Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juli 2013 - 4 StR 168/13

bei uns veröffentlicht am18.07.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 168/13
vom
18. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. Juli 2013 gemäß § 349 Abs. 4,
§ 126 Abs. 3 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 22. November 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
3. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 23. Dezember 2011 (Az. 703 Gs – 110 Js 720/11 – 1552/11) in der Fassung des Haftfortdauerbeschlusses des Landgerichts Dortmund vom 22. November 2012 wird aufgehoben. Der Angeklagte ist unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Nachstellung zum Nachteil der Zeugin V. S. in Tateinheit mit versuchter Nötigung zum Nachteil der Zeugin V. S. in 11 Fällen und mit Bedrohung zum Nachteil des Zeugen A. S. in 5 Fällen und mit Bedrohung zum Nachteil der Zeugin P. S. in 6 Fällen und mit Bedrohung zum Nachteil des Zeugen T. in 4 Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin V. S. und mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen A. S. und mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin P. S. und mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen T. und mit Sachbeschädigung" zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
Die Strafkammer hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Im August 2010 lernte der in Berlin lebende, damals 24-jährige Angeklagte im Urlaub die 22-jährige V. S. kennen. In der Folgezeit hielten sie zwar Kontakt zueinander, zu einer Liebesbeziehung oder regelmäßigen Treffen kam es jedoch nicht. Ende des Jahres 2010 fühlte sich V. S. vom Angeklagten vereinnahmt und zunehmend eingeengt, weshalb sie eine geplante gemeinsame Silvesterfeier zum Jahreswechsel absagte. Zum 1. Februar 2011 trat V. S. eine Stelle als Flugbegleiterin in Frankfurt an, wohin sie auch ihren Wohnsitz verlegte. In diesem Zusammenhang teilte sie dem Angeklagten mit, dass sie keine Beziehung wünsche, zumal ihr die Entfernung zwischen Berlin und Frankfurt zu weit sei. In der Folgezeit löschte sie den Angeklagten von ihrer sog. Freundesliste bei Facebook.
4
In der Zeit zwischen dem 24. Februar 2011 und der Festnahme des Angeklagten am 15. März 2012 kam es zu zahlreichen Kontaktversuchen des Angeklagten über die Internetplattform Facebook, die zum Teil an V. S. gerichtet waren, zu einem anderen Teil an deren Freundinnen, da V. S. zwischenzeitlich ihr Profil bei Facebook gelöscht hatte und deshalb für den Angeklagten nicht mehr erreichbar war. Ferner schrieb der Angeklagte ihr und ihren Eltern Briefe; in einem Fall wandte sich der Angeklagte mittels einer Facebook-Nachricht an den damaligen Lebensgefährten von V. S. , den Zeugen T. .
5
V. S. hatte den Angeklagten – ebenso wie ihre Eltern und der Zeuge T. – zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt aufgefordert, sie in Ruhe zu lassen und ihm mitgeteilt, sie wolle keinen Kontakt mehr zu ihm haben. Hierüber setzte der Angeklagte sich jedoch hinweg. In einer Vielzahl von Nachrichten und Briefen forderte er V. S. unter anderem dazu auf, ihn erneut ihrer Freundesliste in ihrem Facebook-Profil hinzuzufügen, sich bei ihm zu entschuldigen, ihm ein Armband, das er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, zurückzugeben und sich von dem Zeugen T. zu trennen. Diese Forderungen unterstrich er mit Drohungen für den Fall, dass sie seine Forderungen nicht erfüllen sollte.
6
Bei V. S. trat durch das Verhalten des Angeklagten eine „kur- ze reaktive depressive Erkrankung aufgrund äußerer Belastung“ ein.Diese äu- ßerte sich darin, dass sie sich hilflos und kraftlos fühlte und unter Schlafstörungen sowie Leistungseinbußen litt. Sie ging nicht mehr so häufig aus wie zuvor und achtete auf der Straße darauf, ob ihr jemand folgt. Zeitweise fühlte sie sich psychisch nicht mehr im Stande, ihrer Arbeit als Flugbegleiterin nachzugehen, da der Angeklagte ihr u.a. angekündigt hatte, sie auf einem Flug „fertig zu ma- chen“. Nachdem sie im August von ihrer Mutter telefonisch davon in Kenntnis gesetzt worden war, dass es an ihrem Elternhaus zu einer Sachbeschädigung durch den Angeklagten gekommen war, meldete sie sich aus Angst, der Angeklagte könne ihr, ihrem Freund oder ihren Eltern etwas antun, krank. Insgesamt kam es von April bis September 2011 zu 30 Fehltagen, die „größtenteils“ auf „psychische Probleme“ zurückzuführen waren, die sie „in Folge des Verhaltens des Angeklagten hatte“. Ferner litt sie „ab April/Mai 2011 unter Migräneanfällen“ , während sie zuvor nur „normale“ Kopfschmerzen hatte. Sie hatte „während des Tatzeitraumes“ häufig Weinkrämpfe mit Herzrasen und begab sich in „psy- chologische Behandlung“, wo Symptome einer „Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik“ diagnostiziert wurden und eine Gesprächstherapie geplant wurde. Eine Übernahme in ein festes Anstellungsverhältnis erfolgte nicht; V. S. wechselte den Beruf und zog in eine andere Stadt. Treffen mit Freunden sagte sie ab, weil der Angeklagte hiervon Kenntnis erlangt haben konnte; aus sozialen Netzwerken wie Facebook zog sie sich zurück oder trat dort nur noch unter Fantasienamen auf.
7
Bei T. trat „kurzfristig aufgrund der psychischen Belastung durch Somatisierung eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesundheit“ ein. Er litt „während des Tatzeitraums zeitweise unter Schlafstörungen und temporär unter Schwindelzuständen“. Ferner hatte er Albträume und zeigte Nervosität sowie eine erhöhte Reizbarkeit. In „bestimmten Situationen“, die durch ein je- weiliges Verhalten des Angeklagten hervorgerufen wurden, hyperventilierte er.
8
A. S. , der Vater von V. S. , litt unter „konkreten Ängsten als zeitlich begrenzte Reaktion, die sodann wieder abklangen“. Er konnte aufgrund der Belastungssituation zunächst nicht mehr seiner Arbeit im Schichtdienst nachgehen und wurde am 21. Oktober 2011 für eine Woche krankgeschrieben. Zudem litt er unter Schlafstörungen. Bei P. S. kam es zu einer „deutlich längerfristigen Anpassungsstörung“, die allerdings nicht allein durch die Aktivitäten des Angeklagten hervorgerufen wurde. Die Zeugin befand sich schon vor den Vorfällen in psychiatrischer Behandlung. Jedoch „verstärkten sich die Probleme und wurden immer schlimmer“. Sie hatte Angst, das Haus zu verlassen und litt zudem unter Schlafstörungen und Albträumen.
9
Die durch sein Verhalten verursachten Auswirkungen auf das körperliche Wohlbefinden bzw. die körperliche Unversehrtheit der Zeugen hat der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen.
10
Die sachverständig beratene Strafkammer nimmt bei dem Angeklagten eine narzisstische Persönlichkeitsstörung mit emotionaler und konsekutiver Verhaltensinstabilität bzw. auf der Ebene emotionaler/persönlicher Labilität vom Typ Borderline an. Seine Steuerungsfähigkeit sei daher im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert, nicht aber aufgehoben gewesen. Es bestehe „eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades", dass „der Angeklagte in Zukunft seine Tat fortführt oder/und die Tat sich in ähnlicher Weise wiederholen könnte“ (UA S. 132).

II.


11
1. Die Verurteilung wegen Körperverletzung zum Nachteil der P. S. , des A. S. , des T. und der V. S. wegen versuchter Nötigung im Fall der Tat vom September 2011 sowie die Verurteilung wegen Bedrohung der P. S. in drei Fällen, des A. S. in zwei Fällen und des T. in drei Fällen begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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a) Die Verurteilung wegen der Körperverletzungen wird von den Feststellungen des Landgerichts nicht getragen.
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aa) Als Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes anzusehen. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Art und Weise die Beeinträchtigung erfolgt ist (BGH, Urteil vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 6; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 223 Rn. 5 mwN). Rein psychische Empfindungen genügen bei keiner Handlungsalternative, um einen Körperverletzungserfolg gemäß § 223 Abs. 1 StGB zu begründen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, BGHSt 48, 34, 36; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, NStZ-RR 2012, 340 f.; OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2118; Mey- er, ZStW 115 (2003), 249, 261). Wirkt der Täter auf sein Opfer lediglich psychisch ein, liegt eine Körperverletzung daher erst dann vor, wenn ein pathologischer , somatisch-objektivierbarer Zustand hervorgerufen worden ist, der vom Normalzustand nachteilig abweicht (BGH aaO S. 36 f.; Urteil vom 31. Oktober 1995 – 1 StR 527/95, BGHR StGB § 223 Abs. 1 Gesundheitsbeschädigung 2). Bloß emotionale Reaktionen auf Aufregungen, wie etwa starke Gemütsbewegungen oder andere Erregungszustände, aber auch latente Angstzustände, stellen keinen pathologischen Zustand und damit keine Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar (Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123).
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bb) Daran gemessen genügt für die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung zum Nachteil der P. S. nicht, dass es bei ihr „aufgrund der ständigen Bedrohung durch den Angeklagten … zu einer deutlich länger- fristigen Anpassungsstörung“ kam, die „nicht allein durch die Aktivitäten des Angeklagten hervorgerufen, jedoch wesentlich gesteigert“ wurde (UA S. 119). Insofern hätte es vielmehr näherer Darlegungen dazu bedurft, worin die Anpassungsstörung konkret bestanden und wie sie sich geäußert haben soll; hinsicht- lich der „Steigerung“ der Störung waren vor dem Hintergrund, dass sich die Zeugin bereits in psychiatrischer Behandlung befand (UA S. 97), Ausführungen dazu geboten, ob hierhin ein eigenständiger Erfolg im Sinne des § 223 StGB liegt. Auch die von der Strafkammer an anderer Stelle herangezogenen „Schlafstörungen und Albträume“ der Zeugin (UA S. 97) lassen nicht erkennen, ob es sich hierbei um Beeinträchtigungen erheblichen Ausmaßes handelte, etwa weil sich das Schlafverhalten dauerhaft geändert hat (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; Urteil vom 31. Oktober 1995 – 1 StR 527/95, NStZ 1996, 131, 132).
15
Zudem hätte es – wie auch bei den anderen Opfern – einer tragfähigen, sich nicht auf die Wiedergabe der Umschreibung des bedingten Vorsatzes beschränkenden Begründung des Wissens und Wollens des Körperverletzungserfolges bedurft (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, NStZ-RR 2012, 340 f.; Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; Beschluss vom 22. November 2006 – 2 StR 382/06, bei Miebach, NStZ-RR 2007, 65).
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cc) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung zum Nachteil des A. S. hat danach keinen Bestand.
17
Insofern führt das Landgericht zur Begründung seiner rechtlichen Würdigung lediglich aus, die Gesundheit des A. S. sei „kurzfristig … erheb- lich beeinträchtigt“ worden; er habe „infolge der akuten Belastungssituation durch das Verhalten des Angeklagten unter konkreten Ängsten als zeitlich be- grenzte Reaktion“ gelitten (UA S. 119). Angst als solche stellt jedoch – insbe- sondere wenn die Reaktion „zeitlich begrenzt“ bzw. „kurzfristig“ auftritt – lediglich eine Beeinträchtigung des seelischen Wohlbefindens und eine normale Reaktion auf Bedrohungen, nicht aber einen pathologischen Zustand dar (Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, NStZ-RR 2012, 340 f.; OLG Köln, NJW 1997, 2191, 2192; NK-StGB/Paeffgen, 4. Aufl., § 223 Rn. 11a).
18
Auch der Umstand, dass A. S. „aufgrund der Belastungssituation … für eine Woche krankgeschrieben“ wurde (UA S. 96), ermöglicht keine revisionsgerichtliche Nachprüfung der Annahme einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit. Gleiches gilt aus den vorgenannten Gründen für nicht näher konkretisierte „Schlafstörungen“.
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dd) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen T. begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Die insoweit im Rahmen der rechtlichen Würdigung allein herangezogene „psychische Belastung durch Somatisierung“ (UA S. 118 f.) stellt keine tragfähige Begründung für den Eintritt eines Körperverletzungserfolges dar (vgl. zur Erforderlichkeit eines pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustandes: Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2118). Die an anderer Stelle in dem Urteil erwähnten Schlafstörungen, temporären Schwindelzustände, Albträume, Nervosität und erhöhte Reizbarkeit reichen – wie oben ausgeführt – mangels näherer Konkretisierung ebenfalls nicht aus, um eine tatbestandsmäßige Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit zu begründen (vgl. auch OLG Köln, NJW 1997, 2191, 2192).
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ee) Schließlich hält auch die Verurteilung wegen Körperverletzung zum Nachteil der V. S. einer Überprüfung nicht stand.
22
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar eine „massive“ depressive Verstimmung bei Hinzutreten weiterer Umstände den Körperverletzungstatbestand erfüllen (BGH, Beschluss vom 15. September 1999 – 1 StR 452/99, NStZ 2000, 25). Die vom Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung allein herangezogene „kurze reaktive depressive Erkrankung aufgrund äußerer Belastung“ (UA S. 118) erfüllt diese Voraussetzun- gen jedoch nicht.
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Soweit die Strafkammer an anderer Stelle dargelegt hat, dass die Zeugin sich hilflos und kraftlos sowie psychisch nicht dazu in der Lage fühlte zu arbeiten (UA S. 93 f.), fehlt es an einem objektivierbaren Körperverletzungserfolg (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, BGHSt 48, 34, 36 f.; OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2118 mit Anm. Pollähne, StV 2003, 563, 564; OLG Köln, NJW 1997, 2191, 2192). Gleiches gilt für die nicht näher konkretisierten „Migräneanfälle“, zu denen sich die bereits vor dem Verhalten des Angeklagten vorhandenen „normalen Kopfschmerzen“ gesteigert haben sollen (UA S. 94; vgl. Pollähne, aaO). Weinkrämpfe und Herzrasen können ebenfalls eine normale körperliche Reaktion auf die mit einer Bedrohungssituation verbundenen Aufregungen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des § 223 StGB darstellen (zur fehlenden Tatbestandsmäßigkeit von „Herzklopfen“ bzw. „Herzrasen“ vgl. OLG Köln, NJW 1997, 2191, 2192; NK-StGB/Paeffgen, § 223 Rn. 11a; Smischek, Stalking, 2006, S. 215). Schließlich ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die Zeugin sich in psychologische Behandlung begeben hat und „in der nahen Zukunft“ eine Gesprächstherapie geplant sei (UA S. 95),nicht in einer für das Revisionsgericht überprüfbaren Weise, dass im maßgeblichen Zeitpunkt ein Körperverletzungserfolg vorgelegen hat; ebenso wenig aus der nicht aussage- kräftigen Feststellung, dass „zu diesem Zeitpunkt“ eine „Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik“ vorgelegen habe (UA S. 95).
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b) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Bedrohung hält nicht in allen Fällen rechtlicher Überprüfung stand.
25
aa) Der Tatbestand der Bedrohung setzt voraus, dass die Ankündigung des Verbrechens den Bedrohungsadressaten erreicht. Dies kann auch über Dritte erfolgen, wenn die Weitergabe der Drohung an den Adressaten vom Vorsatz des Täters umfasst ist (SSW-StGB/Schluckebier, § 241 Rn. 5, 7).
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bb) Gemessen daran tragen die Feststellungen des Landgerichts eine Verurteilung wegen Bedrohung der P. und des A. S. in den Fällen der Facebook-Nachrichtan L. Sch. vom 23. August 2011 (UA S. 49), des Briefes, der ihnen am 6. Dezember 2011 zugegangen ist (UA S. 73), und der Facebook-Nachricht an Schl. von Anfang Dezember 2011 (UA S. 72) nicht. Im Fall der Nachricht vom 23. August 2011 fehlt es an der Feststellung , dass die an L. Sch. gerichtete Facebook-Nachricht die Bedrohungsadressaten mit dem Willen des Angeklagten erreicht hat. Ein solcher Vorsatz versteht sich bei einer über Facebook an eine Freundin der Tochter gerichtete Nachricht auch nicht von selbst, zumal der Angeklagte in derselben Nachricht ankündigt, an die Eltern der V. S. ein gesondertes Schreiben richten zu wollen (UA S. 51). Der am 6. Dezember 2011 eingegangene Brief ist an die Zeugin V. S. gerichtet („V. : …“). Auch insoweit ist ein Vorsatz des Angeklagten dahingehend, dass die Bedrohung die Eltern der Angesprochenen erreichen sollte, nicht festgestellt. Die Facebook-Nachricht von Anfang Dezember 2011 an Schl. ist wiederum an eine dritte Person gerichtet , ohne dass festgestellt ist, dass diese Nachricht P. S. erreicht hat und erreichen sollte.
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cc) Hinsichtlich der Taten zum Nachteil von T. tragen die Feststellungen des Landgerichts aus den vorgenannten Gründen die Verurteilung jeweils wegen Bedrohung in den Fällen der Facebook-Nachrichten an L. Sch. vom 22. Juli 2011, an Schl. vom 23. Juli 2011 sowie im Fall des Briefes an die Eheleute S. , der am 22. Oktober 2011 bei ihnen eingegangen ist, nicht. In keinem der genannten Fälle ist festgestellt, dass die Nachrichten den Geschädigten erreicht haben und dass dies vom Vorsatz des Angeklagten umfasst war.
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c) Soweit das Landgericht das Versenden des Schreibens, welches die Eltern der V. S. im September 2011 erreichte, als versuchte Nötigung bewertet, hat dies schon deshalb keinen Bestand, weil die Strafkammer es versäumt hat, einen den Einsatz eines Nötigungsmittels im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB (Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel) umfassenden Tatentschluss festzustellen.
29
2. Die aufgezeigten Mängel zwingen zur Aufhebung der weiteren tateinheitlichen Verurteilungen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2013 – 1 StR 105/13). Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
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a) Im Hinblick auf die Verurteilung wegen versuchter Nötigung durch Versenden einer Facebook-Nachricht an T. am 3. März 2012 bestehen Zweifel daran, ob diese Tat von der Anklage und von dem Eröffnungsbeschluss umfasst ist. Das in der Anklageschrift umschriebene Geschehen endet in zeitlicher Hinsicht mit dem Versenden einer Facebook-Nachricht an N. Sch. am 25. Januar 2012.
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b) Soweit das Landgericht eine Bedrohung der P. und des A. S. im Versenden des Briefes vom 5. Januar 2012 sieht, begegnet dies Bedenken , weil sich der Ankündigung, der Zeugin V. S. und ihrer Fami- lie werde „ansonsten Schlimmeres passieren“ (UA S. 77), Verbrechensmerk- male nicht ohne Weiteres entnehmen lassen (vgl. OLG Köln, StV 1994, 245, 246). Sollte eine Verurteilung wegen Bedrohung darauf gestützt werden, dass in dem Schreiben V. S. als den Eltern nahestehende Person mit dem Tod bedroht wird, so bedarf es insoweit der Feststellung der objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Bedrohung der Eltern durch dieses Verhalten.
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c) Bedenken bestehen auch, soweit das Landgericht elf selbständige Fälle der versuchten Nötigung angenommen hat.
33
In Fällen, in denen der Täter mehrfach zur Vollendung einer Nötigung ansetzt, um einen bestimmten Erfolg zu erreichen, liegt nur eine Tat im Rechtssinne vor, solange der Versuch nicht fehlgeschlagen ist, der Täter also von dem Misslingen des vorgestellten Ablaufs noch nichts erfahren hat oder nicht zu der Annahme gelangt ist, er könne die Tat nicht mehr ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten und anderen bereitliegenden Mitteln vollenden (BGH, Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, NJW 1996, 936, 937). Danach wird das Landgericht zu prüfen haben, ob in den Fällen zeitlich eng zusam- menhängender Handlungen des Angeklagten – etwa der Handlungen vom 23. August 2011 (Facebook-Nachricht an L. Sch. und Brief an die Eheleute S. , den diese an diesem Tag erhielten) oder im Fall der FacebookNachricht an Schl. aus dem Dezember 2011 sowie des Briefes, den die Eheleute S. am 6. Dezember 2011 erhielten – eine odermehrere Taten der versuchten Nötigung vorliegen.
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d) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 StGB begegnet auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen keinen Bedenken. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Tatbestandsva- riante der „anderen vergleichbaren Handlung“ (§ 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB) eben- falls verwirklicht ist und ob die insoweit in Rechtsprechung und Schrifttum geäußerten Bedenken (zum Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG) durchgreifen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 244/09, NJW 2010, 1680, 1681, Tz. 16; hinreichende Bestimmtheit verneinend Fischer, StGB, 60. Aufl., § 238 Rn. 17c; Gazeas, JR 2007, 497, 501, jeweils mwN; kritisch auch Eisele in Schönke/Schröder, StGB, § 238 Rn. 23; aA Mosbacher, NStZ 2007, 665, 668; offen gelassen bei SSW-StGB/Schluckebier, § 238 Rn. 12).
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Soweit das Landgericht lediglich eine Tat der Nachstellung gemäß § 238 StGB angenommen hat, weist der Senat darauf hin, dass mehrere tatbestandliche Verhaltensweisen dann nur eine Tat im Sinne des § 238 StGB bilden, wenn sie denselben tatbestandlichen Erfolg betreffen. Führt der Täter dagegen nach Eintritt eines Erfolges, etwa eines Umzuges (vgl. UA S. 95), weitere Tathandlungen aus, so kann Tatmehrheit vorliegen (Eisele in Schönke/Schröder aaO, § 238 Rn. 39).
36
3. Zum Straf- und Maßregelausspruch weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:
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a) Soweit das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten die „gesundheitlichen Folgen der Tat für die Geschädigten“ berücksichtigt (UA S. 121), lässt dies besorgen, dass mit dem Erfolg der Körperverletzung ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes zu seinem Nachteil in Ansatz gebracht worden ist (§ 46 Abs. 3 StGB). Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn quantitative oder qualitative Besonderheiten der Körperverletzung zum Anlass von entsprechenden Strafzumessungserwägungen genommen werden (Theune in LK, StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 146).
38
b) Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird ferner zu prüfen haben, ob eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB im Hinblick auf die Sanktionen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Tiergarten vom 3. Februar 2012 (Az. 263b Cs – 3033 Js 364/12 – 22/12) – insoweit gegebenenfalls unter Berücksichtigung der zeitlichen Tatkonkretisierung in der Anklage (vgl. oben II. 2. a)) – und vom 4. April 2012 (Az. 263b Cs – 232 Js 5682/11 – 17/12) in Betracht kommt.
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c) Hinsichtlich der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) weist der Senat auf Folgendes hin:
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aa) Die Diagnose einer „Borderline-Persönlichkeitsstörung“ stellt – was die Strafkammer nicht übersehen hat – nicht ohne Weiteres eine hinreichende Grundlage für die Annahme einer relevanten Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters dar (Senatsbeschluss vom 6. Februar 1997 – 4 StR 672/96, BGHSt 42, 385 ff.; BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2001 – 3 StR 373/01, NStZ 2002, 142; Beschluss vom 1. August 1989 – 1 StR 290/89, BGHR StGB § 21 seeli- sche Abartigkeit 13) und rechtfertigt nur bei Vorliegen weiterer – vom Landgericht nicht fehlerfrei bejahter – Umstände die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (BGH aaO; Senatsbeschluss vom 25. Februar 2003 – 4 StR 30/03, NStZ-RR 2003, 165, 166; Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 5 StR 349/05, NStZ-RR 2006, 38, 39 mwN).
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bb) Ist die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf das Zusammenwirken von Persönlichkeitsstörung und Betäubungsmittelkonsum zurückzuführen , so ist regelmäßig erforderlich, dass der Täter an einer krankhaften Betäubungsmittelabhängigkeit leidet, in krankhafter Weise betäubungsmittelüberempfindlich ist oder eine länger andauernde geistig-seelische Störung hat, bei der bereits geringer Betäubungsmittelkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 – 3 StR 173/11, NStZ 2012, 209; Beschluss vom 6. Oktober 2009 – 3 StR 376/09, NStZ-RR 2010, 42).
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cc) Besonderes Augenmerk wird die zur neuen Entscheidung berufene Strafkammer zudem auf die Gefährlichkeitsprognose zu richten haben.
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Die prognostizierte Gefährlichkeit muss sich auf Taten beziehen, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Für Straftaten nach § 238 StGB ist dies nicht ohne Weiteres zu bejahen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 147; BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 – 5 StR 256/10, NStZ-RR 2011, 12, 13). Eine Straftat von erheblicher Bedeutung liegt vor, wenn sie mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Straftaten , die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, sind daher nicht mehr ohne Weiteres dem Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung zuzurechnen. Hierzu gehören beispielsweise das unerlaubte Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB), die Beleidigung, die üble Nachrede und die nichtöffentliche Verleumdung (§§ 185 bis 187 StGB), das Ausspähen von Daten (§ 202a StGB), die fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB), die Nötigung (§ 240 StGB) sowie die Verbreitung pornographischer Schriften einschließlich gewalt- oder tierpornographischer Schriften (§§ 184 und 184a StGB). Gleiches gilt für die Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 StGB. Da auch insoweit das Höchstmaß der Freiheitsstrafe drei Jahre beträgt, kann auch die Nachstellung, wenn sie nicht mit aggressiven Übergriffen einhergeht, nicht generell als Straftat von erheblicher Bedeutung angesehen werden (BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12 [juris Rn. 21, 28]). Entsprechendes gilt für eine Bedrohung, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 mwN) allenfalls dann zur Rechtfertigung einer Unterbringungsanordnung herangezogen werden kann, wenn sie in ihrer konkreten Ausgestaltung aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt. Der bloße Besitz des in der Wohnung des Angeklagten aufgefundenen Schlagrings begründet eine solche Gefahr für sich genommen noch nicht (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241). Erforderlich ist insoweit eine umfassende Auseinandersetzung des Tatgerichts auch mit Umständen , die gegen eine wirkliche Gewaltbereitschaft sprechen könnten (BGH aaO), insbesondere dass der Angeklagte bisher mit Gewaltdelikten nicht auffällig geworden ist.
44
Die Gefährlichkeitsprognose selbst ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 147). An die Darlegungen und die vorzunehmende Abwägung sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13 mwN).
45
dd) Im Falle der erneuten Anordnung der Maßregel wird ferner zu berücksichtigen sein, dass mit deren Aussetzung zur Bewährung die Weisung erteilt werden kann, sich einer Therapie zu unterziehen (vgl. dazu Senatsurteil vom 23. Mai 2013 – 4 StR 70/13, Tz. 2; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 67b Rn. 4). Dem kann schon deshalb besondere Bedeutung zukommen, weil der Angeklagte sich selbst um eine ambulante Therapie bemüht hat, zu der es lediglich aufgrund der Untersuchungshaft nicht gekommen sei (UA S. 123).
46
d) Zur Fassung eines Urteilstenors verweist der Senat auf die Kommentierung bei Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 21 ff.; insbesondere ist die (namentliche) Benennung der Opfer einer Straftat im Schuldspruch nicht geboten, bei gleichartiger Tateinheit ist lediglich anzugeben, wie oft der Straftatbestand verwirklicht wurde.

III.


47
Der Haftbefehl in der Fassung des Haftfortdauerbeschlusses war gemäß § 126 Abs. 3 StPO aufzuheben, weil der Senat das angefochtene Urteil aufhebt und sich bei dieser Entscheidung ohne Weiteres ergibt, dass die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Mutzbauer Roggenbuck Franke Bender Quentin

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafgesetzbuch - StGB | § 240 Nötigung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die

Strafgesetzbuch - StGB | § 185 Beleidigung


Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstraf

Strafprozeßordnung - StPO | § 120 Aufhebung des Haftbefehls


(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sich

Strafgesetzbuch - StGB | § 142 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort


(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er 1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung d

Strafgesetzbuch - StGB | § 62 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit


Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

Strafgesetzbuch - StGB | § 229 Fahrlässige Körperverletzung


Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Strafgesetzbuch - StGB | § 184 Verbreitung pornographischer Inhalte


(1) Wer einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) 1. einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht,2. an einem Ort, der Personen unter achtzehn Jahren zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, zugänglich

Strafprozeßordnung - StPO | § 126 Zuständigkeit für weitere gerichtliche Entscheidungen


(1) Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die weiteren gerichtlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft, die Aussetzung ihres Vollzugs (§ 116), ihre Vollstreckung (§ 116b) sowie auf Anträge nach § 119a beziehen, da

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(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt 1. die räuml

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Strafgesetzbuch - StGB | § 184a Verbreitung gewalt- oder tierpornographischer Inhalte


Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der Gewalttätigkeiten oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand hat, 1. verbreitet oder der Öffentlichk

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(1) Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die weiteren gerichtlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft, die Aussetzung ihres Vollzugs (§ 116), ihre Vollstreckung (§ 116b) sowie auf Anträge nach § 119a beziehen, das Gericht zuständig, das den Haftbefehl erlassen hat. Hat das Beschwerdegericht den Haftbefehl erlassen, so ist das Gericht zuständig, das die vorangegangene Entscheidung getroffen hat. Wird das vorbereitende Verfahren an einem anderen Ort geführt oder die Untersuchungshaft an einem anderen Ort vollzogen, so kann das Gericht seine Zuständigkeit auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf das für diesen Ort zuständige Amtsgericht übertragen. Ist der Ort in mehrere Gerichtsbezirke geteilt, so bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung das zuständige Amtsgericht. Die Landesregierung kann diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.

(2) Nach Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht zuständig, das mit der Sache befaßt ist. Während des Revisionsverfahrens ist das Gericht zuständig, dessen Urteil angefochten ist. Einzelne Maßnahmen, insbesondere nach § 119, ordnet der Vorsitzende an. In dringenden Fällen kann er auch den Haftbefehl aufheben oder den Vollzug aussetzen (§ 116), wenn die Staatsanwaltschaft zustimmt; andernfalls ist unverzüglich die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

(3) Das Revisionsgericht kann den Haftbefehl aufheben, wenn es das angefochtene Urteil aufhebt und sich bei dieser Entscheidung ohne weiteres ergibt, daß die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 vorliegen.

(4) Die §§ 121 und 122 bleiben unberührt.

(5) Soweit nach den Gesetzen der Länder über den Vollzug der Untersuchungshaft eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedarf, ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Maßnahme durchgeführt wird. Unterhält ein Land für den Vollzug der Untersuchungshaft eine Einrichtung auf dem Gebiet eines anderen Landes, können die beteiligten Länder vereinbaren, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die für die Einrichtung zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gilt § 121b des Strafvollzugsgesetzes entsprechend.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
Der Versuch einer Körperverletzung mit Todesfolge
in Form eines "erfolgsqualifizierten Versuchs" ist
möglich.
BGH, Urt. v. 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02
LG Cottbus –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 9. Oktober 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt S ,
Staatsanwältin K
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H
als Verteidiger für den Angeklagten B ,
Rechtsanwalt Kl
als Verteidiger für den Angeklagten D ,
Rechtsanwalt Hi
als Verteidiger für den Angeklagten T ,
Rechtsanwalt N
als Verteidiger für den Angeklagten Ka ,
Rechtsanwalt W
als Verteidiger für den Angeklagten Ha ,
Rechtsanwalt Kn
als Verteidiger für den Angeklagten Sc ,
Rechtsanwalt M
als Verteidiger für den Angeklagten P ,
Rechtsanwalt Na
als Verteidiger für den Angeklagten He ,
Rechtsanwalt Bl ,
Rechtsanwältin G ,
Rechtsanwältin C ,
Rechtsanwältin Gi
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Nebenklägers M G wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 13. November 2000 dahin geändert, daß die Angeklagten B , D , T und Ka im Fall B. VII. der Urteilsgründe wegen der gegen F G begangenen Tat statt einer fahrlässigen Tötung der tateinheitlich begangenen versuchten Körperverletzung mit Todesfolge schuldig sind.
2. Auf die Revisionen des Nebenklägers Kab wird das vorbezeichnete Urteil dahin geändert, daß die genannten Angeklagten und der Angeklagte Ha im Fall B. VII. der Urteilsgründe auch der tateinheitlich begangenen versuchten gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil dieses Nebenklägers schuldig sind.
3. Auf die Revisionen der Angeklagten Sc und He wird das vorbezeichnete Urteil dahin geändert, daß diese Angeklagten im Fall B. VII. der Urteilsgründe wegen der gegen F G begangenen Tat statt einer fahrlässigen Tötung der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit unter anderem mit versuchter gefährlicher Körperverletzung (Tat zum Nachteil des Nebenklägers Kab ) schuldig sind.
4. Die Schuldsprüche lauten hiernach wie folgt: Der Angeklagte B ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperver- letzung, mit Nötigung, mit Volksverhetzung und mit Beleidigung sowie der Sachbeschädigung in zwei Fällen.
Der Angeklagte D ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung.
Der Angeklagte T ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie einer weiteren gefährlichen Körperverletzung.
Der Angeklagte Ka ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung.
Der Angeklagte Ha ist schuldig der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Bedrohung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie einer weiteren gefährlichen Kör- perverletzung sowie des Diebstahls sowie des versuchten Diebstahls.
Der Angeklagte Sc ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung , sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie des Diebstahls.
Der Angeklagte P ist schuldig der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung.
Der Angeklagte He ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung , mit Nötigung, mit Volksverhetzung und mit Beleidigung sowie der Sachbeschädigung in zwei Fällen sowie der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis.
5. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
6. Es wird davon abgesehen, den Angeklagten die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen (§ 74 JGG). Die Nebenkläger M G und Kab tragen die Kosten ihrer Revisionen; jedoch wird die Gebühr um ein Drittel ermäßigt.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und mit fahrlässiger Tötung – letzteres gilt nicht für die Angeklagten Ha und P – sowie wegen anderer Delikte zu Jugendstrafen verurteilt (B : zwei Jahre; D : ein Jahr zwei Monate; T : zwei Jahre acht Monate; Ka : ein Jahr; Ha : zwei Jahre; Sc : ein Jahr sechs Monate; He : ein Jahr sechs Monate). Die Vollstreckung der Jugendstrafen hat es, mit Ausnahme der gegen die Angeklagten B und T verhängten Strafen, zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten P hat das Landgericht verwarnt und ihm Auflagen sowie Weisungen erteilt. Gegen dieses Urteil haben die Angeklagten – mit Ausnahme des Angeklagten Ha – und die Nebenkläger M G (als Bruder des Getöteten F G ) sowie Kab (als Geschädigter) Revision eingelegt. Die Revisionen der Angeklagten und die Revisionen der Nebenkläger – beschränkt auf die Entscheidung über die zu ihren Lasten bzw. zu Lasten ihrer Angehörigen von den damals Heranwachsenden begangenen Taten – führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Umstellung der Schuldsprüche, im übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.

A.


Dem angefochtenen Urteil liegen – neben den Feststellungen zu anderen Taten – insbesondere folgende Feststellungen betreffend das Tatgeschehen in der Nacht zum 13. Februar 1999 zugrunde (siehe B. VII. der Urteilsgründe , UA S. 54 ff.):
In dieser Nacht besuchten der Angeklagte He , der rechtskräftig Verurteilte Ba und der Zeuge Pe die Diskothek „Dance-Club“ in Guben. Alsbald gerieten sie dort in einen Streit mit mehreren vietnamesischen Besuchern, der in eine tätliche Auseinandersetzung vor der Diskothek mündete. In deren Verlauf, es war etwa 2.30 Uhr, griff der Zeuge J N , ein kubanischer Staatsangehöriger mit dunkler Hautfarbe, zu einem flachen metallischen Gegenstand, der auch eine Machete gewesen sein kann. Als er damit auf die deutschen Jugendlichen zurannte, flüchteten diese. Er lief hinter dem Zeugen Pe her, erreichte diesen und schlug ihm mit dem Gegenstand auf den Rücken. Bei der weiteren Flucht zog sich der Zeuge Pe eine Prellung des Kniegelenks und eine oberflächliche Rißwunde zu. Im Laufe der nächsten beiden Stunden trafen der Angeklagte He und der rechtskräftig Verurteilte Ba in der Nähe der Diskothek auf die weiteren Angeklagten B , Ha , Ka , R , Sc und T sowie den gesondert Verfolgten Ku und berichteten ihnen, daß sie von Ausländern bedroht und von Vietnamesen mißhandelt worden seien. „In erregter Stimmung gegenüber dem Ausländer ‚J ‘, gegenüber Vietnamesen und gegenüber Ausländern im allgemeinen“ entschlossen sich die Angeklagten, den Kubaner auf eigene Faust zu suchen und zu ergreifen. Allen war bewußt, daß sie dabei Gewalt anwenden und die Person auch möglicherweise verletzen würden; auch die später hinzukommenden Angeklagten D und P erklärten sich damit einverstanden.
Alsbald nachdem diese nunmehr aus elf Personen bestehende Gruppe mit den, von den Angeklagten R , T und Ka geführten Fahrzeugen losgefahren waren, sahen die Angeklagten B und He in der Nähe der Diskothek die Zeugin Ga . Da sie annahmen, daß diese „mit Ausländern Bekanntschaften pflege“, sprangen beide aus den Wagen und liefen auf die Zeugin zu. Sie riefen dabei sinngemäß: „Wir haben dir was mitgebracht – Hass, Hass, Hass – Ausländer raus!“ und schütteten ihr dann Bier über den Kopf. Nach Rückkehr in die Fahrzeuge setzten die Angeklagten die Suche nach dem Kubaner fort. Dabei schrieen die Angeklagten B und
He weiterhin ausländerfeindliche Parolen; die Stimmung wurde durch das lautstarke Abspielen von Musikkassetten mit fremdenfeindlichen Texten weiter geschürt.
In dieser Situation – es war etwa 4.40 Uhr – bemerkten die Angeklagten drei Ausländer: die Zeugen (und Nebenkläger) Be und Kab , sowie den später verstorbenen F G , die nach dem Besuch des „DanceClubs“ auf dem Heimweg waren. Die Fahrer bremsten auf Höhe der Ausländer die Autos scharf ab. Die Angeklagten B und He sowie weitere Angeklagte stürmten laut schreiend aus den Fahrzeugen auf die Ausländer zu. Diese ergriffen beim Anblick der zum Teil mit sogenannten Bomberjacken und Springerstiefeln bekleideten Angeklagten angstvoll die Flucht zurück in Richtung Diskothek. Mittels der PKW, in die diese Angeklagten wieder eingestiegen waren, setzten sie die Verfolgung fort. Nach ca. 50 bis 100 m überholten sie die Flüchtlinge und bremsten die Wagen direkt vor ihnen ab, um den Weg zur Diskothek zu verstellen. Die Ausländer sahen, daß wiederum mehrere Angeklagte aus den Fahrzeugen sprangen – darin verblieben neben den Fahrern nur die Angeklagten Ha und P sowie der rechtskräftig Verurteilte Ba – und auf sie zuliefen. Aus Angst und in Panik liefen sie nunmehr in unterschiedliche Richtungen davon. Die Verfolger teilten sich entsprechend auf: Während Kab und F G durch die Angeklagten B und He verfolgt wurden, liefen der rechtskräftig verurteilte Ku sowie die Angeklagten Sc und D hinter Be her; als Ku diesen eingeholt hatte, versetzte er ihm mehrere Tritte, so daß das Opfer während des Laufs wiederholt zu Fall kam und schließlich gegen ein geparktes Auto stürzte, wobei er sich eine blutende Kopfwunde zuzog; ein in Richtung des Opfers geworfener Pflasterstein verfehlte dieses. Erst jetzt erkannte Ku an der Hautfarbe des am Boden Liegenden, daß es nicht der gesuchte Kubaner war. Er und die beiden anderen Angeklagten ließen vom Opfer ab und kehrten zu den Fahrzeugen zurück. Die Angeklagten B und He hatten hingegen die weitere Verfolgung der beiden anderen Flüchtenden nach „einigen Metern“ abgebrochen, weil sie sie aus den
Augen verloren hatten oder ihnen deren Vorsprung mittlerweile zu groß erschien. Ihre Suche nach den beiden weiteren gaben die Angeklagten jedoch nicht auf.
Indessen wähnten Kab und F G die Verfolger noch hinter sich. Sie liefen zu einem etwa 200 m von dem letzten Haltepunkt der PKW entfernten Mehrfamilienhaus. Da F G die Haustür nicht öffnen konnte, trat er in Todesangst die untere Glasscheibe der Tür ein. Dabei oder beim anschließenden Durchsteigen verletzte er sich an den im Türrahmen verbliebenen Glasresten; er zog sich eine 8,5 cm tiefe Wunde am rechten Bein und die Verletzung einer Schlagader zu. Binnen kurzer Zeit verblutete das Opfer.

