Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2018 - 3 StR 386/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 13. Dezember 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
a) im Strafausspruch; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten,
b) mit den zugehörigen Feststellungen im Maßregelausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Hiergegen wendet er sich mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen überfielen der Angeklagte und drei Mitangeklagte in Ausführung eines gemeinsam gefassten Tatplans am Abend des 10. Dezember 2016 eine Wohngemeinschaft und entwendeten aus der Wohnung unter konkludenter Drohung mit einem zum Zweck der Einschüchterung bewusst offen getragenen Totschläger sowie unter Vorhalt einer ungeladenen Gaspistole - vorgefasster Absicht entsprechend - Marihuana , Bargeld und Wertgegenstände im Gesamtwert von 2.500 €.
- 3
- 2. Der Schuldspruch hält aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen sachlichrechtlicher Nachprüfung stand.
- 4
- 3. Die Bemessung der Freiheitsstrafe erweist sich hingegen als rechtsfehlerhaft.
- 5
- a) Die Strafkammer hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten "dessen Vorstrafen" berücksichtigt, wenngleich mit minderem Gewicht, weil "die letzte Tat bereits im Jahr 2010 begangen wurde" (UA S. 35). Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
- 6
- Ausweislich der Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen hatte die Staatsanwaltschaft im Jahr 2008 von der Verfolgung eines Diebstahls abgesehen (§ 45 JGG) und das Amtsgericht im Jahr 2010 ein Verfahren wegen eines weiteren Diebstahls gegen Erbringung von Arbeitsleistungen eingestellt (§ 47 JGG). Bei diesen beiden Voreintragungen im Erziehungsregister (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 BZRG) handelt es sich weder um Vorstrafen noch um jugendgerichtliche Vorahndungen. Mit der jeweiligen Verfahrensweise war keine Feststellung der Schuld verbunden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 6. September 2004 - 2 BvR 1280/04, juris Rn. 2; vom 8. März 2017 - 2 BvR 2282/16, NJW 2017, 1539 Rn. 14).
- 7
- Dem Tatgericht ist es zwar nicht prinzipiell verwehrt, strafschärfend zu werten, dass der Angeklagte bei Tatbegehung durch frühere eingestellte Verfahren gewarnt war (s. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1972 - 2 StR 499/72, BGHSt 25, 64, 65; Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR 472/04, juris Rn. 4; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 46 Rn. 40). Eine bloße Berücksichtigung einer solchen Warnwirkung lässt sich dem Urteil aber gerade nicht entnehmen (vgl. auch BGH, Urteil vom 26. Februar 1987 - 1 StR 698/86, NJW 1987, 2243, 2244; insgesamt skeptisch BGH, Beschluss vom 25. April 2006 - 4 StR 125/06, NStZ 2006, 620).
- 8
- b) Auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht das Urteil im Strafausspruch (§ 337 Abs. 1 StPO). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte, wenn sie nicht rechtsfehlerhaft zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hätte, er wäre vorbestraft. Der Strafausspruch unterliegt daher der Aufhebung. Indes bleiben die zugehörigen Feststellungen von dem Wertungsfehler unberührt, sodass sie bestehen bleiben können (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).
- 9
- 4. Auch die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hat keinen Bestand.
- 10
- Die Gefahr, der Angeklagte werde infolge seines Hangs erhebliche rechtswidrige Taten begehen (§ 64 Satz 1 StGB), findet in den tatsächlichen Feststellungen keine Grundlage. In den Urteilsgründen ist hierzu lediglich ausgeführt , diese Gefahr folge aus seiner "besonderen Persönlichkeitsstruktur und seiner nach wie vor vorhandenen Geldnot" (UA S. 39). Zur Persönlichkeitsstruktur ist nur die Diagnose des Sachverständigen wiedergegeben, beim Angeklagten liege eine "Persönlichkeitsakzentuierung mit narzisstischen und emotional instabil impulsiven Anteilen" vor (UA S. 38). Zur Geldnot findet sich allein die Mitteilung, der Angeklagte habe im Zeitraum von Oktober 2016 bis Mitte 2017 beim Glücksspiel seinen gesamten Lohn verspielt (s. UA S. 10).
- 11
- Diese äußerst knappen Ausführungen genügen nicht den an die Darlegung der Gefahrenprognose von Rechts wegen zu stellenden Anforderungen. Sie belegen nicht die Wahrscheinlichkeit, dass der - nicht vorbestrafte - Angeklagte hangbedingt erneut straffällig werden wird. Weder seine Gefährlichkeit noch der symptomatische Zusammenhang zwischen dem Hang zu Rauschmitteln und wahrscheinlichen künftigen Taten ist nachvollziehbar dargelegt (zu den Voraussetzungen vgl. nur MüKoStGB/van Gemmeren, 3. Aufl., § 64 Rn. 52 f., 55 ff. mwN).
