Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Mai 2019 - 4 StR 140/19

bei uns veröffentlicht am22.05.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 140/19
vom
22. Mai 2019
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2019:220519B4STR140.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 22. Mai 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 26. November 2018 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Die hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision des Beschuldigten hat Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der zur Tatzeit 29 Jahre alte Beschuldigte litt infolge einer seit etwa fünf Jahren bestehenden paranoid-halluzinatorischen Psychose unter Schlaf- störungen und glaubte „nahezu permanent“, bis zu 30 Personen redeten fort- während auf ihn ein. Infolge seiner Schlafstörungen fuhr er am 28. Mai 2018 gegen 1.15 Uhr mit seinem unbeleuchteten Fahrrad ziellos in B. umher ; dabei trug er gummierte Arbeitshandschuhe und führte auf dem Gepäckträger seines Fahrrads ein Brecheisen mit sich, um sich gegen mögliche Angriffe verteidigen zu können. Die Polizeibeamten N. und D. , die sich auf Streifenfahrt befanden, unterzogen den Beschuldigten einer Verkehrskontrolle. Auf die Aufforderung der Polizeibeamten, sich auszuweisen, reagierte der Beschuldigte „aufgrund seiner psychischen Erkrankung sehr aggressiv“ und verlangte , dass die Beamten ihm ihrerseits ihre Dienstausweise zeigen sollten. Polizeimeisterin N. lehnte dies ab und forderte den Beschuldigten auf, seinen Rucksack abzunehmen, damit sie diesen nach einem Personaldokument durchsuchen könne. Darauf reagierte der Beschuldigte aufgebracht und stieß sein Fahrrad in Richtung der beiden Polizeibeamten auf den Boden, wodurch das Brecheisen zu Boden fiel. In der „aufgrund seiner psychiatrischen Erkrankung“ irrigen Annahme, es handele sich bei den sich ihm nähernden Personen nicht um Polizeibeamte, sondern um „mit Kostümen versehene Be- trüger“,schlug der Beschuldigte mit beiden Fäusten auf POM D. ein, um sich gegen den vermeintlichen Angriff zur Wehr zu setzen. Sodann „ergriff“ der Beschuldigte das auf den Boden gefallene, rund 60 Zentimeter lange Brecheisen , „schlug damit in Richtung“ der Polizeibeamtin, wobei er die Verletzung beider Beamten billigend in Kauf nahm. Er traf sie jedoch nicht. Die beiden Beamten setzten nunmehr Pfefferspray gegen ihn ein, weshalb der Beschuldigte nicht mehr auf die Beamten einzuwirken vermochte. Polizeiobermeister D. erlitt infolge der Faustschläge des Beschuldigten eine „Rötung“ am rechten Ohr.
4
2. Das Landgericht hat angenommen, dass der Beschuldigte den Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und mit versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen verwirklicht habe. Sachverständig beraten ist es davon ausgegangen, dass die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten in das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt krankheitsbedingt aufgehoben gewesen sei (§ 20 StGB). Es hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, weil infolge seines Zustands mit weiteren, den Anlassdelikten vergleichbaren Taten – insbesondere mit gefährlichen Körperverletzungen – zu rechnen und der Beschuldigte deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei (§ 63 StGB).

II.


5
Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
6
1. Die Feststellungen zur rechtswidrigen Anlasstat sind nicht belegt, soweit das Landgericht zu der Überzeugung gelangt ist, der Beschuldigte habe tateinheitlich auch eine versuchte gefährliche Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, § 52 StGB) begangen. Die Feststellung, der Beschuldigte habe mit dem Brecheisen in Richtung von Polizeimeisterin N. geschlagen, ist beweiswürdigend nicht tragfähig begründet. Damit ist auch der Feststellung der subjektiven Tatseite die Tatsachengrundlage entzogen.
7
Der Beschuldigte hatte sich zum Tatvorwurf eingelassen und in Abrede gestellt, das Brecheisen gegen die Beamten „zum Einsatz gebracht“ zu haben.
Seine Überzeugung, dass der Angeklagte mit dem Brecheisen einen Schlag gegen die Beamtin ausgeführt und dabei ihre und die Verletzung ihres Kollegen billigend in Kauf genommen habe, hat das Landgericht allein auf die Aussage von Polizeimeisterin N. gestützt. Ihre Angaben sind in den Urteilsgrün- den dahin wiedergegeben, dass sie und ihr Kollege „davon ausgegangen“ seien , „dass der Beschuldigte mit dem vom Boden aufgenommenen Brecheisen auf sie, die Beamten, habe einschlagen wollen“.Worauf die Einschätzung der Polizistin, dass der Beschuldigte das Schlagwerkzeug ergriff, um damit einen Schlag auszuführen, gründet, ergibt das Urteil nicht. Eine Schlagbewegung hat die Zeugin nicht beschrieben. Es bleibt daher offen, ob der Beschuldigte – wie das Landgericht angenommen hat – das Brecheisen tatsächlich ergriff, um es als Schlagwerkzeug einzusetzen und die Beamten damit zu verletzen.
8
2. Darüber hinaus halten auch die Schuldfähigkeitsprüfung und die Ausführungen zur Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 63 StGB rechtlicher Überprüfung nicht stand.
9
a) Das Vorliegen eines Eingangsmerkmals im Sinne der §§ 20, 21 StGB ist nicht tragfähig belegt.
10
aa) Das Tatgericht hat die Schuldfähigkeit des Beschuldigten ohne Bindung an die Äußerungen des Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beurteilen. Schließt es sich dem Sachverständigen an, so muss es die wesentlichen Anknüpfungspunkte sowie dessen Schlussfolgerungen in den Urteilsgründen so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2019 – 2 StR 505/18, NStZ-RR 2019, 134; vom 30. März 2017 – 4 StR 463/16, NStZ-RR 2017, 165; vom 19. Januar 2017 – 4 StR 595/16). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht.
11
bb) Die Ausführungen des Landgerichts sind auf die Wiedergabe der Wertung des Sachverständigen beschränkt, dass „davon ausgegangen werden“ müsse, der Beschuldigte habe „zum Tatzeitpunkt an einer überdauernden psychotischen Symptomatik im Rahmen einer bereits seit mehreren Jahren beste- henden schizophrenen Psychose gelitten“ und zur Tatzeit „unter einer so mas- siven floriden psychotischen Beeinflussung gestanden“, „dass daraus ein völli- ger Realitätsverlust mit Verkennung der Polizeibeamten resultiert habe“. Hierfür spreche die Beschreibung einer sich in den Augen des Beschuldigten zuspitzenden „Bedrohungssituation“ und seiner in Notwehr getätigten „Verteidigungs- handlungen“, ohne dass es hierfür unter Zugrundelegung der Zeugenbeschrei- bungen einen realen Bezug gegeben habe. Eine zusätzliche tatbegünstigende Wirkung von Suchtmitteln könne ausgeschlossen werden. Es sei deshalb unter Würdigung aller aktuell vorliegenden Informationen davon auszugehen, dass „die genannten, auf die Psychose zurückzuführenden psychopathologischen Auffälligkeiten den Beschuldigten außerstande gesetzt hätten, zu erkennen, dass es sich bei seinen Handlungen um eine Straftat handele“.
12
Diesen sachverständigen Ausführungen hat sich die Kammer angeschlossen und ergänzend auf die Angaben des Beschuldigten in der Hauptverhandlung verwiesen, er habe die Polizeibeamten für Betrüger gehalten und sich gegen sie zur Wehr setzen wollen, weil die Polizeibeamtin seinen Rucksack unberechtigt habe „durchwühlen“ wollen. Dies belege, dass der Beschuldigte sich „noch heute“ offensichtlich in einemfloriden Wahnsystem befinde, das ihn daran hindere, die tatsächlichen Umstände realistisch einzuschätzen.
13
cc) Diesen knappen und vage gehaltenen („müsse davon ausgegangen werden“) Ausführungenvermag der Senat nicht zu entnehmen, dass die vom Beschuldigten beschriebene Situationsverkennung sicher auf dem diagnostizierten und dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung zuzuordnenden Störungsbild einer paranoiden Schizophrenie beruht. Es fehlt bereits an jeglicher Begründung für die Annahme des Landgerichts, dass das diagnostizierte Krankheitsbild seit mehreren Jahren bestehe. Seine Überzeugung von einer akuten floriden Beeinflussung des Beschuldigten zur Tatzeit hat sich das Landgericht allein aufgrund der Angaben des Beschuldigten verschafft, ohne diese kritisch daraufhin zu hinterfragen, ob die geschilderten Symptome mit dem angenommenen Störungsbild vereinbar sind. Auch soweit das Landgericht die Ausführungen des Sachverständigen dahin wiedergibt, „unter Würdigung aller aktuell vorliegenden Informationen“ sei „davon auszugehen“, dass die auf die Psychose zurückzuführenden psychopathologischen Auffälligkeiten den Beschuldigten außerstande gesetzt hätten zu erkennen, dass es sich bei seinen Handlungen um eine Straftat handele, vermag der Senat nicht zu erkennen, auf welcher Tatsachengrundlage diese sachverständige Einschätzung beruht.
14
b) Schließlich hält auch die Begründung der Gefährlichkeitsprognose rechtlicher Überprüfung nicht stand. Sie ist – auch – auf die nicht näher begründete und nicht nachvollziehbare Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen gestützt, dass der Beschuldigte bereits im Jahr 2016 einen räuberischen Diebstahl „unter dem Einfluss psychotischen Erlebens“ begangen habe. Diese Folgerung beruht ersichtlich allein auf der – bereits für sich genommen nicht tragfähig belegten – Annahme, dass der Beschuldigte bereits zum damaligen Tatzeitpunkt unter paranoider Schizophrenie litt. Dies ist rechtlich durchgreifend bedenklich. Die Diagnose einer paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis führt für sich genommen nicht zur Fest- stellung einer generellen oder längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung oder Aufhebung der Schuldfähigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018 – 1 StR 33/18). Es bedarf vielmehr auch hier einer konkretisierenden Darlegung, in welcher Weise sich das festgestellte Krankheitsbild bei Begehung der jeweiligen Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten in der jeweiligen konkreten Tatsituation ausgewirkt haben soll (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2017 – 1 StR 63/17; Beschlüsse vom 16. März 2017 – 4 StR 11/17; und vom 6. September 2017 – 1 StR 307/17). Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen eine Tat – wie hier das der Vorverurteilung zugrundeliegende strafbare Tun des Beschuldigten – zwanglos auch normalpsychologisch erklären lässt.
15
3. Das Urteil beruht auf diesen Rechtsfehlern (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Sache bedarf daher insgesamt – naheliegender Weise unter Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen – neuer Verhandlung und Entscheidung.
Sost-Scheible Roggenbuck Quentin Feilcke Bartel

