Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juni 2014 - 4 StR 111/14

bei uns veröffentlicht am16.06.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR111/14
vom
16. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. Juni 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 4. Oktober 2013 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen, in zwei Fällen in Tateinheit mit Nachstellung, in drei Fällen in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte , und in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat dieses Urteil mit den Feststellungen – mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen der Nachstellungshandlungen zum Nachteil der Nebenklägerin und der vorsätzlichen Körperverletzungen zum Nachteil der Zeugin B. – aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr freigesprochen und erneut seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
2
Dagegen wendet sich der Angeklagte und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel bleibt erfolglos.

I.


3
Der Rüge der Verletzung von § 244 Abs. 2 StPO bleibt der Erfolg bereits aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 24. März 2014 versagt.

II.


4
1. Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer hat im angefochtenen Urteil folgende ergänzende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
a) Die Nebenklägerin erregte zu Beginn des Tatzeitraums die Aufmerksamkeit des Angeklagten, als sie 1999 in eine Wohnung zog, die der seinen gegenüber lag. Zuvor hatte keine Bekanntschaft zwischen ihnen bestanden. Obwohl die Nebenklägerin eindeutig zum Ausdruck gebracht hatte, dass sie keine nähere Beziehung zum Angeklagten wollte, glaubte dieser an eine gemeinsame Zukunft und sah sich – infolge seiner psychischen Erkrankung – dazu auch berechtigt, da die Nebenklägerin ihm entsprechende „Signale gesandt“ und auch das „passende Sternzeichen“ habe. Daher unternahm er eine große Zahl von Kontaktversuchen, durch die die Nebenklägerin in ihrer Lebensgestaltung zunehmend beeinträchtigt wurde. Zu den Nachstellungshandlungen im Einzelnen wird auf die durch den Beschluss des Senats vom 19. Dezember 2012 (4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145) im ersten Rechtsgang aufrecht erhaltenen Feststellungen des Landgerichts zum äußeren Tatgeschehen Bezug ge- nommen. Wegen Schwierigkeiten im Verhältnis zum Vater ihres Sohnes, aber auch wegen des Verhaltens des Angeklagten, suchte die Nebenklägerin ab dem Jahr 2000 eine Psychotherapeutin auf. Die mit dieser verabredete Strategie , den Angeklagten zu ignorieren, scheiterte unter anderem daran, dass er sich ihr bei Erledigungen oder Spaziergängen häufig in den Weg stellte und sie auch mit dem Pkw verfolgte. Da dieses Verhalten des Angeklagten nicht nachließ , zog die Nebenklägerin im Jahr 2003 in eine etwa drei Kilometer entfernt liegende Wohnung, wodurch sich ihr Arbeitsweg verlängerte und ihr Sohn nunmehr mit dem Bus zur Schule fahren musste.
6
Nachdem der Angeklagte im Frühjahr 2005 den neuen Wohnort der Nebenklägerin herausgefunden hatte, setzte er seine Nachstellungshandlungen fort, weshalb die Nebenklägerin erneut die in der Zwischenzeit eingestellten Sicherungsmaßnahmen ergriff, z.B. indem sie nur noch in Begleitung Fahrrad fuhr. Ab Anfang 2009 intensivierten sich die Handlungen des Angeklagten, so dass sich die Nebenklägerin wieder in psychotherapeutische Behandlung begeben musste; es wurde eine deutliche Chronifizierung ihrer Angstzustände festgestellt. Die Nebenklägerin äußerte Selbstmordgedanken und erklärte, sie wisse nicht, wie sie weiterleben solle, wenn der Angeklagte von seinen Handlungen nicht ablasse und sie für den Rest ihres Lebens auf die von ihr ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen angewiesen sei. Ab 2011 steigerte sich die depressive , inzwischen mit Medikamenten behandelte Erkrankung der Nebenklägerin zu einer mittelschweren bis schweren Ausprägung und ging auch mit einer allgemeinen Antriebsminderung einher. Die Nebenklägerin litt fast täglich unter Panikattacken und nächtlichem Herzrasen; phasenweise war sie zu einer aktiven Teilnahme am Alltagsleben nicht mehr in der Lage. Zur Verschärfung der Situation trug auch die Tatsache bei, dass der Angeklagte ab Februar 2010 am Arbeitsplatz der Nebenklägerin erschien, so dass auch ihr berufliches Um- feld in die Sicherheitsmaßnahmen einbezogen werden musste. Ihr Arbeitsplatz wurde auf ihren Wunsch in einen schwerer zugänglichen Bereich des Firmengebäudes verlegt, auf dem Weg von und zu ihrem Pkw ließ sich die Nebenklägerin regelmäßig von einem Arbeitskollegen begleiten. Depressive Schübe verursachten in mehreren Fällen länger andauernde Arbeitsunfähigkeit. Als besonders belastend empfand die Nebenklägerin dabei zusätzlich die Szenen, die sich jeweils abspielten, wenn der Angeklagte durch Polizeibeamte oder andere Personen zum Verlassen des jeweiligen Ortes aufgefordert wurde, da er nie freiwillig Platzverweisen folgte und sein Verhalten auch nach Erlass von Abstandsverfügungen , Platzverweisen und zweimaliger Ordnungshaft fortsetzte.
7
b) Bereits im Zeitraum zwischen 1991 und 2000 hatte der Angeklagte ein ähnliches Verhalten gegenüber der damaligen Geschädigten T. gezeigt, die er 1984 zufällig über ihren Zwillingsbruder beim Tennisspielen kennen gelernt hatte. Nach Heirat der Geschädigten mit dem Zeugen F. im Jahr 1991 hatte er ständige Kontaktversuche zu ihr unternommen und sich auch durch massive Ansprachen, anwaltliche Schreiben, Unterlassungsverfügungen und regelmäßige Konflikte mit der Polizei davon nicht abhalten lassen. Er hatte ihr unzählige Briefe und CDs geschickt, sie mit dem Fahrrad oder mit dem Pkw auf dem Weg zur Arbeit verfolgt, wobei er sie teilweise durch dichtes Auffahren bedrängt hatte, so dass sie sich durch den Angeklagten regelrecht „gejagt“ gefühlt hatte. Dieses Verhalten hatte der Angeklagte – zeitweise täglich – auch fortgesetzt, als die Zeugin erkennbar schwanger war. Nach der Geburt der Tochter der Geschädigten im Jahr 1995 hatte der Angeklagte sein nachstellendes Verhalten auch auf das Kind erstreckt. Mehrere Wohnortwechsel hatten den Angeklagten von seinem Verhalten nicht abgehalten; zu Konfrontationen mit der Polizei war es in über 20 Fällen gekommen.
8
c) Das sachverständig beratene Landgericht hat angenommen, dem Angeklagten könne hinsichtlich der festgestellten Nachstellungshandlungen zum Nachteil der Nebenklägerin und der Körperverletzungshandlungen zum Nachteil der Zeugin B. kein Schuldvorwurf gemacht werden, da er zum Zeitpunktder Taten auf Grund einer undifferenzierten Schizophrenie, die mit massiven formalen Denkstörungen sowie inhaltlichen Denkstörungen in Form eines Wahns einhergehe, im Sinne von § 20 StGB schuldunfähig gewesen sei. Seine Geistestätigkeit sei während der gesamten hier in Rede stehenden Zeiträume krankheitsbedingt derart beeinträchtigt gewesen, dass er das Unzutreffende seiner Gedankengänge und die Realitätsferne seiner von ihm als „logisch“ bezeichneten Schlussfolgerungen nicht mit dem in der Gesellschaft geltenden Norm- und Wertesystem habe abgleichen und daher das Unrecht seines Handelns nicht habe erkennen können. Die im Rahmen der stationären Unterbringung abgegebene und in der Hauptverhandlung wiederholte Erklärung, er werde die Nebenklägerin nunmehr in Ruhe lassen und sich in therapeutische Behandlung begeben, sei taktisch motiviert und bezwecke allein die Vermeidung der Unterbringung, die er als ungerechte Behandlung empfinde.
9
2. Zu den Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hat das Landgericht, ebenfalls sachverständig beraten, ausgeführt, es bestehe die deutlich erhöhte Gefahr, dass sich der Angeklagte in Freiheit entweder erneut der Nebenklägerin zuwenden oder einen Wechsel seines Tatopfers vornehmen werde. Von einer Gefahr für die Allgemeinheit sei schon deshalb auszugehen, weil, anders als in vielen anderen Fällen der Nachstellung, keine vorherige Beziehung zwischen dem Angeklagten und seinem Tatopfer bestanden habe. Die Zufälligkeit der Auswahl seines Opfers lasse es als sehr wahrscheinlich erscheinen, dass sich der Angeklagte auch einer anderen fremden Frau zuwenden werde, wenn er nach seiner eige- nen, irrationalen Logik zu der Ansicht komme, dies sei für ihn die ideale Frau. Die hohe Wahrscheinlichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung bei zukünftigen Opfern einer Nachstellung ergebe sich generell aus der Dynamik einer derartigen Tat, im konkreten Fall aber auch aus den Besonderheiten des Wesens und der Erkrankung des Angeklagten und aus der Hartnäckigkeit, Engmaschigkeit und Penetranz der Tatbegehung. Dies schließe auch Folgen für die Opfer entsprechend den in § 238 Abs. 2 StGB erfassten schweren Gesundheitsbeschädigungen ein: Die von der Nebenklägerin wie auch von der Zeugin T. berichteten regelmäßigen Panikattacken, schweren Schlafstörungen und – im Fall der Nebenklägerin – auch Suizidgedanken bei einer Nachstellung wie der durch den Angeklagten begangenen sei nicht nur typisch, sondern zu erwarten. Zwar ließen sich die meisten Betroffenen vom Gedanken des Selbstmordes durch eine psychotherapeutische Begleitung wieder abbringen; ohne diese Begleitung sei es aber durchaus mehrfach zu Suiziden oder Suizidversuchen gekommen.
10
Mildere Maßnahmen zur Abwendung der vom Angeklagten für die Allgemeinheit ausgehenden Gefahr seien mangels gegenwärtiger Therapierbarkeit und Krankheitseinsicht nicht ersichtlich. Ob die Therapiebereitschaft unter Einnahme von Medikamenten erreicht werden könne, sei unsicher. Selbst dann sei beim Angeklagten noch keine Einsicht in das Unrecht der Tat erreicht.

III.


