Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2013 - 4 StR 368/13

bei uns veröffentlicht am22.10.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 368/13
vom
22. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Oktober 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 9. April 2013 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass für die Tat II. 6 der Urteilsgründe eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt wird. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die dem Neben- und Adhäsionskläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „6-fachenschweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen sowie des 2-fachen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen“ zu der Gesamt- freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen; von weiteren Tatvorwürfen hat es ihn freigesprochen. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungs- formel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Im Fall II. 6 der Urteilsgründe begegnet die Zumessung der Einzelfreiheitsstrafe durchgreifenden rechtlichen Bedenken. In diesem Fall hat das Landgericht den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; einen minder schweren Fall nach § 176a Abs. 4 Halbs. 2 StGB hat es in diesem wie auch in allen anderen Fällen des § 176a Abs. 2 StGB verneint.
3
Der Generalbundesanwalt hat insoweit ausgeführt: „Die Verhängung der Einzelstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten bei der Tat II. 6. der Urteilsgründe kann allerdings keinen Bestand haben. Die ergänzend zu dieser Tat aufgeführten Strafzumessungskriterien (Durchführung von Oral- und Analverkehr, erhebliche Schmerzen des Nebenklägers , Weinen des Nebenklägers veranlasste den Angeklagten nicht zur Beendigung des Verkehrs), die dieser Tat ein überdurchschnittliches Gewicht zukommen lassen soll (UA, S. 24), sind nicht durch die Feststellungen gedeckt. Die Jugendschutzkammer hat hier die Feststellungen zu verschiedenen Einzeltaten vermengt. Der Angeklagte hat zwar bei der Tat II. 6. - wie aber auch bei der Tat II. 5. - am Nebenkläger Oral- und Analverkehr verübt, jedoch hat die Kammer bei dieser Tat nicht die erheblichen Schmerzen, die auch nachfolgend beim Stuhlgang anhielten, und ein Weinen des Nebenklägers bei der Tatausübung festgestellt. Diese Feststellungen betreffen die Tat II. 4., bei der es aber nur zu Anal- und nicht zu Oralverkehr kam.“
4
In Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts reduziert der Senat die Einzelfreiheitsstrafe im Fall II. 6 der Urteilsgründe auf zwei Jahre. Dies entspricht den – rechtsfehlerfrei zugemessenen – Einzelstrafen, die das Landgericht in dem in jeder Hinsicht parallel liegenden Fall II. 5 der Urteilsgründe sowie auch in dem wegen der festgestellten Umstände und Folgen der Tat (Weinen und länger andauernde Schmerzen) schwerer wiegenden Tat unter II. 4 der Urteilsgründe verhängt hat.
5
2. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist die Adhäsionsentscheidung rechtsfehlerfrei ergangen. Das Landgericht hat den Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 6.000 € verurteilt.
6
a) Der Adhäsionskläger hat den hierauf gerichteten Zahlungsantrag nicht verspätet angebracht (§ 404 Abs. 1 Satz 1 StPO). Der Vertreter des Adhäsionsklägers hatte den Leistungsantrag, der zuvor nicht außerhalb der Hauptverhandlung zugestellt oder in ihr bereits verlesen worden war, im Termin vom 9. April 2013 zunächst erst nach dem Schlussvortrag der Vertreterin der Staatsanwaltschaft gestellt. Nach den weiteren Schlussvorträgen und dem letz- ten Wort des Angeklagten wurde „nochmals in die Beweisaufnahme eingetreten“ und diese sodann wieder geschlossen. Anschließend wiederholten die Ver- fahrensbeteiligten ihre zuvor gestellten Anträge. Gemäß § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO kann der Adhäsionsantrag nach Beginn der Schlussvorträge, die dem den Rechtszug abschließenden Urteil vorausgehen, nicht mehr gestellt werden; diese Präklusion greift jedoch nicht ein, wenn das Gericht erneut in die Beweisaufnahme eingetreten ist (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 404 Rn. 4); es ist stets auf den Beginn der letzten Schlussvorträge abzustellen (Hilger in LöweRosenberg , StPO, 26. Aufl., § 404 Rn. 4). Danach ist der Adhäsionsantrag hier noch rechtzeitig angebracht worden; der Zweck der Regelung in § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass der Staatsanwalt Gelegenheit haben muss, zu dem geltend gemachten vermögensrechtlichen Anspruch des Verletzten Stellung zu beziehen (BGH, Beschlüsse vom 9. August 1988 – 4 StR 342/88, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 1, und 9. September 2008 – 1 StR 449/08, NStZ 2009, 566, 567), ist auch in der hier gegebenen Fallgestaltung erfüllt.
7
b) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Generalbundesanwalts, dass der Adhäsionsantrag nicht den Anforderungen des § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO genügt. Nach dieser Vorschrift muss der Adhäsionsantrag unter anderem den Gegenstand und den Grund des geltend gemachten Anspruchs bestimmt bezeichnen (vgl. dazu Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 404 Rn. 1 mwN). Unter den hier gegebenen Umständen reichte dazu jedoch die im Antrag vom 12. Februar 2013 erfolgte Bezugnahme auf die in der Anklageschrift erhobenen Tatvorwürfe aus (vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. August 2013 – 4 StR 281/13). Der der Anklage zugrunde liegende Sachverhalt ist einfach und überschaubar. In allen Fällen richteten sich die Vorwürfe ausschließlich gegen den Angeklagten; Tatopfer war in allen Fällen der Adhäsionskläger.
8
c) Der Senat kann über die Revision des Angeklagten durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 und 4 StPO befinden, obwohl der Generalbundesanwalt die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Adhäsionsausspruch beantragt hat. Kann das Revisionsgericht über den strafrechtlichen Teil des Urteils im Beschlussverfahren entscheiden, so kann es hierbei auch über das Rechtsmittel gegen die Zubilligung einer Entschädigung des Verletzten ohne Bindung an den Antrag des Generalbundesanwalts mitbefinden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 2009 – 2 StR 239/09, NStZ-RR 2009, 382, und 18. November 2011 – 1 StR 475/11).
9
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
10
Die Herabsetzung der Einzelstrafe im Fall II. 6 der Urteilsgründe auf zwei Jahre nötigt nicht zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. In Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt schließt der Senat – auch im Blick auf die weiter verhängten Einzelstrafen (fünfmal zwei Jahre und zweimal sechs Monate Freiheitsstrafe) – aus, dass das Landgericht, hätte es auch im Fall II. 6 eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, eine noch mildere Gesamtstrafe festgesetzt hätte.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Mutzbauer Bender