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 505/18
vom
5. Februar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u. a.
ECLI:DE:BGH:2019:050219B2STR505.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. Februar 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 25. Juli 2018 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Bonn zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen räuberischen Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einer Vorverurteilung zu zwei Jahren und sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Mit Beschluss vom 17. März 2016 (2 StR 544/15) hatte der Senat dieses Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang hatte das Landgericht den Angeklagten mit Urteil vom 20. Februar 2017 wegen Diebstahls in Tateinheit mit Nötigung und versuchter Körperverletzung zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Nach Aufhebung auch dieses Urteils – ebenfalls auf Revision des Angeklagten – und Zurückverweisung der Sache durch Senatsbe- schluss vom 7. März 2018 (2 StR 353/17) hat das Landgericht den Angeklagten nunmehr wegen Diebstahls in Tateinheit mit Nötigung unter Einbeziehung der Geldstrafe aus der Vorverurteilung zu neun Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge erneut Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen entwendete der Angeklagte in einem Kaufhaus einen Pullover, um diesen zeitnah zu verkaufen und sich von dem Erlös Lebensmittel zu kaufen. Er wurde von einem Angestellten des Kaufhauses beobachtet , der dem Angeklagten nach Verlassen der Geschäftsräume folgte. Als er den Angeklagten eingeholt hatte, wandte sich dieser plötzlich zu ihm um, zog ein Messer mit feststehender Klinge hervor, nahm eine bedrohliche Körperhal- tung ein und nötigte den Angestellten verbal („verpiss Dich, Du Hurensohn“) sowie unter Vorhalt des Messers dazu, von weiterer Verfolgung abzulassen. Auf seiner weiteren Flucht wurde der Angeklagte von dem Kaufhausdetektiv, der kurz nach dem Angestellten die Verfolgung des Angeklagten aufgenommen hatte, verfolgt und schließlich eingeholt. Der Angeklagte wandte sich mit einer Drehbewegung dem Kaufhausdetektiv zu und stach mit dem Messer in Richtung von dessen Kopf, wobei er Verletzungen billigend in Kauf nahm. Dem Detektiv gelang es, dem Messerstich auszuweichen; seine Bemühungen, den Angeklagten festzuhalten oder weiter zu verfolgen, gab er auf. Der Angeklagte erkannte, dass er weitere Stichbewegungen würde machen müssen, wenn er den Detektiv noch verletzen wollte und entschloss sich aus freien Stücken, hiervon abzusehen.
3
Es konnte nicht geklärt werden, ob der Angeklagte das Messer einsetzte, um sich den Besitz des entwendeten Pullovers zu erhalten. Das Landgericht hat ferner – der psychiatrischen Sachverständigen folgend – angenommen, dass der Angeklagte, der zum Tatzeitpunkt „unter einer schon seit Jahren bestehen- den psychotischen Erkrankung im Sinne einer hebephrenen Schizophrenie“ „durchgehend in einem Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB“ handelte.
4
2. Das angefochtene Urteil hält sachrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Urteilsgründe sind zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten in sich widersprüchlich und lückenhaft und entziehen damit sowohl dem Schuldspruch als auch der Maßregelanordnung die Grundlage. Auf die von der Revision erhobene Verfahrensrüge kommt es nicht an.
5
a) Die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfolgt prinzipiell mehrstufig (BGH, Beschlüsse vom 11. April 2018 – 4 StR 446/17 Rn. 7 und vom 14. Juli 2016 – 1 StR 285/16; Urteile vom 1. Juli 2015 – 2 StR 137/15, NJW 2015, 3319, 3320 Rn. 17 und vom 12. März 2013 – 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519, 520 Rn. 7). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Hierzu ist das Gericht jeweils für die Tatsachenbewertung auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befunds wie bei der Prüfung der aufgehobenen oder erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tat- zeit um Rechtsfragen. Deren Beurteilung erfordert konkretisierende und widerspruchsfreie Darlegungen dazu, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2018 – 1 StR 457/18 Rn. 10; vom 4. April 2018 – 1 StR 116/18 Rn. 6 jeweils mwN).
6
b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
7
Zwar ist die beim Angeklagten sachverständig diagnostizierte hebephrene Schizophrenie eine krankhafte seelische Störung im Sinne von § 20 StGB (Senat, Beschluss vom 14. Juli 2010 – 2 StR 278/10 Rn. 5 mwN). Die Diagnose einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie führt aber für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten, erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit. Erforderlich ist vielmehr stets die konkretisierende Darlegung , in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2018 – 4 StR 443/18 Rn. 6 mwN). Dies lassen die Urteilsgründe vermissen; sie sind insoweit in sich widersprüchlich und lückenhaft und belegen weder, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei der Tat erhalten war (nachfolgend aa) noch, dass sich die Psychose bei der Tatbegehung ausgewirkt hat (nachfolgend bb).
8
aa) Zunächst tragen die Urteilsgründe nicht die Annahme, die Voraussetzungen des § 20 StGB seien sicher ausgeschlossen. Der Schuld- und der Strafausspruch können deshalb keinen Bestand haben.
9
(1) Die Strafkammer stützt sich insoweit allein auf die Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen. Wenn sich der Tatrichter darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen , muss es dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306 mwN). Dies ist hier nicht geschehen. So bleibt unklar, welche konkreten Umstände im Zusammenhang mit der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat die Sachverständige – und ihr folgend die Strafkammer – herangezogen hat, die es erlauben würden, eine Aufhebung der Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit im Sinne des § 20 StGB sicher auszuschließen. Solcher Darlegungen hätte es aber bedurft , zumal bei einer Straftat, die etwa aus dysphorischer Verstimmung oder impulsiver Spannung aufgrund einer hebephrenen Schizophrenie begangen wurde, die Steuerungsunfähigkeit des Täters regelmäßig nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Juli 2010 – 2 StR 278/10 Rn. 8).
10
(2) Das Landgericht hat ferner einen entscheidungserheblichen Widerspruch in den im angefochtenen Urteil wiedergegebenen Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen zur maßgeblichen Frage, ob der Angeklagte zur Tatzeit in der Lage war, sich entsprechend seiner Unrechtseinsicht rechtmäßig zu verhalten, nicht aufgelöst. Einerseits wird – bei der Strafbarkeit des Angeklagten – ausgeführt, von einer „Aufhebung der Unrechtseinsichtsfähigkeit und einer Aufhebung des Realitätsbezugs“ könne nicht ausgegangen werden. Andererseits wird – bei der Gefahrprognose im Sinne des § 63 StGB – dargelegt , der Angeklagte werde aufgrund seiner krankheitsbedingt verzerrten Wahrnehmung immer wieder in Situationen wie der verfahrensgegenständlichen geraten , in denen er sich gezwungen sehe, ein Messer herauszuholen; in seinem Wahn (so handeln zu müssen) sehe er dann jede Form von Gewalt als legiti- mes Verteidigungsmittel an. Wäre der Einsatz des Messers jedoch durch einen krankheitsbedingten Wahn begründet, könnte dem Angeklagten zur Tatzeit die nach § 20 StGB erforderliche Einsichtsfähigkeit gefehlt haben.
11
bb) Die Urteilsgründe belegen andererseits aber auch nicht rechtsfehlerfrei , dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB war. Dies entzieht der Maßregelanordnung die Grundlage, die deshalb ebenfalls keinen Bestand haben kann.
12
(1) Die Frage, ob die Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung auf Grund einer festgestellten Störung im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war, ist tatsachengestützt zu begründen. Dies erfordert es, sowohl konkrete Feststellungen zum Ausmaß der vorhandenen Störung zu treffen als auch ihre Auswirkungen auf die Tat darzulegen (vgl. Senat, Urteil vom 22. April 2015 – 2 StR 393/14,NStZ-RR 2015, 306). Die Beurteilung der Erheblichkeit, die im Wesentlichen eine Rechtsfrage ist (Senat, Beschluss vom 28. September 2016 – 2 StR 223/16, NStZ-RR 2017, 37, 38), muss stets in Bezug auf eine bestimm- te Tat und einen konkreten Tatbestand erfolgen, sodass bei tateinheitlicher Verwirklichung mehrerer Tatbestände durchaus verschiedene Wertungsergebnisse entstehen können (BeckOK-StGB/Eschelbach, 40. Ed., § 21 Rn. 22, 23 mwN). Mitunter kann eine Auseinandersetzung damit geboten sein, ob in der Person des Angeklagten letztlich nicht nur Eigenschaften und Verhaltensweisen hervortreten, die sich im Rahmen dessen halten, was bei voll schuldfähigen Menschen anzutreffen und übliche Ursache für strafbares Verhalten ist (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Februar 2015 – 2 StR 420/14 Rn. 7 mwN).
13
(2) Daran fehlt es hier. Die Strafkammer hat es verabsäumt, in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise zu erörtern, ob sich die „weit vor 2014“ beim Angeklagten manifestierende hebephrene Schizophrenie auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation ausgewirkt haben. Den Erwägungen des Landgerichts fehlt eine tatbezogene Betrachtung. Einen Schub der schizophrenen Erkrankung hat das Landgericht für den konkreten Tatzeitpunkt nicht festgestellt. Auch lassen die im Urteil mitgeteilten Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen einen konkreten Bezug zur Tat nicht erkennen. Ohne Aussagewert ist es ferner, dass „das Ver- halten des Angeklagten krankheitsbedingt an das Verhalten Pubertierender er- innert“. Auch das vom Angeklagten gewonnene Bild, wonach dieser in Momenten emotionalen Aufgewühltseins oder der Verärgerung „keine hinreichende Impulskontrolle“ mehr habe, ist (abgesehen davon, dass es die Strafkammer entgegen den Urteilsgründen nicht aus Unmutsbekundungen während der Verkündung des zu diesem Zeitpunkt bereits getroffenen Urteils hatte gewinnen können) ohne Aussagekraft, weil nicht festgestellt ist, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat in einem solchen, seine Impulskontrolle beeinflussenden Zustand war. Unerörtert bleibt, dass die Tat des Angeklagten planvoll gesteuertes Handeln erkennen lässt, indem er Ware entwendete, von der er annahm, sie zeitnah veräußern und sich vom Erlös Lebensmittel kaufen zu können, was er dann auch tat. Insofern hätte für die Strafkammer Anlass bestanden, sich mit einem möglichen normalpsychologisch erklärbaren Beweggrund für die Tat auseinanderzusetzen. Hierzu verhalten sich die Urteilsgründe ebenfalls nicht.
14
3. Der Senat hebt das Urteil insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter zu ermöglichen, umfassende eigene und widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen. Er hat ferner von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO).
15
4. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
16
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstat auf Grund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und des von ihm begangenen Anlassdelikts zu entwickeln; sie muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten drohen und wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist. Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist das Tatgericht auch verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen , dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Dezember 2017 – 5 StR 388/17 Rn. 8 mwN).
17
b) Sollte der neue Tatrichter erneut annehmen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Tatbegehung erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB war, wird er die fakultativ bestehende Möglichkeit, den Strafrahmen nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern, in den Blick nehmen und erörtern müssen. Die erheblich verminderte Schuldfähigkeit verringert grundsätzlich den Schuldgehalt und damit die Strafwürdigkeit der Tat. Zwar können schulderhöhende Momente diese Verringerung des Schuldgehalts ausgleichen, so dass eine Milderung des Strafrahmens unterbleiben kann. Dies muss der Tatrichter aber ausdrücklich darlegen. Es reicht nicht aus, den sich aus § 21 StGB ergebenden Milderungsgrund ausschließlich bei der Strafzumessung im engeren Sinn zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2002 – 4 StR 448/02 Rn. 5 mwN).
Franke Appl Meyberg Grube Schmidt