B.


Die Revisionen der Nebenkläger Kab und M G führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Umstellung des Schuldspruchs bei den Angeklagten , die die Taten vom 13. Februar 1999 (Tatkomplex B. VII.) als Heranwachsende begangen haben (vgl. § 80 Abs. 3 JGG). Im übrigen bleiben diese Rechtsmittel ohne Erfolg.
I. Die Verfahrensrügen der Nebenkläger sind zum Teil unzulässig, weil sie nicht in der Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausgeführt worden sind, im übrigen unbegründet. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
1. Die von der Revision des Nebenklägers Kab erhobene Aufklärungsrüge ist unzulässig. Die Revision rügt, daß die Jugendkammer versäumt habe, den Psychiater Dr. H als Sachverständigen zu physischen und psychischen Folgen, die die Geschädigten Kab und Be infolge der zu ihrem Nachteil begangenen Taten erlitten hätten, zu vernehmen. Diese Beweiserhebung hätte sich nach dem Akteninhalt, insbesondere den von diesem Sachverständigen erstellten und zur Sachakte genommenen schriftli-
chen Gutachten aufgedrängt. Indes versäumt die Revision, eben diese Gutachten mitzuteilen. Zudem verschweigt die Revision, daß Dr. H in der Hauptverhandlung als sachverständiger Zeuge vernommen worden ist (Protokollband IV, Bl. 812).
2. Entgegen der Ansicht des Nebenklägers M G liegt ein absoluter Revisionsgrund im Sinne des § 338 Nr. 6 StPO nicht vor.
Die Revision teilt nicht mit, daß die Öffentlichkeit für die Beweisaufnahme über die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten bereits durch den Beschluß vom 6. Juli 2000 ausgeschlossen worden war (Protokollband IV, Bl. 881, 888). Dieser Beschluß umfaßte damit auch die Einlassung des Angeklagten Ku vom 17. Juli 2000 zu dessen persönlichen Verhältnissen. Es kann hiernach offenbleiben, ob nicht bereits § 80 Abs. 3 JGG zum Ausschluß der Rüge führen müßte, da der gerügte Öffentlichkeitsausschluß im unmittelbaren Zusammenhang mit der Vernehmung eines zur Tatzeit jugendlichen Angeklagten stand.
Der weitere Vortrag der Revision, der Angeklagte Ha habe am 17. Juli 2000 zur Sache in nichtöffentlicher Sitzung ausgesagt, ist nicht bewiesen , findet insbesondere im Protokoll der Hauptverhandlung keine Stütze. Es trifft zwar zu, daß die Öffentlichkeit zuvor allein für die Beweisaufnahme über die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten ausgeschlossen worden war. Indes hat der Angeklagte Ha an diesem Tag nach erfolgtem Ausschluß keine Angaben zur Sache gemacht. In der Sitzungsniederschrift heißt es insoweit (Protokollband IV, Bl. 905): „Der AK Ha äußerte sich zu den persönlichen Verhältnissen (Anlage 8 zum Protokoll)“. Zwar enthält die Anlage 8, auf die hier hingewiesen wird (Protokollband IV, Bl. 918 ff.), in einem eigenen Abschnitt auch Ausführungen zur Sache. Doch ist die darin enthaltene Sacheinlassung ersichtlich schon früher abgegeben worden. Denn unmittelbar vor Öffentlichkeitsausschluß – auch dies teilt die Revision nicht mit – hat sich der Angeklagte ausweislich des Protokolls bereits zur Sache ge-
äußert. Der spätere Hinweis im Protokoll auf die Anlage 8 bezieht sich mithin allein auf die dort enthaltenen Angaben zur Person.
Die weitergehende Rüge der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes – betreffend die Vernehmung des Zeugen Z – hat ebenfalls keinen Erfolg, da schon das Beweisthema, zu dem der Zeuge gehört worden ist, nicht mitgeteilt wird. Hiernach kann nicht beurteilt werden, ob die Frage an den Zeugen, was er unter „rechtsextrem“ verstehe, und die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Verfahrensvorgänge (vgl. dazu BGHR StPO § 338 Nr. 6 Ausschluß 2 m. w. N.) der Aufklärung der persönlichen Verhältnisse der Angeklagten dienten. Dienten sie diesem Zweck, wäre der Ausschluß der Öffentlichkeit auf Grundlage des oben genannten Beschlusses vom 6. Juli 2000 gerechtfertigt gewesen.
3. Der Nebenkläger M G rügt ferner, daß die Jugendkammer dem Zeugen Pe – bei der Beantwortung der Frage, ob er oder andere, die in der Tatnacht in seiner Wohnung gewesen seien, dem „nationalen Widerstand“ angehörten – zu Unrecht ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zugebilligt habe (§ 244 Abs. 2, § 245 StPO). Die Rüge ist unbegründet. Eine unzutreffende Beurteilung der Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 StPO in tatsächlicher Hinsicht ist im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht anfechtbar (vgl. BGHSt 10, 104, 105; BGHR StPO § 55 Abs. 1 Auskunftsverweigerung 10, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen; Lemke in HK-StPO, 3. Aufl. § 55 Rdn. 10). Rechtsfehler, die zu einer unzutreffenden Anwendung des § 55 Abs. 1 StPO geführt haben könnten, sind nicht ersichtlich. Auf die Frage, ob das Urteil auf dem behaupteten Verfahrensverstoß überhaupt beruhen könnte, kommt es daher nicht mehr an.
4. Jedenfalls unbegründet ist auch die Rüge, das Fragerecht der Nebenklage sei dadurch in unzulässiger Weise verkürzt worden, daß das Gericht Fragen an den als sachverständigen Zeugen vernommenen Dr. H (s. o. B. I. 1.) – über Befundtatsachen zu psychischen Folgen der Taten hin-
aus – zu etwaigen Schlußfolgerungen nicht zugelassen habe. Eine Verletzung der §§ 240, 241, 397 Abs. 1 Satz 3 StPO ist damit nicht dargetan.
Die Annahme der Revision, Dr. H hätte vorliegend zwingend als Sachverständiger vernommen werden müssen, mit der Folge, daß er auch zu etwaigen Schlußfolgerungen hätte befragt werden dürfen, geht fehl. Im Rahmen der ihm obliegenden Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO und gegebenenfalls nach Maßgabe der § 244 Abs. 3 bis 5, § 245 StPO bestimmt grundsätzlich allein der Tatrichter den Umfang der Beweisaufnahme. Sofern die genannten Vorschriften nicht zu einer weiteren Beweisaufnahme zwingen , steht es im Ermessen des Gerichts zu bestimmen, mit Hilfe welcher Beweismittel Beweis erhoben werden soll. Dabei hindert ein – wie hier – früher erteilter Sachverständigenauftrag das Gericht nicht, einen Sachverständigen später ausschließlich als Zeugen, somit auch nur zu von ihm wahrgenommenen Tatsachen zu vernehmen (vgl. dazu BGH GA 1976, 78, 79). Dies hat der Bundesgerichtshof für den erfolgreich als befangen abgelehnten Sachverständigen wiederholt entschieden (BGHSt 20, 222, 224; BGH NStZ 2002, 44; StV 2002, 4, 5). Fragen, die – wie vorliegend – reine Werturteile und Schlußfolgerungen betrafen, waren somit nicht zulässig und durften als „ungeeignet“ zurückgewiesen werden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 241 Rdn. 15; Vor § 48 Rdn. 2, 3).
5. Auch die sich inhaltlich anschließende Aufklärungsrüge des Nebenklägers M G (Revisionsbegründung S. 151 f.) ist unbegründet. Denn originäre Beweismittel zur Feststellung etwaiger Tatfolgen waren die beiden als Zeugen gehörten Nebenkläger. Zudem ist der Psychiater Dr. H zu den bei den Explorationen von ihm wahrgenommenen Tatsachen ergänzend als sachverständiger Zeuge vernommen worden, so daß etwaige nach Vernehmung der Geschädigten verbliebene Aufklärungsdefizite jedenfalls beseitigt werden konnten. Konkrete Angaben zu dem verstorbenen Geschädigten hätte er ohnehin nicht machen können. Soweit die Revision darauf hinweist, daß mit Hilfe eines Sachverständigen als Folgen der Tat
„posttraumatische Belastungsstörungen im Sinne des ICD-10 F 43.1“ (vgl. Dilling/Mombour/Schmidt, Internationale Klassifikation psychischer Störungen , 4. Aufl.) hätten festgestellt werden können, war dies jedenfalls bei dem Geschädigten F G auszuschließen, da dieser innerhalb kürzester Zeit an den Folgen der Verletzungen verstorben war.
6. Keinen Erfolg haben auch die weiteren Rügen, mit denen der Nebenkläger M G die Verletzung seines Frage- und Beweisantragsrechts rügt.

a) In der Hauptverhandlung fragte eine der Nebenklägervertreterinnen den Sachverständigen Dr. Sch , ob ihm anläßlich der Begutachtung des Angeklagten He – zur Tatzeit noch Jugendlicher – eine freundschaftliche Beziehung zu dem Angeklagten B – zur Tatzeit Heranwachsender – mitgeteilt worden sei. Der Vorsitzende und das nach Beanstandung seiner Anordnung angerufene Gericht wiesen die Frage zurück, da die Nebenklage bezüglich des Angeklagten He nicht zugelassen und eine Befragung des Gutachters daher nicht möglich sei. Die Rüge der Verletzung des Fragerechts dringt nicht durch (§ 240 Abs. 2, § 241, § 397 Abs. 1 Satz 2 StPO).
Bei der (früher getroffenen) Entscheidung über die nur partielle Zulassung der Nebenkläger hat sich die Jugendkammer ersichtlich an den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen orientiert. Hiernach ist in verbundenen Verfahren vor den Jugendgerichten die Nebenklage zulässig, soweit sie sich nicht gegen den Jugendlichen richtet. Dies hat der Bundesgerichtshof für nach § 103 Abs. 1 JGG verbundene Verfahren ausdrücklich entschieden (BGHSt 41, 288; BGH NStZ 1997, 97; zur Gegenansicht vgl. Eisenberg , JGG 9. Aufl. § 80 Rdn. 13, 13a). Da nach § 109 JGG die Regelung des § 80 Abs. 3 JGG auf Heranwachsende keine Anwendung findet, gilt der genannte Grundsatz auch für verbundene Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende (Brunner/Dölling, JGG 11. Aufl. § 109 Rdn. 6; Kleinknecht /Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. Vor § 395 Rdn. 6; Senge in KK 4. Aufl.
§ 395 Rdn. 18; jeweils m. w. N.). Indes hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich betont, daß das Nebeneinander von Jugendlichen einerseits und Erwachsenen andererseits im gleichen Verfahren nicht zu einer Beeinträchtigung der – das Jugendstrafrecht beherrschenden – erzieherischen Belange führen darf (BGHSt aaO S. 292). Daraus folgt, daß in Fällen gegenläufiger Interessen zwischen Nebenklage und Jugendlichen – etwa bei Ausübung des Frage- und Beweisantragsrechts zur Aufklärung des Vorwurfs gemeinsamer Tatbegehung von Jugendlichen und Heranwachsenden/Erwachsenen – im Zweifel der Position des Jugendlichen Vorrang einzuräumen ist (vgl. Ostendorf, JGG 5. Aufl. § 80 Rdn. 1a; Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Vor § 395 Rdn. 14 f.).
Die Entscheidung des Tatgerichts, die Frage der Nebenklage zurückzuweisen , läßt hiernach keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen. Zwar war die Frage der Nebenklage nicht unmittelbar an einen zur Tatzeit noch jugendlichen Angeklagten, sondern an den Sachverständigen gerichtet, doch diente sie ersichtlich (jedenfalls auch) dem Zweck, Informationen über die persönlichen Verhältnisse des bei Begehung der Tat jugendlichen Angeklagten He zu gewinnen. Sie war somit potentiell geeignet, dem mit § 80 Abs. 3 JGG verfolgten Zweck zuwiderzulaufen.

b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, die Jugendkammer habe zu Unrecht die Vernehmung des Leiters der Polizeiwache Guben zum Inhalt von Ermittlungsverfahren abgelehnt, die gegen einzelne Angeklagte wegen weiterer Vorwürfe geführt worden seien (§ 244 Abs. 3 StPO). Allerdings trifft die Auffassung des Landgerichts nicht zu, die Unschuldsvermutung stehe der Einführung etwaiger Nachtaten im Strengbeweisverfahren grundsätzlich entgegen (vgl. BGHSt 34, 209; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. Art. 6 MRK Rdn. 156; Pfeiffer, StPO 4. Aufl. § 261 Rdn. 7). Gleichwohl hat die Rüge keinen Erfolg, da die tatsächliche Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptungen auf der Hand liegt (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 12, 14). Soweit im Beweisantrag behauptet wird, daß sich
der Angeklagte He fünf Stunden nach der Schändung eines für den Verstorbenen aufgestellten Gedenksteines mit weiteren Personen in einem Auto befunden habe, auf dem ein Hakenkreuz geschmiert gewesen sei, läßt dies keinen Rückschluß darauf zu, daß er an dem genannten Geschehen teilgenommen hat; gleiches gilt für die Behauptung, daß die Polizei nach einer weiteren Schändung des Gedenksteines „einen der hier Angeklagten“ – eine nähere Individualisierung erfolgt im Antrag nicht – festgenommen habe.

c) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht die Vernehmung des Zeugen Dr. Hä mit der Begründung abgelehnt, das im Beweisantrag näher bezeichnete Beweisthema sei bereits erwiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO); die Urteilsgründe stehen zu diesem Beweisergebnis nicht in Widerspruch (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 erwiesene Tatsache 1). Ein Fehler liegt auch nicht darin, daß sich die Strafkammer mit dem Ergebnis im Urteil nicht auseinandersetzt. Eine Erörterung von für „erwiesen“ erklärten Tatsachen ist in den Urteilsgründen nicht zwingend erforderlich, zumal da die Beweiserhebung auch über nicht erhebliche Tatsachen mit dieser Begründung abgelehnt werden kann (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 244 Rdn. 57).
7. Der Revisionsführer rügt weiter einen Verstoß gegen das Gebot der „erschöpfenden Beweiswürdigung“ aus § 261 StPO (vgl. Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 49 f.), da einzelne in der Hauptverhandlung erzielte Beweisergebnisse im Urteil nicht erörtert worden seien (vgl. Revisionsbegründung F G S. 36 – 132).
Diese Rügen sind bereits unzulässig. Denn die Revision kann grundsätzlich nicht mit der Behauptung gehört werden, das Tatgericht habe sich mit einer bestimmten Aussage einer Beweisperson nicht auseinandergesetzt, wenn sich diese Aussage nicht aus dem Urteil selbst ergibt. Denn die Ergebnisse der Beweisaufnahme festzustellen und zu würdigen, ist allein Sache des Tatrichters; der dafür bestimmte Ort ist das Urteil. Was in ihm über das Ergebnis der Verhandlung zur Schuld- und Straffrage festgehalten ist, bindet
das Revisionsgericht. Eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme ist ihm grundsätzlich verwehrt (BGHSt 38, 14, 15; 43, 212, 213).
Dies gilt letztlich auch für die gemäß § 254 StPO in die Hauptverhandlung eingeführten Vernehmungsniederschriften. Zwar ist der Inhalt von in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden im Revisionsverfahren regelmäßig rekonstruierbar (vgl. BGHSt 43, 212, 214). Doch legt die Revision entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht dar, daß die verlesenen Protokolle zum Zeitpunkt der Urteilsberatung noch beweiserheblich waren. Der Tatrichter muß aber nur die zum Zeitpunkt der Urteilsfällung wesentlichen beweiserheblichen Umstände in den Urteilsgründen erörtern. Ob der Inhalt einer Aussage zu diesem Zeitpunkt beweiserheblich war, läßt sich nur aus dem Inbegriff der gesamten Hauptverhandlung aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Beweiswert der Beweismittel beurteilen. Ein Widerspruch zwischen den Bekundungen verschiedener Beweispersonen kann sich durch eine einfache Erklärung einer dieser Personen oder durch sonstige Beweismittel für alle Verfahrensbeteiligten zweifelsfrei gelöst haben, so daß kein Anlaß für seine Darlegung in den Urteilsgründen mehr bestand (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Beweiswürdigung 5, 6; Schäfer StV 1995, 147, 156 f.).
8. Ohne Erfolg bleibt auch die Aufklärungsrüge, mit der geltend gemacht wird, das Tatgericht hätte die Zeugen Ky und No angesichts ihrer bisherigen Angaben und der weiteren Ergebnisse der Beweisaufnahme nochmals hören müssen. Die Revision legt nicht dar, welcher Aufklärungsgewinn durch die wiederholte Vernehmung zu erzielen gewesen wäre. Auch die weiteren Aufklärungsrügen sind unzulässig, da sie das jeweilige Ergebnis , das von den begehrten Beweiserhebungen zu erwarten gewesen wäre, nicht mit der erforderlichen inhaltlichen Bestimmtheit behaupten (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1, 4, 6, 9; Sarstedt/Hamm, Revision im Strafverfahren 6. Aufl. Rdn. 554 f.).
II. Die sachlichrechtlichen Einwendungen der Nebenkläger haben dagegen zum Teil Erfolg.
Die Angeklagten haben sich durch die zum Nachteil der Geschädigten begangenen Taten nicht nur wegen gefährlicher Körperverletzung (Vorgehen gegen Be ) in Tateinheit mit Nötigung, sondern tateinheitlich dazu auch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4, §§ 22, 23 StGB (Vorgehen gegen Kab ) und – ausgenommen die Angeklagten Ha und P – in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung mit Todesfolge gemäß §§ 227, 22, 23 StGB (Vorgehen gegen F G ) schuldig gemacht. Im übrigen ist das sachlichrechtliche Vorbringen der Nebenkläger unbegründet.
1. Das Landgericht hat die Begehung versuchter Körperverletzungen zum Nachteil von F G und Kab verneint, da die Angeklagten zu diesen weiteren Delikten noch nicht „unmittelbar angesetzt“ hätten (§ 22 StGB). Das ist rechtsfehlerhaft.
Für ein unmittelbares Ansetzen ist nicht erforderlich, daß der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, daß er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und unmittelbar in die tatbestandliche Handlung einmünden. Das Versuchsstadium erstreckt sich deshalb auch auf Handlungen, die in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los" überschreitet, es eines weiteren „Willensimpulses“ nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt , so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht (vgl. BGHSt 28, 162, 163; 26, 201, 202 ff.; BGH NStZ 2000, 422; 1999, 395, 396).
Es kann dabei offenbleiben, ob die Angeklagten etwa bereits mit dem ersten Bremsmanöver und dem folgenden Hinausspringen aus den Fahrzeugen unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt haben. Spätestens mit dem zweiten Halt, der Verfolgung der Flüchtenden zu Fuß und dem weiteren , dem Verhalten der Flüchtenden angepaßten arbeitsteiligen Vorgehen haben die Angeklagten die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten; eines weiteren „Willensimpulses“ oder „Willensrucks“ zur Umsetzung ihrer Pläne bedurfte es hiernach nicht mehr, was auch durch die unmittelbar folgende Mißhandlung des Geschädigten Be belegt wird.
2. Der für die Vollendung eines Körperverletzungsdeliktes nach §§ 223 ff. StGB erforderliche Verletzungserfolg ist – entgegen der Ansicht der Nebenkläger – bei den Geschädigten Kab und F G nicht eingetreten. Im Hinblick auf die Schnitt- und Stichverletzungen des F G haben die Angeklagten jedenfalls nicht vorsätzlich gehandelt.
Zwar weisen die Nebenkläger zu Recht darauf hin, daß die Verfolgung bei den Opfern Angst- und Panikgefühle ausgelöst hätten. Jedoch genügen solche rein psychische Empfindungen nicht, um eine Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB zu begründen. Dafür spricht neben dem Wortlaut dieser Vorschrift auch § 225 Abs. 3 Nr. 2 StGB, der zwischen der Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen und der seelischen Entwicklung ausdrücklich unterscheidet. Vielmehr liegt in diesen Fällen eine Körperverletzung nur dann vor, wenn die psychischen Einwirkungen den Geschädigten in einen pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand versetzt haben (vgl. nur BGHR StGB § 223 Abs. 1 Gesundheitsbeschädigung 2, insoweit in BGHSt 41, 285 nicht abgedruckt; BGH NStZ 1997, 123; 1986, 166; NStZRR 2000, 106). Ungeachtet der Frage, ob auch „posttraumatische Belastungsstörungen“ (sub I. 5.) einen „pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand“ begründen können, hat das Landgericht solche Störungen weder ausdrücklich festgestellt, noch sind sie dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen.
Die Stich- und Schnittverletzungen, die sich F G bei der Flucht zugezogen hat und die innerhalb kürzester Zeit zu seinem Tod geführt haben, sind von den Angeklagten nicht vorsätzlich herbeigeführt worden. Angesichts der gesamten Tatumstände liegt insoweit eine wesentliche Abweichung zwischen vorgestelltem und tatsächlich eingetretenem Kausalverlauf vor (vgl. BGHSt 38, 32, 34; 37, 106, 131; 7, 325, 329).
3. Die genannten Angeklagten haben sich darüber hinaus auch wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht. § 227 StGB setzt unter anderem voraus, daß der Tod der verletzten Person „durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226)“ verursacht worden ist, wobei dem Täter hinsichtlich dieser Tatfolge Fahrlässigkeit zur Last fallen muß (§ 18 StGB).

a) Dabei reicht es nicht aus, daß zwischen der Körperverletzungshandlung und dem Todeserfolg überhaupt ein ursächlicher Zusammenhang besteht, die Körperverletzung also nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß damit zugleich der Tod des Verletzten entfiele. § 227 StGB soll allein der mit der Körperverletzung verbundenen Gefahr des Eintritts der qualifizierenden Todesfolge entgegenwirken. Die genannte Vorschrift erfaßt deshalb nur solche Körperverletzungen, denen die spezifische Gefahr anhaftet, zum Tode des Opfers zu führen; gerade diese Gefahr muß sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen haben (BGHSt 31, 96, 98; BGHR StGB § 227 [i.d.F. 6. StrRG] Todesfolge 1; BGH NStZ 1992, 335; NJW 1971, 152, 153).
Eine solche deliktsspezifische Gefahr kann auch schon von der bloßen Körperverletzungshandlung ausgehen (BGHSt 14, 110, 112; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 227 Rdn. 4 ff.; aA Hirsch in LK 11. Aufl. § 227 Rdn. 4 ff.; Küpper in FS H. J. Hirsch [1999] S. 615 ff.; jeweils m. w. N.). Der Wortlaut der Bestimmung steht einer solchen Auslegung nicht entgegen (BGHSt 14, 110, 112; Tröndle GA 1962, 225, 238). Auch der Gesetzgeber ist dieser Rechtsprechung nicht entgegengetreten. Vielmehr hat er § 227 Abs. 1 StGB durch den Zusatz „(§§ 223 bis 226)“ ergänzt (vgl. BGBl 1998 I 164),
ohne – was im Sinne der sogenannten Letalitätstheorie (vgl. Hirsch und Küpper aaO; Roxin Strafrecht AT Bd. 1, 3. Aufl. § 10 Rdn. 115; jeweils m. w. N.) dann aber angezeigt gewesen wäre – die in §§ 223, 224, 225 StGB enthaltenen versuchten Körperverletzungsdelikte (jeweils Abs. 2) vom Anwendungsbereich des § 227 StGB auszunehmen (vgl. Rengier, Strafrecht BT II 4. Aufl. § 16 Rdn. 4; aA Kühl in 50 Jahre Bundesgerichtshof Festgabe Bd. IV S. 237, 255). Verwirklicht sich die von der Körperverletzungshandlung ausgehende Gefahr und führt dies zum Tod des Opfers, kann die Anwendbarkeit des § 227 StGB ferner nicht davon abhängen, ob darüber hinaus ein vorsätzlich herbeigeführter Körperverletzungserfolg eingetreten ist, da dieser für den Unrechtsgehalt der Tat allenfalls von untergeordneter Bedeutung sein kann (aA zur Rechtslage vor der Versuchspönalisierung in § 223 Abs. 2 StGB [BGBl 1998 I 164]: BGH NJW 1971, 152 ohne Begründung und nicht tragend ). Mithin ist der Versuch einer Körperverletzung mit Todesfolge auch in Form eines „erfolgsqualifizierten Versuchs“ möglich. Es gilt insoweit nichts anderes als bei sonstigen erfolgsqualifizierten Delikten wie beim Raub mit Todesfolge nach § 251 oder bei der Brandstiftung mit Todesfolge nach § 306c StGB (vgl. BGHSt 7, 37; BGHSt 46, 24; BGHR StGB § 251 Todesfolge 3; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 18 Rdn. 4; Stree in Schönke /Schröder, StGB 26. Aufl. § 227 Rdn. 5 m. w. N.; differenzierend Ferschl, Problem des unmittelbaren Zusammenhangs beim erfolgsqualifizierten Delikt 1999 S. 128 ff.).

b) Eine solche im Rahmen der Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB spezifische Gefahr ging von den Handlungen der genannten Angeklagten aus und führte zum Tod des F G. Der erforderliche Zurechnungszusammenhang wurde auch nicht durch das eigene Verhalten des Opfers unterbrochen. Denn dessen Reaktion war eine naheliegende und nachvollziehbare Reaktion auf den massiven Angriff der Angeklagten. Ein solches durch eine Flucht „Hals über Kopf“ geprägtes Opferverhalten ist vielmehr bei den durch Gewalt und Drohung geprägten Straftaten geradezu
deliktstypisch und entspringt dem elementaren Selbsterhaltungstrieb des Menschen (vgl. Wessels/Hettinger, Strafrecht BT Teil 1, 25. Aufl. Rdn. 301).
Zwar hat der Bundesgerichtshof in Einzelfällen eine Zurechnung in Folge selbstgefährdenden Verhaltens des Opfers ausgeschlossen (vgl. etwa NJW 1971, 152; siehe aber auch BGHR StGB § 226 Todesfolge 5, 8 und BGH, Urt. vom 28. Juni 1960 – 1 StR 203/60); doch steht dies hier – angesichts des außergewöhnlich massiven Vorgehens der Angreifer und der weiteren Besonderheiten – dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Schon angesichts der Anzahl der Fahrzeuge, des Gebarens der Fahrzeugführer, vor allem aber in Anbetracht der Anzahl und des aggressiven Auftretens der aus den Wagen überfallartig auf sie losstürmenden Angeklagten mußten alle Geschädigten damit rechnen, binnen kürzester Zeit heftig attackiert und mißhandelt zu werden. Dies veranlaßte (auch) F G in „Todesangst zur panischen Flucht in den Hauseingang“ (vgl. UA S. 170). Daß seine Verfolger zwischenzeitlich zu den Fahrzeugen zurückgekehrt waren, ohne indes die Suche endgültig aufgegeben zu haben, ist ohne Belang, da F G dies nicht bemerkt hatte. Um nicht dort noch von den Angeklagten ergriffen zu werden und um von den Bewohnern Beistand zu erlangen, sah er keine andere Möglichkeit, als die Glastür einzutreten und in das Treppenhaus einzusteigen, wobei er sich die tödlichen Verletzungen zuzog.

c) Der Tod des F G ist im Rahmen des § 227 StGB allen Angeklagten als Mittätern zuzurechnen (§ 25 Abs. 2 StGB). Anders als bei Fahrlässigkeitsdelikten, bedarf es bei der Körperverletzung mit Todesfolge nicht des Nachweises, daß ein jeder von mehreren Beteiligten einen für den Erfolg kausalen Beitrag erbracht hat. Es macht sich nach § 227 StGB nämlich auch derjenige strafbar, der die Verletzung nicht mit eigener Hand ausführt , jedoch aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beiträgt. Voraussetzung ist allerdings, daß – wie vorliegend festgestellt – die Handlung der anderen im
Rahmen des allseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses lag (vgl. BGHR StGB § 226 Kausalität 2, 3).

d) Zudem muß ein jeder hinsichtlich des Erfolges wenigstens fahrlässig gehandelt haben, insbesondere muß der Todeserfolg für jeden vorhersehbar gewesen sein. Hierfür reicht es aus, daß der Erfolg nicht außerhalb aller Lebenserfahrung liegt; alle konkreten Einzelheiten brauchen dabei nicht voraussehbar zu sein. Es genügt die Vorhersehbarkeit des Erfolgs im allgemeinen (Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 227 Rdn. 3; § 222 Rdn. 25, 26). Dies hat das Landgericht – im Rahmen des einen gleichgelagerten Prüfungsmaßstab aufweisenden § 222 StGB – hinsichtlich der aktiv an der Verfolgung beteiligten Angeklagten rechtsfehlerfrei bejaht, im Hinblick auf die in den Fahrzeugen passiv verbliebenen Angeklagten Ha und P dagegen verneint. Gegen diese Differenzierung ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern. Soweit das Landgericht dieses Ergebnis u.a. mit den individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten gerade dieser beiden Angeklagten und zudem, den Angeklagten P betreffend, mit dessen erheblicher alkoholischer Beeinträchtigung begründet (UA S. 169), läßt auch das keinen Rechtsfehler erkennen.
4. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen. Die hiervon betroffenen Angeklagten hätten sich gegen die Annahme einer versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung nicht anders verteidigen können.
5. Auf die Strafaussprüche bleibt dies ohne Einfluß. Der Senat schließt aus, daß ein neuerlich zur Entscheidung berufener Tatrichter auf Grundlage der aus dem Tenor ersichtlichen Schuldsprüche gegen die Heranwachsenden andere Rechtsfolgen aussprechen würde. Die Körperverletzung mit Todesfolge weist zwar gegenüber den jeweiligen Grunddelikten einen gesteigerten Unrechtsgehalt auf. Auf der anderen Seite ist jedoch zu beachten, daß seit Erlaß des tatrichterlichen Urteils beinahe zwei Jahre verstrichen
sind. Schon angesichts des außergewöhnlichen Umfangs des Verfahrens und der erforderlichen Zeit, das tatrichterliche Urteil abzusetzen, stellt dies zwar keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung dar (vgl. nur BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 11). Doch müßte allein schon der Zeitablauf bei erneuter Strafzumessung jedenfalls strafmildernd berücksichtigt werden. Hinzu kommt, daß gerade im Anwendungsbereich des Jugendstrafrechts einer zügigen strafrechtlichen Reaktion auf Straftaten ein besonderer Stellenwert zukommt (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 8; Brunner/Dölling, JGG 11. Aufl. Einf. II Rdn. 25; Eisenberg, JGG 9. Aufl. § 18 Rdn. 15e; Ostendorf, JGG 5. Aufl. § 43 Rdn. 6, 8a).

C.