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2013 - 4 StR 368/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2013 - 4 StR 368/13

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2013 - 4 StR 368/13 zitiert 7 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 174 Sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen


(1) Wer sexuelle Handlungen 1. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,2. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsver

Strafgesetzbuch - StGB | § 176a Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind


(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen

Strafprozeßordnung - StPO | § 404 Antrag; Prozesskostenhilfe


(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2013 - 4 StR 368/13 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2013 - 4 StR 368/13 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Aug. 2013 - 4 StR 281/13

bei uns veröffentlicht am 13.08.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 281/13 vom 13. August 2013 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführe

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2008 - 1 StR 449/08

bei uns veröffentlicht am 09.09.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 449/08 vom 9. September 2008 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. September 2008 beschlossen : Die Revision des Angeklag
6 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2013 - 4 StR 368/13.

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2019 - 5 StR 87/19

bei uns veröffentlicht am 03.04.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 87/19 vom 3. April 2019 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2019:030419B5STR87.19.0 Der 5. Strafsenat des Bundesge

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2019 - 3 StR 271/19

bei uns veröffentlicht am 24.07.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 271/19 vom 24. Juli 2019 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2019 - 3 StR 306/19

bei uns veröffentlicht am 05.09.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 306/19 vom 5. September 2019 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen zu 1.: schwerer räuberischer Erpressung u.a. zu 2.: Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung u.a. ECLI:DE:BGH:2019:050919B3STR306.19.0 Der

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2018 - 4 StR 473/18

bei uns veröffentlicht am 19.12.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 473/18 vom 19. Dezember 2018 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:191218B4STR473.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanw

Referenzen

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Ist der Antrag außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird er dem Beschuldigten zugestellt.

(2) Die Antragstellung hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. Sie treten mit Eingang des Antrages bei Gericht ein.

