Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2015 - 2 StR 399/15

ECLI: ECLI:DE:BGH:2015:1811152STR399.15.0
published on 18/11/2015 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2015 - 2 StR 399/15
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 399/15
vom
18. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
ECLI:DE:BGH:2015:1811152STR399.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 18. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 14. Juli 2015 im Ausspruch über den Verfall des Wertersatzes aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Daneben hat es unter anderem die sichergestellten Betäubungsmittel eingezogen und den Verfall von Wertersatz in Höhe eines Betrags von 84.000 € angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Ausspruchs über den Verfall von Wertersatz; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs sowie der Einziehungsentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hat die Anordnung des Verfalls von Wertersatz keinen Bestand.
3
1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte einen Betrag in Höhe von 84.000 € im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hat. Die aus eigenen Betäubungsmittelgeschäften resultierenden Erlöse in Höhe von 39.000 € hat der Angeklagte jeweils „aus der Tat“ erlangt. Daneben unterliegt auch der Betrag in Höhe von 45.000 €, den der Angeklagte aufgrund der Beteiligung an den Taten erhalten hat, als „für die Tat“ erlangter Tatlohn dem Verfall. Anders als das Landgericht meint, handelt es sich allerdings nicht um einen Fall des erweiterten Verfalls (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 73d StGB), da die Gelder nicht aus anderen, nicht angeklagten Taten herrührten (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 3 StR 224/13; vgl. auch Volkmer in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 33 Rn. 187). Hat das Tatgericht konkrete Betäubungsmitteltaten festgestellt und sind – wie hier – die aufgrund der Begehung dieser Taten konkret erlangten Gelder nicht mehr vorhanden (zu dem mit erlangten Geldern bezahlten Pkw siehe unter 2.), ist vielmehr der Verfall von Wertersatz (§ 73a StGB) in Höhe eines entsprechenden Geldbetrags anzuordnen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. September 2002 - 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198, 199; Beschluss vom 20. April 2010 - 4 StR 119/10, NStZ-RR 2010, 255).
4
2. Die Anordnung des Wertersatzverfalls käme hier lediglich in Höhe von 67.000 € in Betracht. Nach den Urteilsgründen hat sich der Angeklagte im April 2014 einen gebrauchten Pkw gekauft und den Kaufpreis in Höhe von 17.000 € aus den deliktisch erlangten Geldern bezahlt (UA S. 6). Auf das Eigentum an diesem Pkw hat der Angeklagte am 15. Mai 2015 schriftlich und unwiderruflich verzichtet (UA S. 13/21 f.). Bei dem Pkw handelt es sich um einen Gegenstand, den der Angeklagte als Surrogat im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB erworben hat. Hierzu zählen auch solche Gegenstände, die der Täter unter Verwendung (deliktisch) erlangter Geldbeträge angeschafft hat (vgl. Joecks in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 73 Rn. 59; Schmidt, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 46). Das Landgericht hätte daher den Pkw gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB für verfallen erklären und im Übrigen in Höhe von 67.000 € den Verfall von Wertersatz (§ 73a StGB) anordnen können (vgl. Joecks aaO § 73 Rn. 61). Infolge des Verzichts des Angeklagten wurde eine Verfallsanordnung hinsichtlich des Pkws entbehrlich (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 73 Rn. 41). Ungeachtet dessen hat der Verzicht zur Folge, dass sich die Höhe der Anordnung des Wertersatzverfalls entsprechend verringert (vgl. Senatsurteil vom 5. April 2000 - 2 StR 500/99, NStZ 2000, 480, 481; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2002 - 4 StR 233/02, BGHSt 48, 40), da andernfalls der Wert des Erlangten zwei Mal abgeschöpft werden könnte (vgl. Schönke/ Schröder/Eser, StGB, 29. Aufl., § 73 Rn. 46).
5
3. Der Ausspruch über den Verfall von Wertersatz kann aber auch in Höhe von 67.000 € keinen Bestand haben, weil das Landgericht die Voraussetzungen des § 73c StGB nur unzureichend geprüft hat.
6
Das Landgericht hat ausgeführt, dass „weder eine unbillige Härte vorliegt noch Billigkeitserwägungen ein Absehen von dieser [Verfalls-]Anordnung nahe legen“ (UA S. 23). Das Urteil enthält indes keine Feststellungen dazu, ob der Wert des Erlangten noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist. Entsprechende Feststellungen wären jedoch für die Prüfung des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB erforderlich gewesen. Nach dieser Vorschrift, die gegenüber § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB vorrangig ist (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 73c Rn. 2), kann eine Verfallsanordnung unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist. Es ist deshalb zunächst festzustellen, was der Angeklagte aus der Tat erlangt hat, sodann ist diesem Betrag der Wert seines noch vorhandenen Vermögens gegenüber zu stellen. Ist auch ein Gegenwert des Erlangten im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden, kann der Tatrichter von einer Verfallsanordnung absehen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2013 - 3 StR 52/13, StV 2013, 630;Beschluss vom 13. Februar 2014 - 1 StR 336/13, BGHR StGB § 73c Härte 16 mwN).
7
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte zumindest einen Teil der verbleibenden 67.000 € für seinen Lebensunterhalt verbraucht und zudem einen Großteil des Geldes in die Türkei transferiert (vgl. UA S. 6). Anlässlich der Festnahme des Angeklagten konnte lediglich ein Bargeldbetrag in Höhe von 1.125 € sichergestellt werden (UA S. 8). Dazu, ob der Angeklagte , der arbeitslos ist und bis Ende 2010 Sozialleistungen bezog, über weitere Vermögenswerte verfügt, verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Es ist daher nicht auszuschließen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung im Vermögen des Angeklagten weder das Erlangte noch ein Gegenwert vollständig vorhanden waren. Daran anknüpfend hätte sich das Landgericht mit den weiteren Voraussetzungen für eine Anwendung des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB auseinandersetzen und die gebotene Ermessensentscheidung treffen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2015 - 1 StR 187/15 mwN).
8
Dies führt zur Aufhebung des Ausspruchs über den Verfall von Wertersatz. Die bislang getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Sie können durch ihnen nicht widersprechende neue Feststellungen ergänzt werden. Appl Eschelbach Ott Zeng Bartel
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an. (2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einzieh
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 32 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.

(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.

(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.