Die Revisionen der Angeklagten bleiben ohne Erfolg.
I. Sämtliche von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen sind, soweit sie zulässig sind, unbegründet. Der Erörterung bedürfen nur folgende Rügen:
1. Die vom Angeklagten T erhobene Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 1 StPO) ist unbegründet. Entgegen der Ansicht der Revision war das Präsidium des Landgerichts zu einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes während des laufenden Jahres befugt, weil die Voraussetzungen des § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG vorlagen. Da der Beisitzer der 3. Strafkammer, Richter Kr , aus dem Richterdienst ausschied, lag ein „Wechsel“ im Sinne dieser Bestimmung vor (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 21e GVG Rdn. 15). Auch die zum 1. Juni 1999 und damit vor Beginn der Hauptverhandlung erfolgte Abordnung der Richterin am Landgericht Has an das Oberlandesgericht Brandenburg für eine Dauer von neun Monaten stellt einen Grund dar, der das Präsidium zur Änderung des Geschäftsverteilungsplanes im laufenden Jahr berechtigte. Eine Abordnung eines Richters führt grundsätzlich zu einer „Verhinderung“ im Sinne des
§ 21e Abs. 3 Satz 1 GVG, die jedenfalls dann auch „dauernd“ und nicht nur vorübergehend ist, wenn sie – wie hier – einen Zeitraum von drei Monaten überschreitet (so auch Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht 3. Aufl. § 21e Rdn. 9 und Pfeiffer, StPO 4. Aufl. § 21e GVG Rdn. 4 unter Hinweis auf § 21c Abs. 2 GVG; vgl. auch Kissel, GVG 3. Aufl. § 21e Rdn. 114).
2. Die von mehreren Angeklagten unter dem Gesichtspunkt etwaiger richterlicher Befangenheit (§§ 24, 338 Nr. 3 StPO) erhobenen Rügen haben ebensowenig Erfolg:

a) Die Rügen, mit denen behauptet wird, der Vorsitzende habe die Verteilung einzelner Flugblätter („Antifaschistisches Info-Blatt“) in der Nähe des Sitzungssaals während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung gebilligt , genügen schon nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Revision des Angeklagten D teilt den Beschluß vom 7. September 1999 nicht vollständig mit (vgl. Protokollband I, Bl. 154 ff.); die Revision des Angeklagten Ka läßt die Wiedergabe der auf das Ablehnungsgesuch ergangenen dienstlichen Stellungnahmen vermissen. Vor allem aber ist in keiner Weise ersichtlich, daß die Verteilung von Flugblättern mit Wissen des Vorsitzenden erfolgte. Dieser hat vielmehr angebeben, daß er von diesem Vorgang nichts gewußt habe. Alles was die Revisionen hiergegen vorbringen, erschöpft sich in haltlosen Vermutungen und Spekulationen.

b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, der Vorsitzende und ein Beisitzer des erkennenden Gerichts seien befangen gewesen, da sie eine Urkundsbeamtin „angewiesen“ hätten, nachträglich das Protokoll einer richterlichen Vernehmung des Angeklagten Ka zu unterschreiben, um dieses dann in der Hauptverhandlung verlesen zu können. Die Rüge ist unzulässig, da verschwiegen wird, daß die Staatsanwaltschaft zum Ablehnungsgesuch eine Stellungnahme abgegeben hat (vgl. Befangenheitsband II, Bl. 253 f.). Ungeachtet dessen sind aber auch auf Grundlage des mitgeteilten Sachverhalts keine Umstände vorgetragen, die Mißtrauen in die Unparteilichkeit der bei-
den Richter rechtfertigen könnten (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 24 Rdn. 8 m. w. N.). Schon aufgrund der dem Gericht obliegenden Amtsaufklärungspflicht war der Vorsitzende gehalten, die fehlende Unterschrift unter dem Vernehmungsprotokoll nachholen zu lassen. Soweit er diesen Vorgang in der Hauptverhandlung mit den Worten wiedergegeben hat, das Protokoll sei „auf mein Betreiben hin“ unterschrieben worden, läßt sich dieser Äußerung – entgegen der Ansicht der Revision – nicht entnehmen, daß die Urkundsbeamtin zur Unterschriftsleistung in unzulässiger Weise gedrängt worden sei, zumal da das Protokoll mit dem Zusatz übersandt wurde, daß die Urkundsbeamtin es unterschreiben solle, „sofern ihr das noch möglich ist“.
3. Die Rüge, die Hauptverhandlung habe am 29. Juni 2000 zwischen 10.50 und 11.10 Uhr in Abwesenheit der Verteidiger des Angeklagten Ka stattgefunden (§ 338 Nr. 5 StPO), ist unzulässig. Entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO hat der Revisionsführer die den Mangel enthaltenen Tatsachen nicht vollständig mitgeteilt. Zwar trägt er vor, daß Rechtsanwalt N in dieser Zeitspanne nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hat und daß auch der weitere Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Now , die Verhandlung bereits um 10.10 Uhr verlassen habe. Doch verschweigt die Revision, daß letztgenannter Verteidiger nicht erst um 12.00 Uhr, sondern schon früher, möglicherweise schon vor 10.50 Uhr, in den Sitzungssaal zurückgekehrt ist. Denn im Protokoll der Hauptverhandlung heißt es (Protokollband IV, Bl. 861 R): „Die HV wurde ... um 11.25 Uhr unterbrochen und um 12:00 Uhr mit denselben Verfahrensbeteiligten wie vor der Unterbrechung fortgesetzt (außer Rechtsanwalt Now )“. Der Hinweis „außer Rechtsanwalt Now “ läßt eindeutig darauf schließen, daß dieser Verteidiger schon vor der Unterbrechung wieder an der Hauptverhandlung teilgenommen hatte.
4. Die Revision des Angeklagten T rügt, daß „ausweislich“ der Sitzungsniederschrift vom 8. Juni 1999 der Angeklagte und sein Verteidiger
durch Beschluß „gemäß § 231c StPO beurlaubt“ worden seien, gleichwohl sei der im Sitzungssaal verbliebene Angeklagte aber später, nachdem sich sein Verteidiger entfernt habe, zu Fall 2 der Anklage vom 23. Februar 1999 vernommen worden (§ 338 Nr. 5 StPO). Der Rüge muß der Erfolg versagt bleiben.
Es ist schon zweifelhaft, ob der Revisionsführer einen Verfahrensmangel , wie für § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlich, überhaupt bestimmt behauptet oder insoweit nur eine von vornherein unzulässige „Protokollrüge“ erhebt (vgl. BGHSt 7, 162; Dahs/Dahs, Revision im Strafprozeß 6. Aufl. Rdn. 471 m. w. N.). Ungeachtet dessen teilt die Revision aber auch die im Zusammenhang mit der Vernehmung in der Hauptverhandlung verlesene Urkunde inhaltlich nicht mit, obgleich diese für die Auslegung des in der Sitzungsniederschrift verwandten Begriffs der „Angeklagten“ von Bedeutung hätte sein können.
Zudem wird der bezeichnete Verfahrensverstoß durch die Sitzungsniederschrift nicht bewiesen. Zwar enthält das Protokoll die Angabe, daß (nach Beurlaubung u.a. des Revisionsführers, seines Verteidigers und Entfernung desselben) „die Angeklagten“ „bezüglich Fall 2 ... zur Sache“ ausgesagt hätten (Protokollband I, Bl. 20). Doch ergibt sich aus dem Zusammenhang eindeutig, daß der zu diesem Zeitpunkt in der Hauptverhandlung noch anwesende und der Begehung dieser Tat – ein im September 1998 begangener Diebstahl – gar nicht beschuldigte Revisionsführer damit nicht gemeint war, sondern allein die Angeklagten Ha und Sc . Dies erschließt sich ohne weiteres schon aus dem vorhergehenden Inhalt der Sitzungsniederschrift : Da an diesem Verhandlungstag allein Beweis zu den Fällen 1 und 2 der genannten Anklageschrift erhoben werden sollte, deren Begehung aber allein den beiden genannten Angeklagten vorgeworfen worden ist, hat die Jugendkammer allen weiteren Angeklagten und deren Verteidigern gestattet, sich von der Verhandlung zu entfernen. Folgerichtig enthält das Protokoll die weitere Feststellung, daß (allein) die Angeklagten Ha und Sc
über ihr Recht, sich zu den Beschuldigungen zu äußern, belehrt worden sind (§ 243 Abs. 4 StPO) und eben (nur) diese – namentlich ausdrücklich bezeichnet; anders aber der Revisionsführer, der einen Belehrungsmangel im übrigen auch gar nicht rügt – daraufhin erklärten, aussagen zu wollen, und dies dann auch taten. Sofern unmittelbar danach im Protokoll festgehalten ist, daß sich „die Angeklagten“ zu Fall 2 der Anklage eingelassen haben, sind auch damit nur die Angeklagten Ha und Sc , nicht aber der Beschwerdeführer gemeint.
5. Die Revision des Angeklagten Ka rügt ferner die Verletzung von § 338 Nr. 6 StPO und stützt sich hierbei auf die Verlesung eines an einen der Nebenkläger gerichteten Briefes des Angeklagten R in nichtöffentlicher Hauptverhandlung. Die Rüge genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Revision verschweigt, daß die Jugendkammer schon mit Beschluß vom 6. Juli 2000 (s. o.) „die Öffentlichkeit für die Beweisaufnahme über die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten ausgeschlossen“ hat (vgl. § 48 Abs. 3 JGG).
6. Die Revision des Angeklagten T macht weiter geltend, das Gericht habe die Nebenkläger entgegen § 80 Abs. 3 JGG zum Verfahren zugelassen.
Die Verfahrensrüge ist schon unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil der Beschluß des Gerichts vom 17. Mai 1999, mit der die Nebenkläger zum Verfahren zugelassen worden sind, nicht mitgeteilt wird. Im übrigen entsprach die Entscheidung, die Nebenklage nur im Hinblick auf die zur Tatzeit schon volljährigen Angeklagten zuzulassen, der Gesetzeslage (sub B. I. 6. a; vgl. zur Frage des Beruhens des Urteils nach fehlerhafter Entscheidung über die Zulassung der Nebenklage: BGH NStZ 1997, 97; Senge in KK 4. Aufl. § 396 Rdn. 13, 14 m. w. N.).
7. Schließlich macht der Angeklagte D geltend, daß das Urteil entgegen § 261 StPO eine Auseinandersetzung mit den in der Hauptverhandlung verlesenen Protokollen der richterlichen Vernehmungen der damaligen Beschuldigten T und Ka vermissen lasse.
Die Rüge kann schon deswegen keinen Erfolg haben, weil entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht mitgeteilt wird, daß die genannten Aussagen der Angeklagten aus dem Ermittlungsverfahren zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung noch beweiserheblich waren, und dem Revisionsgericht eine Rekonstruktion der Hauptverhandlung versagt ist (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Beweiswürdigung 6; s. o.). Die Rüge wäre im übrigen auch unbegründet. Die Angaben des Angeklagten T gegenüber dem Ermittlungsrichter deuten lediglich darauf hin, daß nach seiner Erinnerung der Angeklagte D nicht in seinem Wagen mitgefahren sei. Zu der insoweit allein bedeutsamen Frage, wer die Geschädigten zu Fuß verfolgt hat, konnte der Angeklagte aber keine eindeutigen Angaben machen; danach ist insbesondere nicht auszuschließen, daß auch der Angeklagte D einer der Verfolger der Opfer war. Gleiches gilt auch für die Angaben des Angeklagten Ka . Aber selbst wenn der Angeklagte D einer seiner Mitfahrer gewesen sein sollte, schließt dies nicht aus, daß dieser den PKW verlassen und die Geschädigten mit verfolgt hat, da der Angeklagte Ka es immerhin für möglich hielt, daß nach dem gemeinsamen Bremsmanöver aller drei Wagen, auch die Tür seines Fahrzeugs kurzzeitig geöffnet war. Einen Widerspruch vermag die Revision nach alledem nicht aufzuzeigen. Eine Erörterung dieser Umstände im Urteil war auch aus diesem Grund nicht erforderlich.
II. Die umfassende sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
Das Vorbringen einzelner Angeklagter zur Beweiswürdigung hat keinen Erfolg. Die Angriffe der Revision hiergegen erschöpfen sich in dem un-
zulässigen Versuch, eine eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen (vgl. BGHSt 41, 376, 380 m. w. N.). Entsprechendes gilt für die Bemessung der Straftatfolgen. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGHSt 34, 345, 349; 15, 224, 225 f. m. w. N.). Fehler der genannten Art liegen hier nicht vor.
Zum Vorgehen der Angeklagten T , Ka , Ha und Sc vom 28. November 1998 zum Nachteil des Zeugen Pl (B. VI. der Urteilsgründe, UA S. 50 ff.) ist folgendes anzumerken: Die Jugendkammer hat das Geschehen zutreffend als erpresserischen Menschenraub in Tateinheit mit räuberischer Erpressung bewertet. Es kann offenbleiben, ob das Verbringen des Opfers zum Kirchplatz gegen dessen ausdrücklich geäußerten Willen nicht bereits als „Entführen“ gemäß § 239a Abs. 1 StGB zu würdigen gewesen wäre. Jedenfalls erfüllten – angesichts der weiteren festgestellten Umstände – die sich über mehrere Minuten hinziehende Fahrt und das sich daran anschließende weitere Vorgehen der Angeklagten das Tatbestandsmerkmal „Sichbemächtigen“ im Sinne des § 239a Abs. 1 StGB. Die hierfür erforderliche „gewisse Stabilisierung“ der Zwangslage (vgl. BGHSt 40, 350, 359) war dadurch schon eingetreten. Die relativ geringe Dauer und Intensität des Vorgehens gegen das Opfer hat die Jugendkammer ausdrücklich berücksichtigt und das Vorgehen der Angeklagten als minder schweren Fall eingeordnet.
Der Senat ändert auch die Schuldsprüche der zur Zeit der Tat vom 13. Februar 1999 noch nicht volljährigen Angeklagten Sc , He und P in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang. Denn auch diese Angeklagten haben sich jeweils (auch) wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und die Angeklagten Sc und He in Tateinheit dazu wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht. Zwar waren die von den Nebenklägern eingelegten Rechtsmittel von vornherein auf die anderen (zur Tatzeit heranwachsenden) Angeklagten beschränkt. Doch ist es hier – schon aus Gründen der Gleichstellung aller Tatbeteiligten – geboten, von der Möglichkeit (vgl. BGHSt 14, 5, 7) Gebrauch zu machen, die Schuldsprüche gegen die genannten Angeklagten allein auf deren Revision schärfend zu ändern.
Harms Häger Raum Brause Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 60/12
vom
11. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 11. Juli 2012 gemäß § 349Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 29. Juli 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) in den Fällen B.I.4, B.I.10 und B.I.15 der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen gefährlicher Körperverletzung in sieben Fällen, vorsätzlicher Körperverletzung in zwölf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung , und wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Außerdem hat es der Nebenklägerin unter Absehen von einer weiter gehenden Entscheidung über die Adhäsionsklage ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 € zugesprochen.Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine Ver- fahrensrüge sowie die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufgrund der Sachrüge Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den Feststellungen schlug und trat der Angeklagte die Nebenklägerin am Morgen eines Tages im Zeitraum zwischen dem 30. August und Anfang September 2008 aus nichtigem Anlass. Sie flüchtete ins Badezimmer und kauerte sich am Boden zusammen. Der Angeklagte setzte ihr nach und trat ihr mehrfach gegen den Kopf, so dass diese gegen die Badewanne stieß. Dadurch wurde es der Nebenklägerin schwindelig und sie erlitt eine blutende Verletzung am Ohr. Es folgten weitere Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht der Geschädigten (Fall B.I.4 der Urteilsgründe). Am 5. Oktober 2008 prügelte der Angeklagte im Schlafzimmer auf die Nebenklägerin ein und trat sie. Dadurch wurde sie mehrfach mit dem Kopf gegen die Metallverstrebung des Bettes und gegen die Wände des Schlafzimmers gestoßen. Außerdem riss der Angeklagte ihr Haare aus (Fall B.I.10). An einem Tag Ende Januar 2009 fesselte der Angeklagte die Nebenklägerin an einen Stuhl, indem er ihre Hände mit einem Tuch hinter der Lehne des Stuhls sowie ihre Beine zusammenband. Außerdem knebelte er sie. Er drohte ihr an, ihr den Finger zu brechen, mit dem sie seine Telefonanrufe weggedrückt habe. Die Nebenklägerin geriet dadurch in Panik, zitterte und weinte. Der Angeklagte ließ die Nebenklägerin einige Minuten gefesselt, ohne seine Drohung umzusetzen; dann band er sie los (Fall B.I.15).

II.

3
Die Handlungen in den Fällen B.I.4 und B.I.10 hat das Landgericht ohne nähere Erläuterung als gefährliche Körperverletzung, die Handlung im Fall B.I.15 als vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung bewertet. Dies begegnet rechtlichen Bedenken.
4
1. Es ist nicht nachzuvollziehen, welchen Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 StGB das Landgericht in den Fällen B.I.4 und B.I.10 heranziehen wollte, weil das Landgericht keine ausdrückliche Subsumtion vorgenommen hat. Das Wertungsergebnis liegt auch nicht ohne weiteres auf der Hand.
5
§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB greift nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ein, wenn der Täter das Opfer gegen einen unbeweglichen Gegenstand bewegt (vgl. BGHSt 22, 235, 236; BGH NStZ-RR 2005, 75).
6
Danach kommt als Qualifikationsgrund in den genannten Fällen nur die Begehung der Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB in Betracht. Tritte oder heftige Schläge gegen den Kopf des Opfers können eine das Leben gefährdende Behandlung darstellen (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Juni 2007 - 2 StR 105/07). Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach der Art der Ausführung der Verletzungshandlungen im Einzelfall zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können. Ob das hier der Fall war, wird aus den Urteilsfeststellungen nicht abschließend deutlich.
7
Erforderlich ist zudem ein Vorsatz des Täters zur Herbeiführung einer derartigen potenziellen Lebensgefahr (vgl. BGHSt 19, 352 f.). Dazu hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen.
8
2. Im Fall B.I.15 hat das Landgericht den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) durch die Fesselung der Nebenklägerin nicht näher erläutert. Eine körperliche Misshandlung im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB ist eine üble, unangemessene Behandlung, die zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung des körperlichen Wohlempfindens oder der körperlichen Unversehrtheit führt. Das körperliche Wohlempfinden kann nicht allein durch psychische Reaktionen beeinträchtigt werden (vgl. BGH NStZ 1997, 123, 124), so dass das Hervorrufen von Angst nicht als Taterfolg im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB ausreicht. Bedrohungs- oder Einschüchterungshandlungen dürfen sich hinsichtlich der Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens nicht nur auf das seelische Gleichgewicht auswirken, sondern sie müssen auch die körperliche Verfassung des Opfers betreffen (vgl. BGH NStZ 1986, 166). Ob dies hier der Fall war, bleibt nach den getroffenen Feststellungen zumindest unklar. Zudem muss der Körperverletzungserfolg vom Vorsatz des Täters umfasst sein. Dazu verhalten sich die Urteilsfeststellungen nicht. Eine Erläuterung der rechtlichen Bewertung fehlt.
9
Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung, die für sich genommen rechtsfehlerfrei festgestellt und beurteilt wurde, kann danach ebenfalls keinen Bestand haben.
10
3. Mit der Aufhebung des Schuldspruchs und des Ausspruchs über die Einzelstrafen in den Fällen B.I.4, B.I.10 und B.I.15 mitsamt der Einsatzstrafe entfällt zugleich die Gesamtstrafe.
Becker Fischer Appl Krehl Eschelbach

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 60/12
vom
11. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 11. Juli 2012 gemäß § 349Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 29. Juli 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) in den Fällen B.I.4, B.I.10 und B.I.15 der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen gefährlicher Körperverletzung in sieben Fällen, vorsätzlicher Körperverletzung in zwölf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung , und wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Außerdem hat es der Nebenklägerin unter Absehen von einer weiter gehenden Entscheidung über die Adhäsionsklage ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 € zugesprochen.Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine Ver- fahrensrüge sowie die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufgrund der Sachrüge Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den Feststellungen schlug und trat der Angeklagte die Nebenklägerin am Morgen eines Tages im Zeitraum zwischen dem 30. August und Anfang September 2008 aus nichtigem Anlass. Sie flüchtete ins Badezimmer und kauerte sich am Boden zusammen. Der Angeklagte setzte ihr nach und trat ihr mehrfach gegen den Kopf, so dass diese gegen die Badewanne stieß. Dadurch wurde es der Nebenklägerin schwindelig und sie erlitt eine blutende Verletzung am Ohr. Es folgten weitere Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht der Geschädigten (Fall B.I.4 der Urteilsgründe). Am 5. Oktober 2008 prügelte der Angeklagte im Schlafzimmer auf die Nebenklägerin ein und trat sie. Dadurch wurde sie mehrfach mit dem Kopf gegen die Metallverstrebung des Bettes und gegen die Wände des Schlafzimmers gestoßen. Außerdem riss der Angeklagte ihr Haare aus (Fall B.I.10). An einem Tag Ende Januar 2009 fesselte der Angeklagte die Nebenklägerin an einen Stuhl, indem er ihre Hände mit einem Tuch hinter der Lehne des Stuhls sowie ihre Beine zusammenband. Außerdem knebelte er sie. Er drohte ihr an, ihr den Finger zu brechen, mit dem sie seine Telefonanrufe weggedrückt habe. Die Nebenklägerin geriet dadurch in Panik, zitterte und weinte. Der Angeklagte ließ die Nebenklägerin einige Minuten gefesselt, ohne seine Drohung umzusetzen; dann band er sie los (Fall B.I.15).

II.

3
Die Handlungen in den Fällen B.I.4 und B.I.10 hat das Landgericht ohne nähere Erläuterung als gefährliche Körperverletzung, die Handlung im Fall B.I.15 als vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung bewertet. Dies begegnet rechtlichen Bedenken.
4
1. Es ist nicht nachzuvollziehen, welchen Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 StGB das Landgericht in den Fällen B.I.4 und B.I.10 heranziehen wollte, weil das Landgericht keine ausdrückliche Subsumtion vorgenommen hat. Das Wertungsergebnis liegt auch nicht ohne weiteres auf der Hand.
5
§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB greift nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ein, wenn der Täter das Opfer gegen einen unbeweglichen Gegenstand bewegt (vgl. BGHSt 22, 235, 236; BGH NStZ-RR 2005, 75).
6
Danach kommt als Qualifikationsgrund in den genannten Fällen nur die Begehung der Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB in Betracht. Tritte oder heftige Schläge gegen den Kopf des Opfers können eine das Leben gefährdende Behandlung darstellen (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Juni 2007 - 2 StR 105/07). Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach der Art der Ausführung der Verletzungshandlungen im Einzelfall zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können. Ob das hier der Fall war, wird aus den Urteilsfeststellungen nicht abschließend deutlich.
7
Erforderlich ist zudem ein Vorsatz des Täters zur Herbeiführung einer derartigen potenziellen Lebensgefahr (vgl. BGHSt 19, 352 f.). Dazu hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen.
8
2. Im Fall B.I.15 hat das Landgericht den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) durch die Fesselung der Nebenklägerin nicht näher erläutert. Eine körperliche Misshandlung im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB ist eine üble, unangemessene Behandlung, die zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung des körperlichen Wohlempfindens oder der körperlichen Unversehrtheit führt. Das körperliche Wohlempfinden kann nicht allein durch psychische Reaktionen beeinträchtigt werden (vgl. BGH NStZ 1997, 123, 124), so dass das Hervorrufen von Angst nicht als Taterfolg im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB ausreicht. Bedrohungs- oder Einschüchterungshandlungen dürfen sich hinsichtlich der Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens nicht nur auf das seelische Gleichgewicht auswirken, sondern sie müssen auch die körperliche Verfassung des Opfers betreffen (vgl. BGH NStZ 1986, 166). Ob dies hier der Fall war, bleibt nach den getroffenen Feststellungen zumindest unklar. Zudem muss der Körperverletzungserfolg vom Vorsatz des Täters umfasst sein. Dazu verhalten sich die Urteilsfeststellungen nicht. Eine Erläuterung der rechtlichen Bewertung fehlt.
9
Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung, die für sich genommen rechtsfehlerfrei festgestellt und beurteilt wurde, kann danach ebenfalls keinen Bestand haben.
10
3. Mit der Aufhebung des Schuldspruchs und des Ausspruchs über die Einzelstrafen in den Fällen B.I.4, B.I.10 und B.I.15 mitsamt der Einsatzstrafe entfällt zugleich die Gesamtstrafe.
Becker Fischer Appl Krehl Eschelbach
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
Der Versuch einer Körperverletzung mit Todesfolge
in Form eines "erfolgsqualifizierten Versuchs" ist
möglich.
BGH, Urt. v. 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02
LG Cottbus –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 9. Oktober 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt S ,
Staatsanwältin K
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H
als Verteidiger für den Angeklagten B ,
Rechtsanwalt Kl
als Verteidiger für den Angeklagten D ,
Rechtsanwalt Hi
als Verteidiger für den Angeklagten T ,
Rechtsanwalt N
als Verteidiger für den Angeklagten Ka ,
Rechtsanwalt W
als Verteidiger für den Angeklagten Ha ,
Rechtsanwalt Kn
als Verteidiger für den Angeklagten Sc ,
Rechtsanwalt M
als Verteidiger für den Angeklagten P ,
Rechtsanwalt Na
als Verteidiger für den Angeklagten He ,
Rechtsanwalt Bl ,
Rechtsanwältin G ,
Rechtsanwältin C ,
Rechtsanwältin Gi
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Nebenklägers M G wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 13. November 2000 dahin geändert, daß die Angeklagten B , D , T und Ka im Fall B. VII. der Urteilsgründe wegen der gegen F G begangenen Tat statt einer fahrlässigen Tötung der tateinheitlich begangenen versuchten Körperverletzung mit Todesfolge schuldig sind.
2. Auf die Revisionen des Nebenklägers Kab wird das vorbezeichnete Urteil dahin geändert, daß die genannten Angeklagten und der Angeklagte Ha im Fall B. VII. der Urteilsgründe auch der tateinheitlich begangenen versuchten gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil dieses Nebenklägers schuldig sind.
3. Auf die Revisionen der Angeklagten Sc und He wird das vorbezeichnete Urteil dahin geändert, daß diese Angeklagten im Fall B. VII. der Urteilsgründe wegen der gegen F G begangenen Tat statt einer fahrlässigen Tötung der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit unter anderem mit versuchter gefährlicher Körperverletzung (Tat zum Nachteil des Nebenklägers Kab ) schuldig sind.
4. Die Schuldsprüche lauten hiernach wie folgt: Der Angeklagte B ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperver- letzung, mit Nötigung, mit Volksverhetzung und mit Beleidigung sowie der Sachbeschädigung in zwei Fällen.
Der Angeklagte D ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung.
Der Angeklagte T ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie einer weiteren gefährlichen Körperverletzung.
Der Angeklagte Ka ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung.
Der Angeklagte Ha ist schuldig der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Bedrohung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie einer weiteren gefährlichen Kör- perverletzung sowie des Diebstahls sowie des versuchten Diebstahls.
Der Angeklagte Sc ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung , sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie des Diebstahls.
Der Angeklagte P ist schuldig der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung.
Der Angeklagte He ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung , mit Nötigung, mit Volksverhetzung und mit Beleidigung sowie der Sachbeschädigung in zwei Fällen sowie der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis.
5. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
6. Es wird davon abgesehen, den Angeklagten die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen (§ 74 JGG). Die Nebenkläger M G und Kab tragen die Kosten ihrer Revisionen; jedoch wird die Gebühr um ein Drittel ermäßigt.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und mit fahrlässiger Tötung – letzteres gilt nicht für die Angeklagten Ha und P – sowie wegen anderer Delikte zu Jugendstrafen verurteilt (B : zwei Jahre; D : ein Jahr zwei Monate; T : zwei Jahre acht Monate; Ka : ein Jahr; Ha : zwei Jahre; Sc : ein Jahr sechs Monate; He : ein Jahr sechs Monate). Die Vollstreckung der Jugendstrafen hat es, mit Ausnahme der gegen die Angeklagten B und T verhängten Strafen, zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten P hat das Landgericht verwarnt und ihm Auflagen sowie Weisungen erteilt. Gegen dieses Urteil haben die Angeklagten – mit Ausnahme des Angeklagten Ha – und die Nebenkläger M G (als Bruder des Getöteten F G ) sowie Kab (als Geschädigter) Revision eingelegt. Die Revisionen der Angeklagten und die Revisionen der Nebenkläger – beschränkt auf die Entscheidung über die zu ihren Lasten bzw. zu Lasten ihrer Angehörigen von den damals Heranwachsenden begangenen Taten – führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Umstellung der Schuldsprüche, im übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.

A.


Dem angefochtenen Urteil liegen – neben den Feststellungen zu anderen Taten – insbesondere folgende Feststellungen betreffend das Tatgeschehen in der Nacht zum 13. Februar 1999 zugrunde (siehe B. VII. der Urteilsgründe , UA S. 54 ff.):
In dieser Nacht besuchten der Angeklagte He , der rechtskräftig Verurteilte Ba und der Zeuge Pe die Diskothek „Dance-Club“ in Guben. Alsbald gerieten sie dort in einen Streit mit mehreren vietnamesischen Besuchern, der in eine tätliche Auseinandersetzung vor der Diskothek mündete. In deren Verlauf, es war etwa 2.30 Uhr, griff der Zeuge J N , ein kubanischer Staatsangehöriger mit dunkler Hautfarbe, zu einem flachen metallischen Gegenstand, der auch eine Machete gewesen sein kann. Als er damit auf die deutschen Jugendlichen zurannte, flüchteten diese. Er lief hinter dem Zeugen Pe her, erreichte diesen und schlug ihm mit dem Gegenstand auf den Rücken. Bei der weiteren Flucht zog sich der Zeuge Pe eine Prellung des Kniegelenks und eine oberflächliche Rißwunde zu. Im Laufe der nächsten beiden Stunden trafen der Angeklagte He und der rechtskräftig Verurteilte Ba in der Nähe der Diskothek auf die weiteren Angeklagten B , Ha , Ka , R , Sc und T sowie den gesondert Verfolgten Ku und berichteten ihnen, daß sie von Ausländern bedroht und von Vietnamesen mißhandelt worden seien. „In erregter Stimmung gegenüber dem Ausländer ‚J ‘, gegenüber Vietnamesen und gegenüber Ausländern im allgemeinen“ entschlossen sich die Angeklagten, den Kubaner auf eigene Faust zu suchen und zu ergreifen. Allen war bewußt, daß sie dabei Gewalt anwenden und die Person auch möglicherweise verletzen würden; auch die später hinzukommenden Angeklagten D und P erklärten sich damit einverstanden.
Alsbald nachdem diese nunmehr aus elf Personen bestehende Gruppe mit den, von den Angeklagten R , T und Ka geführten Fahrzeugen losgefahren waren, sahen die Angeklagten B und He in der Nähe der Diskothek die Zeugin Ga . Da sie annahmen, daß diese „mit Ausländern Bekanntschaften pflege“, sprangen beide aus den Wagen und liefen auf die Zeugin zu. Sie riefen dabei sinngemäß: „Wir haben dir was mitgebracht – Hass, Hass, Hass – Ausländer raus!“ und schütteten ihr dann Bier über den Kopf. Nach Rückkehr in die Fahrzeuge setzten die Angeklagten die Suche nach dem Kubaner fort. Dabei schrieen die Angeklagten B und
He weiterhin ausländerfeindliche Parolen; die Stimmung wurde durch das lautstarke Abspielen von Musikkassetten mit fremdenfeindlichen Texten weiter geschürt.
In dieser Situation – es war etwa 4.40 Uhr – bemerkten die Angeklagten drei Ausländer: die Zeugen (und Nebenkläger) Be und Kab , sowie den später verstorbenen F G , die nach dem Besuch des „DanceClubs“ auf dem Heimweg waren. Die Fahrer bremsten auf Höhe der Ausländer die Autos scharf ab. Die Angeklagten B und He sowie weitere Angeklagte stürmten laut schreiend aus den Fahrzeugen auf die Ausländer zu. Diese ergriffen beim Anblick der zum Teil mit sogenannten Bomberjacken und Springerstiefeln bekleideten Angeklagten angstvoll die Flucht zurück in Richtung Diskothek. Mittels der PKW, in die diese Angeklagten wieder eingestiegen waren, setzten sie die Verfolgung fort. Nach ca. 50 bis 100 m überholten sie die Flüchtlinge und bremsten die Wagen direkt vor ihnen ab, um den Weg zur Diskothek zu verstellen. Die Ausländer sahen, daß wiederum mehrere Angeklagte aus den Fahrzeugen sprangen – darin verblieben neben den Fahrern nur die Angeklagten Ha und P sowie der rechtskräftig Verurteilte Ba – und auf sie zuliefen. Aus Angst und in Panik liefen sie nunmehr in unterschiedliche Richtungen davon. Die Verfolger teilten sich entsprechend auf: Während Kab und F G durch die Angeklagten B und He verfolgt wurden, liefen der rechtskräftig verurteilte Ku sowie die Angeklagten Sc und D hinter Be her; als Ku diesen eingeholt hatte, versetzte er ihm mehrere Tritte, so daß das Opfer während des Laufs wiederholt zu Fall kam und schließlich gegen ein geparktes Auto stürzte, wobei er sich eine blutende Kopfwunde zuzog; ein in Richtung des Opfers geworfener Pflasterstein verfehlte dieses. Erst jetzt erkannte Ku an der Hautfarbe des am Boden Liegenden, daß es nicht der gesuchte Kubaner war. Er und die beiden anderen Angeklagten ließen vom Opfer ab und kehrten zu den Fahrzeugen zurück. Die Angeklagten B und He hatten hingegen die weitere Verfolgung der beiden anderen Flüchtenden nach „einigen Metern“ abgebrochen, weil sie sie aus den
Augen verloren hatten oder ihnen deren Vorsprung mittlerweile zu groß erschien. Ihre Suche nach den beiden weiteren gaben die Angeklagten jedoch nicht auf.
Indessen wähnten Kab und F G die Verfolger noch hinter sich. Sie liefen zu einem etwa 200 m von dem letzten Haltepunkt der PKW entfernten Mehrfamilienhaus. Da F G die Haustür nicht öffnen konnte, trat er in Todesangst die untere Glasscheibe der Tür ein. Dabei oder beim anschließenden Durchsteigen verletzte er sich an den im Türrahmen verbliebenen Glasresten; er zog sich eine 8,5 cm tiefe Wunde am rechten Bein und die Verletzung einer Schlagader zu. Binnen kurzer Zeit verblutete das Opfer.

B.


Die Revisionen der Nebenkläger Kab und M G führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Umstellung des Schuldspruchs bei den Angeklagten , die die Taten vom 13. Februar 1999 (Tatkomplex B. VII.) als Heranwachsende begangen haben (vgl. § 80 Abs. 3 JGG). Im übrigen bleiben diese Rechtsmittel ohne Erfolg.
I. Die Verfahrensrügen der Nebenkläger sind zum Teil unzulässig, weil sie nicht in der Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausgeführt worden sind, im übrigen unbegründet. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
1. Die von der Revision des Nebenklägers Kab erhobene Aufklärungsrüge ist unzulässig. Die Revision rügt, daß die Jugendkammer versäumt habe, den Psychiater Dr. H als Sachverständigen zu physischen und psychischen Folgen, die die Geschädigten Kab und Be infolge der zu ihrem Nachteil begangenen Taten erlitten hätten, zu vernehmen. Diese Beweiserhebung hätte sich nach dem Akteninhalt, insbesondere den von diesem Sachverständigen erstellten und zur Sachakte genommenen schriftli-
chen Gutachten aufgedrängt. Indes versäumt die Revision, eben diese Gutachten mitzuteilen. Zudem verschweigt die Revision, daß Dr. H in der Hauptverhandlung als sachverständiger Zeuge vernommen worden ist (Protokollband IV, Bl. 812).
2. Entgegen der Ansicht des Nebenklägers M G liegt ein absoluter Revisionsgrund im Sinne des § 338 Nr. 6 StPO nicht vor.
Die Revision teilt nicht mit, daß die Öffentlichkeit für die Beweisaufnahme über die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten bereits durch den Beschluß vom 6. Juli 2000 ausgeschlossen worden war (Protokollband IV, Bl. 881, 888). Dieser Beschluß umfaßte damit auch die Einlassung des Angeklagten Ku vom 17. Juli 2000 zu dessen persönlichen Verhältnissen. Es kann hiernach offenbleiben, ob nicht bereits § 80 Abs. 3 JGG zum Ausschluß der Rüge führen müßte, da der gerügte Öffentlichkeitsausschluß im unmittelbaren Zusammenhang mit der Vernehmung eines zur Tatzeit jugendlichen Angeklagten stand.
Der weitere Vortrag der Revision, der Angeklagte Ha habe am 17. Juli 2000 zur Sache in nichtöffentlicher Sitzung ausgesagt, ist nicht bewiesen , findet insbesondere im Protokoll der Hauptverhandlung keine Stütze. Es trifft zwar zu, daß die Öffentlichkeit zuvor allein für die Beweisaufnahme über die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten ausgeschlossen worden war. Indes hat der Angeklagte Ha an diesem Tag nach erfolgtem Ausschluß keine Angaben zur Sache gemacht. In der Sitzungsniederschrift heißt es insoweit (Protokollband IV, Bl. 905): „Der AK Ha äußerte sich zu den persönlichen Verhältnissen (Anlage 8 zum Protokoll)“. Zwar enthält die Anlage 8, auf die hier hingewiesen wird (Protokollband IV, Bl. 918 ff.), in einem eigenen Abschnitt auch Ausführungen zur Sache. Doch ist die darin enthaltene Sacheinlassung ersichtlich schon früher abgegeben worden. Denn unmittelbar vor Öffentlichkeitsausschluß – auch dies teilt die Revision nicht mit – hat sich der Angeklagte ausweislich des Protokolls bereits zur Sache ge-
äußert. Der spätere Hinweis im Protokoll auf die Anlage 8 bezieht sich mithin allein auf die dort enthaltenen Angaben zur Person.
Die weitergehende Rüge der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes – betreffend die Vernehmung des Zeugen Z – hat ebenfalls keinen Erfolg, da schon das Beweisthema, zu dem der Zeuge gehört worden ist, nicht mitgeteilt wird. Hiernach kann nicht beurteilt werden, ob die Frage an den Zeugen, was er unter „rechtsextrem“ verstehe, und die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Verfahrensvorgänge (vgl. dazu BGHR StPO § 338 Nr. 6 Ausschluß 2 m. w. N.) der Aufklärung der persönlichen Verhältnisse der Angeklagten dienten. Dienten sie diesem Zweck, wäre der Ausschluß der Öffentlichkeit auf Grundlage des oben genannten Beschlusses vom 6. Juli 2000 gerechtfertigt gewesen.
3. Der Nebenkläger M G rügt ferner, daß die Jugendkammer dem Zeugen Pe – bei der Beantwortung der Frage, ob er oder andere, die in der Tatnacht in seiner Wohnung gewesen seien, dem „nationalen Widerstand“ angehörten – zu Unrecht ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zugebilligt habe (§ 244 Abs. 2, § 245 StPO). Die Rüge ist unbegründet. Eine unzutreffende Beurteilung der Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 StPO in tatsächlicher Hinsicht ist im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht anfechtbar (vgl. BGHSt 10, 104, 105; BGHR StPO § 55 Abs. 1 Auskunftsverweigerung 10, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen; Lemke in HK-StPO, 3. Aufl. § 55 Rdn. 10). Rechtsfehler, die zu einer unzutreffenden Anwendung des § 55 Abs. 1 StPO geführt haben könnten, sind nicht ersichtlich. Auf die Frage, ob das Urteil auf dem behaupteten Verfahrensverstoß überhaupt beruhen könnte, kommt es daher nicht mehr an.
4. Jedenfalls unbegründet ist auch die Rüge, das Fragerecht der Nebenklage sei dadurch in unzulässiger Weise verkürzt worden, daß das Gericht Fragen an den als sachverständigen Zeugen vernommenen Dr. H (s. o. B. I. 1.) – über Befundtatsachen zu psychischen Folgen der Taten hin-
aus – zu etwaigen Schlußfolgerungen nicht zugelassen habe. Eine Verletzung der §§ 240, 241, 397 Abs. 1 Satz 3 StPO ist damit nicht dargetan.
Die Annahme der Revision, Dr. H hätte vorliegend zwingend als Sachverständiger vernommen werden müssen, mit der Folge, daß er auch zu etwaigen Schlußfolgerungen hätte befragt werden dürfen, geht fehl. Im Rahmen der ihm obliegenden Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO und gegebenenfalls nach Maßgabe der § 244 Abs. 3 bis 5, § 245 StPO bestimmt grundsätzlich allein der Tatrichter den Umfang der Beweisaufnahme. Sofern die genannten Vorschriften nicht zu einer weiteren Beweisaufnahme zwingen , steht es im Ermessen des Gerichts zu bestimmen, mit Hilfe welcher Beweismittel Beweis erhoben werden soll. Dabei hindert ein – wie hier – früher erteilter Sachverständigenauftrag das Gericht nicht, einen Sachverständigen später ausschließlich als Zeugen, somit auch nur zu von ihm wahrgenommenen Tatsachen zu vernehmen (vgl. dazu BGH GA 1976, 78, 79). Dies hat der Bundesgerichtshof für den erfolgreich als befangen abgelehnten Sachverständigen wiederholt entschieden (BGHSt 20, 222, 224; BGH NStZ 2002, 44; StV 2002, 4, 5). Fragen, die – wie vorliegend – reine Werturteile und Schlußfolgerungen betrafen, waren somit nicht zulässig und durften als „ungeeignet“ zurückgewiesen werden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 241 Rdn. 15; Vor § 48 Rdn. 2, 3).
5. Auch die sich inhaltlich anschließende Aufklärungsrüge des Nebenklägers M G (Revisionsbegründung S. 151 f.) ist unbegründet. Denn originäre Beweismittel zur Feststellung etwaiger Tatfolgen waren die beiden als Zeugen gehörten Nebenkläger. Zudem ist der Psychiater Dr. H zu den bei den Explorationen von ihm wahrgenommenen Tatsachen ergänzend als sachverständiger Zeuge vernommen worden, so daß etwaige nach Vernehmung der Geschädigten verbliebene Aufklärungsdefizite jedenfalls beseitigt werden konnten. Konkrete Angaben zu dem verstorbenen Geschädigten hätte er ohnehin nicht machen können. Soweit die Revision darauf hinweist, daß mit Hilfe eines Sachverständigen als Folgen der Tat
„posttraumatische Belastungsstörungen im Sinne des ICD-10 F 43.1“ (vgl. Dilling/Mombour/Schmidt, Internationale Klassifikation psychischer Störungen , 4. Aufl.) hätten festgestellt werden können, war dies jedenfalls bei dem Geschädigten F G auszuschließen, da dieser innerhalb kürzester Zeit an den Folgen der Verletzungen verstorben war.
6. Keinen Erfolg haben auch die weiteren Rügen, mit denen der Nebenkläger M G die Verletzung seines Frage- und Beweisantragsrechts rügt.

