafsache gegen

alias: alias:

wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 20. September 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 17. September 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in zwei Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld bejaht. Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen tötete der Angeklagte, ein Kurde jesidischen Glaubens , seine Ehefrau und deren Freundin jeweils mit zahlreichen Messerstichen. Hintergrund der Tat war der Umstand, dass der Angeklagte einen Religionswechsel seiner Ehefrau zum Christentum und die Beendigung der Beziehung mit ihm nicht hinnehmen wollte.
2
Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
3
1. Der Rüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
4
Auf Antrag der Nebenklägervertreterin vernahm das Landgericht die zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zwölf Jahre alte Tochter des Angeklagten und seiner Ehefrau als Zeugin. Die Strafkammer ordnete unter Hinweis auf § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 StPO an, dass sich die Zeugin während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhalten solle, da die Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten einen schwerwiegenden Nachteil für ihr Wohl mit sich zu bringen drohe. Der Vorsitzende der Strafkammer und die Zeugin begaben sich sodann in einen gesonderten Video-Vernehmungsraum. Dort belehrte und befragte der Vorsitzende die Zeugin. Die entsprechenden Vorgänge wurden per Wort und Bild in den eigentlichen Sitzungssaal übertragen, wo ein beisitzender Richter mit dem Vorsitzenden telefonisch verbunden war. Auf diesem Wege erhielten die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit, nach der Befragung der Zeugin durch den Vorsitzenden auf ergänzende Fragen hinzuwirken.
5
2. Die Beanstandung der Revision, der Vorsitzende sei gesetzeswidrig nicht im eigentlichen Sitzungssaal anwesend gewesen und habe nicht dort die Verhandlung geleitet, dringt durch; sie ist nicht ausgeschlossen bzw. präkludiert , in zulässiger Weise erhoben und begründet.
6
a) Der Angeklagte kann den gerügten Rechtsverstoß im Revisionsverfahren geltend machen.
7
aa) Die Beanstandung ist nicht gemäß § 247a Abs. 1 Satz 2, § 336 Satz 2 StPO ausgeschlossen. Danach ist die Anordnung der audiovisuellen Vernehmung eines Zeugen unanfechtbar. Hieraus folgt, dass sie auch im Revisionsverfahren nicht mehr geprüft wird. Dies gilt jedoch nur für die Überprüfung der Entscheidung nach § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO als solcher; das Fehlen ei- nes Gerichtsbeschlusses (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 5 StR 597/07, NStZ 2008, 421) oder die Verletzung sonstiger Vorschriften bei Gelegenheit einer audiovisuellen Zeugenvernehmung, wie etwa § 241a StPO, § 247 StPO oder wie hier der Anwesenheitspflicht des Vorsitzenden während der Hauptverhandlung gemäß § 226 Abs. 1 StPO, kann mit der Revision geltend gemacht werden (vgl. LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 247a Rn. 36; KMR/Lesch, § 247a Rn. 36).
8
bb) Die Rüge ist nicht deshalb präkludiert, weil der Angeklagte in der Hauptverhandlung die Art und Weise der Durchführung der audiovisuellen Vernehmung der Zeugin nicht gemäß § 238 Abs. 2 StPO beanstandet hat. Der Senat hält an der Rechtsprechung fest, wonach Fehler bei der Prozessleitung in der Hauptverhandlung jedenfalls dann ohne Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO mit der Revision geltend gemacht werden können, wenn der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen zwingende, dem Vorsitzenden keinen Beurteilungs - oder Ermessensspielraum belassende Verfahrensvorschriften rügt (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 3 StR 315/11, NStZ 2012, 585, 586 mwN; vgl. zum Meinungsstand auch KK-Schneider, StPO, 7. Aufl., § 238 Rn. 28 ff.; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 238 Rn. 47 jew. mwN). Hieraus folgt, dass die von dem Angeklagten erhobene Beanstandung nicht präkludiert ist; denn im Rahmen des § 247a StPO besteht für das Tatgericht ein Ermessen lediglich bei der Frage, ob die audiovisuelle Vernehmung eines Zeugen nach § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO angeordnet werden soll. Bei der hier gerügten Art und Weise der Durchführung der Zeugenvernehmung und insbesondere bei der Frage der Anwesenheitspflicht des Vorsitzenden ist diesem demgegenüber weder ein Beurteilungs- noch ein Ermessensspielraum eröffnet.
9
b) Die Rüge ist in zulässiger Weise erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Zwar sind die Anlagen der per Fax innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO übermittelten Revisionsbegründung ganz überwiegend nicht lesbar. Dies betrifft im Rahmen der hiesigen Rüge aber nur solche Schriftstücke, wie etwa den Beweisantrag auf Vernehmung der Zeugin und Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten , deren Inhalt für die rechtliche Beurteilung des Rügevorbringens ohne Bedeutung ist. Der wesentliche Inhalt des Beschlusses der Strafkammer nach § 247a StPO ist der Revisionsbegründung zu entnehmen; die Stoßrichtung der Rüge zielt im Übrigen nicht darauf ab, dass die Voraussetzungen für eine audiovisuelle Vernehmung der Zeugin nicht vorgelegen hätten oder der Beschluss des Landgerichts unzureichend begründet gewesen wäre, sondern darauf, dass die Art und Weise der Durchführung der Vernehmung nicht mit dem Gesetz in Einklang stehe.
10
c) Die Beanstandung hat auch in der Sache Erfolg, denn das Vorgehen der Strafkammer ist nicht von § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO gedeckt und begründet einen absoluten Revisionsgrund nach § 226 Abs. 1 i.V.m. § 338 StPO. Es bedarf dabei keiner Entscheidung, ob in der vorliegenden Fallgestaltung die Voraussetzungen des § 338 Nr. 1 StPO oder diejenigen des § 338 Nr. 5 StPO gegeben sind. Im Einzelnen:
11
aa) Die Verfahrensweise des Tatgerichts entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben. Nach § 250 Satz 1 StPO muss ein Zeuge grundsätzlich in der Hauptverhandlung körperlich anwesend sein und ist dort vom Tatgericht zu vernehmen. Von diesem Unmittelbarkeitsgrundsatz macht § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO eine Ausnahme. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen anordnen, dass der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält. § 247a Abs. 1 Satz 3 StPO bestimmt, dass die Aussage des Zeugen zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen wird.
12
Nach seinem Wortlaut gestattet § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO folglich nur, dass der Zeuge sich nicht in dem Sitzungszimmer aufhält, in dem die eigentliche Hauptverhandlung stattfindet. Sie legitimiert es dagegen nicht, dass ein sonstiger Verfahrensbeteiligter, wie hier der Vorsitzende der Strafkammer, dessen ununterbrochene Gegenwart in der Hauptverhandlung nach § 226 Abs. 1 StPO vorgesehen ist, das Sitzungszimmer verlässt, um den Zeugen anderswo zu vernehmen.
13
Dieser eindeutige Regelungsgehalt des § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Die Vorschrift wurde mit dem Ziel einer schonenden Vernehmung besonders schutzbedürftiger Zeugen durch Art. 1 Nr. 4 ZSchG in die Strafprozessordnung eingefügt, trat am 1. Dezember 1998 in Kraft und wurde in der Folgezeit mehrfach modifiziert. Zuvor hatten die Tatgerichte es teilweise für zulässig erachtet, dass insbesondere kindliche Zeugen in Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs außerhalb des Gerichtssaals durch den Vorsitzenden vernommen werden und diese Vernehmung in den Sitzungssaal übertragen wird (sog. Mainzer Modell, vgl. LG Mainz, Beschluss vom 26. Juni 1995 - 302 Js 21307/94 jug. 3 A Kls, NJW 1996, 208). Diese Praxis wurde kontrovers diskutiert (vgl. etwa Dahs, NJW 1996, 178; Laubenthal, JZ 1996, 335; Seitz, JR 1998, 309, 311; Caesar, NJW 1998, 2313, 2315). In Kenntnis der unterschiedlichen Auffassungen und nach mehreren Regelungsvorschlägen (vgl. BT-Drucks. 13/3128, 13/4983, 13/7165) entschied sich der Gesetzgeber sodann auf einen Vorschlag des Vermittlungsausschusses (BT-Drucks. 13/10001) hin dafür, dem in Großbritannien bereits praktizierten sog. Englischen Modell den Vorzug zu geben, bei dem der Vorsit- zende und die übrigen Verfahrensbeteiligten den Sitzungssaal nicht verlassen und der Zeuge, der sich an einem anderen Ort aufhält, mittels einer Bild-TonDirektübertragung vernommen wird. Eine erneute Gesetzesinitiative mit dem Ziel, das sog. Mainzer Modell für die Vernehmung von Opferzeugen einzuführen , die unter 16 Jahre alt sind (vgl. BT-Drucks. 15/814 S. 4, 8), hatte keinen Erfolg (zur Entstehungsgeschichte vgl. etwa SK-StPO/Frister, 4. Aufl., § 247a Rn. 1 ff.; Rieß, StraFo 1999, 1).
14
Vor diesem Hintergrund verbietet sich in Übereinstimmung mit der soweit ersichtlich einhelligen Auffassung im Schrifttum (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 247a Rn. 1; KK-Diemer, StPO, 7. Aufl., § 247a Rn. 1; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 247a Rn. 2 f.; KMR/Lesch, § 247a Rn. 4; HKStPO -Julius, 5. Aufl., § 247a Rn. 3; Rieß, StraFo 1999, 1, 5; Diemer, NJW 1999, 1667, 1668; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. September 1999 - 1 StR 286/99, BGHSt 45, 188, 196) ein weites Verständnis des als Ausnahmevorschrift ohnehin eng auszulegenden § 247a StPO dahin, dass die vom Landgericht hier praktizierte Verfahrensweise einer "gespaltenen Hauptverhandlung", bei welcher der Vorsitzende den Zeugen außerhalb des Sitzungssaales vernimmt und die Befragung dorthin übertragen wird, noch von der Norm legitimiert ist. Auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift kommt nicht in Betracht. § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO regelt vielmehr die einzig zulässige Art und Weise der Videovernehmung eines Zeugen in der Hauptverhandlung; daneben sind andere Formen nicht statthaft. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts würde zu Ende gedacht bedeuten, dass auch ohne entsprechende gesetzliche Regelung die Abwesenheit eines sonstigen Verfahrensbeteiligten , der nach prozessrechtlichen Bestimmungen während der gesamten Hauptverhandlung anwesend zu sein hat (§ 140 Abs. 1 und 2, § 226 Abs. 1, § 230 Abs. 1, § 231 Abs. 1 Satz 1 StPO), schon dann zu verneinen wäre, wenn er sich zwar an einem anderen Ort außerhalb des Sitzungssaales aufhält, der Hauptverhandlung aber durch Videokonferenztechnik zugeschaltet ist. Diese Möglichkeit zu eröffnen, wäre indes Sache des Gesetzgebers, der vor einer Gesetzesänderung auch die Nachteile zu erwägen hätte, die mit einer derartigen Form der Verfahrensgestaltung verbunden wären.
15
bb) Die Abwesenheit des Strafkammervorsitzenden im Sitzungssaal während der Vernehmung der Zeugin und somit während eines wesentlichen Teils der Hauptverhandlung stellt einen absoluten Revisionsgrund nach § 338 StPO dar. Es bedarf dabei keiner abschließenden Entscheidung, ob diese Fälle mit der bisherigen Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung in der Literatur als vorschriftswidrige Gerichtsbesetzung zu bewerten sind und deshalb § 338 Nr. 1 StPO anzuwenden ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - 4 StR 657/98, BGHSt 44, 361, 365; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 338 Rn. 10; KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 338 Rn. 71, jew. mwN) oder ob - wozu der Senat neigt - Fallkonstellationen der vorliegenden Art unter § 338 Nr. 5 StPO zu subsumieren sind, weil die Hauptverhandlung teilweise in Abwesenheit einer Person stattgefunden hat, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt. Dies kann insbesondere deshalb dahinstehen, weil die Revisionsrüge auch bei Anwendung des § 338 Nr. 1 StPO nicht präkludiert ist. Die - in § 338 Nr. 5 StPO nicht enthaltenen - Präklusionsregelungen des § 338 Nr. 1 StPO finden dann keine Anwendung, wenn wie hier der Grund für die fehlerhafte Gerichtsbesetzung erst während der Hauptverhandlung entsteht (BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - 4 StR 657/98, BGHSt 44, 361, 364; Beschlüsse vom 8. Dezember 2004 - 3 StR 422/04, BGHR GVG § 76 Abs. 2 Besetzungsbeschluss 4; vom 8. Januar 2009 - 5 StR 537/08, NJW 2009, 931, 932). Ein Verständnis des Normengefüges dahin, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung eine Entscheidung nach § 238 Abs. 2 StPO herbeiführen muss, um sich die entsprechende Revisionsrüge zu erhalten (offen gelassen für Fälle der fehlerhaften Gerichtsbesetzung bei BGH, Beschluss vom 8. Januar 2009 - 5 StR 537/08, NJW 2009, 931, 932), kommt wie dargelegt nicht in Betracht.
16
3. Die Sache bedarf aufgrund des Vorliegens eines absoluten Revisionsgrundes insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung, ohne dass es auf die weiteren von der Revision geltend gemachten verfahrens- und materiellrechtlichen Beanstandungen ankommt. Soweit die Revision darauf anträgt, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen, besteht hierfür keine Veranlassung. Weder aus dem zur Aufhebung des Urteils führenden Rechtsfehler noch aus dem sonstigen, vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend beantworteten Vortrag der Revision ergeben sich Umstände, welche die Besorgnis rechtfertigen würden, das Verfahren werde nach Zurückverweisung durch eine andere Strafkammer des Landgerichts Lüneburg nicht sachgemäß geführt werden.
Becker Schäfer Spaniol
Tiemann Berg

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 373/18
vom
11. Dezember 2018
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung
ECLI:DE:BGH:2018:111218B5STR373.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 11. Dezember 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 8. März 2018 mit den Feststellungen zur Täterschaft des Angeklagten aufgehoben; die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt bleiben aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils im Umfang der Beschlussformel.
2
1. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des die Tat bestreitenden Angeklagten „im Wesentlichen“ auf die Auswertung der an der Kleidung der Nebenklägerin – insbesondere an der Innenseite des von ihr in der Tatnacht getragenen Slips – aufgefundenen DNA-Mischpuren gestützt. Die Beweiswürdigung hält – trotz des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabes – der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
3
Die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung genügt nicht den hierfür sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergebenden Anforderungen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116; für Y-chromosomale Befunde vgl. Willuweit /Weirich/Schneider/Roewer, NStZ 2018, 437, 439; zu den Anforderungen bei DNA-Einzelspuren vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, NJW 2018, 3192, 3193 [zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt]).
4
Denn das sachverständig beratene Landgericht hat sich auf die Mitteilung beschränkt, wie viele Merkmalssysteme untersucht wurden und ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben. Das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form teilt es hingegen nicht mit. Der Senat kann daher nicht prüfen, ob die Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und seine Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013, aaO).
5
2. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf der erörterten Lücke in der Beweiswürdigung beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Unter Berücksichtigung der Einlassung des Angeklagten, wonach er sich in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat im Bereich des Tatorts aufgehalten hatte, weisen die übrigen, vom Landgericht für den Nachweis der Täterschaft herangezogenen Indizien zwar deutlich auf ihn als den Täter hin. Das Landgericht hat bei seiner Überzeugungsbildung den DNA-Spuren aber ausdrücklich wesentliche Bedeutung beigemessen.
6
3. Die Aufhebung des Urteils erfasst auch den Adhäsionsausspruch, da der zuerkannte Anspruch in der Straftat gründet, auf die sich die Aufhebung bezieht (§ 353 Abs. 1 StPO).
7
a) Die Vorschrift des § 353 Abs. 1 StPO gilt auch für Entscheidungen nach § 406 Abs. 1 Satz 1 StPO. Ficht der Angeklagte – wie hier – das Urteil insgesamt an, unterliegt deshalb eine gegen ihn ergangene Adhäsionsentscheidung der Überprüfung durch das Revisionsgericht (§ 352 Abs. 1 StPO). Wird auf sein (unbeschränktes) Rechtsmittel hin die Verurteilung wegen der Straftat, die dem Adhäsionsantrag zugrunde liegt, mit den die zivilrechtliche Entscheidung tragenden Feststellungen aufgehoben, ist die bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlage nicht erfüllt. Das Urteil beruht mithin insoweit auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 337 StPO). Das Revisionsgericht kann daher in diesen Fällen auch im zivilrechtlichen Teil aufheben und zurückverweisen (vgl. Löwe /Rosenberg/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 406a Rn. 8).
8
b) § 406a Abs. 3 StPO steht dem nicht entgegen. Die Vorschrift regelt die Aufhebung der Adhäsionsentscheidung für den Fall, dass der Angeklagte nach Aufhebung der strafrechtlichen Verurteilung nicht schuldig gesprochen und keine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird. Da das Revisionsgericht nur ausnahmsweise eine Sachentscheidung in diesem Sinne trifft, ist Normadressat des § 406a Abs. 3 StPO in der Regel das Tatgericht (Löwe /Rosenberg/Hilger, aaO Rn. 15).
9
§ 406a Abs. 3 StPO betrifft indes in erster Linie die Fälle, in denen dem Rechtsmittelgericht die Überprüfung der Adhäsionsentscheidung entzogen ist, weil der Angeklagte sie wirksam von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen hat oder das Urteil lediglich von der Staatsanwaltschaft oder dem Nebenkläger angefochten wird (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Februar 2006 – 4 StR 570/05, BGHSt 50, 370; Urteile vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96; vom 23. Mai 1952 – 2 StR 20/52, BGHSt 3, 210). Sie ermöglicht es, die infolgedessen in Rechtskraft erwachsene Adhäsionsentscheidung aufzuheben, wenn die Verurteilung wegen der Straftat, auf die sie gestützt worden ist, nach Aufhebung und Zurückverweisung aufgrund der neuen Hauptverhandlung entfällt. Damit verhindert sie, dass der zivilrechtliche Teil eines strafrechtlichen Urteils bestehen bleibt, obwohl die strafrechtliche Grundlage hierfür weggefallen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, aaO).
10
Etwas anderes folgt auch nicht aus der – vor allem für das Rechtsmittel der Berufung relevanten – Vorschrift des § 406a Abs. 3 Satz 2 StPO. Dieser Regelung ist zwar im Umkehrschluss zu entnehmen, dass § 406a Abs. 3 Satz 1 StPO auch auf solche Fälle Anwendung findet, in denen die Adhäsionsentscheidung neben dem strafrechtlichen Teil angefochten ist. Die aus § 353 Abs. 1 StPO folgende Befugnis des Revisionsgerichts, eine – vom Rechtsmittelangriff umfasste – rechtsfehlerhafte Adhäsionsentscheidung aufzuheben, wird dadurch aber nicht verdrängt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. September