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 463/16
vom
30. März 2017
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen Verdachts des versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:300317U4STR463.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. März 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 9. Juni 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung und versuchter Brandstiftung mit Todesfolge freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Mit der zugelassenen Anklage vom 12. April 2016 legt die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last, er habe am 27. November 2015 in seinem Zimmer im zweiten Obergeschoss einer Flüchtlingsunterkunft in der B. er Innenstadt auf unbekannte Weise vorsätzlich ein Feuer gelegt. Der Brand habe sich über die Möbel in seinem Zimmer ausgebreitet, dieses vollständig zerstört und dabei unter anderem die Dachvertäfelung, die hölzernen Fensterrahmen sowie die Türzargen und -blätter ergriffen. Wie vom Angeklagten vorhergesehen oder zumindest billigend in Kauf genommen, habe die starke Rauchentwicklung den Bewohnern der höheren Geschosse den Fluchtweg versperrt, deren Tod der Angeklagte somit in Kauf genommen habe. Zwei Hausbewohner hätten wegen des starken Rauchs auf das nasse Hausdach fliehen müssen und seien mittels einer Drehleiter gerettet worden.

II.


3
1. Nach den Feststellungen meldete sich der in G. geborene Angeklagte im Juli 2013 in Deutschland als Asylsuchender und bekam nach wenigen Monaten einen Platz in einer Flüchtlingsunterkunft in B. zugewiesen.
4
Der Angeklagte hatte ab dem 22. Lebensjahr gelegentlich – etwa alle ein bis zwei Monate, teilweise auch mit längeren Pausen – Marihuana konsumiert, ohne hiervon abhängig zu werden. Aufgrund dieses gelegentlichen Marihuanakonsums entwickelte sich bei ihm ab dem Sommer 2015 eine drogeninduzierte Psychose. Diese äußerte sich u.a. durch Größenideen, enthemmtes Verhalten und „fehlendes Risikobewusstsein im Umgang mit Feuer“. Am 19. Oktober 2015 wurde der Angeklagte nach Konflikten mit Mitbewohnern erstmals nach dem PsychKG NW in der Klinik in Be. stationär untergebracht. Der Angeklagte zeigte deutliche psychotische Symptome, wurde jedoch bereits am 20. Oktober 2015 mangels akuter Eigen- oder Fremdgefährdung wieder entlassen. Am 14. November 2015 wurde er abermals in die vorgenannte Klinik eingewiesen, nachdem er in der Küche seiner Unterkunft ein Feuer in einem Papierkorb entfacht hatte. Während der Unterbringung zeigte sich der Angeklagte erneut deutlich psychotisch mit Größenwahn und ent- hemmtem Verhalten, weshalb er zwangsweise medikamentös behandelt wurde. Am 24. November 2015 wurde er bei fehlender Behandlungseinsicht und ohne Hinweise auf eine fortbestehende akute Eigen- und Fremdgefährdung entlassen.
5
Am 27. November 2015 kam es in der Flüchtlingsunterkunft, in der zu dieser Zeit insgesamt 26 Bewohner untergebracht waren, zu einem Brand, dessen Ursache die Strafkammer nicht festzustellen vermocht hat. Brandzentrum war das im zweiten Obergeschoss gelegene Zimmer des Angeklagten, welches durch das Feuer vollständig zerstört wurde. Die starke Rauchentwicklung versperrte den Fluchtweg für die Bewohner der höheren Geschosse. Zwei Personen wurden durch die Feuerwehr vom Dach des Hauses gerettet, drei Personen mussten mit Rauchgasvergiftungen in ein Krankenhaus gebrachtwerden. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von etwa 150.000 Euro. Der Angeklagte wurde noch während der Löscharbeiten von der Polizei vor dem Haupteingang des Supermarktes gegenüber der Unterkunft angetroffen und vorläufig festge- nommen. Er war „zur Tatzeit“ krankheitsbedingtnicht in der Lage einzusehen, dass die Verursachung eines Brandes gefährlich, geschweige denn verboten ist.
6
Nach dem Brand wurde der Angeklagte erneut nach dem PsychKG NW in der Klinik in Be. untergebracht, wo er sich wiederum psychotisch zeigte. Nachdem er am 10. Dezember 2015 in der forensischen Psychiatrie in L. einstweilig untergebracht worden war, verschwanden die psychotischen Symptome ohne medikamentösen Einfluss nach zehn bis 14 Tagen vollständig und traten nicht wieder auf.
7
2. Die Schwurgerichtskammer hat die Frage der Täterschaft des Ange- klagten offengelassen, da „der Angeklagte mangels Schuldfähigkeit zur Tatzeit im Ergebnis ohnehin aus rechtlichen Gründen freizusprechen“ sei.
8
Nach den Ausführungen des psychiatrischen und des psychologischen Sachverständigen, denen sich das Landgericht angeschlossen hat, habe der Angeklagte im Tatzeitraum – zurückgehend auf seinen gelegentlichen Konsum von Marihuana – an einer drogeninduzierten Psychose gelitten. Diese Erkrankung habe dazu geführt, dass der Angeklagte der normalen Realitätswahrnehmung entrückt gewesen sei. Er habe eigene Wahrnehmungen in wahnhafte Vorstellungen eingebaut, ohne die Möglichkeit zur Korrektur gehabt zu haben. Wenn er Feuer gelegt habe, sei er nicht in der Lage gewesen, die Konsequenzen seiner Handlungen einzuschätzen. Dass er immer wieder Feuer entzündet habe, auch wenn er dabei gesehen worden sei, zeige, dass er nicht in der Lage gewesen sei einzusehen, dass sein Verhalten gefährlich und verboten sei. Auch zum Zeitpunkt der Brandlegung in der Unterkunft sei die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben gewesen. Selbst wenn „ein Rest an Einsichtsfähigkeit und Unrechtseinsicht“ vorhanden gewesen wäre, habe es jedenfalls an der Fä- higkeit des Angeklagten gefehlt, nach dieser Einsicht zu handeln, da er „krankheitsbedingten raptusartigen Impulsen keine hemmenden Kontrollen habe ent- gegensetzen können“.

III.


