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Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 33/18
vom
17. Mai 2018
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2018:170518B1STR33.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 17. Mai 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27. September 2017 mit Ausnahme der Feststellungen zu dem jeweiligen äußeren Tatgeschehen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und einen Betrag von 2.514 Euro sowie zahlreiche Asservate eingezogen. Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision, die weitgehenden Erfolg hat.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Beschuldigte leidet an einer paranoiden Schizophrenie. Dies führ- te zu einem „grundlegenden paranoiden Symptom“ mit bizarren Gedankeninhal- ten, formalen Denkstörungen, einer auffälligen Apathie, inadäquaten Affekten und einer verminderten Leistungsfähigkeit. Seit Mitte der 1980er Jahre war sein Leben geprägt von teilweise jahrelangen Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken und Justizvollzugsanstalten. 1997 war gegen ihn bereits die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden, diese Maßregel wurde 2012 für erledigt erklärt. Während der Maßregel wurde er wegen Diebstahls verurteilt, auch danach erfolgten weitere Verurteilungen, vor allem wegen Diebstahls. Nach seiner letzten Haftentlassung im Juni 2016 war der Beschuldigte obdachlos. Nachdem er am 23. November 2016 wegen eines Sturzes in ein Krankenhaus gebracht worden war, wurde er von dort wegen bedrohlichen Verhaltens und psychischer Auffälligkeit in eine psychiatrische Klinik gebracht, wo er auch als bedrohlich und psychotisch beschrieben wurde. Obwohl am 24. November 2016 die vorläufige Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB beantragt worden war, wurde der Beschuldigte vier Tage später entlassen und seitens der Klinik die Aufhebung der vorläufigen Unterbringung beantragt, da eine geschlossene psychiatrische Krankenhausbehandlung nicht mehr erforderlich sei.
4
2. Zwischen dem 30. November und dem 18. Dezember 2016 beging der Beschuldigte vier Einbruchstaten. Dabei handelte er stets in der Absicht, sich eine Einnahmequelle von einigem Umfang und Dauer zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes zu verschaffen. Aufgrund seiner psychotischen Erkrankung war dabei in allen Fällen seine Steuerungsfähigkeit sicher erheblich vermindert, nicht ausschließbar aufgehoben. Im Einzelnen:
5
a) In der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember 2016 drang der Beschuldigte in N. in im Erdgeschoss gelegene Büroräume ein, indem er die Fensterscheibe zum Waschraum aufhebelte. Er führte ein Beil mit sich. Er durchsuchte die Räumlichkeiten nach werthaltigen Gegenständen und nahm Schmuckgegenstände und zwei Uhren im Wert von 750 Euro mit, um sie für sich zu behalten.
6
b) Zwischen dem 30. November und dem 11. Dezember 2016 verschaffte sich der Beschuldigte Zutritt zu einem Kellerabteil eines Wohnhauses. Die Sicherung durch ein Vorhängeschloss überwand er, indem er den angenagelten Riegel lockerte, so dass sich die Holzlattentür öffnen ließ. Er entwendete die werthaltigen Gegenstände, wie Koffer, Taschen und einige Schmuckgegenstände im Wert von 800 Euro, um sie für sich zu behalten.
7
c) Zwischen dem 7. und dem 9. Dezember 2016 hielt sich der Beschuldigte im Keller desselben Wohnhauses auf. Hier befand sich eine Tür, die zum Funduskellerraum der im Nachbarhaus gelegenen Ballettschule führte. Von dieser Seite war die Tür mit Styroporplatten verkleidet, davor standen Regale mit Kartons. Der Beschuldigte drückte kraftvoll gegen diese Tür, so dass er in den Keller der Ballettschule gelangte. Die Regale mit den Kartons stellte er wieder auf, so dass die schadhafte Verkleidung nicht auf Anhieb sichtbar war. Er entwendete Modeschmuck und zahlreiche Bekleidungsgegenstände von Ballettartikelherstellern , die die Ballettschule vertrieb, im Gesamtwert von etwa 10.000 Euro. Außerdem nahm er aus einem Porzellanschwein 100 Euro und aus der aufgehebelten Registrierkasse die dort befindlichen 40 Euro. Er nahm aber auch den Schlüssel zur Eingangstür mit; mit diesem verließ er die Ballettschule durch die Eingangstür, die er ordnungsgemäß verschloss.
8
d) Am 18. Dezember 2016 gelangte der Beschuldigte gegen 5.20 Uhr über ein im Innenhof befindliches Baugerüst auf den Balkon im zweiten Obergeschoss , der zur Wohnung der Geschädigten K. und Kö. gehörte. Dabei hatte er ein Taschenmesser in seiner Hosentasche. Die verriegelte Balkontür drückte er gewaltsam auf und kam so in die Wohnung. Hier entwendete er aus einer Handtasche eine kostspielige Sonnenbrille und die Geldbörse, die er zwischen die zwei von ihm getragenen Jacken steckte und die dort durch den Bund der äußeren Jacke gehalten wurden. Als er sich im Bereich der Garderobe befand, wurde die Geschädigte K. wegen des Scheins der Ta- schenlampe im ansonsten dunklen Flur auf ihn aufmerksam. Sie schrie „Einbrecher“ , woraufhin der Beschuldigte durch die Wohnungstür zu entkommen versuchte. Dies gelang ihm nicht, da die Geschädigte ihn in ein Gerangel verwickelte. Durch den Schrei aufmerksam geworden, betrat nun der Geschädigte Kö. den Flur und forderte den Beschuldigten auf, sich auf den Boden zu legen. Das tat der Beschuldigte aber nicht, er ging vielmehr auf Kö. zu und versuchte, ihm Faustschläge zu versetzen, um unerkannt mit der Beute entkommen zu können. Tatsächlich traf er Kö. , dessen dadurch hervorgerufene Ablenkung der Beschuldigte zu nutzen suchte, um die Wohnungstür mit dem steckenden Schlüssel aufzusperren und zu entkommen. Er stieß hierzu die im Wege stehende K. zur Seite, wurde aber letztlich durch Kö. zu Boden gebracht. Dort leistete er keine Gegenwehr mehr und wurde festgenommen.