2017

4 StR 177/17, NStZ-RR 2018, 24, 25). Vielmehr eröffnet § 406a Abs. 3 Satz 1 StPO dem Revisionsgericht lediglich eine weitere Entscheidungsmöglichkeit. Inwieweit es seine diesbezügliche Aufhebungsbefugnis – auch mit Blick auf die vorläufige Vollstreckbarkeit der Adhäsionsentscheidung (§ 406b StPO) – selbst wahrnimmt oder nach Zurückweisung des strafrechtlichen Teils dem Tatgericht
zuweist, bedarf der Wertung im Einzelfall. Entscheidungen anderer Senate (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 12. Februar 2015 – 2 StR 388/14; vom 31. Juli 2018 – 1 StR 260/18 und vom 6. Dezember 2018 – 4 StR 484/18) stehen daher nicht entgegen.
11
4. Die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt sind – mit Ausnahme derjenigen zur Täterschaft des Angeklagten – von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
12
5. Bezüglich einer etwa neu zu treffenden Adhäsionsentscheidung weist der Senat auf die Beschlüsse des BGH vom 20. März 2018 – 5 StR 52/18 (Zinsbeginn) und vom 6. Dezember 2018 – 4 StR 484/18 (Anforderungen an einen Antrag auf Zahlung eines Schmerzensgeldes) hin.
Mutzbauer Sander Schneider
Mosbacher Köhler

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 5 4 6 / 1 4
vom
19. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt aus Bremen
als Verteidiger,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 10. April 2014 wird
a) die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 21 Fällen beschränkt,
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 21 Fällen verurteilt ist.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Anbau von Betäubungsmitteln in 21 Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 104.000 € angeordnet. Vom Vorwurf weiterer zehn Taten des Handeltreibens hat es den Angeklagten freigesprochen.
2
Gegen das Urteil richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft erhebt die allgemeine Sachrüge und erstrebt die vollständige Aufhebung des Urteils. Mit Einzelausführungen wendet sie sich zudem zum einen zu Gunsten des Angeklagten gegen dessen Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Anbaus von Betäubungsmitteln. Zum anderen rügt sie zum Nachteil des Angeklagten die Strafzumessung. Der Angeklagte wendet sich mit sachlichrechtlichen Beanstandungen gegen den Schuld- und den Strafausspruch. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat weitgehenden Erfolg, das des Angeklagten führt lediglich zu einer Korrektur des Schuldspruchs.
3
Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte von August 2009 bis zum 18. November 2011 auf seinem Grundstück in einem ehemaligen Schweinestall eine Cannabisindoorplantage, in der er im Erdgeschoss bis Ende März 2011 in speziellen Schränken 264 Pflanzen und von da an in solchen Schränken und zusätzlich in Feldern 300 Pflanzen sowie im Obergeschoss ab Januar 2011 in Feldern weiter 492 Pflanzen kultivierte. Unterstützt von dem Nichtrevidenten P. , den das Landgericht wegen Beihilfe zu den Taten des Angeklagten zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt hat, erntete der Angeklagte von den reifen Pflanzen die Blütenstände (Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % THC), trocknete und verpackte sie in Vakuumtüten. Jeweils nach Erlangung von 2 Kilogramm verkaufte er die getrockneten Blütenstände an einen Abnehmer für 2.600 € pro Kilogramm. Insgesamt konnte der Angeklagte zwanzigmal jeweils 2 Kilogramm Blütenstände ernten und verkaufen. Am 18. November 2011 wurde bei einer Durchsuchung des Anwesens die Plantage mit 872 Cannabispflanzen unterschiedlichen Reifegrads , 742 Cannabissetzlingen und -stecklingen sowie mit 1.018,10 g abgeerntetem Blütenmaterial sichergestellt. Aus den im Wachstum begriffenen Pflanzen hätte der Angeklagte Blütenmaterial von insgesamt mehr als 11 Kilogramm mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % THC erzielen können. Auch sie waren, wie das bereits abgeerntete Blütenmaterial, vom Angeklagten zum Verkauf an seinen Abnehmer zu den bisherigen Bedingungen bestimmt.
4
Soweit die Anklage von kürzeren Reifungsperioden der Pflanzen und damit von insgesamt 30 Verkäufen während der Tatzeit ausgegangen ist, konnte das Landgericht dies nicht feststellen und hat den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
I. Verfahrensbeschränkung
5
Nach den Feststellungen des Landgerichts entfernte der Angeklagte bei Erntereife die übrigen Bestandteile der Pflanzen (Stängel und Blätter) und "entsorgte" sie. Teilweise fertigte er aus ihnen und Brennnesseln "einen Sud, der dann in dem Garten des Angeklagten verwendet wurde" (UA S. 9). Soweit das Landgericht den Angeklagten deshalb wegen in Tateinheit zum Handeltreiben mit Betäubungsmittel stehendem Anbau von Betäubungsmitteln verurteilt hat, ist mit Zustimmung des Generalbundesanwalts dieser Vorwurf nach § 154a Abs. 2 StPO ausgeschieden und die Verfolgung auf den Vorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 21 Fällen beschränkt und der Schuldspruch entsprechend geändert worden.
II. Die Revision des Angeklagten
6
Das Rechtsmittel bleibt - von der mit der Verfahrensbeschränkung verbundenen Änderung des Schuldspruchs abgesehen - ohne Erfolg.
7
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung (zum Maßstab vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 387) stand. Die Strafkammer hat sich aufgrund einer Mehrzahl von Indizien von den Zeitpunkten, zu denen die Plantage erstmals in vollem Betrieb stand bzw. durch den Ausbau der Produktionsflächen jeweils erweitert wurde, sowie von den Vegetationszyklen der Pflanzen und dem Mindestwirkstoffgehalt der Blütenstände überzeugt. Die Erkenntnisse über die Qualität der sichergestellten Pflanzen zeigen, dass sie dabei von den festgestellten Wirkstoffgehalten (THC-Gehalt der Blütenstände bis zu 15,9%) eher vorsichtig auf den Gehalt der verkauften Betäubungsmittel zurückgeschlossen hat. Rechtsfehler sind dabei nicht zutage getreten. Auch dem Vorbringen der Revision sind solche nicht zu entnehmen.
8
2. Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die Handlungen des Angeklagten als insgesamt 21 Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angesehen. Die Tatsache, dass der Angeklagte aus seiner Plantage, in der sich stets Pflanzen in den verschiedensten Wachs- tumsstadien befanden, jeweils die reifen Pflanzen aberntete, die Blütenstände abschnitt und erst verkaufte, wenn er eine Menge von 2 Kilogramm erzielt hatte , und währenddessen auch die Kultivierung der noch unreifen Pflanzen weiter betrieb, und sich somit die Tätigkeit des Anbaus stets auf mehrere unterschiedliche Ernten bezog, steht dem nicht entgegen. Hierzu im Einzelnen:
9
a) Der Anbau von Cannabis-Pflanzen, der auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielt, erfüllt den Tatbestand des Handeltreibens (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2005 - 1 StR 476/04, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Handeltreiben 4). Der Verbrechenstatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist dabei verwirklicht, wenn mit der Aufzucht der Pflanzen eine nicht geringe Menge des Betäubungsmittels erzielt werden soll (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 407/12, BGHSt 58, 99). Werden mehrfach hintereinander die abgeernteten Pflanzen aus einem Anbauvorgang jeweils verkauft, so sind mehrere selbständige Taten des Handeltreibens gegeben (BGH, Beschlüsse vom 20. April 2005 - 3 StR 106/05, NStZ 2005, 650, und vom 28. Juni 2011 - 3 StR 485/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 11; Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 407/12, juris Rn. 14, insoweit in BGHSt 58, 99 nicht abgedruckt). Werden andererseits mehrere der durch die einzelnen Anbauvorgänge erzielten Erträge in einem einheitlichen Umsatzgeschäft veräußert, so führt dies jedenfalls zu einer Teilidentität der jeweiligen tatbestandlichen Ausführungshandlungen und verknüpft so die einzelnen Fälle des Handeltreibens zu einer Tat des Handeltreibens (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 3 StR 485/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 11; Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 407/12, juris Rn. 31, insoweit in BGHSt 58, 99 nicht abgedruckt). Dafür ist es ohne Belang, ob in verschiedenen Plantagen gleich- zeitig gewonnene Ernten oder in einer Plantage hintereinander gewonnene Ernten in einem Verkauf zusammengefasst werden.
10
b) Nichts anderes gilt für den Verkauf von Betäubungsmitteln aus einer Plantage mit Pflanzen unterschiedlicher Reifungsgrade, die sukzessiv nach ihrer Reife geerntet werden (aA Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 2 Rn. 101). Auch hier stellt der einzelne Verkauf die Zäsur des Anbaus dar. Mit ihm konkretisiert sich die Tat des Handeltreibens und trennt die zur Erzeugung des verkauften Betäubungsmittels notwendigen Anbauvorgänge von denen ab, die der Herstellung der nächsten Lieferung und damit der nächsten Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dienen. Es ist dabei unerheblich, dass die einzelnen Pflanzen nicht - wie vorwiegend anzutreffen - innerhalb einer Plantage gleichzeitig angebaut und von anderen Pflanzungen räumlich getrennt sind. Es kommt allein auf den jeweiligen Verkaufsvorgang an. Auch der bloße gleichzeitige Besitz der bereits abgeernteten, zum Verkauf bei Erreichen einer entsprechenden Menge bereitliegenden Blüten einerseits und der noch auf dem Halm befindlichen Blüten hat nicht die Kraft, die getrennten Handelstätigkeiten zur Tateinheit zu verbinden (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1994 - 3 StR 261/94, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 45).
11
c) Damit liegen aufgrund der 20 festgestellten Verkäufe ebenso viele Taten des Handeltreibens vor. Die einundzwanzigste Tat des vollendeten Handeltreibens hat das Landgericht zutreffend in dem Betreiben der Plantage (bestehend aus dem Abernten von Blütenständen und der Aufzucht der übrigen Pflanzen) seit dem letzten Verkauf mit dem Ziel des gewinnbringenden Verkaufs nach Erreichen von zwei Kilogramm Blütenständen gesehen. Es reicht für ein vollendetes Handeltreiben aus, dass Cannabissetzlinge mit dem Ziel einer späteren Ernte und des gewinnbringenden Weiterverkaufs angepflanzt werden, auch wenn es dazu letztlich nicht mehr kommt. Der Begriff des Handeltreibens ist umfassend dahin zu verstehen, dass er jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit umfasst, soweit es sich nicht lediglich um typische Vorbereitungen handelt, die weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes liegen (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256, 265 f.). Demgemäß geht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bereits die Aufzucht von Cannabispflanzen den Tatbestand des Handeltreibens erfüllen kann, wenn der Anbau - wie hier - auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielt (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 407/12, BGHSt 58,

99).


12
3. Der Strafausspruch weist keinen Fehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das Landgericht hat die in Tat und Täter liegenden Umstände umfassend gewürdigt.
13
a) Die Einzelbeanstandungen der Revision bleiben erfolglos:
14
Der Verfall von Wertersatz dient allein der Abschöpfung des durch die Straftat Erlangten. Die mit ihm verbundene Vermögenseinbuße stellt keinen Strafmilderungsgrund dar (BGH, Urteil vom 28. Januar 2015 - 5 StR 486/14, juris Rn. 6). Dass der Angeklagte aus dem Verkaufserlös seines Anwesens der Staatsanwaltschaft 133.279,56 € überwiesen hat, beruht nur auf der Tatsache, dass es ohne diese Zahlung nicht zur Löschung der Sicherungshypothek und zum Verkauf des Anwesens gekommen wäre.
15
Auch die Formulierung, es zeige sich "über den Tatzeitraum von über zwei Jahren ein sich steigerndes kriminelles Gewicht" der Tat, weil das Ge- winnstreben neben dem Begehren, sich eine neue Beschäftigung und einen neuen Lebensinhalt zu schaffen, zuerst nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben mag, sodann aber "zunehmend die Gewinnerzielungsabsicht im Vordergrund" gestanden habe, "was durch entsprechende Erweiterungen und Optimierungen der Plantage umgesetzt wurde" (UA S. 46), stellt keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar. Es liegt bereits nahe, dass das Landgericht mit der - im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB allerdings bedenklichen - Formulierung lediglich die deutliche Ausweitung (Verdoppelung) der Anbaufläche im Verlauf des Tatzeitraums werten wollte. In jedem Fall kann der Senat ausschließend, dass das Landgericht ohne diese Erwägung eine noch mildere Strafzumessung vorgenommen hätte.
16
b) Der Strafausspruch wird auch von der Änderung des Schuldspruchs nicht berührt, da das Landgericht die angenommene Verwirklichung eines weiteren Tatbestands nicht zu Lasten des Angeklagten gewürdigt hat.
17
4. Angesichts des nur geringen Teilerfolgs des Rechtsmittels ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und seinen eigenen Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
III. Die Revision der Staatsanwaltschaft
18
Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
19
1. Die Verfahrensbeschränkung führt zu der von der Staatsanwaltschaft erstrebten Änderung des Schuldspruchs.
20
2. Der Strafausspruch des Landgerichts hält - auch in Ansehung der insoweit nur eingeschränkten Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts (vgl. BGH, Urteil vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337 mwN) - rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Er ist sowohl bei der Festsetzung der Einzelstrafen als auch bei der Bildung der Gesamtstrafe zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft.
21
Bei der Bildung der Gesamtstrafe hat das Landgericht "dem Umstand, dass die Vollziehung von Freiheitsstrafe … eine besondere Härte darstellen würde, entscheidende Bedeutung zukommen lassen, so dass auf eine Gesamtstrafe erkannt worden ist, deren Vollstreckung noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann" (UA S. 47). Damit hat die Strafkammer in unzulässiger Weise Gesichtspunkte der Strafbemessung im Sinne der Ermittlung einer schuldangemessenen Strafe mit solchen der Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung vermischt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1992 - 4 StR 154/92, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 29; vgl. für den umgekehrten Fall BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - 2 StR 355/13, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 3). Der Senat besorgt, dass sich das erkennbare Bemühen des Landgerichts, dem Angeklagten in jedem Fall eine zur Bewährung auszusetzende Freiheitsstrafe zuzubilligen, auch auf die Festsetzung der bereits für sich genommen sehr milden Einzelstrafen ausgewirkt hat.

22
3. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge der Staatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler zu Gunsten oder zu Lasten (vgl. § 301 StPO) des Angeklagten ergeben. Insoweit ist das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft unbegründet.
Schäfer Pfister Hubert RiBGH Gericke befindet sich Spaniol im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. Schäfer

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 176/17
vom
28. März 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2018:280318U2STR176.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 14. März 2018 in der Sitzung am 28. März 2018, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Zeng, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger des Angeklagten V. N. , Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger des Angeklagten G. , Rechtsanwältin in der Verhandlung als Verteidigerin des Angeklagten X. N. , Justizangestellte in der Verhandlung, Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. a) Auf die Revisionen der Angeklagten V. N. , G. und X. N. wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 13. Juli 2016 dahingehend geändert, dass die Angeklagten des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig sind, und der Angeklagte V. N. deshalb zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten und die Angeklagten G. und X. N. jeweils zu Freiheitsstrafen von vier Jahren verurteilt werden.
b) Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
c) Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. 2. a) Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen vorgenanntes Urteil wird verworfen.
b) Die Staatskasse trägt die Kosten ihres Rechtsmittels und die hierdurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten V. N. , G. und X. N. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen zwischen vier Jahren und fünf Jahren und drei Monaten verurteilt und außerdem Einziehungsentscheidungen getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte und auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos. Die Revisionen der Angeklagten haben hingegen mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind auch sie unbegründet.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen ein unbekannt gebliebener Chinese und der vietnamesische Staatsangehörige T. im Juni /Juli 2014 überein, gemeinsam mit dem gesondert verfolgten A. N. und weiteren Personen in Gewinnerzielungsabsicht eine illegale Cannabisplantage zu betreiben. Der Angeklagte X. N. war in diese Abrede eingebunden; er sollte gegen finanzielle Beteiligung am Aufbau der Plantage mitwirken und den Kontakt zwischen den vor Ort tätigen „Pflanzhel- fern“ und den Hintermännern halten.
3
A. N. wandte sich bei der Suche nach einem geeigneten Gebäude an den mit ihm befreundeten Angeklagten V. N. , der einen Kontakt zu dem ihm seit langem bekannten Angeklagten G. herstellte. G. wiederum sprach Ende Oktober/Anfang November 2014 den Mitangeklagten Ne. an, dem ein großes Gewerbeobjekt in S. mit teilweisem Leerstand gehörte und der G. noch einen Betrag von 6.000 € schuldete. Nach Besichtigung des Objekts und weiteren Treffen der Beteiligten wurde vereinbart, dass der Angeklagte Ne. die Räumlichkeiten auf unbestimmte Zeit überlassen und für jede Ernte einen Betrag von 70.000 € erhalten sollte.
4
Spätestens ab 20. November 2014 wurde nach vorangegangener Planung die Anlage in den Kellerräumen des Objekts technisch eingerichtet. Darin waren jedenfalls X. N. , G. und auch Ne. beteiligt. Am 10. Dezember 2014 erhielt Ne. im Beisein der Angeklagten G. , V. N. und T. von X. N. 15.000 €, von denen er später 6.000 € an G. zur Tilgung seiner Schulden weiterreichte.
5
In sechs Aufzuchträumen pflanzten und pflegten ab 12. Dezember 2014 bis zu fünf vietnamesische Erntehelfer in zwei Anbauvorgängen insgesamt 2201 Cannabispflanzen. Der Anbau für die zweite Ernte begann, noch bevor die erste Anpflanzung abgeerntet war, am 21. Januar 2015. Der Betrieb der Plantage vor Ort wurde im Übrigen von V. N. , X. N. und dessen Lebensgefährtin sowie von G. organisiert. Ne. wurde in wichtigen Fragen zum Aufbau und laufenden Betrieb der Anlage einbezogen. Alle Genannten waren auch um Weihnachten 2014 herum an der Beseitigung eines aufgetretenen Wasserschadens beteiligt.
6
Nach einer Strafanzeige vom 19. Januar 2015 leiteten die Ermittlungsbehörden Ermittlungen ein, in deren Zuge der Angeklagte Ne. als Zeuge vernommen wurde. Er legte dabei einen von ihm fingierten und vonG. mit falschem Namen unterschriebenen Mietvertrag sowie eine gefälschte Meldebescheinigung der dort als Mieter eingetragenen Person vor. Die anderen Tatbe- teiligten wurden im Anschluss von Ne. über den Verdacht der Polizei informiert. Es kam zu mehreren Treffen, in dem das weitere Vorgehen besprochen wurde. Schließlich wurde am 8. Februar 2015 auf Drängen des Angeklagten Ne. vereinbart, dass er am 19. Februar 2015 30.000 € und Ende März nach Ausräumen der Plantage weitere 10.000 € erhalten sollte. Dazu kam es jedoch nicht mehr. Am 13. Februar 2015 wurde das Objekt polizeilich durchsucht. Zu diesem Zeitpunkt waren 1697 Pflanzen etwa 90-100 cm und 504 Pflanzen aus einem zweiten Anbauvorgang etwa 30 cm groß. Die Pflanzen enthielten insgesamt 9.799,83 Gramm THC.