9
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Der Freispruch des Angeklagten kann nicht bestehen bleiben, weil der vom Landgericht vorgenommenen Schuldfähigkeitsbeurteilung durchgreifende rechtliche Bedenken begegnen.
10
1. Die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit eines Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfordert prinzipiell eine mehrstufige Prüfung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 399/16 Rn. 11; vom 1. Juli 2015 – 2 StR 137/15, NJW 2015, 3319, 3320; Beschluss vom 12. März 2013 – 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519, 520; vgl. auch Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß, NStZ 2005, 57). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt , die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Hierzu ist der Richter für die Tatsachenbewertung auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befunds wie bei der Prüfung einer aufgehobenen oder erheblich beeinträchtigten Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit um Rechtsfragen. Deren Beurteilung erfordert konkretisierende und widerspruchsfreie Darlegungen dazu, in welcher Weise sich die festgestellte Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 399/16 aaO; Beschlüsse vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135; vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306).
11
2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
12
a) Bereits die Annahme, der Angeklagte habe im Tatzeitraum an einer drogeninduzierten Psychose gelitten, wird durch das Landgericht im Rahmen seiner Ausführungen zur Beweiswürdigung nicht tragfähig begründet.
13
Schließt sich der Tatrichter – wie hier – den Ausführungen eines Sachverständigen an, müssen dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergegeben werden, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 19. Januar 2017 – 4 StR 595/16 Rn. 8; vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15 aaO; vom 27. Januar 2016 – 2 StR 314/15, NStZ-RR 2016, 167 [Ls]; vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14 aaO).
14
Die Strafkammer beschränkt sich darauf, die Diagnose der Sachverständigen wiederzugeben. Welche Anknüpfungs- und Befundtatsachen die Sachverständigen ihrer Bewertung zugrunde gelegt haben, wird dagegen nicht mitgeteilt. Es bleibt daher unklar, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Sachverständigen von einer drogeninduzierten Psychose ausgegangen sind. Dies hätte nicht zuletzt mit Blick auf den festgestellten nur gelegentlichen Marihuanakonsum des Angeklagten einer näheren Erläuterung bedurft. Die erfolgten Unterbringungen des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus und die hierbei gestellte Diagnose deuten zwar auf das Vorliegen einer psychischen Störung hin, vermögen aber eine konkrete Darlegung des Krankheitsbildes nicht zu ersetzen. Weder verhalten sich die Urteilsgründe zum Inhalt der Wahnvorstellungen des Angeklagten und zur konkreten Ausprägung des von ihm gezeigten enthemmten Verhaltens noch wird näher dargelegt, in welcher Weise sich das beim Angeklagten vorhandene Störungsbild auf dessen Umgang mit Feuer ausgewirkt hat. Soweit die Sachverständigen in Bezug auf die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten auf krankheitsbedingte raptusartige Impulse verwiesen haben, denen der Angeklagte keine hemmenden Kontrollen habe entgegensetzen können, fehlt hierfür jeglicher tatsachengestützter Beleg.
15
b) Das angefochtene Urteil lässt ferner eine Auseinandersetzung mit dem Schweregrad der angenommenen psychischen Störung vermissen und benennt nicht, welches Eingangsmerkmal im Sinne des § 20 StGB es als erfüllt ansieht. Letzteres darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch regelmäßig nicht offenbleiben (vgl. BGH, Urteil vom 29. September2015 – 1 StR 287/15, NJW 2016, 341; Beschlüsse vom 22. April 2008 – 4 StR 136/08, NStZ-RR 2009, 46; vom 12. November 2004 – 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 351).
16
c) Schließlich hätte die Schwurgerichtskammer die Täterschaft des Angeklagten nicht offenlassen dürfen. Für die Frage eines Ausschlusses oder einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit kommt es maßgeblich darauf an, in welcher Weise sich die festgestellte und unter eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumierende psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation ausgewirkt hat. Die Beurteilung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten kann daher – von offenkundigen Ausnahmefällen abgesehen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 1997 – 1 StR 17/97, NStZ 1997, 485, 486) – nicht abstrakt, sondern nur in Bezug auf eine bestimmte Tat erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 1 StR 56/15, NJW 2016, 728, 729; Urteile vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 54; vom 21. Dezember 2006 – 3 StR 436/06, NStZ-RR 2007, 105, 106; vom 6. Mai 1997 – 1 StR 17/97 aaO; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 20 Rn. 20a mwN; Perron/Weißer in Schönke/ Schröder, StGB, 29. Aufl., § 20 Rn. 31 mwN). Beurteilungsgrundlage ist das konkrete Tatgeschehen, wobei neben der Art und Weise der Tatausführung auch die Vorgeschichte, der Anlass zur Tat, die Motivlage des Angeklagten und sein Verhalten nach der Tat von Bedeutung sein können (vgl. BGH, Urteile vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03 aaO mwN; vom 4. Juni 1991 – 5 StR 122/91, BGHSt 37, 397, 402). Ohne entsprechende Feststellungen zum Tatgeschehen und damit auch zur Täterschaft des Angeklagten ist eine sachgerechte Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht möglich.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 595/16
vom
19. Januar 2017
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:190117B4STR595.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. Januar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 5. September 2016 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Geschehen bei den Taten vom 3. September 2015 (Ziffer II. 1 der Urteilsgründe) und den Vorfällen vom 14. Juli 2015 und 19. September 2015 (Ziffer II. 2 der Urteilsgründe ) aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen eingelegte und mit der Sachrüge begründete Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Beschuldigte befand sich in der Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 6. Januar 2016 insgesamt 29-mal zur stationären Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Dabei wurde bei ihm eine hebephrene Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis diagnostiziert.
4
Am 3. September 2015 gegen 16.35 Uhr überstieg der Beschuldigte in S. an einem Mehrparteienwohnhaus die Brüstung eines Außenbalkons, der sich auf Höhe des Erdgeschosses befand, und entwendete eine dort abgelegte Kunststofftasche, die mit leeren Pfandflaschen aus Glas und Kunststoff gefüllt war. Anschließend lief er torkelnd auf einem Fußweg entlang und warf die Kunststofftasche über seine Schulter. Dabei verlor er mehrere Flaschen. Als ihm der Geschädigte J. entgegenkam, der mit einem elektrischbetriebenen Rollstuhl auf dem Radweg fuhr, schlug er diesem die Kunststofftasche gegen den Kopf. Was ihn hierzu bewog, konnte nicht festgestellt werden. Der Geschädigte erlitt durch den Schlag eine blutende Platzwunde am Kopf. Die daraufhin alarmierten Polizeibeamten trafen den Beschuldigten gegen 16.50 Uhr in einer Einfahrt auf dem Boden sitzend an. Als der Beschuldigte von dem Polizeibeamten PHK B. nach seinem Namen gefragt und aufgefordert wurde, sich auszu- weisen, entgegnete er: „Den kriegt ihr nicht“. Anschließendbeleidigte er PHK B. und weitere Polizeibeamte, die in der Nähe standen. Als PHK B. dem Beschuldigten daraufhin ankündigte, dass er ihn nun nach Ausweisdokumenten durchsuchen werde, spuckte der Beschuldigte in seine Richtung, traf ihn jedoch nicht. In der Folge drückte PHK B. den Kopf und den Oberkörper des Beschuldigten nach unten, um ein weiteres Spucken zu verhindern und eine Durchsuchung zu ermöglichen. Der Beschuldigte versuchte, sich aufzubäumen und sich durch gleichzeitiges Schlagen und Treten aus der Fixierung zu befreien. Daraufhin wurden ihm die Arme auf dem Rücken gefesselt. Während der anschließenden Durchsuchung nach Ausweispapieren trat und schlug der Beschuldigte aus sitzender Position um sich. Dass dabei einer der eingesetzten Polizeibeamten getroffen wurde, konnte nicht festgestellt werden. Bei der Verbringung in das Polizeifahrzeug versuchte der Beschuldigte nochmals, PHK B. zu treten, ohne ihn zu treffen. Eine dem Beschuldigten um 18.17 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Alkoholkonzentration von 1,73 Promille auf.
5
2. Das Landgericht hat den Schlag des Beschuldigten mit der gefüllten Kunststofftasche als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB und das Verhalten gegenüber den Polizeibeamten als versuchte Körperverletzung (§ 223 Abs. 2, § 23 Abs. 1, § 22 StGB) und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 Abs. 1 StGB gewertet. Von der Verfolgung der Beleidigungen hat es nach § 154a Abs. 2 StPO abgesehen. Die Strafkammer ist im Anschluss an die Ausführungen des angehörten Sachverständigen davon ausgegangen, dass bei dem Beschuldigten eine hebephrene Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis vorliege, die seine gesamte Persönlichkeit überformt habe. Er sei deshalb nicht „zu rationalem Kognitionsvermögen in der Lage“, weise anhaltende Störungen der Ich-Grenzensowie der Ich-Funktionen auf und habe auch Defizite in Bezug auf moralisch-ethische Normvorstellungen. Darüber hinaus liege eine intellektuelle Grenzbegabung vor. Erschwerend komme eine anankastische und schizotype Persönlichkeitsstörung zum Tragen. Die Psychose habe sich bereits im jungen Erwachsenenalter entwickelt und sei mit einem „episodisch auftretenden Suchtmittelmissbrauch“ gepaart (UA 18). Zur Tatzeit seien die psychopathologischen Phänomene durch einen mittelschweren Alkoholrausch verstärkt worden. Die Kombination all dieser Elemente berechtige in der Summe zu der Annahme einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung (UA 19). Es sei davon auszugehen, dass bei dem Beschuldigten deshalb die Einsichts- und die Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen seien (UA 20). Von ihm seien infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden. Die gefährliche Körperverletzung und die versuchte Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte seien zumindest der mittleren Kriminalität zuzurechnen.

II.


