Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juni 2018 - 3 StR 181/18

bei uns veröffentlicht am26.06.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 181/18
vom
26. Juni 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion
ECLI:DE:BGH:2018:260618B3STR181.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 26. Juni 2018 einstimmig
beschlossen:
1. Den Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revisionen gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 17. November 2017 auf deren jeweiligen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung tragen die Angeklagten.
Damit sind die Beschlüsse des Landgerichts Mönchengladbach vom 14. Februar 2018, mit denen die Revisionen der Angeklagten als unzulässig verworfen worden sind, gegenstandslos.
2. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in fünf Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten (den Angeklagten M. ) bzw. drei Jahren und drei Monaten (den Angeklagten H. ) verurteilt.
2
I. Gegen dieses Urteil haben die Verteidiger der Angeklagten fristgerecht Revision eingelegt. Das schriftliche Urteil ist ihnen daraufhin am 18. Dezember 2017 (Rechtsanwalt He. als Verteidiger des Angeklagten H. ) bzw. am 19. Dezember 2017 (Rechtsanwalt L. als Verteidiger desAngeklagten M. ) zugestellt worden. Beide Verteidiger haben Revisionsbegründungen erstellt, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts gerügt und dies näher ausgeführt haben. Die beim Landgericht eingegangenen Schriftsätze tragen einen Eingangsstempel vom 20. Januar 2018, einem Samstag.
3
1. Die Strafkammer hat mit Beschlüssen vom 14. Februar 2018 die Revisionen nach § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, weil die Angeklagten ihre Rechtsmittel nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO begründet hätten; die Fristen seien am 18. bzw. am 19. Januar 2018 abgelaufen. Für den Angeklagten H. hat daraufhin Rechtsanwalt He. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er habe versehentlich eine einheitliche Frist für beide Sachen auf den 19. Januar 2018 notiert, deshalb sei die Revisionsbegründungsfrist ohne Verschulden des Angeklagten H. versäumt worden. Für den Angeklagten M. hat Rechtsanwalt L. hingegen auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss des Landgerichts vom 14. Februar 2018 angetragen. In dieser Entscheidung sei die Strafkammer von falschen Voraussetzungen ausgegangen, denn tatsächlich sei die Revisions- begründung am 19. Januar 2018 und damit fristgerecht beim Landgericht eingegangen : Rechtsanwalt He. habe sie am Abend dieses Tages zwischen 18.00 Uhr und 19.30 Uhr in den Nachtbriefkasten des Gerichts eingeworfen. Hilfsweise hat auch Rechtsanwalt L. für den Angeklagten M. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
4
2. Den Angeklagten ist nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie an der Versäumung der Frist kein Verschulden trifft, § 44 Satz 1 StPO.
5
a) Hinsichtlich des Angeklagten H. ergibt sich die Fristversäumung schon daraus, dass auch dann, wenn man den Vortrag des Verteidigers als richtig unterstellt, die Revisionsbegründung sei am 19. Januar 2018 in den Nachtbriefkasten des Landgerichts eingeworfen worden, die Frist versäumt wurde, weil sie bereits am 18. Januar 2018 ablief.
6
b) Mit Blick auf den Angeklagten M. gilt Folgendes:
7
Auf der Grundlage des Vortrags des Verteidigers des Angeklagten wäre die Revisionsbegründung am 19. Januar 2018 und deshalb fristgerecht beim Landgericht eingegangen. Mangels Fristversäumung käme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht. Dem steht indes der Posteingangsstempel des Landgerichts entgegen, der im Regelfall als öffentliche Urkunde im Sinne von § 418 Abs. 1 ZPO, § 37 Abs. 1 StPO den Beweis über den Tag des Eingangs des Schriftstücks bei Gericht erbringt, wenn und solange dieser Beweis nicht gemäß § 418 Abs. 2 ZPO durch den Nachweis der Unrichtigkeit des im Eingangsstempel ausgewiesenen Zeitpunkts entkräftet wird (OLG Hamburg, Beschluss vom 23. März 2017 - 2 Rev 16/17, StraFo 2017, 508, 509 mwN). Zu dieser Entkräftung ist eine bloße Glaubhaftmachung, wie sie in der anwaltlichen Versicherung von Rechtsanwalt He. zu sehen ist, in aller Regel nicht ausreichend ; vielmehr muss zur vollen Überzeugung des Gerichts die Rechtzeitigkeit des Eingangs des Schriftsatzes feststehen. Der Beweis ist über schlichtes Bestreiten hinaus substantiiert anzutreten, wozu eine konkrete Darlegung der Umstände gehören kann, aus denen sich das Gegenteil der von der Beweiskraft der öffentlichen Urkunde erfassten Tatsachen ergeben soll (OLG Hamburg aaO). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Verteidigers des Angeklagten M. nicht. Auch wenn hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge, in die Außenstehende regelmäßig keinen Einblick haben, die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden dürfen, ist eine plausible und in sich widerspruchsfreie, beweisbare Darstellung eines abweichenden Ablaufs der Dinge erforderlich. Dazu hätte hier ein Vorbringen gehört, das es möglich erscheinen lassen könnte, dass es - etwa infolge eines technischen Defekts oder Nachlässigkeiten im Arbeitsablauf - beim Landgericht auch in anderen Fällen zu Fehlstempelungen gekommen ist (vgl. OLG Hamburg aaO). Daran fehlt es. Insbesondere genügt das Vorbringen, ein auf das Datum eines Samstags lautender Eingangsstempel würde keinen Sinn ergeben, nicht.
8
Steht damit die Rechtzeitigkeit der Revisionseinlegung nicht fest, trifft den Angeklagten an der infolgedessen anzunehmenden Fristversäumung aber auch hier kein Verschulden, so dass ihm auf den hilfsweise gestellten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
9
II. Die auf die jeweils erhobene Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben; ihre Revisionen erweisen sich damit als offensichtlich unbegründet.
Gericke Spaniol Berg
Hoch Leplow