II.

7
Die Revisionen der Angeklagten V. N. , G. und X. N. haben in den aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.
8
1. Den Verfahrensrügen der Angeklagten bleiben aus vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift dargelegten Gründen der Erfolg versagt.
9
2. Die Überprüfung des Schuldspruchs der drei Angeklagten, jeweils wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar begegnet sowohl die Annahme täterschaftlicher wie auch bandenmäßiger Begehung keinen rechtlichen Bedenken. Zu Unrecht ist allerdings das Landgericht jeweils vom Vorliegen zweier tatmehrheitlicher begangener Taten ausgegangen.
10
a) Ohne Rechtsfehler hat sich die Strafkammer die Überzeugung verschafft , dass es im Tatzeitraum zwei Anbauvorgänge gegeben hat, und hat in- soweit noch rechtsfehlerfrei angenommen, dass es sich grundsätzlich um jeweils rechtlich selbständige Taten handelt (vgl. nur Senat, Beschluss vom 15. Oktober 2008 – 2 StR 352/08). Dass die Anbauvorgänge nicht nacheinander begonnen wurden, sondern teilweise gleichzeitig stattfanden, ändert daran nichts (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2015 – 3 StR 546/15, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 2; Senat, Beschluss vom 22. Februar 2017 – 2 StR291/16). Die Jugendkammer hat indes nicht erkennbar bedacht, dass bei einer Mehrzahl von Straftaten für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen ist, ob diese in seiner Person tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen.
11
Leistet ein Beteiligter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Erbringt er dagegen im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge , durch die alle oder mehrere Einzeldelikte anderer Beteiligter gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm diese als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die anderen Beteiligten die einzelnen Delikte nach obigen Grundsätzen ihrerseits gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr., BGH, Beschluss vom 13. Mai 2003 – 3 StR 128/03, NStZ-RR 2003, 265; Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 f.).
12
Nach diesem Maßstab haben sich alle drei Angeklagten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht. Denn sie haben zu den beiden Anbauvorgängen keine individuellen, jeweils nur einen Anbau fördernden Tatbeiträge erbracht. Die festgestellten Tatbeiträge aller Angeklagten haben sich vielmehr jeweils auf beide Anbauvorgänge gleichermaßen fördernd ausgewirkt.
13
Dies gilt auch zunächst für die Mitwirkung an der Beseitigung eines in den Plantagenräumlichkeiten aufgetretenen Wasserschadens (vgl. UA S. 21). Zwar kam es hierzu noch vor Beginn des zweiten Anbauvorgangs; durch die mit der Schadensbeseitigung verbundene Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Plantage wurde dieser jedoch ebenfalls gefördert.
14
Soweit sich aus den Urteilsgründen weitere Aufenthalte und Unterstützungshandlungen jedes einzelnen Angeklagten in der Plantage nach ihrer Inbetriebnahme ergeben (vgl. für den Angeklagten X. N. UA S. 106110 ; für V. N. UA S. 21 oben, 96, 101; für G. UA S. 21, 102, 105), folgen hieraus ebenfalls keine allein auf einen Anbauvorgang bezogenen konkreten Tatbeiträge.
15
Die Verurteilung wegen bandenmäßiger Tatbegehung wird durch die Annahme von Tateinheit nicht in Frage gestellt. Denn maßgebend dafür, ob fortgesetzt eine Mehrzahl im Einzelnen noch ungewisser Straftaten begangen werden sollte oder begangen wurde, sind die geplanten tatsächlichen Abläufe sowie deren Umsetzung; unerheblich ist demgegenüber, ob diese in der Person eines Bandenmitglieds aufgrund der besonderen Art seiner Tatbeiträge und gegebenenfalls unter Heranziehung des Zweifelssatzes rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammengefasst werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 188; Beschluss vom 25. November 2013 – 5 StR 531/13, NStZ-RR 2014, 215).
16
Der Senat stellt deshalb den Schuldspruch hinsichtlich aller drei Angeklagter entsprechend um. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Die Angeklagten hätten sich nicht anders als geschehen verteidigen können.
17
b) Die Korrektur des Schuldspruchs führt jeweils zum Wegfall der festgesetzten Einzelstrafen. Der Senat setzt jedoch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die im Übrigen ohne Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten gebildeten Gesamtfreiheitsstrafen als Einzelstrafen fest. Die geänderte konkurrenzrechtliche Bewertung lässt den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat unberührt. Der Senat schließt deshalb aus, dass der Tatrichter bei Annahme von Tateinheit statt Tatmehrheit auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.

III.

18
Der auf den Strafausspruch beschränkten Revision der Staatsanwaltschaft bleibt dagegen der Erfolg versagt.
19
1. Die Revision ist ungeachtet des weiter gefassten, auf die Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch gerichteten Antrags auf den Strafausspruch beschränkt. Dies ergibt sich bei einer Auslegung der Revisionsbegründungsschrift , die eindeutig ergibt, dass sich die Revisionsführerin allein gegen die Strafrahmenwahl und die Strafhöhe wendet (vgl. BGH NStZ-RR 2017, 105).
20
Die Beschränkung der Revision ist auch wirksam. Zwar tragen die Feststellungen nicht den Schuldspruch wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tatmehrheitlichen Fällen (s. oben II. 2. a.). Die fehlerhafte Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse steht der Wirksamkeit der Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch allerdings nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 – 1 StR 149/96).
21
2. Die auf das Rechtsmittel hin veranlasste Überprüfung des Strafausspruchs lässt einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten nicht erkennen.
22
a) Die Strafrahmenwahl des Landgerichts hält in allen Fällen rechtlicher Nachprüfung stand.
23
aa) Die Annahme eines minder schweren Falls nach § 30a Abs. 3 BtMG begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat die hohen Wirkstoffmengen, insbesondere auch die 1298-fache Überschreitung im ersten Anbauvorgang, ausdrücklich in den Blick genommen und sich der Frage gestellt, ob allein deswegen die Annahme eines minder schweren Falles ausscheiden könnte. Sie hat dies im konkreten Fall insbesondere deshalb nicht angenommen, weil aufgrund der polizeilichen Überwachung der Anlage schon Wochen vor der Durchsuchung nicht mehr damit zu rechnen war, dass die Betäubungsmittel in den Verkehr gelangen konnten, und deshalb eine Gefahr für das durch den Tatbestand geschützte Rechtsgut der Volksgesundheit nicht bestand. Wenn das Landgericht unter jeweiliger Berücksichtigung strafmildernder Umstände von Gewicht bei jedem einzelnen Angeklagten in ausführlicher Würdigung zur Annahme eines minder schweren Falles nach § 30a BtMG gelangt ist, ist dies – auch vor dem Hintergrund eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung des Strafausspruches – von Rechts wegen nicht zu beanstanden (vgl. zu einem Mittäter aus diesem Tatkomplex bereits Senat, Urteil vom 22. Februar 2017 – 2 StR 291/16).
24
bb) Es stellt auch keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar, dass das Landgericht darüber hinaus minder schwere Fälle nach § 29a Abs. 2 BtMG bzw. § 30 Abs. 2 BtMG angenommen, eine Sperrwirkung der durch § 30a BtMG verdrängten §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG verneint und ihrer Strafzumessung damit den Strafrahmen des § 30a Abs. 3 BtMG von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zugrunde gelegt hat. Die knappen Ausführungen der Strafkammer , bei der sie die bei der Prüfung des § 30a Abs. 3 BtMG genannten Gesichtspunkte ausdrücklich in Bezug genommen hat, genügen ohne Weiteres den insoweit an das Tatgericht zu stellenden Begründungsanforderungen; es wird hinreichend deutlich, worauf die Strafkammer sich bei ihrer – auch insoweit revisionsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren – Entscheidung gestützt hat. Einer Wiederholung oder Ergänzung der maßgeblichen Gesichtspunkte bedurfte es an dieser Stelle nicht.
25
Die Begründung erweist sich im Übrigen auch nicht als lückenhaft. Es kann insbesondere dahinstehen, ob es von Rechts wegen geboten gewesen wäre, die bandenmäßige Tatbegehung bei der Prüfung minder schwerer Fälle nach § 29a Abs. 2 bzw. § 30 Abs. 2 BtMG als strafschärfende Umstände zu berücksichtigen (vgl. zu vergleichbaren Konstellationen zu § 177 aF Senat, Urteil vom 16. August 2001 – 2 StR 159/00, BGHR StGB § 177 Abs. 5 Strafrahmenwahl 3), denn es ist nicht zu besorgen, dass das Landgericht diesen Umstand bei seiner Prüfung unberücksichtigt gelassen hat. Bei seiner Bezugnahme hat es unter anderem bei allen Angeklagten ausdrücklich in den Blick genommen , welche Rolle die einzelnen Angeklagten in der Hierarchie der Bande eingenommen haben (UA S. 149, 151, 152). Der Umstand bandenmäßiger Begehung ist damit in die Prüfung minder schwerer Fälle nach § 29a Abs. 2 BtMG bzw. § 30 Abs. 2 BtMG eingeflossen.
26
cc) Die Bemessung der Strafen hinsichtlich aller Angeklagten weist ebenfalls auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu ihren Gunsten auf.
27
Dass das Landgericht seiner Strafbemessung hinsichtlich des noch nicht erntereifen zweiten Anbauvorgangs einen zu geringen Schuldgehalt zugrunde gelegt hat, ist nicht zu besorgen. Es hat rechtsfehlerfrei den Wirkstoffgehalt festgestellt, der sich aus dem sichergestellten, noch nicht erntereifen Pflanzenmaterial ergeben hat (vgl. UA S. 22), hat im Rahmen der Strafzumessung aber nicht diesen – was rechtsfehlerhaft wäre (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12, BGHSt 58, 99, 101 f.) – , sondern die mit den Anbauvorgängen erstrebte Erntemenge (und den sich daraus ergebenden Wirkstoffgehalt) zugrunde gelegt (UA S. 148).
28
Die Urteilsgründe geben im Übrigen keinen Anlass zur Besorgnis, dass die Strafkammer die zur Begründung minder schwerer Fälle herangezogenen Milderungsgründe mit einem zu hohen Gewicht bei der konkreten Strafzumessung berücksichtigt hat. Dass das Landgericht die bei der Prüfung des § 30a Abs. 3 BtMG berücksichtigten Umstände nicht nochmals wiederholt, sondern auf die vorangegangene Aufzählung verwiesen hat, stellt keinen Rechtsmangel dar. Es bedurfte insoweit auch nicht des ausdrücklichen Hinweises, dass die Berücksichtigung bei der konkreten Strafbemessung nur mit erheblich geringerem Gewicht erfolgt.
29
Die ausgeurteilten Strafen sind schließlich – auch unter Berücksichtigung der Wirkstoffmengen – nicht „unvertretbar milde“. Dies gilt insbesondere auch mit Blick darauf, dass das Landgericht im konkreten Fall jede Gefährdung der Volksgesundheit als durch die erfüllten Straftatbestände geschütztem Rechts- gut verneint hat. Dass die gegen die Angeklagten verhängten Strafen „in kei- nem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt und zur Gefährlichkeit der Taten“ stehen, lässt sich deshalb nicht feststellen. Schäfer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 485/10
vom
28. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am 28. Juni
2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 8. Juli 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte verurteilt worden ist in den Fällen - II. 2. bis 7. der Urteilsgründe wegen sechs Fällen des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, - II. 17. bis 25. der Urteilsgründe wegen neun Fällen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, - II. 26. der Urteilsgründe wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, - II. 30. der Urteilsgründe wegen Erwerbs einer Schusswaffe zum Zwecke der Überlassung an einen Nichtberechtigten in Tateinheit mit Erwerb und Besitz von halbautomatischen Kurzwaffen,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen - bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen (Fälle II. 2. bis 7. der Urteilsgründe), - bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 26. der Urteilsgründe), - Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln , jeweils in nicht geringer Menge, in zwölf Fällen (Fälle II. 14. bis 25. der Urteilsgründe), - Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, in drei Fällen (Fälle II. 8. bis 10. der Urteilsgründe), - zweier Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln oder Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln , jeweils in nicht geringer Menge (Fälle II. 11. und 12. der Urteilsgründe), - Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, in drei Fällen (Fälle II. 27. bis 29. der Urteilsgründe), - zweier Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle II. 1. und 13. der Urteilsgründe) sowie - Erwerbs einer Schusswaffe zum Zwecke der Überlassung an einen Nichtberechtigen in Tateinheit mit "Erwerb und Besitz von halbautomatischen Kurzwaffen" (Fall II. 30. der Urteilsgründe) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Ferner hat es zu seinen Lasten 10.000 € für verfallen erklärt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.

I.


2
1. Der Schuldspruch wegen sechs Fällen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG) in den Fällen II. 2. bis 7. der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

3
a) Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte ab September 2008 zusammen mit seiner Ehefrau, seinem Sohn und zwei weiteren Personen insgesamt drei Indoor-Plantagen zur Erzeugung von Marihuana für den gewinnbringenden Verkauf. In der von Ende September 2008 bis Ende März 2009 bestehenden Plantage in H. fanden insgesamt drei Ernten statt, und zwar im Dezember 2008 sowie im Februar und im März 2009; der Gesamtertrag belief sich auf 5,1 kg. Die Pflanzen in der ab Dezember 2008 unterhaltenen Plantage in N. waren zum Zeitpunkt der Festnahme des Angeklagten am 28. April 2009 noch nicht erntereif. In der ab Januar 2009 betriebenen Plantage in Ha. fand bis 28. April 2009 eine Ernte statt, die 4,5 kg erbrachte; weitere 3 kg abgeerntete Pflanzenteile nebst einer Generation noch nicht abgeernteter Pflanzen wurden dort sichergestellt. Wie das Landgericht weiter feststellt, hat der Angeklagte aus dem Gesamtertrag - ca. 13 kg - 6 kg am 13. April 2009 an den Zeugen W. verkauft (vgl. Fall II. 30. der Urteilsgründe ); 7 kg hat er in mehreren Einzelmengen an den Zeugen We. veräußert.
4
b) Ungeachtet dessen, dass ein Verkauf der insgesamt geernteten ca. 13 kg Marihuana nicht mit einer Sicherstellung von 3 kg hiervon in Einklang gebracht werden kann, erschließt sich aus dem Gesamtzusammenhang, dass die dem Zeugen W. am 13. April 2009 verkaufte Menge aus mehreren Ernten herrührte.
5
Zwar geht das Landgericht im Ansatz zutreffend davon aus, dass gesonderte Anbauvorgänge, die auf gewinnbringende Veräußerung der dadurch erzeugten Betäubungsmittel abzielen, grundsätzlich als für sich selbständige, zueinander in Tatmehrheit stehende Taten des Handeltreibens zu bewerten sind (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2005 - 3 StR 106/05, NStZ 2005, 650; Weber , BtMG, 3. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 516; § 29 Rn. 109). Anderes gilt indes, soweit der Täter - wie hier hinsichtlich des Verkaufs an den Zeugen W. festgestellt - mehrere der durch die einzelnen Anbauvorgänge erzielten Erträge in einem einheitlichen Umsatzgeschäft veräußert. Dies führt jedenfalls zu einer Teilidentität der jeweiligen tatbestandlichen Ausführungshandlungen und verknüpft so die einzelnen Fälle des Handeltreibens zur Tateinheit (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 2003 - 4 StR 130/03; Weber aaO vor §§ 29 ff. Rn. 521, 563). Sammelt der Täter darüber hinaus mehrere Ernten zu einem Gesamtvorrat an, bevor er mit dem Verkauf beginnt, so verbindet dies alle hierauf bezogenen Einzelakte des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit mit der Folge einer materiellrechtlich einheitlichen, auch die zu Grunde liegenden Anbauvorgänge umfassenden Tat (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2002 - 4 StR 233/02, NJW 2003, 300; Beschluss vom 25. Juni 1998 - 1 StR 68/98, NStZ-RR 1999, 250; Weber aaO vor §§ 29 ff. Rn. 514 f.).
6
c) Eine Berichtigung des Schuldspruchs ist dem Senat schon wegen der aufgezeigten Widersprüche nicht möglich. Der neue Tatrichter wird deshalb insgesamt neue Feststellungen zu den jeweiligen Erntemengen und ihrer Verwendung zu treffen haben.
7
2. Auch der Schuldspruch wegen neun Fällen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG), in den Fällen II. 17. bis 25. der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
a) Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte zwischen Ende Oktober 2008 und Ende April 2009 insgesamt 18 kg Marihuana an den Zeugen We. . Es stammte "aus Einfuhren", die der Angeklagte entweder selbst tätigte oder durch den Zeugen R. tätigen ließ. Die Veräußerung geschah "in Portionen" von 1 bis 2 kg, also in mindestens neun Fällen.
9
b) Die Zahl der Einfuhren lässt das Landgericht offen. Hierzu nähere Feststellungen zu treffen wäre es indes gehalten gewesen, denn allein der Umstand , dass der Angeklagte das eingeführte Marihuana in neun Einzelakten verkauft hat, trägt noch nicht die Annahme des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in neun Fällen. Beschafft sich der Täter eine einheitliche Rauschgiftmenge zur gewinnbringenden Weiterveräußerung, so verwirklicht er den Tatbestand des Handeltreibens vielmehr auch dann nur einmal, wenn er sie in mehreren Teilmengen absetzt, denn Akte des Handeltreibens, die sich auf dieselbe Rauschgiftmenge beziehen, bilden eine Bewertungseinheit (BGH, Beschluss vom 4. April 2006 - 3 StR 91/06, NStZ 2007, 102; Weber aaO vor §§ 29 ff. Rn. 487, 489, 492). Dass der Angeklagte die verkauften "Portionen" jeweils gesondert eingeführt hätte, legen die Feststellungen nicht nahe.
10
3. Im Fall II. 26. der Urteilsgründe tragen die Feststellungen nicht die Annahme der Qualifikation des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG).
11
a) Danach führte der Angeklagte am 3. November 2008 in seinem Pkw 995 g Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf und 336 Cannabispflanzen für seine Plantage in H. aus den Niederlanden nach Deutschland ein. Dabei führte er im leeren Airbag-Fach des Pkw einen ohne weiteres erreichbaren Schlagring mit.
12
b) Bewaffnetes Handeltreiben nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus , dass der Täter die Schusswaffe oder den Gegenstand bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich ihrer jederzeit bedienen kann (BGH, Urteil vom 15. November 2007 - 4 StR 435/07, BGHSt 52, 89; Urteil vom 28. Februar 1997 - 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8). Ausreichend, aber auch erforderlich ist das aktuelle Bewusstsein des Bewaffnetseins (BGH, Urteil vom 21. März 2000 - 1 StR 441/99, NStZ 2000, 433; Weber aaO § 30a Rn. 128). Zu dieser subjektiven Tatseite ist indes nichts festgestellt. Vielmehr lassen die weiteren Darlegungen darauf schließen, dass sich das Landgericht außerstande gesehen hat, die Einlassung des Angeklagten zu widerlegen, er habe den Schlagring als Geschenk für den Lieferanten in die Niederlande mitgenommen , ihn dann aber vergessen und auf der Rückfahrt nicht mehr an ihn gedacht.
13
c) Nicht tragfähig ist die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte sei sich jedenfalls bei seiner Anfahrt aus Deutschland zum Zwecke des Erwerbs der Betäubungsmittel der Zugriffsmöglichkeit auf den Schlagring bewusst gewesen. Handelt der Täter in mehreren Einzelakten, so reicht es zwar aus, wenn er die Tatbestandsmerkmale der Qualifikation nur bei einem Einzelakt verwirklicht (BGH, Urteil vom 21. März 2000 - 1 StR 441/99, NStZ 2000, 433; Urteil vom 28. Februar 1997 - 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8). Ein dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz vorgelagertes Handeln des Täters ist Teilakt des Handeltreibens jedoch erst dann, wenn die Tat damit wenigstens in das Versuchsstadium eingetreten ist; die Bewaffnung nur während einer Vorbereitungshandlung genügt für § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht (Weber aaO § 30a Rn. 152). Allein mit dem Antritt einer Fahrt in der Absicht, am Zielort Betäubungsmittel zu erwerben , setzt der Täter aber grundsätzlich noch nicht zu einem konkretisierbaren Umsatzgeschäft an. Etwas anderes kann etwa dann gelten, wenn dem Täter dort ein zuverlässiger Händler bekannt ist (Weber aaO § 29 Rn. 351, 541; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Mai 1996 - 1 StR 245/96, NStZ 1996, 507). Solche besonderen Umstände des Einzelfalles hat das Landgericht indes nicht festgestellt.
14
4. Auch der Schuldspruch wegen Erwerbs einer Schusswaffe zwecks Überlassung an einen Nichtberechtigen (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG) in Tateinheit mit "Erwerb und Besitz von halbautomatischen Kurzwaffen" (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG) im Fall II. 30. der Urteilsgründe wird von den Feststellungen nicht getragen.
15
a) Danach bat der Angeklagte Anfang April 2009 den Zeugen We. , ihm eine Schusswaffe zu besorgen. We. erwarb hierauf eine Pistole Walther P1, einen Revolver HS Kal. 22 Single Action und einen Revolver ME 33 Magnum und veräußerte diese Waffen an den Angeklagten. Die Pistole verkaufte der Angeklagte an den Zeugen W. weiter, als dieser am 13. April 2009 die erworbenen 6 kg Marihuana (Fälle II. 2. bis 7. der Urteilsgründe) mit der Bahn nach Hause bringen wollte. Die beiden Revolver verwahrte er in einem Hohlraum in der Decke seiner Wohnung.
16
b) Der Tatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG setzt voraus, dass der Täter bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs der Waffe die Absicht hat, sie an einen Nichtberechtigten weiterzugeben (MünchKommStGB/Heinrich, § 52 WaffG Rn. 15). Dies ist hinsichtlich der Pistole Walther P1 nicht festgestellt und kann nach dem dargelegten Geschehensablauf auch nicht dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnommen werden. Danach käme insoweit - tateinheitlich zu Erwerb und Besitz gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG - lediglich Überlassen einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe nach § 52 Abs. 3 Nr. 7 WaffG in Betracht (MünchKommStGB/Heinrich aaO Rn. 83 f.,