9
Die Beute aus den Taten konnte entweder am Beschuldigten oder in mehreren Schließfächern im Bahnhof sichergestellt werden.

II.


10
1. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind rechtsfehlerfrei getroffen.
11
2. Die Unterbringung des Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB kann jedoch keinen Bestand haben.
12
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur angeordnet werden, wenn unter anderem zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstat aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung im Sinne eines der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. In diesem Zusammenhang ist darzulegen, wie sich die festgestellte, einem Merkmal der §§ 20, 21 StGB unterfallende Störung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichtsoder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden Zustand zurückzuführen sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 25. Juli 2017 – 3 StR 119/17; Urteil vom 9. August 2017 – 1 StR 63/17).
13
b) Den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Feststellung der ursächlichen Verknüpfung zwischen dem Zustand, in dem der Beschuldigte sich befand, und der ihm zur Last gelegten Taten genügen die Urteilsgründe nicht.
14
Die Diagnose entweder einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie oder einer psychotischen Störung führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit. Es hätte vielmehr einer konkretisierenden Darlegung bedurft, in welcher Weise sich das festgestellte Krankheitsbild bei Begehung der Taten auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten in den jeweiligen konkreten Tatsituationen ausgewirkt haben soll (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 9. August 2017 – 1 StR 63/17; Beschlüsse vom 16. März 2017 – 4 StR 11/17 und vom 6. September 2017 – 1 StR 307/17).
15
Hierzu stellt das Landgericht lediglich allgemein fest, dass die Steue- rungsfähigkeit „aufgrund der festgestellten dauerhaften massiven Veränderung seiner Persönlichkeitsstruktur mit Impulskontrollstörungen“ sicher erheblich vermindert, eine wahnbedingte Aufhebung der Einsichtsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden könne. Konkrete Feststellungen zu einem etwaigen Effekt der psychischen Erkrankung auf die Tatbegehungen sind indes weder ausdrücklich getroffen noch lassen sie sich den Urteilsgründen sonst entnehmen.
16
Anzeichen für wahnhaftes Erleben, formale Denkstörungen, krankhaft leistungsgemindertes oder apathisches Verhalten – die als psychopathologische Verhaltensweisen des Beschuldigten festgestellt werden –, lassen sich in den von zielgerichteter und zweckmäßiger Ausführung unter Vermeidung von Entdeckungsrisiken geprägten Einbruchstaten, die zudem zahlreiche planerische Elemente aufweisen, nicht ausmachen. Dies zeigt sich in der jeweiligen situationsangepassten und sachgerechten Zutrittsweise zu den Diebstahlsobjekten. Auch wählte der Beschuldigte für die Tatbegehung in den Fällen 2.a. und d. jeweils die Nachtzeit, im Fall 2.d. führte er eine Taschenlampe mit, deren Gebrauch nahe liegt, um nachts in fremden Wohnungen unbemerkt nach werthaltigen Gegenständen suchen zu können. Im Fall 2.c. richtete er den Keller nach seinem Eindringen so wieder her, dass die beschädigte Türverkleidung zunächst nicht auffiel, und wählte den regulären Ausgang über die Tür, für die er den Schlüssel mitführte. Angesichts dieser Tatbilder vermag auch der Umstand , dass der Beschuldigte wenige Tage vor den Taten in einer psychiatrischen Klinik als psychotisch beschrieben worden ist, nicht den Schluss auf eine psychotische Beeinflussung der Taten zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2017 – 1 StR 63/17), zumal da diese Einschätzung durch das spätere Verhalten der Klinik an Bedeutung verliert.
17
Dass die Tatbegehungen in seiner krankheitsbedingten Persönlichkeitsveränderung wurzeln, erschließt sich ebenfalls nicht. Als imponierende Persönlichkeitszüge werden dargestellt eine feindliche Wahrnehmung der Umwelt, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, weitschweifige und sprunghafte Erzählweise ; wie solche Verhaltensweisen sich auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten bei der Begehung der Taten ausgewirkt haben sollen, bleibt unerörtert. Dies gilt auch für die schon nicht mit konkreten Verhaltensweisen des Beschuldigten unterlegte Impulskontrollstörung. Dass diese Ursache für die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit gewesen sein soll, hätte angesichts der Nutzung der Nachtzeit für die entdeckungsgeneigten Taten in den Fällen 2.a. und d., der zweckmäßigen Ausrüstung und der Konzentration auf werthaltige Gegenstände bei allen Taten, konkretisierender Darlegung bedurft. Hinzu tritt, dass sich das Landgericht davon überzeugt hat, dass der Beschuldigte die Taten beging, um sich aus den Erlösen eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen, was auch das Motiv nachvollziehbar und ohne Zusammenhang zur diagnostizierten Störung erscheinen lässt.