a) In der Hauptverhandlung fragte eine der Nebenklägervertreterinnen den Sachverständigen Dr. Sch , ob ihm anläßlich der Begutachtung des Angeklagten He – zur Tatzeit noch Jugendlicher – eine freundschaftliche Beziehung zu dem Angeklagten B – zur Tatzeit Heranwachsender – mitgeteilt worden sei. Der Vorsitzende und das nach Beanstandung seiner Anordnung angerufene Gericht wiesen die Frage zurück, da die Nebenklage bezüglich des Angeklagten He nicht zugelassen und eine Befragung des Gutachters daher nicht möglich sei. Die Rüge der Verletzung des Fragerechts dringt nicht durch (§ 240 Abs. 2, § 241, § 397 Abs. 1 Satz 2 StPO).
Bei der (früher getroffenen) Entscheidung über die nur partielle Zulassung der Nebenkläger hat sich die Jugendkammer ersichtlich an den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen orientiert. Hiernach ist in verbundenen Verfahren vor den Jugendgerichten die Nebenklage zulässig, soweit sie sich nicht gegen den Jugendlichen richtet. Dies hat der Bundesgerichtshof für nach § 103 Abs. 1 JGG verbundene Verfahren ausdrücklich entschieden (BGHSt 41, 288; BGH NStZ 1997, 97; zur Gegenansicht vgl. Eisenberg , JGG 9. Aufl. § 80 Rdn. 13, 13a). Da nach § 109 JGG die Regelung des § 80 Abs. 3 JGG auf Heranwachsende keine Anwendung findet, gilt der genannte Grundsatz auch für verbundene Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende (Brunner/Dölling, JGG 11. Aufl. § 109 Rdn. 6; Kleinknecht /Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. Vor § 395 Rdn. 6; Senge in KK 4. Aufl.
§ 395 Rdn. 18; jeweils m. w. N.). Indes hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich betont, daß das Nebeneinander von Jugendlichen einerseits und Erwachsenen andererseits im gleichen Verfahren nicht zu einer Beeinträchtigung der – das Jugendstrafrecht beherrschenden – erzieherischen Belange führen darf (BGHSt aaO S. 292). Daraus folgt, daß in Fällen gegenläufiger Interessen zwischen Nebenklage und Jugendlichen – etwa bei Ausübung des Frage- und Beweisantragsrechts zur Aufklärung des Vorwurfs gemeinsamer Tatbegehung von Jugendlichen und Heranwachsenden/Erwachsenen – im Zweifel der Position des Jugendlichen Vorrang einzuräumen ist (vgl. Ostendorf, JGG 5. Aufl. § 80 Rdn. 1a; Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Vor § 395 Rdn. 14 f.).
Die Entscheidung des Tatgerichts, die Frage der Nebenklage zurückzuweisen , läßt hiernach keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen. Zwar war die Frage der Nebenklage nicht unmittelbar an einen zur Tatzeit noch jugendlichen Angeklagten, sondern an den Sachverständigen gerichtet, doch diente sie ersichtlich (jedenfalls auch) dem Zweck, Informationen über die persönlichen Verhältnisse des bei Begehung der Tat jugendlichen Angeklagten He zu gewinnen. Sie war somit potentiell geeignet, dem mit § 80 Abs. 3 JGG verfolgten Zweck zuwiderzulaufen.

b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, die Jugendkammer habe zu Unrecht die Vernehmung des Leiters der Polizeiwache Guben zum Inhalt von Ermittlungsverfahren abgelehnt, die gegen einzelne Angeklagte wegen weiterer Vorwürfe geführt worden seien (§ 244 Abs. 3 StPO). Allerdings trifft die Auffassung des Landgerichts nicht zu, die Unschuldsvermutung stehe der Einführung etwaiger Nachtaten im Strengbeweisverfahren grundsätzlich entgegen (vgl. BGHSt 34, 209; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. Art. 6 MRK Rdn. 156; Pfeiffer, StPO 4. Aufl. § 261 Rdn. 7). Gleichwohl hat die Rüge keinen Erfolg, da die tatsächliche Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptungen auf der Hand liegt (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 12, 14). Soweit im Beweisantrag behauptet wird, daß sich
der Angeklagte He fünf Stunden nach der Schändung eines für den Verstorbenen aufgestellten Gedenksteines mit weiteren Personen in einem Auto befunden habe, auf dem ein Hakenkreuz geschmiert gewesen sei, läßt dies keinen Rückschluß darauf zu, daß er an dem genannten Geschehen teilgenommen hat; gleiches gilt für die Behauptung, daß die Polizei nach einer weiteren Schändung des Gedenksteines „einen der hier Angeklagten“ – eine nähere Individualisierung erfolgt im Antrag nicht – festgenommen habe.

c) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht die Vernehmung des Zeugen Dr. Hä mit der Begründung abgelehnt, das im Beweisantrag näher bezeichnete Beweisthema sei bereits erwiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO); die Urteilsgründe stehen zu diesem Beweisergebnis nicht in Widerspruch (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 erwiesene Tatsache 1). Ein Fehler liegt auch nicht darin, daß sich die Strafkammer mit dem Ergebnis im Urteil nicht auseinandersetzt. Eine Erörterung von für „erwiesen“ erklärten Tatsachen ist in den Urteilsgründen nicht zwingend erforderlich, zumal da die Beweiserhebung auch über nicht erhebliche Tatsachen mit dieser Begründung abgelehnt werden kann (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 244 Rdn. 57).
7. Der Revisionsführer rügt weiter einen Verstoß gegen das Gebot der „erschöpfenden Beweiswürdigung“ aus § 261 StPO (vgl. Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 49 f.), da einzelne in der Hauptverhandlung erzielte Beweisergebnisse im Urteil nicht erörtert worden seien (vgl. Revisionsbegründung F G S. 36 – 132).
Diese Rügen sind bereits unzulässig. Denn die Revision kann grundsätzlich nicht mit der Behauptung gehört werden, das Tatgericht habe sich mit einer bestimmten Aussage einer Beweisperson nicht auseinandergesetzt, wenn sich diese Aussage nicht aus dem Urteil selbst ergibt. Denn die Ergebnisse der Beweisaufnahme festzustellen und zu würdigen, ist allein Sache des Tatrichters; der dafür bestimmte Ort ist das Urteil. Was in ihm über das Ergebnis der Verhandlung zur Schuld- und Straffrage festgehalten ist, bindet
das Revisionsgericht. Eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme ist ihm grundsätzlich verwehrt (BGHSt 38, 14, 15; 43, 212, 213).
Dies gilt letztlich auch für die gemäß § 254 StPO in die Hauptverhandlung eingeführten Vernehmungsniederschriften. Zwar ist der Inhalt von in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden im Revisionsverfahren regelmäßig rekonstruierbar (vgl. BGHSt 43, 212, 214). Doch legt die Revision entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht dar, daß die verlesenen Protokolle zum Zeitpunkt der Urteilsberatung noch beweiserheblich waren. Der Tatrichter muß aber nur die zum Zeitpunkt der Urteilsfällung wesentlichen beweiserheblichen Umstände in den Urteilsgründen erörtern. Ob der Inhalt einer Aussage zu diesem Zeitpunkt beweiserheblich war, läßt sich nur aus dem Inbegriff der gesamten Hauptverhandlung aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Beweiswert der Beweismittel beurteilen. Ein Widerspruch zwischen den Bekundungen verschiedener Beweispersonen kann sich durch eine einfache Erklärung einer dieser Personen oder durch sonstige Beweismittel für alle Verfahrensbeteiligten zweifelsfrei gelöst haben, so daß kein Anlaß für seine Darlegung in den Urteilsgründen mehr bestand (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Beweiswürdigung 5, 6; Schäfer StV 1995, 147, 156 f.).
8. Ohne Erfolg bleibt auch die Aufklärungsrüge, mit der geltend gemacht wird, das Tatgericht hätte die Zeugen Ky und No angesichts ihrer bisherigen Angaben und der weiteren Ergebnisse der Beweisaufnahme nochmals hören müssen. Die Revision legt nicht dar, welcher Aufklärungsgewinn durch die wiederholte Vernehmung zu erzielen gewesen wäre. Auch die weiteren Aufklärungsrügen sind unzulässig, da sie das jeweilige Ergebnis , das von den begehrten Beweiserhebungen zu erwarten gewesen wäre, nicht mit der erforderlichen inhaltlichen Bestimmtheit behaupten (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1, 4, 6, 9; Sarstedt/Hamm, Revision im Strafverfahren 6. Aufl. Rdn. 554 f.).
II. Die sachlichrechtlichen Einwendungen der Nebenkläger haben dagegen zum Teil Erfolg.
Die Angeklagten haben sich durch die zum Nachteil der Geschädigten begangenen Taten nicht nur wegen gefährlicher Körperverletzung (Vorgehen gegen Be ) in Tateinheit mit Nötigung, sondern tateinheitlich dazu auch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4, §§ 22, 23 StGB (Vorgehen gegen Kab ) und – ausgenommen die Angeklagten Ha und P – in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung mit Todesfolge gemäß §§ 227, 22, 23 StGB (Vorgehen gegen F G ) schuldig gemacht. Im übrigen ist das sachlichrechtliche Vorbringen der Nebenkläger unbegründet.
1. Das Landgericht hat die Begehung versuchter Körperverletzungen zum Nachteil von F G und Kab verneint, da die Angeklagten zu diesen weiteren Delikten noch nicht „unmittelbar angesetzt“ hätten (§ 22 StGB). Das ist rechtsfehlerhaft.
Für ein unmittelbares Ansetzen ist nicht erforderlich, daß der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, daß er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und unmittelbar in die tatbestandliche Handlung einmünden. Das Versuchsstadium erstreckt sich deshalb auch auf Handlungen, die in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los" überschreitet, es eines weiteren „Willensimpulses“ nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt , so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht (vgl. BGHSt 28, 162, 163; 26, 201, 202 ff.; BGH NStZ 2000, 422; 1999, 395, 396).
Es kann dabei offenbleiben, ob die Angeklagten etwa bereits mit dem ersten Bremsmanöver und dem folgenden Hinausspringen aus den Fahrzeugen unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt haben. Spätestens mit dem zweiten Halt, der Verfolgung der Flüchtenden zu Fuß und dem weiteren , dem Verhalten der Flüchtenden angepaßten arbeitsteiligen Vorgehen haben die Angeklagten die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten; eines weiteren „Willensimpulses“ oder „Willensrucks“ zur Umsetzung ihrer Pläne bedurfte es hiernach nicht mehr, was auch durch die unmittelbar folgende Mißhandlung des Geschädigten Be belegt wird.
2. Der für die Vollendung eines Körperverletzungsdeliktes nach §§ 223 ff. StGB erforderliche Verletzungserfolg ist – entgegen der Ansicht der Nebenkläger – bei den Geschädigten Kab und F G nicht eingetreten. Im Hinblick auf die Schnitt- und Stichverletzungen des F G haben die Angeklagten jedenfalls nicht vorsätzlich gehandelt.
Zwar weisen die Nebenkläger zu Recht darauf hin, daß die Verfolgung bei den Opfern Angst- und Panikgefühle ausgelöst hätten. Jedoch genügen solche rein psychische Empfindungen nicht, um eine Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB zu begründen. Dafür spricht neben dem Wortlaut dieser Vorschrift auch § 225 Abs. 3 Nr. 2 StGB, der zwischen der Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen und der seelischen Entwicklung ausdrücklich unterscheidet. Vielmehr liegt in diesen Fällen eine Körperverletzung nur dann vor, wenn die psychischen Einwirkungen den Geschädigten in einen pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand versetzt haben (vgl. nur BGHR StGB § 223 Abs. 1 Gesundheitsbeschädigung 2, insoweit in BGHSt 41, 285 nicht abgedruckt; BGH NStZ 1997, 123; 1986, 166; NStZRR 2000, 106). Ungeachtet der Frage, ob auch „posttraumatische Belastungsstörungen“ (sub I. 5.) einen „pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand“ begründen können, hat das Landgericht solche Störungen weder ausdrücklich festgestellt, noch sind sie dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen.
Die Stich- und Schnittverletzungen, die sich F G bei der Flucht zugezogen hat und die innerhalb kürzester Zeit zu seinem Tod geführt haben, sind von den Angeklagten nicht vorsätzlich herbeigeführt worden. Angesichts der gesamten Tatumstände liegt insoweit eine wesentliche Abweichung zwischen vorgestelltem und tatsächlich eingetretenem Kausalverlauf vor (vgl. BGHSt 38, 32, 34; 37, 106, 131; 7, 325, 329).
3. Die genannten Angeklagten haben sich darüber hinaus auch wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht. § 227 StGB setzt unter anderem voraus, daß der Tod der verletzten Person „durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226)“ verursacht worden ist, wobei dem Täter hinsichtlich dieser Tatfolge Fahrlässigkeit zur Last fallen muß (§ 18 StGB).

a) Dabei reicht es nicht aus, daß zwischen der Körperverletzungshandlung und dem Todeserfolg überhaupt ein ursächlicher Zusammenhang besteht, die Körperverletzung also nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß damit zugleich der Tod des Verletzten entfiele. § 227 StGB soll allein der mit der Körperverletzung verbundenen Gefahr des Eintritts der qualifizierenden Todesfolge entgegenwirken. Die genannte Vorschrift erfaßt deshalb nur solche Körperverletzungen, denen die spezifische Gefahr anhaftet, zum Tode des Opfers zu führen; gerade diese Gefahr muß sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen haben (BGHSt 31, 96, 98; BGHR StGB § 227 [i.d.F. 6. StrRG] Todesfolge 1; BGH NStZ 1992, 335; NJW 1971, 152, 153).
Eine solche deliktsspezifische Gefahr kann auch schon von der bloßen Körperverletzungshandlung ausgehen (BGHSt 14, 110, 112; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 227 Rdn. 4 ff.; aA Hirsch in LK 11. Aufl. § 227 Rdn. 4 ff.; Küpper in FS H. J. Hirsch [1999] S. 615 ff.; jeweils m. w. N.). Der Wortlaut der Bestimmung steht einer solchen Auslegung nicht entgegen (BGHSt 14, 110, 112; Tröndle GA 1962, 225, 238). Auch der Gesetzgeber ist dieser Rechtsprechung nicht entgegengetreten. Vielmehr hat er § 227 Abs. 1 StGB durch den Zusatz „(§§ 223 bis 226)“ ergänzt (vgl. BGBl 1998 I 164),
ohne – was im Sinne der sogenannten Letalitätstheorie (vgl. Hirsch und Küpper aaO; Roxin Strafrecht AT Bd. 1, 3. Aufl. § 10 Rdn. 115; jeweils m. w. N.) dann aber angezeigt gewesen wäre – die in §§ 223, 224, 225 StGB enthaltenen versuchten Körperverletzungsdelikte (jeweils Abs. 2) vom Anwendungsbereich des § 227 StGB auszunehmen (vgl. Rengier, Strafrecht BT II 4. Aufl. § 16 Rdn. 4; aA Kühl in 50 Jahre Bundesgerichtshof Festgabe Bd. IV S. 237, 255). Verwirklicht sich die von der Körperverletzungshandlung ausgehende Gefahr und führt dies zum Tod des Opfers, kann die Anwendbarkeit des § 227 StGB ferner nicht davon abhängen, ob darüber hinaus ein vorsätzlich herbeigeführter Körperverletzungserfolg eingetreten ist, da dieser für den Unrechtsgehalt der Tat allenfalls von untergeordneter Bedeutung sein kann (aA zur Rechtslage vor der Versuchspönalisierung in § 223 Abs. 2 StGB [BGBl 1998 I 164]: BGH NJW 1971, 152 ohne Begründung und nicht tragend ). Mithin ist der Versuch einer Körperverletzung mit Todesfolge auch in Form eines „erfolgsqualifizierten Versuchs“ möglich. Es gilt insoweit nichts anderes als bei sonstigen erfolgsqualifizierten Delikten wie beim Raub mit Todesfolge nach § 251 oder bei der Brandstiftung mit Todesfolge nach § 306c StGB (vgl. BGHSt 7, 37; BGHSt 46, 24; BGHR StGB § 251 Todesfolge 3; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 18 Rdn. 4; Stree in Schönke /Schröder, StGB 26. Aufl. § 227 Rdn. 5 m. w. N.; differenzierend Ferschl, Problem des unmittelbaren Zusammenhangs beim erfolgsqualifizierten Delikt 1999 S. 128 ff.).

b) Eine solche im Rahmen der Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB spezifische Gefahr ging von den Handlungen der genannten Angeklagten aus und führte zum Tod des F G. Der erforderliche Zurechnungszusammenhang wurde auch nicht durch das eigene Verhalten des Opfers unterbrochen. Denn dessen Reaktion war eine naheliegende und nachvollziehbare Reaktion auf den massiven Angriff der Angeklagten. Ein solches durch eine Flucht „Hals über Kopf“ geprägtes Opferverhalten ist vielmehr bei den durch Gewalt und Drohung geprägten Straftaten geradezu
deliktstypisch und entspringt dem elementaren Selbsterhaltungstrieb des Menschen (vgl. Wessels/Hettinger, Strafrecht BT Teil 1, 25. Aufl. Rdn. 301).
Zwar hat der Bundesgerichtshof in Einzelfällen eine Zurechnung in Folge selbstgefährdenden Verhaltens des Opfers ausgeschlossen (vgl. etwa NJW 1971, 152; siehe aber auch BGHR StGB § 226 Todesfolge 5, 8 und BGH, Urt. vom 28. Juni 1960 – 1 StR 203/60); doch steht dies hier – angesichts des außergewöhnlich massiven Vorgehens der Angreifer und der weiteren Besonderheiten – dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Schon angesichts der Anzahl der Fahrzeuge, des Gebarens der Fahrzeugführer, vor allem aber in Anbetracht der Anzahl und des aggressiven Auftretens der aus den Wagen überfallartig auf sie losstürmenden Angeklagten mußten alle Geschädigten damit rechnen, binnen kürzester Zeit heftig attackiert und mißhandelt zu werden. Dies veranlaßte (auch) F G in „Todesangst zur panischen Flucht in den Hauseingang“ (vgl. UA S. 170). Daß seine Verfolger zwischenzeitlich zu den Fahrzeugen zurückgekehrt waren, ohne indes die Suche endgültig aufgegeben zu haben, ist ohne Belang, da F G dies nicht bemerkt hatte. Um nicht dort noch von den Angeklagten ergriffen zu werden und um von den Bewohnern Beistand zu erlangen, sah er keine andere Möglichkeit, als die Glastür einzutreten und in das Treppenhaus einzusteigen, wobei er sich die tödlichen Verletzungen zuzog.

c) Der Tod des F G ist im Rahmen des § 227 StGB allen Angeklagten als Mittätern zuzurechnen (§ 25 Abs. 2 StGB). Anders als bei Fahrlässigkeitsdelikten, bedarf es bei der Körperverletzung mit Todesfolge nicht des Nachweises, daß ein jeder von mehreren Beteiligten einen für den Erfolg kausalen Beitrag erbracht hat. Es macht sich nach § 227 StGB nämlich auch derjenige strafbar, der die Verletzung nicht mit eigener Hand ausführt , jedoch aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beiträgt. Voraussetzung ist allerdings, daß – wie vorliegend festgestellt – die Handlung der anderen im
Rahmen des allseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses lag (vgl. BGHR StGB § 226 Kausalität 2, 3).

d) Zudem muß ein jeder hinsichtlich des Erfolges wenigstens fahrlässig gehandelt haben, insbesondere muß der Todeserfolg für jeden vorhersehbar gewesen sein. Hierfür reicht es aus, daß der Erfolg nicht außerhalb aller Lebenserfahrung liegt; alle konkreten Einzelheiten brauchen dabei nicht voraussehbar zu sein. Es genügt die Vorhersehbarkeit des Erfolgs im allgemeinen (Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 227 Rdn. 3; § 222 Rdn. 25, 26). Dies hat das Landgericht – im Rahmen des einen gleichgelagerten Prüfungsmaßstab aufweisenden § 222 StGB – hinsichtlich der aktiv an der Verfolgung beteiligten Angeklagten rechtsfehlerfrei bejaht, im Hinblick auf die in den Fahrzeugen passiv verbliebenen Angeklagten Ha und P dagegen verneint. Gegen diese Differenzierung ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern. Soweit das Landgericht dieses Ergebnis u.a. mit den individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten gerade dieser beiden Angeklagten und zudem, den Angeklagten P betreffend, mit dessen erheblicher alkoholischer Beeinträchtigung begründet (UA S. 169), läßt auch das keinen Rechtsfehler erkennen.
4. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen. Die hiervon betroffenen Angeklagten hätten sich gegen die Annahme einer versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung nicht anders verteidigen können.
5. Auf die Strafaussprüche bleibt dies ohne Einfluß. Der Senat schließt aus, daß ein neuerlich zur Entscheidung berufener Tatrichter auf Grundlage der aus dem Tenor ersichtlichen Schuldsprüche gegen die Heranwachsenden andere Rechtsfolgen aussprechen würde. Die Körperverletzung mit Todesfolge weist zwar gegenüber den jeweiligen Grunddelikten einen gesteigerten Unrechtsgehalt auf. Auf der anderen Seite ist jedoch zu beachten, daß seit Erlaß des tatrichterlichen Urteils beinahe zwei Jahre verstrichen
sind. Schon angesichts des außergewöhnlichen Umfangs des Verfahrens und der erforderlichen Zeit, das tatrichterliche Urteil abzusetzen, stellt dies zwar keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung dar (vgl. nur BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 11). Doch müßte allein schon der Zeitablauf bei erneuter Strafzumessung jedenfalls strafmildernd berücksichtigt werden. Hinzu kommt, daß gerade im Anwendungsbereich des Jugendstrafrechts einer zügigen strafrechtlichen Reaktion auf Straftaten ein besonderer Stellenwert zukommt (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 8; Brunner/Dölling, JGG 11. Aufl. Einf. II Rdn. 25; Eisenberg, JGG 9. Aufl. § 18 Rdn. 15e; Ostendorf, JGG 5. Aufl. § 43 Rdn. 6, 8a).

C.


Die Revisionen der Angeklagten bleiben ohne Erfolg.
I. Sämtliche von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen sind, soweit sie zulässig sind, unbegründet. Der Erörterung bedürfen nur folgende Rügen:
1. Die vom Angeklagten T erhobene Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 1 StPO) ist unbegründet. Entgegen der Ansicht der Revision war das Präsidium des Landgerichts zu einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes während des laufenden Jahres befugt, weil die Voraussetzungen des § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG vorlagen. Da der Beisitzer der 3. Strafkammer, Richter Kr , aus dem Richterdienst ausschied, lag ein „Wechsel“ im Sinne dieser Bestimmung vor (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 21e GVG Rdn. 15). Auch die zum 1. Juni 1999 und damit vor Beginn der Hauptverhandlung erfolgte Abordnung der Richterin am Landgericht Has an das Oberlandesgericht Brandenburg für eine Dauer von neun Monaten stellt einen Grund dar, der das Präsidium zur Änderung des Geschäftsverteilungsplanes im laufenden Jahr berechtigte. Eine Abordnung eines Richters führt grundsätzlich zu einer „Verhinderung“ im Sinne des
§ 21e Abs. 3 Satz 1 GVG, die jedenfalls dann auch „dauernd“ und nicht nur vorübergehend ist, wenn sie – wie hier – einen Zeitraum von drei Monaten überschreitet (so auch Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht 3. Aufl. § 21e Rdn. 9 und Pfeiffer, StPO 4. Aufl. § 21e GVG Rdn. 4 unter Hinweis auf § 21c Abs. 2 GVG; vgl. auch Kissel, GVG 3. Aufl. § 21e Rdn. 114).
2. Die von mehreren Angeklagten unter dem Gesichtspunkt etwaiger richterlicher Befangenheit (§§ 24, 338 Nr. 3 StPO) erhobenen Rügen haben ebensowenig Erfolg:

a) Die Rügen, mit denen behauptet wird, der Vorsitzende habe die Verteilung einzelner Flugblätter („Antifaschistisches Info-Blatt“) in der Nähe des Sitzungssaals während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung gebilligt , genügen schon nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Revision des Angeklagten D teilt den Beschluß vom 7. September 1999 nicht vollständig mit (vgl. Protokollband I, Bl. 154 ff.); die Revision des Angeklagten Ka läßt die Wiedergabe der auf das Ablehnungsgesuch ergangenen dienstlichen Stellungnahmen vermissen. Vor allem aber ist in keiner Weise ersichtlich, daß die Verteilung von Flugblättern mit Wissen des Vorsitzenden erfolgte. Dieser hat vielmehr angebeben, daß er von diesem Vorgang nichts gewußt habe. Alles was die Revisionen hiergegen vorbringen, erschöpft sich in haltlosen Vermutungen und Spekulationen.

b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, der Vorsitzende und ein Beisitzer des erkennenden Gerichts seien befangen gewesen, da sie eine Urkundsbeamtin „angewiesen“ hätten, nachträglich das Protokoll einer richterlichen Vernehmung des Angeklagten Ka zu unterschreiben, um dieses dann in der Hauptverhandlung verlesen zu können. Die Rüge ist unzulässig, da verschwiegen wird, daß die Staatsanwaltschaft zum Ablehnungsgesuch eine Stellungnahme abgegeben hat (vgl. Befangenheitsband II, Bl. 253 f.). Ungeachtet dessen sind aber auch auf Grundlage des mitgeteilten Sachverhalts keine Umstände vorgetragen, die Mißtrauen in die Unparteilichkeit der bei-
den Richter rechtfertigen könnten (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 24 Rdn. 8 m. w. N.). Schon aufgrund der dem Gericht obliegenden Amtsaufklärungspflicht war der Vorsitzende gehalten, die fehlende Unterschrift unter dem Vernehmungsprotokoll nachholen zu lassen. Soweit er diesen Vorgang in der Hauptverhandlung mit den Worten wiedergegeben hat, das Protokoll sei „auf mein Betreiben hin“ unterschrieben worden, läßt sich dieser Äußerung – entgegen der Ansicht der Revision – nicht entnehmen, daß die Urkundsbeamtin zur Unterschriftsleistung in unzulässiger Weise gedrängt worden sei, zumal da das Protokoll mit dem Zusatz übersandt wurde, daß die Urkundsbeamtin es unterschreiben solle, „sofern ihr das noch möglich ist“.
3. Die Rüge, die Hauptverhandlung habe am 29. Juni 2000 zwischen 10.50 und 11.10 Uhr in Abwesenheit der Verteidiger des Angeklagten Ka stattgefunden (§ 338 Nr. 5 StPO), ist unzulässig. Entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO hat der Revisionsführer die den Mangel enthaltenen Tatsachen nicht vollständig mitgeteilt. Zwar trägt er vor, daß Rechtsanwalt N in dieser Zeitspanne nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hat und daß auch der weitere Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Now , die Verhandlung bereits um 10.10 Uhr verlassen habe. Doch verschweigt die Revision, daß letztgenannter Verteidiger nicht erst um 12.00 Uhr, sondern schon früher, möglicherweise schon vor 10.50 Uhr, in den Sitzungssaal zurückgekehrt ist. Denn im Protokoll der Hauptverhandlung heißt es (Protokollband IV, Bl. 861 R): „Die HV wurde ... um 11.25 Uhr unterbrochen und um 12:00 Uhr mit denselben Verfahrensbeteiligten wie vor der Unterbrechung fortgesetzt (außer Rechtsanwalt Now )“. Der Hinweis „außer Rechtsanwalt Now “ läßt eindeutig darauf schließen, daß dieser Verteidiger schon vor der Unterbrechung wieder an der Hauptverhandlung teilgenommen hatte.
4. Die Revision des Angeklagten T rügt, daß „ausweislich“ der Sitzungsniederschrift vom 8. Juni 1999 der Angeklagte und sein Verteidiger
durch Beschluß „gemäß § 231c StPO beurlaubt“ worden seien, gleichwohl sei der im Sitzungssaal verbliebene Angeklagte aber später, nachdem sich sein Verteidiger entfernt habe, zu Fall 2 der Anklage vom 23. Februar 1999 vernommen worden (§ 338 Nr. 5 StPO). Der Rüge muß der Erfolg versagt bleiben.
Es ist schon zweifelhaft, ob der Revisionsführer einen Verfahrensmangel , wie für § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlich, überhaupt bestimmt behauptet oder insoweit nur eine von vornherein unzulässige „Protokollrüge“ erhebt (vgl. BGHSt 7, 162; Dahs/Dahs, Revision im Strafprozeß 6. Aufl. Rdn. 471 m. w. N.). Ungeachtet dessen teilt die Revision aber auch die im Zusammenhang mit der Vernehmung in der Hauptverhandlung verlesene Urkunde inhaltlich nicht mit, obgleich diese für die Auslegung des in der Sitzungsniederschrift verwandten Begriffs der „Angeklagten“ von Bedeutung hätte sein können.
Zudem wird der bezeichnete Verfahrensverstoß durch die Sitzungsniederschrift nicht bewiesen. Zwar enthält das Protokoll die Angabe, daß (nach Beurlaubung u.a. des Revisionsführers, seines Verteidigers und Entfernung desselben) „die Angeklagten“ „bezüglich Fall 2 ... zur Sache“ ausgesagt hätten (Protokollband I, Bl. 20). Doch ergibt sich aus dem Zusammenhang eindeutig, daß der zu diesem Zeitpunkt in der Hauptverhandlung noch anwesende und der Begehung dieser Tat – ein im September 1998 begangener Diebstahl – gar nicht beschuldigte Revisionsführer damit nicht gemeint war, sondern allein die Angeklagten Ha und Sc . Dies erschließt sich ohne weiteres schon aus dem vorhergehenden Inhalt der Sitzungsniederschrift : Da an diesem Verhandlungstag allein Beweis zu den Fällen 1 und 2 der genannten Anklageschrift erhoben werden sollte, deren Begehung aber allein den beiden genannten Angeklagten vorgeworfen worden ist, hat die Jugendkammer allen weiteren Angeklagten und deren Verteidigern gestattet, sich von der Verhandlung zu entfernen. Folgerichtig enthält das Protokoll die weitere Feststellung, daß (allein) die Angeklagten Ha und Sc
über ihr Recht, sich zu den Beschuldigungen zu äußern, belehrt worden sind (§ 243 Abs. 4 StPO) und eben (nur) diese – namentlich ausdrücklich bezeichnet; anders aber der Revisionsführer, der einen Belehrungsmangel im übrigen auch gar nicht rügt – daraufhin erklärten, aussagen zu wollen, und dies dann auch taten. Sofern unmittelbar danach im Protokoll festgehalten ist, daß sich „die Angeklagten“ zu Fall 2 der Anklage eingelassen haben, sind auch damit nur die Angeklagten Ha und Sc , nicht aber der Beschwerdeführer gemeint.
5. Die Revision des Angeklagten Ka rügt ferner die Verletzung von § 338 Nr. 6 StPO und stützt sich hierbei auf die Verlesung eines an einen der Nebenkläger gerichteten Briefes des Angeklagten R in nichtöffentlicher Hauptverhandlung. Die Rüge genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Revision verschweigt, daß die Jugendkammer schon mit Beschluß vom 6. Juli 2000 (s. o.) „die Öffentlichkeit für die Beweisaufnahme über die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten ausgeschlossen“ hat (vgl. § 48 Abs. 3 JGG).
6. Die Revision des Angeklagten T macht weiter geltend, das Gericht habe die Nebenkläger entgegen § 80 Abs. 3 JGG zum Verfahren zugelassen.
Die Verfahrensrüge ist schon unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil der Beschluß des Gerichts vom 17. Mai 1999, mit der die Nebenkläger zum Verfahren zugelassen worden sind, nicht mitgeteilt wird. Im übrigen entsprach die Entscheidung, die Nebenklage nur im Hinblick auf die zur Tatzeit schon volljährigen Angeklagten zuzulassen, der Gesetzeslage (sub B. I. 6. a; vgl. zur Frage des Beruhens des Urteils nach fehlerhafter Entscheidung über die Zulassung der Nebenklage: BGH NStZ 1997, 97; Senge in KK 4. Aufl. § 396 Rdn. 13, 14 m. w. N.).
7. Schließlich macht der Angeklagte D geltend, daß das Urteil entgegen § 261 StPO eine Auseinandersetzung mit den in der Hauptverhandlung verlesenen Protokollen der richterlichen Vernehmungen der damaligen Beschuldigten T und Ka vermissen lasse.
Die Rüge kann schon deswegen keinen Erfolg haben, weil entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht mitgeteilt wird, daß die genannten Aussagen der Angeklagten aus dem Ermittlungsverfahren zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung noch beweiserheblich waren, und dem Revisionsgericht eine Rekonstruktion der Hauptverhandlung versagt ist (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Beweiswürdigung 6; s. o.). Die Rüge wäre im übrigen auch unbegründet. Die Angaben des Angeklagten T gegenüber dem Ermittlungsrichter deuten lediglich darauf hin, daß nach seiner Erinnerung der Angeklagte D nicht in seinem Wagen mitgefahren sei. Zu der insoweit allein bedeutsamen Frage, wer die Geschädigten zu Fuß verfolgt hat, konnte der Angeklagte aber keine eindeutigen Angaben machen; danach ist insbesondere nicht auszuschließen, daß auch der Angeklagte D einer der Verfolger der Opfer war. Gleiches gilt auch für die Angaben des Angeklagten Ka . Aber selbst wenn der Angeklagte D einer seiner Mitfahrer gewesen sein sollte, schließt dies nicht aus, daß dieser den PKW verlassen und die Geschädigten mit verfolgt hat, da der Angeklagte Ka es immerhin für möglich hielt, daß nach dem gemeinsamen Bremsmanöver aller drei Wagen, auch die Tür seines Fahrzeugs kurzzeitig geöffnet war. Einen Widerspruch vermag die Revision nach alledem nicht aufzuzeigen. Eine Erörterung dieser Umstände im Urteil war auch aus diesem Grund nicht erforderlich.
II. Die umfassende sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
Das Vorbringen einzelner Angeklagter zur Beweiswürdigung hat keinen Erfolg. Die Angriffe der Revision hiergegen erschöpfen sich in dem un-
zulässigen Versuch, eine eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen (vgl. BGHSt 41, 376, 380 m. w. N.). Entsprechendes gilt für die Bemessung der Straftatfolgen. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGHSt 34, 345, 349; 15, 224, 225 f. m. w. N.). Fehler der genannten Art liegen hier nicht vor.
Zum Vorgehen der Angeklagten T , Ka , Ha und Sc vom 28. November 1998 zum Nachteil des Zeugen Pl (B. VI. der Urteilsgründe, UA S. 50 ff.) ist folgendes anzumerken: Die Jugendkammer hat das Geschehen zutreffend als erpresserischen Menschenraub in Tateinheit mit räuberischer Erpressung bewertet. Es kann offenbleiben, ob das Verbringen des Opfers zum Kirchplatz gegen dessen ausdrücklich geäußerten Willen nicht bereits als „Entführen“ gemäß § 239a Abs. 1 StGB zu würdigen gewesen wäre. Jedenfalls erfüllten – angesichts der weiteren festgestellten Umstände – die sich über mehrere Minuten hinziehende Fahrt und das sich daran anschließende weitere Vorgehen der Angeklagten das Tatbestandsmerkmal „Sichbemächtigen“ im Sinne des § 239a Abs. 1 StGB. Die hierfür erforderliche „gewisse Stabilisierung“ der Zwangslage (vgl. BGHSt 40, 350, 359) war dadurch schon eingetreten. Die relativ geringe Dauer und Intensität des Vorgehens gegen das Opfer hat die Jugendkammer ausdrücklich berücksichtigt und das Vorgehen der Angeklagten als minder schweren Fall eingeordnet.
Der Senat ändert auch die Schuldsprüche der zur Zeit der Tat vom 13. Februar 1999 noch nicht volljährigen Angeklagten Sc , He und P in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang. Denn auch diese Angeklagten haben sich jeweils (auch) wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und die Angeklagten Sc und He in Tateinheit dazu wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht. Zwar waren die von den Nebenklägern eingelegten Rechtsmittel von vornherein auf die anderen (zur Tatzeit heranwachsenden) Angeklagten beschränkt. Doch ist es hier – schon aus Gründen der Gleichstellung aller Tatbeteiligten – geboten, von der Möglichkeit (vgl. BGHSt 14, 5, 7) Gebrauch zu machen, die Schuldsprüche gegen die genannten Angeklagten allein auf deren Revision schärfend zu ändern.
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(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 105/13
vom
23. April 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren räuberischen Diebstahls u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. April 2013 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 4. Dezember 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben:
a) im Schuldspruch wegen der Tat zu II. 3. der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen mit den zugehörigen Feststellungen wegen der Taten II. 2. und 4. der Urteilsgründe ,
c) im Gesamtstrafenausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls, wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung, wegen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, mit Beleidigung und mit Sachbeschädigung sowie wegen Beleidigung in sieben tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklag- te mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Rüge. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2
1. Die Verurteilung wegen der Tat zu II. 3. der Urteilsgründe kann keinen Bestand haben.
3
Nach den Feststellungen gab der Angeklagte unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen gegen Ausländer gerichtete beleidigende Äußerungen ab. Anschließend schlug er auf den Geschädigten A. ein und versuchte , diesen mit einem Messer in den Hals zu stechen, was ihm wegen einer Ausweichbewegung des Geschädigten nicht gelang. Als der Geschädigte sich entfernte, trat der Angeklagte gegen dessen Fahrrad, wodurch dieses Beschädigungen davontrug. Als der Geschädigte sich wieder näherte, versetzte ihm der Angeklagte einen weiteren Schlag in das Gesicht.
4
Ausgehend hiervon kann die Verurteilung wegen Beleidigung keinen Bestand haben. Es erschließt sich nicht, in welcher Handlung das Landgericht die den Tatbestand erfüllende Handlung des Angeklagten sieht. Soweit die beleidigenden Äußerungen gegen Ausländer erfasst sein sollten, fehlte es an dem gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen Strafantrag eines Verletzten und mithin an einer Verfahrensvoraussetzung. Sollte hingegen der Geschädigte A. als Verletzter der Beleidigung anzusehen sein, wäre auch hierdurch der Tatbestand eines Beleidigungsdelikts nicht hinreichend belegt. Zwar hat dieser Geschädigte rechtzeitig Strafantrag wegen Beleidigung gestellt, jedoch lässt sich den Feststellungen keine ehrverletzende Äußerung zu seinen Lasten entnehmen. Der Senat kann auch nicht ausreichend sicher erkennen, dass das Landgericht in den körperverletzenden Handlungen zugleich eine konkludente Beleidigung gesehen hat, da es einen ehrverletzenden Charakter des Angriffs (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 5. März 2009 - 4 StR 594/08, NStZ-RR 2009, 172) nicht festgestellt hat.
5
Der aufgezeigte Mangel zwingt zur Aufhebung der für sich genommen rechtlich nicht zu beanstandenden tateinheitlichen Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung. Dem Senat erscheint aber möglich, dass noch entsprechende Feststellungen getroffen werden können, die den Schuldspruch auch wegen Beleidigung zu Lasten des Geschädigten A. tragen. Der Aufhebung der bisherigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedurfte es nicht.
6
2. Die Strafaussprüche wegen der Taten zu II. 2. und 4. der Urteilsgründe können ebenfalls keinen Bestand haben.
7
Das Landgericht hat in diesen Fällen nicht auszuschließen vermocht, dass der Angeklagte aufgrund „fast immer vorhandener deutlicher Alkoholisierung“ in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen sei. An- ders als bei der Tat zu II. 1., bei der das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes nach § 21 StGB mit bestimmendem Gewicht zur Annahme eines minder schweren Falls nach § 250 Abs. 3 StGB geführt hat, hat es für die Taten zu II. 2. und 3. nicht ersichtlich erwogen, ob dies zur Annahme eines minder schweren Falles nach § 224 Abs. 1 Alt. 2 StGB führen könnte. Eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB hat es für diese beiden Taten genauso abgelehnt wie für die Tat zu II. 4., da angesichts der zahlreichen Gewaltdelikte des Angeklagten dieser um seine Bereitschaft, sehr schnell gewalttätig zu werden, gewusst habe.
8
Diese Strafrahmenbestimmung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
9
Zwar können Umstände, die die Schuld erhöhen, zur Versagung der Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen, wenn sie die infolge der Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit verminderte Tatschuld aufwiegen. Dies kann - wovon die Strafkammer zutreffend ausgeht - bei einer alkoholbedingten Verminderung der Schuldfähigkeit der Fall sein, wenn der Täter wusste, dass er unter Alkoholeinfluss zu strafbaren Verhaltensweisen neigt, aber trotzdem Alkohol trinkt. Die Strafkammer hat aber nicht erkennbar bedacht , dass das nur gilt, wenn die verminderte Schuldfähigkeit auf einer selbst zu verantwortenden, verschuldeten Trunkenheit beruht, die dem Täter uneingeschränkt vorwerfbar ist. Ein die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigender Alkoholrausch ist aber dann nicht verschuldet, wenn der Täter alkoholkrank oder alkoholüberempfindlich ist. Eine Alkoholerkrankung, bei der schon die Alkoholaufnahme nicht als ein die Schuld erhöhender Umstand zu werten ist, liegt regelmäßig vor, wenn der Täter den Alkohol aufgrund eines unwiderstehlichen oder ihn weitgehend beherrschenden Hanges trinkt, der seine Fähigkeit, der Versuchung zum übermäßigen Alkoholkonsum zu widerstehen, einschränkt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2012 - 3 StR 216/12).
10
Die Ausführungen des Landgerichts lassen es als nahe liegend erscheinen , dass der Angeklagte im dargestellten Sinne alkoholkrank war. Denn die Strafkammer stellt dem Sachverständigen folgend fest, dass beim Angeklagten eine schwere Abhängigkeit von Alkohol und Opiaten vorliegt, welche im Laufe der Jahre zu schweren Persönlichkeitsveränderungen geführt hat. Seit seinem 15. Lebensjahr konsumiert der heute 46 Jahre alte Angeklagte Alkohol in erheblichen Mengen, später auch härtere Drogen. Mehrere Entziehungstherapien blieben erfolglos. Der Angeklagte ist auf Dauer arbeitsunfähig. Straftaten unter Alkohol sind seit 1983 immer wieder dokumentiert. Vor diesem Hintergrund hätte sich die Strafkammer mit der Frage einer krankhaften Alkoholsucht näher auseinandersetzen müssen (vgl. BGH aaO; Urteil vom 12. Juni 2008 - 3 StR 84/08, NStZ 2009, 258; Beschluss vom 3. Februar 2011 - 4 StR 673/10).
11
Der Schuldspruch wird von dem Rechtsfehler nicht berührt. Der Senat kann vielmehr ausschließen, dass der Angeklagte bei der Tatbegehung schuldunfähig war.
12
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs für die Tat zu II. 3. und der Einzelstrafen für die Taten zu II. 2. und 4. zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
Wahl Rothfuß Graf Cirener Zeng

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt

1.
die räumliche Nähe dieser Person aufsucht,
2.
unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht,
3.
unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person
a)
Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder
b)
Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen,
4.
diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person bedroht,
5.
zulasten dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person eine Tat nach § 202a, § 202b oder § 202c begeht,
6.
eine Abbildung dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht,
7.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder
8.
eine mit den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Handlung vornimmt.