145).


17
Desweiteren handelt es sich bei den Revolvern nicht um halbautomatische Kurzwaffen im Sinne von § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG, denn diese werden nach Abgabe eines Schusses nicht selbsttätig, sondern nur durch Einsatz körperlicher Kraft erneut schussbereit. Anlage 1 zum WaffG Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 2.2 stellt dies auch für den Typ Double Action wie den Revolver ME 33 Magnum klar. In Betracht kommt damit insoweit nur Erwerb einer Schusswaffe tateinheitlich in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit deren Besitz (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG; vgl. MünchKommStGB/Heinrich aaO Rn. 147, 159 mwN).
18
c) In Anbetracht der ausgesprochenen - im Verhältnis zum Strafrahmen des § 52 Abs. 1 WaffG erheblichen - Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten kann das Urteil auf den Rechtsfehlern beruhen. Es ist nicht auszuschließen , dass das Landgericht zu einer milderen Strafe gelangt wäre, hätte es hinsichtlich der Pistole nur § 52 Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 3 Nr. 7 WaffG und hinsichtlich der Revolver tateinheitlich hierzu nur § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG angewandt.

II.


19
Im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Näherer Erörterung bedarf lediglich die Rüge des Beschwerdeführers, ihm sei entgegen § 258 Abs. 2 und 3 StPO weder das letzte Wort gewährt worden noch sei er befragt worden, ob er selbst noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe.
20
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
21
a) In der Hauptverhandlung am 8. Juli 2010 wurde die Beweisaufnahme zunächst im allseitigen Einverständnis geschlossen. Nach den Schlussanträgen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigerin hatte der Angeklagte das letzte Wort. Der Angeklagte wurde befragt, ob er selbst noch etwas zur Verteidigung anzuführen habe; "er erklärte sich". Nach Unterbrechung trat die Strafkammer nochmals in die Beweisaufnahme ein. Sie beschloss eine Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO und gab einen rechtlichen Hinweis zu zwei der später abgeurteilten Taten. Im Anschluss daran wurde die Beweisaufnahme erneut geschlossen. Zum weiteren Verfahrensgang ist in dem am 24. August 2010 fertiggestellten - vom Beschwerdeführer zur Grundlage seiner Rüge genommenen - Hauptverhandlungsprotokoll vermerkt: "Die Staatsanwältin, die Verteidigerin und der Angeklagte wiederholten ihre Anträge." Nach Beratung verkündete die Strafkammer sodann das Urteil.
22
b) Nach Eingang der Revisionsbegründung gaben der Vorsitzende und die Urkundsbeamtin am 5. November 2010 zu der Rüge dienstliche Äußerungen dahingehend ab, der Angeklagte sei nach der erneuten Schließung der Beweisaufnahme ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er nochmals das letzte Wort habe. Er habe jedoch ebenso wie die Staatsanwältin und die Verteidigerin keine weiteren Ausführungen gemacht, weshalb im Protokoll missverständlich festgehalten worden sei, dass alle Genannten ihre Anträge wiederholt hätten. Mit Beschluss vom gleichen Tag berichtigten der Vorsitzende und die Urkundsbeamtin das Protokoll ohne Anhörung des Beschwerdeführers insoweit wie folgt:
23
"Die Beweisaufnahme wurde wieder geschlossen. Die Staatsanwältin und die Verteidigerin wiederholten ihre Anträge. Der Angeklagte hatte erneut das letzte Wort. Er machte keine weiteren Ausführungen."
24
2. Die Rüge bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
25
a) Allerdings sieht sich der Senat anders als der Generalbundesanwalt nicht in der Lage, den Wortlaut des Protokolls in der am 24. August 2010 fertig gestellten Fassung dahin auszulegen, der Angeklagte habe nach der erneuten Schließung der Beweisaufnahme nochmals das letzte Wort gehabt. Zwar sind auch diesbezügliche Protokollvermerke auslegungsfähig, weshalb es nicht entscheidend darauf ankommt, ob der Verfasser dem Gesetzeswortlaut entsprechend den Begriff "letztes Wort" verwendet hat (BGH, Urteil vom 20. März 1959 - 4 StR 416/58, BGHSt 13, 53, 59 f.). Stets muss der Vermerk jedoch hinreichend deutlich machen, dass das Gericht den Angeklagten befragt und ihm Gelegenheit gegeben hat, sich als letzter der Beteiligten zu äußern. Aus der vom Landgericht hier gewählten Formulierung kann der Senat dies nicht ableiten.
26
b) Der Senat folgt auch nicht der Auffassung des Generalbundesanwalts , das Verfahrensgeschehen könne jedenfalls im Freibeweis anhand der dienstlichen Äußerungen ermittelt werden, weil das (unberichtigte) Protokoll insoweit widersprüchlich sei, als es einerseits festhalte, der Angeklagte habe "sich erklärt", andererseits bekunde, er habe seinen "Antrag" wiederholt. Dabei kann offen bleiben, ob hierin überhaupt eine die Frage der Erteilung des letzten Wortes berührende Widersprüchlichkeit des Protokolls zu sehen ist. Denn nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 StR 158/10, StV 2010, 675; Beschluss vom 28. Januar 2010 - 5 StR 169/09, NJW 2010, 2068), der sich der Senat anschließt, ist es dem Revisionsgericht grundsätzlich verwehrt, den tatgerichtlichen Verfahrensablauf anhand dienstlicher Erklärungen im Wege des Freibeweises darauf zu überprüfen, ob die für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen wesentlichen Förmlichkeiten beobachtet worden sind. Diese können nach § 274 Satz 1 StPO allein durch das Protokoll bewiesen werden; als Gegenbeweis lässt § 274 Satz 2 StPO nur den Nachweis der Fälschung zu. Insbesondere angesichts der nunmehr durch die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (Beschluss vom 23. April 2007 - GSSt 1/06, BGHSt 51, 298) bestätigten Möglichkeit, auch noch nach Erhebung einer ordnungsgemäßen Verfahrensrüge das Protokoll zu berichtigen , selbst wenn dieser dadurch die Tatsachengrundlage entzogen wird, besteht grundsätzlich kein Raum mehr dafür, zum Nachteil des Angeklagten freibeweislich über die Beobachtung der wesentlichen Förmlichkeiten zu befinden. Denn gegenüber einem den Maßstäben des Großen Senats (aaO Rn. 61 ff.) genügenden förmlichen Berichtigungsverfahren bietet das Freibeweisverfahren nur geringere verfahrensrechtliche Sicherungen für die Ermittlung des wahren Sachverhalts (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 StR 158/10, StV 2010,

675).


27
c) Indes ergibt sich aus dem nunmehr berichtigten Protokoll, dass der vom Beschwerdeführer behauptete Verfahrensverstoß nicht vorgelegen hat.
28
Unbeachtlich ist allerdings der Berichtigungsbeschluss des Landgerichts vom 5. November 2010, denn mangels Anhörung des Beschwerdeführers ist er nicht in einem Verfahren ergangen, das den im Beschluss des Großen Senats (aaO) niedergelegten Grundsätzen genügt. Dasselbe gilt für die vom Landgericht am 21. März 2011 - nach Rückgabe der Sache durch den Senat - beschlossene gleichlautende Protokollberichtigung, die unberücksichtigt ließ, dass der Beschwerdeführer der Maßnahme am 15. März 2011 widersprochen hatte. Indes hat das Landgericht schließlich am 17. Mai 2011, wiederum mit demselben Wortlaut, einen weiteren Berichtigungsbeschluss gefasst, der nach Überprüfung durch den Senat auf einem den genannten Vorgaben entsprechenden Verfahren beruht.
29
Angesichts der sich aus den dienstlichen Äußerungen vom 5. November 2010 ergebenden sicheren Erinnerung der Urkundspersonen bedurfte es der vom Beschwerdeführer vermissten Erklärungen des beisitzenden Richters und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft nicht mehr. Insbesondere hat der Beschwerdeführer auch in seinem erneuten Widerspruch vom 11. Mai 2011 nicht substantiiert dargelegt, aus welchen Gründen er sich im Gegensatz zu den Urkundspersonen der Richtigkeit des zunächst gefertigten Protokolls sicher ist (vgl. BGH - GSSt - aaO Rn. 63). Hierzu hätte er den ihm erinnerlichen Verfahrensablauf näher schildern und sich auch dazu erklären müssen, auf welchen tatsächlichen Vorgängen der von ihm für richtig gehaltene Vermerk, er sei bei seinem Antrag geblieben, beruht.
30
d) Die Bedenken des Beschwerdeführers gegen die Zulässigkeit der Wiederholung eines zunächst wegen eines Verfahrensfehlers ohne Wirkung gebliebenen Berichtigungsverfahrens teilt der Senat nicht. Der von der Rechtsprechung und der Literatur vereinzelt vertretenen, aber nicht näher begründeten Auffassung, eine solche Vorgehensweise verstoße gegen das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren (OLG Hamm, Beschluss vom 10. März 2009 - 5 Ss 506/08, StV 2009, 349; Beschluss vom 12. Oktober 2010 - 3 RVs 49/10, StV 2011, 272; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 271 Rn. 26a), kann sich der Senat jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht anschließen. Rechtsfehlerhaft und damit nach den Maßstäben der genannten Entscheidung des Großen Senats unbeachtlich waren die Berichtigungsbeschlüsse des Landgerichts vom 5. November 2010 und vom 21. März 2011 wegen eines Verstoßes gegen das Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers auf Gewährung des rechtlichen Gehörs. Die ordnungsgemäße Neuvornahme einer an einem solchen Mangel leidenden, aber im Übrigen statthaften strafprozessualen Maßnahme führt für sich allein weder zu einer unangemessenen Benachteiligung des Beschuldigten noch zu einer unzumutbaren Erschwerung seiner Möglichkeiten , zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Strafverfahrens Einfluss zu nehmen. Die allgemeine Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise ergibt sich nicht zuletzt aus der gesetzlichen Regelung der Anhörungsrüge. Dafür, dass das Tatgericht bei einer Protokollberichtigung, die einer Verfahrensrüge nachträglich die tatsächliche Grundlage entzieht, abweichend auf insgesamt nur einen "Versuch" beschränkt bleiben sollte, findet sich keine überzeugende Begründung. Die Schranken für eine erfolgreiche revisionsrechtliche Verfahrensrüge erhöhen sich nicht dadurch, dass nicht schon das erste, sondern erst ein weiteres Protokollberichtigungsverfahren zur Rügeverkümmerung führt.
31
Zwar hat auch der Bundesgerichtshof in einem Einzelfall von der Rücksendung der Akten an das Tatgericht zum Zwecke der Einleitung eines Protokollberichtigungsverfahrens mit der Begründung abgesehen, dies käme einer Verletzung des Rechts des Angeklagten auf ein faires Verfahren gleich (Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 StR 158/10, StV 2010, 675). Dies betraf jedoch nicht wie hier die Wiederholung eines wegen Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs wirkungslosen Berichtigungsverfahrens, sondern die abweichende Fallgestaltung , dass das Tatgericht bereits von der Staatsanwaltschaft die Gelegenheit zur Protokollberichtigung erhalten, hiervon aber abgesehen hatte. In einer solchen Situation liegt es nahe, dass der Angeklagte die nochmalige Rückgabe der Sache als unzulässigen Druck auf die allein verantwortlichen Urkundspersonen missverstehen könnte, das Protokoll doch noch zu seinem Nachteil zu ändern.

III.


32
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
33
Bei der Bemessung der Einzelstrafen hat das Landgericht die festgestellte Aufklärungshilfe des Angeklagten in der Weise strafmildernd berücksichtigt, dass es die Untergrenze des Strafrahmens nach § 31 Nr. 1 BtMG aF, § 49 Abs. 2 StGB und dessen Obergrenze nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG in der ab 1. September 2009 geltenden Fassung in Verbindung mit § 49 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 StGB bestimmt hat. Damit hat es gegen § 2 Abs. 3 StGB verstoßen, denn diese Vorschrift gestattet es nicht, dem Täter günstige Elemente aus Gesetzen verschiedener Gültigkeit zu kombinieren, sondern verlangt einen Gesamtvergleich der jeweiligen Fassungen anhand des konkreten Falles (Fischer, StGB, 58. Aufl., § 2 Rn. 9). Das Landgericht hätte deshalb im Einzelfall entscheiden müssen, ob die neue oder die alte Regelung der Rechtsfolgen einer Aufklärungs- bzw. Präventionshilfe in ihrer Gesamtheit die für den Angeklagten günstigere Gesetzeslage darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 2010 - 3 StR 65/10, NStZ 2010, 523).
34
Soweit die Einzelstrafen nicht ohnehin in Wegfall kommen, schließt der Senat allerdings aus, dass das angefochtene Urteil zum Nachteil des Angeklagten auf diesem Rechtsfehler beruht.
Becker Pfister Schäfer
Mayer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 212/18
vom
22. Januar 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen gemeinschaftlichen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
ECLI:DE:BGH:2019:220119B2STR212.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 22. Januar 2019 gemäß § 349 Abs. 4, § 357 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten S. , B. , H. und Bö. wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 20. Dezember 2017 – auch soweit es die Mitangeklagten P. , He. , A. und T. betrifft – mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen „gemeinschaftli- chen“ bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bewaffnetem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubtem Besitz zweier halbautomatischer Kurzwaffen zum Verschießen von Patronenmunition und unerlaubten Besitzes von Munition zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Den Angeklagten H. hat es wegen „gemeinschaftlichen“ bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Entziehung elektrischer Energie zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Angeklagten B. und Bö.
hat es wegen „gemeinschaftlichen“ unerlaubten Handeltreibens mit Betäu- bungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, davon in fünf Fällen bandenmäßig begangen, jeweils in Tateinheit mit Entziehung elektrischer Energie verurteilt, den Angeklagten B. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten, den Angeklagten Bö. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren. Hinsichtlich aller Angeklagten hat das Landgericht jeweils eine Einziehungsentscheidung getroffen.
2
Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben Erfolg (§ 349 Abs. 4, §§ 353, 354 Abs. 2 StPO) und führen zu einer Erstreckung der Aufhebung auf die nicht revidierenden Mitangeklagten (§ 357 Satz 1 StPO).