11
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
12
1. Die Strafkammer hat beim Angeklagten eine geistige Erkrankung aus dem Formenkreis der Schizophrenie mit massiven formalen und inhaltlichen Denkstörungen als nicht nur vorübergehenden, sondern überdauernden Defekt vom Schweregrad des § 20 StGB rechtsfehlerfrei festgestellt. Auch der symptomatische Zusammenhang zwischen den Anlasstaten und der festgestellten psychischen Erkrankung ist hinreichend belegt.
13
2. Die Erwägungen des Landgerichts zur Gefährlichkeitsprognose halten – jedenfalls im Ergebnis – rechtlicher Nachprüfung stand.
14
a) Zwar begegnet die Annahme der Strafkammer, vom Angeklagten seien mit höherer Wahrscheinlichkeit Nachstellungstaten mit dem Schweregrad des Qualifikationstatbestands des § 238 Abs. 2 StGB zu erwarten, durchgrei- fenden rechtlichen Bedenken.
15
aa) Insoweit verfehlt die Strafkammer die Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Gefährlichkeitsprognose im Sinne von § 63 StGB.
16
Diese ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (Senatsbeschlüsse vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 und vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12). Die Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür, dass der Täter infolge seines Zustandes in Zukunft Taten von erheblicher Bedeutung begehen wird, muss der Tatrichter dabei nicht nur auf der Grundlage einer Gesamtschau der konkreten Tatumstände der Anlasstaten hinreichend darlegen (Senatsurteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 29); er muss auch konkrete Anhaltspunkte benennen, die die Erwartung künftiger Straftaten in ihrer jeweils für ausreichend wahrscheinlich gehaltenen Handlungsmodalität begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. April 2003 – 3 StR 79/03, NStZ-RR 2003, 232).
17
bb) Das Landgericht stützt seine Prognose hier aber maßgeblich nur auf die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen, wonach Gesundheitsbeschädigungen wie die von der Nebenklägerin glaubhaft geschilderten Panikattacken, schweren Schlafstörungen sowie die Gefahr des Todes durch (ernstliche) Gedanken an Suizid seiner beruflichen Erfahrung nach als typische Folgen der festgestellten Nachstellungshandlungen zu erwarten seien. Diese aus medizinischer Sicht – notwendigerweise – abstrahierende Betrachtung vermag den erforderlichen Beleg für künftige konkrete Gefahren im Sinne des § 238 Abs. 2 StGB im vorliegenden Fall schon im Hinblick auf die Variationsbreite denkbarer Opferreaktionen nicht zu ersetzen. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte gezielt psychisch labile Tatopfer auswählt, enthält das Urteil nicht.
18
b) Dieser Mangel der Gefahrprognose führt jedoch nicht zur Rechtsfehlerhaftigkeit der Unterbringungsanordnung. Dass die Urteilsfeststellungen hier lediglich eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Begehung weiterer Straftaten im Sinne von § 238 Abs. 1 StGB belegen, so dass nur der Strafrahmen von Geldstrafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe eröffnet ist, steht dem nicht entgegen.
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aa) Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird, also solche, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Die Annahme einer gravierenden Störung des Rechtsfriedens setzt nach der stän- digen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass die zu erwartenden Delikte wenigstens in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen , den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sind, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen (vgl. nur Senatsbeschluss vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, NJW 2013, 3383, Tz. 43 mwN). Auch wenn dem Gesetz in diesem Zusammenhang eine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände nicht entnommen werden kann, können wegen des außerordentlich beschwerenden Charakters der Maßregel nach § 63 StGB und mit Blick darauf, dass deren Anordnung und Fortdauer vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht werden (§ 62 StGB), Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, nicht ohne Weiteres dem Bereich der Taten von erheblicher Bedeutung zugerechnet werden (BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12, RuP 2014, 31, Tz. 21 mwN). Hierzu gehört neben den Tatbeständen der Nötigung (§ 240 StGB), der Bedrohung (§ 241 StGB) und der fahrlässigen Körperverletzung (§ 229 StGB) generell auch die Nachstellung im Sinne von § 238 Abs. 1 StGB, sofern sie nicht mit aggressiven Übergriffen einhergeht (BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12, RuP 2014, 31, Tz. 21, 28; Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2013 aaO und vom 18. März 2008 – 4 StR 6/08, RuP 2008, 226, 227; vgl. auch Senatsbeschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 für die Bedrohung). Ergibt sich die Erheblichkeit drohender Taten nicht aus dem Delikt selbst, wie etwa bei Verbrechen, kommt der zu befürchtenden konkreten Ausgestaltung der Taten maßgebliche Bedeutung zu (vgl. Senatsurteil vom 12. Juni 2008 aaO).
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bb) Vor dem Hintergrund der Feststellungen vor allem zur Anlasstat belegen die Urteilsgründe, dass die vom Angeklagten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden weiteren Nachstellungshandlungen schon im Hinblick auf deren tatauslösende Umstände zu den erheblichen Taten zu rechnen sind, weil sie geeignet sind, den Rechtsfrieden empfindlich zu stören und das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Insoweit hat das Landgericht, dem psychiatrischen Sachverständigen folgend, maßgeblich darauf abgestellt, dass die Anlasstat nicht, wie in Nachstellungsfällen erfahrungsgemäß der Regelfall, aus einer länger bestehenden, sich krisenhaft entwickelnden Paarbeziehung erwachsen ist, der Angeklagte die Nebenklägerin vielmehr völlig zufällig und ausschließlich durch sein wahnhaftes Erleben beeinflusst ausgewählt hat. Das Landgericht hat ferner eingehend festgestellt, dass – zeitlich unmittelbar vor bzw. zeitweise sogar parallel zu der Anlasstat – die Zeugin T. in ähnlicher Weise das zufällige Opfer lang andauernder Nachstellungen durch den Angeklagten wurde. Es kommt hinzu, dass der Angeklagte sowohl die Anlasstat als auch die Nachstellungshandlungen gegenüber der Zeugin T. über einen ungewöhnlich langen Zeitraum hinweg ausführte und sie in beiden Fällen trotz vielfacher Interventionen durch Polizei und Justiz jeweils unbeirrt fortsetzte. Zumindest der Fall, in dem sich der Angeklagte der Nebenklägerin anlässlich einer Fahrt mit dem Fahrrad auf einsamer Strecke plötzlich in den Weg stellte, kommt einem körperlich-aggressiven Übergriff nahe; daneben hat das Landgericht zahlreiche, zum Teil täglich stattfindende Nachstellungshandlungen in Form persönlicher Konfrontationen in unmittelbarer Nähe von Wohnung und Arbeitsstelle der Nebenklägerin festgestellt. Dass mildere Mittel als der Vollzug der Maßregel nach Ausschöpfung anderer Maßnahmen wie – mehrfach vollstreckter – Ordnungshaft bei dem therapieunfähigen Angeklagten nicht in Betracht kommen, hat die Strafkammer ebenfalls rechtsfehlerfrei dargelegt.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 417/12
vom
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1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 12. März 2012 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen der Nachstellungshandlungen zum Nachteil der Nebenklägerin und der vorsätzlichen Körperverletzungen zum Nachteil der Zeugin B. bestehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Nachstellung, in drei Fällen in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatri- schen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte leidet an einer schizophrenen Psychose des Typs undifferenzierte Schizophrenie (ICD 10 F 20.3), die sich in den letzten zehn bis zwanzig Jahren entwickelt hat und seit dem Jahr 2009 ausgeprägt vorliegt. Neben formalen und inhaltlichen Denkstörungen treten massive Affektstörungen und paranoide Symptome auf. Die Persönlichkeit des Angeklagten weist dar- über hinaus autistische Züge auf. Auf Grund eines sog. „Liebeswahns“nimmt er die Beziehung zu einer Frau vollkommen irreal wahr. Deren für jedermann ersichtliche Abwehrhaltung deutet er als ein Zeichen von Zuneigung. Die paranoide Symptomatik kommt darin zum Ausdruck, dass er sich sehr leicht angegriffen fühlt und dann aggressiv reagiert. Im Affekt zeigen sich Auffälligkeiten im Sinne einer situativ auslösbaren Aggressivität und Explosivität. Es kommt zu unangemessenen affektiven Reaktionen. Kritikfähigkeit, Realitätsprüfung und Empathiefähigkeit fehlen völlig. Insgesamt bietet er das Bild eines hochgradig verschrobenen, bizarr wirkenden, autistischen und chronischen Schizophrenen (UA S. 23). Das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB ist erfüllt. Nach Auffassung des sachverständig beratenen Landgerichts war der Angeklagte bei Begehung der verfahrensgegenständli- chen Taten „bei abstrakt bestehender Einsichtsfähigkeit“ in seiner Steuerungs- fähigkeit erheblich vermindert. Bei den Taten zum Nachteil der Zeugin V. (Nebenklägerin) beruhe dies auf dem stark ausgeprägten Liebeswahn, hinsichtlich der Taten zum Nachteil der Zeugin B. und der Polizeibeamten auf paranoidem Erleben und Störungen des Affekts.
4
Taten im Zusammenhang mit der Nebenklägerin (Fälle III. 1 a und b)
5
a) Tatzeitraum vom 20. Mai 2009 bis 3. März 2011
6
In einer Vielzahl von Fällen parkte der Angeklagte seinen Pkw in der Nähe der Wohnung der Nebenklägerin und beobachtete diese. Als die Nebenklägerin an einem Tag zur Bank fahren wollte, verfolgte sie der Angeklagte mit seinem Pkw über einen Zeitraum von ca. einer Stunde, wobei er immer wieder dicht und bedrängend auffuhr. In dem Tatzeitraum warf der Angeklagte mindestens 22 Briefe persönlich in den Briefkasten der Nebenklägerin ein, in denen er in konfuser und zum Teil bedrohlicher Art zum Ausdruck brachte, dass die Zeugin und er füreinander bestimmt seien. Sie habe sich seinem Willen unterzuordnen. Er habe ein moralisches Recht auf die Nebenklägerin, die sein Lebenselixier sei. Mit Beschluss vom 28. Oktober 2010 untersagte das Amtsgericht Herne-Wanne dem Angeklagten im Wege einer einstweiligen Anordnung, sich der Nebenklägerin, ihrer Wohnung und ihrer Arbeitsstelle auf weniger als 200 Meter zu nähern. Der Angeklagte empfand den Antrag auf Anordnung eines Näherungsverbotes nicht als Ablehnung seiner Person, sondern reagierte erfreut , weil ihm dies aus seiner Sicht zeigte, dass die Nebenklägerin sich mit ihm beschäftigte. Fortan war er nahezu ständig präsent. Unter anderem wartete er am Bahnsteig, als die Nebenklägerin von einer Geschäftsreise zurückkehrte. Anlässlich einer Fahrradfahrt, die die Nebenklägerin unternahm, stellte sich der Angeklagte auf einsamer Strecke plötzlich und unerwartet in den Weg. Ab Februar 2011 begann der Angeklagte, auch den Bereich der Arbeitsstelle der Ne- benklägerin aufzusuchen, schrieb einen Brief an deren Arbeitgeber und beobachtete stundenlang das Firmengebäude.
7
Am 9. Oktober 2010 trafen die Polizeibeamten K. und D. den Angeklagten in unmittelbarer Nähe der Wohnung der Nebenklägerin an und wollten eine Personalienfeststellung durchführen. Als der Polizeibeamte K. den eine ablehnende Haltung einnehmenden Angeklagten am Arm fasste, drehte sich dieser abrupt um und holte mit dem Arm zum Schlag aus. Er wurde daraufhin fixiert und zur Wache verbracht. Als die Polizeibeamtin D. versuchte , dem Angeklagten die Schuhe auszuziehen, trat er ihr gegen den linken Unterarm. Dabei erlitt die Beamtin Hautabschürfungen.
8
b) Tatzeitraum vom 11. August 2011 bis 27. November 2011
9
Wegen Zuwiderhandlung gegen das mit Beschluss des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 28. Oktober 2010 angeordnete Näherungsverbot wurde gegen den Angeklagten am 1. März 2011 Ordnungshaft verhängt, die er in dem Zeitraum vom 18. Juli 2011 bis zum 7. August 2011 verbüßte. Nach Vollzug der Ordnungshaft intensivierte er seine Annäherungshandlungen gegenüber der Nebenklägerin. Bis zu der am 2. Dezember 2011 beginnenden erneuten Ordnungshaft erhielt sie nahezu täglich Briefe des Angeklagten, deren Inhalte zunehmend bizarrer wurden. Am 15. August 2011 verfolgte er die Nebenklägerin mit dem Fahrrad, als diese einen Bekannten aufsuchte. Am 16. und 18. August 2011 stand er gut sichtbar vor ihrem Wohnhaus und am 24. August 2011 hielt er sich auf dem Gelände des Arbeitgebers der Nebenklägerin auf, so dass diese ihn wahrnehmen musste. Mit Briefen vom 31. August und 4. September 2011 übersandte er eine Damenquarzuhr bzw. drei Musik-CDs als Geschenke. Ebenfalls am 4. September 2011 warf er einen ausführlichen Brief, dem Glüh- birnen für die Kfz-Beleuchtung beigefügt waren, in den Briefkasten der Arbeitsstelle der Nebenklägerin. In einem Brief vom 7. September 2011 pries er – wie häufig – das Aussehen der Nebenklägerin und entwickelte eine abstruse For- mel, in der er den „Schönheitsfinanzierungsidealwert“ ihrer „Emanzipationsfeminisierungsautoselbstfahrfreizeitlichkeitsrealitätsperson“ zu dem Gesamtge- wicht der Erde in „imaginären 1039 DM-Scheinen“ in Relation setzte. Ferner teilte er mit, dass er „das Recht“ habe,sie und ihren Sohn J. „entlästigend umsonst zu erhalten“ (UA S. 17).
10
Am 10. September 2011 begab sich der Angeklagte wiederum zum Wohnhaus der Nebenklägerin, die daraufhin die Polizei benachrichtigte. Die Polizeibeamten Kl. und S. trafen den Angeklagten ca. 150 Meter von der Wohnung der Nebenklägerin entfernt an und forderten ihn auf, sich zu entfernen. Dies verweigerte der Angeklagte. Er wurde aggressiv und fing zu schreien an, wobei er den Polizeibeamten S. als „dämlich“ bezeichnete. Nach Ingewahrsamnahme des Angeklagten weigerte er sich, in den Zellentrakt zu gehen und sperrte sich dagegen, indem er sich wegdrehte und stehen blieb. Die Polizeibeamten brachten ihn schließlich „gegen seinen Widerstand“ in eine Zelle und zogen dem sich sträubenden Angeklagten die Schuhe aus. Am 21. September 2011 trafen ihn die Polizeibeamten Kl. und D. beim Einwerfen eines Briefes in den Hausbriefkasten der Nebenklägerin an. Zur Durchsetzung des ausgesprochenen Platzverweises wurde der aggressiv reagierende Angeklagte auf die Polizeiwache Wanne-Eickel verbracht. Dort spuckte er auf das Hemd des Polizeibeamten Kl. .
11
Zu den Tatfolgen hat das Landgericht Folgendes festgestellt:
12
Die Nebenklägerin ist durch die Handlungen des Angeklagten psychisch und physisch erheblich beeinträchtigt (Schlafstörungen, Panikattacken, Unruhezustände , Atemnot, schwere Magen-Darmprobleme, Tinnitus). Sie nimmt seit ca. Oktober 2009 in akuten Phasen Anti-Depressiva ein und hat sich in therapeutische Behandlung begeben. Auf Grund psychosomatischer Beschwerden entwickelte sie Essstörungen, die zu einer Gewichtsabnahme führten. Zeitweise konnte sie auf Grund ihres Gesundheitszustandes ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen und war in drei Fällen für mehrere Tage arbeitsunfähig. Bevor sie abends nach Hause zurückkehrte, erkundigte sie sich zunächst telefonisch bei Nachbarn, ob der Angeklagte ihr in seinem Pkw in Wohnungsnähe auflauerte. Aus Angst vor dem Angeklagten konnte sie nicht mehr allein spazieren gehen oder Fahrrad fahren. Sie hat das Grundvertrauen, sicher zu sein, wenn sie ihre Wohnung verlässt, verloren (UA S. 13 und S. 20). Dieser Zustand hat sich nach der erneuten Inhaftierung des Angeklagten am 3. Dezember 2011 nur eingeschränkt gebessert. Bei Fortsetzung seines Tuns ist davon auszugehen , dass die Nebenklägerin an einer schweren Depression erkranken werde (UA S. 21).
13
Taten zum Nachteil der Zeugin B. (Fälle III. 2 a und b)
14
Als die Nachbarin B. am 17. Juni 2011 gegen 23.25 Uhr in den Kellerräumen des Wohnanwesens des Angeklagten diesen höflich fragte, ob er seine Wohnung wegen der austretenden Gerüche künftig gelegentlich lüften könnte, nahm er dies auf Grund „seiner paranoiden Vorstellungswelt und seiner Affektstörungen“ zum Anlass, die Zeugin gegen eine Wand des Kellerraums zu sto- ßen (schmerzhafte Prellung am linken Arm).
15
Bei einem erneuten Zusammentreffen mit der Zeugin B. am 30. Juni 2011 gegen 23.00 Uhr wiederholte diese ihre Bitte um bessere Lüftung der Wohnung. Der Angeklagte drückte die Zeugin daraufhin mit der flachen Hand gegen eine Wand (starke Schwellung und Hämatom am Unterarm).
16
2. Das Landgericht geht – sachverständig beraten – davon aus, dass von dem Angeklagten infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Der keine Krankheitseinsicht zeigende Angeklagte werde in Freiheit mit größter Wahrscheinlichkeit erneut ähnliche Handlungen, insbesondere Nachstellungen und Körperverletzungen, begehen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass er auch Straftaten von höherem Gewicht begehen könnte. Erheblichere Körperverletzungen seien möglich. Sollte er sich künftig von der Nebenklägerin fernhalten, sei ein Wechsel des Stalkingopfers zu erwarten (UA S. 24).

II.


