Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2017 - 2 StR 581/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:150317B2STR581.16.0
bei uns veröffentlicht am15.03.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 581/16
vom
15. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:150317B2STR581.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 15. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 5. Oktober 2016 im Strafausspruch, und soweit von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen und sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2
1. Die Nachprüfung des Urteils zum Schuldspruch hat keinen Rechtsfehler ergeben.
3
2. Der Strafausspruch kann dagegen nicht bestehen bleiben. Die Strafkammer hat sowohl bei der Strafrahmenrahmenwahl als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu Lasten des Angeklagten darauf abgestellt, dass „er zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse nach nicht auf sexuelle Hand- lungen mit der Nebenklägerin angewiesen war, sondern diese Bedürfnisse auch legal mit der Zeugin P. befriedigen konnte“ (UA S. 38 f.). Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft, denn dem Angeklagten wird damit im Ergebnis angelastet, dass er die Taten überhaupt begangen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2003 – 4 StR 424/03). Der Senat kann nicht ausschließen, dass ohne diesen Rechtsfehler auf niedrigere Strafen erkannt worden wäre. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf seine Rechtsprechung zur Berücksichtigung von psychischen Schäden bei einer Tatserie sexuellen Kindesmissbrauchs hin (vgl. Senat, Beschluss vom 12. April 2016 – 2 StR 483/15, NStZRR 2016, 242; Urteil vom 9. Juli 2014 − 2 StR 574/13, NStZ 2014, 701 mwN).
4
3. Die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält rechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.
5
a) Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht der Maßregel hat das Landgericht die am 1. August 2016 in Kraft getretene Neufassung des § 64 Satz 2 StGB (BGBl. I 2016 S. 1610) nicht bedacht. Das Landgericht hat die Nichtanordnung der Maßregel entscheidend damit begründet, dass beim Angeklagten die für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erforderliche hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Therapie (§ 64 Satz 2 StGB) nicht bestehe, weil die voraussichtlich notwendige Dauer der Behandlung die in § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB genannte Frist von zwei Jahren überschreite (UA S. 35 f.). Dabei hat sich die Strafkammer an der bisherigen Rechtsprechung einiger Strafsenate des Bundesgerichtshofs zur Rechtslage vor der Gesetzesänderung orientiert, wonach die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB dann nicht vorliegen, wenn die Entzugsbehandlung voraussichtlich nicht innerhalb der in § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB für die Maßregel vorgesehenen Höchstfrist von zwei Jahren zum Erfolg führen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2014 – 3 StR 48/14, NStZ-RR 2014, 212 mwN; Senat Urteil vom 20. Januar 2016 – 2 StR 378/15; Beschluss vom 8. August 2012 – 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7, 8; vgl. auch Fischer, StGB, 64. Aufl., § 64 Rn. 19a; dagegen: BGH, Urteil vom 10. April 2014 – 5 StR 37/14, NStZ 2014, 315 f.; zuletzt offengelassen: BGH, Urteil vom 10. April 2014 – 5 StR 37/14, NStZ 2014, 315, 316; vgl. zum Ganzen: Schneider , NStZ 2014, 617). Dieser - auf den Wortlaut des § 67d Satz 1 Satz 1 StGB und den Willen des Gesetzgebers gestützten - Auslegung (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12, NJW 2012, 2292) ist mit der Neufassung des § 64 Satz 2 StGB im Zuge des Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuchs und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 (BGBl. I 2016 S. 1610) die Grundlage entzogen worden (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl., § 132 Rn. 21). Denn durch diese Gesetzesänderung enthält § 64 Satz 2 StGB nun eine entsprechende Klarstellung, indem nach dem Wort „Entzie- hungsanstalt“ die Worte „innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3“ eingefügt wurden. Damit hat der Gesetzgeber – um eine flexiblere Handhabung des § 64 StGB für den Einzelfall zu ermöglichen (vgl. BT-Drucksache 18/7244, S. 13, 24 f.) – an die Rechtsansicht des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs angeknüpft (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 – 5 StR 37/14, aaO), wonach für eine erfolgversprechende Behandlung im Sinne des § 64 Satz 2 StGB grundsätzlich die bei Verhängung einer Begleitstrafe geltende verlängerte Unterbringungsfrist nach § 67d Absatz 1 Satz 3 StGB zur Verfügung steht.
6
b) Die Neufassung des § 64 Satz 2 StGB findet gemäß § 2 Abs. 6 StGB auch auf den vorliegenden Fall Anwendung (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2007 – 3 StR 390/07, NStZ 2008, 213). Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht, das die übrigen Voraussetzungen des § 64 StGB als gegeben angesehen hat, unter Berücksichtigung der Gesetzesänderung die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet hätte.
7
c) Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert eine Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 – 2 StR 424/15; BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1StR 9/90, BGHSt 37, 5, 7 ff.). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. Senat, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 363; Beschluss vom 5. November 2015 – 2 StR 373/15), sondern die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ausdrücklich als rechtsfehlerhaft beanstandet. Appl Krehl Eschelbach Bartel Grube

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 483/15
vom
12. April 2016
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:120416B2STR483.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. April 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 13. Mai 2015 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in fünf Fällen, Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung, sowie wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
2
Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Strafkammer hat bei der Strafrahmenwahl und bei der konkreten Zumessung der Einzelstrafen unter anderem strafschärfend berücksichtigt, dass die Nebenklä- gerin infolge der Taten psychologische Unterstützung zur Bewältigung des Geschehens benötige und dass die Taten sich insgesamt über einen sehr langen Zeitraum erstreckten. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
Die bisherigen Feststellungen ergeben nicht, dass sich die Notwendigkeit einer psychologischen Behandlung zur Behandlung von sich aus der Tat ergebenden seelischen Beeinträchtigungen bereits nach der ersten Tat eingestellt hat. Sind die festgestellten psychischen Schäden aber (erst) Folgen aller Taten, so können sie dem Angeklagten nur einmal - bei der Gesamtstrafenbildung - angelastet werden. Sind sie dagegen unmittelbare Folge allein einzelner Taten, so können sie mit ihrem vollen Gewicht nur in diesen Fällen, nicht aber in gleicher Weise auch bei der Bemessung sämtlicher anderer Einzelstrafen in Ansatz gebracht werden (vgl. nur Senat, NStZ 2014, 701; NStZ-RR 2014, 340).
4
Auch dass die Taten sich über einen langen Zeitraum erstreckten, durfte nicht bei der Strafrahmenwahl und der konkreten Zumessung der Einzelstrafen zu Ungunsten des Angeklagten berücksichtigt werden. Dass einer ersten oder zweiten Tat weitere nachgefolgt sind, ist regelmäßig für deren Unrechtsgehalt ohne strafzumessungsrelevante Bedeutung. Dies mag anders sein, wenn von vornherein eine Mehrzahl von Taten geplant sind und darin die nach § 46 Abs. 2 StGB berücksichtigungsfähige "rechtsfeindliche Gesinnung" des Täters zum Ausdruck kommt (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 40 Rn. 34a). Entsprechende Feststellungen hat das Landgericht nicht getroffen; sie liegen mit Blick auf die sich situativ ergebenden Straftaten in den Fällen C I. 1-3 der Urteilsgründe und den Umstand, dass zwischen den fünf weiteren Taten der sexuellen Nötigung jeweils größere zeitliche Abstände lagen, auch nicht unbedingt nahe.