(3) Ist der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt, so wird der Antragsteller von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. Der Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter und der Ehegatte oder Lebenspartner des Antragsberechtigten können an der Hauptverhandlung teilnehmen.

(4) Der Antrag kann bis zur Verkündung des Urteils zurückgenommen werden.

(5) Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten ist auf Antrag Prozeßkostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, sobald die Klage erhoben ist. § 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll; dem Antragsteller, der sich im Hauptverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedient, soll dieser beigeordnet werden. Zuständig für die Entscheidung ist das mit der Sache befaßte Gericht; die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 449/08
vom
9. September 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. September 2008 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Deggendorf vom 22. Februar 2008 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und
die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Der Angeklagte wurde wegen einer Reihe schwerwiegender Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern (Strafe wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zweimal je vier Jahre) oder Jugendlichen (Strafe für drei versuchte Vergewaltigungen eines Jugendlichen jeweils drei Jahre) sowie wegen wiederholten Verstoßes gegen ein Berufsverbot (im Rahmen einer Vorverurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen ausgesprochenes Verbot der Ausbildung, Betreuung und Beaufsichtigung von Jugendlichen bis 15 Jahren ; drei Strafen von jeweils zehn Monaten) zu sieben Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die Anordnung von Sicherungsverwahrung blieb vorbehalten (§ 66a StGB), Führungsaufsicht wurde angeordnet. Außerdem wurde der Angeklagte verurteilt, dem Nebenkläger F. , dem Opfer der Vergewaltigungsversuche , 6.000,-- € Schmerzensgeld zu zahlen.
2
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die erfolglos bleibt (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
Der Senat verweist in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts, die auch durch die Erwiderung der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO; Schriftsatz vom 4. September 2008) nicht entkräftet werden.
4
Ergänzend bemerkt der Senat zur vorbehaltenen Sicherungsverwahrung (1.) und zur Zulässigkeit der Adhäsionsentscheidung (2.):
5
1. Der Angeklagte ist immer wieder wegen pädophiler Straftaten in Deutschland und im Ausland in Erscheinung getreten; er ist deshalb wiederholt rechtskräftig verurteilt worden und hat auch mehrfach Strafen verbüßt. Nach sachverständiger Beratung bejaht die Strafkammer rechtsfehlerfrei einen Hang zu sexuellem Missbrauch von Minderjährigen.
6
Die formellen Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungsverwahrung liegen, ohne dass es auf Weiteres ankäme, schon allein im Hinblick auf die hier abgeurteilten Taten vor (§ 66 Abs. 3 Satz 2 StGB sowie - von der Strafkammer nicht angesprochen - § 66 Abs. 2 StGB).
7
Von einer Anordnung von Sicherungsverwahrung hat die Strafkammer dennoch abgesehen. Der Angeklagte weigere sich nämlich, sich psychiatrisch explorieren oder beobachten zu lassen. Deshalb sei trotz beachtlicher Anhaltspunkte für diese Annahme nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, dass der Angeklagte im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB wegen seines Hanges für die Allgemeinheit gefährlich sei. Daher könne die Anordnung von Sicherungsverwahrung nur gemäß § 66a StGB vorbehalten werden.
8
Diese Erwägungen sind nicht rechtsfehlerfrei, beschweren den Angeklagten aber nicht.
9
a) Zwar folgt aus dem Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit ohne weiteres , dass ein Angeklagter nicht aktiv an der Schaffung von Grundlagen für seine Verurteilung mitwirken muss (vgl. speziell zur Explorierung durch einen Sachverständigen LG Hagen StraFo 2008, 157), jedoch bedarf es zur Feststellung der Gefährlichkeit eines Hangtäters keiner Erkenntnisse, die nur mit dessen Zustimmung gewonnen werden können. Andernfalls stünde es letztlich im Belieben des Angeklagten, ob gegen ihn eine zum Schutz der Allgemeinheit erforderliche Maßregel angeordnet werden kann oder nicht. Vielmehr ergibt sich die Gefährlichkeit i.S.d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB regelmäßig schon allein aus der hier getroffenen Feststellung eines Hangs (BGH NStZ 2007, 464; BGHSt 50, 188, 196; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1, 3 jew. m.w.N.). Anderes kann - von hier nicht vorliegenden Besonderheiten hinsichtlich der drohenden Taten (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 4) abgesehen - nur dann gelten, wenn zwischen der letzten Hangtat und dem Urteilszeitpunkt neue Umstände eingetreten sind, die die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten entfallen lassen. Dabei müssen die Umstände als solche feststehen (BGH NStZ 2007, 464; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1). Sind nach der letzten Hangtat Umstände eingetreten, die zwar möglicherweise die künftige Gefährlichkeit in Frage stellen können, die aber noch keine eindeutige Beurteilung der Frage zulassen , ob deshalb die Gefährlichkeit entfallen ist oder nicht, so ist Raum für eine vorbehaltene Sicherungsverwahrung gemäß § 66a StGB (vgl. BGH, Urt. vom 10. Januar 2007 - 1 StR 530/06, insoweit in NStZ 2007, 464 f. nicht abgedruckt