17
Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
18
1. Die Feststellungen des Landgerichts belegen nicht, dass der Tatbestand der Nachstellung in zwei Fällen erfüllt ist.
19
Tathandlung des § 238 Abs. 1 StGB ist das unbefugte Nachstellen durch beharrliche unmittelbare und mittelbare Annäherungshandlungen an das Opfer und näher bestimmte Drohungen. Der Begriff des Nachstellens umschreibt Handlungen, die darauf ausgerichtet sind, durch unmittelbare oder mittelbare Annäherung an das Opfer in dessen persönlichen Lebensbereich einzugreifen und dadurch seine Handlungs- und Entschließungsfreiheit zu beeinträchtigen (BGH, Beschlüsse vom 19. November 2009 – 3 StR 244/09, BGHSt 54, 189, 193, und vom 22. Februar 2011 – 4 StR 654/10, WuM 2011, 295, 296). Die Handlungen des Angeklagten erfüllen in beiden Tatzeiträumen die Voraussetzungen des Nachstellens in den Tatvarianten des § 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB. Auch das tatbestandlich vorausgesetzte beharrliche Handeln des Täters ist hier gegeben. Da der Tatbestand vom Gesetzgeber jedoch als Erfolgsdelikt ausgestaltet worden ist, muss die Tathandlung zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers führen. Der Begriff der Lebensgestaltung umfasst ganz allgemein die Freiheit der menschlichen Entschlüsse und Handlungen (BT-Drucks. 16/575 S. 7). Sie wird beeinträchtigt, wenn durch die Handlung des Täters eine Veränderung der äußeren Lebensumstände erzwungen wird. Die Beeinträchtigung muss zudem schwerwiegend sein (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 244/09, BGHSt 54, 189, 196 f.; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 238 Rn. 22 ff.).
20
Insofern zeigen die Urteilsgründe nicht hinreichend auf, dass dieser Erfolg bereits durch die verfahrensgegenständlichen einzelnen Handlungen des Angeklagten eingetreten ist. Denn das Landgericht stellt im Rahmen des Grundtatbestandes des § 238 Abs. 1 StGB rechtsfehlerhaft in erster Linie auf die erheblichen psychischen Beeinträchtigungen der Nebenklägerin und deren psychosomatische Auswirkungen ab. Zu der entscheidenden Frage, ob und inwieweit die Nebenklägerin zu gravierenden, nicht mehr hinzunehmenden Modifikationen ihrer äußeren Lebensgestaltung gezwungen war (z.B. Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes, Treffen besonderer Schutzvorkehrungen beim Verlassen der Wohnung bzw. in den Nachtstunden, Aufgeben erheblicher Teile von Freizeitaktivitäten), werden ohne jede zeitliche Einordnung nur knappe und pauschale Feststellungen getroffen, die sich konkreten Nachstellungs- handlungen – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bei einer sukzessiven Tatbegehung einzelne Handlungen des Täters erst in ihrer Gesamtheit zu der erforderlichen Beeinträchtigung des Opfers führen können – nicht zuordnen lassen. Eine revisionsrechtliche Überprüfung, ob das Tatgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass die dem Angeklagten vorgeworfenen Handlungen in zwei tatmehrheitlich begangenen Fällen jeweils zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der äußeren Lebensgestaltung geführt haben, ist somit nicht möglich.
21
2. Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen verurteilt hat, fehlt jegliche rechtliche Subsumtion. Angesichts der Vielzahl von möglicherweise strafbaren Verhaltensweisen des Angeklagten , die in dem Urteil geschildert werden (UA S. 9 – 22), ist unklar, welche Handlungen des Angeklagten – über die beiden Taten zum Nachteil der Nachbarin B. hinaus – das Landgericht als tatbestandsmäßig im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB gewertet hat. Gleiches gilt, soweit das Landgericht von einer tateinheitlich verwirklichten Beleidigung ausgegangen ist. Auch hier ist unklar, welche Verhaltensweise des Angeklagten dem Schuldspruch zu Grunde liegt.
22
3. Die Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in drei Fällen (§ 113 Abs. 1, § 53 StGB) begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
23
Hinsichtlich der Tat vom 9. Oktober 2010 sind die Feststellungen widersprüchlich und tragen die Verurteilung nicht. Auf UA S. 14 wird ausgeführt, dass dem Angeklagten der „Inhalt des Beschlusses des Amtsgerichts Herne-Wanne“ bekannt gewesen sei und er gewusst habe, „dass die Beamten zur Durchsetzung des Beschlusses berechtigt waren“. Demgegenüber stellt das Landgericht auf UA S. 11 fest, dass das Amtsgericht Herne-Wanne dem Angeklagten erst mit Beschluss vom 28. Oktober 2010 verboten hat, sich der Nebenklägerin bzw. ihrer Wohnung oder Arbeitsstelle auf weniger als 200 Meter zu nähern. Danach ist ausgeschossen, dass die Polizeibeamten zur Durchsetzung dieses Näherungsverbots tätig geworden sind.
24
Bei der Tat vom 10. September 2011 ist die Tathandlung des „Widerstandleistens“ nicht hinreichend mit Tatsachen belegt. Indem der Angeklagte sich weigerte, in den Zellentrakt zu gehen, und sich lediglich wegdrehte, hat er noch nicht „mit Gewalt“ Widerstand geleistet. Es fehlt an einem auf körperlicher Kraftentfaltung beruhenden, tätigen Handeln gegen die Polizeibeamten (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 113 Rn. 23). Soweit die Polizeibeamten den Angeklagten „gegen seinen Widerstand“ in die Zelle brachten und „dem sich sträu- benden Angeklagten“ die Schuhe auszogen, lassen sich dem Urteil keine kon- kreten Feststellungen zur Art und Weise der Tathandlung entnehmen.
25
Zur Tat vom 21. September 2011 teilt das Landgericht lediglich mit, dass der „aggressiver werdende Angeklagte“ zur Durchsetzung des Platzverweises auf die Polizeiwache verbracht wurde. Ein im Sinne von § 113 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßiges Widerstandleisten ist nicht ersichtlich.
26
4. Die Ausführungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Angeklagten sind rechtsfehlerhaft.
27
Die Strafkammer kommt nach sachverständiger Beratung zu dem Ergebnis , der Angeklagte sei bei der Tatbegehung, wenn auch erheblich vermin- dert, schuldfähig gewesen; bei „abstrakt bestehender Einsichtsfähigkeit“ sei seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen (§ 21 StGB). Woraus sich die (nur erheblich verminderte) Schuldfähigkeit ergibt, ist jedoch nicht dargelegt. Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte seit vielen Jahren an einer unbehandelten schizophrenen Psychose des Typs undifferenzierte Schizophrenie (ICD 10 F 20.3), wobei es zu massiven formalen und inhaltlichen Denkstörungen sowie zu erheblichen Affektstörungen und paranoidem Erleben kommt. Seit dem Jahr 2009 ist eine stetige Steigerung seines krankhaften Verhaltens zu beobachten. Er wirkte hochgradig verschroben und bizarr. Dieses schizophrene Krankheitsbild war auch während der Hauptverhandlung offen erkennbar (UA S. 27/28). Unter diesen Umständen hätte die Strafkammer konkret darlegen müssen, woraus sich (nach der von ihr geteilten Meinung des Sachverständigen) trotz der chronischen Schizophrenie des Angeklagten seine (nur erheblich verminderte) Schuldfähigkeit ergibt. Jedenfalls bei akuten Schüben einer Schizophrenie und in der „Endphase“ einer Schizophrenie – die Erkrankung des Angeklagten besteht seit geraumer Zeit – ist in der Regel davon auszugehen, dass der Betroffene schuldunfähig ist. Häufig wird bereits die Einsichtsfähigkeit aufgehoben sein (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 – 1 StR 268/95, MDR 1995, 1090; Beschluss vom 16. Januar 2003 – 1 StR 531/02, bei Theune NStZ-RR 2004, 161, 166; Beschluss vom 16. Mai 2007 – 2 StR 96/07; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 9a). Der Tatrichter wäre daher gehalten gewesen , unter Würdigung des gesamten Beweisergebnisses und unter Zuhilfenahme der Sachkunde des Gutachters sich mit der Frage auseinanderzusetzen , ob der Angeklagte die Taten während akuter Schübe (oder während eines lang dauernden Schubes) begangen hat. Nach dem mitgeteilten Ergebnis der Beweisaufnahme liegen deutliche Anzeichen dafür vor, dass die Taten während akuter Schübe begangen wurden. Denn der Angeklagte wurde ab dem Jahr 2009 zunehmend aggressiver und steigerte sich immer weiter in seine wahnhafte Vorstellung hinein, die Nebenklägerin und er seien auf ewige Zeiten füreinander bestimmt.
28
§ 20 StGB setzt voraus, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit „bei Begehung der Tat“ aufgehoben sind. Die Schuldfähigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Tat zu prüfen. Erforderlich ist stets die konkretisierende Darstellung , in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (BGH, Beschlüsse vom 24. April 2012 – 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 47). Dies verkennt die Straf- kammer, indem sie – dem Sachverständigen folgend – allein auf die „abstrakt bestehende Einsichtsfähigkeit“ abstellt.
29
Nach alledem kann der Schuldspruch keinen Bestand haben. Hiervon unberührt bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen der Nachstellungshandlungen zum Nachteil der Nebenklägerin (§ 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB) und der vorsätzlichen Körperverletzungen zum Nachteil der Zeugin B. . Da sie auch sonst rechtsfehlerfrei getroffen wurden, können sie bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich.

III.


30
Auch die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hat keinen Bestand.
31
1. Da das Landgericht die Voraussetzungen von § 20 StGB oder § 21 StGB nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, bedarf die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten als Grundlage für die Anordnung nach § 63 StGB insgesamt neuer Prüfung durch den Tatrichter (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 308/12). Eine Unterbringungsanordnung kann nicht auf die Prognose des Revisionsgerichts gestützt werden, dass die erneute Hauptverhandlung keinesfalls volle Schuldfähigkeit ergeben und daher in jedem Falle wieder ein Ergebnis haben wird, das eine Unterbringung erfordert (BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 – 1 StR 268/05, MDR 1995, 1090).
32
2. Die Gefährlichkeitsprognose begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
33
Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Dies muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Die Annahme einer gravierenden Störung des Rechtsfriedens setzt regelmäßig voraus, dass die zu erwartenden Delikte wenigstens in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen. Die gebotene Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (Senatsbeschlüsse vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12 und vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12). Diesem Maßstab werden die Erwägungen des Landgerichts nicht gerecht. Die bislang getroffenen Feststellungen zu den Anlasstaten belegen die wegen des gravierenden Eingriffs in die persönliche Freiheit erforderliche Tatschwere nicht ohne weiteres. Dies gilt umso mehr, als sich die Kammer bei der Feststellung der Tatfolgen der Nachstellungen nicht erkennbar hat sachverständig beraten lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 – 5 StR 256/10). Wesentliche Grundlage der Entscheidung des Landgerichts zu § 63 StGB ist zudem die Prognose, dass erheblichere Körper- verletzungen lediglich „möglich“ seien und Straftaten von höherem Gewicht „nicht ausgeschlossen“ werden könnten (UA S. 24). Damit fehlen Feststellun- gen zum Vorliegen einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades.
34
Die Sache bedarf daher der neuen Verhandlung und Entscheidung. Zur Vorbereitung der erforderlichen umfassenden und gründlichen Exploration des Angeklagten, die bislang unterblieben ist, wird das Tatgericht die Beauftragung eines anderen Sachverständigen zu erwägen haben.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt

1.
die räumliche Nähe dieser Person aufsucht,
2.
unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht,
3.
unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person
a)
Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder
b)
Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen,
4.
diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person bedroht,
5.
zulasten dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person eine Tat nach § 202a, § 202b oder § 202c begeht,
6.
eine Abbildung dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht,
7.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder
8.
eine mit den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Handlung vornimmt.

(2) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 7 wird die Nachstellung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
durch die Tat eine Gesundheitsschädigung des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person verursacht,
2.
das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt,
3.
dem Opfer durch eine Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nachstellt,
4.
bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 ein Computerprogramm einsetzt, dessen Zweck das digitale Ausspähen anderer Personen ist,
5.
eine durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangte Abbildung bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 6 verwendet,
6.
einen durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangten Inhalt (§ 11 Absatz 3) bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 7 verwendet oder
7.
über einundzwanzig Jahre ist und das Opfer unter sechzehn Jahre ist.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt

1.
die räumliche Nähe dieser Person aufsucht,
2.
unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht,
3.
unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person
a)
Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder
b)
Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen,
4.
diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person bedroht,
5.
zulasten dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person eine Tat nach § 202a, § 202b oder § 202c begeht,
6.
eine Abbildung dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht,
7.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder
8.
eine mit den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Handlung vornimmt.

(2) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 7 wird die Nachstellung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
durch die Tat eine Gesundheitsschädigung des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person verursacht,
2.
das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt,
3.
dem Opfer durch eine Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nachstellt,
4.
bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 ein Computerprogramm einsetzt, dessen Zweck das digitale Ausspähen anderer Personen ist,
5.
eine durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangte Abbildung bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 6 verwendet,
6.
einen durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangten Inhalt (§ 11 Absatz 3) bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 7 verwendet oder
7.
über einundzwanzig Jahre ist und das Opfer unter sechzehn Jahre ist.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 224/12
vom
4. Juli 2012
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Juli 2012 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 16. März 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Beschuldigte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen trat der obdachlose Beschuldigte am 16. November 2010 in der Innenstadt von P. gegen einen Stromkasten. Als er deshalb von den Zeugen A. und H. He. zur Rede gestellt wurde, reagierte er mit den Worten: „Halt's Maul, sonst steche ich euch ab“. Anschließend entfernte er sich. Als ihm die beiden Zeugen und zwei weitere Personen nachliefen, blieb der Beschuldigte stehen, zog mit der rechten Hand ein Messer und richtete es auf seine Verfolger. Dabei rief er: „Haut ab, oder ich steche euch alle ab“ und fuchtelte mit dem Messer hin und her. Kurze Zeit später erschien die zwischenzeitlich alarmierte Polizei. Der Aufforderung, das Messer fallenzulassen , kam der Beschuldigte nicht nach, sodass schließlich gegen ihn Pfefferspray eingesetzt und zu seiner Entwaffnung körperliche Gewalt angewendet werden musste (Fall II. 1). Am 7. Dezember 2010 bezeichnete der Beschuldigte während einer gemeinsamen Zugfahrt die Zeugin S. ohne jeden Anlassals „Hure“ und „Schlampe“. Zugleich trat er ihr mit dem Fuß gegen den rechten Unterschenkel, wobei er schwere, massive Stiefel trug. Als ihn die Zeugin auf sein Verhalten ansprach, äußerte er „Ich bringe dich um“ und „Ich mache dich kalt“. Die Zeugin erlitt durch den Tritt mehrere Tage andauernde, nicht unerheb- liche Schmerzen und einen Schock. Auf der von der Polizei begleiteten Weiterfahrt kam es bei ihr mehrfach zu Weinkrämpfen (Fall II. 2). Am 23. März 2011 versetzte der Beschuldigte in F. auf offener Straße einer ihm unbekannten Schülerin, die sich mit zwei Mitschülerinnen auf dem Nachhauseweg befand, einen massiven Tritt in den Rücken. Dabei trug er erneut schwere Schnürstiefel. Da der Tritt durch den Schulranzen gedämmt wurde, kam es nicht zu länger andauernden Schmerzen. Die Schülerin erlitt einen Weinkrampf und war – wie ihre beiden Begleiterinnen – von dem Verhalten des Beschuldigten geschockt (Fall II. 3). Am 26. Oktober 2011 zeigte der Beschuldigte in der P. Innenstadt einem Polizeibeamten den ausgestreckten Mittelfinger und bezeich- nete ihn bei der anschließenden Personalienfeststellung als „Arschloch“ (Fall II. 4). Das Landgericht hat die festgestellten Vorfälle als Bedrohung (Fall II. 1), vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und Bedrohung (Fall II. 2), vorsätzliche Körperverletzung (Fall II. 3) und Beleidigung (Fall II. 4) gewertet.
3
Dem Gutachten des angehörten Sachverständigen folgend geht das Landgericht davon aus, dass der Beschuldigte „seit vielen Jahren“ an einer paranoiden Schizophrenie mit chronischem Residuum leidet. Aufgrund der Erkrankung treten bei ihm unterschiedlich akzentuierte Symptome wahnhafter Überzeugtheit auf. Die dadurch generierten Impulse werden von ihm, dem Grundmuster der festgestellten Taten entsprechend, in aggressiv feindseliger Weise umgesetzt. Stationären Aufenthalten in psychiatrischen Krankenhäusern in den Jahren 1987, 1994 und 1995 gingen jeweils „massive aggressive Übergriffe auf Dritte“ voraus, insbesondere auf Waldwegen, zumTeil mit Messern, durch Schubsen oder Fußtritte sowie Bedrohungen. Ein gegen den Beschuldigten im Jahr 1994 wegen des Verdachts der Körperverletzung geführtes Ermittlungsverfahren wurde wegen Schuldunfähigkeit eingestellt. Aufgrund dieser Erkrankung war die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei sämtlichen Taten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erheblich beeinträchtigt (§ 21 StGB) und nicht ausschließbar aufgehoben (§ 20 StGB).
4
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet, weil die unter II. 1 bis II. 3 festgestellten Taten dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen seien und davon auszugehen sei, dass der Angeklagte ohne Intervention auch in Zukunft ähnlich gelagerte Taten begehen werde.
5
2. Diese Feststellungen belegen nicht hinreichend, dass von dem Beschuldigten aufgrund seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (§ 63 StGB).
6
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist aufgrund ihrer zeitlichen Unbegrenztheit eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Sie darf deshalb nur dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Urteil vom 7. Januar 1997 – 5 StR 508/96, NStZ-RR 1997, 230).
7
Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Beschluss vom 26. April 2001 – 4 StR 538/00, StV 2002, 477 f.). Dabei kann sich – wie in aller Regel bei Verbrechen oder Gewalt- und Aggressionsdelikten – eine schwere Störung des Rechtsfriedens bereits allein aus dem Gewicht des Straftatbestandes ergeben, mit dessen Verwirklichung gerechnet werden muss (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564; Beschluss vom 24. November 2004 – 1 StR 493/04, NStZ-RR 2005, 72, 73). Sind die zu erwartenden Delikte nicht wenigstens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, ist die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens dagegen nur in Ausnahmefällen begründbar (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 18. März 2008 – 4 StR 6/08; Beschluss vom 18. Februar 1992 – 4 StR 27/92, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; Beschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 223/05, NStZ-RR 2005, 303, 304).
8
Die für die Maßregelanordnung erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters , seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Urteil vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 f.; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73,

74).