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Zivilprozessordnung - ZPO | § 418 Beweiskraft öffentlicher Urkunden mit anderem Inhalt


(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. (2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Lande

Strafprozeßordnung - StPO | § 345 Revisionsbegründungsfrist


(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn d

Strafprozeßordnung - StPO | § 44 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristversäumung


War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1

Strafprozeßordnung - StPO | § 346 Verspätete oder formwidrige Einlegung


(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß a

Strafprozeßordnung - StPO | § 37 Zustellungsverfahren


(1) Für das Verfahren bei Zustellungen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. (2) Wird die für einen Beteiligten bestimmte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt, so richtet sich die Berechnung einer Frist nach der z

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Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 23. März 2017 - 2 Rev 16/17

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Tenor 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 4, vom 19. Oktober 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Barm

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

(1) Für das Verfahren bei Zustellungen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Wird die für einen Beteiligten bestimmte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt, so richtet sich die Berechnung einer Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung.

(3) Ist einem Prozessbeteiligten gemäß § 187 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes eine Übersetzung des Urteils zur Verfügung zu stellen, so ist das Urteil zusammen mit der Übersetzung zuzustellen. Die Zustellung an die übrigen Prozessbeteiligten erfolgt in diesen Fällen gleichzeitig mit der Zustellung nach Satz 1.

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 4, vom 19. Oktober 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 30. Mai 2016 (Az.: 840 Ls 42/16) wird verworfen.

3. Es wird festgestellt, dass der Angeklagte durch das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 30. Mai 2016 wegen „Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften in 87 Fällen, dabei in 25 Fällen in Form des sich Verschaffens des Besitzes in Tateinheit mit Besitz und in den übrigen Fällen in Form des Unternehmens, einem anderen den Besitz zu verschaffen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden ist.

4. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Angeklagte.

Gründe

I.

1

Der Angeklagte ist am 30. Mai 2016 durch das Amtsgericht Hamburg-Barmbek, Schöffengericht, wegen „Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften in 87 Fällen, dabei in 25 Fällen in Form des sich Verschaffens des Besitzes in Tateinheit mit Besitz und in den übrigen Fällen in Form des Unternehmens, einem anderen den Besitz zu verschaffen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Gegen dieses in seiner Anwesenheit verkündete Urteil, hat der Angeklagte mit am 7. Juni 2016 eingegangenen Verteidigerschriftsatz vom 31. Mai 2016 Berufung eingelegt. In der Berufungshauptverhandlung hat der Angeklagte seine Berufung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Das Landgericht hat die Berufung mit am 19. Oktober 2016 ergangenen Urteil als unbegründet verworfen.