).


10
b) Anhaltspunkte für nach den Taten eingetretene Umstände, die die hangbedingte Gefährlichkeit des Angeklagten, sei es auch nur möglicherweise, in Frage stellen könnten, sind nicht ansatzweise zu erkennen. Die Strafkammer geht vielmehr in eingehender Würdigung aller zum Angeklagten und seinen Taten angefallener Erkenntnisse davon aus, dass - unbeschadet der von ihr zu Unrecht noch für erforderlich gehaltenen weiteren psychiatrischen Erkenntnisse - „beachtliche Anhaltspunkte“ für eine Gefährlichkeit des Angeklagten bestünden. Der Angeklagte „gibt der Gesellschaft die Schuld, dass entsprechende Taten zu Straftaten werden“. Im Übrigen legt auch, so die Strafkammer „die erhebliche Anzahl von rechtskräftig festgestellten Taten über wesentliche Lebensabschnitte“ weitere Taten nahe. „Mit einer erheblichen Wahrscheinlichkeit liegt eine ungünstige Prognose vor“.
11
c) Da somit die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 und § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB vorliegen, hätte die Strafkammer zu entscheiden gehabt, wie sie das ihr danach eingeräumte Ermessen ausübt, gegen den Angeklagten Sicherungsverwahrung anzuordnen oder nicht. Für eine Anordnung vorbehaltener Sicherungsverwahrung war dagegen kein Raum (BGHSt 50, 188, 193).
12
d) Die von der Strafkammer vorgenommene Würdigung von Taten und Täter ergibt in ihrer Gesamtheit mit genügender Klarheit, dass sie sich letztlich nur durch das Fehlen der von ihr rechtsfehlerhaft für erforderlich gehaltenen zusätzlichen Erkenntnisse an der Anordnung von Sicherungsverwahrung gehindert gesehen hat. Unter diesen Umständen ist der Angeklagte durch die nur vorbehaltene Anordnung von Sicherungsverwahrung hier nicht beschwert (vgl. BGH, Beschl. vom 6. Dezember 2005 - 1 StR 347/05).
13
2. Der Vertreter des Nebenklägers hatte in seinen Schlussausführungen beantragt, den Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an den Nebenkläger zu verurteilen. Nach dem letzten Wort des Angeklagten wurde die Beweisaufnahme nochmals eröffnet. Nach zunächst anderweitigem Verfahrensgeschehen erfolgte der Hinweis, dass ein Adhäsionsantrag gemäß § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO bis zum Beginn der Schlussvorträge gestellt werden muss. Der Nebenklägervertreter wiederholte den genannten Antrag. Die übrigen Verfahrensbeteiligten (Staatsanwalt, Verteidiger, Angeklagter), so die Niederschrift der Hauptverhandlung, „wollten zu diesem Antrag keine Stellungnahme abgeben“. Sodann wurde die Beweisaufnahme wieder geschlossen. Bei den anschließenden Schlussvorträgen nahm der Staatsanwalt lediglich Bezug auf sein früheres Plädoyer und wiederholte seine früheren Anträge.
14
Auf der Grundlage dieses Verfahrensgeschehens meint die Revision, die Strafkammer hätte dem Nebenkläger schon deshalb kein Schmerzensgeld zuerkennen dürfen, weil der hierauf gerichtete Antrag des Nebenklägervertreters zu spät gestellt worden sei. Es reiche nicht aus, wenn dieser Antrag erst nach einem ersten Schlussvortrag des Staatsanwalts gestellt werde und dieser in seinem zweiten Schlussvortrag, ohne auf den Antrag einzugehen, nur auf seinen ersten Schlussvortrag verweise.
15
Dies trifft nicht zu.
16
Ein Adhäsionsantrag ist deshalb gemäß § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO vor Beginn der Schlussvorträge zu stellen, weil (auch) der Staatsanwalt Gelegenheit haben muss, auch zu Schadensersatzansprüchen Stellung zu beziehen (BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 1). Deshalb reicht es aus, wenn in Fällen, in denen nach den Schlussausführungen die Beweisaufnahme wieder eröffnet wurde, der Antrag vor den erneuten (letzten) Schlussausführungen gestellt wird (vgl. Krekeler in AnwK-StPO § 404 Rdn. 4; Stöckel in KMR <47. EL> § 404 Rdn. 5; Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 404 Rdn. 4). Auch bei einer solchen Fallgestaltung ist die Möglichkeit zu einer Stellungnahme eröffnet. Ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, oder - wie hier - nicht, ist demgegenüber ohne Bedeutung.
Nack Wahl Kolz
Graf Sander