6
Die Anordnung der Unterbringung muss aufgehoben werden, weil die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten und die daran anknüpfende Kriminalprognose revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht standhalten.
7
1. Die Wertung des Landgerichts, der Beschuldigte habe an einer hebephrenen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis sowie an einer anankastischen und einer schizotypen Persönlichkeitsstörung gelitten, ist nicht ausreichend belegt.
8
a) Beschränkt sich das Tatgericht – wie hier – darauf, der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit zu folgen, muss es die hierfür wesentlichen Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben , wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (BGH, Urteil vom 23. November 2016 – 2 StR 108/16, Rn. 8; Beschluss vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135; Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13, NStZ 2014, 36, 37 mwN).
9
b) Dem werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Die Strafkammer gibt darin lediglich die Diagnosen des Sachverständigen wieder. Welche Anknüpfungsund Befundtatsachen der Sachverständige seinen Diagnosen zugrunde gelegt hat, wird nicht mitgeteilt. Der Umstand, dass sich der Beschuldigte vielfach in psychiatrischen Krankenhäusern zur Behandlung befand und ihm dort die Diagnose einer hebephrenen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis gestellt wurde, deutet zwar auf eine gravierende Erkrankung in diesem Bereich hin, vermag aber eine konkrete Darlegung des Krankheitsbildes nicht zu erset- zen. Soweit in Bezug auf die „normative Einsichtsfähigkeit“ des Beschuldigten davon die Rede ist, dass er „vielfach unter Beweis gestellt habe, dass er diesbezüglich sehr schlecht ausgestattet sei“, bei Maßnahmen der Wiedereingliederungshilfe „krankheitsbedingt immer wieder dekompensiert“ sei und „mitunter ein aggressives Verhalten gezeigt“ (UA 4 und 18) habe, fehlt es an einer nachvollziehbaren Darstellung der in Bezug genommenen Vorfälle und deren Beleg.
10
2. Die Urteilsgründe lassen auch nicht deutlich werden, dass der die Annahme von Schuldunfähigkeit begründende Zustand auf einem länger andauernden Defekt beruht.
11
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defektes schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Dieser Zustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2015 – 2 StR 358/14, BGHR StGB § 63 Zustand 44; Beschluss vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142; Beschluss vom 12. November 2004 – 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 351 mwN). Grundsätzlich verbietet sich daher die Un- terbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, wenn der Ausschluss oder die erhebliche Minderung der Schuldfähigkeit nicht schon allein durch einen solchen, länger andauernden Defekt, sondern erst durch aktuell hinzutretenden Genuss berauschender Mittel, insbesondere Alkohol, herbeigeführt worden ist. In solchen Fällen kommt die Unterbringung nach § 63 StGB aber ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Täter in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist, an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder aufgrund eines psychischen Defektes alkoholsüchtig ist, der, ohne pathologisch zu sein, in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichsteht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2006 – 2 StR 430/06, NStZ-RR 2007, 73; Urteil vom 8. Januar 1999 – 2 StR 430/98, BGHSt 44, 338, 339 mwN). Ein Zustand im Sinne des § 63 StGB liegt aber – entsprechend obiger Rechtsprechung – auch dann vor, wenn der Täter an einer länger dauernden geistig-seelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2016 – 4 StR 161/16, Rn. 11; Urteil vom 29. September 2015 – 1 StR 287/15, NJW 2016, 341 f., Beschluss vom 1. April 2014 – 2 StR 602/13, NStZ-RR 2014, 207 [Ls.], jew. mwN), wenn tragender Grund seines Zustandes mithin die länger andauernde krankhafte geistig-seelische Störung und die Alkoholisierung lediglich der auslösende Faktor war und ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 – 2 StR 483/98, BGHSt 44, 369, 374).
12
b) Das landgerichtliche Urteil enthält hierzu keine ausreichenden Feststellungen. Die Strafkammer geht – wiederum dem Sachverständigen folgend – davon aus, dass bei dem Beschuldigten bei der Begehung der Anlasstaten eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung vorgelegen habe. Hierzu habe auch der festgestellte mittelschwere Rausch beigetragen. Eine durch einen Rausch mit- verursachte tiefgreifende Bewusstseinsstörung ist aber in der Regel kein Zustand von längerer Dauer. Zur Einordnung der zeitstabilen Defekte (hebephrene Schizophrenie, anankastische und schizotype Persönlichkeitsstörung) unter ein Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 StGB (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 14. Juli 2010 – 2 StR 278/10, Rn. 5 [hebephrene Schizophrenie als krankhafte seelische Störung im Sinne von § 20 StGB]), zu deren Auswirkung auf die Schuldfähigkeit unabhängig von der akuten Alkoholisierung (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1991 – 3 StR 69/91, NStZ 1991, 527, 528; Beschluss vom 12. November 2004 – 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 352), zu eventuellen Interdependenzen und zu einer möglichen Alkoholsucht des Angeklagten verhalten sich die Urteilsgründe nicht.
13
3. Auch die Gefährlichkeitsprognose genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.
14
a) Die für eine Unterbringung nach § 63 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist nur dann gegeben, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 2015 – 4 StR 277/15, NStZ-RR 2016, 77 [Ls]; Urteil vom 10. Dezember 2014 – 2 StR 170/14, NStZ-RR 2015, 72, 73 mwN).
15
b) Eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Begehung erheblicher Straftaten wird durch die Urteilsgründe nicht belegt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen die Strafkammer auch insoweit gefolgt ist, werde der Beschuldigte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erneut straffällig werden, unter Umständen auch erheblich. Bei Impulsdurchbrüchen sei mit erheblichen Straftaten zu rechnen, etwa mit Taten vergleichbar der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten J. . Diesen Darlegungen lässt sich nicht entnehmen, unter welchen Bedingungen mit derartigen Impulsdurchbrüchen zu rechnen und wie groß die Gefahr einer Wiederholung in der Zukunft ist. Soweit die Strafkammer abschließend ausführt, dass für eine hohe Wiederholungswahrscheinlichkeit spreche, dass dem Übergriff auf den Geschädigten J. kein Streit vorausgegangen und auch ein sonstiger Anlass für diese Tat nicht erkennbar sei, fehlt dafür jeglicher Beleg. Schließlich hätte die Strafkammer auch in ihre Erwägungen einbeziehen müssen, dass der Beschuldigte , als er am 14. Juli 2015 bei einem Ladendiebstahl gestellt wurde, zwar einen Fluchtversuch unternahm, dabei und danach aber keine Gewalt mehr anwandte.
16
4. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den rechtswidrigen Anlasstaten vom 3. September 2015 (äußeres Tatgeschehen) und den Vorfällen vom 14. Juli 2015 und 19. September 2015 (objektives Geschehen) können bestehen bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch tretende Feststellungen sind möglich. Es ist nicht auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden, die die Einweisung des Angeklagten in eine psychiatrische Anstalt gemäß § 63 StGB rechtfertigen.