5
Dies führt zur Aufhebung aller Einzelstrafen und bedingt den Wegfall des Gesamtstrafenausspruchs. Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafzumessung auf diesem Rechtsfehler beruht. Fischer Appl Krehl Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 574/13
vom
9. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Juli 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin T. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerinnen A. und
M. B. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin D. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 29. Mai 2013 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
2
- schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 19 Fällen, in 18 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, in zwei Fällen zudem in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, ferner in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Nötigung und in einem Fall zudem in Tateinheit mit Verschaffen des Besitzes von kinderpornographischen Schriften,
3
- versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen,
4
- sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, in fünf Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen,
5
- Verbreitung kinderpornographischer Schriften in fünf Fällen
6
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt ; zudem hat es die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, gestützt auf § 66 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 StGB, angeordnet. Das auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Aufhebung sämtlicher Strafaussprüche und des Maßregelausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet.
7
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts „entwickelte“ der Angeklagte sexuelle Interessen an seinen leiblichen Töchtern A. , geboren am 31. Dezember 2001, D. , geboren am 25. September 2003 und T. , geboren am 15. Februar 2005. Anfangs erregte ihn das Betrachten seiner nackten Kinder. Ab Ende des Jahres 2006 begann er damit, sich seinen Töchtern sexuell zu nähern, indem er sie am ganzen Körper, insbesondere im Genitalbereich streichelte und leckte (Fälle II. A. (I.) 1. bis 3., 20. und 21. der Urteilsgründe ). In einem Fall (II. A. (I.) 18.) zeigte er seiner Tochter A. Bilder, auf denen ein blondes Mädchen im Alter der Geschädigten abgebildet war, das nackt posierend bei einem erwachsenen Mann den Oralverkehr ausführte. Der Angeklagte gab ihr zu verstehen, dass es sich bei den abgebildeten Personen um einen Freund und dessen Tochter handele.
8
Er brachte seine Kinder im weiteren Verlauf des fünf Jahre andauernden Tatzeitraums dazu, bei ihm den Oralverkehr auszuführen (Fälle II. A. (I.) 4. bis 6., 11., 15. bis 17. und 23. bis 25. der Urteilsgründe), zum Teil auch gemeinsam. Die sexuellen Handlungen „steigerten“ sich bis zum ungeschützten Vaginal - und Analverkehr (Fälle II. A. (I.) 7. bis 10. [Fall 8.: Versuch], 12. bis 14., 19. und 22. der Urteilsgründe), wobei seine Tochter A. am häufigsten von den sexuellen Übergriffen betroffen war. Dabei erlitt sie in zwei Fällen (II. A. (I.) 7.
und 14.) Schmerzen; in einem Fall (II. A. (I.) 24.) hat sie den Oralverkehr ausgeführt , nachdem er ihr zuvor mit Hausarrest gedroht hatte.
9
Der Angeklagte fertigte von den sexuellen Übergriffen teilweise Foto- und Filmaufnahmen, um sie für sich zu verwenden und an andere Personen weiterzugeben (Fall II. A. (I.) 23. der Urteilsgründe). Ab dem Jahr 2012 begann der Angeklagte intensiv damit, im Internet nach kinderpornographischem Material zu suchen. Dabei kam es in fünf Fällen zum Tausch von entsprechenden Dateien (Fälle II. A. (III.) 28. bis 32. der Urteilsgründe).
10
Im Sommer des Jahres 2012 brachte der Angeklagte schließlich die im Dezember 2004 geborene Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin dazu, an ihm den ungeschützten Oralverkehr auszuführen (Fall II. A. (II.) 26. der Urteilsgründe ).
11
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtsfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt. Insoweit nimmt der Senat auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 16. Dezember 2013 Bezug. Es beschwert den Angeklagten nicht, dass er im Fall II. A. (I.) 6. der Urteilsgründe nicht tateinheitlich wegen Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften verurteilt worden ist.
12
3. Der Rechtsfolgenausspruch hält insgesamt sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
13
a) Bei der Zumessung der – wegen (schweren) sexuellen Missbrauchs verhängten – 26 Einzelstrafen (Einzelfreiheitsstrafen zwischen einem Jahr und sechs Jahren und sechs Monaten) hat das Landgericht – rechtsfehlerhaft – jeweils zu Lasten des Angeklagten vor allem die erheblichen psychischen Tatfolgen bei allen Geschädigten berücksichtigt. Die bisherigen Feststellungen, na- mentlich die näheren Ausführungen zu den seelischen Beeinträchtigungen und Verhaltensauffälligkeiten (UA S. 17), weisen nämlich nicht aus, dass sich diese Folgen bei den Mädchen bereits nach den ersten Taten eingestellt haben. Denn sind die festgestellten psychischen Schäden Folge aller Taten, so können sie dem Angeklagten nur einmal – bei der Gesamtstrafenbildung (vgl. UA S. 42) – angelastet werden. Sind sie dagegen unmittelbare Folge allein einzelner Taten, so können sie mit ihrem vollen Gewicht nur in diesen Fällen, nicht aber in gleicher Weise auch bei der Bemessung sämtlicher anderer Einzelstrafen in Ansatz gebracht werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. November 1997 – 4 StR 539/97, NStZ-RR 1998, 107 f. und vom 20. Juli 1993 – 4 StR 316/93, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatauswirkungen 7; Theune in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 46 Rdn. 151; Hörnle in Leipziger Kommentar, aaO, § 176 Rdn. 42; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 46 Rdn. 26; Miebach in Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 46 Rdn. 96; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 46 Rdn. 34b).
14
Um der neu zur Entscheidung berufenen Strafkammer eine insgesamt in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen, hebt der Senat die Strafaussprüche auch in den Fällen II. A. (II.) 26. und II. A. (III.) 28. bis 32. der Urteilsgründe auf.
15
b) Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Der Senat weist darauf hin, dass für durch Zahlung erledigte, ursprünglich gesamtstrafenfähige Geldstrafen kein Härteausgleich zu gewähren ist (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 561/11; Fischer, aaO, § 55 Rdn. 21a, jeweils mwN).
16
c) Die Aufhebung sämtlicher Strafaussprüche führt dazu, dass bereits die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 StGB nicht (mehr) erfüllt sind; der Maßregelausspruch ist deshalb ebenfalls aufzuheben.
17
d) Die Erwägung des Landgerichts, wonach die Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Taten gemäß § 21 StGB (auch) deshalb nicht erheblich eingeschränkt gewesen sei, weil „eine erhebliche Beeinträchtigung … (der) kognitiven Fähigkeiten“ des Angeklagten nicht vorlag, da er „gezielt Situationen geschaffen (habe), in denen er mit den Kindern alleine war, um diese Situationen für die Durchführung der sexuellen Handlungen aus- zunutzen“ (UA S. 38), ist rechtlich bedenklich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. März 2002 – 3 StR 335/01, NStZ 2002, 476, 477 und vom 7. Januar 1993 – 4 StR 552/92, BGHR StGB § 21, Seelische Abartigkeit 25; Fischer, aaO, § 20 Rdn. 46a mwN). Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird sich auch deswegen erneut umfassend mit der Frage einer eingeschränkten Schuldfähigkeit und der Verhängung einer angemessenen Maßregel zu befassen haben; Schuldunfähigkeit des Angeklagten kann der Senat ausschließen. Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 4 8 / 1 4
vom
15. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 15. April
2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 15. Mai. 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr und acht Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vorweg zu vollziehen sind. Die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Rüge der Ver- letzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachbeschwerde den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht.
3
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
4
Das Landgericht ist nach den Urteilsgründen - sachverständig beraten - davon ausgegangen, dass sich mit Rücksicht auf das bestehende Abhängigkeitssyndrom zwar eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten insoweit nicht ausschließen lasse, als der Betrieb der verschiedenen Plantagen auch der Deckung seines Eigenbedarfs diente. "Die Fähigkeit, sein Verhalten normgerecht zu steuern", habe indes nicht den gewerblichen Teil des Betriebes der Anlagen erfasst, der nicht unmittelbar der eigenen Bedarfsdeckung diente. Die Strafen hat das Landgericht bei den Fällen des bandenmäßigen Betäubungsmittelhandels in nicht geringer Menge jeweils dem Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG und hinsichtlich des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG entnommen, ohne diese Normalstrafrahmen jeweils zu mildern.
5
a) Der Senat hat gegen eine geteilte Beurteilung der Schuldfähigkeit, wie sie das Landgericht hinsichtlich des Anbaus der Drogen zum gewinnbringenden Weiterverkauf einerseits und zur Deckung des Eigenbedarfs andererseits vorgenommen hat, rechtliche Bedenken:
6
Für die Schuldfähigkeitsbeurteilung kommt es darauf an, ob der Täter aufgrund einer bestimmten psychischen Verfassung in der Lage war, einer konkreten Tat Unrechtseinsicht und Hemmungsvermögen entgegenzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 1984 - 3 StR 22/84, StV 1984, 419, 420 mwN). Die Antwort darauf bezieht sich jeweils auf einen konkreten Rechtsverstoß. Dabei ist in der Rechtsprechung seit jeher anerkannt, dass ein bestimmtes psychisches Störungsbild sich bei Begehung verschiedenartiger Straftaten jeweils unterschiedlich auswirken kann. Verwirklicht der Täter hingegen - wie hier der Angeklagte durch den Anbau der Betäubungsmittel in der Absicht des - in geringerem Umfang - teilweisen Eigenkonsums und des gewinnbringenden Weiterverkaufs im Übrigen - durch eine einheitliche Handlung zwei Tatbestände , so scheint dem Senat die Schuldfähigkeitsbeurteilung nicht teilbar zu sein. Es erscheint fraglich, ob es für diese Entscheidung auf die jeweils unterschiedliche rechtliche Einordnung der einen Handlung ankommen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2011 - 3 StR 199/11, NStZ 2012, 44 mwN).
7
b) Der Senat braucht die Frage hier indes nicht zu entscheiden; denn der Angeklagte ist durch die vorliegende Beurteilung seiner Schuldfähigkeit durch das Landgericht nicht beschwert. Abgesehen davon, dass es (auch) für den Teil des Anbaus zur Deckung des Eigenbedarfs nach den Urteilsgründen keine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne von § 21 StGB festgestellt hat, belegen die Feststellungen insgesamt in keiner Weise , dass eine der Voraussetzungen vorgelegen hat, unter denen nach der ständigen Rechtsprechung Betäubungsmittelabhängigkeit zur Annahme ver- minderter Schuldfähigkeit führen kann (vgl. hierzu Weber, BtMG, 4. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 451 ff. mwN).
8
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält hingegen revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
9
a) Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerfrei einen Hang des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von Betäubungsmitteln, den symptomatischen Zusammenhang zwischen diesem und den abgeurteilten Taten sowie auch die Gefahr festgestellt, dass der Angeklagte aufgrund seines Hanges weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird (§ 64 Satz 1 StGB). Indes ergeben die Urteilsgründe nicht hinreichend, dass die erforderliche konkrete Aussicht auf einen Therapieerfolg im Sinne des § 64 Satz 2 StGB besteht. Denn das Landgericht führt im Anschluss an den gehörten Sachverständigen aus, dass "mit einer Therapiedauer von nicht unter zwei Jahren zu rechnen" sei. Die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB liegen jedoch nicht vor, wenn die Entzugsbehandlung voraussichtlich nicht innerhalb der in § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB für die Maßregel vorgesehenen Höchstfrist von zwei Jahren zum Erfolg führen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. April 2012 - 3 StR 65/12, BGHR StGB § 64 Abs. 2 Erfolgsaussicht 1 mwN; vom 17. Juli 2012 - 4 StR 223/12, juris Rn. 6; vom 8. August 2012 - 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7, 8; Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 377/12, StV 2013, 698). Solches liegt aber nahe, wenn die Therapie prognostisch "nicht unter zwei Jahre" in Anspruch nehmen wird (zur Notwendigkeit, die voraussichtlich erforderliche Therapiedauer zu benennen , vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27. März 2013 - 4 StR 60/13, juris Rn. 3 mwN).
10
Die Anordnung der Maßregel kann daher keinen Bestand haben. Da es möglich erscheint, dass ein sachverständig beratener neuer Tatrichter zu der Prognose gelangt, die erforderliche Dauer einer geschlossenen Unterbringung des Angeklagten werde (voraussichtlich) zwei Jahre nicht überschreiten (vgl. auch BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 377/12, StV 2013, 698 zur Frage einer Verkürzung der eigentlichen Entzugsbehandlung durch vorbereitende Sozialtherapien im Vorwegvollzug der Strafe oder eine entsprechende Nachsorge), bedarf die Sache insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
11
b) Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass bei der Berechnung des nach § 67 Abs. 2 StGB anzuordnenden Vorwegvollzuges eine vom Angeklagten erlittene Untersuchungshaft außer Ansatz bleibt. Die Untersuchungshaft ist ausschließlich im Vollstreckungsverfahren auf die Dauer des vor der Unterbringung zu vollziehenden Teils der Strafe gemäß § 51 Abs. 1 StGB anzurechnen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 4. September 2012 - 3 StR 352/12, BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 19).
Schäfer Pfister Hubert Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 378/15
vom
20. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubs u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:200116U2STR378.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 23. Dezember 2015, in der Sitzung am 20. Januar 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, der Richter am Bundesgerichtshof Zeng,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin als Verteidigerin,
Justizangestellte in der Verhandlung, Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 12. Dezember 2014
a) im Schuldspruch dahin klargestellt, dass der Angeklagte wegen besonders schweren Raubs in fünf Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen versuchten besonders schweren Raubs, schweren Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen verurteilt ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben aa) zugunsten des Angeklagten im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und den Vorwegvollzug, bb) soweit die mit Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Bonn vom 17. März 2010 angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt erklärt und die Zeit des Aufenthalts des Angeklagten im Maßregelvollzug auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet worden sind. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubs in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung , wegen versuchten besonders schweren Raubs, schweren Raubs, Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unter Vorwegvollzug der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren angeordnet. Darüber hinaus hat es die mit Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Bonn vom 17. März 2010 angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer „psychiatrischen Anstalt“ für erledigt erklärt. Es hat weiter festgestellt, dass sich der Angeklagte seit 31. März 2010 aufgrund des „für erledigt erklärten Urteils“ im Maßregelvollzug befinde und dass „dieser Aufenthalt“ auf die vorliegend verhängte Freiheitsstrafe angerechnet werde, so dass der angeordnete Vorwegvollzug erledigt sei.
2
Mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft insbesondere gegen die Erledigungserklärung der mit Urteil vom 17. März 2010 angeordneten Unterbringung nach § 63 StGB, gegen die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB sowie gegen die Anrechnung der Zeit des Maßregelvollzugs auf die verfahrensgegenständliche Gesamtfreiheitsstrafe. Die Revision hat den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg.