18
Die von der Strafkammer mitgeteilte Einschätzung des Sachverständigen , im Fall 2.c. „könne das Loch in der Wand vom Beschuldigten wahnhaft interpretiert worden sein“ und im Fall 2.d. könne „der Wahn sich aus der“ später fallen gelassenen „Schilderung“ des Beschuldigten gegenüber den Polizeibe- amten ergeben, der Geschädigte Kö. habe ihn entführt oder ihn mit dem Brotmesser angegriffen, „falls es sich hierbei nicht um Rechtfertigungsversuche handele“, bleibt spekulativ und vermag eine Beeinflussungdieser Taten durch die psychotische Erkrankung des Beschuldigten ebenso wenig tragfähig zu belegen.
19
Über die Maßregelanordnung muss deshalb umfassend neu verhandelt und entschieden werden.
20
3. Die rechtsfehlerhafte Einziehungsentscheidung (vgl. § 413 StPO) wird ohnehin von der Aufhebung miterfasst.
Raum Jäger Bellay
Cirener Fischer

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 119/17
vom
25. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:250717B3STR119.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 25. Juli 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 30. November 2016 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte, der ab dem Jahr 2014 vermehrt Amphetamin konsumierte, an einer paranoid-hallu- zinatorischen Schizophrenie oder an einer durch psychotrope Substanzen hervorgerufenen psychotischen Störung. Diese Grunderkrankung führt zu wahnhaften Verfolgungsvorstellungen. In der Mitte des Jahres 2014 und im Verlauf des Jahres 2015 befand er sich in einer hochakuten psychotischen Phase, litt unter Verfolgungsängsten und befürchtete, vergiftet und abgehört zu werden. Nachdem er im Herbst 2015 eine neue Lebensgefährtin gefunden hatte und mit dieser zusammengezogen war, stabilisierte sich seine persönliche Situation, sein psychischer Zustand verbesserte sich aber nicht wesentlich. Im November 2015 wurde er wegen geäußerter suizidaler Gedanken in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, in der er seine anhaltenden Verfolgungsvorstellungen bekundete , allerdings nach vier Tagen "bei rückläufiger Wahnvorstellung" entlassen wurde. Im Februar 2016 wurde er erneut eingewiesen, nachdem er seine Lebensgefährtin im Zuge einer Auseinandersetzung in den Bauch geboxt hatte; in der Klinik wurde indes weder eine Fremd- noch eine Eigengefährdung festgestellt und der Angeklagte auf eigenen Wunsch entlassen.
3
Im Juni 2016 lieh sich der Angeklagte von einer Bekannten ein Messer, das er aber am Folgetag zurückgeben wollte. Auf einem Schützenfest nahm der Nebenkläger das Messer an sich und brachte es später mit in die Wohnung der Bekannten, in der es deren Lebensgefährte außer Sichtweite auf einen Schrank legte; dies vergaß er infolge seiner Alkoholisierung.
4
Am Tattag forderte die Bekannte das Messer von dem Angeklagten zurück , der antworten ließ, dass der Nebenkläger das Messer haben müsse, an den er es weitergegeben habe. Darauf angesprochen antwortete dieser der Bekannten , dass er das Messer nicht mehr habe. Da er zunehmend den Eindruck gewann, dass seine Freunde ihm nicht glaubten und ihn der Unterschlagung des Messers verdächtigten, geriet der Nebenkläger in Zorn. Er verabredete sich mit dem Angeklagten, um mit diesem über den Verbleib des Messers zu sprechen ; es kam zum Streit, zunächst auf dem Parkplatz eines Supermarkts und alsdann in der Wohnung der Bekannten. Im Gegensatz zu dem Nebenkläger, der immer erboster wurde, blieb der Angeklagte ruhig und verließ nach dreißig Minuten mit seiner Lebensgefährtin "genervt" die Wohnung; sie machten sich auf den Nachhauseweg. Der Nebenkläger folgte ihnen und ließ sich zur Wohnung des Angeklagten bringen. Unterwegs sahen er und seine Begleiterinnen den Angeklagten und seine Lebensgefährtin in Richtung eines weiteren Supermarkts gehen und fuhren auf dessen Parkplatz. Als der Angeklagte diesen erreichte , stieg der Nebenkläger aus und fasste den Angeklagten an der Schulter, um noch einmal über die "Messer-Geschichte" zu reden. Der Angeklagte wollte dies nicht und war erneut "genervt". Er ergriff nun einen zufällig mitgeführten Brieföffner, um den Nebenkläger abzuschrecken; dieser sah das, wollte aber nicht auf Distanz zum Angeklagten gehen. Die Männer schubsten sich gegenseitig und der Angeklagte wurde immer ungehaltener und aggressiver. Gleichwohl wollte er sich der Situation entziehen und verließ mit seiner Lebensgefährtin den Parkplatz, um mit ihr den Nachhauseweg fortzusetzen. Der Nebenkläger rief dem Angeklagten eine Beleidigung nach, die dieser mit einer weiteren parierte. Das wiederum wollte der Nebenkläger nicht hinnehmen und lief dem Angeklagten hinterher, um ihn zur Rede zu stellen.