9
b) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Landgericht seine Überzeugung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Beschuldigten nicht tragfähig begründet.
10
Im Grundsatz zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die gewalttätigen Übergriffe des Beschuldigten in den Fällen II. 2 und II. 3 der Urteilsgründe von erheblichem Gewicht sind. Dass auch eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Beschuldigte künftig diesen Anlasstaten gleich gelagerte Straftaten begehen wird, hat es jedoch nicht hinreichend dargelegt.
11
Die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts beruht auf der Erwägung, dass es sich bei den für die Anlasstaten ursächlichen psychotischen Impulsen um ein Symptom der bei dem Beschuldigten schon seit 1987 bestehenden Grunderkrankung handelt, das aufgrund seines regelhaften Auftretens auch in Zukunft immer wieder zu gleich gelagerten Taten führen wird (UA 7). Bei dieser Sachlage hätte es näherer Erörterung bedurft, warum der Beschuldigte in der Vergangenheit nicht häufiger durch Aggressionsdelikte in Erscheinung getreten ist und welche prognoserelevanten Schlüsse hieraus zu ziehen sind. Dass ein Täter trotz bestehenden Defekts über Jahre hinweg keine Straftaten begangen hat, ist ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten (BGH, Beschluss vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit

27).


12
Die Feststellung, dass den stationären Aufenthalten des Beschuldigten in den Jahren 1987, 1994 und 1995 „massive aggressive Übergriffe auf Dritte“ vorausgegangen sind, ist ohne Aussagekraft, weil es an einer nachvollziehbaren Darstellung einzelner Vorfälle und ihrer Genese fehlt. Gleiches gilt für den Vorgang, der dem wegen Körperverletzung geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Straubing aus dem Jahr 1994 zugrunde lag, das wegen Schuldunfähigkeit eingestellt worden ist. Grundsätzlich kann auch lange zurückliegenden Taten eine indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose zukommen (BGH, Urteil vom 11. August 2011 – 4 StR 267/11, Rn. 14; vgl.BGH, Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, BeckRS 2008, 13076, insoweit in NStZ 2008, 563 nicht abgedruckt), doch setzt dies regelmäßig voraus, dass diese Taten in einem inneren Zusammenhang zu der festgestellten Erkrankung gestanden haben und ihre Ursache nicht vornehmlich in anderen nicht krankheitsbedingten Umständen zu finden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2001 – 4 StR 540/01, BeckRS 2001, 30228853). Dies ist in den Urteilsgründen darzustellen und mit Tatsachen zu belegen.
13
Soweit das Landgericht auch die Todesdrohungen zum Nachteil der Zeugen He. (Fall II. 1) der mittleren Kriminalität zugeordnet hat, wird dies von den Feststellungen nicht belegt. Todesdrohungen gehören nur dann zu den erheblichen Straftaten, wenn sie geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich tragen (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202, 203; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564). Dass die bedrohten Zeugen mit tödlichen Messerstichen gerechnet haben, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die Tatsache, dass sie nach der ersten Drohung die Verfolgung des Beschuldigten aufnahmen, spricht eher für das Gegenteil.
14
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Eine abschließende Entscheidung vermochte der Senat nicht zu treffen, weil es nicht fernliegend ist, dass weitere Feststellungen getroffen werden können , die eine Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtfertigen.
Mutzbauer Roggenbuck Schmitt
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 348/12
vom
26. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 26. Septemer 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 31. Mai 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Ferner wurden Maßregeln nach den §§ 69, 69a StGB getroffen. Die auf den Maßregelausspruch nach § 63 StGB beschränkte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des gesamten Urteils.

I.


2
Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte an einer im Jahr 2007 manifest gewordenen paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Zudem besteht bei ihm ein schädlicher Gebrauch von Alkohol.
3
Am Nachmittag des 6. November 2011 gegen 16.50 Uhr riss der Angeklagte auf dem Parkplatz eines Supermarktes die Fahrertür eines dort abgestellten Pkw BMW 330 CICP auf und sagte zu dem in seinem Fahrzeug sitzenden Zeugen F. und dessen Freundin, der Zeugin M. , in bestimmtem Ton: „Aussteigen“. Da der Angeklagte beide Hände in den Taschen seiner Jacke stecken hatte, befürchteten die Zeugen, dass er eine Waffe bei sich führe und verließen das Fahrzeug. Der erheblich alkoholisierte Angeklagte nahm auf dem Fahrersitz Platz und fuhr davon. Den Pkw des Zeugen F. wollte er für sich behalten, weil es sein „Traumauto“ war. Aufgrund der sofort eingeleiteten Fahndung wurde das entwendete Fahrzeug mit dem Angeklagten am Steuer schon nach kurzer Zeit von zwei Polizeistreifen auf einer öffentlichen Straße entdeckt. Während der anschließenden Verfolgungsfahrt missachtete der Angeklagte wiederholt Anhalteaufforderungen der ihm mit Blaulicht und Martinshorn nachfahrenden Polizeibeamten und vereitelte mehrere Überholversuche, indem er mit dem von ihm gesteuerten Pkw nach links oder rechts zog. Nachdem es dem Polizeibeamten S. doch gelungen war, sich mit seinem Fahrzeug vor den Angeklagten zu setzen, unternahm dieser nun seinerseits mehrere erfolglose Überholmanöver. Schließlich musste er auf einem Gehweg anhalten. Der Aufforderung zum Aussteigen kam der Angeklagte erst nach einem Warnschuss nach. Eine ihm um 18.35 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 1,51 Promille auf.
4
Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als Diebstahl (§ 242 StGB) in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 StGB) gewertet. Bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit und der Einschätzung der Gefährlichkeitsprognose hat sich das Landgericht dem angehörten Sachverständigen angeschlossen. Danach „scheine“ bei dem Angeklagten neben dem Alko- holkonsum ein psychotisches Erleben mit Fremdbeeinflussungsgedanken („mein Vater ist Luzifer und mein Vater hat gesagt, ich solle das Auto entwenden“ ) im Rahmen seiner schizophrenen Erkrankung im Vordergrund gestanden zu haben. Die Intensität der Beeinträchtigung sei zu den Tatzeitpunkten so ausgeprägt gewesen, dass eine erheblich eingeschränkte Handlungs- und Steuerungsfähigkeit angenommen werden müsse. Eine vollständig aufgehobene Einsichts- und Steuerungsfähigkeit könne nicht ausgeschlossen werden, wenn man davon ausgehe, dass die dokumentierten Fremdbeeinflussungserlebnisse wirksam gewesen seien (UA 8). Die Prognose des Angeklagten müsse als ungünstig bezeichnet werden, weil seine Krankheitseinsicht und seine Therapiewilligkeit erheblichen Schwankungen unterworfen seien. Bei einer sofortigen Entlassung sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Angeklagte seine Medikamente erneut absetzt und dadurch in psychotische Zustände gerät, in denen er – möglicherweise in suizidaler Absicht – Straftaten der vorliegenden Art begehen könnte. Das Landgericht geht davon aus, dass die Anlassdelikte „von erheblichem Gewicht“ waren. Insbesondere sei der Dieb- stahl in seiner Begehungsform einem Raub angenähert gewesen (UA 9).

II.


5
Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt.
6
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198; Beschluss vom 8. April 2003 – 3 StR 79/03, NStZ-RR 2003, 232).
7
Die Diagnose einer paranoid-halluzinatorischen Psychose führt nicht zwangsläufig zu der Feststellung einer generellen oder über längere Zeiträume andauernden gesicherten Beeinträchtigung oder Aufhebung der Schuldfähigkeit. Es ist daher stets im Einzelnen darzulegen, wie sich die Erkrankung in der konkreten Tatsituation auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf sie zurückzuführen sind (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; Beschluss vom 2. Oktober 2007 – 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39; Beschluss vom 3. Juli 1991 – 3 StR 69/91, NStZ 1991, 527, 528).
8
Das landgerichtliche Urteil enthält hierzu keine ausreichenden Feststellungen. Soweit das Landgericht im Anschluss an den Sachverständigen davon ausgeht, dass bei dem Angeklagten ein auf seiner Schizophrenie beruhendes psychotisches Erleben mit Fremdbeeinflussungsgedanken im Vordergrund gestanden habe, werden die diese Bewertung tragenden Anknüpfungs- und Befundtatsachen nicht wiedergegeben, sodass eine Überprüfung nicht möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 229/10, Rn. 8). Das in diesem Zusammenhang mitgeteilte Wahnerleben („mein Vater ist Luzifer und mein Vater hat gesagt, ich solle das Auto entwenden“) ist mit dem festgestellten Motiv für den Diebstahl des Pkw („Traumauto“) unvereinbar. Da dieser Beweggrund offenkundig nicht in einem Zusammenhang mit der Grunderkrankung des Angeklagten steht, sind die Feststellungen des Landgerichts an dieser Stelle mehrdeutig. Konkrete Ausführungen zu der Frage, wie sich die psychische Erkrankung auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten während der anschließenden Trunkenheitsfahrt und der Polizeiflucht ausgewirkt hat, fehlen ganz. Schließlich war es auch rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht mit dem Sachverständigen eine gleichzeitige Aufhebung der Einsichts- und der Steuerungsfähigkeit für möglich gehalten hat (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 229/10, Rn. 8; Beschluss vom 9. September 1986 – 4 StR 470/86, BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1).
9
2. Auch die Gefährlichkeitsprognose begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZRR 2011, 240, 241; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202). Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Beschluss vom 26. April 2001 – 4 StR 538/00, StV 2002, 477 f.). Sind die zu erwartenden Delikte nicht wenigstens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, ist die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens nur in Ausnahmefällen begründbar (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 18. März 2008 – 4 StR 6/08; Beschluss vom 18. Februar 1992 – 4 StR 27/92, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; Beschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 223/05, NStZ-RR 2005, 303, 304). Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Urteil vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 f.; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). An die Darlegungen sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (BGH, Beschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, Rn. 8; Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73, 74).
11
Diesen Maßstäben werden die Erwägungen des Landgerichts nicht gerecht. Das Landgericht hat keine die Biographie des Angeklagten und seine Krankheitsgeschichte in den Blick nehmende Gesamtwürdigung vorgenommen. In diesem Zusammenhang hätte erörtert werden müssen, dass der Angeklagte bereits seit dem Jahr 2007 manifest erkrankt ist, ohne strafrechtlich in Erscheinung getreten zu sein. Dass ein Täter trotz bestehenden Defekts über Jahre hinweg keine Straftaten begangen hat, ist ein Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten (BGH, Beschluss vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199). Die Wertung des Landgerichts, wonach sämtliche Anlassdelikte von einem erheblichen Gewicht waren, wird durch die festgestellten Tatumstände nicht belegt. Eine vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB kann nicht ohne weiteres der mittleren Kriminalität zugeordnet werden (vgl. MK-StGB/van Gemmeren, 2. Aufl., § 63 Rn. 55). Sie ist erst bei einer zu erwartenden besonderen Häufung oder bei außergewöhnlichen – hier nicht festgestellten – Tatumständen erheblich. Der festgestellte Widerstand hat zu keiner Zeit zu einer Gefährdung der eingesetzten Polizeibeamten geführt und war daher ebenfalls nicht als eine schwere Störung des Rechtsfriedens anzusehen.

III.


12
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
13
1. Der Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht der Aufhebung des Freispruchs nicht entgegen. Wird die Anordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB auf eine Revision des Angeklagten hin aufgehoben , hindert das Schlechterstellungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO den neuen Tatrichter nicht daran, an Stelle einer Unterbringung nunmehr eine Strafe zu verhängen (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dadurch soll vermieden werden, dass die erfolgreiche Revision eines Angeklagten gegen die alleinige Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus dazu führt, dass eine Tat, die wegen angenommener Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB nicht zu einer Bestrafung geführt hat, ohne strafrechtliche Sanktion bleibt, wenn sich in der neuen Hauptverhandlung herausstellt, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldfähig war (BT-Drs. 16/1344, S. 17). Dieses gesetzgeberische Ziel kann nur erreicht werden, wenn das Revisionsgericht in diesen Fällen nicht nur die auf rechtsfehlerhaften Feststellungen zur Schuldfähigkeit beruhende Maßregelanordnung, sondern auch den hierauf gestützten Freispruch aufhebt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 229/10, Rn. 11; Beschluss vom 27. Oktober 2009 – 3 StR 369/09, Rn. 9).
14
2. Die Beschränkung der Revision des Angeklagten auf die Maßregelanordnung ist unwirksam, weil die Unterbringung nach § 63 StGB und der auf § 20 StGB gestützte Freispruch gleichermaßen von der Bewertung der Schuldfähigkeit abhängen und deshalb zwischen beiden Entscheidungen aus sachlichrechtlichen Gründen ein untrennbarer Zusammenhang besteht. Da nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nunmehr eine Bestrafung des Angeklagten möglich ist, wenn sich seine Schuldfähigkeit herausstellen sollte, lässt sich die Wirksamkeit einer isolierten Anfechtung der Maßregelanordnung nicht mehr mit der Erwägung rechtfertigen, dass aufgrund des Verbots der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) unabhängig von der Bewertung der Schuldfrage in jedem Fall wieder auf Freispruch erkannt werden müsste (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1953 – 3 StR 620/53, BGHSt 5, 267, 268). Der Senat braucht an dieser Stelle nicht zu entscheiden, ob § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO eine isolierte Anfechtung der Anordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB auch dann hindert, wenn die den Freispruch tragende Schuldunfähigkeit des Angeklagten feststeht und nur die der Maßregelanordnung zugrunde liegende Gefährlichkeitsprognose zu überprüfen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 1963 – 5 StR 13/63, NJW 1963, 1414, 1415).
Mutzbauer Cierniak Franke
Quentin Reiter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 140/08
vom
12. Juni 2008
in dem Strafverfahren/Sicherungsverfahren
gegen
wegen Bedrohung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juni 2008,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. Oktober 2007 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den im Sicherungsverfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft, die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, abgelehnt und im Strafverfahren von der Anordnung der Maßregel abgesehen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat nach Verbindung zweier Strafverfahren und eines Sicherungsverfahrens gegen den Angeklagten bzw. Beschuldigten (im Folgenden : Beschuldigten) sowohl im Strafverfahren als auch im Sicherungsverfahren verhandelt. Es hat den Beschuldigten von den mit den Anklageschriften vom 16. Juni 2006 und 18. August 2006 erhobenen Vorwürfen, soweit es die Vorwürfe der Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung und einer weiteren Beleidigung zum Nachteil des Zeugen S. betrifft, wegen Schuldunfähigkeit, im Übrigen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen und den im Sicherungs- verfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Mit ihrer zu Ungunsten des Beschuldigten eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Sie wendet sich dagegen, dass das Landgericht die Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB abgelehnt hat. Ferner beanstandet sie, dass eine Entscheidung über die Einziehung der bei dem Angeklagten sichergestellten, die rechtswidrige Tat nach § 52 Abs. 2 Nr. 8 WaffG betreffenden Gegenstände unterblieben ist.