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten und die nichtrevidierenden Mitangeklagten schlossen sich mit weiteren Personen zwischen 2011 und Januar 2017 sukzessive zusammen , um gemeinsam Indoorplantagen aufzubauen, einzurichten und zu betreiben, die der Aufzucht von Marihuana dienten, welches fortlaufend abgeerntet , in 250g-Packungen verpackt und gewinnbringend weiterverkauft wurde. Die Plantagen wurden teils in Wohngebäuden der Angeklagten, teils in eigens dafür erworbenen Gebäuden errichtet und betrieben, wobei in den insgesamt sieben Objekten jeweils elektrische Anlagen mittels Leitern gelegt wurden, die den verbrauchten Strom an den jeweiligen Stromzählern der Energieversorger vorbeiführten, so dass der in den Plantagen durch Lampen, Lüfter und andere Elektrogeräte verbrauchte Strom nicht erfasst und damit auch nicht abgerech- net werden konnte. Es wurden unterschiedlich viele Lampen verwendet, stets aber zwölf Pflanzen pro Lampe angebaut und in Zyklen von acht oder zwölf Wochen abgeerntet, wobei es vereinzelt zu Ernteausfällen kam.
5
a) Der Mitangeklagte P. war Kopf der Gruppierung, organisierte und plante teilweise die Plantagen, teilweise finanzierte er sie und war beratend tätig. In seinem Wohnhaus in Hü. (Fall II.1. der Urteilsgründe) baute er ab dem Jahr 2011 eine Plantage auf und betrieb diese mit einer wechselnden Anzahl von Lampen bis Mitte des Jahres 2015. Der Angeklagte B. übernahm dort ab Februar 2014 die Pflege und Ernte (mit Ausnahme der drei letzten Ernten ) für ein monatliches Entgelt und war in der Folgezeit im Auftrag von P. für verschiedene Plantagen „in unterschiedlicher Intensität“ tätig, überwiegend mit „gärtnerischen“ Arbeiten. Auf einem Grundstück in H. -N. (Fall II.3. der Urteilsgründe), welches der Angeklagte B. mit ihm von P. überlassenem Geld im Oktober 2013 erwarb, baute P. im Jahr 2014zusammen mit B. und dem gesondert Verfolgten Sz. eine weitere Plantage auf, welche ihren Betrieb im Jahr 2015 aufnahm. In einem Achtwochenzyklus wurde dort bis August 2015 unter Berücksichtigung eines Ernteausfalls zweimal geerntet und das Marihuana über den Angeklagten B. verkauft, der sich auch regelmäßig auf der Plantage aufhielt, Pflanzen goss, Stecklinge aufzog, Wasserstände kontrollierte und Insektizide versprühte. Nicht festgestellt werden konnte, dass der Angeklagte B. hier Partner des Mitangeklagten P. war. Der Angeklagte Bö. brachte Erde und Dünger zur Plantage, transportierte Pflanzenreste ab und übernahm zeitweise Tätigkeiten des Angeklagten B. , wofür er eine Vergütung von 20 € pro Stunde erhielt.
6
b) Der Angeklagte Bö. baute ab Anfang des Jahres 2012 bis zur Aufdeckung der Plantage Ende Januar 2017 in insgesamt vier zeitlich aufeinanderfolgenden Ausbaustufen auf einem ererbten Grundstück in R. -H.
(Fall II.2. der Urteilsgründe) – beraten durch P. , der auch die Errichtung vorfinanzierte und organisatorische Hilfe leistete – in einem Zwölfwochenzyklus Marihuana an, welches zunächst über P. , sodann von Bö. selbst gewinnbringend verkauft wurde.
7
c) Der Mitangeklagte P. und der anderweitig Verfolgte Sz. erwarben „im Jahr 2013/2014“ eine Immobilie in N. (Fall II.4. der Urteilsgründe) und errichteten dort zusammen mit dem Angeklagten Bö. eine Indoorplantage. Der Angeklagte B. mietete, als Sz. nach Beendigung des Aufbaus „aus dieser Plantage“ ausgestiegen war, von diesem die Immobilie und nahm dort im September 2015 seine Tätigkeit (Kontrolle, Pflege und Gießen der Pflanzen) gegen eine monatliche Vergütung von 7.000 € auf. Spätestens zu diesem Zeitpunkt nahm die Plantage ihren Betrieb auf und wurde in der Folge mehrfach erweitert. Der Angeklagte P. war für die Organisation der Anlage und den Vertrieb verantwortlich; der Erlös kam ihm zugute. Aufgabe des Angeklagten Bö. war der Materialtransport und einmal auch die Pflege der Pflanzen. Die Mitangeklagten A. und T. übernahmen teilweise die Ern- te und wurden hierfür mit 73 € pro Lampe vergütet. Der Angeklagte S. , der ohne gesonderte Vergütung fünf- bis sechsmal die Pflanzen pflegte, übernahm ab September 2015 in Höhe von jedenfalls zwei bis drei kg pro Monat den Verkauf, wobei er das Marihuana, das ihm der AngeklagteB. übergab, auf Kommission für 4.000 €/kg kaufte und an gesondert verfolgte Abnehmer für 4.400 €/kg verkaufte, und das erwirtschaftete Geld unter Abzug seines Gewinn- anteils an B. gab, der es an P. weiterleitete. Insgesamt fünf- oder sechsmal verkaufte B. Marihuana, das er ohne Wissen des Mitangeklagten P. „abgezweigt hatte“, an den Angeklagten S. zum Preis von 2.000 €/kg. Als der Angeklagte S. am 18. Januar 2017 festgenommen wurde, konnte in seiner Wohnung verkaufsfertig verpacktes Marihuana aufgefunden werden, in unmittelbarer Nähe dazu in einem nicht verschlossenen Koffer „zwei scharfe nicht geladene“, „funktionsfähige“ Pistolen sowie dazugehörige Patronen.
8
d) In M. -D. (Fall II.5. der Urteilsgründe) erwarb der Angeklagte B. im Dezember 2014 – wiederum mit ihm von P. überlassenem Geld – ein weiteres Grundstück, das gegen eine stundenweise Entlohnung vom Angeklagten Bö. und dem gesondert Verfolgten Sz. für den Betrieb einer Plantage umgebaut wurde, die im Herbst 2016 ihren Betrieb aufnahm. Über wen der Verkauf erfolgte, konnte nicht festgestellt werden. Der Angeklagte B. war auch hier für die Aufzucht und Pflege der Pflanzen sowie die Ernte zuständig, dem Angeklagten Bö. oblag neben dem Umbau der Transport von Erde und Dünger zur und von Pflanzenresten von der Plantage.
9
e) In einem vom Angeklagten H. im Jahr 2000 erworbenen Haus in L. (Fall I.6. der Urteilsgründe) betrieben der Angeklagte P. und der Angeklagte H. „in einer Partnerschaft zu 50%“ seit Anfang des Jahres 2015 eine ebenfalls fortlaufend erweiterte Plantage. Der Mitangeklagte P. war auch hier Ideengeber und Mitorganisator. Der Angeklagte H. führte die Pflanzenpflege durch und übernahm den Verkauf des geernteten Marihuanas. Die Mitangeklagte A. , die hierfür pauschal entlohnt wurde, und weitere Personen nahmen die Ernte vor. Der Angeklagte B. holte auf dieser Plantage Stecklinge für die Plantage in N. ab, der Angeklagte Bö. belie- ferte die Plantage „ca. zweimal“ mit Dünger, fuhr Erde hin und transportierte Müll ab, wobei er pro Transportfahrt 200 € erhielt.
10
f) Anfang des Jahres 2016 begann der Mitangeklagte He. , der vom Mitangeklagten P. hierzu Informationen und Stecklinge erhalten hatte, in W. -E. (Fall II.7. der Urteilsgründe) den Betrieb einer Plantage, versorgte die Pflanzen, erntete, verpackte das Marihuana und entsorgte Erde und Pflanzenreste. Der Verkauf des dort gewonnenen Marihuanas erfolgte über den Angeklagten B. , der es selbst veräußerte oder – in einem Fall – an den Angeklagten S. zum Weiterverkauf gab, und der vom erzielten Verkaufs- erlös 200 €/kg einbehielt und 4.200 € an den Mitangeklagten P. gab,der es in voller Höhe He. gab. Der Angeklagte Bö. lieferte einmal Dünger und hatte außerdem einen Schlüssel zum Anwesen,um den Mitangeklagten He. in dessen Urlaub zu vertreten.
11
2. Die Strafkammer hat zu jeder Plantage Feststellungen zum Gesamtertrag (Gewicht und THC-Anteil) und – soweit von Relevanz – zu sichergestelltem Marihuana und sichergestellten Pflanzen getroffen. In den Fällen II.4. bis II.7. der Urteilsgründe hat die Strafkammer eine bandenmäßige Begehung ange- nommen. „Pro Plantagenbetrieb“ sei zugunsten der Angeklagten „von jeweils einer Tat auszugehen“. Insoweit sei „zugunsten der Angeklagten von einem diesbezüglichen allumfassenden Gesamtvorsatz und einer Bewertungseinheit aufgrund der vorliegenden Struktur der Tätergruppierung“ auszugehen.

II.

12
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben Erfolg. Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Strafkammer hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand (1.). Dies beschwert in vorliegendem Fall die Angeklagten. Es ist zu besorgen, dass die rechtlich unzutreffende Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses die rechtliche Bewertung der jeweiligen Tatbeiträge der einzelnen Angeklagten zu deren Nachteil beeinflusst hat (2.). Dies führt hier zur Aufhebung des Urteils insgesamt.
13
1. Die Annahme jeweils einer alle Verkäufe aus einer Plantage umfassenden einheitlichen Tat (pro Plantage) in Bezug auf jeden Angeklagten ist durchgreifend rechtsfehlerhaft.
14
a) Erfolgt die Aufzucht von Marihuanapflanzen zum Zwecke des späteren gewinnbringenden Absatzes der geernteten Pflanzen, geht der Anbau als unselbständiger Teilakt in der Bewertungseinheit des Handeltreibens auf (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 3. August 2011 – 2 StR 228/11, NStZ 2012, 43; BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2018 − 4 StR 318/18, NStZ 2019, 82 jeweils mwN). Gesonderte Anbauvorgänge sind dann grundsätzlich als für sich selbständige, zueinander in Tatmehrheit stehende Taten des Handeltreibens zu bewerten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12, juris Rn. 14 [in BGHSt 58, 99 insoweit nicht abgedruckt]). Es kommt nicht darauf an, ob die Pflanzen sukzessive oder gleichzeitig in einer oder mehreren Plantagen angebaut werden. Maßgeblich ist allein der jeweilige Verkaufsvorgang. Dieser stellt die Zäsur des Anbaus dar. Mit ihm konkretisiert sich die Tat des Handeltreibens und trennt die zur Erzeugung des verkauften Betäubungsmittels notwendigen Anbauvorgänge von denen ab, die der Herstellung der nächsten Lieferung und damit der nächsten Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dienen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2015 − 3 StR 546/14, juris Rn. 10). Nichts anderes gilt, wenn Betäubungsmittel aus einer Plantage mit Pflanzen unterschiedlicher Reifungsgrade, die sukzessiv nach ihrer Reife geerntet werden, verkauft werden oder die Aufzucht der Pflanzen aus dem nachfolgenden Anbauvorgang noch vor der Ernte der zuvor gezüchteten Pflanzen begonnen wurde. Denn daraus folgt nur eine Gleichzeitigkeit der Anbauvorgänge im Sinne einer zeitlichen Überschneidung, die für eine tateinheitliche Verbindung als solche nicht ausreicht (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 28. März 2018 − 2 StR 176/17 mwN). Der bloße gleichzeitige Besitz der bereits abgeern- teten, zum Verkauf bei Erreichen einer entsprechenden Menge bereitliegenden Blüten einerseits und der noch auf dem Halm befindlichen Blüten hat nicht die Kraft, die getrennten Handelstätigkeiten zur Tateinheit zu verbinden (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1994 – 3 StR 261/94, juris Rn. 6).
15
b) Gemessen daran sind nach den Feststellungen der Strafkammer bei jeder Plantage jeweils mehrere selbständige Taten des Handeltreibens gegeben. Der Anbau diente bei allen Plantagen allein dem späteren Verkauf des gewonnenen Marihuanas, welches in Anbauzyklen von acht oder zwölf Wochen abgeerntet und sodann in 250g-Packungen verpackt und gewinnbringend veräußert wurde. Weder ist ein einheitliches Umsatzgeschäft bzgl. der aus einzelnen Anbauvorgängen erzielten Erträge festgestellt, welches zu einer Teilidentität der jeweiligen tatbestandlichen Ausführungshandlungen führen und diese verknüpfen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 – 3 StR 485/10, juris Rn. 5), noch ein gleichzeitiger Besitz mehrerer für den Verkauf bestimmter Vorräte in einer Art und Weise, die über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht und die Wertung rechtfertigt, dass – etwa wegen eines räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs – die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die tatsächliche Verfügungsgewalt über die andere darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2018 − 3 StR 95/18, juris Rn. 6). Der Umstand , dass der Anbau mit zuvor aus Mutterpflanzen gezogenen Setzlingen erfolgte , die nach und nach gezogen wurden, führt nicht dazu, dass die an sich getrennten Anbau- und Verkaufsvorgänge im Wege der Bewertungseinheit miteinander verknüpft werden können (Patzak/Goldhausen, NStZ 2014, 384, 387). Eine Bewertungseinheit, bei der eine Mehrzahl auf den Vertrieb von Betäubungsmitteln gerichteter Tätigkeiten tatbestandlich zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden, liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn die verschiedenen Betätigungen, die jeweils von dem pauschalierenden, verschiedene Tätigkeiten umfassenden Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln umfasst werden, sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 − 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712 mwN). Da das bei jedem Erntevorgang gewonnene Marihuana jeweils eine eigene Handelsmenge darstellt , scheidet eine Bewertungseinheit schon deshalb aus, weil die den Vertrieb fördernden Tätigkeiten hinsichtlich der Einzelmengen jeweils nicht denselben Güterumsatz betreffen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2018 − 3 StR 95/18, juris Rn. 5). Auf einen „Gesamtvorsatz“, der hier zudem nicht festgestellt sondern lediglich unterstellt ist, kommt es nicht an. Auch der Zweifelssatz gebietet nicht die Annahme einer Bewertungseinheit (vgl. Senat, Urteil vom 16. November 2005 – 2 StR 296/05, NStZ-RR 2006, 55; BGH, Urteil vom 26. Februar 1997 – 3 StR 586/96, juris Rn. 11, jeweils mwN).
16
c) Eine andere Beurteilung ist auch nicht durch die in jeder Plantage vorgenommene Manipulation bei der Stromzufuhr gerechtfertigt. Zwar belegen die Feststellungen eine Verurteilung der Angeklagten wegen Entziehung elektrischer Energie (§ 248c StGB), denn Täter kann nicht nur derjenige sein, der – zu eigenen Gunsten oder zugunsten Dritter – den Leiter, mittels dessen Strom entzogen wird, selbst angebracht hat, sondern auch derjenige, der in Kenntnis des Leiters einer elektrischen Anlage oder Einrichtung Strom entnimmt. Der Tatbestand des § 248c StGB vermag aber nicht die tatmehrheitlich begangenen Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge) zur Tateinheit im Sinne des § 52 StGB zu verklammern, denn zwischen dem Handeltreiben und der Entziehung elektrischer Energie besteht weder annähernde Wertegleichheit noch stellte das verbindende Delikt die schwerste Straftat dar.
17
2. Die rechtsfehlerhafte konkurrenzrechtliche Bewertung muss hier zur Aufhebung des Urteils führen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich der Rechtsfehler – zumindest teilweise – zu Lasten der Angeklagten ausgewirkt hat. Die Urteilsgründe lassen besorgen, dass sich die Strafkammer durch ihre auch den Gesamtertrag der Plantage in den Vordergrund stellende „Gesamtbetrachtung“ den Blick auf die jeweiligenTatbeiträge der einzelnen Angeklagten verstellt, dadurch zuungunsten einzelner Angeklagter von deren Täterschaft und folglich auch von einem unzutreffenden Schuldumfang ausgegangen ist.
18
Nach den bislang getroffenen Feststellungen waren einzelne Angeklagte teilweise nur mit unterstützenden Tatbeiträgen und zum Teil nur zeitabschnittsweise tätig, ohne dass ihr Tatbeitrag alle Einzeltaten der Tatgenossen gleichzeitig hätte fördern können. Dies lässt es möglich erscheinen, dass einzelne Angeklagte bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung der Taten lediglich als Gehilfe hinsichtlich einzelner Anbau- und Verkaufsvorgänge und nicht – wie geschehen – als Mittäter aller auf eine Plantage bezogenen Handelstätigkeiten anzusehen sein könnten, sich mithin die von der Strafkammer „für alle Ange- klagten“ angenommene Bewertungseinheit tatsächlich nicht „zu deren jeweiligen Gunsten“ ausgewirkt haben könnte. Die Mitgliedschaft in einer Bande be- deutet nicht automatisch ein täterschaftliches bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln; die Frage nach einer Bandenmitgliedschaft ist streng von der Frage nach der Beteiligungsform zu trennen (Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 30 Rn. 55). Die Feststellung der Bandenmitgliedschaft vermag daher konkrete Feststellungen, welche die Annahme mittäterschaftlicher Mitwirkung an der einzelnen Bandentat tragen, nicht zu ersetzen (Senat, Urteil vom 10. August 2016 – 2 StR 22/16, NStZ-RR 2016, 375, 376). Zu den wesentlichen Anhaltspunkten für die Beurteilung, ob ein Tatbeteiligter beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln Mittäter oder nur Gehilfe ist, zählt auch der Umfang der Tatbeteiligung (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 − 5 StR 445/11, NStZ-RR 2012, 121, 122), wobei vor allem darauf abzustellen ist, welche Bedeutung dem konkreten Tatbeitrag für das Umsatzgeschäft insgesamt zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2019 – 1 StR 640/18, juris Rn. 5, mwN). Es ist nicht erkennbar, dass die Strafkammer dies ausreichend in den Blick genommen hat.
19
3. Der Senat hebt das Urteil insgesamt (auch hinsichtlich der für sich genommen rechtsfehlerfrei festgestellten Waffendelikte) auf, um dem neuen Tatrichter umfassende eigene, widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen. Die Aufhebung ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die nichtrevidierenden Angeklagten zu erstrecken, weil der dargelegte Rechtsfehler sie gleichermaßen betrifft.
20
4. Das angefochtene Urteil gibt zu folgenden ergänzenden Hinweisen Anlass:
21
a) Die bandenmäßige Begehung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 30 Abs. 1 Nr. 1, § 30a Abs. 1 BtMG, die – wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat – bislang nicht für alle ausgeurteilten Taten hinreichend festgestellt ist, setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse der im Gesetz genannten Betäubungsmitteldelikte zu begehen. Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich allein nach der deliktischen Vereinbarung, der so genannten Bandenabrede. Die Begründung der Mitgliedschaft folgt nicht aus der Bandentat, sondern geht dieser regelmäßig voraus. Mitglied einer Bande kann auch derjenige Tatbeteiligte sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2002 – 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 216). Dass sämtliche Angeklagten sich untereinander kennen und gemeinsam an der Abrede beteiligt waren, ist dafür ebenso wenig erforderlich wie ein bestimmender Einfluss eines jeden auf die Aufzucht der Pflanzen sowie den An- und Verkauf (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 − 3 StR 407/12, NStZ 2013, 546, 547 mwN). Auch bei untergeordneten Hilfstätigkeiten kann das wiederholte deliktische Zusammenwirken – wenn auch nicht ohne Weiteres – für eine zumindest stillschweigende Bandenabrede sprechen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2002 – 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 220; vom 10. November 2011 – 3 StR 355/11, NStZ 2012, 518). Kauft allerdings ein am Betäubungsmittelhandel Beteiligter das von anderen geerntete und verkaufsfer- tig verpackte Marihuana „auf Kommission“ (wie es hier für den Angeklagten S. festgestellt ist), bedarf die Annahme einer mit diesem getroffenen Bandenabrede regelmäßig näherer Feststellungen. Gleiches gilt für die Mitgliedschaft eines Beteiligten in einer Bande, von der er (wie es für den Angeklagten B. bei Fall II.6. der Urteilsgründe festgestellt ist) lediglich Setzlinge für die Aufzucht in einer anderen Plantage abholt.
22
b) Der Verbrechenstatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass es vereinzelt zu Ernteausfällen kam. Der Tatbestand ist verwirklicht, wenn mit der Aufzucht der Pflanzen eine nicht geringe Menge des Betäubungsmittels erzielt werden soll (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 − 3 StR 407/12, BGHSt 58, 99, 100 f.). Leistet allerdings ein Mittäter oder Gehilfe bei einer Deliktsserie, an der mehrere Personen beteiligt sind, einen nur bestimmte Einzeltaten fördernden Tatbeitrag, so sind ihm nur diese Taten – tateinheitlich oder tatmehrheitlich – zuzurechnen (vgl. Senat, Urteil vom 28. März 2018 – 2 StR 176/17, juris Rn. 11; BGH, Beschluss vom 21. Juni 2018 – 4 StR 599/17, juris Rn. 4).
23
c) Die Einziehung des zur Tatbegehung genutzten Grundstücks eines Angeklagten kann rechtlich zutreffend auf § 74 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I, 872) gestützt werden (vgl.BGH, Beschluss vom 3. Mai 2018 – 3 StR 8/18, NStZ 2018, 526). Bei der Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c StGB) wird aber in den Blick zu nehmen sein, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, dass zwar die Erlöse aus Betäubungsmittelgeschäften einzuziehen sind, soweit der Täter selbst wenigstens faktische Mitverfügungsgewalt erlangt hat, dass aber nur ein durch die Straftat tatsächlich erlangter, nicht indes ein aus sichergestellten Ernten lediglich erzielbarer Vermögenszuwachs der Einziehung unterliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2008 − 4 StR 437/08, NStZ 2010, 85).
Franke Eschelbach Meyberg Grube Schmidt