I.

3
Der Senat hat das der Strafkammer im Schuldspruch unterlaufene Fassungsversehen berichtigt (vgl. § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO); dem steht die Teilrechtskraft nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2009 - 1 StR 515/09; Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 59/14).
4
Wie sich aus den Urteilsgründen – sowohl in der Sachverhaltsdarstellung als auch in der rechtlichen Würdigung und in der Strafzumessung – zweifelsfrei ergibt, wurde der Angeklagte im Fall II. 5. der Urteilsgründe wegen schweren Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt und nicht – wie tenoriert – lediglich wegen schweren Raubs. In den Fällen II. 2. und 6. der Urteilsgründe wurde der Angeklagte jeweils nur wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung und nicht in einem Fall auch tateinheitlich wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Die Behebung derartiger offensichtlicher Versehen bei der Niederschrift der Urteilsformel, hinter denen sich zweifelsfrei keine sachliche Änderung verbirgt, ist noch dem Rechtsmittelgericht möglich.

II.

5
Die vom Landgericht erklärte Erledigung der durch das Jugendschöffengericht mit Urteil vom 17. März 2010 angeordneten Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hat keinen Bestand.
6
1. Der Erledigungserklärung liegt zugrunde, dass das Landgericht die vom Jugendschöffengericht getroffenen Wertungen als nicht plausibel und die von ihm getroffene Anordnung nach § 63 StGB in der Rückschau und nach jetzigem Kenntnisstand als rechtsfehlerhaft erachtet hat.
7
Die angeordnete Unterbringung hat das Landgericht mit der Begründung für erledigt erklärt, es entspräche dem Prinzip der Gesamtstrafenbildung, dass ein Angeklagter grundsätzlich so zu stellen sei, als ob „alle Sanktionen zur glei- chen Zeit berücksichtigt“ worden wären. Da der überwiegende Teil der verfahrensgegenständlichen zehn Raubüberfälle vor der Entscheidung des Jugend- schöffengerichts begangen worden sei, „lägen die zeitlichen Voraussetzungen vor“. Zwar seien „Urteile der Jugendgerichtemit Entscheidungen der Erwach- senengerichte“ grundsätzlich nicht gesamtstrafenfähig. Dieses Problem stelle sich vorliegend aber nicht, denn es würden nicht zwei Freiheitsstrafen zusam- mengefasst, sondern lediglich „zwei Maßregeln aufeinander abgestimmt“. Nach Überzeugung der Strafkammer wäre im „Herbst 2010“ nur die Maßregel nach § 64 StGB angeordnet worden, wenn auch die verfahrensgegenständlichen Delikte bekannt gewesen wären.
8
2. Die vom Landgericht erklärte Erledigung der mit Urteil vom 17. März 2010 angeordneten Unterbringung ist aufzuheben. Der insoweit erfolgte Eingriff des Tatgerichts in die Rechtskraft des früheren Urteils ist nicht durch eine Rechtsgrundlage gedeckt.
9
a) Eine Erledigungserklärung im Rahmen einer Gesamtstrafenbildung war unzulässig. Obgleich im Hinblick auf acht der abgeurteilten Raubüberfälle eine Gesamtstrafenlage vorlag, war vorliegend für die Anwendung des § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB kein Raum, wovon auch das Landgericht ausgegangen ist.
10
Zwar kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 StGB eine Gesamtstrafe auch dann gebildet werden, wenn der Angeklagte durch eine frühere Verurteilung eines Jugendgerichts rechtskräftig für eine Tat, zu deren Tatzeit er Heranwachsender war, nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist (vgl. MüKoStGB/Altenhain/Laue, JGG, 2. Aufl., § 105 Rn. 46; HK/Schatz, JGG, 7. Aufl., § 32 Rn. 3, 7).
11
Das Landgericht hat jedoch – aus seiner Sicht konsequent – keine Feststellungen dahingehend getroffen, dass das Jugendschöffengericht, das den Angeklagten wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und die Unterbringung nach § 63 StGB angeordnet hat, bei einer Schuldfeststellung auf den zur Tatzeit heranwachsenden Angeklagten allgemeines Strafrecht angewendet hätte. Den auszugsweise mitgeteilten Gründen des Jugendschöffengerichtsurteils sind Ausführungen dazu nicht zu entnehmen. Das Landgericht selbst hat § 55 StGB unter Hinweis darauf, dass „Urteile von Jugendgerichten und Entscheidungen von Erwachsenengerichten“ grundsätzlich nicht gesamtstrafenfähig seien, nicht angewandt und entsprechend dem „Prinzip der Gesamtstrafenbildung“ zwei unterschiedliche Maßregeln aufeinander abgestimmt; es ist also offenkundig davon ausgegangen, dass das Jugendschöffengericht auf den Angeklagten Jugendstrafrecht angewandt hat. Im Übrigen bestand eine Zuständigkeit des Jugendschöffengerichts vorliegend auch nur bei Anwendung von Jugendstrafrecht. Gemäß § 108 Abs. 3 Satz 2 JGG hätte es bei Anwendung allgemeinen Strafrechts nicht auf Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erkennen dürfen und das Verfahren der Jugendkammer vorlegen müssen (vgl. HK/Sonnen, JGG, 7. Aufl., § 108 Rn. 6).
12
b) Eine einheitliche nachträgliche Sanktionierung nach Jugendgerichtsgesetz scheidet demgegenüber von vorn herein aus, wenn davon auszugehen ist, dass der Angeklagte zunächst rechtskräftig nach Jugendstrafrecht verurteilt wurde und später nach Erwachsenenstrafrecht bestraft wird. Nach § 105 Abs. 2 i. V. m. § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG kann zwar dann einheitlich nach Jugendstrafrecht verfahren werden, wenn ein Heranwachsender zuerst nach Erwachse- nenstrafrecht rechtskräftig verurteilt worden ist und anschließend auf eine Tat, die er wiederum als Heranwachsender begangen hat, Jugendstrafrecht angewendet wird. Ist aber im anhängigen Verfahren – wie hier – eine Erwachsenenstraftat abzuurteilen, scheidet die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe nach § 55 StGB ebenso aus wie eine einheitliche Strafe nach Jugendstrafrecht (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 29. Februar 1956 - 2 StR 25/56, BGHSt 10, 100, 103; Urteil vom 12. Oktober 1989 - 4 StR 445/89, BGHSt 36, 270, 271 f.; Brunner/Dölling, JGG, 12. Aufl. § 32 Rn. 8 mwN); auch in analoger Anwendung des § 32 JGG kann eine solche “Gesamtstrafenbildung” nicht erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 1988 - 1 StR 498/88, BGHR JGG § 32 Ab- urteilung, getrennte 2), weil es insoweit schon an einer “planwidrigen Unvollständigkeit” des Gesetzes fehlt, da in § 105 Abs. 2JGG ausdrücklich nur der umgekehrte Fall geregelt ist. Überdies würde bei einer analogen Anwendung des § 32 JGG ein Erwachsenengericht über Verfehlungen Heranwachsender entscheiden können, obwohl dann, wenn die Anwendung von Jugendstrafrecht in Frage kommt, grundsätzlich nur die Jugendgerichte zuständig sind, § 103 Abs. 2 Satz 1 JGG (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1989 - 4 StR 445/89, NStZ 1991, 130 f.; Ostendorf, JGG, 10. Aufl., § 32 Rn. 7).
13
c) Der Angeklagte war auch nicht nach dem „Prinzip der Gesamtstrafenbildung“ so zu stellen, wie er bei gleichzeitiger Aburteilung aller Taten gestan- den hätte, denn auch für eine entsprechende Anwendung des Rechtsgedankens des § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB ist hier kein Raum. Von daher begegnet auch die Begründung des Tatgerichts, es sollten nicht zwei Freiheitsstrafen zusammengefasst , sondern (nur) zwei unterschiedliche Maßregeln aufeinander abgestimmt werden, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
14
Zwar gilt der Gedanke des § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB im Bereich der Nebenfolgenentscheidung auch für Konstellationen, in denen die frühere Tat bei der bereits getroffenen Anordnungsentscheidung – jedenfalls zeitlich gesehen – hätte mitberücksichtigt werden können. Ist eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung wegen der Zäsurwirkung einer weiteren Vorverurteilung nicht möglich oder unterliegen die abzuurteilenden Taten nicht der Gesamtstrafenbildung mit den Strafen aus der Vorverurteilung, durch die auch die Maßregel angeordnet worden ist, weil die hieraus gebildete Gesamtfreiheitsstrafe bereits vollständig vollstreckt ist, ist der Täter so zu stellen, wie er bei gleichzeitiger Aburteilung aller Strafen gestanden hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 5 StR 142/10, NStZ-RR 2011, 41; LK-Rissing-van Saan, 12. Aufl., StGB § 55 Rn. 58).
15
Doch auch eine in diesem Sinne bloße „Zusammenführung“ der vom Ju- gendschöffengericht angeordneten Maßregel mit den vom Landgericht erkannten Rechtsfolgen widerspräche – ausgehend davon, dass das Jugendschöffengericht hier Jugendstrafrecht angewandt hat – der in § 105 Abs. 2 JGG zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertung, dass grundsätzlich nur in Verfahren gegen Heranwachsende auch vorangegangene Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht einbezogen und neu bewertet werden dürfen. Eine im Wege der „Zusammenführung“ erfolgende einheitliche Verurteilung würde es zudem einem Erwachsenengericht ermöglichen, über die Rechtsfolgen einer früheren jugendgerichtlichen Verurteilung isoliert neu zu befinden, ohne eine Gesamtbewertung aller vor dieser Verurteilung begangenen Taten vorzunehmen und gemäß § 105 Abs. 2, § 32 JGG zu prüfen, ob nicht das Schwergewicht bei den Straftaten liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen sind. Auch über die Neuanordnung einer gegen einen Heranwachsenden verhängten Maßregel entscheiden daher im Anwendungsbereich der §§ 31, 32 JGG aufgrund eigener Sachprüfung allein die Jugendgerichte.
16
3. Die Aufhebung der Erledigungserklärung zieht den Wegfall der Anrechnung des Maßregelvollzugs auf die Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.