5
Ausweislich der landgerichtlichen Feststellungen befand sich der Angeklagte ab diesem Zeitpunkt im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit : Infolge seiner oben genannten Grunderkrankung habe er Verfolgungsängste gehabt, die durch das Verhalten des Nebenklägers verstärkt worden seien.
6
In der folgenden beidseitigen Rangelei entschloss sich der Angeklagte, der durch das penetrante Verhalten des Nebenklägers zunehmend verärgert war, diesen körperlich abzustrafen und dabei auch den Brieföffner als Waffe einzusetzen, um die Auseinandersetzung definitiv zu beenden. Zu diesem Zweck stach er seinem zuvor gefassten Tatenschluss folgend mit dem Brieföffner zwei Mal in den linken Brustbereich des Nebenklägers etwa zehn Zentimeter oberhalb des Herzens. Die Spitze drang jeweils zwei bis drei Zentimeter in dessen Körper ein. Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass er durch diese Handlungen schwerwiegende lebensgefährliche Verletzungen hervorrufen konnte; die mögliche Todesfolge nahm er billigend in Kauf. Der Nebenkläger blieb zunächst stehen. Der Angeklagte hatte gesehen, dass die von ihm ausgeführten Stiche zwei Mal dessen Haut durchstoßen hatten; er verließ den Tatort gleichwohl und machte sich aus Gleichgültigkeit keine Vorstellungen über die weiteren Folgen seines Handelns. Der Nebenkläger, der kurz danach zusammenbrach , erlitt durch die Stiche, die potentiell lebensgefährlich waren, schwerwiegende Verletzungen.
7
II. Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist der Schuldspruch gegen den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, zeigt die auf die erhobene Sachrüge durchzuführende umfassende Überprüfung des Urteils auch unter Berücksichtigung der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung stand.
8
III. Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB kann hingegen keinen Bestand haben.
9
1. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur angeordnet werden, wenn unter anderem zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstat aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung im Sinne eines der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. In diesem Zusammenhang ist darzulegen, wie sich die festgestellte, einem Merkmal der §§ 20, 21 StGB unterfallende Störung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichtsoder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden Zustand zurückzuführen sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 26. Juli 2016 - 3 StR 211/16, juris Rn. 5 mwN).
10
2. Den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Feststellung des symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Zustand, in dem der Angeklagte sich krankheitsbedingt befand, und der ihm zur Last gelegten Tat genügen die Urteilsgründe nicht.
11
Die Diagnose entweder einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie oder einer psychotischen Störung durch psychotrope Substanzen führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit. Es hätte vielmehr einer konkretisierenden Darlegung bedurft, in welcher Weise sich das festgestellte Krankheitsbild bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation ausgewirkt haben soll (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2016 - 4 StR 78/16, NStZ-RR 2017, 74, 75 mwN). Konkrete Feststellun- gen zu einem etwaigen Effekt der - alternativ begründeten - psychischen Erkrankung auf die Tatbegehung lassen sich den Urteilsgründen indes nicht entnehmen. Die von der Strafkammer mitgeteilte Einschätzung des Sachverständigen , es spreche alles dafür, dass der Angeklagte zur Tatzeit unter einer psychischen Störung im Sinne eines paranoiden Erlebens gelitten habe, weil die in ihm "schlummernden" paranoiden Gedanken, er werde verfolgt, durch die tatsächliche Verfolgung durch den Nebenkläger so verstärkt worden seien, dass ein "akutes Störungsbild" vorgelegen habe, ist nicht geeignet, eine Beeinflussung der von dem Angeklagten begangenen Tat durch dessen psychotische Erkrankung tragfähig zu belegen. Eine solche Beeinflussung ergibt sich hier auch nicht von selbst, denn der Angeklagte wurde tatsächlich von dem Nebenkläger in penetranter Weise verfolgt. Zur Tat kam es erst, nachdem mehrere Versuche, sich der Auseinandersetzung zu entziehen, immer wieder an dem hartnäckigen Verhalten des Nebenklägers gescheitert waren.
12
Über die Maßregelanordnung muss deshalb umfassend neu verhandelt und entschieden werden.
Becker Gericke Spaniol
Tiemann Berg

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 63/17
vom
9. August 2017
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:090817U1STR63.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. August 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Bellay, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29. September 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet er sich mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, das Urteil mit Ausnahme der Feststellungen zu den der Maßregelanordnung zugrunde liegenden rechtswidrigen Taten auf die Sachrüge hin aufzuheben. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der zum Urteilszeitpunkt 44 Jahre alte Beschuldigte erkrankte vor etwa 20 Jahren an paranoider Schizophrenie. Schon vor der ersten Diagnose dieser Krankheit wurde er u.a. wegen eines im November 1991 begangenen vorsätzlichen Vollrauschs zu zwei Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, dass der alkoholisierte Beschuldigte seinem Vermieter nachts mit einem eigens präparierten Messer einen Stich in die Brust versetzte, nachdem dieser ihm wegen Lärmbelästigung den Strom abgedreht hatte.