(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Ist der Antrag außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird er dem Beschuldigten zugestellt.

(2) Die Antragstellung hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. Sie treten mit Eingang des Antrages bei Gericht ein.

(3) Ist der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt, so wird der Antragsteller von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. Der Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter und der Ehegatte oder Lebenspartner des Antragsberechtigten können an der Hauptverhandlung teilnehmen.

(4) Der Antrag kann bis zur Verkündung des Urteils zurückgenommen werden.

(5) Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten ist auf Antrag Prozeßkostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, sobald die Klage erhoben ist. § 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll; dem Antragsteller, der sich im Hauptverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedient, soll dieser beigeordnet werden. Zuständig für die Entscheidung ist das mit der Sache befaßte Gericht; die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 281/13
vom
13. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 13. August 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 12. März 2013
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass in den Fällen II. 1 bis 3 der Urteilsgründe die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen entfällt,
b) im Adhäsionsausspruch aufgehoben; von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag der Nebenklägerin wird abgesehen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die sonstigen durch dieses Verfahren entstandenen Auslagen tragen der Beschwerdeführer und die Adhäsionsklägerin selbst.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der Adhäsionsentscheidung; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Die Rüge der Verletzung von § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO, da das Landgericht einen Beweisantrag des Beschwerdeführers auf Einholung eines psychologischen Gutachtens zur Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin zu Unrecht zurückgewiesen habe, ist aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 2. Juli 2013 jedenfalls unbegründet.
3
2. a) Der Schuldspruch bedarf in den Fällen II. 1 bis 3 der Urteilsgründe der Änderung dahin, dass der Angeklagte in diesen Fällen allein des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes (§ 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der bis zum 31. März 2004 geltenden Fassung) schuldig ist. Die Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichten sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB) muss entfallen, weil insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Daran ändert es nichts, dass – was der Senat nach § 354a StPO zu beachten hat – nach § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB in der durch Art. 1 Nr. 4 des Ge- setzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) geänderten Fassung die Verjährung nunmehr auch bei Straftaten nach § 174 StGB bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Opfers ruht. Diese Regelung gilt zwar auch rückwirkend für vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. April 2004 begangene Taten; ihre Anwendung ist indes ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes bereits Verjährung eingetreten war (Senatsbeschluss vom 24. Juni 2004 – 4 StR 165/04, BGHR StGB § 78b Abs. 1 Ruhen 12; vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. September 2006 – 5 StR 364/06).
4
So verhält es sich hier. Nach den Feststellungen des Landgerichts ereigneten sich die von den Fällen II. 1 bis 3 der Urteilsgründe erfassten Taten zu jeweils nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten zwischen November 1998 und April 1999. Danach ist in Anwendung des Zweifelssatzes zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass die für den Tatbestand des § 174 StGB maßgebliche fünfjährige Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) vor dem 1. April 2004 bereits abgelaufen war.
5
b) Der Senat schließt aus, dass der Tatrichter in diesen Fällen auf niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte, wenn er die Strafverfolgungsverjährung im Hinblick auf die Strafbarkeit gemäß § 174 StGB beachtet hätte. Die Strafkammer hat zwar die tateinheitliche Verwirklichung von zwei Straftatbeständen erschwerend herangezogen, bei der Bemessung der Einzelstrafen aber neben den psychischen Tatfolgen maßgeblich zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt , dass die Geschädigte bei Begehung dieser Taten noch sehr jung war und die Durchführung des Analverkehrs ihr starke Schmerzen bereitete. Schließlich darf auch die Verwirklichung teilverjährter idealkonkurrierender Delikte strafschärfend berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 6. April 2001 – 2 StR 75/01).
6
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