I.


2
1. Nach den Feststellungen leidet der nunmehr 43 Jahre alte Beschuldigte an einer erstmals im Jahr 1990 diagnostizierten chronischen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Im selben Jahr unternahm er einen Suizidversuch , bei dem er sich die Pulsadern öffnete und seine Wohnung in Brand steckte. Mit Ordnungsverfügung des Polizeipräsidenten Köln vom 10. Oktober 1990 wurde ihm die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen und Munition untersagt. Das Ermittlungsverfahren wegen schwerer Brandstiftung wurde im Dezember 1990 von der Staatsanwaltschaft Köln wegen Schuldunfähigkeit des Beschuldigten eingestellt. Nach einem weiteren Suizidversuch im Jahre 1997, den er ebenso wie den vorangegangenen unternommen hatte, weil er glaubte, er solle ermordet werden, ließ sich der Beschuldigte freiwillig 19 Monate lang in einem psychiatrischen Krankenhaus behandeln und wurde danach weiter ambulant psychiatrisch behandelt. Die über mehrere Jahre eingenommenen Medikamente setzte der Beschuldigte ab und nahm seitdem lediglich das Medikament Diazepam.
3
Zu den dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
4
a) Anklageschrift vom 16. Juni 2006:
5
Am 27. November 2005 kam es in dem Mietshaus in Gelsenkirchen, in dem auch der Beschuldigte wohnte, zu folgenden Vorfällen:
6
Als der Zeuge S. , nachdem er einen dumpfen Knall gehört hatte , die Wohnungstür öffnete, stand der Beschuldigte, der einen Baseballschläger in der Hand hielt, im Flur und sagte: "Wir müssen was klären". Der Zeuge schloss die Wohnungstür und informierte die Polizei. Danach klopfte der Beschuldigte an die Tür der Wohnung des Zeugen P. . Als dieser die Tür öffnete , schlug der Beschuldigte mit seinem Baseballschläger in die eigene Handfläche und sagte: "Jetzt ist es soweit. Komm' raus!" Der Zeuge P. fürchtete, geschlagen zu werden und schloss die Tür. Als der Zeuge S. die inzwischen erschienenen Polizeibeamten in seine Wohnung einließ, kam der Beschuldigte hinzu, beleidigte den Zeugen und rief ihm zu: "Wenn ich in den Knast komme, mach' ich Euch beide kalt!"
7
b) Anklageschrift vom 18. August 2006:
8
Am 17. Juli 2006 belegte der Beschuldigte den Zeugen S. im Treppenhaus des vorgenannten Mietshauses erneut mit üblen Schimpfworten. Dabei hielt er ein Klappmesser in der Hand. Der Zeuge S. zog aus Angst vor Übergriffen des Beschuldigten in eine andere Wohnung um.
9
c) Antragsschrift vom 5. Juni 2007:
10
Am 23. Februar 2007 kam es gegen Abend zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und anderen Mitbewohnern des Mietshauses, in deren Verlauf der Beschuldigte schließlich aus seiner Wohnung ein etwa 50 cm langes Messer holte und mit dem Messer in der Hand durch den Flur zu der Wohnung der Zeugin A. lief, was bei der Zeugin panische Angst auslöste. Unter welchen Umständen der Beschuldigte dann wieder in seine Wohnung gelangte , hat das Landgericht nicht aufzuklären vermocht. Der Zeuge W. hielt die Tür der Wohnung des Beschuldigten bis zum Eintreffen der von einem Mitbewohner alarmierten Polizeibeamten zu. Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten wurden neben zahlreichen Messern u.a. ein Bogen mit Köcher und sechs gespitzten Pfeilen, ein Baseballschläger, ein Tomahawk, sieben Bajonette, verschiedene Bauteile, Magazine und „Munitionsteile“ für das G 3, ein mit einem "F" im Fünfeck gekennzeichnetes Luftgewehr , sieben Handgranaten ohne Zünder und eine Mörsergranate sichergestellt.
11
2. Das Landgericht hat hinsichtlich der Vorfälle am 27. November 2005 eine rechtswidrige Tat gemäß §§ 185, 241 Abs. 1, 52 StGB bejaht und die Äußerungen des Beschuldigten gegenüber dem Zeugen S. am 17. Juli 2006 als rechtswidrige Tat im Sinne des § 185 StGB gewertet. Hinsichtlich der dem Beschuldigten mit der Antragsschrift vom 5. Juni 2007 im Sicherungsverfahren zur Last gelegten Taten hat das Landgericht lediglich eine von dem Beschuldigten durch die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über das bei ihm sichergestellte Luftgewehr und "diverse Munitions- und Schusswaffenteile" entgegen der Ordnungsverfügung des Polizeipräsidenten Köln begangene rechtswidrige Tat im Sinne des § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG als erwiesen angesehen. Dagegen habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass der Beschuldigte im Verlauf der Auseinandersetzung am 23. Februar die ihm ferner zur Last gelegten beiden Bedrohungen , eine vorsätzliche Körperverletzung sowie eine versuchte gefährliche Körperverletzung begangen habe.
12
Das sachverständig beratene Landgericht hat hinsichtlich der festgestellten rechtwidrigen Taten die Schuldfähigkeit des Beschuldigten verneint, weil eine krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB zu allen Tatzeitpunkten mit Sicherheit zum Ausschluss der Einsichtsfähigkeit geführt habe. Die Hauptsymptome der chronischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis , an der der Beschuldigte leide, bestünden in formalen und inhaltlichen Denkstörungen, die sich in zerfahrenen Gedankenabläufen bzw. Wahnvorstellungen und Verfolgungs-, Beeinträchtigungs- und Beziehungsideen äußerten. Das Wahnerleben des Beschuldigten beziehe sich auf dessen gesamtes personelles Umfeld, das ihn nach seiner Wahrnehmung ständig bedrohe, bespitzele und beleidige. Damit einher gehe eine affektive Störung, die sich in erhöhter Reizbarkeit, gesteigertem Antrieb und verminderter Impulskontrolle äußere.
13
Die Voraussetzungen des § 63 StGB für eine Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat das Landgericht verneint , weil die hierfür erforderliche erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung erheblicher Straftaten aus dem mittleren Kriminalitätsbereich nicht erkennbar sei. Die zur Anklage gebrachten Taten seien "von vornherein nicht von einem derartigen kriminellen Gewicht" gewesen. Die festgestellten rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. genügten ebenso wenig wie der Verstoß gegen § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG für die Annahme einer erhöhten Wahrscheinlichkeit der Begehung künftiger erheblicher Straftaten. Zwar bestehe eine erhebliche Wahrscheinlichkeit künftigen strafrechtlich relevanten Verhaltens des Beschuldigten. Diese erhöhte Wahrscheinlichkeit sei aber auf die Begehung gleichartiger Straftaten wie Beleidigungen und Bedrohungen beschränkt, was für die Anordnung der Maßregel nicht ausreiche. Eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung erheblicher Straftaten, etwa von Körperverletzungsdelikten, sei dagegen nicht anzunehmen. Soweit der Beschuldigte ausweislich des Bundeszentralregisterauszuges im Jahre 2003 wegen einer im Jahre 2001 begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden sei, sei zu berücksichtigen, dass diese Tat bereits eine erhebliche Zeitspanne zurückliege. Die schwere Brandstiftung im Zusammenhang mit dem Suizidversuch im Jahre 1990 habe der Beschuldigte zudem in einer Ausnahmesituation begangen. Soweit es die rechtswidrige Tat nach § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG betreffe, bestehe "derzeit" keine erhöhte Wahrscheinlichkeit weiterer vergleichbarer Taten des Beschuldigten, weil sämtliche erlaubnispflichtigen oder auf Grund der Verfügung des Polizeipräsidenten Köln verbotenen Waffen „eingezogen“ worden seien.

II.


14
Die Staatsanwaltschaft hat den Freispruch des Beschuldigten von den ihm in den hinzu verbundenen Strafverfahren zur Last gelegten Taten von dem Revisionsangriff ausgenommen. Diese Beschränkung des Rechtsmittels ist zulässig (vgl. BGH NStZ 1995, 609, 610; Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 318 Rdn. 24; Frisch in SK-StPO § 344 Rdn. 21, jew. m.w.N.).
15
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das Landgericht den im Sicherungsverfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft, die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, abgelehnt und im Strafverfahren von der Anordnung der Maßregel abgesehen hat. Im Übrigen ist sie unbegründet.
16
1. Die Nichtanordnung der Unterbringung des Beschuldigten nach § 63 StGB wegen der im Strafverfahren festgestellten rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. und der im Sicherungsverfahren festgestellten rechtswidrigen Tat nach § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die der für den Beschuldigten günstigen Gefährlichkeitsprognose zugrunde liegende Gesamtwürdigung weist Wertungsfehler auf. Sie ist zudem lückenhaft und lässt deshalb die gebotene umfassende revisionsrechtliche Überprüfung der Würdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten und der Taten nicht zu.
17
a) Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass wegen der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit und mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) nur schwere Störungen des Rechtsfriedens , die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen (vgl. BGHSt 27, 246, 248; BGH NStZ 2008, 210, 212 m.w.N.). Die Annahme des Landgerichts , die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte künftig rechtswidrige Taten wie die festgestellten Anlasstaten zum Nachteil des Zeugen S. im Sinne der §§ 185 und 241 StGB begehen werde, vermöge seine Unterbringung nach § 63 StGB nicht zu rechtfertigen, weil die festgestellten Anlasstaten nicht in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichten, lässt zwar entgegen der Auffassung der Revision nicht besorgen, dass das Landgericht verkannt haben könnte, dass die Anlasstat selbst grundsätzlich nicht erheblich im Sinne des § 63 StGB sein muss (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 63 Rdn. 3). Vielmehr hat das Landgericht trotz der Verneinung der Erheblichkeit dieser Anlasstaten auch geprüft, ob eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung schwerer Delikte gegeben ist, und dies verneint (UA S. 22). Durchgreifenden Bedenken begegnet aber die Gewichtung der festgestellten Bedrohung und damit auch der zu erwartenden gleichartigen Taten des Beschuldigten als nicht erheblich im Sinne des § 63 StGB.
18
Ergibt sich die Erheblichkeit drohender Taten nicht aus dem Delikt selbst, wie etwa bei Verbrechen, kommt es auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an, da das Gesetz keine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände vorgenommen hat (vgl. BGH NStZ 1995, 228; BGH, Beschluss vom 3. April 2008 – 1 StR 153/08 - Rdn. 14). Das bedeutet, dass auch Bedrohungen im Sinne des § 241 StGB nicht von vornherein als unerheblich im Sinne des § 63 StGB angesehen werden können. Todesdrohungen, die geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen, stellen eine schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens dar und sind nicht bloße Belästigungen. Schon im Hinblick auf das Gewicht eines Eingriffs gemäß § 63 StGB ist jedoch erforderlich, dass die Bedrohung in ihrer konkreten Ausgestaltung aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2008 – 1 StR 153/08 - Rdn. 11). Es hätte deshalb der Erörterung bedurft, ob die Bedrohung des Zeugen S. aus dessen Sicht die Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trug. Dies liegt nach den Feststellungen nahe, denn der Bedrohung und Beleidigung des Zeugen war vorausgegangen, dass der Beschuldigte den Zeugen mit einem Baseballschläger aufgesucht und damit ein erhebliches Drohpotential aufgebaut hatte, was den Zeugen veranlasst hatte, sofort die Wohnungstür zu schließen und die Polizei zu informieren.
19
b) Soweit der Beschuldigte die tatsächliche Gewalt über die bei ihm sichergestellten Gegenstände ausgeübt hat, hat das Landgericht verkannt, dass er damit nach den bisherigen Feststellungen, jedenfalls soweit es die sichergestellten Magazine und „Munitionsteile“ für das G 3, die Mörsergranate und - möglicherweise - die Handgranaten ohne Zünder betrifft (vgl. Anlage zu § 1 Abs. 1 KWKG Nr. 29 c, 46, 49, 50), auch den Verbrechenstatbestand des § 22 a Abs. 1 Nr. 6 a KWKG und damit eine schon vom Deliktstyp her im Sinne des § 63 StGB erhebliche Tat verwirklicht haben könnte. Hierzu hätte es näherer Feststellungen zur Beschaffenheit der vorgenannten Gegenstände bedurft. Selbst wenn diese tatsächlich, etwa im Wege der außergerichtlichen Einziehung , eingezogen worden sein sollten, spräche dies entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht entscheidend gegen die Gefährlichkeit des Beschuldigten , weil dieser, womit sich das Landgericht hätte auseinandersetzen müssen, nach den Feststellungen ein „besonderes Interesse an Waffen aller Art“ hat. Es liegt daher nicht fern, dass er sich erneut solche beschaffen kann und wird.
20
c) Zudem fehlt eine Gesamtschau der konkreten Tatumstände der rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. , die ebenfalls für die Gefährlichkeit des Beschuldigten sprechen können, wie das Mitführen eines Baseballschlägers oder eines Messers. Ebenso hätte in die Gesamtschau einbezogen werden müssen, dass der Beschuldigte, wie das Herbeiholen eines 50 cm langen Messers im Verlauf der – nicht ausgeurteilten - Auseinandersetzung am 23. Februar 2007 belegt, aufgrund seines Zustandes dazu neigt, sich mit einem Messer oder anderen gefährlichen Werkzeugen zu bewaffnen. Dies kann vor dem Hintergrund der krankheitsbedingt verminderten Impulskontrolle und erhöhten Reizbarkeit dafür sprechen, dass künftig auch mit Aggressionsdelikten des Beschuldigten zu rechnen ist, zumal die Erkrankung des Beschuldigten nach den Ausführungen des Sachverständigen mangels fachpsychiatrischer und medikamentöser Behandlung einen progredienten, chronischen Verlauf nimmt.
21
Soweit das Landgericht den früheren Taten des Beschuldigten wegen des Zeitablaufs keine indizielle Bedeutung beigemessen hat, hätte es gleichwohl der Mitteilung der Hintergründe dieser Taten bedurft, weil auch länger zurückliegende Taten eine, wenn auch eingeschränkte indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose haben können. Dies gilt namentlich für die gefährliche Körperverletzung vom 1. November 2001, aber auch für die nach Auffassung des Landgerichts in einer „Ausnahmesituation“ im Jahre 1990 begangene schwere Brandstiftung, bei deren Begehung der Beschuldigte schuldunfähig gewesen ist. Der Mitteilung bedurft hätten auch die Gründe der auf § 40 WaffG gestützten Untersagungsverfügung. Unter den hier gegebenen Umständen hätte es schließlich näherer Darlegung des vom Sachverständigen in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens bedurft, zumal nach den Urteilsausführungen unklar bleibt, zu welcher Einschätzung der Gefährlichkeit des Beschuldigten der Sachverständige in der Hauptverhandlung gelangt ist.
22
2. Soweit die Revision beanstandet, dass eine Entscheidung über die Einziehung der das Waffendelikt betreffenden sichergestellten Gegenstände unterblieben ist, lässt sie außer acht, dass im Sicherungsverfahren nur Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet werden dürfen. Einziehungsentscheidungen als sonstige Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB kommen bei schuldunfähigen Tätern allein im selbständigen Einziehungsverfahren in Betracht (§ 440 StPO). Der danach erforderliche gesonderte Antrag (§ 440 Abs. 1 StPO) ist hier nicht gestellt worden, so dass es für eine Einziehung an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2003 - 3 StR 405/03).