17
5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat noch auf das Folgende hin:
18
a) Nach der gesetzlichen Konzeption kann die Anwendung des § 20 StGB nicht auf beide Alternativen gestützt werden. Erst wenn sich ergeben hat, dass der Täter in der konkreten Tatsituation einsichtsfähig war, kann sich die Frage nach seiner Steuerungsfähigkeit stellen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2006 – 2 StR 394/05, NStZ-RR 2006, 167, 168; Kaspar in SSW-StGB, 3. Aufl., § 20 Rn. 27 mwN).
19
b) Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202). Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis gelangen , dass von dem Beschuldigten in Zukunft (auch) Taten vergleichbar der Anlasstat zum Nachteil der eingesetzten Polizeibeamten zu erwarten sind, wird er bei deren Gewichtung in den Blick zu nehmen haben, dass Angriffe gegen Personen, die professionell mit derartigen Konfliktsituationen umgehen, dafür entsprechend geschult sind und in der konkreten Situation über besondere Hilfs- und Schutzmittel verfügen, möglicherweise weniger gefährlich sind. Bei der Beurteilung der versuchten Körperverletzung wird zu bedenken sein, dass wenig erfolgversprechend angelegte und deshalb leicht zu vereitelnde Versuche nur eine eingeschränkte Bedrohung für die betroffenen Rechtsgüter darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2011 – 4 StR 267/11, Rn. 20).
Sost-Scheible Franke Bender
Quentin Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 33/18
vom
17. Mai 2018
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2018:170518B1STR33.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 17. Mai 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27. September 2017 mit Ausnahme der Feststellungen zu dem jeweiligen äußeren Tatgeschehen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und einen Betrag von 2.514 Euro sowie zahlreiche Asservate eingezogen. Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision, die weitgehenden Erfolg hat.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Beschuldigte leidet an einer paranoiden Schizophrenie. Dies führ- te zu einem „grundlegenden paranoiden Symptom“ mit bizarren Gedankeninhal- ten, formalen Denkstörungen, einer auffälligen Apathie, inadäquaten Affekten und einer verminderten Leistungsfähigkeit. Seit Mitte der 1980er Jahre war sein Leben geprägt von teilweise jahrelangen Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken und Justizvollzugsanstalten. 1997 war gegen ihn bereits die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden, diese Maßregel wurde 2012 für erledigt erklärt. Während der Maßregel wurde er wegen Diebstahls verurteilt, auch danach erfolgten weitere Verurteilungen, vor allem wegen Diebstahls. Nach seiner letzten Haftentlassung im Juni 2016 war der Beschuldigte obdachlos. Nachdem er am 23. November 2016 wegen eines Sturzes in ein Krankenhaus gebracht worden war, wurde er von dort wegen bedrohlichen Verhaltens und psychischer Auffälligkeit in eine psychiatrische Klinik gebracht, wo er auch als bedrohlich und psychotisch beschrieben wurde. Obwohl am 24. November 2016 die vorläufige Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB beantragt worden war, wurde der Beschuldigte vier Tage später entlassen und seitens der Klinik die Aufhebung der vorläufigen Unterbringung beantragt, da eine geschlossene psychiatrische Krankenhausbehandlung nicht mehr erforderlich sei.
4
2. Zwischen dem 30. November und dem 18. Dezember 2016 beging der Beschuldigte vier Einbruchstaten. Dabei handelte er stets in der Absicht, sich eine Einnahmequelle von einigem Umfang und Dauer zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes zu verschaffen. Aufgrund seiner psychotischen Erkrankung war dabei in allen Fällen seine Steuerungsfähigkeit sicher erheblich vermindert, nicht ausschließbar aufgehoben. Im Einzelnen:
5
a) In der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember 2016 drang der Beschuldigte in N. in im Erdgeschoss gelegene Büroräume ein, indem er die Fensterscheibe zum Waschraum aufhebelte. Er führte ein Beil mit sich. Er durchsuchte die Räumlichkeiten nach werthaltigen Gegenständen und nahm Schmuckgegenstände und zwei Uhren im Wert von 750 Euro mit, um sie für sich zu behalten.
6
b) Zwischen dem 30. November und dem 11. Dezember 2016 verschaffte sich der Beschuldigte Zutritt zu einem Kellerabteil eines Wohnhauses. Die Sicherung durch ein Vorhängeschloss überwand er, indem er den angenagelten Riegel lockerte, so dass sich die Holzlattentür öffnen ließ. Er entwendete die werthaltigen Gegenstände, wie Koffer, Taschen und einige Schmuckgegenstände im Wert von 800 Euro, um sie für sich zu behalten.
7
c) Zwischen dem 7. und dem 9. Dezember 2016 hielt sich der Beschuldigte im Keller desselben Wohnhauses auf. Hier befand sich eine Tür, die zum Funduskellerraum der im Nachbarhaus gelegenen Ballettschule führte. Von dieser Seite war die Tür mit Styroporplatten verkleidet, davor standen Regale mit Kartons. Der Beschuldigte drückte kraftvoll gegen diese Tür, so dass er in den Keller der Ballettschule gelangte. Die Regale mit den Kartons stellte er wieder auf, so dass die schadhafte Verkleidung nicht auf Anhieb sichtbar war. Er entwendete Modeschmuck und zahlreiche Bekleidungsgegenstände von Ballettartikelherstellern , die die Ballettschule vertrieb, im Gesamtwert von etwa 10.000 Euro. Außerdem nahm er aus einem Porzellanschwein 100 Euro und aus der aufgehebelten Registrierkasse die dort befindlichen 40 Euro. Er nahm aber auch den Schlüssel zur Eingangstür mit; mit diesem verließ er die Ballettschule durch die Eingangstür, die er ordnungsgemäß verschloss.
8
d) Am 18. Dezember 2016 gelangte der Beschuldigte gegen 5.20 Uhr über ein im Innenhof befindliches Baugerüst auf den Balkon im zweiten Obergeschoss , der zur Wohnung der Geschädigten K. und Kö. gehörte. Dabei hatte er ein Taschenmesser in seiner Hosentasche. Die verriegelte Balkontür drückte er gewaltsam auf und kam so in die Wohnung. Hier entwendete er aus einer Handtasche eine kostspielige Sonnenbrille und die Geldbörse, die er zwischen die zwei von ihm getragenen Jacken steckte und die dort durch den Bund der äußeren Jacke gehalten wurden. Als er sich im Bereich der Garderobe befand, wurde die Geschädigte K. wegen des Scheins der Ta- schenlampe im ansonsten dunklen Flur auf ihn aufmerksam. Sie schrie „Einbrecher“ , woraufhin der Beschuldigte durch die Wohnungstür zu entkommen versuchte. Dies gelang ihm nicht, da die Geschädigte ihn in ein Gerangel verwickelte. Durch den Schrei aufmerksam geworden, betrat nun der Geschädigte Kö. den Flur und forderte den Beschuldigten auf, sich auf den Boden zu legen. Das tat der Beschuldigte aber nicht, er ging vielmehr auf Kö. zu und versuchte, ihm Faustschläge zu versetzen, um unerkannt mit der Beute entkommen zu können. Tatsächlich traf er Kö. , dessen dadurch hervorgerufene Ablenkung der Beschuldigte zu nutzen suchte, um die Wohnungstür mit dem steckenden Schlüssel aufzusperren und zu entkommen. Er stieß hierzu die im Wege stehende K. zur Seite, wurde aber letztlich durch Kö. zu Boden gebracht. Dort leistete er keine Gegenwehr mehr und wurde festgenommen.
9
Die Beute aus den Taten konnte entweder am Beschuldigten oder in mehreren Schließfächern im Bahnhof sichergestellt werden.