III.

17
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält dagegen revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
18
a) Soweit das Landgericht im Anschluss an den Sachverständigen davon ausgegangen ist, dass die Drogentherapie „mindestens zwei Jahre“ dauern werde, wird dadurch noch hinreichend belegt, dass die Entzugsbehandlung voraussichtlich innerhalb der in § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB für die Maßregel vorgesehenen Höchstfrist von zwei Jahren zum Erfolg führen kann (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 17. April 2012 - 3 StR 65/12, NJW 2012, 2292; und vom 25. März 2014 - 3 StR 11/14; vgl. dagegen BGH, Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 48/14, NStZ-RR 2014, 212, 213, zu einer prognostizierten Therapiedau- er von „nicht unter zwei Jahren“). Dies ist umso wahrscheinlicher, weil die vom Sachverständigen erforderlich erachtete neue medikamentöse Einstellung des Angeklagten als vorbereitende Behandlung noch im Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB erfolgen kann und von daher auf den gesetzlichen Zeitrahmen nicht anzurechnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 2014 - 3 StR 11/14).
19
b) Die Anordnung hat auch unter Berücksichtigung der früheren Verhängung der Maßregel nach § 63 StGB Bestand.
20
Bei der Prüfung, ob eine weitere freiheitsentziehende Maßregel anzuordnen ist, muss der Tatrichter in einem Fall, in dem – wie hier – nach einer früheren Unterbringung gemäß § 63 StGB nunmehr eine solche nach § 64 StGB im Raum steht, in Anlehnung an § 72 Abs. 1 StGB schon bei seiner Entscheidung über deren Verhängung prüfen, ob der Zweck der Maßregel, deren tatbestandliche Voraussetzungen er bejaht, nicht bereits durch die früher verhängte Maß- regel erreicht wird oder wurde (vgl. BayObLG, Beschluss vom 22. Juni 2004, NStZ-RR 2004, 295, 296). Diesen Anforderungen ist das Landgericht gerecht geworden. Es hat ausgeführt, dass auch die nunmehr vier Jahre andauernde Unterbringung die psychische Kokainabhängigkeit des Angeklagten nicht habe „relativieren können“, denn es sei weder eine Aufarbeitung seiner Drogenprob- lematik erfolgt noch ergebe sich allein aus der längeren drogenfreien Zeit eine „Abstinenz durch Zeitablauf“. Schon allein der Umstand, dass der noch junge Angeklagte seit Jahren mit (derzeit sechs) Neuroleptika behandelt werde, stehe der Annahme einer Drogenfreiheit entgegen. Das Gericht hat damit hinreichend dargelegt, dass dem Zweck der Unterbringung nach § 64 StGB nicht bereits durch die frühere Verhängung der Maßregel des § 63 StGB ausreichend Rechnung getragen wurde.

IV.

21
Die verhängten Einzelstrafen sowie die gebildete Gesamtfreiheitsstrafe lassen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten nicht erkennen. Zugunsten des Angeklagten unterliegt jedoch der Ausspruch über die Gesamtstrafe der Aufhebung.
22
Da nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen, wie unter II. ausgeführt, eine einheitliche Sanktionierung mit der nunmehr zwingend zu verhängenden Erwachsenenstrafe für die hier zu beurteilenden Taten, die der Angeklagte nach Vollendung des 21. Lebensjahres begangen hat, nicht in Betracht kommt, wäre dem Angeklagten ein Härteausgleich zuzubilligen gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 - 5 StR 486/11, StraFo 2012, 156). Diese durch die getrennte Aburteilung verursachte auszugleichende Härte kann vorliegend eine besonders gewichtige sein, etwa weil bei einer gleichzeitigen Aburteilung am 17. März 2010 eine einheitliche Anwendung von Jugendstrafrecht gemäß § 32 Satz 1 JGG oder § 105 Abs. 2 JGG in Betracht gekommen wäre und wegen der Anordnung nach § 63 StGB zudem gemäß § 5 Abs. 3 JGG von der Verhängung einer Jugendstrafe hätte abgesehen werden können. Aber auch dann, wenn das Jugendgericht wegen des veränderten Schwerpunkts aller Taten einheitlich allgemeines Strafrecht angewandt hätte, hätte wegen der gleichzeitig angeordneten Unterbringung die Strafe gemildert werden können. Entsprechende Hilfserwägungen hat das Landgericht – aus seiner Sicht konsequent – schon nicht angestellt.
23
Die durch die getrennte Aburteilung von Heranwachsenden- und Erwachsenentat mögliche Benachteiligung des Angeklagten kann hier bei der Bildung der Gesamtstrafe ausgeglichen werden, denn das Landgericht hat ausgehend von einer Einsatzstrafe von vier Jahren Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung von neun weiteren nicht unerheblichen Freiheitsstrafen (ein Jahr zwei Monate, zwei Mal ein Jahr und drei Monate, ein Jahr und sechs Monate, zwei Jahre, zwei Jahre sechs Monate, zwei Jahre zehn Monate, drei Jahre und drei Jahre sechs Monate) auf eine Gesamtfreiheitstrafe von acht Jahren erkannt, womit hinreichender Spielraum für einen möglichen Härteausgleich besteht. Eines Ausgleichs bereits bei Festsetzung der Einzelstrafen bedarf es daher nicht (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 12. Oktober 1989 - 4 StR 445/89, BGHSt 36, 270, 275 f.; Beschluss vom 15. Januar 1998 - 1 StR 725/97, NStZ-RR 1998, 151, 152).

V.