2

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit am 26. Oktober 2016 eingegangenem Verteidigerschriftsatz Revision eingelegt und nach im Anschluss an die Fertigstellung des Protokolls am 1. Dezember 2016 bewirkter richterlicher Urteilszustellung am 6. Dezember 2016 mit am 6. Januar 2017 eingegangenem Verteidigerschriftsatz die Revision mit der ausgeführten Sachrüge sowie einer Verfahrensrüge begründet.

3

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Urteil des Landgerichts aufzuheben, die Berufung des Angeklagten wegen Versäumung der Berufungseinlegungsfrist als unzulässig zu verwerfen sowie festzustellen, dass das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 30. Mai 2016 rechtskräftig ist.

4

Der Verteidiger des Angeklagten hat daraufhin mit Schriftsatz vom 17. Februar 2017 anwaltlich versichert, dass er die Berufung rechtzeitig eingelegt habe, da er seinen entsprechenden Schriftsatz vom 31. Mai 2016 persönlich am 6. Juni 2016 beim Amtsgericht Hamburg-Barmbek abgegeben habe.

II.

5

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Angeklagten (§§ 333, 341, 344, 345 StPO) führt zur Aufhebung des Berufungsurteils unter Ausspruch der Verwerfung seiner Berufung.

6

1. Die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils folgt aus der Rechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils, die ein Verfahrenshindernis begründet.

7

Die durch die Sachrüge veranlasste Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergibt, dass die Berufung des Angeklagten nicht gemäß § 314 Abs. 1 StPO binnen einer Woche nach der am 30. Mai 2016 in Anwesenheit des Angeklagten erfolgten Verkündung des amtsgerichtlichen Urteils eingelegt worden ist. Denn das Schreiben des Verteidigers vom 31. Mai 2016, wonach „gegen die Entscheidung vom 30.05.2016 zunächst fristwahrend unbestimmtes Rechtsmittel eingelegt (wird)“, ist ausweislich des hierauf angebrachten Eingangsstempels der Poststelle des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek erst am 7. Juni 2016 beim Amtsgericht eingegangen. Damit ist die Wochenfrist nicht eingehalten worden, so dass bereits das Amtsgericht die Berufung nach § 319 Abs. 1 StPO hätte verwerfen müssen. Bei nicht wirksamer Einlegung der Berufung wird das amtsgerichtliche Urteil rechtskräftig, was ein – von Amts wegen zu berücksichtigendes – Verfahrenshindernis nach sich zieht (vgl. Meyer-Goßner Einl Rn. 145). Die zwischenzeitlich erfolgte anwaltliche Versicherung des Verteidigers, er habe sein o.g. Schreiben bereits am 6. Juni 2016 persönlich bei der Wachtmeisterei des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek abgegeben, erfordert keine andere Bewertung.

8

a) Die rechtzeitige Vornahme einer Prozesshandlung – hier die Rechtzeitigkeit der Berufungseinlegung – wird im Regelfall durch den Eingangsstempel des angegangenen Gerichts nachgewiesen (BGH, Beschluss vom 15. September 2005, Az.: III ZB 81/04, Rn. 8, juris). Der Eingangsstempel des Gerichts ist eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO und bescheinigt den Tag, an dem das Schriftstück bei Gericht eingegangen ist. Dieser Beweis kann jedoch gemäß § 418 Abs. 2 ZPO durch den Nachweis der Unrichtigkeit des im Eingangsstempel ausgewiesenen Zeitpunkts entkräftet werden. Bloße Glaubhaftmachung genügt hierfür allerdings nicht. Vielmehr muss zur vollen Überzeugung des Gerichts die Rechtzeitigkeit des Eingangs bewiesen werden (BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1997, Az.: VII ZB 19/97, Rn. 6; Beschluss vom 10. Februar 2016, Az.: IV AR (VZ) 8/15, Rn. 7, juris). Dieser im Wege des Freibeweises zulässige Gegenteilsbeweis ist über schlichtes Bestreiten hinaus substantiiert anzutreten (Zöller/Geimer § 418 Rn. 4 m.w.N.). Erforderlich ist eine substantiierte Darlegung der Umstände, aus denen sich das Gegenteil der von der Beweiskraft der öffentlichen Urkunde erfassten Tatsachen ergeben soll (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2002, Az.: 2 BvR 2017/01, Rn. 4). Zwar dürfen hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge, in die Außenstehende regelmäßig keinen Einblick haben, die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden (BGH, Versäumnisurteil vom 17. Februar 2012, Az.: V ZR 254/10, Rn. 7, juris). Ausreichend – aber auch erforderlich – ist eine plausible und in sich widerspruchsfreie, beweisbare Darstellung eines abweichenden Ablaufs der Dinge (vgl. BeckOK ZPO/Krafka § 418 Rn. 9.1)