III.


23
Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils, soweit dieses angefochten ist. Die infolge der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels eingetretene Rechtskraft des Freispruchs bewirkt nur, dass der Beschuldigte vor einer Bestrafung wegen der Taten, die Gegenstand des Strafverfahrens sind, geschützt ist. Auch hinsichtlich dieser Taten muss der neue Tatrichter ebenso wie zu den Taten, die Gegenstand des Sicherungsverfahrens sind, als Grundlage für eine etwaige Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus eigene Feststellungen zum objektiven und zum subjektiven Tatbestand sowie zur Schuldfähigkeit treffen.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Ernemann

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt

1.
die räumliche Nähe dieser Person aufsucht,
2.
unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht,
3.
unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person
a)
Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder
b)
Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen,
4.
diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person bedroht,
5.
zulasten dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person eine Tat nach § 202a, § 202b oder § 202c begeht,
6.
eine Abbildung dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht,
7.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder
8.
eine mit den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Handlung vornimmt.

(2) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 7 wird die Nachstellung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
durch die Tat eine Gesundheitsschädigung des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person verursacht,
2.
das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt,
3.
dem Opfer durch eine Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nachstellt,
4.
bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 ein Computerprogramm einsetzt, dessen Zweck das digitale Ausspähen anderer Personen ist,
5.
eine durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangte Abbildung bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 6 verwendet,
6.
einen durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangten Inhalt (§ 11 Absatz 3) bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 7 verwendet oder
7.
über einundzwanzig Jahre ist und das Opfer unter sechzehn Jahre ist.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 168/13
vom
18. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. Juli 2013 gemäß § 349 Abs. 4,
§ 126 Abs. 3 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 22. November 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
3. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 23. Dezember 2011 (Az. 703 Gs – 110 Js 720/11 – 1552/11) in der Fassung des Haftfortdauerbeschlusses des Landgerichts Dortmund vom 22. November 2012 wird aufgehoben. Der Angeklagte ist unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Nachstellung zum Nachteil der Zeugin V. S. in Tateinheit mit versuchter Nötigung zum Nachteil der Zeugin V. S. in 11 Fällen und mit Bedrohung zum Nachteil des Zeugen A. S. in 5 Fällen und mit Bedrohung zum Nachteil der Zeugin P. S. in 6 Fällen und mit Bedrohung zum Nachteil des Zeugen T. in 4 Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin V. S. und mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen A. S. und mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin P. S. und mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen T. und mit Sachbeschädigung" zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
Die Strafkammer hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Im August 2010 lernte der in Berlin lebende, damals 24-jährige Angeklagte im Urlaub die 22-jährige V. S. kennen. In der Folgezeit hielten sie zwar Kontakt zueinander, zu einer Liebesbeziehung oder regelmäßigen Treffen kam es jedoch nicht. Ende des Jahres 2010 fühlte sich V. S. vom Angeklagten vereinnahmt und zunehmend eingeengt, weshalb sie eine geplante gemeinsame Silvesterfeier zum Jahreswechsel absagte. Zum 1. Februar 2011 trat V. S. eine Stelle als Flugbegleiterin in Frankfurt an, wohin sie auch ihren Wohnsitz verlegte. In diesem Zusammenhang teilte sie dem Angeklagten mit, dass sie keine Beziehung wünsche, zumal ihr die Entfernung zwischen Berlin und Frankfurt zu weit sei. In der Folgezeit löschte sie den Angeklagten von ihrer sog. Freundesliste bei Facebook.
4
In der Zeit zwischen dem 24. Februar 2011 und der Festnahme des Angeklagten am 15. März 2012 kam es zu zahlreichen Kontaktversuchen des Angeklagten über die Internetplattform Facebook, die zum Teil an V. S. gerichtet waren, zu einem anderen Teil an deren Freundinnen, da V. S. zwischenzeitlich ihr Profil bei Facebook gelöscht hatte und deshalb für den Angeklagten nicht mehr erreichbar war. Ferner schrieb der Angeklagte ihr und ihren Eltern Briefe; in einem Fall wandte sich der Angeklagte mittels einer Facebook-Nachricht an den damaligen Lebensgefährten von V. S. , den Zeugen T. .
5
V. S. hatte den Angeklagten – ebenso wie ihre Eltern und der Zeuge T. – zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt aufgefordert, sie in Ruhe zu lassen und ihm mitgeteilt, sie wolle keinen Kontakt mehr zu ihm haben. Hierüber setzte der Angeklagte sich jedoch hinweg. In einer Vielzahl von Nachrichten und Briefen forderte er V. S. unter anderem dazu auf, ihn erneut ihrer Freundesliste in ihrem Facebook-Profil hinzuzufügen, sich bei ihm zu entschuldigen, ihm ein Armband, das er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, zurückzugeben und sich von dem Zeugen T. zu trennen. Diese Forderungen unterstrich er mit Drohungen für den Fall, dass sie seine Forderungen nicht erfüllen sollte.
6
Bei V. S. trat durch das Verhalten des Angeklagten eine „kur- ze reaktive depressive Erkrankung aufgrund äußerer Belastung“ ein.Diese äu- ßerte sich darin, dass sie sich hilflos und kraftlos fühlte und unter Schlafstörungen sowie Leistungseinbußen litt. Sie ging nicht mehr so häufig aus wie zuvor und achtete auf der Straße darauf, ob ihr jemand folgt. Zeitweise fühlte sie sich psychisch nicht mehr im Stande, ihrer Arbeit als Flugbegleiterin nachzugehen, da der Angeklagte ihr u.a. angekündigt hatte, sie auf einem Flug „fertig zu ma- chen“. Nachdem sie im August von ihrer Mutter telefonisch davon in Kenntnis gesetzt worden war, dass es an ihrem Elternhaus zu einer Sachbeschädigung durch den Angeklagten gekommen war, meldete sie sich aus Angst, der Angeklagte könne ihr, ihrem Freund oder ihren Eltern etwas antun, krank. Insgesamt kam es von April bis September 2011 zu 30 Fehltagen, die „größtenteils“ auf „psychische Probleme“ zurückzuführen waren, die sie „in Folge des Verhaltens des Angeklagten hatte“. Ferner litt sie „ab April/Mai 2011 unter Migräneanfällen“ , während sie zuvor nur „normale“ Kopfschmerzen hatte. Sie hatte „während des Tatzeitraumes“ häufig Weinkrämpfe mit Herzrasen und begab sich in „psy- chologische Behandlung“, wo Symptome einer „Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik“ diagnostiziert wurden und eine Gesprächstherapie geplant wurde. Eine Übernahme in ein festes Anstellungsverhältnis erfolgte nicht; V. S. wechselte den Beruf und zog in eine andere Stadt. Treffen mit Freunden sagte sie ab, weil der Angeklagte hiervon Kenntnis erlangt haben konnte; aus sozialen Netzwerken wie Facebook zog sie sich zurück oder trat dort nur noch unter Fantasienamen auf.
7
Bei T. trat „kurzfristig aufgrund der psychischen Belastung durch Somatisierung eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesundheit“ ein. Er litt „während des Tatzeitraums zeitweise unter Schlafstörungen und temporär unter Schwindelzuständen“. Ferner hatte er Albträume und zeigte Nervosität sowie eine erhöhte Reizbarkeit. In „bestimmten Situationen“, die durch ein je- weiliges Verhalten des Angeklagten hervorgerufen wurden, hyperventilierte er.
8
A. S. , der Vater von V. S. , litt unter „konkreten Ängsten als zeitlich begrenzte Reaktion, die sodann wieder abklangen“. Er konnte aufgrund der Belastungssituation zunächst nicht mehr seiner Arbeit im Schichtdienst nachgehen und wurde am 21. Oktober 2011 für eine Woche krankgeschrieben. Zudem litt er unter Schlafstörungen. Bei P. S. kam es zu einer „deutlich längerfristigen Anpassungsstörung“, die allerdings nicht allein durch die Aktivitäten des Angeklagten hervorgerufen wurde. Die Zeugin befand sich schon vor den Vorfällen in psychiatrischer Behandlung. Jedoch „verstärkten sich die Probleme und wurden immer schlimmer“. Sie hatte Angst, das Haus zu verlassen und litt zudem unter Schlafstörungen und Albträumen.
9
Die durch sein Verhalten verursachten Auswirkungen auf das körperliche Wohlbefinden bzw. die körperliche Unversehrtheit der Zeugen hat der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen.
10
Die sachverständig beratene Strafkammer nimmt bei dem Angeklagten eine narzisstische Persönlichkeitsstörung mit emotionaler und konsekutiver Verhaltensinstabilität bzw. auf der Ebene emotionaler/persönlicher Labilität vom Typ Borderline an. Seine Steuerungsfähigkeit sei daher im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert, nicht aber aufgehoben gewesen. Es bestehe „eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades", dass „der Angeklagte in Zukunft seine Tat fortführt oder/und die Tat sich in ähnlicher Weise wiederholen könnte“ (UA S. 132).

II.