II.


7
1. Der Adhäsionsausspruch über die Zuerkennung von Schmerzensgeld kann jedoch keinen Bestand haben.
8
a) Der von der Nebenklägerin vor Beginn der Hauptverhandlung vor dem Landgericht gestellte Adhäsionsantrag entsprach nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO. Nach dieser Vorschrift muss der Adhäsionsantrag u.a. den Gegenstand und den Grund des geltend gemachten Anspruchs bestimmt bezeichnen (vgl. dazu LR-StPO/Hilger, 26. Aufl., § 404 Rn. 1 mwN). Das ist hier nicht geschehen.
9
b) Zwar hat der Bevollmächtigte der Nebenklägerin mit einem beim Landgericht am 2. Oktober 2012 eingegangenen Schriftsatz einen einschließlich der Zinsforderung bezifferten Schmerzensgeldanspruch als Adhäsionsantrag geltend gemacht (SA II/105). In dem Schriftsatz ist zum Grund des Anspruchs aber lediglich ausgeführt, eine ausführliche Begründung werde erfolgen , wenn die Anklageschrift vorliege. Zur Höhe des verlangten Schmerzensgeldes enthält der Schriftsatz nur den allgemeinen Hinweis auf die mehrfachen und jahrelangen strafrechtlich relevanten Handlungen und die dadurch bei der Nebenklägerin hervorgerufenen sehr schweren psychischen Beeinträchtigungen. Die angekündigte ausführliche Begründung des Adhäsionsantrags ist auch nach Kenntnisnahme von der Anklageschrift nicht erfolgt, auch nicht in Form einer bloßen Bezugnahme auf die in der Anklageschrift erhobenen Tatvorwürfe. Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, welche generellen Anforderungen an einen wirksamen Adhäsionsantrag im Sinne von § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO zu stellen sind. Jedenfalls im vorliegenden Fall genügte die Begründung aus dem Schriftsatz vom 1. Oktober 2012 allein nicht. Dem Angeklagten wurden in der Anklage insgesamt 30 Straftaten zum Nachteil der Nebenklägerin über einen Zeitraum von etwa sechs Jahren an verschiedenen Orten vorgeworfen. In der Abschlussverfügung hatte die Staatsanwaltschaft das Verfahren zudem wegen weiterer aktenkundiger Taten zum Nachteil der Nebenklägerin vorläufig im Hinblick auf die angeklagten Taten gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Schon angesichts des Umfangs der angeklagten und der eingestellten Vorwürfe hätte es genauerer Darlegungen der Nebenklägerin bedurft, auf welche der Taten zu ihrem Nachteil sie ihren Adhäsionsantrag auf Zahlung eines Schmerzensgeldes , der dieselben Wirkungen wie die Erhebung einer zivilrechtlichen Klage hat (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 412/03, StraFo 2004, 144), stützen wollte.
10
2. Eine Zurückverweisung der Sache allein zur prozessordnungsgemäßen Nachholung des Adhäsionsverfahrens kommt nicht in Betracht, da ein wirksamer Antrag nicht mehr rechtzeitig gestellt werden könnte. Der Senat spricht deshalb aus, dass insoweit gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 und 6 StPO von einer Entscheidung abgesehen wird (vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2007 – 3 StR 426/07, StV 2008, 127).

III.


11
Eine Entscheidung gemäß § 473 Abs. 4 StPO kommt angesichts des nur geringfügigen Erfolgs des Rechtsmittels nicht in Betracht. Im Übrigen beruht die Kosten- und Auslagenentscheidung auf § 472a Abs. 2, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.