24
Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin: Sollte das neue Tatgericht nicht feststellen, dass das Jugendschöffengericht bei einer Schuldfeststellung allgemeines Strafrecht – was den Anwendungsbereich des § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB eröffnen würde –, sondern Jugendstrafrecht angewendet hat, kann die von ihm mit Urteil vom 17. März 2010 angeordnete Maßregel nach § 63 StGB ausschließlich im Vollstreckungsverfahren für erledigt erklärt werden. In diesem Verfahren kann im Falle des Fehlens der Anordnungsvoraussetzungen die Maßregel nach § 63 StGB gemäß § 67d Abs. 6 StGB auch dann für erledigt erklärt werden, wenn sich erst nach dem Beginn der Vollstreckung herausstellt, dass die Voraussetzungen von Anfang an nicht bestanden, weil aufgrund einer Simulation oder einer fehlerhaften Begutachtung eine Fehleinweisung im Ausgangsverfahren erfolgt ist (vgl. Rissing-van Saan/Peglau in LK, aaO, § 67d, Rn. 49). Auch die Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel kann gemäß § 67a StGB allein im Vollstreckungsverfahren erfolgen. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 279/12
vom
8. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. August 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 4. April 2012
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit zweifacher fahrlässiger Körperverletzung schuldig ist,
b) im Straf- sowie im Maßregelausspruch aufgehoben, im Hinblick auf den Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit zweifacher fahrlässiger Körperverletzung“ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Zudem hat das Landgericht die Unter- bringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit zweifacher fahrlässiger Körperverletzung nach den §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, 229, 52 StGB. Die Strafkammer hat es jedoch - worauf sie selbst in den Urteilsgründen (UA S. 13) hingewiesen hat - versäumt, die Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB in der Ur- teilsformel durch die Bezeichnung der Tat als „besonders“ schwere räuberische Erpressung zum Ausdruck zu bringen. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend berichtigt, weil die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat eine Kennzeichnung der begangenen Qualifikation erfordert (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 260 Rn. 25a).
3
Der Strafausspruch und die Maßregelanordnung weisen dagegen durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt: „1. Rechtlich zutreffend hat die Strafkammer zwar zunächst ohne Be- rücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB und unter alleiniger Heranziehung der allgemeinen Strafmilderungsgründe geprüft, ob die Tat als minder schwerer Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB zu werten ist (UA S. 14 f.). Auch hält sich die Wertung der Strafkammer, dass die allgemeinen Milderungsgründe allein die Annahme eines minderschweren Falles nicht tragen können , im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens. Die Strafkammer hätte jedoch im Anschluss an die Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände weiter prüfen müssen, ob der mildere Sonderstrafrahmen unter zusätzlicher Heranziehung des gesetzlich ver- typten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB der Strafzumessung im engeren Sinne hätte zu Grunde gelegt werden können. Erst wenn sie danach weiterhin keinen minderschweren Fall für gerechtfertigt gehalten hätte, hätte sie - wie geschehen (UA S. 15) - den wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen der Strafzumessung zu Grunde legen dürfen (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - 2 StR 218/11, NStZ 2012, 271; BGH, Beschluss vom 21. November 2007 - 2 StR 449/07, NStZRR 2008, 105; Fischer, StGB, 59. Auflage 2012, § 50 Rn. 4 m.w.N.). Diese rechtlich zwingende Prüfungsreihenfolge hat das Landgericht nicht beachtet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer bei zusätzlicher Heranziehung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB einen minder schweren Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB bejaht hätte. Zwar wäre der gesetzlich vertypte Straf- milderungsgrund damit „verbraucht“ gewesen (§ 50StGB), der Sonderstrafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB (1 Jahr bis 10 Jahre Freiheitsstrafe ) wäre jedoch für den Angeklagten günstiger gewesen als der nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderte Regelstrafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB (2 Jahre bis 11 Jahre 3 Monate). Im Hinblick auf die von der Strafkammer festgestellten gewichtigen allgemeinen Strafminderungsgründe ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des Sonderstrafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB eine mildere Freiheitsstrafe gegen den Angeklagten verhängt hätte. Deshalb bedarf es einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Strafausspruch. Da die zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen von diesem Rechtsfehler nicht berührt werden, können diese indes bestehen bleiben. 2. Die Maßregelanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB weist ebenfalls durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
a) Zwar hat die Strafkammer einen Hang des langjährig opiatabhängigen Angeklagten zu übermäßigem Rauschmittelkonsum mit rechtlich tragfähiger Begründung bejaht (UA S. 3, 12). Die Urteilsgründe belegen jedoch nicht, dass die verfahrensgegenständliche Tat eine Symptomtat im Sinne des § 64 Satz 1 StGB war. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die verfahrensgegenständliche Tat in einem (hinreichenden ) symptomatischen Zusammenhang mit der Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten stand. Insbesondere sind keine An- haltspunkte dafür erkennbar, dass die Tat der Beschaffung von Finanzmitteln zum Drogenerwerb dienen sollte. Hiergegen spricht zum einen, dass der Angeklagte mit Methadon substituiert wurde (UA S. 3, 7), und zum anderen, dass seine (erhebliche) bisherige Delinquenz nicht durch Taten gekennzeichnet ist, die dem Bereich der Beschaffungskriminalität zuzuordnen sind. Zwar hatte der Angeklagte im unmittelbaren Tatvorfeld erhebliche Mengen Alkohol konsumiert (UA S. 7), was die sachverständig beratene Strafkammer veranlasst hat, in Verbindung mit dem konkreten Methadon- und Rohpynolkonsum des Angeklagten am Tattag von einer rauschbedingten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit auszugehen (UA S. 12). Dies genügt jedoch nicht zum Beleg für eine Rauschtat im Sinne des § 64 StGB. Denn zum einen hat die Strafkammer den angenommenen Rauschzustand bei der Tatbegehung maßgeblich auf den stattgehabten Alkoholkonsum zurückgeführt, zum anderen ist sie von der Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten ausgegangen, dass dieser in den letzten drei Jahren vor der Tat keinerlei Alkohol konsumiert hatte, mithin kein Hang zu übermäßigem Alkoholkonsum vorlag (UA S. 3, 11 f.). Einem alkoholbedingten Rausch zur Tatzeit kann damit kein Symptomwert für einen Hang im Sinne des § 64 StGB zuerkannt werden, weil sich der vorhandene Hang des Angeklagten zum Rauschmittelkonsum nicht auf Alkohol, sondern auf Betäubungsmittel bezieht.
b) Im Übrigen hat die Strafkammer die konkrete Erfolgsaussicht einer Behandlung in einer Entziehungsanstalt im Sinne des § 64 Satz 2 StGB nicht rechtsfehlerfrei dargetan. Denn die Strafkammer ist - in Übereinstimmung mit den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen - zu der Feststellung gelangt, dass eine Therapiedauer von etwa drei Jahren erforderlich sei (UA S. 18). Die maximale Dauer einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beläuft sich allerdings gemäß § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB auf „lediglich“ zwei Jahre. Eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Sinne des § 64 Satz 2 StGB kann deshalb nicht bejaht werden, wenn sie die voraussichtlich notwendige Dauer einer Behandlung die Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB überschreitet (BGH, Beschluss vom 17. April 2012 - 3 StR 65/12).“
4
Dem schließt sich der Senat an.
Becker Fischer Berger Krehl Ott
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Therapiedauer und konkrete Erfolgsaussicht.
BGH, Urteil vom 10. April 2014 5 StR 37/14
LG Braunschweig
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 37/14
vom
10. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. April
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 2. September 2013 dahin abgeändert, dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt.
Die Staatskasse hat die Kosten der Revision und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen einer Reihe von Vergehen nach dem Betäubungsmittel- und dem Arzneimittelgesetz sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie Wertersatzverfall angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt im Ergebnis vertretene Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich allein gegen den Maßregelausspruch. Das Rechtsmittel ist begründet und führt zum Wegfall der Maßregel.