II.


10
1. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind rechtsfehlerfrei getroffen.
11
2. Die Unterbringung des Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB kann jedoch keinen Bestand haben.
12
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur angeordnet werden, wenn unter anderem zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstat aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung im Sinne eines der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. In diesem Zusammenhang ist darzulegen, wie sich die festgestellte, einem Merkmal der §§ 20, 21 StGB unterfallende Störung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichtsoder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden Zustand zurückzuführen sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 25. Juli 2017 – 3 StR 119/17; Urteil vom 9. August 2017 – 1 StR 63/17).
13
b) Den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Feststellung der ursächlichen Verknüpfung zwischen dem Zustand, in dem der Beschuldigte sich befand, und der ihm zur Last gelegten Taten genügen die Urteilsgründe nicht.
14
Die Diagnose entweder einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie oder einer psychotischen Störung führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit. Es hätte vielmehr einer konkretisierenden Darlegung bedurft, in welcher Weise sich das festgestellte Krankheitsbild bei Begehung der Taten auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten in den jeweiligen konkreten Tatsituationen ausgewirkt haben soll (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 9. August 2017 – 1 StR 63/17; Beschlüsse vom 16. März 2017 – 4 StR 11/17 und vom 6. September 2017 – 1 StR 307/17).
15
Hierzu stellt das Landgericht lediglich allgemein fest, dass die Steue- rungsfähigkeit „aufgrund der festgestellten dauerhaften massiven Veränderung seiner Persönlichkeitsstruktur mit Impulskontrollstörungen“ sicher erheblich vermindert, eine wahnbedingte Aufhebung der Einsichtsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden könne. Konkrete Feststellungen zu einem etwaigen Effekt der psychischen Erkrankung auf die Tatbegehungen sind indes weder ausdrücklich getroffen noch lassen sie sich den Urteilsgründen sonst entnehmen.
16
Anzeichen für wahnhaftes Erleben, formale Denkstörungen, krankhaft leistungsgemindertes oder apathisches Verhalten – die als psychopathologische Verhaltensweisen des Beschuldigten festgestellt werden –, lassen sich in den von zielgerichteter und zweckmäßiger Ausführung unter Vermeidung von Entdeckungsrisiken geprägten Einbruchstaten, die zudem zahlreiche planerische Elemente aufweisen, nicht ausmachen. Dies zeigt sich in der jeweiligen situationsangepassten und sachgerechten Zutrittsweise zu den Diebstahlsobjekten. Auch wählte der Beschuldigte für die Tatbegehung in den Fällen 2.a. und d. jeweils die Nachtzeit, im Fall 2.d. führte er eine Taschenlampe mit, deren Gebrauch nahe liegt, um nachts in fremden Wohnungen unbemerkt nach werthaltigen Gegenständen suchen zu können. Im Fall 2.c. richtete er den Keller nach seinem Eindringen so wieder her, dass die beschädigte Türverkleidung zunächst nicht auffiel, und wählte den regulären Ausgang über die Tür, für die er den Schlüssel mitführte. Angesichts dieser Tatbilder vermag auch der Umstand , dass der Beschuldigte wenige Tage vor den Taten in einer psychiatrischen Klinik als psychotisch beschrieben worden ist, nicht den Schluss auf eine psychotische Beeinflussung der Taten zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2017 – 1 StR 63/17), zumal da diese Einschätzung durch das spätere Verhalten der Klinik an Bedeutung verliert.
17
Dass die Tatbegehungen in seiner krankheitsbedingten Persönlichkeitsveränderung wurzeln, erschließt sich ebenfalls nicht. Als imponierende Persönlichkeitszüge werden dargestellt eine feindliche Wahrnehmung der Umwelt, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, weitschweifige und sprunghafte Erzählweise ; wie solche Verhaltensweisen sich auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten bei der Begehung der Taten ausgewirkt haben sollen, bleibt unerörtert. Dies gilt auch für die schon nicht mit konkreten Verhaltensweisen des Beschuldigten unterlegte Impulskontrollstörung. Dass diese Ursache für die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit gewesen sein soll, hätte angesichts der Nutzung der Nachtzeit für die entdeckungsgeneigten Taten in den Fällen 2.a. und d., der zweckmäßigen Ausrüstung und der Konzentration auf werthaltige Gegenstände bei allen Taten, konkretisierender Darlegung bedurft. Hinzu tritt, dass sich das Landgericht davon überzeugt hat, dass der Beschuldigte die Taten beging, um sich aus den Erlösen eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen, was auch das Motiv nachvollziehbar und ohne Zusammenhang zur diagnostizierten Störung erscheinen lässt.
18
Die von der Strafkammer mitgeteilte Einschätzung des Sachverständigen , im Fall 2.c. „könne das Loch in der Wand vom Beschuldigten wahnhaft interpretiert worden sein“ und im Fall 2.d. könne „der Wahn sich aus der“ später fallen gelassenen „Schilderung“ des Beschuldigten gegenüber den Polizeibe- amten ergeben, der Geschädigte Kö. habe ihn entführt oder ihn mit dem Brotmesser angegriffen, „falls es sich hierbei nicht um Rechtfertigungsversuche handele“, bleibt spekulativ und vermag eine Beeinflussungdieser Taten durch die psychotische Erkrankung des Beschuldigten ebenso wenig tragfähig zu belegen.
19
Über die Maßregelanordnung muss deshalb umfassend neu verhandelt und entschieden werden.
20
3. Die rechtsfehlerhafte Einziehungsentscheidung (vgl. § 413 StPO) wird ohnehin von der Aufhebung miterfasst.
Raum Jäger Bellay
Cirener Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 63/17
vom
9. August 2017
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:090817U1STR63.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. August 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Bellay, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29. September 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet er sich mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, das Urteil mit Ausnahme der Feststellungen zu den der Maßregelanordnung zugrunde liegenden rechtswidrigen Taten auf die Sachrüge hin aufzuheben. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der zum Urteilszeitpunkt 44 Jahre alte Beschuldigte erkrankte vor etwa 20 Jahren an paranoider Schizophrenie. Schon vor der ersten Diagnose dieser Krankheit wurde er u.a. wegen eines im November 1991 begangenen vorsätzlichen Vollrauschs zu zwei Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, dass der alkoholisierte Beschuldigte seinem Vermieter nachts mit einem eigens präparierten Messer einen Stich in die Brust versetzte, nachdem dieser ihm wegen Lärmbelästigung den Strom abgedreht hatte.
4
Akustische Halluzinationen traten bei ihm erstmals 1996 oder 1997 auf. Im Juli 2000 war bereits einmal die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden. Dem lagen als Diebstahl in zwei Fällen, vorsätzlicher gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gewertete Anlasstaten zu Grunde. Im Oktober 2007 ist diese Maßregel zur Bewährung ausgesetzt und fünf Jahre später für erledigt erklärt worden. Im Rahmen der Unterbringung war der Beschuldigte medikamentös eingestellt worden; während der Bewährungszeit ließ er sich mit Depotpräparaten behandeln. Nach der Erledigung der Unterbringung bezog er 2013 eine eigene Wohnung. Ende des Jahres 2014 begann er, entgegen ärztlichem Rat seine Medikamente nach und nach abzusetzen. Im Verlauf des Jahres 2015 trank er auch wieder verstärkt Alkohol. Er wurde mehrmals von der Polizei betrunken in hilfloser Lage aufgefunden; zudem kam es zu Vorfällen im Zusammenhang mit Eigentumsdelikten. Im August 2015 fiel er nach einem Ladendiebstahl durch unangemessenes Verhalten, u.a. Wein- und Lachanfälle, auf.
5
1. Erste Anlasstat:
6
Am 7. November 2015 übergab der Beschuldigte seinem Nachbarn A. einen neu gekauften MP3-Player mit der Bitte, darauf Musikdateien aufzuspielen. Da der Nachbar sich vor dem Beschuldigten fürchtete - er hatte ihn seit seinem Einzug im April 2015 als psychisch auffällig erlebt - und den Be- schuldigten nicht zu verärgern wünschte, wollte er dem Anliegen nachkommen. Das Aufspielen gelang ihm jedoch nicht, sodass er den MP3-Player an den Be- schuldigten zurückgab und dabei bemerkte, dieser sei kaputt. „Infolge der be- stehenden paranoiden Schizophrenie gelangte der Beschuldigte zu der Über- zeugung“, seinNachbar sei für den angeblichen Defekt des MP3-Players verantwortlich und sei ihm deshalb zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet. Er forderte deswegen erfolglos die Erstattung des Kaufpreises in Höhe von 35 € von seinem Nachbarn. Dessen Anregung, gemeinsam zum Verkäufer zu gehen und auf einen Umtausch des Geräts zu bestehen, lehnte der Beschuldigte ab.
7
Gegen 3.30 Uhr am frühen Morgen des 10. November 2015 klopfte und klingelte der Beschuldigte an der Wohnungstür seines Nachbarn, um von diesem die Zahlung von Schadensersatz zu verlangen. Der Nachbar A. wachte zwar auf, öffnete aber aus Angst vor dem Beschuldigten nicht. Der Beschuldigte trat nun mit zwei kräftigen Tritten die Türe ein, ging zum Bett des Nachbarn und riss den daneben befindlichen WLAN-Router aus der Wand. Sodann zerrte er seinen Nachbarn an der Schulter aus dem Bett, schrie ihn an und forderte Geld für den defekten MP3-Player. Der verängstigte Nachbar bot dem Be- schuldigten 30 € in Scheinen an. Der Beschuldigte riss ihm das Geld aus der Hand und äußerte „Willst du mich verarschen?“. Er versetzte seinem Nachbarn, der den Angriff geahnt und sich abgewandt hatte, einen schmerzenden Faustschlag auf den Rücken und verließ die Wohnung. Noch vor dem Eintreffen der Polizei gegen 5.00 Uhr klebte der Beschuldigte ein von ihm mit den Worten „UNEHREN-HaFt entlassen! FRC“ beschriebenes DIN A4-Blatt an die Woh- nungstür des Nachbarn.
8
Nach dieser Tat zog der Beschuldigte um. Im Laufe des Jahres 2016 befand er sich mehrmals in psychiatrischer Behandlung. Bei jedem Aufenthalt stellten die Ärzte eine ausgeprägte Verlorenheit bzw. Zerfahrenheit des Denkens fest; Anfang Januar 2016 wurden Verfolgungsgedanken und akustische Halluzinationen diagnostiziert, nachdem der Beschuldigte angegeben hatte, er höre das Herz der aufnehmenden Ärztin schlagen und sein Nachbar breche bei ihm ein und stehle. Am 11. April 2016 begab er sich aus eigenem Antrieb zur ambulanten Behandlung, dort wurde bei ihm das Vorliegen von psychotischen Symptomen festgestellt. Die orale Einnahme eines Medikaments wurde verordnet. Am 26. Mai 2016 wurde der Beschuldigte mit einer Blutalkoholkonzentration von zwei Promille in einer Klinik aufgenommen, zuvor befand er sich vom 12. bis zum 16. Mai 2016 stationär in Behandlung. Bei seiner Aufnahme hatte er angegeben, er sehe „quadratisch in 3D“ und komme allein nicht mehr zu- recht. Es wurde eine paranoide Schizophrenie und eine Alkoholabhängigkeit diagnostiziert und ihm ein Neuroleptikum verabreicht.
9
2. Zweite Anlasstat:
10
Am 21. Mai 2016 wollte der alkoholisierte Beschuldigte in einem Lebensmittelmarkt eine Literdose Bier stehlen. Dazu nahm er eine solche Bierdose aus dem Regal und steckte sie in die mitgeführte Stofftasche. Eine kleinere und preiswerte Bierdose nahm er ebenfalls aus dem Regal und begab sich damit zur Kasse, um lediglich diese zu bezahlen. Bei dem Einstecken der größeren Dose war er jedoch von einem Angestellten beobachtet worden, der ihn an der Kasse nach weiteren zu bezahlenden Produkten fragte. Das Ansinnen des Angestellten, in die Stofftasche des Beschuldigten sehen zu wollen, lehnte er ab. Daraufhin konfrontierte ihn der Angestellte mit seiner Beobachtung und griff nach der Stofftasche. Der Beschuldigte entschloss sich, nunmehr körper- lich gegen den Angestellten vorzugehen, um mit der Bierdose entkommen zu können. Er zog deswegen an der Stofftasche. Als der Angestellte aber nicht losließ, packte er ihn kräftig mit einer Hand seitlich am Hals und versuchte, ihn wegzudrücken. Dennoch ließ der Angestellte die Tasche nicht los. Deswegen schlug ihn der Beschuldigte mit der von ihm als Straßenmusikanten mitgeführten Gitarre mehrmals kräftig auf den rechten Unterarm. Der Angestellte ließ immer noch nicht los. Beide zogen nun an der Stofftasche. Der Beschuldigte trat den Angestellten mit dem beschuhten Fuß kräftig gegen den Bauch, wodurch er selbst das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte. Den Zug der von beiden gehaltenen Tasche nutzte der Beschuldigte aus, um sogleich wieder aufzustehen und mit zunehmender Intensität viermal mit der Gitarre auf den Arm des Angestellten zu schlagen und dabei zu rufen: „Lass los“. Nunmehr ließ der Angestellte die Stofftasche los und der Beschuldigte flüchtete mit der Beute , konnte aber kurz darauf festgenommen werden.
11
3. Das Landgericht hat für beide Anlasstaten sicher erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit angenommen, aber auch eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit jeweils nicht ausschließen können. Grundlage für diese Bewertung des Landgerichts ist die unter das Eingangsmerkmal des § 20 StGB krankhafte seelische Störung gefasste paranoide Schizophrenie des Beschuldigten. Auf dieser Grundlage hat es die Voraussetzungen des § 63 StGB bejaht. Beide Anlasstaten seien auf die überdauernde paranoide Schizophrenie zurückzuführen. Die entsprechende Gefährlichkeitsprognose hat das Landgericht auf die Gefahr der Begehung erheblicher Körperverletzungshandlungen unter Verwendung von gefährlichen Werkzeugen gegründet. Es hat ebenfalls geprüft, ob eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB in Betracht kommt, dies aber im Hinblick auf die fehlende Erfolgsaussicht infolge der kognitiven Überforderung des Beschuldigten abgelehnt.

