Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Sept. 2019 - 2 StR 196/19

bei uns veröffentlicht am18.09.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 196/19
vom
18. September 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte u. a.
ECLI:DE:BGH:2019:180919B2STR196.19.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu Ziff. 1.a) und 2. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 18. September 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31. Juli 2018
a) im Schuld- und Strafausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte unter Wegfall der verhängten Einzelstrafen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 5 Euro verurteilt wird;
b) aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 5 Euro verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts des Angeklagten gestützte Revision gegen dieses Urteil hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Der Schuldspruch bedarf der Änderung, weil die Annahme der Strafkammer , der Angeklagte habe sich wegen zweier tatmehrheitlich begangener Taten des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte strafbar gemacht, sachlich -rechtlicher Prüfung nicht standhält.
4
Bei dem festgestellten Sachverhalt handelt es sich nach natürlicher Betrachtungsweise um ein in sich geschlossenes, zusammengehörendes, einheitliches Geschehen im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit. Schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild stellt sich das Handeln des Angeklagten, der sich dem Verbringen zur Bahnhofswache zur Durchführung einer Identitätsfeststellung mit Gewalt gegen die beiden Polizeibeamten zu entziehen versuchte, wegen seines räumlich und zeitlich engen Zusammenhangs als ein einheitlicher Vorgang dar. Auf der Grundlage der Feststellungen ist daher von Tateinheit im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit auszugehen. Dass sich die Tat gegen zwei Polizeibeamte richtete, ist nach dem Rechtsgut des § 113 StGB unerheb- lich (vgl. BGH VRS 57, 277). Ebenso wenig steht der Annahme von Tateinheit entgegen, dass durch die zugleich begangenen versuchten Körperverletzungen zum Nachteil der Beamten auch jeweils deren höchstpersönliches Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit angegriffen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1992 – 1 StR 148/92, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 2). § 265 Abs. 1 StPO hindert eine Schuldspruchänderung nicht, weil der geständige Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
5
2. Die Änderung des Schuldspruchs zieht den Wegfall der Einzelstrafen nach sich. Der Senat lässt jedoch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO die verhängte Gesamtgeldstrafe als Einzelstrafe bestehen, da ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht allein aufgrund geänderter Konkurrenzverhältnisse auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte, zumal der enge zeitlich, sachliche und situative Zusammenhang der Taten bei der Bildung ausdrücklich berücksichtigt worden ist und die abweichende konkurrenzrechtliche Bewertung den Schuldumfang unberührt lässt (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27. Juni 2018 – 4 StR 116/18, juris Rn. 4).
6
3. Das Landgericht hat es versäumt, eine Entscheidung über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB zu treffen (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Februar 2018 – 2 StR 348/17, BGHR StGB § 42 Zahlungserleichterungen 2). Hierzu bestand aber Veranlassung, weil die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten es nahelegen, dass er den Betrag der Geldstrafe aus laufendem Einkommen oder Vermögen nicht sofort begleichen kann. Die insoweit unterbliebene Entscheidung ist regelmäßig dem Tatrichter vorbehalten (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2018 – 4 StR 292/18, NStZ-RR 2019, 72, 73) und muss von ihm nachgeholt werden.
Franke Krehl Grube Schmidt Wenske

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

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(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit

Strafgesetzbuch - StGB | § 42 Zahlungserleichterungen


Ist dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. D

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.

(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

4
Die Änderung des Schuldspruchs hat den Wegfall der vom Landgericht festgesetzten Einzelstrafen zur Folge. Der Senat kann jedoch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Gesamtstrafe als einzige Strafe bestehen lassen. Er schließt aus, dass das Landgericht allein aufgrund der geänderten Konkurrenzverhältnisse eine niedrigere Strafe verhängt hätte, weil eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses bei – wie hier – unverändertem Schuldumfang kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 184; Beschlüsse vom 9. März 2005 – 2 StR 544/04, NStZ-RR 2005, 199, 200 und vom 2. Dezember 2014 – 4 StR 473/14).