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 461/16
vom
8. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:081216B5STR461.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Dezember 2016 beschlossen :
Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. März 2016 in dem ihn betreffenden Schuldspruch dahin geändert (§ 349 Abs. 4 StPO), dass der Angeklagte im Fall I.5 der Urteilsgründe wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bandenmäßigem Anbau und Herstellen von Betäubungsmitteln und mit Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist. Hinsichtlich des Nichtrevidenten Ba. wird der ihn betreffende Schuldspruch dahin geändert, dass er im Fall I.5 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bandenmäßigem Anbau und Herstellen von Betäubungsmitteln und mit Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist. Die weitergehende Revision des Angeklagten B. gegen das vorgenannte Urteil wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit bandenmäßigem unerlaubten Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall I.5) und in einem Fall in Tateinheit mit bandenmäßigem unerlaubten Anbau von Betäubungsmitteln (Fall I.6), wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen (Fälle I.1 bis 4) sowie wegen Besitzes einer verbotenen Waffe (Fall II.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Den Nichtrevidenten Ba. hat es wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall I.5) und in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Anbau von Betäubungsmitteln (Fall I.6) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Teilweise dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend führt die Revision des Angeklagten – gemäß § 357 StPO auch betreffend den Nichtrevidenten Ba. – zu einer Berichtigung des Schuldspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte ab 2014 zunächst nur in der Wohnung des Nichtrevidenten N. in der B. straße (Berlin- ) eine Cannabisplantage, die bis Mai 2015 vier Ernten erbrachte (Fälle I.1 bis 4). Der überwiegende Teil des geernteten Marihuanas war zum Weiterverkauf bestimmt; jeweils etwa 200 bis 300 Gramm Marihuana dien- ten dem Eigenverbrauch des Angeklagten. Sodann kam der Angeklagte mit den Nichtrevidenten L. , Ba. und Bo. überein, in der Wohnung des Bo. in der K. straße (Berlin- ) eine weitere Cannabisplantage zu errichten. Im Mai 2015 beschaffte er 160 bis 170 Cannabisstecklinge, von denen die Hälfte in der auch weiterhingemeinsam mit dem Nichtrevidenten N. betriebenen Plantage in der B. straße, die andere Hälfte in der neuen Plantage in der K. straße eingepflanzt wurde (Fall I.5). Beide Plantagen wurden etwa um dieselbe Zeit im August/September 2015 abgeerntet. Von der überwiegend zum gewinnbringenden Verkauf bestimmten Ernte der Plantage in der B. straße behielt der Angeklagte wiederum 200 bis 300 Gramm (Mindestwirkstoffgehalt 10 % THC) für sich. Von der Ernte in der K. straße erhielten Ba. einige Gramm und Lo. 50 Gramm zum Eigenkonsum. Im September 2015 beschaffte der Angeklagte 239 Cannabisstecklinge, die jeweils am 5. Oktober 2015 in den Plantagen B. straße und K. straße eingepflanzt wurden (Fall I.6). Am Tag darauf wurden sie bei einer Durchsuchung der Wohnungen sichergestellt.
3
2. In den Fällen I.5 und I.6 hat die Strafkammer ein bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angenommen, da der Angeklagte sich zur Begehung dieser Taten hinsichtlich der Plantage K. straße mit den Nichtrevidenten Lo. , Bo. und Ba. fest zusammengetan hatte. Soweit die Taten darauf gerichtet waren, Betäubungsmittel nicht nur zum gewinnbringenden Verkauf sondern auch zum eigenen Konsum anzubauen , hat das Landgericht Tateinheit mit bandenmäßigem Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall I.5) bzw. bandenmäßigem Anbau von Betäubungsmitteln (Fall I.6) angenommen.
4
3. Die Schuldsprüche des angefochtenen Urteils betreffend den Angeklagten Bo. und den Nichtrevidenten Ba. sind teilweise rechtsfehlerhaft.
5
a) Angesichts der einheitlichen Beschaffung von Stecklingen und der im engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführten bzw. geplanten Ernten hat die Strafkammer hinsichtlich der zeitgleichen Bewirtschaftung von zwei Plantagen ohne Rechtsfehler jeweils eine Tat angenommen. Gleichermaßen rechtsfehlerfrei ist sie davon ausgegangen, dass neben der Verurteilung wegen Handeltreibens – nur – in Bezug auf die für den Eigenkonsum dienenden Mengen eine Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Anbaus von Betäubungsmitteln zu erfolgen hatte (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29 BtMG Teil 2 Rn. 92).
6
b) Insoweit lag allerdings im Fall I.5 kein tateinheitlicher bandenmäßiger Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor, da der bandenmäßig begangene Anbau von Betäubungsmitteln in der Wohnung K. straße (Fall 5b) sich – soweit dem Eigenkonsum dienend – nicht auf eine nicht geringe Menge bezog. In Tateinheit zu dem insoweit verwirklichten bandenmäßigen Anbau von Betäubungsmitteln stand, da eine Ernte erfolgte, auch ein bandenmäßiges Herstellen von Betäubungsmitteln. Im Hinblick auf die Cannabisernte in der Wohnung B. straße (Fall 5a) war ein, jedoch nicht bandenmäßig begangenes , Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gegeben. Der Senat ändert die Schuldsprüche betreffend den Angeklagten und den Nichtrevidenten entsprechend ab.
7
4. Soweit der Generalbundesanwalt weitere Ergänzungen des Schuldspruchs beantragt hat, folgt der Senat diesem Antrag nicht. Das im Fall 5a und 6a (B. straße) verwirklichte – jeweils nicht bandenmäßig begangene – Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist nicht gesondert zu tenorieren; dasselbe gilt für den im Fall 6a verwirklichten unerlaubten Anbau. Hinsichtlich der in den Fällen 5 und 6 in beiden Plantagen angebauten Pflanzen liegt nur eine Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor, die bereits mit der einheitlichen Beschaffung der Pflanzen vollendet wurde. Da diese hinsichtlich der in der Plantage K. straße eingepflanzten Stecklinge innerhalb einer Bandenabrede erfolgte, ist die Tat jeweils nach § 30a Abs. 1 BtMG qualifiziert. Für eine gesonderte Ausurteilung des sich auf die in der B. straße – außerhalb der Bandenstruktur – angebauten Pflanzen beziehenden Teils des Handeltreibens ist daneben kein Raum. Dasselbe gilt im Fall I.6 auch im Verhältnis des teilweise bandenmäßig und teilweise nicht bandenmäßig begangenen Anbaus von Betäubungsmitteln.
8
5. An einer hinter dem Antrag des Generalbundesanwalts zurückbleibenden Entscheidung war der Senat schon deshalb nicht gehindert, weil der Antrag auf die Aufnahme weiterer Deliktstatbestände in den Schuldspruch gerichtet war und ungeachtet der Bezugnahme auf § 349 Abs. 4 StPO mithin insoweit nicht auf eine Abänderung des angefochtenen Urteils zugunsten des Angeklagten zielte (vgl. Senge in FS für Rieß, 2002, S. 547, 550 f.).
Mutzbauer Sander Schneider
Dölp Feilcke

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 301/18
vom
7. August 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
hier: Revision des Angeklagten S.
ECLI:DE:BGH:2018:070818B3STR301.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 7. August 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog, § 357 Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Kleve in Moers vom 4. April 2018
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass - der Angeklagte S. des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, - der Angeklagte N. der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen schuldig sind,
b) im Strafausspruch dahin geändert, dass - bei dem Angeklagten S. die Einzelstrafaussprüche zu den sieben Fällen, in denen das Landgericht jeweils eine Einzelfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verhängt hat, und zur Tat vom 17. Oktober 2017 (Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren ), - bei dem Angeklagten N. die Einzelstrafaussprüche zu den sieben Fällen, in denen das Landgericht jeweils eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt hat, und zur Tat vom 17. Oktober 2017 (Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten

)

aufgehoben werden. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen und wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten unter Teilfreispruch im Übrigen verurteilt. Gegen den nicht revidierenden Mitange- klagten N. hat es wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen und wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten unter Teilfreispruch im Übrigen verhängt. Ferner hat das Landgericht Einziehungsentscheidungen getroffen. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge und die nicht näher ausgeführte Rüge der Verletzung formellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten S. hat - auch zugunsten des Mitangeklagten N. - den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat, soweit es die neun Fälle des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge betrifft, Folgendes festgestellt:
3
Der gesondert Verfolgte Ni. finanzierte im Zeitraum vom 17. August 2017 bis zum 17. Oktober 2017 für den Angeklagten S. den Erwerb der Drogen vom Verkäufer T. in den Niederlanden vor; zudem holte Ni. die Betäubungsmittel, jeweils mindestens ein Kilogramm Marihuana, im letzten Fall 991,3 Gramm, bzw. zusätzlich in einem Fall ein Kilogramm Amphetamine und im letzten Fall 982,8 Gramm Amphetamine, bei T. ab. In zwei nicht näher bestimmten Fällen verbrachte Ni. die Drogen unmittelbar in die Wohnung des Mitangeklagten N. ; in den übrigen Fällen übergab er dem Angeklagten S. die Betäubungsmittel. In allen Fällen portionierte und packte der Angeklagte S. die Drogen in N. s Wohnung ab und veräußerte sie von dort aus. Der Mitangeklagte N. gewährte gemäß der getroffenen Abrede dem Angeklagten S. bzw. Ni. jeweils den Zugang zu seiner Wohnung.
4
2. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung insoweit hinsichtlich der Konkurrenzverhältnisse nicht stand. Die Urteilsgründe belegen nicht, dass die neun Fälle des Bandenhandels (§ 30a Abs. 1 BtMG) in Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB) zueinander stehen.
5
a) Den Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, ob der Angeklagte S. erst dann bei T. neue Betäubungsmittel erwarb, nachdem er die vorangegangene Lieferung vollständig abverkauft hatte. Dies liegt indes nicht nahe, da der Tatzeitraum für diesen Tatkomplex nur zwei Monate beträgt, das Landgericht die genauen Tatzeiten für die neun Fälle nicht näher bestimmt und der Mitangeklagte N. bekundet hat, es habe "nie Leerzeiten" gegeben, der Angeklagte S. habe regelmäßig eine neue Lieferung angekündigt, wenn noch ca. 100 bis 200 Gramm vorhanden gewesen seien (UA S. 19). Damit ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte S. die neuen Einkaufsmengen zu einem Zeitpunkt in N. s Wohnung verbrachte oder verbringen ließ,als sich dort noch Restmengen aus vorangegangenen Lieferungen befanden. Dann überschneiden sich indes die Bewertungseinheiten der neun Lieferungen je in einem Teil der Ausführungshandlungen, nämlich in der Lagerung in N. s Wohnung zum Zwecke der Portionierung und gegebenenfalls gar bei einem gemeinsamen anschließenden Abverkauf. Die neun Lieferungen treffen damit zumindest hinsichtlich des Besitzes in einer teilidentischen Ausführungshandlung zusammen, sodass zwischen diesen neun Bewertungseinheiten Tateinheit (§ 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB) anzunehmen ist (vgl. dazu nur BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2018 - 3 StR 453/17, NStZ-RR 2018, 184, 185; vom 24. Januar 2017 - 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712; vom 22. Februar 2018 - 5 StR 622/17, juris Rn. 7).
6
b) Dass die Betäubungsmittel zuvor aus den Niederlanden eingeführt wurden (vgl. § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG), ändert daran bei dem Delikt des Bandenhandels (§ 30a Abs. 1 BtMG) nichts.
7
aa) Insoweit liegt die Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse anders als in den vorangegangenen acht Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG); der Verbrechenstatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG vermag insoweit wegen seiner gegenüber § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG geringeren Strafandrohung nicht die Einfuhrdelikte zu Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) zusammenzufassen (dazu nur BGH, Beschlüsse vom 15. Februar 2011 - 3 StR 3/11, juris; vom 6. Februar 2014 - 3 ARs 7/13, NStZ-RR 2014, 146; vgl. auch BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2017 - 4 StR 395/17, juris Rn. 3 mit weiteren umfangreichen Nachweisen). Hieran hält der Senat fest.
8
bb) Anderes gilt für die Fälle des Bandenhandels (§ 30a Abs. 1 BtMG). Dieser verbindet die im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinanderfolgenden Teilakte, insbesondere den Teilakt der unerlaubten Einfuhr, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit. Insoweit kommt der Einfuhr neben dem Bandenhandel keine selbständige rechtliche Bedeutung zu (siehe nur BGH, Beschlüsse vom 29. September 2009 - 3 StR 322/09, NStZ 2010, 223 f.; vom 14. April 2015 - 3 StR 267/14, NStZ 2015, 589, 590). Dies bedeutet für die hier vorliegende Fallkonstellation, dass die Einfuhrvorgänge - anders als beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - die neun Bewertungseinheiten des Bandenhandels nicht voneinander trennen können; im Gegenteil haben sie gegenüber dem bandenmäßigen Handeltreiben keine selbständige Bedeutung und werden daher nicht (als je tateinheitlich begangen) ausgeurteilt (BGH aaO).
9
c) Die Zusammenfassung der mehrfach durchgeführten Einkaufshandlungen zu neun tateinheitlichen Taten steht der Annahme bandenmäßigen Handelns nicht entgegen (BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 181 ff.; Beschluss vom 25. November 2013 - 5 StR 531/13, juris).
10
d) Da keine weitergehenden Feststellungen zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch insoweit auf Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun tateinheitlich begangenen Fällen (§ 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB) ab. Er schließt aus, dass sich die Angeklagten bei einem entsprechenden Hinweis (§ 265 Abs. 1 StPO) wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.
11
3. Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der Einzelfreiheitsstrafen in acht Fällen. Die höchste in diesem Tatkomplex verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten bleibt hingegen bestehen.
12
Die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe kann dennoch bestehen bleiben (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Der Senat schließt im Hinblick auf den straffen Zusammenzug der Strafen durch das Landgericht aus, dass dieses aus den verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen von einmal sechs Jahren und sechs Monaten , einmal drei Jahren sowie siebenmal zwei Jahren und sechs Monaten auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe als eine solche von sieben Jahren und sechs Monaten erkannt hätte, zumal der Gesamtumfang des Bandenhandels bei der Bewertung der Schuld des Angeklagten unabhängig von der konkurrenzrechtlichen Einordnung der Einzeltaten sein Gewicht behält.
13
4. Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Teilaufhebung auf den Mitangeklagten N. zu erstrecken, auch wenn sich dies im Ergebnis nicht auf die Gesamtstrafe auswirkt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. März 2005 - 2 StR 544/04, NStZ-RR 2005, 199, 200; vom 2. August 2000 - 3 StR 218/00, juris Rn. 3, 7; vom 14. Mai 1996 - 1 StR 245/96, NStZ 1996, 507, 508; vom 31. Juli 1996 - 3 StR 269/96 bei Kusch NStZ 1997, 379; vom 19. April 2011 - 3 StR 230/10, juris Rn. 27). Da die neun Lieferungen beim Haupttäter S. zu einer Tat (§ 52 Abs. 1 StGB) zusammenzufassen sind, kann der Gehilfe N. auch nur in diesem rechtlichen Umfang Hilfe geleistet haben (§ 27 StGB). Damit entfallen auch beim Angeklagten N. acht Einzelstrafen aus dem zweiten Tatkomplex. Indes ist wiederum bei einer Einsatzfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten sowie verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen von einmal neun Monaten und siebenmal sechs Monaten sowie gleichbleibendem Schuldumfang auszuschließen, dass sich dieser Wegfall auf die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe auswirkt.
14
5. Zu der Einziehung des beim Angeklagten S. sichergestellten Bargelds in Höhe von 1.100 € merkt der Senat an: Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht diesen Teil der Einziehungsentscheidung mit § 74 StGB begründet und nicht - wie es zutreffend gewesen wäre - auf § 73 Abs. 1 StGB nF gestützt hat.
15
6. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gebietet es nicht, den Angeklagten S. aus Billigkeitsgründen auch nur teilweise von der Belastung mit Kosten und notwendigen Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Becker Gericke Tiemann
Berg Leplow