2
1. Das Landgericht hat, soweit für die Maßregelfrage relevant, im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Der 34-jährige Angeklagte konsumiert seit dem 14. Lebensjahr Cannabis sowie seit dem 17. Lebensjahr Kokain und ist in diesem Zusammenhang vielfach unter anderem mit Raubdelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten. Erstmals 2005 nahm er eine stationäre Therapie auf, aus der er jedoch wegen eines Drogenrückfalls entlassen werden musste. Eine kurze Zeit später begonnene erneute stationäre Behandlung brach er ab. Aus zwei ambulanten Therapien im November 2005 und im August 2006 wurde er wegen Drogenrückfällen entlassen. Im Frühjahr 2007 scheiterte eine weitere Behandlung in einer Therapieeinrichtung , da sich Mitarbeiter und Patienten von ihm bedroht fühlten. Erstmals im Februar 2008 schloss er eine rund viermonatige ambulante Therapie regulär ab; im selben Jahr kam es jedoch wieder zu einem Rückfall. Nach einer erneuten ambulanten Therapie war er von Ende 2010 bis Anfang 2012 abstinent. Wegen des Verlusts seines Arbeitsplatzes begann er dann jedoch abermals mit dem täglichen Konsum von Kokain und Cannabis. Auch seine Festnahme im vorliegenden Verfahren und die spätere Außervollzugsetzung des Haftbefehls hielten ihn nicht davon ab, weiterhin Betäubungsmittel zu konsumieren und zu deren Beschaffung wiederum Straftaten zu begehen (UA S. 29).
4
b) Sachverständig beraten hat die Strafkammer die Voraussetzungen des § 64 Satz 1 StGB bejaht. Auch eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) sei gegeben. Der Angeklagte sei therapiemotiviert. Er sehe für sich selber das Erfordernis professioneller Unterstützung und habe als Therapieaufträge die Bearbeitung seiner Biografie und das Erreichen von Langzeit- lebenszielen wie das Fortführen seiner Ehe und das Erlangen eines Arbeitsplatzes formuliert. Trotz der Schwere einer bei ihm bestehenden dissozialen Persönlichkeitsstörung erscheine der Aufbau einer therapeutischen Beziehung „noch möglich“. Polytoxikomanie sowie hirnorganische Folgen des Drogen- missbrauchs seien nicht feststellbar. Die vom Sachverständigen prognostizierte Therapiedauer von „etwa vier bis fünf Jahren“ stehe der Annahme hinreichend konkreter Erfolgsaussicht nicht entgegen, weil dem Gesetz nicht zu entnehmen sei, dass Therapien von über zwei Jahren generell als aussichtslos einzustufen seien (UA S. 36 ff.).
5
2. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam. Anhaltspunkte dafür, dass die Strafe von der Maßregelanordnung beeinflusst sein könnte, ergeben sich nicht.
6
3. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen tragen nicht die Annahme des Landgerichts, es bestehe eine hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zumindest eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in seinen Hang zu bewahren und von der Begehung auf seinen Hang zurückgehender erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten (§ 64 Satz 2 StGB).
7
a) Bei dem seit frühester Jugend Betäubungsmittel konsumierenden Angeklagten ist eine Vielzahl von Therapieabbrüchen bzw. Rückfällen nach Absolvierung von Therapien zu verzeichnen (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 1996 – 4 StR 473/96, NStZ-RR 1997, 131, 132; vom 21. Januar 2014 – 2 StR 650/13). Neben anderen Risikofaktoren (vgl. Schalast in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 3, S. 341) kommt als weiterer sehr ungünstiger Umstand hinzu, dass bei dem An- geklagten „primär“ eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und (nur) „sekundär“ eine Abhängigkeit von Kokain und Cannabis besteht (UA S. 30), was die Erfolgsaussichten einer Entwöhnungsbehandlung weiter vermindert (vgl. Nedopil /Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 158; Querengässer u.a., RuP 2014, 21). Jedenfalls bei derart ungünstigen Ausgangsbedingungen besteht bei einer durch den Sachverständigen und ihm folgend die Strafkammer prognostizierten Therapiedauer von „etwa vier bis fünf Jahren, einschließlich einer Adaptationsphase“ (UA S. 36) keine tragfähige Basis für die erforderliche konkrete Therapieaussicht, deren Unsicherheit sich im Übrigen aus den Urteilsausführungen selbst (UA S. 37) erschließt. Einzig die Therapiemotivation des Angeklagten im Zeitpunkt der Hauptverhandlung lässt unter solchen Vorzeichen nicht hinreichend sicher (§ 64 Satz 2 StGB) auf einen erfolgreichen Verlauf im Sinne des Gesetzes schließen. Hinzu kommt, dass es angesichts der Höhe der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe und der Dauer der anzurechnenden Untersuchungshaft kaum möglich wäre, die Therapie innerhalb der verlängerten Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB zu beenden (vgl. zu deren Berechnung van Gemmeren in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 64 Rn. 9). Hierzu haben die Prozessbeteiligten in der Revisionshauptverhandlung Stellung genommen; der Vertreter der Bundesanwaltschaft hat hierauf seinen Antrag maßgeblich gestützt.
8
b) Da eine Bejahung der Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB auf der Grundlage der Feststellungen sicher ausscheidet, führt die – gegen eine zusätzliche Belastung des Angeklagten gerichtete, ihn mithin aus Rechtsgründen begünstigende (§ 296 Abs. 2 StPO) – Revision der Staatsanwaltschaft zum Wegfall der Maßregel (vgl. zur Kostenfolge § 473 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 473 Rn. 16).

9
4. Bei dieser Sachlage braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob es an einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB im vorliegenden Fall bereits allein deshalb fehlt, weil die prognostizierte Therapiedauer zwei Jahre überschreitet (in diesem Sinne BGH, Urteile vom 11. März 2010 – 3 StR 538/09, JR 2010, 500; vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 377/12, StV 2013, 698; vom 27. März 2013 – 2 StR 384/12, StV 2013, 698; vom 16. Januar 2014 – 4 StR 496/13; Beschlüsse vom 17. April 2012 – 3StR 65/12, BGHR StGB § 64 Abs. 2 Erfolgsaussicht 1; vom 17. Juli 2012 – 4 StR 223/12, StraFo 2012, 413; vom 8. August 2012 – 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7). Der Senat hält jedoch an seiner gegenteiligen Auffassung (BGH, Beschluss vom 6. Februar 1996 – 5 StR 16/96) fest; danach steht eine Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren einer konkreten Erfolgsaussicht jedenfalls nicht grundsätzlich entgegen. Eine strikte Begrenzung der Unterbringungsdauer auf zwei Jahre mit der Folge der generellen Aussichtslosigkeit bei absehbar eine längere Dauer erfordernden Unterbringungen lässt sich dem Gesetzwortlaut nicht entnehmen (vgl. van Gemmeren aaO Rn. 73 mwN). § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB enthält gerade keine starre Beschränkung der Unterbringungsdauer; die Vorschrift ist vielmehr im Zusammenhang mit § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB zu sehen, der ausdrücklich eine Verlängerung der Zweijahresfrist vorsieht. Eine solche Begrenzung lässt sich auch nicht mit systematischen Erwägungen begründen, findet in den Gesetzesmaterialien keinen Niederschlag (vgl. BT-Drucks. IV/650, S. 218, siehe auch BT-Drucks. V/4095, S. 33) und widerstreitet dem Gesetzeszweck, die Allgemeinheit bei Bedarf auch durch im Einzelfall zwei Jahre übersteigende Therapie vor gefährlichen Tätern zu schützen (vgl. dazu auch Trenckmann, JR 2010, 501). Insbesondere ergäben sich im Vorfeld und in Konkurrenz zu schwereren freiheitsentziehenden Maßregeln (§§ 63, 66 StGB) prinzipielle Sperren gegen unter Umständen konkret aussichtsreiche längere Entzugstherapien. Diese wären – gerade auch im Blick auf § 72 StGB – mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schwerlich vereinbar und widersprächen in Fällen der Sicherungsverwahrung dem vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 128, 326) initiierten gesetzlichen Konzept, Sicherungsverwahrung durch individuelle und intensive Therapie vermeidbar zu machen (vgl. § 66c Abs. 2 StGB).
Basdorf Sander Schneider
Dölp König

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 65/12
vom
17. April 2012
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
___________________________________
Eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
(§ 64 Satz 2 StGB) besteht nicht, wenn die voraussichtlich notwendige
Dauer der Behandlung die Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB
überschreitet.
BGH, Beschluss vom 17. April 2012 - 3 StR 65/12 - LG Kleve
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 17. April 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 24. November 2011 wird als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von der Unterbringung der opiatabhängigen und unter einer rezidivierenden depressiven Störung leidenden Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat es sachverständig beraten abgesehen , weil es eine Behandlungsdauer von "deutlich mehr als zwei Jahren" prognostiziert hat. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Ergänzend zur Zuschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
3
1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erforderliche hinrei- chend konkrete Erfolgsaussicht der Therapie (§ 64 Satz 2 StGB) nicht besteht, wenn die voraussichtlich notwendige Dauer der Behandlung die Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB überschreitet.
4
a) Gemäß § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB darf die Unterbringung nach § 64 StGB nicht länger als zwei Jahre dauern. Der insoweit eindeutige Wortlaut gründet auf der Überzeugung des Gesetzgebers, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sei nur innerhalb einer bestimmten Frist, konkret innerhalb eines Zeitraums von bis zu zwei Jahren, sinnvoll und erfolgversprechend (vgl. Protokolle des Sonderausschusses "Strafrecht", 4. Wahlperiode, S. 803 ff., 819, 936 f., und 5. Wahlperiode, S. 427; außerdem BT-Drucks. 5/4095, S. 33; bekräftigt BT-Drucks. 16/1110, S. 14; vgl. auch LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 167; SK-Sinn, StGB, Stand: Juli 2009, § 67d Rn. 2; MünchKommStGB /Veh, § 67d Rn. 5; Satzger/Schmitt/Widmaier/Jehle, StGB, § 67d Rn. 9; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 7. Aufl., S. 283 Rn. 486).
5
b) Aus der Systematik der Bestimmungen zu den freiheitsentziehenden Maßregeln ergibt sich nichts anderes. Insbesondere lässt sich § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB nicht entnehmen, der Gesetzgeber halte Unterbringungen über zwei Jahre hinaus in Einzelfällen für therapeutisch sinnvoll. § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB knüpft die Höchstfristverlängerung nicht an die tatrichterliche Prognose, eine die Zweijahresfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB überschreitende Therapie werde ausnahmsweise erfolgreich sein, sondern will ausschließlich Systembrüche korrigieren, die sich aus der Vollstreckungsreihenfolge ergeben können (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - 3 StR 538/09, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 10 mwN; zu § 89 Abs. 5 StGB E 1962 vgl. BTDrucks. 4/650, S. 219; zur Vorbildfunktion des § 89 Abs. 5 StGB E 1962 für den späteren § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB vgl. BT-Drucks. 5/4095, S. 34).
6
c) Die Auffassung des Gesetzgebers, eine auf länger als zwei Jahre prognostizierte Unterbringung in einer Entziehungsanstalt biete keine hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg und habe deshalb von vornherein zu unterbleiben , findet ihre Bekräftigung in § 67 Abs. 2 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327). Nach dessen Satz 2 soll das Gericht bei der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen , dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Nach Satz 3 ist dieser Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden, auf die Strafe angerechneten Unterbringung die Vollstreckung der verbleibenden Hälfte der Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, erfolgversprechende Behandlungen dauerten "nach den Erfahrungen der Praxis gegenwärtig im Durchschnitt" ein Jahr, eine "sinnvolle Entziehungstherapie" sei "spätestens nach zwei Jahren beendet" (BT-Drucks. 16/1110, S. 14; zur durchschnittlichen Behandlungsdauer bereits die Gesetzentwürfe des Bundesrates zur Verbesserung der Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung , BT-Drucks. 14/8200, S. 10, und zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt, BT-Drucks. 15/3652, S. 13 f.).
7
d) Ob ein rechtspolitisches Bedürfnis besteht, Verurteilten, die aufgrund einer mit der Suchterkrankung kombinierten Persönlichkeitsstörung nicht von einer auf höchstens zwei Jahre befristeten Unterbringung nach § 64 StGB profitieren können, im Rahmen einer Maßregel anderen Zuschnitts Heilungschancen zu eröffnen, hat nicht der Senat, sondern der Gesetzgeber zu entscheiden. Dem Senat ist es verwehrt, einem verschiedentlich artikulierten Bedürfnis nach einer Eingliederung solcher Verurteilter in das Maßregelsystem des Strafgesetzbuchs (vgl. Trenckmann, JR 2010, 501, 502 f.) mittels einer den Wortlaut, die Systematik und den Sinn und Zweck der Vorschriften verfehlenden Interpretation der § 67d Abs. 1, § 67 Abs. 2 StGB Rechnung zu tragen und das Institut der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auf Fälle auszuweiten, auf die es nach dem Willen des Gesetzgebers keine Anwendung finden soll.
8
2. Der Senat ist an einer Verwerfung der Revision aufgrund der tragenden Erwägung (bisher nur obiter Beschlüsse vom 11. März 2010 - 3 StR 538/09, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 10, und vom 5. August 2010 - 3 StR 195/10, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 11), die Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB komme bei einer prognostizierten Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren nach geltendem Recht nicht in Betracht , nicht durch den Beschluss des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 6. Februar 1996 (5 StR 16/96) gehindert. Zwar beruhte dieser Beschluss seinerseits tragend auf der Gegenauffassung, in die Frist, innerhalb derer der Erfolg der Maßregel erwartbar sein müsse, sei auch eine gemäß § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB eintretende Verlängerung der Unterbringungsdauer einzubeziehen. Mit der Einführung des § 67 Abs. 2 StGB im Zuge der grundlegenden Reform des Rechts der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Jahr 2007 ist dieser Auslegung indessen endgültig die Basis entzogen; Anlass für ein Verfahren nach § 132 GVG besteht damit nicht (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl., § 132 Rn. 21).
Becker RiBGH von Lienen befindet Schäfer sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben Becker Mayer Menges