(2) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 7 wird die Nachstellung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
durch die Tat eine Gesundheitsschädigung des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person verursacht,
2.
das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt,
3.
dem Opfer durch eine Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nachstellt,
4.
bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 ein Computerprogramm einsetzt, dessen Zweck das digitale Ausspähen anderer Personen ist,
5.
eine durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangte Abbildung bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 6 verwendet,
6.
einen durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangten Inhalt (§ 11 Absatz 3) bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 7 verwendet oder
7.
über einundzwanzig Jahre ist und das Opfer unter sechzehn Jahre ist.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 244/09
vom
19. November 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
1. Beharrliches Handeln im Sinne des § 238 setzt wiederholtes Tätigwerden
voraus. Darüber hinaus ist erforderlich, dass der Täter aus Missachtung
des entgegenstehenden Willens oder aus Gleichgültigkeit gegenüber den
Wünschen des Opfers in der Absicht handelt, sich auch in Zukunft entsprechend
zu verhalten. Eine in jedem Einzelfall Gültigkeit beanspruchende
, zur Begründung der Beharrlichkeit erforderliche
(Mindest-) Anzahl von Angriffen des Täters kann nicht festgelegt werden.
2. Die Lebensgestaltung des Opfers wird schwerwiegend beeinträchtigt,
wenn es zu einem Verhalten veranlasst wird, das es ohne Zutun des Täters
nicht gezeigt hätte und das zu gravierenden, ernst zu nehmenden
Folgen führt, die über durchschnittliche, regelmäßig hinzunehmende Beeinträchtigungen
der Lebensgestaltung erheblich und objektivierbar hinausgehen.
3. § 238 StGB ist kein Dauerdelikt. Einzelne Handlungen des Täters, die
erst in ihrer Gesamtheit zu der erforderlichen Beeinträchtigung des Opfers
führen, werden jedoch zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit
zusammengefasst, wenn sie einen ausreichenden räumlichen und zeitlichen
Zusammenhang aufweisen und von einem fortbestehenden einheitlichen
Willen des Täters getragen sind.
BGH, Beschluss vom 19. November 2009 - 3 StR 244/09 - LG Lüneburg
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 19. November
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Lüneburg vom 16. Februar 2009 im Schuldspruch dahin
geändert, dass der Angeklagte des schweren Raubes in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung, der gefährlichen Körperverletzung
, der Nötigung, des Raubes in Tateinheit mit räuberischer
Erpressung und sexueller Nötigung, des Widerstands
gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung in
zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung,
der Sachbeschädigung in vier rechtlich zusammentreffenden
Fällen sowie der Nachstellung in Tateinheit mit Bedrohung in
fünf und Beleidigung in zwei jeweils rechtlich zusammentreffenden
Fällen schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen gefährlicher Körperverletzung, wegen Nötigung, wegen Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung , räuberischer Erpressung und sexueller Nötigung, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, wegen Sachbeschädigung in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen und wegen Nachstellung in Tateinheit mit Bedrohung in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
3
I. Im Fall II. 1. der Urteilsgründe ist der Angeklagte nur des Raubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und sexueller Nötigung schuldig. Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener vorsätzlicher Körperverletzung muss entfallen, weil insoweit Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist. Die Verjährungsfrist für Straftaten nach § 223 Abs. 1 StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die Tat wurde am 29. September 2002 begangen. Die Verjährung wurde unterbrochen durch die erste Vernehmung des Angeklagten am 31. März 2003 (§ 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB). Die nächste, zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Handlung war die Erhebung der öffentlichen Klage (§ 78 c Abs. 1 Nr. 6 StGB) am 18. November 2008. Zu diesem Zeitpunkt war die Verjährungsfrist aber bereits abgelaufen. Dass der Vorwurf der vorsätzli- chen Körperverletzung mit weiteren Delikten in Tateinheit steht, ist ohne Bedeutung ; denn die Verjährung bestimmt sich bei tateinheitlichem Zusammentreffen für jede Gesetzesverletzung gesondert (Fischer, StGB 56. Aufl. § 78 a Rdn. 5 m. w. N.).
4
II. Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe in den Fällen II. ., 3., 7., 8. und 9. der Urteilsgründe fünf materiellrechtlich selbstständige, zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit stehende Nachstellungen begangen und sich deshalb wegen Nachstellung in Tateinheit mit Bedrohung in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beleidigung (§ 238 Abs. 1, § 241 Abs. 1, § 185 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB) strafbar gemacht, hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Angeklagte ist vielmehr insoweit auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Nachstellung in Tateinheit mit Bedrohung in fünf und Beleidigung in zwei jeweils rechtlich zusammentreffenden Fällen schuldig.
5
1. Die Strafkammer hat Folgendes festgestellt:
6
Der Angeklagte lernte im April 2006 die Zeugin L. kennen und führte mit dieser bis Ende 2007 eine Beziehung. Nach der Trennung kam es wiederholt zu Auseinandersetzungen, da der Angeklagte die Trennung nicht akzeptieren wollte. Die Zeugin L. erwirkte am 7. Januar 2008 eine einstweilige Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz gegen den Angeklagten; danach wurde diesem untersagt, Kontakt zu der Zeugin aufzunehmen und sich ihr in einem Umkreis von 100 Metern zu nähern. Am 16. Juli 2008 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht über einen Antrag der Zeugin auf Verhängung von Ordnungsmitteln gegen den Angeklagten statt; bei dieser Gelegenheit schlossen der Angeklagte und die Zeugin einen Vergleich, der inhaltlich der einstweiligen Verfügung entsprach. Zuvor belästigte der Angeklagte die Zeugin in Kenntnis der einstweiligen Verfügung und ihres Willens, keinen Kontakt mehr zu ihm zu halten, wobei es zu folgenden einzelnen Vorfällen kam:
7
Am 29. März 2008 klingelte er an der Tür des Mehrfamilienhauses, in dem sich die Wohnung der Zeugin befand. Die Zeugin öffnete das Badezimmerfenster und forderte den Angeklagten auf zu verschwinden. Dieser kündigte jedoch an, bis zum nächsten Morgen zu warten, um zu sehen, wer aus dem Haus komme; außerdem bedrohte er die Zeugin mit dem Tode und beschimpfte sie als "Nutte" und "Hure".
8
Am Mittag des 24. April 2008 rief der Angeklagte die Zeugin mehrfach an und erklärte, er werde sie nicht in Ruhe lassen. Am Nachmittag desselben Tages fing er sie auf dem Rückweg von ihrer Arbeit ab, beobachtete in der Folgezeit ihre Wohnung mit einem Fernglas und drohte der Zeugin telefonisch und durch lautes Rufen, er werde ihr ein Messer in den Hals stecken, sie abstechen und umbringen; außerdem bezeichnete er sie als Schlampe.
9
Am 13. Mai 2008 rief der Angeklagte die Zeugin erneut mehrfach an, klingelte an ihrer Haustür und rief, er wolle wissen, was in der Wohnung vor sich gehe. Nachdem die Zeugin ihn aufgefordert hatte zu gehen, drohte er, er könne die Wohnungstür schneller einschlagen und die Zeugin abstechen, als die Polizei erscheinen werde.
10
Am 20. Mai 2008 rief der Angeklagte die Zeugin an und sagte, er werde an diesem Tage ihre Wohnungstür einschlagen und sie umbringen; wenn er sie auf der Straße sehen sollte, haue er ihr "die Backen blau".
11
Am 3. Juli 2008 gegen 4.00 Uhr morgens erhielt die Zeugin einen Anruf von dem Angeklagten, in dem dieser ihr mitteilte, dass der Gerichtstermin am 16. Juli 2008 kein schöner Tag für sie werde; alle wüssten, dass er sie kaputtschlagen und umbringen werde.
12
Die Zeugin nahm die Drohungen des Angeklagten ernst und hatte Angst um ihr Leben. Aufgrund des Verhaltens des Angeklagten gab sie erhebliche Teile ihrer Freizeitaktivitäten auf. So verließ sie etwa aus Angst vor diesem abends wenn möglich nicht mehr ihre Wohnung und öffnete aus Furcht die Haustür nicht mehr. In der Wohnung schaltete sie abends kein Licht mehr an, um dem Angeklagten vorzutäuschen, nicht zu Hause zu sein. Sie verließ auch tagsüber ihre Wohnung und ihre Arbeitsstätte nur nach besonderen Sicherheitsvorkehrungen und bemühte sich, sich nicht allein auf der Straße aufzuhalten. Aufgrund ihrer Angst und der damit verbundenen Einschränkungen verlor sie erheblich an Gewicht.
13
2. Diese Feststellungen belegen nur eine Nachstellung nach § 238 Abs. 1 StGB. Dieses Delikt verklammert die an sich rechtlich selbstständigen Delikte der Bedrohung und Beleidigung zu einer insgesamt einheitlichen Tat im materiellrechtlichen Sinn. Im Einzelnen:
14
a) § 238 StGB ist durch das 40. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. März 2007 (BGBl I 354) in das Strafgesetzbuch eingefügt worden. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten mit der Norm beharrliche Nachstellungen, die einschneidend in das Leben des Opfers eingreifen und unter dem englischen Begriff "Stalking" diskutiert werden, über die bereits bestehenden und in Betracht kommenden Straftatbestände - wie etwa der Nötigung (§ 240 StGB), Bedrohung (§ 241 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB) oder des Zuwiderhandelns gegen eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz (§ 4 GewSchG) - hinaus mittels eines weiteren Straftatbestandes verfolgt werden können, um auf diese Weise einen besseren Opferschutz zu erreichen und Strafbarkeitslücken zu schließen (BTDrucks. 16/575 S. 1; Buettner ZRP 2008, 124; zur vorherigen Rechtslage vgl. Valerius JuS 2007, 319, 320; s. auch Kinzig ZRP 2006, 255, 256 mit Ausführungen zu Regelungen in den USA, den Niederlanden und Österreich). Der neue Straftatbestand dient damit dem Schutz der eigenen Lebensführung vor gezielten, hartnäckigen und schwerwiegenden Belästigungen der Lebensgestaltung (Mosbacher NStZ 2007, 665).
15
b) Tathandlung des § 238 Abs. 1 StGB ist das unbefugte Nachstellen durch beharrliche unmittelbare und mittelbare Annäherungshandlungen an das Opfer und näher bestimmte Drohungen im Sinne des § 238 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 StGB.
16
aa) Der u. a. in § 292 Abs. 1 Nr. 1, § 329 Abs. 3 Nr. 6 StGB verwendete Begriff des Nachstellens erfasst das Anschleichen, Heranpirschen, Auflauern, Aufsuchen, Verfolgen, Anlocken, Fallen stellen und das Treibenlassen durch Dritte (Kinzig/Zander JA 2007, 481, 483; Valerius aaO S. 321). Im Kontext des § 238 StGB umschreibt der Begriff im Grundsatz damit zwar alle Handlungen, die darauf ausgerichtet sind, durch unmittelbare oder mittelbare Annäherungen an das Opfer in dessen persönlichen Lebensbereich einzugreifen und dadurch seine Handlungs- und Entschließungsfreiheit zu beeinträchtigen (BTDrucks. 16/575 S. 7; Wolters in SK-StGB § 238 Rdn. 7). Jedoch sind in § 238 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 StGB die Handlungsformen abschließend beschrieben, auf die sich die Pönalisierung erstreckt. Während allerdings § 238 Abs. 1 StGB in seinen Nr. 1 bis 4 näher konkretisierte Tatvarianten umschreibt, öffnet § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB das Spektrum möglicher Tathandlungen in kaum überschaubarer Weise, indem er ohne nähere Eingrenzungen jegliches Tätigwerden in die Strafbarkeit einbezieht, das den von § 238 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 StGB erfassten Handlungen "vergleichbar" ist. Ob Letzteres im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Be- stimmtheitsgebot Bedenken begegnen könnte, bedarf hier indes keiner näheren Betrachtung.
17
§ 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB soll physische Annäherungen an das Opfer wie das Auflauern, Verfolgen, Vor-dem-Haus-Stehen und sonstige häufige Präsenz in der Nähe der Wohnung oder Arbeitsstelle des Opfers erfassen. Erforderlich ist ein gezieltes Aufsuchen der räumlichen Nähe zum Opfer (BTDrucks. 16/575 S. 7; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 238 Rdn. 4; Wolters aaO Rdn. 10; Mitsch NJW 2007, 1237, 1238; Valerius aaO S. 321). § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfasst Nachstellungen durch unerwünschte Anrufe, E-Mails, SMS, Briefe, schriftliche Botschaften an der Windschutzscheibe oder Ähnliches und mittelbare Kontaktaufnahmen über Dritte (BTDrucks. 16/575 S. 7; Wolters aaO Rdn. 11; Mitsch aaO S. 1239).
18
Danach erfüllen die Handlungen des Angeklagten die Voraussetzungen des Nachstellens in den Tatvarianten des § 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB. Bei dem Vorfall am 29. März 2008 suchte der Angeklagte die räumliche Nähe der Zeugin auf, indem er an ihrer Wohnung klingelte und mit der Zeugin durch ein geöffnetes Fenster kommunizierte; somit liegen die Voraussetzungen des § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor. Das Vorgehen des Angeklagten am 24. April und 13. Mai 2008 erfüllt jeweils die Voraussetzungen des § 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB, da der Angeklagte sowohl die räumliche Nähe der Zeugin aufsuchte als auch unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln Kontakt zu dieser herstellte. § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfasst trotz seines insoweit missverständlichen Wortlauts neben dem bloßen Versuch auch das erfolgreiche Herstellen einer kommunikativen Verbindung zwischen Täter und Opfer (Fischer aaO § 238 Rdn. 14). Durch die Handlungen des Angeklagten am 20. Mai und 3. Juli 2008 sind schließlich ebenfalls die Voraussetzungen des § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB gegeben.
19
bb) Auch das tatbestandlich vorausgesetzte beharrliche Handeln des Täters ist hier gegeben.
20
Der Begriff "beharrlich" wird auch an anderer Stelle im StGB verwendet (§ 56 f Abs. 1 Nr. 2 und 3, § 67 g Abs. 1 Nr. 2 und 3, § 70 b Abs. 1 Nr. 2 und 3, § 184 e StGB) und dort regelmäßig als wiederholtes Handeln oder andauerndes Verhalten interpretiert, das eine Missachtung des Verbots oder Gleichgültigkeit des Täters erkennen lässt (Fischer aaO § 184 e Rdn. 5; Valerius aaO S. 322; vgl. auch BGHSt 23, 167, 172 f.). In § 238 Abs. 1 StGB dient das Merkmal einerseits dazu, den Tatbestand einzuschränken; andererseits soll es die Deliktstypik des "Stalking" zum Ausdruck bringen und einzelne, für sich genommen vom Gesetzgeber als sozialadäquat angesehene Handlungen (BTDrucks. 16/575 S. 7) von unerwünschtem "Stalking" abgrenzen (Kinzig/Zander aaO S. 484; insoweit kritisch Mitsch aaO S. 1240). Dem Begriff der Beharrlichkeit im Sinne des § 238 StGB wohnen objektive Momente der Zeit sowie subjektive und normative Elemente der Uneinsichtigkeit und Rechtsfeindlichkeit inne (Fischer aaO § 238 Rdn. 19; Wolters aaO Rdn. 15); er ist nicht bereits bei bloßer Wiederholung erfüllt. Vielmehr bezeichnet das Tatbestandsmerkmal eine in der Tatbegehung zum Ausdruck kommende besondere Hartnäckigkeit und eine gesteigerte Gleichgültigkeit des Täters gegenüber dem gesetzlichen Verbot, die zugleich die Gefahr weiterer Begehung indiziert. Eine wiederholte Begehung ist danach zwar immer Voraussetzung, genügt aber für sich allein nicht (Lackner/Kühl aaO Rdn. 3; Gazeas JR 2007, 497, 502). Erforderlich ist vielmehr , dass aus Missachtung des entgegenstehenden Willens oder aus Gleichgültigkeit gegenüber den Wünschen des Opfers mit der Absicht gehandelt wird, sich auch in Zukunft immer wieder entsprechend zu verhalten. Der Beharrlichkeit ist immanent, dass der Täter uneinsichtig auf seinem Standpunkt besteht und zäh an seinem Entschluss festhält, obwohl ihm die entge- genstehenden Interessen des Opfers bekannt sind. Die erforderliche ablehnende Haltung und gesteigerte Gleichgültigkeit gegenüber dem gesetzlichen Verbot manifestieren sich darin, dass der Täter den vom Opfer ausdrücklich oder schlüssig geäußerten entgegenstehenden Willen bewusst übergeht (vgl. Wolters aaO). Die Beharrlichkeit ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung der verschiedenen Handlungen, bei der insbesonder e auch der zeitliche Abstand zwischen den Angriffen und deren innerer Zusammenhang von Bedeutung sind (BTDrucks. 16/575 S. 7; Valerius aaO S. 322; kritisch Mosbacher aaO S. 666; Neubacher/Seher JZ 2007, 1029, 1032).
21
Die danach erforderliche Gesamtwürdigung des Verhaltens des Angeklagten ergibt, dass dieser in dem dargelegten Sinne beharrlich handelte. Das Landgericht hat Vorfälle an insgesamt fünf Tagen festgestellt, wobei es an einzelnen Tagen zu mehreren gesonderten Nachstellungshandlungen des Angeklagten kam. Zwar liegen zwischen einzelnen Übergriffen des Angeklagten teilweise auch größere zeitliche Abstände von bis zu etwa sechs Wochen. Jedoch belästigte der Angeklagte die Zeugin über einen langen Zeitraum von insgesamt mehr als drei Monaten und an manchen Tagen mit besonderer Nachdrücklichkeit. Dabei war ihm jederzeit bewusst, dass die Zeugin, die u. a. eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirkt hatte, keinen Kontakt mehr zu ihm wünschte. Sein Verhalten war gleichwohl von dem fortwährenden, hartnäckigen Bestreben gekennzeichnet, die Zeugin zu drangsalieren. Auch die Intensität der Beeinträchtigungen der Zeugin durch das Vorgehen des Angeklagten ist als erheblich anzusehen; so belästigte der Angeklagte etwa sein Opfer auch während der Nacht und verwirklichte durch die ausgesprochenen massiven Drohungen und Beleidigungen jeweils mindestens einen weiteren Straftatbestand. Unerheblich ist, dass die Handlungen des Angeklagten zwar im Wesentlichen gleichartig abliefen, sich jedoch im Detail unterschieden und verschiedene Alternativen des § 238 Abs. 1 StGB erfüllten. Denn die potentiell bedrohlichen Handlungen sind in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen, ohne dass es erforderlich ist, dass dieselbe Handlung wiederholt vorgenommen wird (Fischer aaO Rdn. 20; Kinzig /Zander aaO S. 484; Valerius aaO S. 322).
22
c) Der Tatbestand ist vom Gesetzgeber als Erfolgsdelikt ausgestaltet worden (vgl. BTDrucks. 16/3641 S. 14; Wolters aaO Rdn. 2; Mosbacher aaO S. 667; Neubacher/Seher aaO S. 1030); die Tathandlung muss zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers führen. Der Begriff der Lebensgestaltung umfasst ganz allgemein die Freiheit der menschlichen Entschlüsse und Handlungen (BTDrucks. 16/575 S. 7; Wolters aaO Rdn. 4). Sie wird beeinträchtigt, wenn das Opfer durch die Handlung des Täters veranlasst wird, ein Verhalten an den Tag zu legen, das es ohne Zutun des Täters nicht gezeigt hätte; stets festzustellen ist demnach eine erzwungene Veränderung der Lebensumstände (BTDrucks. 16/575 S. 8; Wolters aaO Rdn. 5). Dieses weite Tatbestandsmerkmal erfährt nach dem Wortlaut des Gesetzes eine Einschränkung dahin, dass die Beeinträchtigung schwerwiegend sein muss. Erfasst werden damit im konkreten Kontext ins Gewicht fallende, gravierende und ernst zu nehmende Folgen, die über durchschnittliche, regelmäßig hinzunehmende und zumutbare Modifikationen der Lebensgestaltung erheblich und objektivierbar hinausgehen (BTDrucks. 16/3641 S. 14; OLG Hamm NStZ-RR 2009, 175; Wolters aaO Rdn. 3; Mosbacher aaO; kritisch Mitsch aaO S. 1240). Nicht ausreichend sind daher weniger gewichtige Maßnahmen der Eigenvorsorge, wie beispielsweise die Benutzung eines Anrufbeantworters und die Einrichtung einer so genannten Fangschaltung zum Zwecke der Beweissicherung. Weitergehende Schutzvorkehrungen des Opfers, wie etwa das Verlassen der Wohnung nur noch in Begleitung Dritter, ein Wechsel des Arbeitsplatzes oder der Wohnung und das Verdunkeln der Fenster der Woh- nung sind dagegen als schwerwiegend anzusehen (BTDrucks. 16/575 S. 8; OLG Hamm aaO; Lackner/Kühl aaO Rdn. 2; Wolters aaO Rdn. 6). Danach schützt der Tatbestand weder Überängstliche noch besonders Hartgesottene, die sich durch das Nachstellen nicht beeindrucken lassen (vgl. Wolters aaO Rdn. 2; Mitsch aaO; Mosbacher aaO).
23
Nach diesen Maßstäben ist mit Blick auf die festgestellten objektivierbaren Einschränkungen der Lebensführung, welche die Belästigungen des Angeklagten bei der Zeugin hervorriefen, der erforderliche Taterfolg gegeben. Den Feststellungen lässt sich allerdings nicht entnehmen, dass dieser Erfolg bereits durch einzelne Handlungen des Angeklagten verursacht wurde; vielmehr führte erst das Zusammenwirken aller Angriffe zu den Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung der Zeugin.
24
d) Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten des Angeklagten als einheitliche Nachstellung zu bewerten. § 238 Abs. 1 StGB stellt zwar kein Dauerdelikt dar; die verschiedenen Angriffe des Angeklagten, mit denen der zur Vollendung des Delikts erforderliche Erfolg nur einmal herbeigeführt wurde, bilden jedoch eine tatbestandliche Handlungseinheit (im Ergebnis für das Vorliegen nur einer Tat auch Lackner/Kühl aaO Rdn. 12; Wolters aaO Rdn. 24; Mosbacher aaO S. 669; Valerius aaO S. 323).
25
aa) Bereits der Umstand, dass die Tathandlung des § 238 Abs. 1 StGB ein beharrliches Nachstellen voraussetzt, spricht dagegen, die einzelnen Angriffe des Angeklagten als materiellrechtlich selbstständige Taten im Sinne des § 53 StGB zu werten; denn dem Begriff des Nachstellens ist ein gewisses Maß an Dauerhaftigkeit immanent (Fischer aaO Rdn. 9). Mit dem zusätzlichen Erfordernis der Beharrlichkeit wollte der Gesetzgeber den spezifischen Unrechtsgehalt der fortwährend stattfindenden Verfolgung erfassen, deren Strafbarkeit das Regelungsziel des § 238 StGB war (BTDrucks.16/575 S. 6). Wenn damit auch eine Anknüpfung an eine bloße Wiederholung der das Opfer beeinträchtigenden Handlung nicht beabsichtigt war, so vermag doch ein einmaliger Angriff des Täters das Merkmal der Beharrlichkeit von vorneherein nicht zu erfüllen. Objektive Voraussetzung ist vielmehr ein wiederholtes, d. h. mindestens zweifaches Nachstellen im Sinne des § 238 Abs. 1 StGB, das indes gemäß den obigen Darlegungen zusätzlich subjektive und normative Kriterien aufweisen muss. Diese komplexe Struktur des Tatbestandsmerkmals bringt es mit sich, dass eine in jedem Einzelfall Gültigkeit beanspruchende, absolute (Mindest-)Anzahl von notwendigen Angriffen des Täters nicht festgelegt werden kann; denn die Beurteilung der Beharrlichkeit eines Verhaltens kann nur auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Elemente des Tatbestandsmerkmals erfolgen. Diese stehen nicht isoliert nebeneinander; vielmehr bestehen Wechselwirkungen, die jeweils Rückschlüsse auf das Vorliegen der anderen Kriterien erlauben. So hängt etwa die erforderliche Anzahl der notwendigen Angriffe u. a. von dem konkreten Gewicht der sonstigen Elemente ab. Greift der Täter mit seinen Handlungen besonders intensiv in die Rechte des Opfers ein, so mögen grundsätzlich bereits wenige Vorfälle, unter Umständen auch eine einzige Wiederholung , das erforderliche Maß an rechtsfeindlicher Gesinnung und Hartnäckigkeit zu belegen. Die in dem Gesetzentwurf des Bundesrats enthaltene Regelvorgabe von mindestens fünf Handlungen (BTDrucks. 16/1030 S. 7) erweist sich somit als für die Anwendungspraxis wenig hilfreich (für ein notwendiges Minimum von fünf Handlungen auch Kinzig/Zander aaO S. 484; gegen die pauschale Festlegung einer Mindestzahl Gazeas aaO S. 502; vgl. auch Wolters aaO Rdn. 15; Mitsch aaO S. 1240).
26
bb) Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Taterfolg nicht durch eine isolierte einzelne Handlung des Angeklagten sondern durch die insgesamt fünf Angriffe herbeigeführt wurde.
27
(1) Das aus diesem Umstand ersichtlich werdende - geradezu typische - Verhältnis zwischen Tathandlung und Taterfolg im Rahmen des § 238 Abs. 1 StGB belegt zunächst, dass die mehreren Angriffe des Angeklagten nicht deshalb zur Tateinheit im materiellrechtlichen Sinn zusammengefasst werden können , weil sie Teile einer Dauerstraftat sind; denn § 238 Abs. 1 StGB stellt trotz insoweit mehrdeutiger Passagen in den Gesetzesmaterialien kein Dauerdelikt im rechtstechnischen Sinne dar (Gazeas aaO S. 503 f.; ders. KritJ 2006, 247, 261 ff.; Valerius aaO S. 323).
28
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung beschreibt einleitend das "Stalking" als Verhaltensweise, die dadurch gekennzeichnet ist, dass einer anderen Person fortwährend nachgestellt, aufgelauert oder auf andere Weise mit hoher Intensität Kontakt zu ihr gesucht bzw. in ihren individuellen Lebensbereich eingegriffen wird (BTDrucks. 16/575 S. 1). In dem vom Bundestag vorgeschlagenen Gesetzestext sowie der Begründung findet sich jedoch kein weitergehender Hinweis darauf, dass der Tatbestand als Dauerdelikt im rechtstechnischen Sinne ausgestaltet sein sollte. Nach dem Gesetzentwurf des Bundesrats sollte demgegenüber nur ein "fortgesetztes" Handeln des Täters tatbestandsmäßig sein; nach der dortigen Begründung sollte damit der "Typik des 'Stalking' Rechnung getragen und der Charakter der Vorschrift als Dauerdelikt zum Ausdruck gebracht" werden (BTDrucks. 16/1030 S. 7). Die beide Gesetzentwürfe zusammenführende Beschlussempfehlung und der Bericht des Rechtsausschusses , die Grundlage der später verabschiedeten Gesetzesfassung sind, verhalten sich nicht ausdrücklich zu dem Charakter der Vorschrift. Indes wurde der Gesetzentwurf des Bundesrats formal einstimmig abgelehnt und derjenige des Bundestags mit Modifizierungen an anderen Stellen angenommen; das im Entwurf des Bundesrats enthaltene Merkmal eines "fortgesetzten" Handelns des Täters wurde nicht in den endgültigen Gesetzestext aufgenommen. Diese Umstände weisen immerhin darauf hin, dass der Gesetzgeber im Ergebnis den Tatbestand nicht als Dauerdelikt ausgestalten wollte.
29
Gegen die Annahme einer Dauerstraftat sprechen in der Sache der typische Charakter von "Stalking"-Angriffen sowie die Struktur des Tatbestands. Als Dauerdelikt sind nur solche Straftaten anzusehen, bei denen der Täter den von ihm in deliktischer Weise geschaffenen rechtswidrigen Zustand willentlich aufrecht erhält oder die deliktische Tätigkeit ununterbrochen fortsetzt, so dass sich der strafrechtliche Vorwurf sowohl auf die Herbeiführung als auch auf die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands bezieht (BGHSt 42, 215, 216; Fischer aaO Vor § 52 Rdn. 58). "Stalking"-Angriffe zeichnen sich demgegenüber durch zeitlich getrennte, wiederholende Handlungen aus, die nicht zu einem gleichbleibenden und überbrückenden deliktischen Zustand führen (Gazeas JR 2007, 497, 504). Die Beeinträchtigung der persönlichen Lebensgestaltung des Opfers wird durch jede einzelne Handlung des Nachstellens erneuert und intensiviert (Valerius aaO S. 324). § 238 Abs. 1 StGB ist zudem als Erfolgsdelikt ausgestaltet, wobei die insoweit erforderliche schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers in der Regel nicht bereits durch den ersten Angriff des Täters, sondern erst durch sein beharrliches Handeln herbeigeführt wird. Solange der Tatbestand indes noch nicht vollständig verwirklicht worden ist, liegt noch kein in deliktischer Weise geschaffener rechtswidriger Zustand vor, den der Täter im Sinne der Begehung eines Dauerdelikts willentlich aufrechterhalten kann.
30
(2) Die Tatbestandsstruktur des § 238 Abs. 1 StGB weist jedoch Elemente auf, die denen eines Dauerdelikts durchaus ähnlich sind. Die Vorschrift umfasst objektiv nach ihrem Wortlaut und ihrem durch Auslegung zu ermittelnden Sinn typischerweise ein über den Einzelfall hinausreichendes, auf gleichartige Wiederholung gerichtetes Verhalten und soll somit typischerweise ganze Handlungskomplexe treffen (BGHSt 43, 1, 4 zu § 99 StGB). Es liegt deshalb auf der Hand, in Fallgestaltungen wie der vorliegenden von einer sukzessiven Tatbegehung auszugehen (Gazeas KritJ 2006, 247, 262; ders. JR 2007, 504: iterative, d. h. wiederholte Tatbestandsverwirklichung), die eine ununterbrochene deliktische Tätigkeit oder einen in deliktischer Weise geschaffenen Zustand nicht voraussetzt (Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. Vor § 52 Rdn. 24). Die sukzessive Tatbegehung ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass sich der Täter dem tatbestandlichen Erfolg nach und nach nähert; dabei werden diejenigen einzelnen Handlungen des Täters, die erst in ihrer Gesamtheit zu der erforderlichen Beeinträchtigung des Opfers führen, unter rechtlichen Gesichtspunkten im Wege einer tatbestandlichen Handlungseinheit zu einer Tat im materiellen Sinne zusammengefasst, wenn sie einen ausreichenden räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufweisen und von einem fortbestehenden einheitlichen Willen des Täters getragen sind (Rissing-van Saan aaO Rdn. 36). Anders als bei der natürlichen Handlungseinheit ist dabei indes kein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang des strafbaren Verhaltens zu fordern. Vielmehr können zwischen den einzelnen tatbestandsausfüllenden Teilakten erhebliche Zeiträume liegen (BGHSt 43, 1, 3 zu § 99 StGB).
31
cc) Danach liegt hier nur eine Handlung im Rechtssinne vor. Die Angriffe des Angeklagten bewirkten erst in ihrer Gesamtheit den tatbestandlichen Erfolg im Sinne einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers. Sie waren von einer durchgehenden, einheitlichen Motivationslage des Angeklagten bestimmt und wiesen trotz der teilweise mehrwöchigen Unterbrechungen eine genügende räumliche und zeitliche Nähe auf.
32
e) Die Nachstellung nach § 238 Abs. 1 StGB verklammert die von dem Angeklagten ebenfalls verwirklichten Delikte der Bedrohung und Beleidigung, so dass insgesamt Tateinheit gegeben ist (aA Valerius aaO S. 324). Zwischen an sich selbstständigen Delikten kann durch ein weiteres Delikt - auch einer anderen Handlungseinheit (Rissing-van Saan aaO § 52 Rdn. 28) - Tateinheit hergestellt werden, wenn dieses weitere Delikt - bzw. die Handlungseinheit - mit den anderen Straftatbeständen jeweils ideell konkurriert und zumindest mit einem der verbundenen Delikte eine annähernde Wertgleichheit besteht oder die verklammernde Tat die schwerste ist (Fischer aaO Vor § 52 Rdn. 30; Rissing-van Saan aaO Rdn. 30). Dies ist hier der Fall. Die Ausführungshandlungen der an sich getrennt verwirklichten Bedrohungen bzw. Beleidigungen sind zwar nicht miteinander, wohl aber mit den Ausführungshandlungen der Nachstellung (teil )identisch; die zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit verbundenen einzelnen Teilakte der Nachstellung bilden deshalb jeweils mit den daneben verwirklichten Tatbeständen der Bedrohung und Beleidigung eine Tat im materiellrechtlichen Sinn. Die Nachstellung ist nach § 238 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe und damit mit höherer Strafe als die Bedrohung und die Beleidigung bedroht, deren Strafrahmen jeweils von Geldstrafe bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe reicht. Sie stellt daher das schwerste der verwirklichten Delikte dar.
33
III. Der Senat kann in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch sowohl im Fall II. 1. als auch in den Fällen II. 2., 3., 7., 8. und 9. der Urteilsgründe selbst ändern. Für den Tatkomplex der Nachstellung ist auszuschließen, dass ein neues Tatgericht Feststellungen treffen könnte, die eine Verurteilung wegen mehrerer im Verhältnis der Tatmehrheit stehender Taten tragen. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen; denn der Angeklagte hätte sich gegen den lediglich konkurrenzrechtlich geänderten Tatvorwurf nicht anders als geschehen verteidigen können.
34
IV. Für den Strafausspruch folgt hieraus:
35
1. Im Fall II. 1. der Urteilsgründe kann die vom Landgericht verhängte Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten bestehen bleiben. Der Senat vermag mit Blick auf die übrigen verwirklichten Delikte (Raub in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und sexueller Nötigung) auszuschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung der Verfolgungsverjährung eine geringere Einzelstrafe verhängt hätte und der Strafausspruch deshalb auf der rechtsfehlerhaften Verurteilung wegen tateinheitlich begangener vorsätzlicher Körperverletzung beruht. Im Übrigen ist es zulässig, auch verjährte Straftaten bei der Strafzumessung zum Nachteil des Täters zu berücksichtigen, wenn auch mit geringerem Gewicht wie nicht verjährte Delikte (st. Rspr.; s. etwa BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 20).
36
2. Die Umstellung des Schuldspruchs bedingt in den Fällen II. 2., 3., 7., 8. und 9. der Urteilsgründe den Wegfall der dort verhängten Einzelgeldstrafen von jeweils 30 Tagessätzen zu je 10 €. Der Senat setzt insbesondere mit Blick auf einen zügigen Abschluss des Verfahrens gegen den in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten selbst in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO die neu zu bildende Einzelstrafe auf eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 € fest. Hierdurch wird der Angeklagte nicht beschwert; denn es ist auszuschließen, dass das Landgericht für den gesamten Handlungskomplex eine geringere Einzelstrafe verhängt hätte als diejenige, die es für die einzelnen Handlungen des Angeklagten als angemessen erachtet hat.
37
3. Der Wegfall von vier Einzelgeldstrafen von jeweils 30 Tagessätzen zu je 10 € lässt die Gesamtstrafe von vier Jahren und sechs Monaten unberührt. Der Senat schließt im Hinblick auf die Höhe der Einsatzstrafe (Freiheitsstrafe von drei Jahren) und der übrigen Einzelstrafen (Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten, acht Monaten sowie sechs Monaten und mehrere Geldstrafen ) aus, dass die Gesamtfreiheitsstrafe geringer ausgefallen wäre, wenn das Landgericht vier Einzelgeldstrafen in Höhe von jeweils 30 Tagessätzen nicht einbezogen hätte.
Becker RiBGH von Lienen befindet Sost-Scheible sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Schäfer Mayer

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt

1.
die räumliche Nähe dieser Person aufsucht,
2.
unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht,
3.
unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person
a)
Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder
b)
Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen,
4.
diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person bedroht,
5.
zulasten dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person eine Tat nach § 202a, § 202b oder § 202c begeht,
6.
eine Abbildung dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht,
7.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder
8.
eine mit den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Handlung vornimmt.