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 94/08
vom
29. Mai 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. Mai 2008,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
von Lienen,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 19. Dezember 2007 dahin abgeändert, dass der Verfall von Wertersatz in Höhe von 87.500 € angeordnet wird.
2. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen schuldig gesprochen und unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Kleve vom 2. Mai 2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Weiterhin hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 27.500 € aus den abgeurteilten elf Taten angeordnet. Bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung hat es den im Urteil vom 2. Mai 2006 angeordneten Wertersatzverfall in Höhe von 60.000 € unberücksichtigt gelassen, die der Angeklagte aus 16 weiteren Fällen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erlangt hatte. Mit ihrer auf die Entscheidung über den Verfall beschränkten , auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft die Anordnung von Wertersatzverfall in Höhe von 87.500 € (27.500 € und 60.000 €). Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Liegen die Voraussetzungen für die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe vor, so ist gemäß § 55 Abs. 2 StGB - wie bei der gleichzeitigen Aburteilung aller Taten - der Verfall durch das spätere Urteil einheitlich anzuordnen. Das Gericht, das die Gesamtstrafe zu bilden hat, muss daher grundsätzlich auch über den in dem einzubeziehenden Urteil angeordneten Verfall neu entscheiden. Dabei hat es sich auf den Standpunkt des früheren Tatgerichts zu stellen, weil der Angeklagte durch die Entscheidung nach § 55 StGB so gestellt werden soll, als wenn über alle einzubeziehenden Straftaten gleichzeitig befunden worden wäre; er soll durch die Aburteilung in getrennten Verfahren weder benachteiligt noch bevorzugt werden. Dies wird regelmäßig dazu führen, dass der aufgrund einheitlicher Anordnung im neuen Urteil festzusetzende Verfallsbetrag nicht niedriger ausfallen wird als in der früheren Entscheidung (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 2 Aufrechterhalten 7 m. w. N.).
3
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 354 Abs. 1 StPO entsprechend ) und auf einen einheitlichen Wertersatzverfall in Höhe der Summe aus dem Verfallsbetrag des früheren Urteils (60.000 €) und des angefochtenen Urteils (27.500 €) erkennen. Denn das angefochtene Urteil weist aus, dass das Landgericht, hätte es die Vorschrift des § 52 Abs. 2 StGB zutreffend angewendet , keinen niedrigeren Verfallsbetrag festgesetzt hätte. Mit dieser neuen Entscheidung ist die Verfallsanordnung im früheren Urteil gegenstandslos, weil sie von der neuen Entscheidung in ihrer Wirkung mit umfasst ist.
Becker Miebach von Lienen Sost-Scheible Schäfer

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 212/18
vom
22. Januar 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen gemeinschaftlichen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
ECLI:DE:BGH:2019:220119B2STR212.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 22. Januar 2019 gemäß § 349 Abs. 4, § 357 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten S. , B. , H. und Bö. wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 20. Dezember 2017 – auch soweit es die Mitangeklagten P. , He. , A. und T. betrifft – mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen „gemeinschaftli- chen“ bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bewaffnetem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubtem Besitz zweier halbautomatischer Kurzwaffen zum Verschießen von Patronenmunition und unerlaubten Besitzes von Munition zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Den Angeklagten H. hat es wegen „gemeinschaftlichen“ bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Entziehung elektrischer Energie zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Angeklagten B. und Bö.
hat es wegen „gemeinschaftlichen“ unerlaubten Handeltreibens mit Betäu- bungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, davon in fünf Fällen bandenmäßig begangen, jeweils in Tateinheit mit Entziehung elektrischer Energie verurteilt, den Angeklagten B. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten, den Angeklagten Bö. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren. Hinsichtlich aller Angeklagten hat das Landgericht jeweils eine Einziehungsentscheidung getroffen.
2
Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben Erfolg (§ 349 Abs. 4, §§ 353, 354 Abs. 2 StPO) und führen zu einer Erstreckung der Aufhebung auf die nicht revidierenden Mitangeklagten (§ 357 Satz 1 StPO).

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten und die nichtrevidierenden Mitangeklagten schlossen sich mit weiteren Personen zwischen 2011 und Januar 2017 sukzessive zusammen , um gemeinsam Indoorplantagen aufzubauen, einzurichten und zu betreiben, die der Aufzucht von Marihuana dienten, welches fortlaufend abgeerntet , in 250g-Packungen verpackt und gewinnbringend weiterverkauft wurde. Die Plantagen wurden teils in Wohngebäuden der Angeklagten, teils in eigens dafür erworbenen Gebäuden errichtet und betrieben, wobei in den insgesamt sieben Objekten jeweils elektrische Anlagen mittels Leitern gelegt wurden, die den verbrauchten Strom an den jeweiligen Stromzählern der Energieversorger vorbeiführten, so dass der in den Plantagen durch Lampen, Lüfter und andere Elektrogeräte verbrauchte Strom nicht erfasst und damit auch nicht abgerech- net werden konnte. Es wurden unterschiedlich viele Lampen verwendet, stets aber zwölf Pflanzen pro Lampe angebaut und in Zyklen von acht oder zwölf Wochen abgeerntet, wobei es vereinzelt zu Ernteausfällen kam.
5
a) Der Mitangeklagte P. war Kopf der Gruppierung, organisierte und plante teilweise die Plantagen, teilweise finanzierte er sie und war beratend tätig. In seinem Wohnhaus in Hü. (Fall II.1. der Urteilsgründe) baute er ab dem Jahr 2011 eine Plantage auf und betrieb diese mit einer wechselnden Anzahl von Lampen bis Mitte des Jahres 2015. Der Angeklagte B. übernahm dort ab Februar 2014 die Pflege und Ernte (mit Ausnahme der drei letzten Ernten ) für ein monatliches Entgelt und war in der Folgezeit im Auftrag von P. für verschiedene Plantagen „in unterschiedlicher Intensität“ tätig, überwiegend mit „gärtnerischen“ Arbeiten. Auf einem Grundstück in H. -N. (Fall II.3. der Urteilsgründe), welches der Angeklagte B. mit ihm von P. überlassenem Geld im Oktober 2013 erwarb, baute P. im Jahr 2014zusammen mit B. und dem gesondert Verfolgten Sz. eine weitere Plantage auf, welche ihren Betrieb im Jahr 2015 aufnahm. In einem Achtwochenzyklus wurde dort bis August 2015 unter Berücksichtigung eines Ernteausfalls zweimal geerntet und das Marihuana über den Angeklagten B. verkauft, der sich auch regelmäßig auf der Plantage aufhielt, Pflanzen goss, Stecklinge aufzog, Wasserstände kontrollierte und Insektizide versprühte. Nicht festgestellt werden konnte, dass der Angeklagte B. hier Partner des Mitangeklagten P. war. Der Angeklagte Bö. brachte Erde und Dünger zur Plantage, transportierte Pflanzenreste ab und übernahm zeitweise Tätigkeiten des Angeklagten B. , wofür er eine Vergütung von 20 € pro Stunde erhielt.
6
b) Der Angeklagte Bö. baute ab Anfang des Jahres 2012 bis zur Aufdeckung der Plantage Ende Januar 2017 in insgesamt vier zeitlich aufeinanderfolgenden Ausbaustufen auf einem ererbten Grundstück in R. -H.
(Fall II.2. der Urteilsgründe) – beraten durch P. , der auch die Errichtung vorfinanzierte und organisatorische Hilfe leistete – in einem Zwölfwochenzyklus Marihuana an, welches zunächst über P. , sodann von Bö. selbst gewinnbringend verkauft wurde.
7
c) Der Mitangeklagte P. und der anderweitig Verfolgte Sz. erwarben „im Jahr 2013/2014“ eine Immobilie in N. (Fall II.4. der Urteilsgründe) und errichteten dort zusammen mit dem Angeklagten Bö. eine Indoorplantage. Der Angeklagte B. mietete, als Sz. nach Beendigung des Aufbaus „aus dieser Plantage“ ausgestiegen war, von diesem die Immobilie und nahm dort im September 2015 seine Tätigkeit (Kontrolle, Pflege und Gießen der Pflanzen) gegen eine monatliche Vergütung von 7.000 € auf. Spätestens zu diesem Zeitpunkt nahm die Plantage ihren Betrieb auf und wurde in der Folge mehrfach erweitert. Der Angeklagte P. war für die Organisation der Anlage und den Vertrieb verantwortlich; der Erlös kam ihm zugute. Aufgabe des Angeklagten Bö. war der Materialtransport und einmal auch die Pflege der Pflanzen. Die Mitangeklagten A. und T. übernahmen teilweise die Ern- te und wurden hierfür mit 73 € pro Lampe vergütet. Der Angeklagte S. , der ohne gesonderte Vergütung fünf- bis sechsmal die Pflanzen pflegte, übernahm ab September 2015 in Höhe von jedenfalls zwei bis drei kg pro Monat den Verkauf, wobei er das Marihuana, das ihm der AngeklagteB. übergab, auf Kommission für 4.000 €/kg kaufte und an gesondert verfolgte Abnehmer für 4.400 €/kg verkaufte, und das erwirtschaftete Geld unter Abzug seines Gewinn- anteils an B. gab, der es an P. weiterleitete. Insgesamt fünf- oder sechsmal verkaufte B. Marihuana, das er ohne Wissen des Mitangeklagten P. „abgezweigt hatte“, an den Angeklagten S. zum Preis von 2.000 €/kg. Als der Angeklagte S. am 18. Januar 2017 festgenommen wurde, konnte in seiner Wohnung verkaufsfertig verpacktes Marihuana aufgefunden werden, in unmittelbarer Nähe dazu in einem nicht verschlossenen Koffer „zwei scharfe nicht geladene“, „funktionsfähige“ Pistolen sowie dazugehörige Patronen.
8
d) In M. -D. (Fall II.5. der Urteilsgründe) erwarb der Angeklagte B. im Dezember 2014 – wiederum mit ihm von P. überlassenem Geld – ein weiteres Grundstück, das gegen eine stundenweise Entlohnung vom Angeklagten Bö. und dem gesondert Verfolgten Sz. für den Betrieb einer Plantage umgebaut wurde, die im Herbst 2016 ihren Betrieb aufnahm. Über wen der Verkauf erfolgte, konnte nicht festgestellt werden. Der Angeklagte B. war auch hier für die Aufzucht und Pflege der Pflanzen sowie die Ernte zuständig, dem Angeklagten Bö. oblag neben dem Umbau der Transport von Erde und Dünger zur und von Pflanzenresten von der Plantage.
9
e) In einem vom Angeklagten H. im Jahr 2000 erworbenen Haus in L. (Fall I.6. der Urteilsgründe) betrieben der Angeklagte P. und der Angeklagte H. „in einer Partnerschaft zu 50%“ seit Anfang des Jahres 2015 eine ebenfalls fortlaufend erweiterte Plantage. Der Mitangeklagte P. war auch hier Ideengeber und Mitorganisator. Der Angeklagte H. führte die Pflanzenpflege durch und übernahm den Verkauf des geernteten Marihuanas. Die Mitangeklagte A. , die hierfür pauschal entlohnt wurde, und weitere Personen nahmen die Ernte vor. Der Angeklagte B. holte auf dieser Plantage Stecklinge für die Plantage in N. ab, der Angeklagte Bö. belie- ferte die Plantage „ca. zweimal“ mit Dünger, fuhr Erde hin und transportierte Müll ab, wobei er pro Transportfahrt 200 € erhielt.
10
f) Anfang des Jahres 2016 begann der Mitangeklagte He. , der vom Mitangeklagten P. hierzu Informationen und Stecklinge erhalten hatte, in W. -E. (Fall II.7. der Urteilsgründe) den Betrieb einer Plantage, versorgte die Pflanzen, erntete, verpackte das Marihuana und entsorgte Erde und Pflanzenreste. Der Verkauf des dort gewonnenen Marihuanas erfolgte über den Angeklagten B. , der es selbst veräußerte oder – in einem Fall – an den Angeklagten S. zum Weiterverkauf gab, und der vom erzielten Verkaufs- erlös 200 €/kg einbehielt und 4.200 € an den Mitangeklagten P. gab,der es in voller Höhe He. gab. Der Angeklagte Bö. lieferte einmal Dünger und hatte außerdem einen Schlüssel zum Anwesen,um den Mitangeklagten He. in dessen Urlaub zu vertreten.
11
2. Die Strafkammer hat zu jeder Plantage Feststellungen zum Gesamtertrag (Gewicht und THC-Anteil) und – soweit von Relevanz – zu sichergestelltem Marihuana und sichergestellten Pflanzen getroffen. In den Fällen II.4. bis II.7. der Urteilsgründe hat die Strafkammer eine bandenmäßige Begehung ange- nommen. „Pro Plantagenbetrieb“ sei zugunsten der Angeklagten „von jeweils einer Tat auszugehen“. Insoweit sei „zugunsten der Angeklagten von einem diesbezüglichen allumfassenden Gesamtvorsatz und einer Bewertungseinheit aufgrund der vorliegenden Struktur der Tätergruppierung“ auszugehen.

II.

12
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben Erfolg. Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Strafkammer hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand (1.). Dies beschwert in vorliegendem Fall die Angeklagten. Es ist zu besorgen, dass die rechtlich unzutreffende Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses die rechtliche Bewertung der jeweiligen Tatbeiträge der einzelnen Angeklagten zu deren Nachteil beeinflusst hat (2.). Dies führt hier zur Aufhebung des Urteils insgesamt.
13
1. Die Annahme jeweils einer alle Verkäufe aus einer Plantage umfassenden einheitlichen Tat (pro Plantage) in Bezug auf jeden Angeklagten ist durchgreifend rechtsfehlerhaft.
14
a) Erfolgt die Aufzucht von Marihuanapflanzen zum Zwecke des späteren gewinnbringenden Absatzes der geernteten Pflanzen, geht der Anbau als unselbständiger Teilakt in der Bewertungseinheit des Handeltreibens auf (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 3. August 2011 – 2 StR 228/11, NStZ 2012, 43; BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2018 − 4 StR 318/18, NStZ 2019, 82 jeweils mwN). Gesonderte Anbauvorgänge sind dann grundsätzlich als für sich selbständige, zueinander in Tatmehrheit stehende Taten des Handeltreibens zu bewerten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12, juris Rn. 14 [in BGHSt 58, 99 insoweit nicht abgedruckt]). Es kommt nicht darauf an, ob die Pflanzen sukzessive oder gleichzeitig in einer oder mehreren Plantagen angebaut werden. Maßgeblich ist allein der jeweilige Verkaufsvorgang. Dieser stellt die Zäsur des Anbaus dar. Mit ihm konkretisiert sich die Tat des Handeltreibens und trennt die zur Erzeugung des verkauften Betäubungsmittels notwendigen Anbauvorgänge von denen ab, die der Herstellung der nächsten Lieferung und damit der nächsten Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dienen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2015 − 3 StR 546/14, juris Rn. 10). Nichts anderes gilt, wenn Betäubungsmittel aus einer Plantage mit Pflanzen unterschiedlicher Reifungsgrade, die sukzessiv nach ihrer Reife geerntet werden, verkauft werden oder die Aufzucht der Pflanzen aus dem nachfolgenden Anbauvorgang noch vor der Ernte der zuvor gezüchteten Pflanzen begonnen wurde. Denn daraus folgt nur eine Gleichzeitigkeit der Anbauvorgänge im Sinne einer zeitlichen Überschneidung, die für eine tateinheitliche Verbindung als solche nicht ausreicht (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 28. März 2018 − 2 StR 176/17 mwN). Der bloße gleichzeitige Besitz der bereits abgeern- teten, zum Verkauf bei Erreichen einer entsprechenden Menge bereitliegenden Blüten einerseits und der noch auf dem Halm befindlichen Blüten hat nicht die Kraft, die getrennten Handelstätigkeiten zur Tateinheit zu verbinden (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1994 – 3 StR 261/94, juris Rn. 6).
15
b) Gemessen daran sind nach den Feststellungen der Strafkammer bei jeder Plantage jeweils mehrere selbständige Taten des Handeltreibens gegeben. Der Anbau diente bei allen Plantagen allein dem späteren Verkauf des gewonnenen Marihuanas, welches in Anbauzyklen von acht oder zwölf Wochen abgeerntet und sodann in 250g-Packungen verpackt und gewinnbringend veräußert wurde. Weder ist ein einheitliches Umsatzgeschäft bzgl. der aus einzelnen Anbauvorgängen erzielten Erträge festgestellt, welches zu einer Teilidentität der jeweiligen tatbestandlichen Ausführungshandlungen führen und diese verknüpfen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 – 3 StR 485/10, juris Rn. 5), noch ein gleichzeitiger Besitz mehrerer für den Verkauf bestimmter Vorräte in einer Art und Weise, die über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht und die Wertung rechtfertigt, dass – etwa wegen eines räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs – die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die tatsächliche Verfügungsgewalt über die andere darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2018 − 3 StR 95/18, juris Rn. 6). Der Umstand , dass der Anbau mit zuvor aus Mutterpflanzen gezogenen Setzlingen erfolgte , die nach und nach gezogen wurden, führt nicht dazu, dass die an sich getrennten Anbau- und Verkaufsvorgänge im Wege der Bewertungseinheit miteinander verknüpft werden können (Patzak/Goldhausen, NStZ 2014, 384, 387). Eine Bewertungseinheit, bei der eine Mehrzahl auf den Vertrieb von Betäubungsmitteln gerichteter Tätigkeiten tatbestandlich zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden, liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn die verschiedenen Betätigungen, die jeweils von dem pauschalierenden, verschiedene Tätigkeiten umfassenden Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln umfasst werden, sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 − 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712 mwN). Da das bei jedem Erntevorgang gewonnene Marihuana jeweils eine eigene Handelsmenge darstellt , scheidet eine Bewertungseinheit schon deshalb aus, weil die den Vertrieb fördernden Tätigkeiten hinsichtlich der Einzelmengen jeweils nicht denselben Güterumsatz betreffen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2018 − 3 StR 95/18, juris Rn. 5). Auf einen „Gesamtvorsatz“, der hier zudem nicht festgestellt sondern lediglich unterstellt ist, kommt es nicht an. Auch der Zweifelssatz gebietet nicht die Annahme einer Bewertungseinheit (vgl. Senat, Urteil vom 16. November 2005 – 2 StR 296/05, NStZ-RR 2006, 55; BGH, Urteil vom 26. Februar 1997 – 3 StR 586/96, juris Rn. 11, jeweils mwN).
16
c) Eine andere Beurteilung ist auch nicht durch die in jeder Plantage vorgenommene Manipulation bei der Stromzufuhr gerechtfertigt. Zwar belegen die Feststellungen eine Verurteilung der Angeklagten wegen Entziehung elektrischer Energie (§ 248c StGB), denn Täter kann nicht nur derjenige sein, der – zu eigenen Gunsten oder zugunsten Dritter – den Leiter, mittels dessen Strom entzogen wird, selbst angebracht hat, sondern auch derjenige, der in Kenntnis des Leiters einer elektrischen Anlage oder Einrichtung Strom entnimmt. Der Tatbestand des § 248c StGB vermag aber nicht die tatmehrheitlich begangenen Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge) zur Tateinheit im Sinne des § 52 StGB zu verklammern, denn zwischen dem Handeltreiben und der Entziehung elektrischer Energie besteht weder annähernde Wertegleichheit noch stellte das verbindende Delikt die schwerste Straftat dar.
17
2. Die rechtsfehlerhafte konkurrenzrechtliche Bewertung muss hier zur Aufhebung des Urteils führen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich der Rechtsfehler – zumindest teilweise – zu Lasten der Angeklagten ausgewirkt hat. Die Urteilsgründe lassen besorgen, dass sich die Strafkammer durch ihre auch den Gesamtertrag der Plantage in den Vordergrund stellende „Gesamtbetrachtung“ den Blick auf die jeweiligenTatbeiträge der einzelnen Angeklagten verstellt, dadurch zuungunsten einzelner Angeklagter von deren Täterschaft und folglich auch von einem unzutreffenden Schuldumfang ausgegangen ist.
18
Nach den bislang getroffenen Feststellungen waren einzelne Angeklagte teilweise nur mit unterstützenden Tatbeiträgen und zum Teil nur zeitabschnittsweise tätig, ohne dass ihr Tatbeitrag alle Einzeltaten der Tatgenossen gleichzeitig hätte fördern können. Dies lässt es möglich erscheinen, dass einzelne Angeklagte bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung der Taten lediglich als Gehilfe hinsichtlich einzelner Anbau- und Verkaufsvorgänge und nicht – wie geschehen – als Mittäter aller auf eine Plantage bezogenen Handelstätigkeiten anzusehen sein könnten, sich mithin die von der Strafkammer „für alle Ange- klagten“ angenommene Bewertungseinheit tatsächlich nicht „zu deren jeweiligen Gunsten“ ausgewirkt haben könnte. Die Mitgliedschaft in einer Bande be- deutet nicht automatisch ein täterschaftliches bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln; die Frage nach einer Bandenmitgliedschaft ist streng von der Frage nach der Beteiligungsform zu trennen (Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 30 Rn. 55). Die Feststellung der Bandenmitgliedschaft vermag daher konkrete Feststellungen, welche die Annahme mittäterschaftlicher Mitwirkung an der einzelnen Bandentat tragen, nicht zu ersetzen (Senat, Urteil vom 10. August 2016 – 2 StR 22/16, NStZ-RR 2016, 375, 376). Zu den wesentlichen Anhaltspunkten für die Beurteilung, ob ein Tatbeteiligter beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln Mittäter oder nur Gehilfe ist, zählt auch der Umfang der Tatbeteiligung (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 − 5 StR 445/11, NStZ-RR 2012, 121, 122), wobei vor allem darauf abzustellen ist, welche Bedeutung dem konkreten Tatbeitrag für das Umsatzgeschäft insgesamt zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2019 – 1 StR 640/18, juris Rn. 5, mwN). Es ist nicht erkennbar, dass die Strafkammer dies ausreichend in den Blick genommen hat.
19
3. Der Senat hebt das Urteil insgesamt (auch hinsichtlich der für sich genommen rechtsfehlerfrei festgestellten Waffendelikte) auf, um dem neuen Tatrichter umfassende eigene, widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen. Die Aufhebung ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die nichtrevidierenden Angeklagten zu erstrecken, weil der dargelegte Rechtsfehler sie gleichermaßen betrifft.
20
4. Das angefochtene Urteil gibt zu folgenden ergänzenden Hinweisen Anlass:
21
a) Die bandenmäßige Begehung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 30 Abs. 1 Nr. 1, § 30a Abs. 1 BtMG, die – wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat – bislang nicht für alle ausgeurteilten Taten hinreichend festgestellt ist, setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse der im Gesetz genannten Betäubungsmitteldelikte zu begehen. Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich allein nach der deliktischen Vereinbarung, der so genannten Bandenabrede. Die Begründung der Mitgliedschaft folgt nicht aus der Bandentat, sondern geht dieser regelmäßig voraus. Mitglied einer Bande kann auch derjenige Tatbeteiligte sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2002 – 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 216). Dass sämtliche Angeklagten sich untereinander kennen und gemeinsam an der Abrede beteiligt waren, ist dafür ebenso wenig erforderlich wie ein bestimmender Einfluss eines jeden auf die Aufzucht der Pflanzen sowie den An- und Verkauf (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 − 3 StR 407/12, NStZ 2013, 546, 547 mwN). Auch bei untergeordneten Hilfstätigkeiten kann das wiederholte deliktische Zusammenwirken – wenn auch nicht ohne Weiteres – für eine zumindest stillschweigende Bandenabrede sprechen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2002 – 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 220; vom 10. November 2011 – 3 StR 355/11, NStZ 2012, 518). Kauft allerdings ein am Betäubungsmittelhandel Beteiligter das von anderen geerntete und verkaufsfer- tig verpackte Marihuana „auf Kommission“ (wie es hier für den Angeklagten S. festgestellt ist), bedarf die Annahme einer mit diesem getroffenen Bandenabrede regelmäßig näherer Feststellungen. Gleiches gilt für die Mitgliedschaft eines Beteiligten in einer Bande, von der er (wie es für den Angeklagten B. bei Fall II.6. der Urteilsgründe festgestellt ist) lediglich Setzlinge für die Aufzucht in einer anderen Plantage abholt.
22
b) Der Verbrechenstatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass es vereinzelt zu Ernteausfällen kam. Der Tatbestand ist verwirklicht, wenn mit der Aufzucht der Pflanzen eine nicht geringe Menge des Betäubungsmittels erzielt werden soll (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 − 3 StR 407/12, BGHSt 58, 99, 100 f.). Leistet allerdings ein Mittäter oder Gehilfe bei einer Deliktsserie, an der mehrere Personen beteiligt sind, einen nur bestimmte Einzeltaten fördernden Tatbeitrag, so sind ihm nur diese Taten – tateinheitlich oder tatmehrheitlich – zuzurechnen (vgl. Senat, Urteil vom 28. März 2018 – 2 StR 176/17, juris Rn. 11; BGH, Beschluss vom 21. Juni 2018 – 4 StR 599/17, juris Rn. 4).
23
c) Die Einziehung des zur Tatbegehung genutzten Grundstücks eines Angeklagten kann rechtlich zutreffend auf § 74 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I, 872) gestützt werden (vgl.BGH, Beschluss vom 3. Mai 2018 – 3 StR 8/18, NStZ 2018, 526). Bei der Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c StGB) wird aber in den Blick zu nehmen sein, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, dass zwar die Erlöse aus Betäubungsmittelgeschäften einzuziehen sind, soweit der Täter selbst wenigstens faktische Mitverfügungsgewalt erlangt hat, dass aber nur ein durch die Straftat tatsächlich erlangter, nicht indes ein aus sichergestellten Ernten lediglich erzielbarer Vermögenszuwachs der Einziehung unterliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2008 − 4 StR 437/08, NStZ 2010, 85).
Franke Eschelbach Meyberg Grube Schmidt