9

b) Der Verteidiger hat in seinem Schriftsatz vom 17. Februar 2017 nicht substantiiert beweisbare Umstände dargelegt, die zu einer Fehlstempelung geführt haben könnten. Der von ihm vorgetragene Sachverhalt erschöpft sich letztlich in der Behauptung, den die Rechtsmittelerklärung enthaltenden Schriftsatz vom 31. Mai 2016 noch am 6. Juni 2016 persönlich bei der Wachtmeisterei des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek innerhalb der Dienstzeit abgegeben zu haben. Dazu, wie unter diesen Umständen der genannte Schriftsatz fälschlicherweise mit dem Stempel des Folgetages versehen werden konnte, verhält sich die Erklärung des Verteidigers indes nicht.

10

Anhaltspunkte dafür, dass es bei der Wachtmeisterei des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek zum fraglichen Zeitpunkt infolge von mangelbehafteten Arbeitsabläufen bzw. Nachlässigkeit des verantwortlichen Personals nicht nur vorliegend, sondern auch in anderen Fällen zu Fehlstempelungen gekommen ist, werden weder vorgetragen noch ist derartiges ersichtlich. Der Senat ist bei der gegebenen Sachlage auch nicht gehalten, diesbezüglich eigene Nachforschungen anzustellen. Denn wie ausgeführt mangelt es vorliegend an einer substantiierten, eine gezielte Nachfrage erst ermöglichenden Darlegung der einzelnen Umstände der behaupteten rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels. Dem Schreiben des Verteidigers vom 17. Februar 2017, wonach er „die Rechtsmittelerklärung ... persönlich am 6.06.2016 während der Dienstzeiten der Wachtmeisterei des Amtsgerichtes ... durch das geöffnete Schalterfenster hindurch auf den dortigen Tresen gelegt, Blickkontakt mit dem uniformierten Personal aufgenommen und auf die Abgabe eines fristwahrenden Schriftstückes hingewiesen“ habe, lassen sich weder eine zumindest ungefähre Uhrzeit noch sonstige Umstände entnehmen, die – ggf. in der Zusammenschau mit dem damals geltenden Dienstplan – Aufschlüsse über die Identität des an diesem Tag zum fraglichen Zeitpunkt diensthabenden, für die Entgegennahme von fristwahrenden Schriftstücken zuständigen Wachtmeisters geben könnten, so dass dessen Befragung nicht möglich ist.

11

2. Das Revisionsgericht entscheidet im Beschlusswege nach § 349 Abs. 4 StPO und trifft unter Aufhebung des rechtsfehlerhaften Berufungsurteils (§ 353 StPO) entsprechend § 354 Abs. 1 StPO diejenige zwingende Entscheidung, die schon das Amtsgericht gemäß § 319 Abs. 1 StPO, spätestens aber das Berufungsgericht gemäß § 322 Abs. 1 S. 1 StPO hätte treffen müssen, nämlich die Berufung des Angeklagten zu verwerfen (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Juni 2007, a.a.O.). Das Verschlechterungsverbot gemäß § 358 Abs. 2 StPO steht dem schon deswegen nicht entgegen, weil die hier ergangenen Urteile identische Rechtsfolgen aussprechen (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 25. März 2014, Az.: 2 Rev 21/14; OLG Hamm, Beschluss vom 2. Juni 2008, Az.: 2 Ss 190/08, Rn. 19f., juris).

12

Damit verbleibt es bei dem Schuld- und Rechtsfolgenausspruch aus dem Urteil des Amtsgerichts, was der Senat zur Klarstellung in der Beschlussformel ausspricht (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Februar 2003, Az.: II – 8/03; OLG Hamm, a.a.O.).

III.

13

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO. Zwar hat die Revision des Angeklagten zu einer Aufhebung des angefochtenen landgerichtlichen Urteils geführt, doch liegt darin kein Erfolg im kostenrechtlichen Sinne (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Juni 2007, a.a.O.).