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Therapiedauer und konkrete Erfolgsaussicht.
BGH, Urteil vom 10. April 2014 5 StR 37/14
LG Braunschweig
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 37/14
vom
10. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. April
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 2. September 2013 dahin abgeändert, dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt.
Die Staatskasse hat die Kosten der Revision und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen einer Reihe von Vergehen nach dem Betäubungsmittel- und dem Arzneimittelgesetz sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie Wertersatzverfall angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt im Ergebnis vertretene Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich allein gegen den Maßregelausspruch. Das Rechtsmittel ist begründet und führt zum Wegfall der Maßregel.

2
1. Das Landgericht hat, soweit für die Maßregelfrage relevant, im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Der 34-jährige Angeklagte konsumiert seit dem 14. Lebensjahr Cannabis sowie seit dem 17. Lebensjahr Kokain und ist in diesem Zusammenhang vielfach unter anderem mit Raubdelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten. Erstmals 2005 nahm er eine stationäre Therapie auf, aus der er jedoch wegen eines Drogenrückfalls entlassen werden musste. Eine kurze Zeit später begonnene erneute stationäre Behandlung brach er ab. Aus zwei ambulanten Therapien im November 2005 und im August 2006 wurde er wegen Drogenrückfällen entlassen. Im Frühjahr 2007 scheiterte eine weitere Behandlung in einer Therapieeinrichtung , da sich Mitarbeiter und Patienten von ihm bedroht fühlten. Erstmals im Februar 2008 schloss er eine rund viermonatige ambulante Therapie regulär ab; im selben Jahr kam es jedoch wieder zu einem Rückfall. Nach einer erneuten ambulanten Therapie war er von Ende 2010 bis Anfang 2012 abstinent. Wegen des Verlusts seines Arbeitsplatzes begann er dann jedoch abermals mit dem täglichen Konsum von Kokain und Cannabis. Auch seine Festnahme im vorliegenden Verfahren und die spätere Außervollzugsetzung des Haftbefehls hielten ihn nicht davon ab, weiterhin Betäubungsmittel zu konsumieren und zu deren Beschaffung wiederum Straftaten zu begehen (UA S. 29).
4
b) Sachverständig beraten hat die Strafkammer die Voraussetzungen des § 64 Satz 1 StGB bejaht. Auch eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) sei gegeben. Der Angeklagte sei therapiemotiviert. Er sehe für sich selber das Erfordernis professioneller Unterstützung und habe als Therapieaufträge die Bearbeitung seiner Biografie und das Erreichen von Langzeit- lebenszielen wie das Fortführen seiner Ehe und das Erlangen eines Arbeitsplatzes formuliert. Trotz der Schwere einer bei ihm bestehenden dissozialen Persönlichkeitsstörung erscheine der Aufbau einer therapeutischen Beziehung „noch möglich“. Polytoxikomanie sowie hirnorganische Folgen des Drogen- missbrauchs seien nicht feststellbar. Die vom Sachverständigen prognostizierte Therapiedauer von „etwa vier bis fünf Jahren“ stehe der Annahme hinreichend konkreter Erfolgsaussicht nicht entgegen, weil dem Gesetz nicht zu entnehmen sei, dass Therapien von über zwei Jahren generell als aussichtslos einzustufen seien (UA S. 36 ff.).
5
2. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam. Anhaltspunkte dafür, dass die Strafe von der Maßregelanordnung beeinflusst sein könnte, ergeben sich nicht.
6
3. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen tragen nicht die Annahme des Landgerichts, es bestehe eine hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zumindest eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in seinen Hang zu bewahren und von der Begehung auf seinen Hang zurückgehender erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten (§ 64 Satz 2 StGB).
7
a) Bei dem seit frühester Jugend Betäubungsmittel konsumierenden Angeklagten ist eine Vielzahl von Therapieabbrüchen bzw. Rückfällen nach Absolvierung von Therapien zu verzeichnen (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 1996 – 4 StR 473/96, NStZ-RR 1997, 131, 132; vom 21. Januar 2014 – 2 StR 650/13). Neben anderen Risikofaktoren (vgl. Schalast in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 3, S. 341) kommt als weiterer sehr ungünstiger Umstand hinzu, dass bei dem An- geklagten „primär“ eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und (nur) „sekundär“ eine Abhängigkeit von Kokain und Cannabis besteht (UA S. 30), was die Erfolgsaussichten einer Entwöhnungsbehandlung weiter vermindert (vgl. Nedopil /Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 158; Querengässer u.a., RuP 2014, 21). Jedenfalls bei derart ungünstigen Ausgangsbedingungen besteht bei einer durch den Sachverständigen und ihm folgend die Strafkammer prognostizierten Therapiedauer von „etwa vier bis fünf Jahren, einschließlich einer Adaptationsphase“ (UA S. 36) keine tragfähige Basis für die erforderliche konkrete Therapieaussicht, deren Unsicherheit sich im Übrigen aus den Urteilsausführungen selbst (UA S. 37) erschließt. Einzig die Therapiemotivation des Angeklagten im Zeitpunkt der Hauptverhandlung lässt unter solchen Vorzeichen nicht hinreichend sicher (§ 64 Satz 2 StGB) auf einen erfolgreichen Verlauf im Sinne des Gesetzes schließen. Hinzu kommt, dass es angesichts der Höhe der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe und der Dauer der anzurechnenden Untersuchungshaft kaum möglich wäre, die Therapie innerhalb der verlängerten Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB zu beenden (vgl. zu deren Berechnung van Gemmeren in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 64 Rn. 9). Hierzu haben die Prozessbeteiligten in der Revisionshauptverhandlung Stellung genommen; der Vertreter der Bundesanwaltschaft hat hierauf seinen Antrag maßgeblich gestützt.
8
b) Da eine Bejahung der Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB auf der Grundlage der Feststellungen sicher ausscheidet, führt die – gegen eine zusätzliche Belastung des Angeklagten gerichtete, ihn mithin aus Rechtsgründen begünstigende (§ 296 Abs. 2 StPO) – Revision der Staatsanwaltschaft zum Wegfall der Maßregel (vgl. zur Kostenfolge § 473 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 473 Rn. 16).

