Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juni 2018 - 3 StR 181/18
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Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 26. Juni 2018 einstimmig
beschlossen:
Die Kosten der Wiedereinsetzung tragen die Angeklagten.
Damit sind die Beschlüsse des Landgerichts Mönchengladbach vom 14. Februar 2018, mit denen die Revisionen der Angeklagten als unzulässig verworfen worden sind, gegenstandslos.
2. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in fünf Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten (den Angeklagten M. ) bzw. drei Jahren und drei Monaten (den Angeklagten H. ) verurteilt.
- 2
- I. Gegen dieses Urteil haben die Verteidiger der Angeklagten fristgerecht Revision eingelegt. Das schriftliche Urteil ist ihnen daraufhin am 18. Dezember 2017 (Rechtsanwalt He. als Verteidiger des Angeklagten H. ) bzw. am 19. Dezember 2017 (Rechtsanwalt L. als Verteidiger desAngeklagten M. ) zugestellt worden. Beide Verteidiger haben Revisionsbegründungen erstellt, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts gerügt und dies näher ausgeführt haben. Die beim Landgericht eingegangenen Schriftsätze tragen einen Eingangsstempel vom 20. Januar 2018, einem Samstag.
- 3
- 1. Die Strafkammer hat mit Beschlüssen vom 14. Februar 2018 die Revisionen nach § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, weil die Angeklagten ihre Rechtsmittel nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO begründet hätten; die Fristen seien am 18. bzw. am 19. Januar 2018 abgelaufen. Für den Angeklagten H. hat daraufhin Rechtsanwalt He. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er habe versehentlich eine einheitliche Frist für beide Sachen auf den 19. Januar 2018 notiert, deshalb sei die Revisionsbegründungsfrist ohne Verschulden des Angeklagten H. versäumt worden. Für den Angeklagten M. hat Rechtsanwalt L. hingegen auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss des Landgerichts vom 14. Februar 2018 angetragen. In dieser Entscheidung sei die Strafkammer von falschen Voraussetzungen ausgegangen, denn tatsächlich sei die Revisions- begründung am 19. Januar 2018 und damit fristgerecht beim Landgericht eingegangen : Rechtsanwalt He. habe sie am Abend dieses Tages zwischen 18.00 Uhr und 19.30 Uhr in den Nachtbriefkasten des Gerichts eingeworfen. Hilfsweise hat auch Rechtsanwalt L. für den Angeklagten M. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
- 4
- 2. Den Angeklagten ist nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie an der Versäumung der Frist kein Verschulden trifft, § 44 Satz 1 StPO.
- 5
- a) Hinsichtlich des Angeklagten H. ergibt sich die Fristversäumung schon daraus, dass auch dann, wenn man den Vortrag des Verteidigers als richtig unterstellt, die Revisionsbegründung sei am 19. Januar 2018 in den Nachtbriefkasten des Landgerichts eingeworfen worden, die Frist versäumt wurde, weil sie bereits am 18. Januar 2018 ablief.
- 6
- b) Mit Blick auf den Angeklagten M. gilt Folgendes:
- 7
- Auf der Grundlage des Vortrags des Verteidigers des Angeklagten wäre die Revisionsbegründung am 19. Januar 2018 und deshalb fristgerecht beim Landgericht eingegangen. Mangels Fristversäumung käme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht. Dem steht indes der Posteingangsstempel des Landgerichts entgegen, der im Regelfall als öffentliche Urkunde im Sinne von § 418 Abs. 1 ZPO, § 37 Abs. 1 StPO den Beweis über den Tag des Eingangs des Schriftstücks bei Gericht erbringt, wenn und solange dieser Beweis nicht gemäß § 418 Abs. 2 ZPO durch den Nachweis der Unrichtigkeit des im Eingangsstempel ausgewiesenen Zeitpunkts entkräftet wird (OLG Hamburg, Beschluss vom 23. März 2017 - 2 Rev 16/17, StraFo 2017, 508, 509 mwN). Zu dieser Entkräftung ist eine bloße Glaubhaftmachung, wie sie in der anwaltlichen Versicherung von Rechtsanwalt He. zu sehen ist, in aller Regel nicht ausreichend ; vielmehr muss zur vollen Überzeugung des Gerichts die Rechtzeitigkeit des Eingangs des Schriftsatzes feststehen. Der Beweis ist über schlichtes Bestreiten hinaus substantiiert anzutreten, wozu eine konkrete Darlegung der Umstände gehören kann, aus denen sich das Gegenteil der von der Beweiskraft der öffentlichen Urkunde erfassten Tatsachen ergeben soll (OLG Hamburg aaO). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Verteidigers des Angeklagten M. nicht. Auch wenn hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge, in die Außenstehende regelmäßig keinen Einblick haben, die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden dürfen, ist eine plausible und in sich widerspruchsfreie, beweisbare Darstellung eines abweichenden Ablaufs der Dinge erforderlich. Dazu hätte hier ein Vorbringen gehört, das es möglich erscheinen lassen könnte, dass es - etwa infolge eines technischen Defekts oder Nachlässigkeiten im Arbeitsablauf - beim Landgericht auch in anderen Fällen zu Fehlstempelungen gekommen ist (vgl. OLG Hamburg aaO). Daran fehlt es. Insbesondere genügt das Vorbringen, ein auf das Datum eines Samstags lautender Eingangsstempel würde keinen Sinn ergeben, nicht.
- 8
- Steht damit die Rechtzeitigkeit der Revisionseinlegung nicht fest, trifft den Angeklagten an der infolgedessen anzunehmenden Fristversäumung aber auch hier kein Verschulden, so dass ihm auf den hilfsweise gestellten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
- 9
- II. Die auf die jeweils erhobene Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben; ihre Revisionen erweisen sich damit als offensichtlich unbegründet.
Hoch Leplow
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.
(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.
(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.
War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.
(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.
(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.
(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.
(1) Für das Verfahren bei Zustellungen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(2) Wird die für einen Beteiligten bestimmte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt, so richtet sich die Berechnung einer Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung.
(3) Ist einem Prozessbeteiligten gemäß § 187 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes eine Übersetzung des Urteils zur Verfügung zu stellen, so ist das Urteil zusammen mit der Übersetzung zuzustellen. Die Zustellung an die übrigen Prozessbeteiligten erfolgt in diesen Fällen gleichzeitig mit der Zustellung nach Satz 1.
(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.
(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.
(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.