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Akustische Halluzinationen traten bei ihm erstmals 1996 oder 1997 auf. Im Juli 2000 war bereits einmal die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden. Dem lagen als Diebstahl in zwei Fällen, vorsätzlicher gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gewertete Anlasstaten zu Grunde. Im Oktober 2007 ist diese Maßregel zur Bewährung ausgesetzt und fünf Jahre später für erledigt erklärt worden. Im Rahmen der Unterbringung war der Beschuldigte medikamentös eingestellt worden; während der Bewährungszeit ließ er sich mit Depotpräparaten behandeln. Nach der Erledigung der Unterbringung bezog er 2013 eine eigene Wohnung. Ende des Jahres 2014 begann er, entgegen ärztlichem Rat seine Medikamente nach und nach abzusetzen. Im Verlauf des Jahres 2015 trank er auch wieder verstärkt Alkohol. Er wurde mehrmals von der Polizei betrunken in hilfloser Lage aufgefunden; zudem kam es zu Vorfällen im Zusammenhang mit Eigentumsdelikten. Im August 2015 fiel er nach einem Ladendiebstahl durch unangemessenes Verhalten, u.a. Wein- und Lachanfälle, auf.
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1. Erste Anlasstat:
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Am 7. November 2015 übergab der Beschuldigte seinem Nachbarn A. einen neu gekauften MP3-Player mit der Bitte, darauf Musikdateien aufzuspielen. Da der Nachbar sich vor dem Beschuldigten fürchtete - er hatte ihn seit seinem Einzug im April 2015 als psychisch auffällig erlebt - und den Be- schuldigten nicht zu verärgern wünschte, wollte er dem Anliegen nachkommen. Das Aufspielen gelang ihm jedoch nicht, sodass er den MP3-Player an den Be- schuldigten zurückgab und dabei bemerkte, dieser sei kaputt. „Infolge der be- stehenden paranoiden Schizophrenie gelangte der Beschuldigte zu der Über- zeugung“, seinNachbar sei für den angeblichen Defekt des MP3-Players verantwortlich und sei ihm deshalb zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet. Er forderte deswegen erfolglos die Erstattung des Kaufpreises in Höhe von 35 € von seinem Nachbarn. Dessen Anregung, gemeinsam zum Verkäufer zu gehen und auf einen Umtausch des Geräts zu bestehen, lehnte der Beschuldigte ab.
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Gegen 3.30 Uhr am frühen Morgen des 10. November 2015 klopfte und klingelte der Beschuldigte an der Wohnungstür seines Nachbarn, um von diesem die Zahlung von Schadensersatz zu verlangen. Der Nachbar A. wachte zwar auf, öffnete aber aus Angst vor dem Beschuldigten nicht. Der Beschuldigte trat nun mit zwei kräftigen Tritten die Türe ein, ging zum Bett des Nachbarn und riss den daneben befindlichen WLAN-Router aus der Wand. Sodann zerrte er seinen Nachbarn an der Schulter aus dem Bett, schrie ihn an und forderte Geld für den defekten MP3-Player. Der verängstigte Nachbar bot dem Be- schuldigten 30 € in Scheinen an. Der Beschuldigte riss ihm das Geld aus der Hand und äußerte „Willst du mich verarschen?“. Er versetzte seinem Nachbarn, der den Angriff geahnt und sich abgewandt hatte, einen schmerzenden Faustschlag auf den Rücken und verließ die Wohnung. Noch vor dem Eintreffen der Polizei gegen 5.00 Uhr klebte der Beschuldigte ein von ihm mit den Worten „UNEHREN-HaFt entlassen! FRC“ beschriebenes DIN A4-Blatt an die Woh- nungstür des Nachbarn.
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Nach dieser Tat zog der Beschuldigte um. Im Laufe des Jahres 2016 befand er sich mehrmals in psychiatrischer Behandlung. Bei jedem Aufenthalt stellten die Ärzte eine ausgeprägte Verlorenheit bzw. Zerfahrenheit des Denkens fest; Anfang Januar 2016 wurden Verfolgungsgedanken und akustische Halluzinationen diagnostiziert, nachdem der Beschuldigte angegeben hatte, er höre das Herz der aufnehmenden Ärztin schlagen und sein Nachbar breche bei ihm ein und stehle. Am 11. April 2016 begab er sich aus eigenem Antrieb zur ambulanten Behandlung, dort wurde bei ihm das Vorliegen von psychotischen Symptomen festgestellt. Die orale Einnahme eines Medikaments wurde verordnet. Am 26. Mai 2016 wurde der Beschuldigte mit einer Blutalkoholkonzentration von zwei Promille in einer Klinik aufgenommen, zuvor befand er sich vom 12. bis zum 16. Mai 2016 stationär in Behandlung. Bei seiner Aufnahme hatte er angegeben, er sehe „quadratisch in 3D“ und komme allein nicht mehr zu- recht. Es wurde eine paranoide Schizophrenie und eine Alkoholabhängigkeit diagnostiziert und ihm ein Neuroleptikum verabreicht.