Ist dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Das Gericht kann dabei anordnen, daß die Vergünstigung, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, entfällt, wenn der Verurteilte einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt. Das Gericht soll Zahlungserleichterungen auch gewähren, wenn ohne die Bewilligung die Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens durch den Verurteilten erheblich gefährdet wäre; dabei kann dem Verurteilten der Nachweis der Wiedergutmachung auferlegt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 348/17
vom
20. Februar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:200218B2STR348.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 20. Februar 2018 gemäß §§ 349 Abs. 2 und 4, 354 Abs. 3 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 24. März 2017 aufgehoben, soweit darin eine Entscheidung über Zahlungserleichterungen unterblieben ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Eschweiler – Strafrichter – zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Diebstahls in zwei Fällen und Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 130 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Zur unterbliebenen Entscheidung über Zahlungserleichterungen hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 18. August 2017 ausgeführt: „c) Rechtsfehlerhaft ist (..) nicht über Zahlungserleichterungen entschie- den worden. Da die Entscheidung nach § 42 StGB zwingend vorgeschrieben ist, muss sich das Urteil damit befassen, wenn die Anwendung der Vorschrift nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eines Angeklagten naheliegt (vgl. BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg § 42 Rn. 4). Dies ist hier der Fall, weil auf der Hand liegt, dass die Angeklagte den Betrag der Geldstrafe nicht aus laufendem Einkommen, Rücklagen oder Vermögen sofort begleichen kann (zu diesem Kriterium Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Albrecht, StGB, § 43 Rn. 4). Ein Ansparen bis zum Vollstreckungszeitpunkt kommt hier angesichts der Höhe der Geldstrafe nicht in Betracht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 6. Januar 2015 – III-1 RVs 112/14 -; zum Schonvermögen bei der Grundsicherung für Arbeitslose vgl. § 12 Abs. 2 und 3 SGB II). Sonstige Gründe, die einer Gewährung von Zahlungserleichterungen entgegenstehen könnten, sind nicht erkennbar , so dass diese grundsätzlich zwingend ist (vgl. MüKoStGB /Radtke, § 42 Rn. 16 ff.; Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, StGB, § 42 Rn. 4, jeweils mwN); dass auch die Vollstreckungsbehörde nach Rechtskraft noch Zahlungserleichterungen bewilligen kann (§ 459a StPO), ändert daran nichts. Das Revisionsgericht kann die Entscheidung nicht selbst treffen, weil das Urteil keine ausreichenden Feststellungen enthält (vgl. demgegenüber BGHR StGB § 42 Zahlungserleichterungen 1; ferner MüKo-StGB/Radtke aaO Rn. 26). Dass bei Gewährung von Zahlungserleichterungen eine niedrigere Geldstrafe festgesetzt worden wäre, ist auszuschließen (vgl. dagegen OLG Bremen NJW 1954, 522).
d) Es ist sachdienlich, die Sache im verbleibenden Umfang nach § 354 Abs. 3 StPO an das Amtsgericht – Strafrichter – zurückzuverweisen.“
3
Dem kann sich der Senat nicht verschließen.
4
Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt werden (§ 353 Abs. 2 StPO).
Schäfer Appl Eschelbach Grube Schmidt