- 12
- Zwar hat der Sachverständige, dem sich die Strafkammer angeschlossen hat, beim Angeklagten ein Abhängigkeitssyndrom von Cannabis (ICD-10 F12.20) sowie einen schädlichen Gebrauch von Kokain und Alkohol (ICD-10 F19.10) diagnostiziert (s. UA S. 38). Auch dies begründet jedoch noch nicht dessen Gefährlichkeit. Ein Erfahrungssatz des Inhalts, dass bei einem Drogenabhängigen generell die Gefahr neuer erheblicher Straftaten besteht, existiert nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2011 - 2 StR 645/10, StV 2013, 149).
- 13
- Eine schwere Gewalttat, die für sich allein die Gefährlichkeit indizieren könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2014 - 5 StR 509/14, juris Rn. 2 mwN), ist hier nicht gegeben. Das gilt umso mehr, als nicht festgestellt ist, dass der Angeklagte bei Tatbegehung drogenbedingt enthemmt gewesen wäre.
Berg Leplow
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Staatsanwalt kann ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung absehen, wenn die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen.
(2) Der Staatsanwalt sieht von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt oder eingeleitet ist und er weder eine Beteiligung des Richters nach Absatz 3 noch die Erhebung der Anklage für erforderlich hält. Einer erzieherischen Maßnahme steht das Bemühen des Jugendlichen gleich, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Der Staatsanwalt regt die Erteilung einer Ermahnung, von Weisungen nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, 7 und 9 oder von Auflagen durch den Jugendrichter an, wenn der Beschuldigte geständig ist und der Staatsanwalt die Anordnung einer solchen richterlichen Maßnahme für erforderlich, die Erhebung der Anklage aber nicht für geboten hält. Entspricht der Jugendrichter der Anregung, so sieht der Staatsanwalt von der Verfolgung ab, bei Erteilung von Weisungen oder Auflagen jedoch nur, nachdem der Jugendliche ihnen nachgekommen ist. § 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 Satz 2 sind nicht anzuwenden. § 47 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung.
(1) Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen, - 2.
eine erzieherische Maßnahme im Sinne des § 45 Abs. 2, die eine Entscheidung durch Urteil entbehrlich macht, bereits durchgeführt oder eingeleitet ist, - 3.
der Richter eine Entscheidung durch Urteil für entbehrlich hält und gegen den geständigen Jugendlichen eine in § 45 Abs. 3 Satz 1 bezeichnete Maßnahme anordnet oder - 4.
der Angeklagte mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist.
(2) Die Einstellung bedarf der Zustimmung des Staatsanwalts, soweit er nicht bereits der vorläufigen Einstellung zugestimmt hat. Der Einstellungsbeschluß kann auch in der Hauptverhandlung ergehen. Er wird mit Gründen versehen und ist nicht anfechtbar. Die Gründe werden dem Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit davon Nachteile für die Erziehung zu befürchten sind.
(3) Wegen derselben Tat kann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel von neuem Anklage erhoben werden.
(1) In das Erziehungsregister werden die folgenden Entscheidungen und Anordnungen eingetragen, soweit sie nicht nach § 5 Abs. 2 in das Zentralregister einzutragen sind:
- 1.
die Anordnung von Maßnahmen nach § 3 Satz 2 des Jugendgerichtsgesetzes, - 2.
die Anordnung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln sowie eines diesbezüglich verhängten Ungehorsamsarrestes (§§ 9 bis 16 des Jugendgerichtsgesetzes), Nebenstrafen oder Nebenfolgen (§ 8 Abs. 3, § 76 des Jugendgerichtsgesetzes) allein oder in Verbindung miteinander, - 3.
der Schuldspruch, der nach § 13 Absatz 2 Satz 2 aus dem Zentralregister entfernt worden ist, sowie die Entscheidung, die nach § 13 Absatz 3 aus dem Zentralregister entfernt worden ist, - 4.
Entscheidungen, in denen das Gericht die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln dem Familiengericht überläßt (§§ 53, 104 Abs. 4 des Jugendgerichtsgesetzes), - 5.
Anordnungen des Familiengerichts, die auf Grund einer Entscheidung nach Nummer 4 ergehen, - 6.
der Freispruch wegen mangelnder Reife und die Einstellung des Verfahrens aus diesem Grund (§ 3 Satz 1 des Jugendgerichtsgesetzes), - 7.
das Absehen von der Verfolgung nach § 45 des Jugendgerichtsgesetzes und die Einstellung des Verfahrens nach § 47 des Jugendgerichtsgesetzes, - 8.
(weggefallen) - 9.
vorläufige und endgültige Entscheidungen des Familiengerichts nach § 1666 Abs. 1 und § 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie Entscheidungen des Familiengerichts nach § 1802 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit § 1666 Abs. 1 und § 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, welche die Sorge für die Person des Minderjährigen betreffen; ferner die Entscheidungen, durch welche die vorgenannten Entscheidungen aufgehoben oder geändert werden.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 7 ist zugleich die vom Gericht nach § 45 Abs. 3 oder § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Jugendgerichtsgesetzes getroffene Maßnahme einzutragen.
(3) Ist ein Jugendarrest angeordnet worden, wird auch seine vollständige Nichtvollstreckung eingetragen.
(4) (weggefallen)
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.