(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Ist der Antrag außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird er dem Beschuldigten zugestellt.

(2) Die Antragstellung hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. Sie treten mit Eingang des Antrages bei Gericht ein.

(3) Ist der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt, so wird der Antragsteller von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. Der Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter und der Ehegatte oder Lebenspartner des Antragsberechtigten können an der Hauptverhandlung teilnehmen.

(4) Der Antrag kann bis zur Verkündung des Urteils zurückgenommen werden.

(5) Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten ist auf Antrag Prozeßkostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, sobald die Klage erhoben ist. § 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll; dem Antragsteller, der sich im Hauptverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedient, soll dieser beigeordnet werden. Zuständig für die Entscheidung ist das mit der Sache befaßte Gericht; die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 368/13
vom
22. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Oktober 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 9. April 2013 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass für die Tat II. 6 der Urteilsgründe eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt wird. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die dem Neben- und Adhäsionskläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „6-fachenschweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen sowie des 2-fachen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen“ zu der Gesamt- freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen; von weiteren Tatvorwürfen hat es ihn freigesprochen. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungs- formel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Im Fall II. 6 der Urteilsgründe begegnet die Zumessung der Einzelfreiheitsstrafe durchgreifenden rechtlichen Bedenken. In diesem Fall hat das Landgericht den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; einen minder schweren Fall nach § 176a Abs. 4 Halbs. 2 StGB hat es in diesem wie auch in allen anderen Fällen des § 176a Abs. 2 StGB verneint.
3
Der Generalbundesanwalt hat insoweit ausgeführt: „Die Verhängung der Einzelstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten bei der Tat II. 6. der Urteilsgründe kann allerdings keinen Bestand haben. Die ergänzend zu dieser Tat aufgeführten Strafzumessungskriterien (Durchführung von Oral- und Analverkehr, erhebliche Schmerzen des Nebenklägers , Weinen des Nebenklägers veranlasste den Angeklagten nicht zur Beendigung des Verkehrs), die dieser Tat ein überdurchschnittliches Gewicht zukommen lassen soll (UA, S. 24), sind nicht durch die Feststellungen gedeckt. Die Jugendschutzkammer hat hier die Feststellungen zu verschiedenen Einzeltaten vermengt. Der Angeklagte hat zwar bei der Tat II. 6. - wie aber auch bei der Tat II. 5. - am Nebenkläger Oral- und Analverkehr verübt, jedoch hat die Kammer bei dieser Tat nicht die erheblichen Schmerzen, die auch nachfolgend beim Stuhlgang anhielten, und ein Weinen des Nebenklägers bei der Tatausübung festgestellt. Diese Feststellungen betreffen die Tat II. 4., bei der es aber nur zu Anal- und nicht zu Oralverkehr kam.“
4
In Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts reduziert der Senat die Einzelfreiheitsstrafe im Fall II. 6 der Urteilsgründe auf zwei Jahre. Dies entspricht den – rechtsfehlerfrei zugemessenen – Einzelstrafen, die das Landgericht in dem in jeder Hinsicht parallel liegenden Fall II. 5 der Urteilsgründe sowie auch in dem wegen der festgestellten Umstände und Folgen der Tat (Weinen und länger andauernde Schmerzen) schwerer wiegenden Tat unter II. 4 der Urteilsgründe verhängt hat.
5
2. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist die Adhäsionsentscheidung rechtsfehlerfrei ergangen. Das Landgericht hat den Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 6.000 € verurteilt.
6
a) Der Adhäsionskläger hat den hierauf gerichteten Zahlungsantrag nicht verspätet angebracht (§ 404 Abs. 1 Satz 1 StPO). Der Vertreter des Adhäsionsklägers hatte den Leistungsantrag, der zuvor nicht außerhalb der Hauptverhandlung zugestellt oder in ihr bereits verlesen worden war, im Termin vom 9. April 2013 zunächst erst nach dem Schlussvortrag der Vertreterin der Staatsanwaltschaft gestellt. Nach den weiteren Schlussvorträgen und dem letz- ten Wort des Angeklagten wurde „nochmals in die Beweisaufnahme eingetreten“ und diese sodann wieder geschlossen. Anschließend wiederholten die Ver- fahrensbeteiligten ihre zuvor gestellten Anträge. Gemäß § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO kann der Adhäsionsantrag nach Beginn der Schlussvorträge, die dem den Rechtszug abschließenden Urteil vorausgehen, nicht mehr gestellt werden; diese Präklusion greift jedoch nicht ein, wenn das Gericht erneut in die Beweisaufnahme eingetreten ist (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 404 Rn. 4); es ist stets auf den Beginn der letzten Schlussvorträge abzustellen (Hilger in LöweRosenberg , StPO, 26. Aufl., § 404 Rn. 4). Danach ist der Adhäsionsantrag hier noch rechtzeitig angebracht worden; der Zweck der Regelung in § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass der Staatsanwalt Gelegenheit haben muss, zu dem geltend gemachten vermögensrechtlichen Anspruch des Verletzten Stellung zu beziehen (BGH, Beschlüsse vom 9. August 1988 – 4 StR 342/88, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 1, und 9. September 2008 – 1 StR 449/08, NStZ 2009, 566, 567), ist auch in der hier gegebenen Fallgestaltung erfüllt.
7
b) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Generalbundesanwalts, dass der Adhäsionsantrag nicht den Anforderungen des § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO genügt. Nach dieser Vorschrift muss der Adhäsionsantrag unter anderem den Gegenstand und den Grund des geltend gemachten Anspruchs bestimmt bezeichnen (vgl. dazu Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 404 Rn. 1 mwN). Unter den hier gegebenen Umständen reichte dazu jedoch die im Antrag vom 12. Februar 2013 erfolgte Bezugnahme auf die in der Anklageschrift erhobenen Tatvorwürfe aus (vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. August 2013 – 4 StR 281/13). Der der Anklage zugrunde liegende Sachverhalt ist einfach und überschaubar. In allen Fällen richteten sich die Vorwürfe ausschließlich gegen den Angeklagten; Tatopfer war in allen Fällen der Adhäsionskläger.
8
c) Der Senat kann über die Revision des Angeklagten durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 und 4 StPO befinden, obwohl der Generalbundesanwalt die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Adhäsionsausspruch beantragt hat. Kann das Revisionsgericht über den strafrechtlichen Teil des Urteils im Beschlussverfahren entscheiden, so kann es hierbei auch über das Rechtsmittel gegen die Zubilligung einer Entschädigung des Verletzten ohne Bindung an den Antrag des Generalbundesanwalts mitbefinden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 2009 – 2 StR 239/09, NStZ-RR 2009, 382, und 18. November 2011 – 1 StR 475/11).
9
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
10
Die Herabsetzung der Einzelstrafe im Fall II. 6 der Urteilsgründe auf zwei Jahre nötigt nicht zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. In Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt schließt der Senat – auch im Blick auf die weiter verhängten Einzelstrafen (fünfmal zwei Jahre und zweimal sechs Monate Freiheitsstrafe) – aus, dass das Landgericht, hätte es auch im Fall II. 6 eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, eine noch mildere Gesamtstrafe festgesetzt hätte.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 22/17
vom
15. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:150317B4STR22.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 15. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 27. September 2016, soweit es sie betrifft,
a) im Schuldspruch klarstellend dahin neu gefasst, dass die Angeklagte im Fall II. 22 der Urteilsgründe nicht wegen Herstellung kinderpornographischer Schriften, sondern wegen Besitzverschaffung kinderpornographischer Schriften verurteilt ist,
b) im Adhäsionsausspruch aufgehoben; von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag der Nebenklägerinnen wird abgesehen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die sonstigen durch dieses Verfahren entstandenen Auslagen trägt jeder Beteiligte selbst.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 19 Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung , sowie wegen Herstellung kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Es hat ferner eine Adhäsionsentscheidung zu Gunsten der Nebenklägerinnen getroffen. Die Revision der Angeklagten, mit der sie ohne nähere Begründung die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Die Verfahrensrüge ist nicht näher ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

II.


3
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat in den Fällen II. 1 bis 19 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
4
Die Annahme der Strafkammer, die Angeklagte habe sich in diesen Fällen (jeweils tateinheitlich) wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes im Sinne von § 176a Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 176 Abs. 2 StGB strafbar gemacht, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Da § 176 Abs. 2 StGB die Verursa- chung sexueller Handlungen von oder an einem Dritten durch Einwirken auf das kindliche Opfer strafrechtlich erfasst, liegt die für eine gemeinschaftliche Tatbegehung erforderliche gleiche Zielrichtung des täterschaftlichen Handelns hier darin, dass der Täter nach § 176 Abs. 2 StGB durch seinen Bestimmungsakt gerade diejenige sexuelle Handlung ermöglicht, die der andere im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB vornimmt (Senatsurteil vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 248/13, BGHSt 59, 28, 33; zum Begriff der sexuellen Handlung beim Eindringen in den Körper mit Gegenständen vgl. jüngst Senatsurteil vom 8. Dezember 2016 – 4 StR 389/16). Auch diese Art des Zusammenwirkens gegenüber dem Tatopfer weist den im Vergleich zu den Grundtatbeständen gesteigerten Unrechtsgehalt auf, der für die Qualifikation kennzeichnend ist (Senatsurteil vom 10. Oktober 2013 aaO). So verhält es sich nach den Feststellungen im vorlie- genden Fall. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang auf „§ 176a Abs. 1 Nr. 4 StGB“ Bezug nimmt, handelt es sich ersichtlich um ein Schreibversehen.
5
2. Im Fall II. 22 der Urteilsgründe, in dem die Angeklagte nach den Feststellungen Bilddateien ihrer Töchter in teilweise unbekleidetem Zustand unter sexuell aufreizender Wiedergabe des nackten Gesäßes angefertigt hat, ist zwar, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, der Tatbestand des § 184b Abs. 3 StGB erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist zum einen strafbar, wer es unternimmt, sich den Besitz derartiger Schriften zu verschaffen, wodurch auch die Herstellung zum Eigengebrauch erfasst wird (MünchKommStGB/Hörnle, 3. Aufl., § 184b Rn. 35), zum anderen, wer eine solche Schrift besitzt, wobei diese Tatmodalität ersichtlich als Auffangtatbestand ausgestaltet ist (Hörnle aaO, Rn. 40 mwN). Aus Gründen der Klarstellung fasst der Senat die Beschlussformel mit der Maßgabe neu, dass die Angeklagte insoweit wegen Verschaffung des Besitzes kinderpornographischer Schriften verurteilt ist.
6
3. Der Adhäsionsausspruch über die Zuerkennung von Schmerzensgeld für die vier Nebenklägerinnen kann keinen Bestand haben.
7
a) Der von den Nebenklägerinnen gestellte Adhäsionsantrag entsprach nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO. Nach dieser Vorschrift muss der Antrag unter anderem den Gegenstand und den Grund des geltend gemachten Anspruchs bestimmt bezeichnen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 13. August 2013 – 4 StR 281/13, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 7; LR-StPO/Hilger, 26. Aufl., § 404 Rn. 1). Das ist im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht geschehen.
8
b) Zwar hat die Bevollmächtigte der Nebenklägerinnen durch einen in der Hauptverhandlung rechtzeitig (§ 404 Abs. 1 Satz 1 StPO) übergebenen Schriftsatz für diese jeweils einen unbezifferten Schmerzensgeldanspruch als Adhäsionsantrag geltend gemacht (PB 17). In dem Schriftsatz wird zum Grund der Ansprüche und zur Höhe der verlangten Schmerzensgelder aber lediglich auf das zu erwartende Ergebnis der Hauptverhandlung verwiesen („hinsichtlich des Tathergangs und der psychischen und physischen Verletzungshandlungen“). Eine weitere Konkretisierung ist – soweit ersichtlich – nicht erfolgt, auch nicht in Form einer Bezugnahme auf die in der Anklageschrift erhobenen Tatvorwürfe, was bei einfach gelagerten Sachverhalten ausreichen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2013 – 4 StR 368/13, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Satz 2 Wirksamkeit 1). Schon mit Blick darauf, dass der Adhäsionsantrag dieselben Wirkungen wie die Erhebung einer zivilrechtlichen Klage hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 412/03, StraFo 2004, 144), hätte es im vorliegenden Fall, in dem es um zahlreiche Tatvorwürfe gegen zwei Angeklagte ging, näherer Darlegungen der Nebenklägerinnen bedurft, auf welche der Taten zu ihrem Nachteil sie ihre Adhäsionsanträge stützen wollten.
9
4. Eine Zurückverweisung der Sache allein zur prozessordnungsgemäßen Nachholung des Adhäsionsverfahrens kommt nicht in Betracht, da wirksame Anträge nicht mehr gestellt werden könnten. Der Senat spricht deshalb aus, dass insoweit gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 und 6 StPO von einer Entscheidung abgesehen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 13. August 2013 aaO).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Feilcke