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2. Zweite Anlasstat:
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Am 21. Mai 2016 wollte der alkoholisierte Beschuldigte in einem Lebensmittelmarkt eine Literdose Bier stehlen. Dazu nahm er eine solche Bierdose aus dem Regal und steckte sie in die mitgeführte Stofftasche. Eine kleinere und preiswerte Bierdose nahm er ebenfalls aus dem Regal und begab sich damit zur Kasse, um lediglich diese zu bezahlen. Bei dem Einstecken der größeren Dose war er jedoch von einem Angestellten beobachtet worden, der ihn an der Kasse nach weiteren zu bezahlenden Produkten fragte. Das Ansinnen des Angestellten, in die Stofftasche des Beschuldigten sehen zu wollen, lehnte er ab. Daraufhin konfrontierte ihn der Angestellte mit seiner Beobachtung und griff nach der Stofftasche. Der Beschuldigte entschloss sich, nunmehr körper- lich gegen den Angestellten vorzugehen, um mit der Bierdose entkommen zu können. Er zog deswegen an der Stofftasche. Als der Angestellte aber nicht losließ, packte er ihn kräftig mit einer Hand seitlich am Hals und versuchte, ihn wegzudrücken. Dennoch ließ der Angestellte die Tasche nicht los. Deswegen schlug ihn der Beschuldigte mit der von ihm als Straßenmusikanten mitgeführten Gitarre mehrmals kräftig auf den rechten Unterarm. Der Angestellte ließ immer noch nicht los. Beide zogen nun an der Stofftasche. Der Beschuldigte trat den Angestellten mit dem beschuhten Fuß kräftig gegen den Bauch, wodurch er selbst das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte. Den Zug der von beiden gehaltenen Tasche nutzte der Beschuldigte aus, um sogleich wieder aufzustehen und mit zunehmender Intensität viermal mit der Gitarre auf den Arm des Angestellten zu schlagen und dabei zu rufen: „Lass los“. Nunmehr ließ der Angestellte die Stofftasche los und der Beschuldigte flüchtete mit der Beute , konnte aber kurz darauf festgenommen werden.
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3. Das Landgericht hat für beide Anlasstaten sicher erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit angenommen, aber auch eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit jeweils nicht ausschließen können. Grundlage für diese Bewertung des Landgerichts ist die unter das Eingangsmerkmal des § 20 StGB krankhafte seelische Störung gefasste paranoide Schizophrenie des Beschuldigten. Auf dieser Grundlage hat es die Voraussetzungen des § 63 StGB bejaht. Beide Anlasstaten seien auf die überdauernde paranoide Schizophrenie zurückzuführen. Die entsprechende Gefährlichkeitsprognose hat das Landgericht auf die Gefahr der Begehung erheblicher Körperverletzungshandlungen unter Verwendung von gefährlichen Werkzeugen gegründet. Es hat ebenfalls geprüft, ob eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB in Betracht kommt, dies aber im Hinblick auf die fehlende Erfolgsaussicht infolge der kognitiven Überforderung des Beschuldigten abgelehnt.

II.


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1. Die Verfahrensrüge hat keinen Erfolg.
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a) Die Revision macht die Verletzung des § 258 Abs. 2 und 3 StPO gel- tend. Nach ihrem Vortrag habe der Beschuldigte „im Rahmen des letzten Wortes“ zunächst die umfassende Gelegenheit gehabt, sich abschließend zu äußern. „Noch bevor der Vorsitzende die Beweisaufnahme geschlossen hatte“, habe eine sich im Publikum befindende Person, die sich als „Bezugspfleger“ des Beschuldigten vorgestellt habe, ungefragt Ausführungen gemacht. Der Vorsitzende habe sinngemäß geäußert, dass eine Zeugenvernehmung nicht erforderlich sei, man glaube dieser Person auch so. Erst danach sei die Haupt- verhandlung zum Zweck der Urteilsfindung „geschlossen“ worden.
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Die Rüge ist bereits unzulässig. Denn der Revisionsvortrag ist unzutreffend. Aus dem Protokoll ergibt sich abweichend zum Revisionsvortrag, dass die Beweisaufnahme vor den Schlussvorträgen und vor der Gelegenheit zum letzten Wort - wie es § 258 StPO vorsieht - geschlossen wurde.
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Die Rüge wäre auf dieser Tatsachengrundlage aber auch unbegründet. In die Beweisaufnahme ist nicht erneut eingetreten worden, was auch die Revision nicht behauptet. Von daher bestand keine Veranlassung der erneuten Gewährung des letzten Wortes, da der Beschuldigte als letzter Verfahrensbeteiligter vor Beginn der Beratung das Wort hatte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 30. März 2016 - 4 StR 63/16; Urteil vom 20. März 1959 - 4 StR 416/58, BGHSt 13, 53, 59 f.). Die im Saal anwesende Person war nicht verfahrensbeteiligt. Verfahrensbeteiligt ist nur derjenige, der nach dem Gesetz eine Prozessrolle ausübt, d.h. durch eigene Willenserklärungen im prozessualen Sinne gestal- tend als Prozesssubjekt mitwirken muss oder darf (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., Einl. Rn. 70).
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Eine Verfahrensbeteiligung der sich zu Wort meldenden Person wird auch in dem vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zu Recht als unklar eingeordnetem Vortrag der Revision, nicht behauptet. Darin ist zwar ver- einzelt vom „Zeugen“ die Rede, an anderer Stelle wird aber ausgeführt, diese Person sei „eigentlich nicht Verfahrensbeteiligter“ und von einer Zeugenver- nehmung sei abgesehen worden.
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b) Auch unter dem Aspekt § 261 StPO versagt die Rüge. Ihr lässt sich schon nicht mit hinreichender Klarheit die Beanstandung entnehmen, dass die Ausführungen der verfahrensunbeteiligten Person außerhalb der Beweisaufnahme Eingang in die Überzeugungsbildung gefunden hätten. Eine solche Rüge wäre jedenfalls aber unbegründet, da die Angaben dieser Person im Urteil keine Rolle spielen.