9
4. Bei dieser Sachlage braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob es an einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB im vorliegenden Fall bereits allein deshalb fehlt, weil die prognostizierte Therapiedauer zwei Jahre überschreitet (in diesem Sinne BGH, Urteile vom 11. März 2010 – 3 StR 538/09, JR 2010, 500; vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 377/12, StV 2013, 698; vom 27. März 2013 – 2 StR 384/12, StV 2013, 698; vom 16. Januar 2014 – 4 StR 496/13; Beschlüsse vom 17. April 2012 – 3StR 65/12, BGHR StGB § 64 Abs. 2 Erfolgsaussicht 1; vom 17. Juli 2012 – 4 StR 223/12, StraFo 2012, 413; vom 8. August 2012 – 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7). Der Senat hält jedoch an seiner gegenteiligen Auffassung (BGH, Beschluss vom 6. Februar 1996 – 5 StR 16/96) fest; danach steht eine Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren einer konkreten Erfolgsaussicht jedenfalls nicht grundsätzlich entgegen. Eine strikte Begrenzung der Unterbringungsdauer auf zwei Jahre mit der Folge der generellen Aussichtslosigkeit bei absehbar eine längere Dauer erfordernden Unterbringungen lässt sich dem Gesetzwortlaut nicht entnehmen (vgl. van Gemmeren aaO Rn. 73 mwN). § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB enthält gerade keine starre Beschränkung der Unterbringungsdauer; die Vorschrift ist vielmehr im Zusammenhang mit § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB zu sehen, der ausdrücklich eine Verlängerung der Zweijahresfrist vorsieht. Eine solche Begrenzung lässt sich auch nicht mit systematischen Erwägungen begründen, findet in den Gesetzesmaterialien keinen Niederschlag (vgl. BT-Drucks. IV/650, S. 218, siehe auch BT-Drucks. V/4095, S. 33) und widerstreitet dem Gesetzeszweck, die Allgemeinheit bei Bedarf auch durch im Einzelfall zwei Jahre übersteigende Therapie vor gefährlichen Tätern zu schützen (vgl. dazu auch Trenckmann, JR 2010, 501). Insbesondere ergäben sich im Vorfeld und in Konkurrenz zu schwereren freiheitsentziehenden Maßregeln (§§ 63, 66 StGB) prinzipielle Sperren gegen unter Umständen konkret aussichtsreiche längere Entzugstherapien. Diese wären – gerade auch im Blick auf § 72 StGB – mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schwerlich vereinbar und widersprächen in Fällen der Sicherungsverwahrung dem vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 128, 326) initiierten gesetzlichen Konzept, Sicherungsverwahrung durch individuelle und intensive Therapie vermeidbar zu machen (vgl. § 66c Abs. 2 StGB).
Basdorf Sander Schneider
Dölp König

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 424/15
vom
28. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:280116B2STR424.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Ziffer 2. auf dessen Antrag, und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 28. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 12. Mai 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. Ü. wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten A. Ü. hat es wegen Beihilfe zum bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es Verfalls- und Einziehungsentscheidungen getroffen.
2
Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten bleiben zum Schuld- und zum Strafausspruch sowie zu den Verfalls- und Einziehungsentscheidungen ohne Erfolg. Sie führen jedoch zur Aufhebung des Urteils, soweit die Nichtanordnung der Unterbringung in einen Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) betroffen ist. Wie die Revision mit Recht beanstandet, hat sich das Landgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterzubringen sind, obwohl hierzu Anlass bestand.
3
Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte H. Ü. seit mehreren Jahren Cannabisprodukte sowie Amphetamin und Heroin, außerdem Diazepam und Rohypnol. Auch der wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringe Menge und wegen Besitzes von Amphetamin vorbestrafte Angeklagte A. Ü. konsumierte bereits seit mehreren Jahren Cannabisprodukte. Darüber hinaus verwendeten die beiden Angeklagten einen Teil der verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittel zum Eigenkonsum. Zwar vermochte das Landgericht – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist – keine genauen Angaben zu den Konsummengen der beiden Angeklagten treffen. Der Angeklagte H. Ü. hatte jedoch angegeben, vor seiner Inhaftierung täglich zwei Gramm Heroin konsumiert zu haben; der Angeklagte A. Ü. hatte bekundet, Marihuana und Amphetamin zu konsumieren, und hinzugefügt, dass sein Konsum größer als derjenige seines Bruders sei.
4
Bei dieser Sachlage hätte sich das Landgericht bezüglich beider Angeklagten zur näheren Erörterung der Frage gedrängt sehen müssen, ob die Voraussetzungen des § 64 StGB vorlagen.
5
Über die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist deshalb hinsichtlich beider Angeklagter neu zu befinden. Dass nur die Angeklagten Re- vision eingelegt haben, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9). Einer Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es nicht. Der Senat schließt aus, dass die Strafen geringer ausgefallen wären, wenn das Landgericht die Maßregel angeordnet hätte. Fischer Appl Eschelbach Zeng Bartel

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 373/15
vom
5. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:0511152STR373.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 26. Mai 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen, davon in acht Fällen in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Nachprüfung des Urteils zum Schuld- und Strafausspruch hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt begegnet hingegen durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken.
3
a) Nach den Feststellungen konsumierte der mehrfach vorbestrafte, heute 41 Jahre alte Angeklagte seit jungen Jahren Kokain und Speed sowie ab dem 15. Lebensjahr auch Heroin. Nach Antritt einer Jugendstrafe im Jahr 1993 nahm er kein Heroin mehr zu sich, jedoch konsumierte er weiterhin Kokain, Marihuana und Amphetamine. Der Angeklagte war in seinem Leben überwiegend ohne Beschäftigung. Zur Finanzierung seines Betäubungsmittelkonsums beging er auch Straftaten.
4
Im Jahr 2011 begann der Angeklagte erneut, Heroin zu konsumieren. Ab 2012 nahm er zusätzlich Methadon zu sich. Zur Finanzierung seines Konsums beging er Diebstähle und Einbruchsdiebstähle. Ab Mai 2012 begann er zudem, Heroin gewinnbringend weiter zu verkaufen und verübte die verfahrensgegenständlichen Taten. Ab Juni 2013 ließ sich der Angeklagte durch den Drogenersatzstoff Subutex subsituieren, um von seinem Heroinkonsum loszukommen. Zur Finanzierung seines Beikonsums von Kokain und anderen Betäubungsmitteln setzte er den verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittelhandel jedoch noch bis März 2014 fort.
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Nach seiner Festnahme im März 2014 wurde der Angeklagte von der Haft verschont, erhielt jedoch die Weisung, eine elektronische Fußfessel zu tragen. Im Rahmen dessen standen ihm zunächst dreieinhalb Stunden zur täglichen freien Verfügung, später sechs Stunden. Bis zur Hauptverhandlung war es zu keinem Rückfall hinsichtlich des Konsums oder Handels von Betäubungsmitteln gekommen.
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b) Die Strafkammer hat von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen. Aufgrund der Substitution bestehe bei ihm kein Hang mehr, Heroin zu sich zu nehmen. Soweit ein gegebenenfalls auf andere Betäubungsmittel bezogener Hang bestehe, fehle es an der erhöhten Wahrscheinlichkeit , dass der Angeklagte infolge dieses Hangs weitere Straftaten begehen werde, da er seit über einem Jahr nicht rückfällig geworden sei.
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c) Die Ablehnung der Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB hat keinen Bestand. Die vom Landgericht getroffene Gefährlichkeitsprognose lässt die gebotene Würdigung aller für und gegen eine Rückfallgefahr maßgeblichen Umstände vermissen.
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Zwar hat das Landgericht für die Prognose, ob die Gefahr, dass der Angeklagte infolge eines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, zu Recht auf den Zeitpunkt der tatrichterlichen Hauptverhandlung abgestellt. Auch kann es gegen eine Gefährlichkeit sprechen, wenn ein Täter bis zu diesem Zeitpunkt über einen langen Zeitraum hinweg keine hangbedingte Straftat mehr begangen hat. Bestehen aber Anhaltspunkte in der Persönlichkeit des Täters, seinem bisherigen Rauschmittelkonsum (Zeiträume, Mengen, Stoffe), dem Vorleben , Vorstrafen, der Anlasstat oder seinem Nachtatverhalten, die demgegenüber für eine Rückfallgefahr sprechen, müssen diese in die anzustellende Gefahrenprognose eingestellt werden.
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Dies hat das Landgericht vorliegend versäumt. Es hat schon den für eine Rückfallgefahr sprechenden Umstand nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem Angeklagten um einen langjährigen Konsumenten verschiedener Betäubungsmittel handelte, der zur Finanzierung seines Konsums auch schon zahlreiche Straftaten begangen hat. Auch hat das Gericht nicht bedacht, dass der Angeklagte seit seiner Haftverschonung im März 2014 mit der Weisung belegt war, eine elektronische Fußfessel zu tragen, und er im Rahmen dessen seine Wohnung nur stundenweise verlassen konnte, weshalb dem Umstand, dass er in dieser Zeit - neben Subutex - weder Betäubungsmittel konsumiert noch mit ihnen gehandelt hat, möglicherweise nur eingeschränkte Aussagekraft zukommen kann.
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Im Übrigen hätte sich das Landgericht zunächst damit auseinander setzen müssen, im Hinblick auf welche "berauschenden Mittel" ein Hang des Angeklagten besteht und welches Ausmaß diesem Hang zukommt, da beide Umstände in die Gefahrenprognose einzustellen gewesen wären. Daher durfte es das Landgericht nicht offen lassen, ob bei dem Angeklagten überhaupt ein Hang vorliegt. Insofern hat das Gericht bereits verkannt, dass nicht nur das vom Angeklagten zunächst konsumierte Heroin, sondern auch das später konsumierte Subutex ein berauschendes Mittel im Sinne des § 64 StGB ist (vgl. zu Methadon, Senat, Beschluss vom 27. Juni 2001 - 2 StR 204/01, Beschluss vom 5. Juli 2000 - 2 StR 87/00, NStZ-RR 2001, 12; BGH, Beschluss vom 18. Februar 1998 - 1 StR 17/98, NStZ 1998, 414).
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2. Die Frage der Maßregelanordnung bedarf daher - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neuer Verhandlung und Entscheidung. Aus den bisherigen Feststellungen ergibt sich nicht, dass eine stationäre Therapie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 64 S. 2 StGB).
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Der Strafausspruch kann bestehen bleiben, da auszuschließen ist, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf niedrigere Einzelstrafen oder eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte.
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Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung gemäß § 358 Abs. 2 StPO nicht. Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen. Appl Krehl RiBGH Dr. Eschelbach ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Appl Ott Bartel