(2) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 7 wird die Nachstellung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
durch die Tat eine Gesundheitsschädigung des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person verursacht,
2.
das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt,
3.
dem Opfer durch eine Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nachstellt,
4.
bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 ein Computerprogramm einsetzt, dessen Zweck das digitale Ausspähen anderer Personen ist,
5.
eine durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangte Abbildung bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 6 verwendet,
6.
einen durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangten Inhalt (§ 11 Absatz 3) bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 7 verwendet oder
7.
über einundzwanzig Jahre ist und das Opfer unter sechzehn Jahre ist.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 30/03
vom
25. Februar 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. Februar 2003 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 12. September 2002 im Maßregelausspruch mit den Feststellungen, einschließlich derjenigen zur erheblich verminderten Schuldfähigkeit, aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Maßregelausspruch Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 27. Januar 2003.
2. Dagegen hat der Maßregelausspruch keinen Bestand. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kommt nur bei solchen Personen in Betracht, deren Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit durch einen positiv festgestellten länger bestehenden und nicht nur vorübergehenden Zustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB hervorgerufen ist (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 27). Daß bei dem Angeklagten ein solcher Zustand vorliegt, ist nicht rechtsfehlerfrei dargelegt.

a) Das Landgericht hat sich die "überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen V." (UA 14/15) zu eigen gemacht und angenommen , die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei bei der Tat "aufgrund einer Borderline-Persönlichkeitsstörung im Sinne F 60.31 der ICD 10, welche eine andere seelische Abartigkeit i.S.d. § 20 StGB darstellt" (UA 12), im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert gewesen. Zur Begründung ist dazu u.a. ausgeführt:
"Diese Persönlichkeitsstörung ist gekennzeichnet durch die deutliche Tendenz, Impulse ohne Berücksichtigung von Konsequenzen auszuagieren und wechselnder launenhafter Stimmung (...). Beim Angeklagten lag auf jeden Fall die Tendenz , unerwartet und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen zu handeln, vor. Ihm mußte klar sein, daß ihn nach der Tat die Zeugin jederzeit würde identifizieren können. Darüber hinaus liegt bei ihm auch eine Störung und Unsicherheit bzgl. des Selbstbildes und innerer Präferenzen (einschließlich sexueller ) vor. Sein gesamter Tagesablauf war gekennzeichnet durch die depressiv anmutenden und innerlich leeren Strukturen. Er hatte sich von seiner Familie zurückgezogen und ver-
brachte ab dem frühen Abend viel Zeit alleine in seinem Pkw mit dem Trinken von Alkohol. Im Falle der BorderlineStrukturierung ist die Persönlichkeitsstörung auch dadurch gekennzeichnet, daß der Täter ihm unangenehme Einflüsse in seiner Verarbeitung einfach 'ausstanzt'. Dies gilt im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Abweisungen und das Weinen der Zeugin. Der Angeklagte hat dies zwar für sich wahrgenommen , aber nicht wie eine normale Person verarbeitet, sondern in den Hintergrund gedrängt" (UA 12, 13).

b) Der Senat stellt die Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung durch den Sachverständigen nicht in Frage (zur beschränkten Inhaltskontrolle der in der Tatsacheninstanz erstatteten Gutachten durch das Revisionsgericht vgl. BGH NJW 1998, 3654, 3655). Die Diagnose einer BorderlinePersönlichkeitsstörung belegt aber für sich allein den für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB vorausgesetzten Zustand zumindest erheblich verminderter Schuldfähigkeit noch nicht (BGHSt 42, 385, 388 m.krit. Besprechung Kröber und Dannhorn NStZ 1998, 80 ff.; BGH NStZ 2002, 142). Dieser setzt vielmehr regelmäßig voraus, daß der Täter aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (BGHSt aaO; BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 13). Schon dies ist nicht dargetan, zumal das Landgericht die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten gerade darin "dokumentiert" gesehen hat, "daß er durchaus konsequent sein Ziel verfolgte und auch erreicht hat (und) auch situativ in der Lage (war), auf Wünsche und Ängste der Zeugin ... einzugehen und entsprechend zu handeln" (UA 13).
Im übrigen belegen auch die mitgeteilten Persönlichkeitsmerkmale eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht. Die bei dem Angeklagten festgestellten Charakter- und Verhaltensauffälligkeiten liegen bei Straftätern häufig vor und lassen für sich genommen eine generalisierende
Aussage zur Frage der Schuldfähigkeit nicht zu. Die vom Sachverständigen beschriebenen Auffälligkeiten in der Persönlichkeit des Angeklagten sind deshalb von Eigenschaften und Verhaltensweisen abzugrenzen, die sich noch innerhalb der Bandbreiten menschlichen Verhaltens bewegen und Ursache für strafbares Tun sein können, ohne daß sie die Schuldfähigkeit "erheblich" - eine vom Richter ohne Bindung an die Auffassung des Sachverständigen zu beantwortende Rechtsfrage (BGHSt 43, 66, 77) - im Sinne des § 21 StGB berühren (BGHSt 42, 385, 388; BGH StV 1997, 630). Dazu bedarf es einer Gesamtschau , ob die nicht pathologisch bestimmten Störungen in ihrem Gewicht den krankhaften seelischen Störungen entsprechen und Symptome aufweisen, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Täters vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 28; 37, 397, 401). Daran fehlt es.

c) Der Maßregelausspruch kann deshalb nicht bestehen bleiben. Daß das Landgericht - auch insoweit dem Sachverständigen folgend - im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose angenommen hat, es sei zu erwarten, daß der Angeklagte "in unbehandeltem Zustand weiter versucht, seine innere Leere durch ähnliche Taten zu füllen" (UA 15), führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Unterbringung nach § 63 StGB dient nicht dazu, Straftäter ohne Vorliegen der übrigen Voraussetzungen allein wegen ihrer Behandlungsbedürftigkeit der zeitlich unbefristeten und deshalb besonders belastenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu unterwerfen. Der Senat kann aber nicht in der Sache selbst dahin entscheiden, daß die Maßregelanordnung entfällt, weil angesichts der bisher unzureichenden Prüfung durch das Landgericht nicht mit der nötigen Sicherheit auszuschließen ist, daß sich - tunlichst
unter Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen - noch Feststellungen treffen lassen, die die Maßregelanordnung tragen können.
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler berührt zwar auch die Schuldfähigkeitsbeurteilung durch das Landgericht, läßt aber gleichwohl den Schuld- und den Strafausspruch unberührt. Denn auch unter Berücksichtigung der vom Landgericht rechnerisch ermittelten maximalen Tatzeit-Blutalkoholkonzentration von 2,37 ‰ hat es eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit rechtsfehlerfrei ausgeschlossen; durch die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB ist der Angeklagte bei der Strafzumessung nicht beschwert. Sofern die neue Hauptverhandlung wiederum zur Feststellung einer tatauslösenden Persönlichkeitsstörung beim Angeklagten führt, die aber nicht schon für sich allein, sondern erst im Zusammenwirken mit der Tatzeit-Alkoholisierung die Voraussetzungen des § 21 StGB begründet, käme die Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten nach § 63 nur unter engen Voraussetzungen in Betracht (vgl. BGHSt 44, 338 und 369; BGHR StGB § 63 Zustand 12, 30).
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 173/11
vom
5. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Vergewaltigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - mit Ausnahme von 1. b) cc) auf dessen
Antrag - am 5. Juli 2011 gemäß § 154 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4, § 354
Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 21. Januar 2011 wird
a) das Verfahren in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das vorgenannte Urteil aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der versuchten Vergewaltigung und der Sachbeschädigung schuldig ist, bb) im Strafausspruch dahin geändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt wird, cc) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Strafausspruch, soweit eine Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist, sowie im Ausspruch über die Maßregel.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung sowie wegen Sachbeschädigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die dagegen gerichtete , auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend stellt der Senat das Verfahren ein, soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe wegen Sachbeschädigung verurteilt worden ist. Da der danach verbleibende Schuldspruch und die insoweit verhängten Einzelstrafen von einem Jahr und sechs Monaten sowie von drei Monaten rechtlicher Überprüfung standhalten, bildet der Senat aus diesen Einzelstrafen - ebenfalls entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts - gemäß § 354 Abs. 1 StPO die geringstmögliche neue Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten.
3
2. Dagegen können der Maßregelausspruch - und daran anknüpfend - die Entscheidung über die Nichtaussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung nicht bestehen bleiben. Hierzu im Einzelnen:
4
a) Das Landgericht hat - sachverständig beraten - die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus damit begründet, bei dem Angeklagten bestehe eine mittelgradige Intelligenzminderung und eine damit im Zusammenhang stehende Störung der Impulskontrolle; die ohnehin schwache Impulskontrolle sei unter dem bei allen Taten bestehenden Alkoholeinfluss weiter herabgesetzt worden, so dass jeweils eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit sicher vorgelegen habe. Im Zustand der Alkoholisierung sei der Angeklagte in seiner Fähigkeit, sich aggressiven Impulsen zu widersetzen, erheblich eingeschränkt. Da er seinem Alkoholkonsum unkritisch gegenüberstehe, seien in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten im Sinne der Anlassdelikte zu erwarten.
5
Damit ist die Anordnung nach § 63 StGB nicht zu rechtfertigen. Das Landgericht hat den für eine Unterbringung notwendigen dauerhaften Zustand nicht allein in der Minderbegabung des Angeklagten, sondern im Zusammenwirken von Minderbegabung und Alkoholkonsum gesehen. In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass in diesen Fällen ein die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigender Zustand im Sinne des § 63 StGB vorliegen kann. Voraussetzung ist jedoch, dass der Täter an einer länger dauernden krankhaften geistig-seelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 2 StR 483/98, BGHSt 44, 369). Eine solche länger dauernde krankhafte geistig-seelische Störung ist jedoch nicht belegt. Das gilt auch für das vom Landgericht angenommene Merkmal des Schwachsinns. Nach den Feststellungen verfügte der Angeklagte über einen Intelligenzquotienten von "etwa 70". Abgesehen davon, dass damit noch nicht einmal der geringste Schweregrad der Behinderung, der Debilität (Bildungsfähige, IQ 50-69), erreicht ist (vgl. LK-Schöch, 12. Aufl., § 20 StGB Rn. 150 mwN), darf sich die Annahme des Eingangsmerkmals nicht auf die Feststellung eines niedrigen Intelligenzquotienten beschränken, sondern bedarf einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit (LK-Schöch aaO Rn. 151 mwN). Die im Urteil mitgeteilten Umstände - der Angeklagte arbeitete in verschiedenen Behindertenwerkstätten und hat seit 1997 einen Betreuer - rechtfertigen für sich die Annahme des Eingangsmerkmals nicht.
6
b) Gegen das Urteil bestehen auch insoweit durchgreifende Rechtsbedenken , als das Landgericht die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt damit begründet hat, es bestehe kein Hang im Sinne des § 64 StGB, vielmehr sei das Konsumverhalten des Angeklagten lediglich als schädlicher Alkoholgebrauch zu charakterisieren. Nach den Feststellungen war der Angeklagte indes bei allen vier ihm zur Last gelegten Taten alkoholisiert , bei dem Versuch der Vergewaltigung wurde bei ihm eineinhalb Stunden nach der Tat eine Blutalkoholkonzentration von 1,33 ‰ festgestellt. Die jeweils "mittelgradige Alkoholisierung" des Angeklagten führte im Zusammenwirken mit der mittelgradigen Intelligenzminderung und der damit zusammenhängenden Störung der Impulskontrolle zur erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten. Trotz des in der vom Angeklagten bewohnten Einrichtung bestehenden Alkoholverbots erwarb er von seinem Taschengeld zumeist Bier. Dieser Bierkonsum steht nach Auffassung des Landgerichts einer positiven Prognose und damit der Aussetzung von Maßregel und Freiheitsstrafe zur Bewährung entgegen. All dies spricht dafür, dass der Angeklagte eine ihn trei- bende oder beherrschende Neigung hat, Alkohol in einem Umfang zu konsumieren , durch welchen Gesundheit, Arbeits- oder Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2010 - 3 StR 91/10; Beschluss vom 31. März 2011 - 1 StR 109/11, NStZ-RR 2011, 242).
7
Soweit das Landgericht ergänzend darauf abstellt, die Entwöhnungsbehandlung habe "angesichts der intellektuellen Minderbegabung" des Angeklagten keine hinreichende Erfolgsaussicht, so reicht dies hier angesichts der fehlenden näheren Darlegung zum Geisteszustand des Angeklagten zur Begründung für die Versagung der Maßregel ebenfalls nicht aus.
8
c) Nachdem über Zustand, Hang und Gefährlichkeit des Angeklagten erneut zu entscheiden ist und davon auch die Legalprognose im Sinne von § 56 StGB abhängt, hebt der Senat den Strafausspruch insoweit auf, als dem Angeklagten eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung versagt worden ist.
Becker Pfister RiBGH von Lienen befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Schäfer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 376/09
vom
6. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 6. Oktober
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 11. Mai 2009 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "schwerer Brandstiftung und wegen Diebstahls in vier Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb", zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge im Rechtsfolgenausspruch Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
I. Nach den Feststellungen zur schweren Brandstiftung trank der Angeklagte am Tattag ab etwa 18.00 Uhr 12 bis 13 Flaschen Bier. Gegen 23.30 Uhr betrat er die in einem Mehrfamilienhaus gelegene Dachwohnung seiner früheren Freundin Nadine K. , zündete an der Garderobe und am Schlafzimmerschrank hängende Kleidungsstücke an und verließ die Wohnung. Dabei hielt er es für möglich und nahm es billigend in Kauf, dass das Feuer das Haus erfassen werde. Das Haus geriet in Brand und die Wohnungen wurden unbewohnbar. Es entstand ein Schaden in Höhe von 139.000 €.
3
II. Der gesamte Strafausspruch hat keinen Bestand.
4
1. Die sachverständig beratene Jugendkammer hat bei der schweren Brandstiftung eine verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten bejaht und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Der Angeklagte leide an einer schweren Borderline-Persönlichkeitsstörung impulsiven Typs bei durchgängig bestehender Störung der Impulskontrolle. Da seine Affektregulation deutlich herabgesetzt sei, äußerten sich Wutausbrüche in Körperverletzungen, Sachbeschädigungen , Autoaggressionen und in Brandstiftungen. Zerstörerische Taten zum Nachteil von Personen, mit denen er eine Beziehung gehabt habe, hätten Symptomcharakter für die Persönlichkeitsstörung. Bei dieser handele es sich nach ihrem Gewicht um eine schwere andere seelische Abartigkeit, weil durch sie das Selbstwertgefühl, die Beziehungsgestaltung, die Affektregulation und damit insgesamt die Lebensführung des Angeklagten in erheblichem Maße beeinträchtigt seien. Infolge der Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit der Alkoholisierung sei von einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit auszugehen.
5
Das Landgericht hat auf die verfahrensgegenständlichen Taten, die der Angeklagte zum Teil als Heranwachsender beging, gemäß § 32 JGG Erwach- senenstrafrecht angewendet. Es hat einen minder schweren Fall der schweren Brandstiftung verneint, den Strafrahmen des § 306 a Abs. 1 StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert und eine Einzelstrafe von zwei Jahren und drei Monaten festgesetzt. Aus dieser Strafe sowie den Einzelstrafen für die jeweils zwei Fälle des vollendeten und des versuchten Diebstahls von einmal fünf, zweimal drei und einmal zwei Monaten Freiheitsstrafe hat es dann eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren gebildet.
6
2. Gegen die Begründung, mit der die Jugendkammer einen minder schweren Fall der schweren Brandstiftung abgelehnt hat, bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.
7
Sie hat nicht erkennbar geprüft, ob wegen der zu Gunsten des Angeklagten angeführten Strafzumessungserwägungen und der verminderten Steuerungsfähigkeit infolge der Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit der Alkoholisierung ein minder schwerer Fall der schweren Brandstiftung bejaht werden kann (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 86; § 50 Rdn. 4). Die Jugendkammer hat lediglich darauf abgestellt, dass die Alkoholisierung nicht ohne weiteres die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigt, und zwar selbst dann nicht, wenn infolge der Alkoholisierung die Voraussetzungen des § 21 StGB vorliegen sollten (UA S. 27). Damit hat sie weder die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten noch den vertypten Milderungsgrund des § 21 StGB, den sie wegen der Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit dem Alkoholkonsum als gegeben angenommen hat, in ihre Abwägung einbezogen.
8
Weiterhin hat die Jugendkammer bei der Ablehnung des minder schweren Falles und der konkreten Strafzumessung rechtsfehlerhaft zu Lasten des Angeklagten gewertet, die Brandstiftung aus Wut darüber, dass sich die Geschädigte K. einem anderen Mann zugewandt habe, stelle sich als Aus- druck eines krassen, nicht mehr nachvollziehbaren Besitzdenkens und damit eines besonders verachtenswerten Motivs dar. Diese Formulierung lässt besorgen , dass das Landgericht dem Angeklagten diese Tatmotivation uneingeschränkt vorgeworfen hat, obwohl sie ihre Ursache in der festgestellten Persönlichkeitsstörung hat (vgl. BGHR StGB § 21 Strafzumessung 5; Fischer aaO § 46 Rdn. 28).
9
Der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass sich die dargestellten Rechtsfehler bei der Bemessung der für die schwere Brandstiftung verhängten Einzelstrafe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben.
10
3. Die Aufhebung der wegen der schweren Brandstiftung verhängten Einzelstrafe führt zum Wegfall der Gesamtfreiheitsstrafe. Der Senat hat auch die Einzelstrafen für die jeweils zwei Fälle des Diebstahls und des versuchten Diebstahls aufgehoben, um dem neuen Tatrichter eine in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen, zumal dieser wiederum zu prüfen haben wird, ob auf alle Taten Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht anzuwenden ist. Außerdem kann bei der Anwendung von Jugendstrafrecht unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 JGG von einer Jugendstrafe abgesehen werden.
11
III. Die angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) kann ebenfalls nicht bestehen bleiben.
12
Diese Maßregel setzt die positive Feststellung eines länger andauernden , nicht nur vorübergehenden Zustands voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 26 f.; 42, 385 f.). Sie bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt.
13
Das Vorliegen eines länger andauernden Zustandes im Sinne des § 63 StGB beim Angeklagten ist nicht belegt. Vielmehr ist zu besorgen, dass die Jugendkammer rechtsfehlerhaft den Zustand mit der erheblich verminderten Schuldfähigkeit gleichgesetzt hat (vgl. Fischer aaO § 63 Rdn. 6). Nach den Feststellungen war der Angeklagte bei der schweren Brandstiftung, die entscheidend für die Unterbringungsanordnung war, als Folge der Persönlichkeitsstörung in Kombination mit der Alkoholisierung, die regelmäßig nur vorübergehender Natur ist, in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert. Diese Ausführungen legen es nahe, dass die Persönlichkeitsstörung allein die verminderte Schuldfähigkeit nicht bewirkte. In einem Fall, in dem die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf das Zusammenwirken von Persönlichkeitsstörung und Alkoholkonsum zurückzuführen ist, liegt ein die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigender Zustand nur vor, wenn der Täter an einer krankhaften Alkoholsucht leidet, in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 9 und 30) oder eine länger andauernde geistig-seelische Störung hat, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. BGHSt 44, 369, 373 ff.). Dazu verhält sich das Urteil nicht.
14
IV. Wegen der dargestellten Rechtsfehler hebt der Senat den Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen zur Schuldfähigkeitsbeurteilung und zu den Voraussetzungen des § 63 StGB auf. Der Schuldspruch kann bestehen bleiben, weil eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten bei allen Taten sicher auszuschließen ist. Sollte der neue Tatrichter die Voraussetzungen des § 21 StGB auch aufgrund einer Alkoholisierung bejahen und wiederum feststellen , dass vom Angeklagten auch künftig erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, so wird er zu prüfen haben, ob dieser Gefahr schon durch die we- niger beschwerende Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ausreichend begegnet werden kann (vgl. Fischer aaO § 72 Rdn. 5).
Becker Pfister von Lienen
Sost-Scheible Schäfer

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt

1.
die räumliche Nähe dieser Person aufsucht,
2.
unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht,
3.
unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person
a)
Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder
b)
Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen,
4.
diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person bedroht,
5.
zulasten dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person eine Tat nach § 202a, § 202b oder § 202c begeht,
6.
eine Abbildung dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht,
7.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder
8.
eine mit den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Handlung vornimmt.

(2) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 7 wird die Nachstellung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
durch die Tat eine Gesundheitsschädigung des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person verursacht,
2.
das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt,
3.
dem Opfer durch eine Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nachstellt,
4.
bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 ein Computerprogramm einsetzt, dessen Zweck das digitale Ausspähen anderer Personen ist,
5.
eine durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangte Abbildung bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 6 verwendet,
6.
einen durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangten Inhalt (§ 11 Absatz 3) bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 7 verwendet oder
7.
über einundzwanzig Jahre ist und das Opfer unter sechzehn Jahre ist.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 417/12
vom
19. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 12. März 2012 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen der Nachstellungshandlungen zum Nachteil der Nebenklägerin und der vorsätzlichen Körperverletzungen zum Nachteil der Zeugin B. bestehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Nachstellung, in drei Fällen in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatri- schen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte leidet an einer schizophrenen Psychose des Typs undifferenzierte Schizophrenie (ICD 10 F 20.3), die sich in den letzten zehn bis zwanzig Jahren entwickelt hat und seit dem Jahr 2009 ausgeprägt vorliegt. Neben formalen und inhaltlichen Denkstörungen treten massive Affektstörungen und paranoide Symptome auf. Die Persönlichkeit des Angeklagten weist dar- über hinaus autistische Züge auf. Auf Grund eines sog. „Liebeswahns“nimmt er die Beziehung zu einer Frau vollkommen irreal wahr. Deren für jedermann ersichtliche Abwehrhaltung deutet er als ein Zeichen von Zuneigung. Die paranoide Symptomatik kommt darin zum Ausdruck, dass er sich sehr leicht angegriffen fühlt und dann aggressiv reagiert. Im Affekt zeigen sich Auffälligkeiten im Sinne einer situativ auslösbaren Aggressivität und Explosivität. Es kommt zu unangemessenen affektiven Reaktionen. Kritikfähigkeit, Realitätsprüfung und Empathiefähigkeit fehlen völlig. Insgesamt bietet er das Bild eines hochgradig verschrobenen, bizarr wirkenden, autistischen und chronischen Schizophrenen (UA S. 23). Das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB ist erfüllt. Nach Auffassung des sachverständig beratenen Landgerichts war der Angeklagte bei Begehung der verfahrensgegenständli- chen Taten „bei abstrakt bestehender Einsichtsfähigkeit“ in seiner Steuerungs- fähigkeit erheblich vermindert. Bei den Taten zum Nachteil der Zeugin V. (Nebenklägerin) beruhe dies auf dem stark ausgeprägten Liebeswahn, hinsichtlich der Taten zum Nachteil der Zeugin B. und der Polizeibeamten auf paranoidem Erleben und Störungen des Affekts.
4
Taten im Zusammenhang mit der Nebenklägerin (Fälle III. 1 a und b)
5
a) Tatzeitraum vom 20. Mai 2009 bis 3. März 2011
6
In einer Vielzahl von Fällen parkte der Angeklagte seinen Pkw in der Nähe der Wohnung der Nebenklägerin und beobachtete diese. Als die Nebenklägerin an einem Tag zur Bank fahren wollte, verfolgte sie der Angeklagte mit seinem Pkw über einen Zeitraum von ca. einer Stunde, wobei er immer wieder dicht und bedrängend auffuhr. In dem Tatzeitraum warf der Angeklagte mindestens 22 Briefe persönlich in den Briefkasten der Nebenklägerin ein, in denen er in konfuser und zum Teil bedrohlicher Art zum Ausdruck brachte, dass die Zeugin und er füreinander bestimmt seien. Sie habe sich seinem Willen unterzuordnen. Er habe ein moralisches Recht auf die Nebenklägerin, die sein Lebenselixier sei. Mit Beschluss vom 28. Oktober 2010 untersagte das Amtsgericht Herne-Wanne dem Angeklagten im Wege einer einstweiligen Anordnung, sich der Nebenklägerin, ihrer Wohnung und ihrer Arbeitsstelle auf weniger als 200 Meter zu nähern. Der Angeklagte empfand den Antrag auf Anordnung eines Näherungsverbotes nicht als Ablehnung seiner Person, sondern reagierte erfreut , weil ihm dies aus seiner Sicht zeigte, dass die Nebenklägerin sich mit ihm beschäftigte. Fortan war er nahezu ständig präsent. Unter anderem wartete er am Bahnsteig, als die Nebenklägerin von einer Geschäftsreise zurückkehrte. Anlässlich einer Fahrradfahrt, die die Nebenklägerin unternahm, stellte sich der Angeklagte auf einsamer Strecke plötzlich und unerwartet in den Weg. Ab Februar 2011 begann der Angeklagte, auch den Bereich der Arbeitsstelle der Ne- benklägerin aufzusuchen, schrieb einen Brief an deren Arbeitgeber und beobachtete stundenlang das Firmengebäude.
7
Am 9. Oktober 2010 trafen die Polizeibeamten K. und D. den Angeklagten in unmittelbarer Nähe der Wohnung der Nebenklägerin an und wollten eine Personalienfeststellung durchführen. Als der Polizeibeamte K. den eine ablehnende Haltung einnehmenden Angeklagten am Arm fasste, drehte sich dieser abrupt um und holte mit dem Arm zum Schlag aus. Er wurde daraufhin fixiert und zur Wache verbracht. Als die Polizeibeamtin D. versuchte , dem Angeklagten die Schuhe auszuziehen, trat er ihr gegen den linken Unterarm. Dabei erlitt die Beamtin Hautabschürfungen.
8
b) Tatzeitraum vom 11. August 2011 bis 27. November 2011
9
Wegen Zuwiderhandlung gegen das mit Beschluss des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 28. Oktober 2010 angeordnete Näherungsverbot wurde gegen den Angeklagten am 1. März 2011 Ordnungshaft verhängt, die er in dem Zeitraum vom 18. Juli 2011 bis zum 7. August 2011 verbüßte. Nach Vollzug der Ordnungshaft intensivierte er seine Annäherungshandlungen gegenüber der Nebenklägerin. Bis zu der am 2. Dezember 2011 beginnenden erneuten Ordnungshaft erhielt sie nahezu täglich Briefe des Angeklagten, deren Inhalte zunehmend bizarrer wurden. Am 15. August 2011 verfolgte er die Nebenklägerin mit dem Fahrrad, als diese einen Bekannten aufsuchte. Am 16. und 18. August 2011 stand er gut sichtbar vor ihrem Wohnhaus und am 24. August 2011 hielt er sich auf dem Gelände des Arbeitgebers der Nebenklägerin auf, so dass diese ihn wahrnehmen musste. Mit Briefen vom 31. August und 4. September 2011 übersandte er eine Damenquarzuhr bzw. drei Musik-CDs als Geschenke. Ebenfalls am 4. September 2011 warf er einen ausführlichen Brief, dem Glüh- birnen für die Kfz-Beleuchtung beigefügt waren, in den Briefkasten der Arbeitsstelle der Nebenklägerin. In einem Brief vom 7. September 2011 pries er – wie häufig – das Aussehen der Nebenklägerin und entwickelte eine abstruse For- mel, in der er den „Schönheitsfinanzierungsidealwert“ ihrer „Emanzipationsfeminisierungsautoselbstfahrfreizeitlichkeitsrealitätsperson“ zu dem Gesamtge- wicht der Erde in „imaginären 1039 DM-Scheinen“ in Relation setzte. Ferner teilte er mit, dass er „das Recht“ habe,sie und ihren Sohn J. „entlästigend umsonst zu erhalten“ (UA S. 17).
10
Am 10. September 2011 begab sich der Angeklagte wiederum zum Wohnhaus der Nebenklägerin, die daraufhin die Polizei benachrichtigte. Die Polizeibeamten Kl. und S. trafen den Angeklagten ca. 150 Meter von der Wohnung der Nebenklägerin entfernt an und forderten ihn auf, sich zu entfernen. Dies verweigerte der Angeklagte. Er wurde aggressiv und fing zu schreien an, wobei er den Polizeibeamten S. als „dämlich“ bezeichnete. Nach Ingewahrsamnahme des Angeklagten weigerte er sich, in den Zellentrakt zu gehen und sperrte sich dagegen, indem er sich wegdrehte und stehen blieb. Die Polizeibeamten brachten ihn schließlich „gegen seinen Widerstand“ in eine Zelle und zogen dem sich sträubenden Angeklagten die Schuhe aus. Am 21. September 2011 trafen ihn die Polizeibeamten Kl. und D. beim Einwerfen eines Briefes in den Hausbriefkasten der Nebenklägerin an. Zur Durchsetzung des ausgesprochenen Platzverweises wurde der aggressiv reagierende Angeklagte auf die Polizeiwache Wanne-Eickel verbracht. Dort spuckte er auf das Hemd des Polizeibeamten Kl. .
11
Zu den Tatfolgen hat das Landgericht Folgendes festgestellt:
12
Die Nebenklägerin ist durch die Handlungen des Angeklagten psychisch und physisch erheblich beeinträchtigt (Schlafstörungen, Panikattacken, Unruhezustände , Atemnot, schwere Magen-Darmprobleme, Tinnitus). Sie nimmt seit ca. Oktober 2009 in akuten Phasen Anti-Depressiva ein und hat sich in therapeutische Behandlung begeben. Auf Grund psychosomatischer Beschwerden entwickelte sie Essstörungen, die zu einer Gewichtsabnahme führten. Zeitweise konnte sie auf Grund ihres Gesundheitszustandes ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen und war in drei Fällen für mehrere Tage arbeitsunfähig. Bevor sie abends nach Hause zurückkehrte, erkundigte sie sich zunächst telefonisch bei Nachbarn, ob der Angeklagte ihr in seinem Pkw in Wohnungsnähe auflauerte. Aus Angst vor dem Angeklagten konnte sie nicht mehr allein spazieren gehen oder Fahrrad fahren. Sie hat das Grundvertrauen, sicher zu sein, wenn sie ihre Wohnung verlässt, verloren (UA S. 13 und S. 20). Dieser Zustand hat sich nach der erneuten Inhaftierung des Angeklagten am 3. Dezember 2011 nur eingeschränkt gebessert. Bei Fortsetzung seines Tuns ist davon auszugehen , dass die Nebenklägerin an einer schweren Depression erkranken werde (UA S. 21).
13
Taten zum Nachteil der Zeugin B. (Fälle III. 2 a und b)
14
Als die Nachbarin B. am 17. Juni 2011 gegen 23.25 Uhr in den Kellerräumen des Wohnanwesens des Angeklagten diesen höflich fragte, ob er seine Wohnung wegen der austretenden Gerüche künftig gelegentlich lüften könnte, nahm er dies auf Grund „seiner paranoiden Vorstellungswelt und seiner Affektstörungen“ zum Anlass, die Zeugin gegen eine Wand des Kellerraums zu sto- ßen (schmerzhafte Prellung am linken Arm).
15
Bei einem erneuten Zusammentreffen mit der Zeugin B. am 30. Juni 2011 gegen 23.00 Uhr wiederholte diese ihre Bitte um bessere Lüftung der Wohnung. Der Angeklagte drückte die Zeugin daraufhin mit der flachen Hand gegen eine Wand (starke Schwellung und Hämatom am Unterarm).
16
2. Das Landgericht geht – sachverständig beraten – davon aus, dass von dem Angeklagten infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Der keine Krankheitseinsicht zeigende Angeklagte werde in Freiheit mit größter Wahrscheinlichkeit erneut ähnliche Handlungen, insbesondere Nachstellungen und Körperverletzungen, begehen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass er auch Straftaten von höherem Gewicht begehen könnte. Erheblichere Körperverletzungen seien möglich. Sollte er sich künftig von der Nebenklägerin fernhalten, sei ein Wechsel des Stalkingopfers zu erwarten (UA S. 24).

II.