11
1. Die Verurteilung wegen Körperverletzung zum Nachteil der P. S. , des A. S. , des T. und der V. S. wegen versuchter Nötigung im Fall der Tat vom September 2011 sowie die Verurteilung wegen Bedrohung der P. S. in drei Fällen, des A. S. in zwei Fällen und des T. in drei Fällen begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12
a) Die Verurteilung wegen der Körperverletzungen wird von den Feststellungen des Landgerichts nicht getragen.
13
aa) Als Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes anzusehen. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Art und Weise die Beeinträchtigung erfolgt ist (BGH, Urteil vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 6; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 223 Rn. 5 mwN). Rein psychische Empfindungen genügen bei keiner Handlungsalternative, um einen Körperverletzungserfolg gemäß § 223 Abs. 1 StGB zu begründen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, BGHSt 48, 34, 36; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, NStZ-RR 2012, 340 f.; OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2118; Mey- er, ZStW 115 (2003), 249, 261). Wirkt der Täter auf sein Opfer lediglich psychisch ein, liegt eine Körperverletzung daher erst dann vor, wenn ein pathologischer , somatisch-objektivierbarer Zustand hervorgerufen worden ist, der vom Normalzustand nachteilig abweicht (BGH aaO S. 36 f.; Urteil vom 31. Oktober 1995 – 1 StR 527/95, BGHR StGB § 223 Abs. 1 Gesundheitsbeschädigung 2). Bloß emotionale Reaktionen auf Aufregungen, wie etwa starke Gemütsbewegungen oder andere Erregungszustände, aber auch latente Angstzustände, stellen keinen pathologischen Zustand und damit keine Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar (Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123).
14
bb) Daran gemessen genügt für die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung zum Nachteil der P. S. nicht, dass es bei ihr „aufgrund der ständigen Bedrohung durch den Angeklagten … zu einer deutlich länger- fristigen Anpassungsstörung“ kam, die „nicht allein durch die Aktivitäten des Angeklagten hervorgerufen, jedoch wesentlich gesteigert“ wurde (UA S. 119). Insofern hätte es vielmehr näherer Darlegungen dazu bedurft, worin die Anpassungsstörung konkret bestanden und wie sie sich geäußert haben soll; hinsicht- lich der „Steigerung“ der Störung waren vor dem Hintergrund, dass sich die Zeugin bereits in psychiatrischer Behandlung befand (UA S. 97), Ausführungen dazu geboten, ob hierhin ein eigenständiger Erfolg im Sinne des § 223 StGB liegt. Auch die von der Strafkammer an anderer Stelle herangezogenen „Schlafstörungen und Albträume“ der Zeugin (UA S. 97) lassen nicht erkennen, ob es sich hierbei um Beeinträchtigungen erheblichen Ausmaßes handelte, etwa weil sich das Schlafverhalten dauerhaft geändert hat (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; Urteil vom 31. Oktober 1995 – 1 StR 527/95, NStZ 1996, 131, 132).
15
Zudem hätte es – wie auch bei den anderen Opfern – einer tragfähigen, sich nicht auf die Wiedergabe der Umschreibung des bedingten Vorsatzes beschränkenden Begründung des Wissens und Wollens des Körperverletzungserfolges bedurft (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, NStZ-RR 2012, 340 f.; Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; Beschluss vom 22. November 2006 – 2 StR 382/06, bei Miebach, NStZ-RR 2007, 65).
16
cc) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung zum Nachteil des A. S. hat danach keinen Bestand.
17
Insofern führt das Landgericht zur Begründung seiner rechtlichen Würdigung lediglich aus, die Gesundheit des A. S. sei „kurzfristig … erheb- lich beeinträchtigt“ worden; er habe „infolge der akuten Belastungssituation durch das Verhalten des Angeklagten unter konkreten Ängsten als zeitlich be- grenzte Reaktion“ gelitten (UA S. 119). Angst als solche stellt jedoch – insbe- sondere wenn die Reaktion „zeitlich begrenzt“ bzw. „kurzfristig“ auftritt – lediglich eine Beeinträchtigung des seelischen Wohlbefindens und eine normale Reaktion auf Bedrohungen, nicht aber einen pathologischen Zustand dar (Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, NStZ-RR 2012, 340 f.; OLG Köln, NJW 1997, 2191, 2192; NK-StGB/Paeffgen, 4. Aufl., § 223 Rn. 11a).
18
Auch der Umstand, dass A. S. „aufgrund der Belastungssituation … für eine Woche krankgeschrieben“ wurde (UA S. 96), ermöglicht keine revisionsgerichtliche Nachprüfung der Annahme einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit. Gleiches gilt aus den vorgenannten Gründen für nicht näher konkretisierte „Schlafstörungen“.
19
dd) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen T. begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
20
Die insoweit im Rahmen der rechtlichen Würdigung allein herangezogene „psychische Belastung durch Somatisierung“ (UA S. 118 f.) stellt keine tragfähige Begründung für den Eintritt eines Körperverletzungserfolges dar (vgl. zur Erforderlichkeit eines pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustandes: Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2118). Die an anderer Stelle in dem Urteil erwähnten Schlafstörungen, temporären Schwindelzustände, Albträume, Nervosität und erhöhte Reizbarkeit reichen – wie oben ausgeführt – mangels näherer Konkretisierung ebenfalls nicht aus, um eine tatbestandsmäßige Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit zu begründen (vgl. auch OLG Köln, NJW 1997, 2191, 2192).
21
ee) Schließlich hält auch die Verurteilung wegen Körperverletzung zum Nachteil der V. S. einer Überprüfung nicht stand.
22
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar eine „massive“ depressive Verstimmung bei Hinzutreten weiterer Umstände den Körperverletzungstatbestand erfüllen (BGH, Beschluss vom 15. September 1999 – 1 StR 452/99, NStZ 2000, 25). Die vom Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung allein herangezogene „kurze reaktive depressive Erkrankung aufgrund äußerer Belastung“ (UA S. 118) erfüllt diese Voraussetzun- gen jedoch nicht.
23
Soweit die Strafkammer an anderer Stelle dargelegt hat, dass die Zeugin sich hilflos und kraftlos sowie psychisch nicht dazu in der Lage fühlte zu arbeiten (UA S. 93 f.), fehlt es an einem objektivierbaren Körperverletzungserfolg (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, BGHSt 48, 34, 36 f.; OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2118 mit Anm. Pollähne, StV 2003, 563, 564; OLG Köln, NJW 1997, 2191, 2192). Gleiches gilt für die nicht näher konkretisierten „Migräneanfälle“, zu denen sich die bereits vor dem Verhalten des Angeklagten vorhandenen „normalen Kopfschmerzen“ gesteigert haben sollen (UA S. 94; vgl. Pollähne, aaO). Weinkrämpfe und Herzrasen können ebenfalls eine normale körperliche Reaktion auf die mit einer Bedrohungssituation verbundenen Aufregungen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des § 223 StGB darstellen (zur fehlenden Tatbestandsmäßigkeit von „Herzklopfen“ bzw. „Herzrasen“ vgl. OLG Köln, NJW 1997, 2191, 2192; NK-StGB/Paeffgen, § 223 Rn. 11a; Smischek, Stalking, 2006, S. 215). Schließlich ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die Zeugin sich in psychologische Behandlung begeben hat und „in der nahen Zukunft“ eine Gesprächstherapie geplant sei (UA S. 95),nicht in einer für das Revisionsgericht überprüfbaren Weise, dass im maßgeblichen Zeitpunkt ein Körperverletzungserfolg vorgelegen hat; ebenso wenig aus der nicht aussage- kräftigen Feststellung, dass „zu diesem Zeitpunkt“ eine „Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik“ vorgelegen habe (UA S. 95).
24
b) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Bedrohung hält nicht in allen Fällen rechtlicher Überprüfung stand.
25
aa) Der Tatbestand der Bedrohung setzt voraus, dass die Ankündigung des Verbrechens den Bedrohungsadressaten erreicht. Dies kann auch über Dritte erfolgen, wenn die Weitergabe der Drohung an den Adressaten vom Vorsatz des Täters umfasst ist (SSW-StGB/Schluckebier, § 241 Rn. 5, 7).
26
bb) Gemessen daran tragen die Feststellungen des Landgerichts eine Verurteilung wegen Bedrohung der P. und des A. S. in den Fällen der Facebook-Nachrichtan L. Sch. vom 23. August 2011 (UA S. 49), des Briefes, der ihnen am 6. Dezember 2011 zugegangen ist (UA S. 73), und der Facebook-Nachricht an Schl. von Anfang Dezember 2011 (UA S. 72) nicht. Im Fall der Nachricht vom 23. August 2011 fehlt es an der Feststellung , dass die an L. Sch. gerichtete Facebook-Nachricht die Bedrohungsadressaten mit dem Willen des Angeklagten erreicht hat. Ein solcher Vorsatz versteht sich bei einer über Facebook an eine Freundin der Tochter gerichtete Nachricht auch nicht von selbst, zumal der Angeklagte in derselben Nachricht ankündigt, an die Eltern der V. S. ein gesondertes Schreiben richten zu wollen (UA S. 51). Der am 6. Dezember 2011 eingegangene Brief ist an die Zeugin V. S. gerichtet („V. : …“). Auch insoweit ist ein Vorsatz des Angeklagten dahingehend, dass die Bedrohung die Eltern der Angesprochenen erreichen sollte, nicht festgestellt. Die Facebook-Nachricht von Anfang Dezember 2011 an Schl. ist wiederum an eine dritte Person gerichtet , ohne dass festgestellt ist, dass diese Nachricht P. S. erreicht hat und erreichen sollte.
27
cc) Hinsichtlich der Taten zum Nachteil von T. tragen die Feststellungen des Landgerichts aus den vorgenannten Gründen die Verurteilung jeweils wegen Bedrohung in den Fällen der Facebook-Nachrichten an L. Sch. vom 22. Juli 2011, an Schl. vom 23. Juli 2011 sowie im Fall des Briefes an die Eheleute S. , der am 22. Oktober 2011 bei ihnen eingegangen ist, nicht. In keinem der genannten Fälle ist festgestellt, dass die Nachrichten den Geschädigten erreicht haben und dass dies vom Vorsatz des Angeklagten umfasst war.
28
c) Soweit das Landgericht das Versenden des Schreibens, welches die Eltern der V. S. im September 2011 erreichte, als versuchte Nötigung bewertet, hat dies schon deshalb keinen Bestand, weil die Strafkammer es versäumt hat, einen den Einsatz eines Nötigungsmittels im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB (Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel) umfassenden Tatentschluss festzustellen.
29
2. Die aufgezeigten Mängel zwingen zur Aufhebung der weiteren tateinheitlichen Verurteilungen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2013 – 1 StR 105/13). Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
30
a) Im Hinblick auf die Verurteilung wegen versuchter Nötigung durch Versenden einer Facebook-Nachricht an T. am 3. März 2012 bestehen Zweifel daran, ob diese Tat von der Anklage und von dem Eröffnungsbeschluss umfasst ist. Das in der Anklageschrift umschriebene Geschehen endet in zeitlicher Hinsicht mit dem Versenden einer Facebook-Nachricht an N. Sch. am 25. Januar 2012.
31
b) Soweit das Landgericht eine Bedrohung der P. und des A. S. im Versenden des Briefes vom 5. Januar 2012 sieht, begegnet dies Bedenken , weil sich der Ankündigung, der Zeugin V. S. und ihrer Fami- lie werde „ansonsten Schlimmeres passieren“ (UA S. 77), Verbrechensmerk- male nicht ohne Weiteres entnehmen lassen (vgl. OLG Köln, StV 1994, 245, 246). Sollte eine Verurteilung wegen Bedrohung darauf gestützt werden, dass in dem Schreiben V. S. als den Eltern nahestehende Person mit dem Tod bedroht wird, so bedarf es insoweit der Feststellung der objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Bedrohung der Eltern durch dieses Verhalten.
32
c) Bedenken bestehen auch, soweit das Landgericht elf selbständige Fälle der versuchten Nötigung angenommen hat.
33
In Fällen, in denen der Täter mehrfach zur Vollendung einer Nötigung ansetzt, um einen bestimmten Erfolg zu erreichen, liegt nur eine Tat im Rechtssinne vor, solange der Versuch nicht fehlgeschlagen ist, der Täter also von dem Misslingen des vorgestellten Ablaufs noch nichts erfahren hat oder nicht zu der Annahme gelangt ist, er könne die Tat nicht mehr ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten und anderen bereitliegenden Mitteln vollenden (BGH, Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, NJW 1996, 936, 937). Danach wird das Landgericht zu prüfen haben, ob in den Fällen zeitlich eng zusam- menhängender Handlungen des Angeklagten – etwa der Handlungen vom 23. August 2011 (Facebook-Nachricht an L. Sch. und Brief an die Eheleute S. , den diese an diesem Tag erhielten) oder im Fall der FacebookNachricht an Schl. aus dem Dezember 2011 sowie des Briefes, den die Eheleute S. am 6. Dezember 2011 erhielten – eine odermehrere Taten der versuchten Nötigung vorliegen.
34
d) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 StGB begegnet auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen keinen Bedenken. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Tatbestandsva- riante der „anderen vergleichbaren Handlung“ (§ 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB) eben- falls verwirklicht ist und ob die insoweit in Rechtsprechung und Schrifttum geäußerten Bedenken (zum Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG) durchgreifen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 244/09, NJW 2010, 1680, 1681, Tz. 16; hinreichende Bestimmtheit verneinend Fischer, StGB, 60. Aufl., § 238 Rn. 17c; Gazeas, JR 2007, 497, 501, jeweils mwN; kritisch auch Eisele in Schönke/Schröder, StGB, § 238 Rn. 23; aA Mosbacher, NStZ 2007, 665, 668; offen gelassen bei SSW-StGB/Schluckebier, § 238 Rn. 12).
35
Soweit das Landgericht lediglich eine Tat der Nachstellung gemäß § 238 StGB angenommen hat, weist der Senat darauf hin, dass mehrere tatbestandliche Verhaltensweisen dann nur eine Tat im Sinne des § 238 StGB bilden, wenn sie denselben tatbestandlichen Erfolg betreffen. Führt der Täter dagegen nach Eintritt eines Erfolges, etwa eines Umzuges (vgl. UA S. 95), weitere Tathandlungen aus, so kann Tatmehrheit vorliegen (Eisele in Schönke/Schröder aaO, § 238 Rn. 39).
36
3. Zum Straf- und Maßregelausspruch weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:
37
a) Soweit das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten die „gesundheitlichen Folgen der Tat für die Geschädigten“ berücksichtigt (UA S. 121), lässt dies besorgen, dass mit dem Erfolg der Körperverletzung ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes zu seinem Nachteil in Ansatz gebracht worden ist (§ 46 Abs. 3 StGB). Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn quantitative oder qualitative Besonderheiten der Körperverletzung zum Anlass von entsprechenden Strafzumessungserwägungen genommen werden (Theune in LK, StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 146).
38
b) Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird ferner zu prüfen haben, ob eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB im Hinblick auf die Sanktionen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Tiergarten vom 3. Februar 2012 (Az. 263b Cs – 3033 Js 364/12 – 22/12) – insoweit gegebenenfalls unter Berücksichtigung der zeitlichen Tatkonkretisierung in der Anklage (vgl. oben II. 2. a)) – und vom 4. April 2012 (Az. 263b Cs – 232 Js 5682/11 – 17/12) in Betracht kommt.
39
c) Hinsichtlich der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) weist der Senat auf Folgendes hin:
40
aa) Die Diagnose einer „Borderline-Persönlichkeitsstörung“ stellt – was die Strafkammer nicht übersehen hat – nicht ohne Weiteres eine hinreichende Grundlage für die Annahme einer relevanten Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters dar (Senatsbeschluss vom 6. Februar 1997 – 4 StR 672/96, BGHSt 42, 385 ff.; BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2001 – 3 StR 373/01, NStZ 2002, 142; Beschluss vom 1. August 1989 – 1 StR 290/89, BGHR StGB § 21 seeli- sche Abartigkeit 13) und rechtfertigt nur bei Vorliegen weiterer – vom Landgericht nicht fehlerfrei bejahter – Umstände die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (BGH aaO; Senatsbeschluss vom 25. Februar 2003 – 4 StR 30/03, NStZ-RR 2003, 165, 166; Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 5 StR 349/05, NStZ-RR 2006, 38, 39 mwN).
41
bb) Ist die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf das Zusammenwirken von Persönlichkeitsstörung und Betäubungsmittelkonsum zurückzuführen , so ist regelmäßig erforderlich, dass der Täter an einer krankhaften Betäubungsmittelabhängigkeit leidet, in krankhafter Weise betäubungsmittelüberempfindlich ist oder eine länger andauernde geistig-seelische Störung hat, bei der bereits geringer Betäubungsmittelkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 – 3 StR 173/11, NStZ 2012, 209; Beschluss vom 6. Oktober 2009 – 3 StR 376/09, NStZ-RR 2010, 42).
42
cc) Besonderes Augenmerk wird die zur neuen Entscheidung berufene Strafkammer zudem auf die Gefährlichkeitsprognose zu richten haben.
43
Die prognostizierte Gefährlichkeit muss sich auf Taten beziehen, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Für Straftaten nach § 238 StGB ist dies nicht ohne Weiteres zu bejahen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 147; BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 – 5 StR 256/10, NStZ-RR 2011, 12, 13). Eine Straftat von erheblicher Bedeutung liegt vor, wenn sie mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Straftaten , die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, sind daher nicht mehr ohne Weiteres dem Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung zuzurechnen. Hierzu gehören beispielsweise das unerlaubte Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB), die Beleidigung, die üble Nachrede und die nichtöffentliche Verleumdung (§§ 185 bis 187 StGB), das Ausspähen von Daten (§ 202a StGB), die fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB), die Nötigung (§ 240 StGB) sowie die Verbreitung pornographischer Schriften einschließlich gewalt- oder tierpornographischer Schriften (§§ 184 und 184a StGB). Gleiches gilt für die Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 StGB. Da auch insoweit das Höchstmaß der Freiheitsstrafe drei Jahre beträgt, kann auch die Nachstellung, wenn sie nicht mit aggressiven Übergriffen einhergeht, nicht generell als Straftat von erheblicher Bedeutung angesehen werden (BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12 [juris Rn. 21, 28]). Entsprechendes gilt für eine Bedrohung, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 mwN) allenfalls dann zur Rechtfertigung einer Unterbringungsanordnung herangezogen werden kann, wenn sie in ihrer konkreten Ausgestaltung aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt. Der bloße Besitz des in der Wohnung des Angeklagten aufgefundenen Schlagrings begründet eine solche Gefahr für sich genommen noch nicht (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241). Erforderlich ist insoweit eine umfassende Auseinandersetzung des Tatgerichts auch mit Umständen , die gegen eine wirkliche Gewaltbereitschaft sprechen könnten (BGH aaO), insbesondere dass der Angeklagte bisher mit Gewaltdelikten nicht auffällig geworden ist.
44
Die Gefährlichkeitsprognose selbst ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 147). An die Darlegungen und die vorzunehmende Abwägung sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13 mwN).
45
dd) Im Falle der erneuten Anordnung der Maßregel wird ferner zu berücksichtigen sein, dass mit deren Aussetzung zur Bewährung die Weisung erteilt werden kann, sich einer Therapie zu unterziehen (vgl. dazu Senatsurteil vom 23. Mai 2013 – 4 StR 70/13, Tz. 2; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 67b Rn. 4). Dem kann schon deshalb besondere Bedeutung zukommen, weil der Angeklagte sich selbst um eine ambulante Therapie bemüht hat, zu der es lediglich aufgrund der Untersuchungshaft nicht gekommen sei (UA S. 123).
46
d) Zur Fassung eines Urteilstenors verweist der Senat auf die Kommentierung bei Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 21 ff.; insbesondere ist die (namentliche) Benennung der Opfer einer Straftat im Schuldspruch nicht geboten, bei gleichartiger Tateinheit ist lediglich anzugeben, wie oft der Straftatbestand verwirklicht wurde.

III.


47
Der Haftbefehl in der Fassung des Haftfortdauerbeschlusses war gemäß § 126 Abs. 3 StPO aufzuheben, weil der Senat das angefochtene Urteil aufhebt und sich bei dieser Entscheidung ohne Weiteres ergibt, dass die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Mutzbauer Roggenbuck Franke Bender Quentin

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, daß die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.

(4) Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen, ist in den Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe und in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.

(5) Die für die angedrohte Tat geltenden Vorschriften über den Strafantrag sind entsprechend anzuwenden.

Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt

1.
die räumliche Nähe dieser Person aufsucht,
2.
unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht,
3.
unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person
a)
Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder
b)
Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen,
4.
diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person bedroht,
5.
zulasten dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person eine Tat nach § 202a, § 202b oder § 202c begeht,
6.
eine Abbildung dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht,
7.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder
8.
eine mit den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Handlung vornimmt.