II.


12
1. Die Verfahrensrüge hat keinen Erfolg.
13
a) Die Revision macht die Verletzung des § 258 Abs. 2 und 3 StPO gel- tend. Nach ihrem Vortrag habe der Beschuldigte „im Rahmen des letzten Wortes“ zunächst die umfassende Gelegenheit gehabt, sich abschließend zu äußern. „Noch bevor der Vorsitzende die Beweisaufnahme geschlossen hatte“, habe eine sich im Publikum befindende Person, die sich als „Bezugspfleger“ des Beschuldigten vorgestellt habe, ungefragt Ausführungen gemacht. Der Vorsitzende habe sinngemäß geäußert, dass eine Zeugenvernehmung nicht erforderlich sei, man glaube dieser Person auch so. Erst danach sei die Haupt- verhandlung zum Zweck der Urteilsfindung „geschlossen“ worden.
14
Die Rüge ist bereits unzulässig. Denn der Revisionsvortrag ist unzutreffend. Aus dem Protokoll ergibt sich abweichend zum Revisionsvortrag, dass die Beweisaufnahme vor den Schlussvorträgen und vor der Gelegenheit zum letzten Wort - wie es § 258 StPO vorsieht - geschlossen wurde.
15
Die Rüge wäre auf dieser Tatsachengrundlage aber auch unbegründet. In die Beweisaufnahme ist nicht erneut eingetreten worden, was auch die Revision nicht behauptet. Von daher bestand keine Veranlassung der erneuten Gewährung des letzten Wortes, da der Beschuldigte als letzter Verfahrensbeteiligter vor Beginn der Beratung das Wort hatte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 30. März 2016 - 4 StR 63/16; Urteil vom 20. März 1959 - 4 StR 416/58, BGHSt 13, 53, 59 f.). Die im Saal anwesende Person war nicht verfahrensbeteiligt. Verfahrensbeteiligt ist nur derjenige, der nach dem Gesetz eine Prozessrolle ausübt, d.h. durch eigene Willenserklärungen im prozessualen Sinne gestal- tend als Prozesssubjekt mitwirken muss oder darf (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., Einl. Rn. 70).
16
Eine Verfahrensbeteiligung der sich zu Wort meldenden Person wird auch in dem vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zu Recht als unklar eingeordnetem Vortrag der Revision, nicht behauptet. Darin ist zwar ver- einzelt vom „Zeugen“ die Rede, an anderer Stelle wird aber ausgeführt, diese Person sei „eigentlich nicht Verfahrensbeteiligter“ und von einer Zeugenver- nehmung sei abgesehen worden.
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b) Auch unter dem Aspekt § 261 StPO versagt die Rüge. Ihr lässt sich schon nicht mit hinreichender Klarheit die Beanstandung entnehmen, dass die Ausführungen der verfahrensunbeteiligten Person außerhalb der Beweisaufnahme Eingang in die Überzeugungsbildung gefunden hätten. Eine solche Rüge wäre jedenfalls aber unbegründet, da die Angaben dieser Person im Urteil keine Rolle spielen.
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2. Die auf die nicht ausgeführte Sachrüge hin veranlasste materiellrechtliche Prüfung zeigt ebenfalls keinen Fehler auf. Das Vorliegen der Voraussetzungen der angeordneten Maßregel ist rechtsfehlerfrei belegt.
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Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um die notwendige Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Prognostisch muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür bestehen, der Täter werde infol- ge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2016 - 1 StR 594/16 Rn. 3, NStZ-RR 2017, 76; vom 13. Oktober 2016 - 1 StR 445/16 Rn. 13 ff., StV 2017, 585 und vom 12. Oktober 2016 - 4 StR 78/16 Rn. 9).
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Diesen Anforderungen wird das Urteil gerecht.
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a) Jedenfalls die Voraussetzungen der vom Landgericht angenommenen sicher erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit bei Begehung der beiden Anlasstaten werden in für den Senat nachvollziehbarer Weise dargestellt und beweiswürdigend belegt. Erforderlich ist insoweit auf der Ebene der Darlegungsanforderungen stets eine konkretisierende Darstellung, in welcher Weise sich die näher festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2016 - 1 StR 594/16 Rn. 5, NStZRR 2017, 76; vom 12. Oktober 2016 - 4 StR 78/16 Rn. 11, NStZ-RR 2017,74 und vom 17. Juni 2014 - 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306). Diese Anforderungen gelten auch in Fällen einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Denn die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfä- higkeit (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29. April 2014 - 3 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305; vom 23. August 2012 - 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98 und vom 24. April 2012 - 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239). Das sachverständig beratene Landgericht hat das beim Beschuldigten vorliegende dauerhafte Störungsbild und dessen Symptome sorgfältig aufgeklärt und plausibel dargestellt.
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aa) Für die erste Tat begründet das Landgericht den Schluss, dass die psychotische Erkrankung des Beschuldigten seine Schuldfähigkeit bei der Tat sicher erheblich vermindert, nicht ausschließbar sogar aufgehoben habe, damit, dass der Beschuldigte wahnbedingt davon ausgegangen sei, ihm stünde ein Schadensersatzanspruch gegen den Nachbarn zu. Ausreichende Anhaltspunkte für eine solche wahnhafte Realitätsverkennung sieht das Landgericht im Einklang mit dem Sachverständigen in der auch in der Hauptverhandlung geäußerten realitätsfremden Vorstellung des Beschuldigten, sein Nachbar habe sein Unglück auf ihn übertragen, sei auch für andere negative Ereignisse in seinem Leben verantwortlich und sei ein französischer Agent. Die psychotisch bedingte Handlungsintention zeige sich auch in dem der Durchsetzung einer Forderung vollkommen unangemessenen Verhalten des Beschuldigten bei der Tat. Der beschriebene Zettel an der Wohnungstür, der darauf hindeute, dass der Beschuldigte wahnbedingt der Überzeugung gewesen sei, der Geschädigte gehöre dem französischen Geheimdienst an, sei ein weiteres Indiz für eine wahnbedingte Veranlassung der Tat. Die Annahme einer akuten psychotischen Symptomatik werde auch dadurch belegt, dass der Beschuldigte in seiner Vernehmung am Tag nach der Tat sehr verworren im Denken und Verhalten gewesen sei. Dies entspreche seinem Verhalten in den ersten Tagen seines Aufenthalts in der Psychiatrie, für die eine akute psychotische Symptomatik beschrieben werde.
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bb) Für die zweite Tat stützt das Landgericht sich vor allem auf die tatzeitnahen psychiatrischen Befunde. So sei der Beschuldigte bis zum 16. Mai 2016 - mithin fünf Tage vor der Tat - in stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen. Er habe hierbei schwere psychotische Beeinträchtigungen geschildert. Die anlässlich des Aufenthalts nur kurzfristig verabreichte Medikation sei - im Anschluss an den Sachverständigen - nicht geeignet, auf das psychotische Erleben des Beschuldigten in so kurzer Zeit Einfluss zu nehmen. Nachdem er noch am Tattag festgenommen worden sei, sei er am 2. Juni 2016 in das Justizvollzugskrankenhaus verlegt worden, wo eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden sei. Daher sei trotz zielgerichtet anmutenden Vorgehens des Beschuldigten, nämlich das Einstecken der wertvolleren und das Vorzeigen der günstigeren Ware, davon auszugehen, dass der Beschuldigte die Tat nicht nur aufgrund seiner Alkoholisierung, sondern auch aufgrund seiner paranoiden Schizophrenie begangen habe. Dies werde belegt durch den Umstand, dass der Beschuldigte seine Gitarre als Schlagwerkzeug eingesetzt habe. Auf diese sei er als Straßenmusiker angewiesen, sie habe einen erheblichen Vermögenswert für ihn dargestellt. Dass er sie dennoch als Schlagwerkzeug mit dem Risiko der Beschädigung eingesetzt habe, sei ein Indiz für die krankheitsbedingte Beeinträchtigung seiner Schuldfähigkeit.
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cc) Diese Ausführungen belegen für beide Taten noch hinreichend konkret und nachvollziehbar, dass die festgestellte schizophrene Erkrankung des Beschuldigten zu einer jedenfalls sicher erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit bei den Taten geführt hat. Für die erste Tat ist die wahnbedingte Motivation des Beschuldigten festgestellt und tragfähig begründet. Entgegen den Ausführungen des Generalbundesanwalts sind diese Voraussetzungen auch für die zweite Anlasstat noch ausreichend belegt.
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Die Feststellungen zu dem gut dokumentierten Verhalten des Beschuldigten wenige Tage vor und nach der Tat und den dabei zu Tage getretenen produktivpsychotischen Symptomen tragen den Schluss, dass auch die inmitten dieser Phase gelegene Tat unter der Wirkung eines akuten Schubs der Erkrankung - die nicht tageweise zwischen akut und nicht akut schwankt, sondern deren akuter Zustand sich über längere Phasen anbahnt - begangen worden ist. Soweit der Generalbundesanwalt die Darstellung der Befindlichkeit des Beschuldigten unmittelbar nach der Festnahme vermisst, ist von der Revision eine zulässige Aufklärungsrüge nicht erhoben. Auch die Auswirkungen dieser akuten Psychose auf die Begehung der Tat sind noch ausreichend dargestellt. Auf der Grundlage, dass der Beschuldigte im Tatzeitraum unter schweren psychotischen Beeinträchtigungen gelitten hat, deren Symptome sich bei ihm vor allem durch verworrenes Denken und Verhalten gezeigt haben und diese auch im Tatbild Ausdruck gefunden haben, ist der Schluss auf eine durch krankheitsbedingte kognitive Einbußen sicher erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit tragfähig (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145 mwN). Dies bringt das Landgericht auch durch die Bezugnahme auf den, aus Sicht des Beschuldigten als unvernünftig beurteilten Einsatz der Gitarre zum Ausdruck. Eine durch kognitive Verzerrungen hervorgerufene relevante Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit setzt auch nicht zwingend wahnhaftes Erleben voraus.
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dd) Selbst wenn diese Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit durch Alkohol mitverursacht worden wäre, hinderte dies nicht die Annahme einer dauerhaften Störung im Sinne des § 63 StGB. Denn tragender Grund für den Zustand im Sinne des § 63 StGB ist die Psychose des Beschuldigten. Dann kommt es nicht darauf an, ob die Schwelle zur verminderten Steuerungsfähigkeit durch ein alltägliches Ereignis, nämlich den Alkoholkonsum überschritten wurde (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2017 - 4 StR 595/16 Rn. 11, NStZ-RR 2017, 203 mwN; Urteil vom 17. Februar 1999 - 2 StR 483/98, BGHSt 44, 369, 375). Dies gilt zumal, da der Beschuldigte mit der zunehmenden Symptomatik seiner Psychose vermehrt Alkohol trank.
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ee) Soweit das Landgericht zudem eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit nicht auszuschließen vermochte, wirkt sich dies nicht zum Nachteil des Beschuldigten aus. Hier führt es nur dazu, dass der Beschuldigte keine zusätzliche Freiheitsstrafe erhält. Bleiben aber nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht behebbare tatsächliche Zweifel bestehen, die sich auf die Art und den Grad des psychischen Ausnahmezustandes beziehen, ist zugunsten des Täters zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 19. November 2014 - 4 StR 497/14, NStZ-RR 2015, 71 mwN). Zu Lasten des Beschuldigten wirkende Folgen aus der Annahme der nicht ausschließbar aufgehobenen Einsichtsfähigkeit sind nicht erkennbar.
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b) Auch die Gefährlichkeitsprognose ist nicht zu beanstanden. Die für eine Unterbringung nach § 63 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist nur dann gegeben, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde (vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. Januar 2017 - 4 StR 595/16 Rn. 11, NStZ-RR 2017, 203 mwN). Eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Begehung erheblicher Straftaten wird durch die Urteilsgründe auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten, seines Vorlebens und der Anlasstaten belegt (vgl. hierzu nur BGH, Beschlüsse vom 13. Oktober 2016 - 1 StR 445/16 Rn. 13 ff., StV 2017, 585 und vom 3. Juni 2015 - 4 StR 167/15, StV 2016, 724). Diese Prognose erstreckt sich auch darauf, ob und welche Taten von dem Beschuldigten infolge seines Zustands drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 - 2 BvR 298/12, RuP 2014, 31; BGH aaO). Hierzu stellt das Landgericht im Wesentlichen darauf ab, dass bei dem Beschuldigten trotz adäquater und streng überwachter Medikation in der einstweiligen Unterbringung bisher kein vollständiges Abklingen der psychotischen Symptomatik zu verzeichnen sei. Zudem bestehe keine tiefergehende Krankheits- und Behandlungseinsicht. Dies finde Beleg in dem Verhalten des Beschuldigten in der Hauptverhandlung, in der er ersichtlich von Wahnvorstellungen geprägte Schilderungen abgegeben habe. Deswegen sei davon auszugehen, dass der Beschuldigte bei einer Entlassung die Medikamente sofort absetzen und wieder tiefer in ein psychotisches Erleben abgleiten würde. Dies wiederum lasse den Anlasstaten gleichartige Taten erwarten, insbesondere weil er in Situationen, in denen er krankheitsbedingt überfordert sei oder sich im Recht fühle, Gewalt gegen Personen einsetze, um seine Ziele durchzusetzen. Graf Jäger Bellay Cirener Radtke

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.