17
Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
18
1. Die Feststellungen des Landgerichts belegen nicht, dass der Tatbestand der Nachstellung in zwei Fällen erfüllt ist.
19
Tathandlung des § 238 Abs. 1 StGB ist das unbefugte Nachstellen durch beharrliche unmittelbare und mittelbare Annäherungshandlungen an das Opfer und näher bestimmte Drohungen. Der Begriff des Nachstellens umschreibt Handlungen, die darauf ausgerichtet sind, durch unmittelbare oder mittelbare Annäherung an das Opfer in dessen persönlichen Lebensbereich einzugreifen und dadurch seine Handlungs- und Entschließungsfreiheit zu beeinträchtigen (BGH, Beschlüsse vom 19. November 2009 – 3 StR 244/09, BGHSt 54, 189, 193, und vom 22. Februar 2011 – 4 StR 654/10, WuM 2011, 295, 296). Die Handlungen des Angeklagten erfüllen in beiden Tatzeiträumen die Voraussetzungen des Nachstellens in den Tatvarianten des § 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB. Auch das tatbestandlich vorausgesetzte beharrliche Handeln des Täters ist hier gegeben. Da der Tatbestand vom Gesetzgeber jedoch als Erfolgsdelikt ausgestaltet worden ist, muss die Tathandlung zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers führen. Der Begriff der Lebensgestaltung umfasst ganz allgemein die Freiheit der menschlichen Entschlüsse und Handlungen (BT-Drucks. 16/575 S. 7). Sie wird beeinträchtigt, wenn durch die Handlung des Täters eine Veränderung der äußeren Lebensumstände erzwungen wird. Die Beeinträchtigung muss zudem schwerwiegend sein (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 244/09, BGHSt 54, 189, 196 f.; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 238 Rn. 22 ff.).
20
Insofern zeigen die Urteilsgründe nicht hinreichend auf, dass dieser Erfolg bereits durch die verfahrensgegenständlichen einzelnen Handlungen des Angeklagten eingetreten ist. Denn das Landgericht stellt im Rahmen des Grundtatbestandes des § 238 Abs. 1 StGB rechtsfehlerhaft in erster Linie auf die erheblichen psychischen Beeinträchtigungen der Nebenklägerin und deren psychosomatische Auswirkungen ab. Zu der entscheidenden Frage, ob und inwieweit die Nebenklägerin zu gravierenden, nicht mehr hinzunehmenden Modifikationen ihrer äußeren Lebensgestaltung gezwungen war (z.B. Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes, Treffen besonderer Schutzvorkehrungen beim Verlassen der Wohnung bzw. in den Nachtstunden, Aufgeben erheblicher Teile von Freizeitaktivitäten), werden ohne jede zeitliche Einordnung nur knappe und pauschale Feststellungen getroffen, die sich konkreten Nachstellungs- handlungen – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bei einer sukzessiven Tatbegehung einzelne Handlungen des Täters erst in ihrer Gesamtheit zu der erforderlichen Beeinträchtigung des Opfers führen können – nicht zuordnen lassen. Eine revisionsrechtliche Überprüfung, ob das Tatgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass die dem Angeklagten vorgeworfenen Handlungen in zwei tatmehrheitlich begangenen Fällen jeweils zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der äußeren Lebensgestaltung geführt haben, ist somit nicht möglich.
21
2. Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen verurteilt hat, fehlt jegliche rechtliche Subsumtion. Angesichts der Vielzahl von möglicherweise strafbaren Verhaltensweisen des Angeklagten , die in dem Urteil geschildert werden (UA S. 9 – 22), ist unklar, welche Handlungen des Angeklagten – über die beiden Taten zum Nachteil der Nachbarin B. hinaus – das Landgericht als tatbestandsmäßig im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB gewertet hat. Gleiches gilt, soweit das Landgericht von einer tateinheitlich verwirklichten Beleidigung ausgegangen ist. Auch hier ist unklar, welche Verhaltensweise des Angeklagten dem Schuldspruch zu Grunde liegt.
22
3. Die Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in drei Fällen (§ 113 Abs. 1, § 53 StGB) begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
23
Hinsichtlich der Tat vom 9. Oktober 2010 sind die Feststellungen widersprüchlich und tragen die Verurteilung nicht. Auf UA S. 14 wird ausgeführt, dass dem Angeklagten der „Inhalt des Beschlusses des Amtsgerichts Herne-Wanne“ bekannt gewesen sei und er gewusst habe, „dass die Beamten zur Durchsetzung des Beschlusses berechtigt waren“. Demgegenüber stellt das Landgericht auf UA S. 11 fest, dass das Amtsgericht Herne-Wanne dem Angeklagten erst mit Beschluss vom 28. Oktober 2010 verboten hat, sich der Nebenklägerin bzw. ihrer Wohnung oder Arbeitsstelle auf weniger als 200 Meter zu nähern. Danach ist ausgeschossen, dass die Polizeibeamten zur Durchsetzung dieses Näherungsverbots tätig geworden sind.
24
Bei der Tat vom 10. September 2011 ist die Tathandlung des „Widerstandleistens“ nicht hinreichend mit Tatsachen belegt. Indem der Angeklagte sich weigerte, in den Zellentrakt zu gehen, und sich lediglich wegdrehte, hat er noch nicht „mit Gewalt“ Widerstand geleistet. Es fehlt an einem auf körperlicher Kraftentfaltung beruhenden, tätigen Handeln gegen die Polizeibeamten (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 113 Rn. 23). Soweit die Polizeibeamten den Angeklagten „gegen seinen Widerstand“ in die Zelle brachten und „dem sich sträu- benden Angeklagten“ die Schuhe auszogen, lassen sich dem Urteil keine kon- kreten Feststellungen zur Art und Weise der Tathandlung entnehmen.
25
Zur Tat vom 21. September 2011 teilt das Landgericht lediglich mit, dass der „aggressiver werdende Angeklagte“ zur Durchsetzung des Platzverweises auf die Polizeiwache verbracht wurde. Ein im Sinne von § 113 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßiges Widerstandleisten ist nicht ersichtlich.
26
4. Die Ausführungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Angeklagten sind rechtsfehlerhaft.
27
Die Strafkammer kommt nach sachverständiger Beratung zu dem Ergebnis , der Angeklagte sei bei der Tatbegehung, wenn auch erheblich vermin- dert, schuldfähig gewesen; bei „abstrakt bestehender Einsichtsfähigkeit“ sei seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen (§ 21 StGB). Woraus sich die (nur erheblich verminderte) Schuldfähigkeit ergibt, ist jedoch nicht dargelegt. Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte seit vielen Jahren an einer unbehandelten schizophrenen Psychose des Typs undifferenzierte Schizophrenie (ICD 10 F 20.3), wobei es zu massiven formalen und inhaltlichen Denkstörungen sowie zu erheblichen Affektstörungen und paranoidem Erleben kommt. Seit dem Jahr 2009 ist eine stetige Steigerung seines krankhaften Verhaltens zu beobachten. Er wirkte hochgradig verschroben und bizarr. Dieses schizophrene Krankheitsbild war auch während der Hauptverhandlung offen erkennbar (UA S. 27/28). Unter diesen Umständen hätte die Strafkammer konkret darlegen müssen, woraus sich (nach der von ihr geteilten Meinung des Sachverständigen) trotz der chronischen Schizophrenie des Angeklagten seine (nur erheblich verminderte) Schuldfähigkeit ergibt. Jedenfalls bei akuten Schüben einer Schizophrenie und in der „Endphase“ einer Schizophrenie – die Erkrankung des Angeklagten besteht seit geraumer Zeit – ist in der Regel davon auszugehen, dass der Betroffene schuldunfähig ist. Häufig wird bereits die Einsichtsfähigkeit aufgehoben sein (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 – 1 StR 268/95, MDR 1995, 1090; Beschluss vom 16. Januar 2003 – 1 StR 531/02, bei Theune NStZ-RR 2004, 161, 166; Beschluss vom 16. Mai 2007 – 2 StR 96/07; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 9a). Der Tatrichter wäre daher gehalten gewesen , unter Würdigung des gesamten Beweisergebnisses und unter Zuhilfenahme der Sachkunde des Gutachters sich mit der Frage auseinanderzusetzen , ob der Angeklagte die Taten während akuter Schübe (oder während eines lang dauernden Schubes) begangen hat. Nach dem mitgeteilten Ergebnis der Beweisaufnahme liegen deutliche Anzeichen dafür vor, dass die Taten während akuter Schübe begangen wurden. Denn der Angeklagte wurde ab dem Jahr 2009 zunehmend aggressiver und steigerte sich immer weiter in seine wahnhafte Vorstellung hinein, die Nebenklägerin und er seien auf ewige Zeiten füreinander bestimmt.
28
§ 20 StGB setzt voraus, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit „bei Begehung der Tat“ aufgehoben sind. Die Schuldfähigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Tat zu prüfen. Erforderlich ist stets die konkretisierende Darstellung , in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (BGH, Beschlüsse vom 24. April 2012 – 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 47). Dies verkennt die Straf- kammer, indem sie – dem Sachverständigen folgend – allein auf die „abstrakt bestehende Einsichtsfähigkeit“ abstellt.
29
Nach alledem kann der Schuldspruch keinen Bestand haben. Hiervon unberührt bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen der Nachstellungshandlungen zum Nachteil der Nebenklägerin (§ 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB) und der vorsätzlichen Körperverletzungen zum Nachteil der Zeugin B. . Da sie auch sonst rechtsfehlerfrei getroffen wurden, können sie bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich.

III.


30
Auch die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hat keinen Bestand.
31
1. Da das Landgericht die Voraussetzungen von § 20 StGB oder § 21 StGB nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, bedarf die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten als Grundlage für die Anordnung nach § 63 StGB insgesamt neuer Prüfung durch den Tatrichter (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 308/12). Eine Unterbringungsanordnung kann nicht auf die Prognose des Revisionsgerichts gestützt werden, dass die erneute Hauptverhandlung keinesfalls volle Schuldfähigkeit ergeben und daher in jedem Falle wieder ein Ergebnis haben wird, das eine Unterbringung erfordert (BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 – 1 StR 268/05, MDR 1995, 1090).
32
2. Die Gefährlichkeitsprognose begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
33
Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Dies muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Die Annahme einer gravierenden Störung des Rechtsfriedens setzt regelmäßig voraus, dass die zu erwartenden Delikte wenigstens in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen. Die gebotene Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (Senatsbeschlüsse vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12 und vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12). Diesem Maßstab werden die Erwägungen des Landgerichts nicht gerecht. Die bislang getroffenen Feststellungen zu den Anlasstaten belegen die wegen des gravierenden Eingriffs in die persönliche Freiheit erforderliche Tatschwere nicht ohne weiteres. Dies gilt umso mehr, als sich die Kammer bei der Feststellung der Tatfolgen der Nachstellungen nicht erkennbar hat sachverständig beraten lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 – 5 StR 256/10). Wesentliche Grundlage der Entscheidung des Landgerichts zu § 63 StGB ist zudem die Prognose, dass erheblichere Körper- verletzungen lediglich „möglich“ seien und Straftaten von höherem Gewicht „nicht ausgeschlossen“ werden könnten (UA S. 24). Damit fehlen Feststellun- gen zum Vorliegen einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades.
34
Die Sache bedarf daher der neuen Verhandlung und Entscheidung. Zur Vorbereitung der erforderlichen umfassenden und gründlichen Exploration des Angeklagten, die bislang unterblieben ist, wird das Tatgericht die Beauftragung eines anderen Sachverständigen zu erwägen haben.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter
5 StR 256/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 22. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Nachstellung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juli 2010

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 17. Februar 2010 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen Nachstellung mit dem Hervorrufen einer schweren Gesundheitsstörung (Fall II. 1 der Urteilsgründe) verurteilt wurde;
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Nachstellung mit dem Hervorrufen einer schweren Gesundheitsstörung, wegen Nötigung, Beleidigung und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Monaten“ (Einzelstrafen von acht Monaten und zwei Monaten Freiheitsstrafe, 30 Tagessätzen zu je 10 € und weiteren acht Monaten Freiheitsstrafe) verur- teilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der allgemeinen Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Der nicht vorbestrafte, zu den Tatzeiten 59 Jahre alte Angeklagte neigt aufgrund seiner psychischen Erkrankung, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf eine hirnorganische Komponente – beruhend auf jahrelangem Alkoholkonsum und einem 1987 erlittenen Schädel-Hirntrauma – zurückzuführen ist, etwa seit 2007 dazu, ohne erkennbaren Anlass einige Nachbarn massiv zu bedrohen, sie zu beleidigen und ihnen nachzustellen (UA S. 3, 6). Bei ihm liegt eine kombinierte Persönlichkeitsstörung vor, die durch emotionale Instabilität mit Neigung zu impulsivem Agieren, durch paranoide Akzentuierung sowie narzisstische Anteile geprägt ist. Diese erfüllt das Eingangsmerkmal einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB; die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war zu den Tatzeitpunkten zwar nicht aufgehoben, jedoch erheblich eingeschränkt gemäß § 21 StGB.
4
b) Der Angeklagte hat in diesem Zustand, nachdem ihm durch eine einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Flensburg unter anderem untersagt worden war, den Nebenklägern nachzustellen und sie zu beobachten, am 25. Juni 2009 auf einem Maisfeld, das sich hinter seinem Grundstück und dem Grundstück der Nebenkläger befindet, Gras gemäht, sich den Nebenklägern , die in ihrem Garten saßen, auf 20 Meter genähert und sie beobachtet. Am 5. Juli 2009 versteckte er sich auf der gemeinsamen Grundstücksauffahrt hinter einem Busch und betrachtete die Nebenkläger beim Fernsehen. Am 22. Juli 2009 brüllte er die Nebenkläger von seinem Grundstück aus mit den Worten „komm’ da rüber“ an. Am 23. Juli 2009 schrie er die gerade ihre Wohnung verlassende Nebenklägerin an, sie solle verschwinden, sonst bekäme sie den „Arsch voll“. Er ergriff hierbei einen Knüppel, schwang diesen mehrfach in Richtung der Nebenklägerin und schrie, sie solle „abhauen“, er komme jetzt, worauf diese flüchtete. Am 24. Juli 2009 lauerte der Angeklagte der Nebenklägerin auf und brüllte sie mit den Worten an, „Ich mach’ dir Beine , hau ab, du blondes Miststück, los hau’ ab, dich sollen sie mitnehmen nach Schleswig, du hast ab jetzt keine ruhige Nacht mehr“. Als er der Nebenklägerin näher kam, lief diese weg. Die Nebenklägerin wurde durch die Handlungsweise des Angeklagten ebenso wie ihr Ehemann psychisch stark beeinträchtigt. Sie hatte massive Angst, von dem Angeklagten geschlagen oder gar umgebracht zu werden. Der Nebenkläger befürchtete in hohem Maße , dass seiner Ehefrau etwas geschieht. Die Nebenklägerin erlitt psychosomatische Zusammenbrüche mit intensiven schweren Magenkrämpfen und eine posttraumatische Belastungsstörung. Sie verlor zehn Kilogramm an Gewicht. Beide Nebenkläger waren nach eigenem Bekunden „eigentlich nicht mehr in der Lage“ (UA S. 4), ihrer freiberuflichen Tätigkeit nachzugehen (Tat 1).
5
c) Am 22. Juli 2009 brüllte der Angeklagte einen anderen Nachbarn nach einem Wortwechsel an: „Hau ab, sonst schlag’ ich dich in die Fresse, dass dir alle Zähne auf einmal rausfliegen“ (UA S. 4). Einem weiteren Nachbarn rief er zu, dass das auch für ihn gelte, wenn er nicht gleich wegfahre. Zur Vermeidung einer Eskalation fuhren die Geschädigten weg (Tat 2).
6
Während einer Haftvorführung beleidigte der Angeklagte am 24. Juli 2009 zwei Polizeibeamte mit den Worten „die Idioten haben auch eine Menge Mist aufgeschrieben“ (Tat 3).
7
In einer Hauptverhandlung des Amtsgerichts Flensburg trat der Angeklagte am 23. September 2009 der Nebenklägerin mit dem Fuß gegen das Bein, wodurch diese ein handflächengroßes Hämatom im Bereich des Sprunggelenks und des Spanns erlitt (Tat 4).
8
Das Landgericht geht – sachverständig beraten – davon aus, dass von dem Angeklagten infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Die Anordnung der Unterbringung sei auch nicht unverhältnismäßig. Bis auf die „vielleicht als Bagatelldelikt anzusehende Beleidigung“ seien die übrigen Delikte „schon von einigem Gewicht“ und die zu erwartenden Taten „bei dem Aggressionspotenzial des Angeklagten auch nicht unerheblich“ (UA S. 8 f.).
9
Der 2. Schuldspruch wegen des qualifizierenden Tatbestandes der Nachstellung gemäß § 238 Abs. 2 StGB hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
Die Vorschrift setzt voraus, dass das Opfer oder eine andere dem Opfer nahe stehende Person durch die Nachstellung in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht wird. Solche Tatfolgen hat das Landgericht indes nicht festgestellt. Die psychosomatischen Beschwerden einhergehend mit depressiven Erschöpfungszuständen sind nicht hinreichend belegt. Dies gilt umso mehr, als die Strafkammer sich bei der Feststellung der Tatfolgen nicht erkennbar hat sachverständig beraten lassen. Die von den Nebenklägern lediglich empfundene Beeinträchtigung ihrer Arbeitsfähigkeit reicht ersichtlich nicht aus.
11
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs hinsichtlich Tat 1 führt zum Wegfall der hierfür verhängten Einzelstrafe von acht Monaten. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Höhe der übrigen Einzelstrafen von der Höhe dieser Einsatzstrafe beeinflusst worden sind, und hebt deshalb den gesamten Strafausspruch auf, zumal das Landgericht für die Strafe bezüglich Tat 1 – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt hat – eine unzutreffende Strafrahmenuntergrenze zugrunde gelegt hat. Darüber hinaus hat es die Strafkammer hinsichtlich Tat 2 unterlassen, die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB zu erörtern. Angesichts der Unbestraftheit des Angeklagten und der festgestellten Taten versteht es sich nicht von selbst, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten zur Einwirkung auf ihn oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich ist.
12
4. Auch die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hat keinen Bestand.
13
Die Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel liegen hier nicht vor. Wegen der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit und mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) kann die Anordnung der Maßregel nur bei gravierenden Störungen des Rechtsfriedens , die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, gerechtfertigt sein (BGHSt 27, 246, 248; BGH NStZ 2008, 210, 212; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 29; § 62 Verhältnismäßigkeit 2). Die festgestellten Anlasstaten belegen eine solche Schwere nicht.
14
Schließlich hat das Landgericht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Notwendigkeit einer Unterbringung auch nicht beachtet, dass der Angeklagte nicht schuldunfähig, sondern nur eingeschränkt schuldfähig ist, so dass gegen ihn als Mittel der Einwirkung auch die Verhängung von Strafe zur Verfügung steht (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 8).
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(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er

1.
zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder
2.
eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich

1.
nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder
2.
berechtigt oder entschuldigt
vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.

(3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt.

(4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3).

(5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.

(1) Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Daten im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden.

Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Wer einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3)

1.
einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht,
2.
an einem Ort, der Personen unter achtzehn Jahren zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, zugänglich macht,
3.
im Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen, in Kiosken oder anderen Verkaufsstellen, die der Kunde nicht zu betreten pflegt, im Versandhandel oder in gewerblichen Leihbüchereien oder Lesezirkeln einem anderen anbietet oder überläßt,
3a.
im Wege gewerblicher Vermietung oder vergleichbarer gewerblicher Gewährung des Gebrauchs, ausgenommen in Ladengeschäften, die Personen unter achtzehn Jahren nicht zugänglich sind und von ihnen nicht eingesehen werden können, einem anderen anbietet oder überläßt,
4.
im Wege des Versandhandels einzuführen unternimmt,
5.
öffentlich an einem Ort, der Personen unter achtzehn Jahren zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, oder durch Verbreiten von Schriften außerhalb des Geschäftsverkehrs mit dem einschlägigen Handel anbietet oder bewirbt,
6.
an einen anderen gelangen läßt, ohne von diesem hierzu aufgefordert zu sein,
7.
in einer öffentlichen Filmvorführung gegen ein Entgelt zeigt, das ganz oder überwiegend für diese Vorführung verlangt wird,
8.
herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält oder einzuführen unternimmt, um diesen im Sinne der Nummern 1 bis 7 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, oder
9.
auszuführen unternimmt, um diesen im Ausland unter Verstoß gegen die dort geltenden Strafvorschriften zu verbreiten oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder eine solche Verwendung zu ermöglichen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Absatz 1 Nummer 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn der zur Sorge für die Person Berechtigte handelt; dies gilt nicht, wenn der Sorgeberechtigte durch das Anbieten, Überlassen oder Zugänglichmachen seine Erziehungspflicht gröblich verletzt. Absatz 1 Nr. 3a gilt nicht, wenn die Handlung im Geschäftsverkehr mit gewerblichen Entleihern erfolgt.

(3) bis (7) (weggefallen)

Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der Gewalttätigkeiten oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand hat,

1.
verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder
2.
herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 ist der Versuch strafbar.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt

1.
die räumliche Nähe dieser Person aufsucht,
2.
unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht,
3.
unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person
a)
Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder
b)
Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen,
4.
diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person bedroht,
5.
zulasten dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person eine Tat nach § 202a, § 202b oder § 202c begeht,
6.
eine Abbildung dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht,
7.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder
8.
eine mit den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Handlung vornimmt.

(2) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 7 wird die Nachstellung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
durch die Tat eine Gesundheitsschädigung des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person verursacht,
2.
das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt,
3.
dem Opfer durch eine Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nachstellt,
4.
bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 ein Computerprogramm einsetzt, dessen Zweck das digitale Ausspähen anderer Personen ist,
5.
eine durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangte Abbildung bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 6 verwendet,
6.
einen durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangten Inhalt (§ 11 Absatz 3) bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 7 verwendet oder
7.
über einundzwanzig Jahre ist und das Opfer unter sechzehn Jahre ist.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 224/12
vom
4. Juli 2012
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Juli 2012 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 16. März 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Beschuldigte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen trat der obdachlose Beschuldigte am 16. November 2010 in der Innenstadt von P. gegen einen Stromkasten. Als er deshalb von den Zeugen A. und H. He. zur Rede gestellt wurde, reagierte er mit den Worten: „Halt's Maul, sonst steche ich euch ab“. Anschließend entfernte er sich. Als ihm die beiden Zeugen und zwei weitere Personen nachliefen, blieb der Beschuldigte stehen, zog mit der rechten Hand ein Messer und richtete es auf seine Verfolger. Dabei rief er: „Haut ab, oder ich steche euch alle ab“ und fuchtelte mit dem Messer hin und her. Kurze Zeit später erschien die zwischenzeitlich alarmierte Polizei. Der Aufforderung, das Messer fallenzulassen , kam der Beschuldigte nicht nach, sodass schließlich gegen ihn Pfefferspray eingesetzt und zu seiner Entwaffnung körperliche Gewalt angewendet werden musste (Fall II. 1). Am 7. Dezember 2010 bezeichnete der Beschuldigte während einer gemeinsamen Zugfahrt die Zeugin S. ohne jeden Anlassals „Hure“ und „Schlampe“. Zugleich trat er ihr mit dem Fuß gegen den rechten Unterschenkel, wobei er schwere, massive Stiefel trug. Als ihn die Zeugin auf sein Verhalten ansprach, äußerte er „Ich bringe dich um“ und „Ich mache dich kalt“. Die Zeugin erlitt durch den Tritt mehrere Tage andauernde, nicht unerheb- liche Schmerzen und einen Schock. Auf der von der Polizei begleiteten Weiterfahrt kam es bei ihr mehrfach zu Weinkrämpfen (Fall II. 2). Am 23. März 2011 versetzte der Beschuldigte in F. auf offener Straße einer ihm unbekannten Schülerin, die sich mit zwei Mitschülerinnen auf dem Nachhauseweg befand, einen massiven Tritt in den Rücken. Dabei trug er erneut schwere Schnürstiefel. Da der Tritt durch den Schulranzen gedämmt wurde, kam es nicht zu länger andauernden Schmerzen. Die Schülerin erlitt einen Weinkrampf und war – wie ihre beiden Begleiterinnen – von dem Verhalten des Beschuldigten geschockt (Fall II. 3). Am 26. Oktober 2011 zeigte der Beschuldigte in der P. Innenstadt einem Polizeibeamten den ausgestreckten Mittelfinger und bezeich- nete ihn bei der anschließenden Personalienfeststellung als „Arschloch“ (Fall II. 4). Das Landgericht hat die festgestellten Vorfälle als Bedrohung (Fall II. 1), vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und Bedrohung (Fall II. 2), vorsätzliche Körperverletzung (Fall II. 3) und Beleidigung (Fall II. 4) gewertet.
3
Dem Gutachten des angehörten Sachverständigen folgend geht das Landgericht davon aus, dass der Beschuldigte „seit vielen Jahren“ an einer paranoiden Schizophrenie mit chronischem Residuum leidet. Aufgrund der Erkrankung treten bei ihm unterschiedlich akzentuierte Symptome wahnhafter Überzeugtheit auf. Die dadurch generierten Impulse werden von ihm, dem Grundmuster der festgestellten Taten entsprechend, in aggressiv feindseliger Weise umgesetzt. Stationären Aufenthalten in psychiatrischen Krankenhäusern in den Jahren 1987, 1994 und 1995 gingen jeweils „massive aggressive Übergriffe auf Dritte“ voraus, insbesondere auf Waldwegen, zumTeil mit Messern, durch Schubsen oder Fußtritte sowie Bedrohungen. Ein gegen den Beschuldigten im Jahr 1994 wegen des Verdachts der Körperverletzung geführtes Ermittlungsverfahren wurde wegen Schuldunfähigkeit eingestellt. Aufgrund dieser Erkrankung war die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei sämtlichen Taten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erheblich beeinträchtigt (§ 21 StGB) und nicht ausschließbar aufgehoben (§ 20 StGB).
4
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet, weil die unter II. 1 bis II. 3 festgestellten Taten dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen seien und davon auszugehen sei, dass der Angeklagte ohne Intervention auch in Zukunft ähnlich gelagerte Taten begehen werde.
5
2. Diese Feststellungen belegen nicht hinreichend, dass von dem Beschuldigten aufgrund seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (§ 63 StGB).
6
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist aufgrund ihrer zeitlichen Unbegrenztheit eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Sie darf deshalb nur dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Urteil vom 7. Januar 1997 – 5 StR 508/96, NStZ-RR 1997, 230).
7
Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Beschluss vom 26. April 2001 – 4 StR 538/00, StV 2002, 477 f.). Dabei kann sich – wie in aller Regel bei Verbrechen oder Gewalt- und Aggressionsdelikten – eine schwere Störung des Rechtsfriedens bereits allein aus dem Gewicht des Straftatbestandes ergeben, mit dessen Verwirklichung gerechnet werden muss (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564; Beschluss vom 24. November 2004 – 1 StR 493/04, NStZ-RR 2005, 72, 73). Sind die zu erwartenden Delikte nicht wenigstens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, ist die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens dagegen nur in Ausnahmefällen begründbar (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 18. März 2008 – 4 StR 6/08; Beschluss vom 18. Februar 1992 – 4 StR 27/92, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; Beschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 223/05, NStZ-RR 2005, 303, 304).
8
Die für die Maßregelanordnung erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters , seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Urteil vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 f.; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73,

74).


9
b) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Landgericht seine Überzeugung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Beschuldigten nicht tragfähig begründet.
10
Im Grundsatz zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die gewalttätigen Übergriffe des Beschuldigten in den Fällen II. 2 und II. 3 der Urteilsgründe von erheblichem Gewicht sind. Dass auch eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Beschuldigte künftig diesen Anlasstaten gleich gelagerte Straftaten begehen wird, hat es jedoch nicht hinreichend dargelegt.
11
Die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts beruht auf der Erwägung, dass es sich bei den für die Anlasstaten ursächlichen psychotischen Impulsen um ein Symptom der bei dem Beschuldigten schon seit 1987 bestehenden Grunderkrankung handelt, das aufgrund seines regelhaften Auftretens auch in Zukunft immer wieder zu gleich gelagerten Taten führen wird (UA 7). Bei dieser Sachlage hätte es näherer Erörterung bedurft, warum der Beschuldigte in der Vergangenheit nicht häufiger durch Aggressionsdelikte in Erscheinung getreten ist und welche prognoserelevanten Schlüsse hieraus zu ziehen sind. Dass ein Täter trotz bestehenden Defekts über Jahre hinweg keine Straftaten begangen hat, ist ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten (BGH, Beschluss vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit

27).


12
Die Feststellung, dass den stationären Aufenthalten des Beschuldigten in den Jahren 1987, 1994 und 1995 „massive aggressive Übergriffe auf Dritte“ vorausgegangen sind, ist ohne Aussagekraft, weil es an einer nachvollziehbaren Darstellung einzelner Vorfälle und ihrer Genese fehlt. Gleiches gilt für den Vorgang, der dem wegen Körperverletzung geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Straubing aus dem Jahr 1994 zugrunde lag, das wegen Schuldunfähigkeit eingestellt worden ist. Grundsätzlich kann auch lange zurückliegenden Taten eine indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose zukommen (BGH, Urteil vom 11. August 2011 – 4 StR 267/11, Rn. 14; vgl.BGH, Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, BeckRS 2008, 13076, insoweit in NStZ 2008, 563 nicht abgedruckt), doch setzt dies regelmäßig voraus, dass diese Taten in einem inneren Zusammenhang zu der festgestellten Erkrankung gestanden haben und ihre Ursache nicht vornehmlich in anderen nicht krankheitsbedingten Umständen zu finden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2001 – 4 StR 540/01, BeckRS 2001, 30228853). Dies ist in den Urteilsgründen darzustellen und mit Tatsachen zu belegen.
13
Soweit das Landgericht auch die Todesdrohungen zum Nachteil der Zeugen He. (Fall II. 1) der mittleren Kriminalität zugeordnet hat, wird dies von den Feststellungen nicht belegt. Todesdrohungen gehören nur dann zu den erheblichen Straftaten, wenn sie geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich tragen (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202, 203; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564). Dass die bedrohten Zeugen mit tödlichen Messerstichen gerechnet haben, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die Tatsache, dass sie nach der ersten Drohung die Verfolgung des Beschuldigten aufnahmen, spricht eher für das Gegenteil.
14
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Eine abschließende Entscheidung vermochte der Senat nicht zu treffen, weil es nicht fernliegend ist, dass weitere Feststellungen getroffen werden können , die eine Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtfertigen.
Mutzbauer Roggenbuck Schmitt
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 550/10
vom
2. März 2011
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. März 2011,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Staatsanwalt (GL)
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 27. Juli 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und zwei Messer eingezogen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Beschuldigten hat Erfolg.
2
1. Der zur Tatzeit 27 Jahre alte Beschuldigte steht seit dem Jahre 2005 unter Betreuung und war schon mehrfach aufgrund gerichtlicher Anordnung, erstmals im Jahre 2004, zuletzt in der Zeit von 6. Juli bis 12. August 2009, in einer geschlossenen Anstalt untergebracht. Dabei wurde eine weitgehend unbehandelte paranoid halluzinatorische Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis diagnostiziert. Der Beschuldigte ist wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz , das Waffengesetz und wegen Sachbeschädigung vorbe- straft. Eine Tätlichkeit gegenüber dem Vater im Jahr 2005 hat nicht zu strafrechtlichen Konsequenzen geführt.
3
2. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts beobachtete der gegenüber einer Schule wohnende Beschuldigte in der Nacht vom 9. auf den 10. Dezember 2009 nach seiner Vorstellung, dass in dem Schulgebäude die Lampen ausgegangen seien, eine "Knallerei" stattfinde und sich andere Lehrer als sonst dort aufhielten. Die von ihm verständigte Polizei ging der Sache nicht nach. Am Morgen sprach der Beschuldigte einen Schüler an, der vor dem Fenster seiner Wohnung seinen Roller geparkt hatte, und erklärte ihm, er solle nicht in die Schule gehen, weil dort gleich ein "Gemetzel" stattfinden werde. Über diesen Schüler und die Schulleitung wurde die Polizei gerufen, die sodann den Beschuldigten in seiner Wohnung aufsuchte. Der Aufforderung der Polizeibeamten , seinen Personalausweis zu zeigen, kam der Beschuldigte, der einen verwirrten Eindruck machte und die Hände in seinen Hosentaschen hielt, nicht nach. Als er schließlich nach weiterer Aufforderung ein Messer aus der Hosentasche zog, wollten ihn die Polizeibeamten abtasten. Hiergegen sträubte sich der Beschuldigte, weshalb es zu einer Rangelei kam, in deren Verlauf die Beteiligten zu Boden gingen. Dabei verletzte sich eine Polizeibeamtin an einem abgebrochenen , scharfkantigen Kühlschrankgriff an ihrem linken Handrücken. Bei dem Beschuldigten, der aufgrund des Vorfalls seit 28. Mai 2010 einstweilen untergebracht ist, wurden zwei Messer sichergestellt.
4
Nach Ansicht der Kammer befand sich der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt im Zustand einer akuten paranoid halluzinatorischen Psychose, wodurch sowohl seine Steuerungs- als auch seine Einsichtsfähigkeit aufgehoben sein sollen.
5
b) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Beschuldigte objektive Verstöße gegen das Waffengesetz begangen, zudem den objektiven Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte erfüllt und im Übrigen im Zustand der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB gehandelt hat. Es hat aufgrund dessen die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Eine Gesamtwürdigung des Beschuldigten und seiner Tat ergebe, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Bei dem Beschuldigten, der keinerlei Krankheitseinsicht zeige, liege das chronifizierte Vollbild einer schizophrenen Psychose vor, die durch langjährigen Drogenkonsum verstärkt werde. Auch sei bei ihm eine latente Fremdaggressivität festzustellen. Bei der Auswertung der Betreuungsakte durch die angehörte Sachverständige habe sich ergeben, dass der Beschuldigte schon früher angegeben habe, seine Angstzustände riefen bei ihm eine Verteidigungsbereitschaft hervor, die auch den Einsatz von Waffen einschließe. Entsprechendes habe er gegenüber der Sachverständigen zur Anlasstat erklärt. Er habe angegeben, beabsichtigt zu haben, in die Schule hineinzugehen und nachzusehen. Weiter sei festzustellen, dass sich der Beschuldigte seit einiger Zeit bewaffne und bereits Aggressivität gegenüber Sachen gezeigt habe. Daraus habe die Sachverständige auch für die Kammer nachvollziehbar abgeleitet, dass der Beschuldigte wahrscheinlich zukünftig auch schwerwiegende Straftaten, insbesondere Körperverletzungsdelikte, begehen werde, wenn er sich aufgrund seines Verfolgungswahns bedroht fühle.
6
Die Unterbringung, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könne, sei anzuordnen, obwohl die Anlasstat selbst keine erhebliche rechtswidrige Tat sei. Dies sei auch nicht erforderlich. Vonnöten sei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung, die im Falle des Beschuldigten eine reale Gefahr ergebe, dass er zukünftig bei psychotischen Schüben auch Waffen gegen Personen einsetzen werde.
7
3. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
Eine derartige Maßregel beschwert den Betroffenen außerordentlich. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades und nicht nur die einfache Möglichkeit schwerer Störungen des Rechtsfriedens besteht. Geboten ist eine mit aller Sorgfalt vorzunehmende Gesamtwürdigung von Täter und Tat unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) und eine Prognose, dass von dem Täter infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (vgl. BGHR StGB § 63 Ablehnung 1, Gefährlichkeit 8, 26; BGH NStZ 2002, 590; NStZ-RR 2009, 169).
9
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus setzt zwar nicht grundsätzlich voraus, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind. Sind diese wie die hier festgestellten Taten des Beschuldigten (vgl. für den Verstoß gegen § 113 StGB BGH StV 1992, 571) ihrem Gewicht nach nicht dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, bedarf die Gefährlichkeitsprognose aber besonders sorgfältiger Darlegung. Daran fehlt es vorliegend. Die zu knappen und oberflächlichen Erwägungen der Kammer, die eine eingehende Würdigung der Person des Beschuldigten, insbesondere seiner Krankheitsgeschichte sowie der Anlasstat vermissen lassen, tragen die Gefährlichkeitsprognose nicht.
10
Die Kammer stützt sich bei ihrer Annahme der Wahrscheinlichkeit auch schwerwiegender Straftaten neben einer insoweit wenig aussagekräftigen früheren einmaligen Gewalthandlung gegenüber einer Sache im Wesentlichen auf den festgestellten Besitz von Messern und auf die Selbsteinschätzung des Beschuldigten , die bei ihm auftretenden Angstzustände lösten eine Verteidigungsbereitschaft aus, die auch den Einsatz von Waffen einschließe. Dies allein lässt im konkreten Fall den Schluss auf die Wahrscheinlichkeit der Begehung von Gewaltdelikten gegenüber Personen nicht zu. Das Landgericht spricht insoweit von einer "latenten" Fremdaggressivität. Eine lediglich latente Gefahr reicht aber für die Annahme einer Wahrscheinlichkeit (höheren Grades) nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 5 StR 547/10).
11
a) Zwar kann schon der Besitz von Waffen an sich die Besorgnis begründen , dass der Beschuldigte bereit sein könnte, diese auch einzusetzen; dies vor allem dann, wenn er den möglichen Einsatz dritten Personen gegenüber selbst einräumt. Das allein rechtfertigte eine Gefährlichkeitsprognose aber nur nach intensiver Auseinandersetzung mit Umständen, die gegen eine wirkliche Gewaltbereitschaft des Beschuldigten sprechen könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 1993 - 5 StR 617/93). Zum einen hat die Kammer hier keinerlei Feststellungen dazu getroffen, weshalb der Beschuldigte, der sich im Übrigen während des gesamten in seiner Wohnung stattfindenden Vorfalls passiv verhalten hat, keine Anstalten gemacht hat, seine Waffe bei der festgestellten Anlasstat einzusetzen, obwohl er sich zu diesem Zeitpunkt in einer Situation befunden hat, in der nach den Ausführungen der Sachverständigen deren Einsatz zur Verteidigung zu erwarten gewesen wäre. Zum anderen hat sich die Kammer ersichtlich nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass der Beschuldigte wegen Gewaltdelikten gegenüber außenstehenden Personen bisher nicht auffällig geworden ist, es lediglich einen schon mehr als fünf Jahre zurückliegenden Vorfall gibt, in dem der Beschuldigte seinen Vater mit einer Lampe geschlagen haben soll. Nähere Feststellungen zu Anlass, Entwicklung und Ausmaß dieses familiären Konflikts hat die Kammer nicht getroffen, so dass sich nicht absehen lässt, ob und inwieweit dieser Vorfall generelle Rück- schlüsse auf das künftige Verhalten des Beschuldigten gegenüber Familienmitgliedern und dritten Personen zulässt. Soweit der Beschuldigte im Übrigen unauffällig geblieben ist, hätte dies die Kammer nicht unerörtert lassen dürfen. Der Beschuldigte leidet zumindest seit dem Jahre 2005 an der festgestellten paranoid halluzinatorischen Psychose, hat sich in der Vergangenheit mehrfach Waffen wie Messer oder Stahlruten besorgt, ohne diese jemals gegen Personen eingesetzt zu haben. Eine progrediente Entwicklung der Erkrankung ist nicht festgestellt, so dass etwa auch im Zeitraum zwischen der Anlasstat im Dezember 2009 und der späteren vorläufigen Unterbringung im Mai 2010 offenbar kein auf die Gefährlichkeit des Beschuldigten hinweisender Vorfall feststellbar gewesen ist, obwohl die Erkrankung des Beschuldigten zwischenzeitlich nicht behandelt worden ist (vgl. UA S. 7).
12
b) Vor diesem Hintergrund hätten auch die Bekundungen des Beschuldigten gegenüber Dritten, er werde zu seiner Verteidigung auch Waffen einsetzen , nicht ohne Weiteres zur Annahme erhöhter Gefährlichkeit führen dürfen, sondern einer eingehenden Würdigung unterzogen werden müssen. Dabei hätte es nahe gelegen, sich nicht auf die bloße aktenmäßige Verwertung früherer Angaben zu beschränken, sondern hierzu die Sachverständigen, denen gegenüber entsprechende Äußerungen des Beschuldigten gefallen sein sollen, unmittelbar anzuhören. Sie hätten nicht nur nähere Angaben zu Einzelheiten des Gesprächs , insbesondere, wie und in welchem Zusammenhang es zu den Äußerungen des Beschuldigten gekommen sei, machen können. Sie hätten vor allem auch Auskünfte zum Anlass ihres Tätigwerdens und damit zur Krankheit des Beschuldigten und ihren Auswirkungen geben können. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich, dass der Beschuldigte in der Vergangenheit mehrfach zwangsweise untergebracht war. Warum dies jeweils geschehen ist, welche Auffälligkeiten zur Unterbringung geführt haben und welche Maßnahmen im Rahmen der Unterbringung - mit oder ohne Erfolg - ergriffen worden sind, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Diese Umstände zur Krankheitsgeschichte des Beschuldigten, aus der sich wesentliche Hinweise auf die Ernsthaftigkeit der Bekundungen des Beschuldigten und allgemein auf die von ihm ausgehenden Gefahren ergeben könnten, hätte die Kammer bei der anstehenden Würdigung berücksichtigen müssen, ob den Angaben des Beschuldigten mehr als die bloße Möglichkeit eines Waffeneinsatzes zu entnehmen ist (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 - 4 StR 485/99). Dies gilt trotz des Umstands, dass der Beschuldigte auch gegenüber der im Verfahren gehörten Sachverständigen Dr. R. einen möglichen Waffeneinsatz in der Schule eingeräumt haben soll (vgl. UA S. 7). Zum einen bleibt zumindest unklar, ob dies tatsächlich der Fall gewesen ist. Den mitgeteilten Angaben ist lediglich zu entnehmen, der Beschuldigte habe erklärt, beabsichtigt zu haben, in die Schule hineinzugehen und nachzusehen. Von einer Gewaltanwendung oder einer Verwendung eines der Messer ist nicht die Rede. Zum anderen wäre auch insoweit zu würdigen gewesen, dass der Beschuldigte jedenfalls bis zum Eintreffen der Polizei keinerlei Anstalten getroffen hatte, in die Schule hineinzugehen, auch gegenüber den Polizeibeamten das Messer nicht eingesetzt hatte, sich vielmehr bei Feststellung der angeblichen "Auffälligkeiten" im Schulgebäude darauf beschränkt hatte, die Polizei zu verständigen bzw. einen Schüler hierauf aufmerksam zu machen.
13
3. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei umfassender Würdigung zu einer für den Beschuldigten günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Frage der Notwendigkeit der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus bedarf daher neuer Prüfung.

