Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2015 - 2 StR 83/15
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- Das Landgericht hat bei der Prüfung des minder schweren Falles nach § 213 2. Alt. StGB zu Lasten des Angeklagten unter anderem berücksichtigt, dass er "noch dazu mit unbedingtem Tötungsvorsatz gegen sein Opfer" vorgegangen ist. Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB und erweist sich daher als rechtsfehlerhaft (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 - 2 StR 166/15; Beschluss vom 11. März 2015 - 1 StR 3/15). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei rechtsfehlerfreier Würdigung zur Annahme eines minder schweren Falles gelangt und eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte.
- 3
- Da es sich um einen Wertungsfehler handelt, bedarf es der Aufhebung von Feststellungen nicht. Der Tatrichter ist nicht gehindert, neue Feststellungen zu treffen, die zum feststehenden Sachverhalt nicht in Widerspruch stehen. Krehl Eschelbach Ott Zeng Bartel
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
- 2
- Die Prüfung des Landgerichts, ob ein sonstiger minder schwerer Fall im Sinne von § 213 2. Alt. StGB gegeben ist, erweist sich als rechtsfehlerhaft.
- 3
- Die Strafkammer hat bei der gebotenen Gesamtwürdigung insoweit maßgebliche Umstände außer Betracht gelassen. Sie hat weder das Verhalten der Mutter gewürdigt, deren Pflege bei dem Angeklagten zu einer täglich wiederkehrenden psychischen Belastung geführt hat, die ihn am Tattag an den Rand dessen führte, was er noch ertragen konnte (UA S. 9), noch hat sie die Motivation berücksichtigt, aus der der Angeklagte die Tat begangen hat (UA S. 14: "jetzt erlöst du sie von ihrem Leiden, es hat keinen Zweck mehr").
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- Als nicht unbedenklich stellt sich weiter die Erwägung dar, der Angeklagte habe den Tod seiner Mutter nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern vorsätzlich im Sinne einer absichtlichen, zielgerichteten Handlung herbeigeführt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2015 - 1 StR 3/15). Schließlich begegnet auch der vom Landgericht angeführte Umstand, der Angeklagte habe die Tat in dem gemeinsam mit der Getöteten bewohnten Haus begangen, Bedenken. Anders als in den Fällen, in denen ein Außenstehender in eine fremde Wohnung eindringt, ist nicht zu erkennen, dass das Haus, in der das Tatopfer zusammen mit dem 54-jährigen Angeklagten von Kindheit an zusammen lebte, ein Bereich war, in dem sich das Opfer - wie das Landgericht wohl meint - gerade gegenüber dem Angeklagten "sicher" fühlen durfte.
- 5
- Auf diesen Rechtsfehlern beruht der Strafausspruch. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei vollständiger und richtiger Würdigung aller maßgeblichen Strafzumessungsumstände einen minder schweren Fall angenommen hätte und zu einer geringeren Strafe gelangt wäre. Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Die mit der näher ausgeführten Sachrüge begründete Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs; im Übrigen ist sie im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
- 2
- 1. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht ausdrücklich strafschärfend gewertet, dass es dem Angeklagten unbedingt darauf angekommen sei, seine Ehefrau zu töten, und er nicht nur mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Februar 2004 – 4 StR 403/03 und vom 19. März 2009 – 4 StR 53/09, NStZ 2009, 564). Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Strafausspruch auf diesem Rechtsfehler beruht, der einen von drei bei der konkreten Strafzumessung ausdrücklich genannten Strafschärfungsgründe betrifft.
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- 2. Bei dem Vorbehalt der Sicherungsverwahrung ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es diesen aussprechen muss, weil die Voraussetzungen des § 66a Abs. 2 StGB vorliegen. Dies ist rechtsfehlerhaft. Bei § 66a Abs. 2 StGB handelt es sich schon nach dem Wortlaut der Norm („kann“) um eine Ermessensvorschrift (vgl. Stree/Kinzig, in Schönke/Schröder, 29. Aufl., § 66a Rn. 20). Da das Landgericht den Ermessenscharakter der Vorschrift verkannt hat, hat es kein Ermessen ausgeübt. Dem Senat ist es verwehrt, insoweit eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. August 2003 – 3 StR 251/03, NStZ-RR 2004, 12). Dies führt zur Aufhebung der Vorbehaltsanordnung.
- 4
- In diesem Zusammenhang nicht unbedenklich sind Formulierungen des Landgerichts, wonach bei dem die Tatumstände zum Teil bestreitenden Ange- klagten eine „echte Reue“ nicht ersichtlich sei,auch weil er sich in der Hauptverhandlung bei der Geschädigten mit der Begründung nicht entschuldigt habe, sie habe in der Hauptverhandlung gelogen. Rechtsfehlerhaft wäre es, mit einem zulässigen Verteidigungsverhalten des Angeklagten dessen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten oder dessen hangbedingte Gefährlichkeit zu begründen (vgl. Senat, Beschluss vom 21. August 2014 – 1 StR 320/14, NStZ-RR 2015, 9 mwN).
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- 3. Um dem neuen Tatgericht insgesamt eine widerspruchsfreie neue Entscheidung über die Rechtsfolgen zu ermöglichen, hat der Senat die zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
RiBGH Prof. Dr. Radtke befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschriftsleistung verhindert. Raum Mosbacher