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2. Die auf die nicht ausgeführte Sachrüge hin veranlasste materiellrechtliche Prüfung zeigt ebenfalls keinen Fehler auf. Das Vorliegen der Voraussetzungen der angeordneten Maßregel ist rechtsfehlerfrei belegt.
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Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um die notwendige Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Prognostisch muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür bestehen, der Täter werde infol- ge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2016 - 1 StR 594/16 Rn. 3, NStZ-RR 2017, 76; vom 13. Oktober 2016 - 1 StR 445/16 Rn. 13 ff., StV 2017, 585 und vom 12. Oktober 2016 - 4 StR 78/16 Rn. 9).
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Diesen Anforderungen wird das Urteil gerecht.
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a) Jedenfalls die Voraussetzungen der vom Landgericht angenommenen sicher erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit bei Begehung der beiden Anlasstaten werden in für den Senat nachvollziehbarer Weise dargestellt und beweiswürdigend belegt. Erforderlich ist insoweit auf der Ebene der Darlegungsanforderungen stets eine konkretisierende Darstellung, in welcher Weise sich die näher festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2016 - 1 StR 594/16 Rn. 5, NStZRR 2017, 76; vom 12. Oktober 2016 - 4 StR 78/16 Rn. 11, NStZ-RR 2017,74 und vom 17. Juni 2014 - 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306). Diese Anforderungen gelten auch in Fällen einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Denn die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfä- higkeit (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29. April 2014 - 3 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305; vom 23. August 2012 - 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98 und vom 24. April 2012 - 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239). Das sachverständig beratene Landgericht hat das beim Beschuldigten vorliegende dauerhafte Störungsbild und dessen Symptome sorgfältig aufgeklärt und plausibel dargestellt.
22
aa) Für die erste Tat begründet das Landgericht den Schluss, dass die psychotische Erkrankung des Beschuldigten seine Schuldfähigkeit bei der Tat sicher erheblich vermindert, nicht ausschließbar sogar aufgehoben habe, damit, dass der Beschuldigte wahnbedingt davon ausgegangen sei, ihm stünde ein Schadensersatzanspruch gegen den Nachbarn zu. Ausreichende Anhaltspunkte für eine solche wahnhafte Realitätsverkennung sieht das Landgericht im Einklang mit dem Sachverständigen in der auch in der Hauptverhandlung geäußerten realitätsfremden Vorstellung des Beschuldigten, sein Nachbar habe sein Unglück auf ihn übertragen, sei auch für andere negative Ereignisse in seinem Leben verantwortlich und sei ein französischer Agent. Die psychotisch bedingte Handlungsintention zeige sich auch in dem der Durchsetzung einer Forderung vollkommen unangemessenen Verhalten des Beschuldigten bei der Tat. Der beschriebene Zettel an der Wohnungstür, der darauf hindeute, dass der Beschuldigte wahnbedingt der Überzeugung gewesen sei, der Geschädigte gehöre dem französischen Geheimdienst an, sei ein weiteres Indiz für eine wahnbedingte Veranlassung der Tat. Die Annahme einer akuten psychotischen Symptomatik werde auch dadurch belegt, dass der Beschuldigte in seiner Vernehmung am Tag nach der Tat sehr verworren im Denken und Verhalten gewesen sei. Dies entspreche seinem Verhalten in den ersten Tagen seines Aufenthalts in der Psychiatrie, für die eine akute psychotische Symptomatik beschrieben werde.
23
bb) Für die zweite Tat stützt das Landgericht sich vor allem auf die tatzeitnahen psychiatrischen Befunde. So sei der Beschuldigte bis zum 16. Mai 2016 - mithin fünf Tage vor der Tat - in stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen. Er habe hierbei schwere psychotische Beeinträchtigungen geschildert. Die anlässlich des Aufenthalts nur kurzfristig verabreichte Medikation sei - im Anschluss an den Sachverständigen - nicht geeignet, auf das psychotische Erleben des Beschuldigten in so kurzer Zeit Einfluss zu nehmen. Nachdem er noch am Tattag festgenommen worden sei, sei er am 2. Juni 2016 in das Justizvollzugskrankenhaus verlegt worden, wo eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden sei. Daher sei trotz zielgerichtet anmutenden Vorgehens des Beschuldigten, nämlich das Einstecken der wertvolleren und das Vorzeigen der günstigeren Ware, davon auszugehen, dass der Beschuldigte die Tat nicht nur aufgrund seiner Alkoholisierung, sondern auch aufgrund seiner paranoiden Schizophrenie begangen habe. Dies werde belegt durch den Umstand, dass der Beschuldigte seine Gitarre als Schlagwerkzeug eingesetzt habe. Auf diese sei er als Straßenmusiker angewiesen, sie habe einen erheblichen Vermögenswert für ihn dargestellt. Dass er sie dennoch als Schlagwerkzeug mit dem Risiko der Beschädigung eingesetzt habe, sei ein Indiz für die krankheitsbedingte Beeinträchtigung seiner Schuldfähigkeit.
24
cc) Diese Ausführungen belegen für beide Taten noch hinreichend konkret und nachvollziehbar, dass die festgestellte schizophrene Erkrankung des Beschuldigten zu einer jedenfalls sicher erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit bei den Taten geführt hat. Für die erste Tat ist die wahnbedingte Motivation des Beschuldigten festgestellt und tragfähig begründet. Entgegen den Ausführungen des Generalbundesanwalts sind diese Voraussetzungen auch für die zweite Anlasstat noch ausreichend belegt.