(2) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 7 wird die Nachstellung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
durch die Tat eine Gesundheitsschädigung des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person verursacht,
2.
das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt,
3.
dem Opfer durch eine Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nachstellt,
4.
bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 ein Computerprogramm einsetzt, dessen Zweck das digitale Ausspähen anderer Personen ist,
5.
eine durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangte Abbildung bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 6 verwendet,
6.
einen durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangten Inhalt (§ 11 Absatz 3) bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 7 verwendet oder
7.
über einundzwanzig Jahre ist und das Opfer unter sechzehn Jahre ist.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 6/08
vom
18. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Hausfriedensbruchs u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. März 2008 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 25. September 2007 im Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Der Maßregelausspruch entfällt. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Jedoch wird die Gebühr um die Hälfte ermäßigt und werden die notwendigen Auslagen des Angeklagten zur Hälfte der Staatskasse auferlegt.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten des - im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit begangenen - Hausfriedensbruchs in neun Fällen und der Beleidigung für schuldig befunden undihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Maßregelausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei begründet.
3
2. Dagegen hält die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
4
a) Allerdings begegnet das Urteil entgegen den Einwendungen der Revision keinen rechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht - darin dem gehörten psychiatrischen Sachverständigen folgend - bei dem Angeklagten eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ festgestellt und darin - wie der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe hinreichend belegt - einen für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorausgesetzten nicht nur vorübergehenden, sondern überdauernden Defekt vom Schweregrad des § 21 StGB gesehen hat. Auch der symptomatische Zusammenhang zwischen den dem Angeklagten zur Last gelegten Taten und der festgestellten Persönlichkeitsstörung ist rechtsfehlerfrei belegt: Psychodynamisch sei die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten durch die Tendenz gekennzeichnet , Impulse auszureagieren, ohne mögliche Konsequenzen ausreichend zu berücksichtigen; dass der Angeklagte die Geschädigte hartnäckig jeweils bis auf ihr Wohnanwesen verfolgt habe, sei Ausdruck seiner gestörten Beziehungsstruktur, innerhalb derer es zu einer "krankhaften Fixierung" des Angeklagten auf die Person der Geschädigten gekommen sei, die ihm die vermeintliche "moralische Berechtigung" vermittelt habe, die Geschädigte und ihre Familie wiederholt auf ihrem Grundstück aufzusuchen. Auch wenn danach die psychiatrischen Grundlagen für eine Unterbringung des Angeklagten nach § 63 StGB vorliegen, kann der Maßregelausspruch gleichwohl nicht bestehen bleiben , weil das Landgericht die weiter vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht ausreichend begründet hat:
5
b) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden , wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Betreffende infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Davon ist das Landgericht ausgegangen, indem es gemeint hat, die künftig zu erwartenden Strafen würden sich "nicht auf Übergriffe der verfahrensgegenständlichen Art beschränk(en), sondern auch auf körperliche Aggressionen erstrecken, sobald der Angeklagte eindeutige Ablehnung erfahre" (UA 17). Das Landgericht durfte bei dieser Einschätzung grundsätzlich auf die den Vorverurteilungen zu Grunde liegenden Tatgeschehen zurückgreifen. Allerdings lagen jene Vorfälle, bei denen der Angeklagte die Frauen, mit denen er in Beziehung stand, mit Fäusten geschlagen hatte, mittlerweile neun bzw. zuletzt viereinhalb Jahre zurück. Weitere aggressive Übergriffe des Angeklagten ergeben sich aus dem Urteil nicht. Auch gegen die nunmehr Geschädigte ist der Angeklagte nicht gewalttätig geworden. Das hat das Landgericht zwar nicht verkannt. Dass dies aber - wie das Landgericht ersichtlich gemeint hat - allein darauf zurückzuführen ist, dass die Geschädigte dem Angeklagten gegenüber fortdauernd ihre Zuneigung zum Ausdruck gebracht habe, wird jedoch nicht allen Umständen gerecht, die hier gegen die angenommene Gefährlichkeitsprognose sprechen. Denn auch wenn die Geschädigte dem Angeklagten weiterhin Verständnis entgegengebracht hat, hatte sie sich doch jedenfalls bereits Anfang des Jahres 2006 endgültig von ihm distanziert und sogar im Gerichtswege eine Unterlassungsverfügung gegen ihn erwirkt. Wenn der Angeklagte gleichwohl bei späteren Zusammentreffen mit ihr nicht gewalttätig geworden ist, sondern sich darauf "beschränkte", ihr - vergleichbar dem "stalking" (nunmehr seit dem 31. März 2007 strafbar nach § 238 StGB) - nachzustellen, spricht das eher dafür, dass der Angeklagte ungeachtet seiner narzisstischen Kränkbarkeit selbst dann nicht ohne Weiteres impulsiv aggressiv reagiert, wenn er bei seiner jeweiligen Bezugsperson Ablehnung erfährt. Auch wenn die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB nicht grundsätzlich voraussetzt, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind (vgl. BGH NStZ 1986, 237), hätte es jedenfalls eingehenderer Darlegung bedurft, weshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten von erheblichem Gewicht zu erwarten sind, die die Anordnung einer zeitlich nicht befristeten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen vermögen (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Dezember 1999 – 4 StR 485/99).
6
c) Davon abgesehen könnte der Senat den Maßregelausspruch aber auch deshalb nicht bestätigen, weil entgegen der Auffassung des Landgerichts angesichts der dem absoluten Bagatellbereich zuzuordnenden, dem Angeklagten hier angelasteten Taten die Verhältnismäßigkeit der Maßregel im Sinne des § 62 StGB nicht mehr gewahrt ist. Das könnte anders zu sehen sein, wenn der Angeklagte bei den hier abgeurteilten Taten nur durch äußere, von ihm unabhängige Umstände an gravierenden Übergriffen gegenüber der Geschädigten oder ihrer Familie gehindert worden wäre. Dafür, dass es sich so verhält, lässt sich den Feststellungen aber nichts entnehmen. Die Unverhältnismäßigkeit der Maßregelanordnung wird hier auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Angeklagte nach Auffassung der sachverständig beratenen Strafkammer einer jedenfalls mehrmonatigen stationären psychiatrischen Behandlung bedarf. Denn die strafrechtliche Unterbringung rechtfertigt sich nicht schon allein auf Grund des Bestehens einer fortdauernden psychischen Störung und deren Behandlungsbedürftigkeit (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 63 Rdn. 2).
7
3. Der Senat schließt aus, dass sich auf Grund neuer Hauptverhandlung weitere Feststellungen treffen lassen, die hier die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus tragfähig begründen könnten. In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO entscheidet er deshalb dahin, dass der Maßregelausspruch entfällt.
Tepperwien Maatz Solin-Stojanović
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 224/12
vom
4. Juli 2012
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Juli 2012 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 16. März 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Beschuldigte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen trat der obdachlose Beschuldigte am 16. November 2010 in der Innenstadt von P. gegen einen Stromkasten. Als er deshalb von den Zeugen A. und H. He. zur Rede gestellt wurde, reagierte er mit den Worten: „Halt's Maul, sonst steche ich euch ab“. Anschließend entfernte er sich. Als ihm die beiden Zeugen und zwei weitere Personen nachliefen, blieb der Beschuldigte stehen, zog mit der rechten Hand ein Messer und richtete es auf seine Verfolger. Dabei rief er: „Haut ab, oder ich steche euch alle ab“ und fuchtelte mit dem Messer hin und her. Kurze Zeit später erschien die zwischenzeitlich alarmierte Polizei. Der Aufforderung, das Messer fallenzulassen , kam der Beschuldigte nicht nach, sodass schließlich gegen ihn Pfefferspray eingesetzt und zu seiner Entwaffnung körperliche Gewalt angewendet werden musste (Fall II. 1). Am 7. Dezember 2010 bezeichnete der Beschuldigte während einer gemeinsamen Zugfahrt die Zeugin S. ohne jeden Anlassals „Hure“ und „Schlampe“. Zugleich trat er ihr mit dem Fuß gegen den rechten Unterschenkel, wobei er schwere, massive Stiefel trug. Als ihn die Zeugin auf sein Verhalten ansprach, äußerte er „Ich bringe dich um“ und „Ich mache dich kalt“. Die Zeugin erlitt durch den Tritt mehrere Tage andauernde, nicht unerheb- liche Schmerzen und einen Schock. Auf der von der Polizei begleiteten Weiterfahrt kam es bei ihr mehrfach zu Weinkrämpfen (Fall II. 2). Am 23. März 2011 versetzte der Beschuldigte in F. auf offener Straße einer ihm unbekannten Schülerin, die sich mit zwei Mitschülerinnen auf dem Nachhauseweg befand, einen massiven Tritt in den Rücken. Dabei trug er erneut schwere Schnürstiefel. Da der Tritt durch den Schulranzen gedämmt wurde, kam es nicht zu länger andauernden Schmerzen. Die Schülerin erlitt einen Weinkrampf und war – wie ihre beiden Begleiterinnen – von dem Verhalten des Beschuldigten geschockt (Fall II. 3). Am 26. Oktober 2011 zeigte der Beschuldigte in der P. Innenstadt einem Polizeibeamten den ausgestreckten Mittelfinger und bezeich- nete ihn bei der anschließenden Personalienfeststellung als „Arschloch“ (Fall II. 4). Das Landgericht hat die festgestellten Vorfälle als Bedrohung (Fall II. 1), vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und Bedrohung (Fall II. 2), vorsätzliche Körperverletzung (Fall II. 3) und Beleidigung (Fall II. 4) gewertet.
3
Dem Gutachten des angehörten Sachverständigen folgend geht das Landgericht davon aus, dass der Beschuldigte „seit vielen Jahren“ an einer paranoiden Schizophrenie mit chronischem Residuum leidet. Aufgrund der Erkrankung treten bei ihm unterschiedlich akzentuierte Symptome wahnhafter Überzeugtheit auf. Die dadurch generierten Impulse werden von ihm, dem Grundmuster der festgestellten Taten entsprechend, in aggressiv feindseliger Weise umgesetzt. Stationären Aufenthalten in psychiatrischen Krankenhäusern in den Jahren 1987, 1994 und 1995 gingen jeweils „massive aggressive Übergriffe auf Dritte“ voraus, insbesondere auf Waldwegen, zumTeil mit Messern, durch Schubsen oder Fußtritte sowie Bedrohungen. Ein gegen den Beschuldigten im Jahr 1994 wegen des Verdachts der Körperverletzung geführtes Ermittlungsverfahren wurde wegen Schuldunfähigkeit eingestellt. Aufgrund dieser Erkrankung war die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei sämtlichen Taten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erheblich beeinträchtigt (§ 21 StGB) und nicht ausschließbar aufgehoben (§ 20 StGB).
4
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet, weil die unter II. 1 bis II. 3 festgestellten Taten dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen seien und davon auszugehen sei, dass der Angeklagte ohne Intervention auch in Zukunft ähnlich gelagerte Taten begehen werde.
5
2. Diese Feststellungen belegen nicht hinreichend, dass von dem Beschuldigten aufgrund seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (§ 63 StGB).
6
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist aufgrund ihrer zeitlichen Unbegrenztheit eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Sie darf deshalb nur dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Urteil vom 7. Januar 1997 – 5 StR 508/96, NStZ-RR 1997, 230).
7
Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Beschluss vom 26. April 2001 – 4 StR 538/00, StV 2002, 477 f.). Dabei kann sich – wie in aller Regel bei Verbrechen oder Gewalt- und Aggressionsdelikten – eine schwere Störung des Rechtsfriedens bereits allein aus dem Gewicht des Straftatbestandes ergeben, mit dessen Verwirklichung gerechnet werden muss (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564; Beschluss vom 24. November 2004 – 1 StR 493/04, NStZ-RR 2005, 72, 73). Sind die zu erwartenden Delikte nicht wenigstens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, ist die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens dagegen nur in Ausnahmefällen begründbar (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 18. März 2008 – 4 StR 6/08; Beschluss vom 18. Februar 1992 – 4 StR 27/92, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; Beschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 223/05, NStZ-RR 2005, 303, 304).
8
Die für die Maßregelanordnung erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters , seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Urteil vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 f.; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73,

74).


9
b) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Landgericht seine Überzeugung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Beschuldigten nicht tragfähig begründet.
10
Im Grundsatz zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die gewalttätigen Übergriffe des Beschuldigten in den Fällen II. 2 und II. 3 der Urteilsgründe von erheblichem Gewicht sind. Dass auch eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Beschuldigte künftig diesen Anlasstaten gleich gelagerte Straftaten begehen wird, hat es jedoch nicht hinreichend dargelegt.
11
Die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts beruht auf der Erwägung, dass es sich bei den für die Anlasstaten ursächlichen psychotischen Impulsen um ein Symptom der bei dem Beschuldigten schon seit 1987 bestehenden Grunderkrankung handelt, das aufgrund seines regelhaften Auftretens auch in Zukunft immer wieder zu gleich gelagerten Taten führen wird (UA 7). Bei dieser Sachlage hätte es näherer Erörterung bedurft, warum der Beschuldigte in der Vergangenheit nicht häufiger durch Aggressionsdelikte in Erscheinung getreten ist und welche prognoserelevanten Schlüsse hieraus zu ziehen sind. Dass ein Täter trotz bestehenden Defekts über Jahre hinweg keine Straftaten begangen hat, ist ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten (BGH, Beschluss vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit

27).


12
Die Feststellung, dass den stationären Aufenthalten des Beschuldigten in den Jahren 1987, 1994 und 1995 „massive aggressive Übergriffe auf Dritte“ vorausgegangen sind, ist ohne Aussagekraft, weil es an einer nachvollziehbaren Darstellung einzelner Vorfälle und ihrer Genese fehlt. Gleiches gilt für den Vorgang, der dem wegen Körperverletzung geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Straubing aus dem Jahr 1994 zugrunde lag, das wegen Schuldunfähigkeit eingestellt worden ist. Grundsätzlich kann auch lange zurückliegenden Taten eine indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose zukommen (BGH, Urteil vom 11. August 2011 – 4 StR 267/11, Rn. 14; vgl.BGH, Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, BeckRS 2008, 13076, insoweit in NStZ 2008, 563 nicht abgedruckt), doch setzt dies regelmäßig voraus, dass diese Taten in einem inneren Zusammenhang zu der festgestellten Erkrankung gestanden haben und ihre Ursache nicht vornehmlich in anderen nicht krankheitsbedingten Umständen zu finden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2001 – 4 StR 540/01, BeckRS 2001, 30228853). Dies ist in den Urteilsgründen darzustellen und mit Tatsachen zu belegen.
13
Soweit das Landgericht auch die Todesdrohungen zum Nachteil der Zeugen He. (Fall II. 1) der mittleren Kriminalität zugeordnet hat, wird dies von den Feststellungen nicht belegt. Todesdrohungen gehören nur dann zu den erheblichen Straftaten, wenn sie geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich tragen (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202, 203; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564). Dass die bedrohten Zeugen mit tödlichen Messerstichen gerechnet haben, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die Tatsache, dass sie nach der ersten Drohung die Verfolgung des Beschuldigten aufnahmen, spricht eher für das Gegenteil.
14
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Eine abschließende Entscheidung vermochte der Senat nicht zu treffen, weil es nicht fernliegend ist, dass weitere Feststellungen getroffen werden können , die eine Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtfertigen.
Mutzbauer Roggenbuck Schmitt
Bender Quentin