Fischer Appl Schmitt Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 417/12
vom
19. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 12. März 2012 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen der Nachstellungshandlungen zum Nachteil der Nebenklägerin und der vorsätzlichen Körperverletzungen zum Nachteil der Zeugin B. bestehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Nachstellung, in drei Fällen in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatri- schen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte leidet an einer schizophrenen Psychose des Typs undifferenzierte Schizophrenie (ICD 10 F 20.3), die sich in den letzten zehn bis zwanzig Jahren entwickelt hat und seit dem Jahr 2009 ausgeprägt vorliegt. Neben formalen und inhaltlichen Denkstörungen treten massive Affektstörungen und paranoide Symptome auf. Die Persönlichkeit des Angeklagten weist dar- über hinaus autistische Züge auf. Auf Grund eines sog. „Liebeswahns“nimmt er die Beziehung zu einer Frau vollkommen irreal wahr. Deren für jedermann ersichtliche Abwehrhaltung deutet er als ein Zeichen von Zuneigung. Die paranoide Symptomatik kommt darin zum Ausdruck, dass er sich sehr leicht angegriffen fühlt und dann aggressiv reagiert. Im Affekt zeigen sich Auffälligkeiten im Sinne einer situativ auslösbaren Aggressivität und Explosivität. Es kommt zu unangemessenen affektiven Reaktionen. Kritikfähigkeit, Realitätsprüfung und Empathiefähigkeit fehlen völlig. Insgesamt bietet er das Bild eines hochgradig verschrobenen, bizarr wirkenden, autistischen und chronischen Schizophrenen (UA S. 23). Das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB ist erfüllt. Nach Auffassung des sachverständig beratenen Landgerichts war der Angeklagte bei Begehung der verfahrensgegenständli- chen Taten „bei abstrakt bestehender Einsichtsfähigkeit“ in seiner Steuerungs- fähigkeit erheblich vermindert. Bei den Taten zum Nachteil der Zeugin V. (Nebenklägerin) beruhe dies auf dem stark ausgeprägten Liebeswahn, hinsichtlich der Taten zum Nachteil der Zeugin B. und der Polizeibeamten auf paranoidem Erleben und Störungen des Affekts.
4
Taten im Zusammenhang mit der Nebenklägerin (Fälle III. 1 a und b)
5
a) Tatzeitraum vom 20. Mai 2009 bis 3. März 2011
6
In einer Vielzahl von Fällen parkte der Angeklagte seinen Pkw in der Nähe der Wohnung der Nebenklägerin und beobachtete diese. Als die Nebenklägerin an einem Tag zur Bank fahren wollte, verfolgte sie der Angeklagte mit seinem Pkw über einen Zeitraum von ca. einer Stunde, wobei er immer wieder dicht und bedrängend auffuhr. In dem Tatzeitraum warf der Angeklagte mindestens 22 Briefe persönlich in den Briefkasten der Nebenklägerin ein, in denen er in konfuser und zum Teil bedrohlicher Art zum Ausdruck brachte, dass die Zeugin und er füreinander bestimmt seien. Sie habe sich seinem Willen unterzuordnen. Er habe ein moralisches Recht auf die Nebenklägerin, die sein Lebenselixier sei. Mit Beschluss vom 28. Oktober 2010 untersagte das Amtsgericht Herne-Wanne dem Angeklagten im Wege einer einstweiligen Anordnung, sich der Nebenklägerin, ihrer Wohnung und ihrer Arbeitsstelle auf weniger als 200 Meter zu nähern. Der Angeklagte empfand den Antrag auf Anordnung eines Näherungsverbotes nicht als Ablehnung seiner Person, sondern reagierte erfreut , weil ihm dies aus seiner Sicht zeigte, dass die Nebenklägerin sich mit ihm beschäftigte. Fortan war er nahezu ständig präsent. Unter anderem wartete er am Bahnsteig, als die Nebenklägerin von einer Geschäftsreise zurückkehrte. Anlässlich einer Fahrradfahrt, die die Nebenklägerin unternahm, stellte sich der Angeklagte auf einsamer Strecke plötzlich und unerwartet in den Weg. Ab Februar 2011 begann der Angeklagte, auch den Bereich der Arbeitsstelle der Ne- benklägerin aufzusuchen, schrieb einen Brief an deren Arbeitgeber und beobachtete stundenlang das Firmengebäude.
7
Am 9. Oktober 2010 trafen die Polizeibeamten K. und D. den Angeklagten in unmittelbarer Nähe der Wohnung der Nebenklägerin an und wollten eine Personalienfeststellung durchführen. Als der Polizeibeamte K. den eine ablehnende Haltung einnehmenden Angeklagten am Arm fasste, drehte sich dieser abrupt um und holte mit dem Arm zum Schlag aus. Er wurde daraufhin fixiert und zur Wache verbracht. Als die Polizeibeamtin D. versuchte , dem Angeklagten die Schuhe auszuziehen, trat er ihr gegen den linken Unterarm. Dabei erlitt die Beamtin Hautabschürfungen.
8
b) Tatzeitraum vom 11. August 2011 bis 27. November 2011
9
Wegen Zuwiderhandlung gegen das mit Beschluss des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 28. Oktober 2010 angeordnete Näherungsverbot wurde gegen den Angeklagten am 1. März 2011 Ordnungshaft verhängt, die er in dem Zeitraum vom 18. Juli 2011 bis zum 7. August 2011 verbüßte. Nach Vollzug der Ordnungshaft intensivierte er seine Annäherungshandlungen gegenüber der Nebenklägerin. Bis zu der am 2. Dezember 2011 beginnenden erneuten Ordnungshaft erhielt sie nahezu täglich Briefe des Angeklagten, deren Inhalte zunehmend bizarrer wurden. Am 15. August 2011 verfolgte er die Nebenklägerin mit dem Fahrrad, als diese einen Bekannten aufsuchte. Am 16. und 18. August 2011 stand er gut sichtbar vor ihrem Wohnhaus und am 24. August 2011 hielt er sich auf dem Gelände des Arbeitgebers der Nebenklägerin auf, so dass diese ihn wahrnehmen musste. Mit Briefen vom 31. August und 4. September 2011 übersandte er eine Damenquarzuhr bzw. drei Musik-CDs als Geschenke. Ebenfalls am 4. September 2011 warf er einen ausführlichen Brief, dem Glüh- birnen für die Kfz-Beleuchtung beigefügt waren, in den Briefkasten der Arbeitsstelle der Nebenklägerin. In einem Brief vom 7. September 2011 pries er – wie häufig – das Aussehen der Nebenklägerin und entwickelte eine abstruse For- mel, in der er den „Schönheitsfinanzierungsidealwert“ ihrer „Emanzipationsfeminisierungsautoselbstfahrfreizeitlichkeitsrealitätsperson“ zu dem Gesamtge- wicht der Erde in „imaginären 1039 DM-Scheinen“ in Relation setzte. Ferner teilte er mit, dass er „das Recht“ habe,sie und ihren Sohn J. „entlästigend umsonst zu erhalten“ (UA S. 17).
10
Am 10. September 2011 begab sich der Angeklagte wiederum zum Wohnhaus der Nebenklägerin, die daraufhin die Polizei benachrichtigte. Die Polizeibeamten Kl. und S. trafen den Angeklagten ca. 150 Meter von der Wohnung der Nebenklägerin entfernt an und forderten ihn auf, sich zu entfernen. Dies verweigerte der Angeklagte. Er wurde aggressiv und fing zu schreien an, wobei er den Polizeibeamten S. als „dämlich“ bezeichnete. Nach Ingewahrsamnahme des Angeklagten weigerte er sich, in den Zellentrakt zu gehen und sperrte sich dagegen, indem er sich wegdrehte und stehen blieb. Die Polizeibeamten brachten ihn schließlich „gegen seinen Widerstand“ in eine Zelle und zogen dem sich sträubenden Angeklagten die Schuhe aus. Am 21. September 2011 trafen ihn die Polizeibeamten Kl. und D. beim Einwerfen eines Briefes in den Hausbriefkasten der Nebenklägerin an. Zur Durchsetzung des ausgesprochenen Platzverweises wurde der aggressiv reagierende Angeklagte auf die Polizeiwache Wanne-Eickel verbracht. Dort spuckte er auf das Hemd des Polizeibeamten Kl. .
11
Zu den Tatfolgen hat das Landgericht Folgendes festgestellt:
12
Die Nebenklägerin ist durch die Handlungen des Angeklagten psychisch und physisch erheblich beeinträchtigt (Schlafstörungen, Panikattacken, Unruhezustände , Atemnot, schwere Magen-Darmprobleme, Tinnitus). Sie nimmt seit ca. Oktober 2009 in akuten Phasen Anti-Depressiva ein und hat sich in therapeutische Behandlung begeben. Auf Grund psychosomatischer Beschwerden entwickelte sie Essstörungen, die zu einer Gewichtsabnahme führten. Zeitweise konnte sie auf Grund ihres Gesundheitszustandes ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen und war in drei Fällen für mehrere Tage arbeitsunfähig. Bevor sie abends nach Hause zurückkehrte, erkundigte sie sich zunächst telefonisch bei Nachbarn, ob der Angeklagte ihr in seinem Pkw in Wohnungsnähe auflauerte. Aus Angst vor dem Angeklagten konnte sie nicht mehr allein spazieren gehen oder Fahrrad fahren. Sie hat das Grundvertrauen, sicher zu sein, wenn sie ihre Wohnung verlässt, verloren (UA S. 13 und S. 20). Dieser Zustand hat sich nach der erneuten Inhaftierung des Angeklagten am 3. Dezember 2011 nur eingeschränkt gebessert. Bei Fortsetzung seines Tuns ist davon auszugehen , dass die Nebenklägerin an einer schweren Depression erkranken werde (UA S. 21).
13
Taten zum Nachteil der Zeugin B. (Fälle III. 2 a und b)
14
Als die Nachbarin B. am 17. Juni 2011 gegen 23.25 Uhr in den Kellerräumen des Wohnanwesens des Angeklagten diesen höflich fragte, ob er seine Wohnung wegen der austretenden Gerüche künftig gelegentlich lüften könnte, nahm er dies auf Grund „seiner paranoiden Vorstellungswelt und seiner Affektstörungen“ zum Anlass, die Zeugin gegen eine Wand des Kellerraums zu sto- ßen (schmerzhafte Prellung am linken Arm).
15
Bei einem erneuten Zusammentreffen mit der Zeugin B. am 30. Juni 2011 gegen 23.00 Uhr wiederholte diese ihre Bitte um bessere Lüftung der Wohnung. Der Angeklagte drückte die Zeugin daraufhin mit der flachen Hand gegen eine Wand (starke Schwellung und Hämatom am Unterarm).
16
2. Das Landgericht geht – sachverständig beraten – davon aus, dass von dem Angeklagten infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Der keine Krankheitseinsicht zeigende Angeklagte werde in Freiheit mit größter Wahrscheinlichkeit erneut ähnliche Handlungen, insbesondere Nachstellungen und Körperverletzungen, begehen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass er auch Straftaten von höherem Gewicht begehen könnte. Erheblichere Körperverletzungen seien möglich. Sollte er sich künftig von der Nebenklägerin fernhalten, sei ein Wechsel des Stalkingopfers zu erwarten (UA S. 24).

II.


17
Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
18
1. Die Feststellungen des Landgerichts belegen nicht, dass der Tatbestand der Nachstellung in zwei Fällen erfüllt ist.
19
Tathandlung des § 238 Abs. 1 StGB ist das unbefugte Nachstellen durch beharrliche unmittelbare und mittelbare Annäherungshandlungen an das Opfer und näher bestimmte Drohungen. Der Begriff des Nachstellens umschreibt Handlungen, die darauf ausgerichtet sind, durch unmittelbare oder mittelbare Annäherung an das Opfer in dessen persönlichen Lebensbereich einzugreifen und dadurch seine Handlungs- und Entschließungsfreiheit zu beeinträchtigen (BGH, Beschlüsse vom 19. November 2009 – 3 StR 244/09, BGHSt 54, 189, 193, und vom 22. Februar 2011 – 4 StR 654/10, WuM 2011, 295, 296). Die Handlungen des Angeklagten erfüllen in beiden Tatzeiträumen die Voraussetzungen des Nachstellens in den Tatvarianten des § 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB. Auch das tatbestandlich vorausgesetzte beharrliche Handeln des Täters ist hier gegeben. Da der Tatbestand vom Gesetzgeber jedoch als Erfolgsdelikt ausgestaltet worden ist, muss die Tathandlung zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers führen. Der Begriff der Lebensgestaltung umfasst ganz allgemein die Freiheit der menschlichen Entschlüsse und Handlungen (BT-Drucks. 16/575 S. 7). Sie wird beeinträchtigt, wenn durch die Handlung des Täters eine Veränderung der äußeren Lebensumstände erzwungen wird. Die Beeinträchtigung muss zudem schwerwiegend sein (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 244/09, BGHSt 54, 189, 196 f.; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 238 Rn. 22 ff.).
20
Insofern zeigen die Urteilsgründe nicht hinreichend auf, dass dieser Erfolg bereits durch die verfahrensgegenständlichen einzelnen Handlungen des Angeklagten eingetreten ist. Denn das Landgericht stellt im Rahmen des Grundtatbestandes des § 238 Abs. 1 StGB rechtsfehlerhaft in erster Linie auf die erheblichen psychischen Beeinträchtigungen der Nebenklägerin und deren psychosomatische Auswirkungen ab. Zu der entscheidenden Frage, ob und inwieweit die Nebenklägerin zu gravierenden, nicht mehr hinzunehmenden Modifikationen ihrer äußeren Lebensgestaltung gezwungen war (z.B. Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes, Treffen besonderer Schutzvorkehrungen beim Verlassen der Wohnung bzw. in den Nachtstunden, Aufgeben erheblicher Teile von Freizeitaktivitäten), werden ohne jede zeitliche Einordnung nur knappe und pauschale Feststellungen getroffen, die sich konkreten Nachstellungs- handlungen – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bei einer sukzessiven Tatbegehung einzelne Handlungen des Täters erst in ihrer Gesamtheit zu der erforderlichen Beeinträchtigung des Opfers führen können – nicht zuordnen lassen. Eine revisionsrechtliche Überprüfung, ob das Tatgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass die dem Angeklagten vorgeworfenen Handlungen in zwei tatmehrheitlich begangenen Fällen jeweils zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der äußeren Lebensgestaltung geführt haben, ist somit nicht möglich.
21
2. Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen verurteilt hat, fehlt jegliche rechtliche Subsumtion. Angesichts der Vielzahl von möglicherweise strafbaren Verhaltensweisen des Angeklagten , die in dem Urteil geschildert werden (UA S. 9 – 22), ist unklar, welche Handlungen des Angeklagten – über die beiden Taten zum Nachteil der Nachbarin B. hinaus – das Landgericht als tatbestandsmäßig im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB gewertet hat. Gleiches gilt, soweit das Landgericht von einer tateinheitlich verwirklichten Beleidigung ausgegangen ist. Auch hier ist unklar, welche Verhaltensweise des Angeklagten dem Schuldspruch zu Grunde liegt.
22
3. Die Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in drei Fällen (§ 113 Abs. 1, § 53 StGB) begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
23
Hinsichtlich der Tat vom 9. Oktober 2010 sind die Feststellungen widersprüchlich und tragen die Verurteilung nicht. Auf UA S. 14 wird ausgeführt, dass dem Angeklagten der „Inhalt des Beschlusses des Amtsgerichts Herne-Wanne“ bekannt gewesen sei und er gewusst habe, „dass die Beamten zur Durchsetzung des Beschlusses berechtigt waren“. Demgegenüber stellt das Landgericht auf UA S. 11 fest, dass das Amtsgericht Herne-Wanne dem Angeklagten erst mit Beschluss vom 28. Oktober 2010 verboten hat, sich der Nebenklägerin bzw. ihrer Wohnung oder Arbeitsstelle auf weniger als 200 Meter zu nähern. Danach ist ausgeschossen, dass die Polizeibeamten zur Durchsetzung dieses Näherungsverbots tätig geworden sind.
24
Bei der Tat vom 10. September 2011 ist die Tathandlung des „Widerstandleistens“ nicht hinreichend mit Tatsachen belegt. Indem der Angeklagte sich weigerte, in den Zellentrakt zu gehen, und sich lediglich wegdrehte, hat er noch nicht „mit Gewalt“ Widerstand geleistet. Es fehlt an einem auf körperlicher Kraftentfaltung beruhenden, tätigen Handeln gegen die Polizeibeamten (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 113 Rn. 23). Soweit die Polizeibeamten den Angeklagten „gegen seinen Widerstand“ in die Zelle brachten und „dem sich sträu- benden Angeklagten“ die Schuhe auszogen, lassen sich dem Urteil keine kon- kreten Feststellungen zur Art und Weise der Tathandlung entnehmen.
25
Zur Tat vom 21. September 2011 teilt das Landgericht lediglich mit, dass der „aggressiver werdende Angeklagte“ zur Durchsetzung des Platzverweises auf die Polizeiwache verbracht wurde. Ein im Sinne von § 113 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßiges Widerstandleisten ist nicht ersichtlich.
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4. Die Ausführungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Angeklagten sind rechtsfehlerhaft.
27
Die Strafkammer kommt nach sachverständiger Beratung zu dem Ergebnis , der Angeklagte sei bei der Tatbegehung, wenn auch erheblich vermin- dert, schuldfähig gewesen; bei „abstrakt bestehender Einsichtsfähigkeit“ sei seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen (§ 21 StGB). Woraus sich die (nur erheblich verminderte) Schuldfähigkeit ergibt, ist jedoch nicht dargelegt. Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte seit vielen Jahren an einer unbehandelten schizophrenen Psychose des Typs undifferenzierte Schizophrenie (ICD 10 F 20.3), wobei es zu massiven formalen und inhaltlichen Denkstörungen sowie zu erheblichen Affektstörungen und paranoidem Erleben kommt. Seit dem Jahr 2009 ist eine stetige Steigerung seines krankhaften Verhaltens zu beobachten. Er wirkte hochgradig verschroben und bizarr. Dieses schizophrene Krankheitsbild war auch während der Hauptverhandlung offen erkennbar (UA S. 27/28). Unter diesen Umständen hätte die Strafkammer konkret darlegen müssen, woraus sich (nach der von ihr geteilten Meinung des Sachverständigen) trotz der chronischen Schizophrenie des Angeklagten seine (nur erheblich verminderte) Schuldfähigkeit ergibt. Jedenfalls bei akuten Schüben einer Schizophrenie und in der „Endphase“ einer Schizophrenie – die Erkrankung des Angeklagten besteht seit geraumer Zeit – ist in der Regel davon auszugehen, dass der Betroffene schuldunfähig ist. Häufig wird bereits die Einsichtsfähigkeit aufgehoben sein (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 – 1 StR 268/95, MDR 1995, 1090; Beschluss vom 16. Januar 2003 – 1 StR 531/02, bei Theune NStZ-RR 2004, 161, 166; Beschluss vom 16. Mai 2007 – 2 StR 96/07; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 9a). Der Tatrichter wäre daher gehalten gewesen , unter Würdigung des gesamten Beweisergebnisses und unter Zuhilfenahme der Sachkunde des Gutachters sich mit der Frage auseinanderzusetzen , ob der Angeklagte die Taten während akuter Schübe (oder während eines lang dauernden Schubes) begangen hat. Nach dem mitgeteilten Ergebnis der Beweisaufnahme liegen deutliche Anzeichen dafür vor, dass die Taten während akuter Schübe begangen wurden. Denn der Angeklagte wurde ab dem Jahr 2009 zunehmend aggressiver und steigerte sich immer weiter in seine wahnhafte Vorstellung hinein, die Nebenklägerin und er seien auf ewige Zeiten füreinander bestimmt.
28
§ 20 StGB setzt voraus, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit „bei Begehung der Tat“ aufgehoben sind. Die Schuldfähigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Tat zu prüfen. Erforderlich ist stets die konkretisierende Darstellung , in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (BGH, Beschlüsse vom 24. April 2012 – 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 47). Dies verkennt die Straf- kammer, indem sie – dem Sachverständigen folgend – allein auf die „abstrakt bestehende Einsichtsfähigkeit“ abstellt.
29
Nach alledem kann der Schuldspruch keinen Bestand haben. Hiervon unberührt bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen der Nachstellungshandlungen zum Nachteil der Nebenklägerin (§ 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB) und der vorsätzlichen Körperverletzungen zum Nachteil der Zeugin B. . Da sie auch sonst rechtsfehlerfrei getroffen wurden, können sie bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich.

III.


30
Auch die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hat keinen Bestand.
31
1. Da das Landgericht die Voraussetzungen von § 20 StGB oder § 21 StGB nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, bedarf die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten als Grundlage für die Anordnung nach § 63 StGB insgesamt neuer Prüfung durch den Tatrichter (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 308/12). Eine Unterbringungsanordnung kann nicht auf die Prognose des Revisionsgerichts gestützt werden, dass die erneute Hauptverhandlung keinesfalls volle Schuldfähigkeit ergeben und daher in jedem Falle wieder ein Ergebnis haben wird, das eine Unterbringung erfordert (BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 – 1 StR 268/05, MDR 1995, 1090).
32
2. Die Gefährlichkeitsprognose begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
33
Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Dies muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Die Annahme einer gravierenden Störung des Rechtsfriedens setzt regelmäßig voraus, dass die zu erwartenden Delikte wenigstens in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen. Die gebotene Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (Senatsbeschlüsse vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12 und vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12). Diesem Maßstab werden die Erwägungen des Landgerichts nicht gerecht. Die bislang getroffenen Feststellungen zu den Anlasstaten belegen die wegen des gravierenden Eingriffs in die persönliche Freiheit erforderliche Tatschwere nicht ohne weiteres. Dies gilt umso mehr, als sich die Kammer bei der Feststellung der Tatfolgen der Nachstellungen nicht erkennbar hat sachverständig beraten lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 – 5 StR 256/10). Wesentliche Grundlage der Entscheidung des Landgerichts zu § 63 StGB ist zudem die Prognose, dass erheblichere Körper- verletzungen lediglich „möglich“ seien und Straftaten von höherem Gewicht „nicht ausgeschlossen“ werden könnten (UA S. 24). Damit fehlen Feststellun- gen zum Vorliegen einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades.
34
Die Sache bedarf daher der neuen Verhandlung und Entscheidung. Zur Vorbereitung der erforderlichen umfassenden und gründlichen Exploration des Angeklagten, die bislang unterblieben ist, wird das Tatgericht die Beauftragung eines anderen Sachverständigen zu erwägen haben.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter

Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 275/13
vom
30. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 30. Juli 2013 gemäß § 206a StPO
und § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 15. März 2013 wird 1. das Verfahren im Fall II. 5 der Urteilsgründe eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last; 2. das vorbezeichnete Urteil im Übrigen mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte freigesprochen, ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und Maßregeln nach den §§ 69, 69a StGB verhängt. Hiergegen richtet sich ihre auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision. Das Verfahren ist hinsichtlich einer Tat einzustellen , weil es an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt. Das Rechtsmittel hat auch im Übrigen Erfolg. Die Unterbringungsentscheidung ist nicht tragfähig begründet.

I.


2
Nach den Feststellungen des sachverständig beratenen Landgerichts leidet die Angeklagte an einer schizoaffektiven Psychose gemäß ICD 10, F 25.0. Im Jahr 2006 wurde sie erstmalig im Pfalzklinikum für Psychiatrie in Klingenmünster stationär aufgenommen. Danach kam es zu weiteren Aufenthalten u.a. wegen Ängsten vor ihrem Vater und Verfolgungsideen.
3
Am 24. Januar 2011 bezeichnete die Angeklagte die Zeugin H. anlässlich eines Gerichtstermins im Sorgerechtsverfahren über ihre Kinder als „Schlampe“ und versetzteihr eine Ohrfeige (Fall II. 10 der Urteilsgründe). Am 12. März 2011 entwendete sie in einem Drogeriemarkt einen Duftanhänger. Als sie deshalb von der Zeugin W. ins Büro gebeten wurde, bezeichnete sie diese als „blöde Fotze“ und entfernte sich. Kurze Zeitdarauf kehrte sie zurück und beleidigte die Zeugin W. erneut. Als sie die Filialleiterin daraufhin aus dem Geschäft verwies, schlug ihr die Angeklagte zweimal in das Gesicht und zerrte ihr an den Haaren. Dem eingreifenden Zeugen A. zerriss sie das Polo-Shirt, kratzte ihn und beschimpfte ihn als „Kanaken“ (Fall II. 11 der Urteilsgründe). Am 29. Juli 2011 trat die Angeklagte ihrer Schwester im Rahmen einer verbalen Auseinandersetzung auf den Fuß. Als sie von ihrer Schwester „in den Schwitzkasten“ genommen wurde, biss sie ihr in den linken Oberarm und in die linke Brust. Von dem Biss in die Brust konnte die Geschädigte nur mit Hilfe von Familienmitgliedern gelöst werden. Im weiteren Verlauf warf die Angeklagte ihrer Schwester einen Schlüssel in den Rücken und riss von hinten mit aller Kraft an ihrem Pullover. Infolgedessen konnte die Geschä- digte zwar noch atmen, aber nicht mehr richtig sprechen (Fall II. 1 der Urteilsgründe ). Im Verlauf des 13. November 2011 und am 18. November 2011 schickte die Angeklagte der Zeugin T. vier beleidigende Kurznachrichten (Fälle II. 2 bis 5 der Urteilsgründe) und zerkratzte am 25. November 2011 die Motorhaube des Pkw des Zeugen F. , wodurch ein Schaden in Höhe von ca. 500 Euro entstand (Fall II. 6 der Urteilsgründe). Am Nachmittag des 26. November 2011 bezeichnete die Angeklagte die jugendlichen Zeitungsausträger D. und A. K. , die auf der Straße mit ihren Fahrrädern un- terwegs waren, als „Juden“ und „Schwarzarbeiter“ und warf ihnen vor, zu „stinken“ und Menschen zu „killen“. Anschließend fuhr sie mit ihrem Pkw hinter den mit ihren Fahrrädern wegfahrenden Zeugen her. Als D. K. deshalb aus Angst in eine Seitenstraße abbog, folgte ihm die Angeklagte nach. Nachdem D. K. hinter einem Stromkasten Schutz gesucht hatte, fuhr die Angeklagte in einem Abstand von nur etwa 30 cm an ihm vorbei. D. K. kehrte daraufhin sogleich zu seinem Bruder A. zurück und warnte ihn vor der Angeklagten. Als beide mit ihren Fahrrädern nebeneinander auf der Straße und dem angrenzenden Gehweg fuhren, fuhr die Angeklagte mit ihrem Pkw zielgerichtet auf den Zeugen A. K. auf, der dadurch von seinem Fahrrad stürzte. A. K. spürte sofort Schmerzen am Rücken und hatte Schwierigkeiten beim Atmen. An seinem Fahrrad entstand ein Schaden in Höhe von ca. 100 Euro. Die Angeklagte beschleunigte ihr Fahrzeug und entfernte sich ohne anzuhalten (Fälle II. 7 bis 9 der Urteilsgründe).
4
Das Landgericht hat die Taten der Angeklagten ohne nähere Zuordnung als Beleidigung in neun Fällen, Sachbeschädigung in zwei Fällen, Diebstahl, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB und Körperverletzung in sechs Fällen gewertet , wobei es sich in einem Fall um eine gefährliche Körperverletzung ge- mäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB und in einem Fall um eine versuchte gefährliche Körperverletzung gehandelt haben soll (UA S. 15). Bei den Taten am 12. März 2011 (Fall II. 11 der Urteilsgründe), 29. Juli 2011 (Fall II. 1 der Urteilsgründe) und 26. November 2011 (Fälle II. 7 bis 9 der Urteilsgründe) sei die Schuldfähigkeit der Angeklagten infolge der bestehenden schizoaffektiven Psychose sicher aufgehoben gewesen. Bezüglich der weiteren Taten könne dies nicht ausgeschlossen werden (UA S. 16 f.). Die Angeklagte sei deshalb von allen Vorwürfen freizusprechen. Ihre Unterbringung nach § 63 StGB habe angeordnet werden müssen, weil von ihr in Folge ihres Krankheitsbildes auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien. Dabei könne es insbesondere auch zu erneuten Tätlichkeiten wie zum Nachteil der ZeugenK. kommen. Die Angeklagte sei deshalb für die Allgemeinheit gefährlich (UA S. 17).

II.


5
Im Fall II. 5 der Urteilsgründe ist das Verfahren gemäß § 206a StPO einzustellen , weil es insoweit an dem gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen schriftlichen (§ 158 Abs. 2 StPO) Strafantrag der von der beleidigenden Äußerung betroffenen Zeugin T. fehlt. Bei den Akten befindet sich lediglich ein Strafantrag dieser Zeugin vom 14. November 2011 (Fallakte III. Bl. 6), der sich nur auf die Vorfälle unter II. 2 bis 4 der Urteilsgründe bezieht.

III.


6
Die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
1. Die zu den Anlasstaten und dem psychischen Zustand der Angeklagten getroffenen Feststellungen und Wertungen sind lückenhaft und unklar.
8
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der den Anlass für die Unterbringung bildenden rechtswidrigen Taten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141; Beschluss vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198; Beschluss vom 8. April 2003 – 3 StR 79/03, NStZ-RR 2003, 232). Hierzu enthält das angefochtene Urteil keine ausreichenden Feststellungen.
9
aa) Soweit das Landgericht im Anschluss an die Sachverständige davon ausgeht, dass die Angeklagte an einer schizoaffektiven Psychose gemäß ICD 10, F 25.0 erkrankt ist, werden die diese Bewertung tragenden Anknüpfungs - und Befundtatsachen nicht in ausreichendem Umfang wiedergegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12 Rn. 8, NStZ 2013, 424 [insoweit nicht abgedruckt]; Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 229/10 Rn. 8). Die Urteilsgründe beschränken sich auf eine Mitteilung der Diagnose und knappe – allgemein gehaltene – Ausführungen zu dem bei der Angeklagten seit dem Jahr 2006 bestehenden Krankheitserleben (UA S. 16). Zu den konkreten Auswirkungen der Erkrankung verhält sich das Urteil nicht, sodass weder die Diagnose noch der symptomatische Zusammenhang zwischen der Erkrankung der Angeklagten und ihren Taten nachvollzogen werden kann.
10
bb) Eine Schuldunfähigkeit der Angeklagten wird nur hinsichtlich der Taten vom 29. Juli 2011 (Fall II. 1 der Urteilsgründe), 12. März 2011 (Fall II. 11 der Urteilsgründe) und 26. November 2011 (Fälle II. 7 und 8 der Urteilsgründe) zweifelsfrei festgestellt (UA S. 16). Hinsichtlich der übrigen Taten vermochte das Landgericht lediglich nicht auszuschließen, dass die Angeklagte im Zeitpunkt der Tatbegehung schuldunfähig war (UA S. 17). Da es für diese Taten daneben an einer eindeutigen Bejahung der Voraussetzungen des § 21 StGB fehlt, konnten sie nicht als Anlasstaten herangezogen werden.
11
b) Die Wertung des Landgerichts, die Angeklagte habe alsAnlasstaten unter anderem eine vollendete und eine versuchte gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) begangen (UA S. 15), findet im Urteil keine Grundlage. Da das Landgericht auf eine Darlegung der rechtlichen Subsumtion verzichtet hat, bleibt unklar, welche der geschilderten Vorfälle diese Bewertung tragen sollen.
12
Das Auffahren mit dem Pkw auf das Fahrrad des ZeugenA. K. und dessen anschließender – zu Rückenschmerzen und Atemnot führender – Sturz (Fall II. 8 der Urteilsgründe) können die Annahme einer vollendeten gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht rechtfertigen. Eine gefährliche Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB begeht, wer seinem Opfer durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes gefährliches Tatmittel eine Körperverletzung im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB beibringt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 292/12 Rn. 10, StV 2013, 438 f.; Beschluss vom 30. Juni 2011 – 4 StR 266/11 Tz. 5). Wird – wie hier – eine Person durch ein gezieltes Anfah- ren mit einem Kraftfahrzeug zu Fall gebracht, setzt die Annahme einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB voraus, dass bereits durch den Anstoß eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und damit eine körperliche Misshandlung gemäß § 223 Abs. 1 StGB ausgelöst worden ist. Erst infolge des anschließenden Sturzes erlittene Verletzungen, die nicht auf den unmittelbaren Kontakt zwischen Kraftfahrzeug und Körper zurückzuführen sind, können für sich allein die Beurteilung als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht tragen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 292/12 Rn. 10 aaO; Beschluss vom 30. Juni 2011 – 4 StR 266/11 Tz. 5; Beschluss vom 16. Januar 2007 – 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405).
13
Die Feststellungen zu dem Wurf mit dem Schlüssel (Fall II. 1 der Urteilsgründe ) lassen eine Bewertung als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht zu, weil schon nicht zu ersehen ist, ob hierdurch überhaupt eine Gesundheitsschädigung hervorgerufen wurde.
14
Auch das Vorliegen einer versuchten gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB) wird nicht ausreichend mit Tatsachen belegt. Soweit die Angeklagte an dem hinter einem Stromkasten Schutz suchenden Zeugen D. K. mit ihrem Pkw in einem Abstand von 30 cm vorbeigefahren ist (Fall II. 8 der Urteilsgründe), bleibt offen, welches Ziel sie dabei verfolgte. Der für die Annahme einer Versuchsstrafbarkeit erforderliche Tatentschluss ist damit nicht dargetan.
15
2. Die Gefährlichkeitsprognose begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
16
a) Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202). Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden (BGH, Beschluss vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12 aaO; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Beschluss vom 26. April 2001 – 4 StR 538/00, StV 2002, 477 f.). Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Beschluss vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12 aaO; Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12 aaO; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). An die Darlegungen und die vorzunehmende Abwägung sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (BGH, Beschluss vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12 aaO; Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12 aaO; Beschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12 Rn. 8; Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73, 74).
17
b) Diesen Maßstäben werden die Erwägungen des Landgerichts nicht gerecht. Eine die Biographie der Angeklagten und ihre Krankheitsgeschichte in den Blick nehmende Gesamtwürdigung wurde nicht erkennbar vorgenommen. Vor dem Hintergrund der eher dem unteren Kriminalitätsbereich zuzuordnenden verfahrensgegenständlichen Taten, wäre es insbesondere erforderlich gewesen , die früheren Straftaten der Angeklagten, die im Jahr 2007 wegen gefährlicher Körperverletzung, im Jahr 2009 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung, Sachbeschädigung und versuchtem Diebstahl und im Jahr 2010 wegen Diebstahl, Betrug, Körperverletzung und Beleidigung jeweils zu Bewährungsstrafen verurteilt werden musste, näher zu erörtern und darzulegen, welche Schlüsse aus diesen Taten für das bei der Angeklagten bestehende individuelle Delinquenzrisiko zu ziehen sind (vgl. Boetticher/Kröber/ Müller-Isberner/Böhm/Müller-Metz/Wolf, NStZ 2006, 537, 543). Dies gilt umso mehr, als die 2010 abgeurteilten Taten „jeweils im Zustand verminderter Schuldfähigkeit“ (UA S. 5) begangen wurden und sich deshalb ein Bezug zur Krankheitsgeschichte der Angeklagten aufdrängt. Schließlich hätte auch erkennbar Berücksichtigung finden müssen, dass die Angeklagte im Oktober 2012 freiwillig das Pfalzklinikum zur Behandlung aufsuchte, nachdem sie im Sommer 2012 wieder verstärkt unter Verfolgungsideen litt (UA S. 3).
18
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat war durch den Umstand, dass allein die Angeklagte Revision eingelegt hat, nicht gehindert, auch den Freispruch aufzuheben. Wird die Anordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB auf eine Revision des Angeklagten hin aufgehoben, hindert das Schlechterstellungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO den neuen Tatrichter nicht daran, an Stelle einer Unterbringung nunmehr eine Strafe zu verhängen (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dadurch soll vermieden werden, dass die erfolgreiche Revision eines Angeklagten gegen die alleinige Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus dazu führt, dass eine Tat, die wegen angenommener Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB nicht zu einer Bestrafung geführt hat, ohne strafrechtliche Sanktion bleibt, wenn sich in der neuen Hauptverhandlung herausstellt, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldfähig war (BT-Drucks. 16/1344, S. 17). Dieses gesetzgeberische Ziel kann nur erreicht werden, wenn das Revisionsgericht in diesen Fällen nicht nur die auf rechtsfehlerhaften Feststellungen zur Schuldfähigkeit beruhende Maßregelanordnung, sondern auch den hierauf gestützten Freispruch aufhebt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12 aaO; Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 229/10, NStZ-RR 2011, 320; Beschluss vom 27. Oktober 2009 – 3 StR 369/09 Rn. 9).
Sost-Scheible Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

(1) Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die weiteren gerichtlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft, die Aussetzung ihres Vollzugs (§ 116), ihre Vollstreckung (§ 116b) sowie auf Anträge nach § 119a beziehen, das Gericht zuständig, das den Haftbefehl erlassen hat. Hat das Beschwerdegericht den Haftbefehl erlassen, so ist das Gericht zuständig, das die vorangegangene Entscheidung getroffen hat. Wird das vorbereitende Verfahren an einem anderen Ort geführt oder die Untersuchungshaft an einem anderen Ort vollzogen, so kann das Gericht seine Zuständigkeit auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf das für diesen Ort zuständige Amtsgericht übertragen. Ist der Ort in mehrere Gerichtsbezirke geteilt, so bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung das zuständige Amtsgericht. Die Landesregierung kann diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.

(2) Nach Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht zuständig, das mit der Sache befaßt ist. Während des Revisionsverfahrens ist das Gericht zuständig, dessen Urteil angefochten ist. Einzelne Maßnahmen, insbesondere nach § 119, ordnet der Vorsitzende an. In dringenden Fällen kann er auch den Haftbefehl aufheben oder den Vollzug aussetzen (§ 116), wenn die Staatsanwaltschaft zustimmt; andernfalls ist unverzüglich die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

(3) Das Revisionsgericht kann den Haftbefehl aufheben, wenn es das angefochtene Urteil aufhebt und sich bei dieser Entscheidung ohne weiteres ergibt, daß die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 vorliegen.

(4) Die §§ 121 und 122 bleiben unberührt.

(5) Soweit nach den Gesetzen der Länder über den Vollzug der Untersuchungshaft eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedarf, ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Maßnahme durchgeführt wird. Unterhält ein Land für den Vollzug der Untersuchungshaft eine Einrichtung auf dem Gebiet eines anderen Landes, können die beteiligten Länder vereinbaren, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die für die Einrichtung zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gilt § 121b des Strafvollzugsgesetzes entsprechend.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.