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Die Feststellungen zu dem gut dokumentierten Verhalten des Beschuldigten wenige Tage vor und nach der Tat und den dabei zu Tage getretenen produktivpsychotischen Symptomen tragen den Schluss, dass auch die inmitten dieser Phase gelegene Tat unter der Wirkung eines akuten Schubs der Erkrankung - die nicht tageweise zwischen akut und nicht akut schwankt, sondern deren akuter Zustand sich über längere Phasen anbahnt - begangen worden ist. Soweit der Generalbundesanwalt die Darstellung der Befindlichkeit des Beschuldigten unmittelbar nach der Festnahme vermisst, ist von der Revision eine zulässige Aufklärungsrüge nicht erhoben. Auch die Auswirkungen dieser akuten Psychose auf die Begehung der Tat sind noch ausreichend dargestellt. Auf der Grundlage, dass der Beschuldigte im Tatzeitraum unter schweren psychotischen Beeinträchtigungen gelitten hat, deren Symptome sich bei ihm vor allem durch verworrenes Denken und Verhalten gezeigt haben und diese auch im Tatbild Ausdruck gefunden haben, ist der Schluss auf eine durch krankheitsbedingte kognitive Einbußen sicher erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit tragfähig (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145 mwN). Dies bringt das Landgericht auch durch die Bezugnahme auf den, aus Sicht des Beschuldigten als unvernünftig beurteilten Einsatz der Gitarre zum Ausdruck. Eine durch kognitive Verzerrungen hervorgerufene relevante Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit setzt auch nicht zwingend wahnhaftes Erleben voraus.
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dd) Selbst wenn diese Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit durch Alkohol mitverursacht worden wäre, hinderte dies nicht die Annahme einer dauerhaften Störung im Sinne des § 63 StGB. Denn tragender Grund für den Zustand im Sinne des § 63 StGB ist die Psychose des Beschuldigten. Dann kommt es nicht darauf an, ob die Schwelle zur verminderten Steuerungsfähigkeit durch ein alltägliches Ereignis, nämlich den Alkoholkonsum überschritten wurde (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2017 - 4 StR 595/16 Rn. 11, NStZ-RR 2017, 203 mwN; Urteil vom 17. Februar 1999 - 2 StR 483/98, BGHSt 44, 369, 375). Dies gilt zumal, da der Beschuldigte mit der zunehmenden Symptomatik seiner Psychose vermehrt Alkohol trank.
27
ee) Soweit das Landgericht zudem eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit nicht auszuschließen vermochte, wirkt sich dies nicht zum Nachteil des Beschuldigten aus. Hier führt es nur dazu, dass der Beschuldigte keine zusätzliche Freiheitsstrafe erhält. Bleiben aber nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht behebbare tatsächliche Zweifel bestehen, die sich auf die Art und den Grad des psychischen Ausnahmezustandes beziehen, ist zugunsten des Täters zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 19. November 2014 - 4 StR 497/14, NStZ-RR 2015, 71 mwN). Zu Lasten des Beschuldigten wirkende Folgen aus der Annahme der nicht ausschließbar aufgehobenen Einsichtsfähigkeit sind nicht erkennbar.
28
b) Auch die Gefährlichkeitsprognose ist nicht zu beanstanden. Die für eine Unterbringung nach § 63 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist nur dann gegeben, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde (vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. Januar 2017 - 4 StR 595/16 Rn. 11, NStZ-RR 2017, 203 mwN). Eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Begehung erheblicher Straftaten wird durch die Urteilsgründe auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten, seines Vorlebens und der Anlasstaten belegt (vgl. hierzu nur BGH, Beschlüsse vom 13. Oktober 2016 - 1 StR 445/16 Rn. 13 ff., StV 2017, 585 und vom 3. Juni 2015 - 4 StR 167/15, StV 2016, 724). Diese Prognose erstreckt sich auch darauf, ob und welche Taten von dem Beschuldigten infolge seines Zustands drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 - 2 BvR 298/12, RuP 2014, 31; BGH aaO). Hierzu stellt das Landgericht im Wesentlichen darauf ab, dass bei dem Beschuldigten trotz adäquater und streng überwachter Medikation in der einstweiligen Unterbringung bisher kein vollständiges Abklingen der psychotischen Symptomatik zu verzeichnen sei. Zudem bestehe keine tiefergehende Krankheits- und Behandlungseinsicht. Dies finde Beleg in dem Verhalten des Beschuldigten in der Hauptverhandlung, in der er ersichtlich von Wahnvorstellungen geprägte Schilderungen abgegeben habe. Deswegen sei davon auszugehen, dass der Beschuldigte bei einer Entlassung die Medikamente sofort absetzen und wieder tiefer in ein psychotisches Erleben abgleiten würde. Dies wiederum lasse den Anlasstaten gleichartige Taten erwarten, insbesondere weil er in Situationen, in denen er krankheitsbedingt überfordert sei oder sich im Recht fühle, Gewalt gegen Personen einsetze, um seine Ziele durchzusetzen. Graf Jäger Bellay Cirener Radtke

Führt die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren wegen Schuldunfähigkeit oder Verhandlungsunfähigkeit des Täters nicht durch, so kann sie den Antrag stellen, Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie als Nebenfolge die Einziehung selbständig anzuordnen, wenn dies gesetzlich zulässig ist und die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist (Sicherungsverfahren).