Ist dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Das Gericht kann dabei anordnen, daß die Vergünstigung, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, entfällt, wenn der Verurteilte einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt. Das Gericht soll Zahlungserleichterungen auch gewähren, wenn ohne die Bewilligung die Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens durch den Verurteilten erheblich gefährdet wäre; dabei kann dem Verurteilten der Nachweis der Wiedergutmachung auferlegt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 292/18
vom
7. November 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: gefährlicher Körperverletzung
zu 2.: Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2018:071118B4STR292.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 7. November 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 22. Dezember 2017 aufgehoben,
a) soweit es den Angeklagten D. betrifft, mit den Feststellungen ,
b) soweit es den Angeklagten K. betrifft, im Ausspruch über die Höhe des Tagessatzes mit den zugehörigen Feststellungen und insoweit, als eine Entscheidung über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen (§ 42 StGB) nicht getroffen worden ist. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten K. wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten K. hat es wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 270 Tagessätzen zu je 15 € verurteilt. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten jeweils die Verletzung materiellen Rechts. Während das Rechtsmittel des Angeklagten D. in vollem Umfang Erfolg hat, führt die Revision des Angeklagten K. lediglich zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel dieses Angeklagten unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Die Verurteilung des Angeklagten D. wegen (mit-)täterschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
1. Insoweit hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
a) Zwischen dem Nebenkläger und Mitgliedern der Familie des Mitangeklagten B. war es bereits geraume Zeit vor der Tat immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen. Nachdem der Pkw des Vaters des gesondert Verfolgten C. , eines Bekannten der Angeklagten und des Mitangeklagten B. , in der Nacht vom 17. auf den 18. Dezember 2015 in Brand gesetzt worden war, vermutete C. die Verantwortung dafür bei dem Nebenkläger. Am 19. Dezember 2015 beschlossen C. und weitere fünf Personen – darunter auch der Mitangeklagte B. , der einen vor den anderen verborgen gehaltenen Baseballschläger mit sich führte – bei einem Treffen in einem Café in Bi. , den Nebenkläger zur Rede zu stellen und begaben sich zu diesem Zweck zu dessen Aufenthaltsort in Bü. . Die beiden Angeklagten , die im Taxi des Angeklagten K. zufällig am Café vorbeikamen, schlossen sich an. Allen Beteiligten war klar, dass es möglicherweise zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommen würde. Als der Nebenkläger die herannahende Personengruppe erkannte, ergriff er die Flucht, wurde aber von dem Mitangeklagten B. eingeholt, der ihn auch dann noch mit dem Baseballschläger auf den Kopf schlug, als er (der Nebenkläger) infolge der Gewalteinwirkung bereits zu Boden gegangen war. Der gesondert Verfolgte C. forderte B. auf, nicht auf den Kopf des Nebenklägers zu schlagen, nahm dem B. den Baseballschläger ab und schlug damit mehrfach gegen die Beine des Nebenklägers, wobei er diesem vorwarf, den Pkw seines Vaters in Brand gesetzt zu haben. Nunmehr traf auch der Angeklagte D. ein und äußerte gegenüber dem Mitangeklagten B. und dem gesondert verfolgten C. , man solle nur auf die Beine des Nebenklägers schlagen, nicht aber auf dessen Kopf. Er handelte dabei in der Vorstel- lung, die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs „durch sein eigenes Handeln weiter zu fördern“. Nacheinigen (weiteren) Schlägen durch C. wur- den Anwohner auf das Geschehen aufmerksam und riefen die Polizei. Daraufhin verließen der Angeklagte D. , der Mitangeklagte B. und der gesondert Verfolgte C. den Tatort und fuhren in dem vom Mitangeklagten K. gesteuerten Taxi nach Bi. zurück.
5
b) Der Angeklagte D. habe sich, so die Strafkammer, durch seine Anwesenheit am Tatort und seine Aufforderung, auf die Beine des Nebenklägers zu schlagen, das Handeln des gesondert verfolgten C. zu eigen gemacht und müsse sich dessen Schläge gemäß § 25 Abs. 2 StGB zurechnen lassen.
6
2. Die Urteilsgründe belegen eine Mittäterschaft des Angeklagten D. nicht.
7
a) Mittäter ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Teil als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint, wobei die Abgrenzung aufgrund einer wertenden Betrachtung aller von den Vorstellungen der Beteiligten umfassten Umstände erfolgt. Dabei kommen dem Umfang der Tatbeteiligung, der Tatherrschaft, dem Willen zur Tatherrschaft und dem eigenen Interesse am Taterfolg besondere Bedeutung zu (vgl. nur BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – 1 StR 159/17, WM 2018, 2028, Rn. 30 mwN). Dabei ist die tatgerichtliche Bewertung der Beteiligungsform nur einer eingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht zugänglich. Lässt das angefochtene Urteil erkennen, dass der Tatrichter den anzuwendenden Maßstab erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2018 aaO, Rn. 31 mwN).
8
b) Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs wird die Annahme einer mittäterschaftlichen Beteiligung des Angeklagten (§ 25 Abs. 2 StGB) von den Feststellungen nicht getragen. Diese enthalten einen nicht aufgelösten Widerspruch.
9
Was die von C. nach dem Hinzutreten des Angeklagten gegen die Beine des Tatopfers ausgeführten (weiteren) Schläge angeht, beruht die Annahme von Mittäterschaft insoweit ersichtlich allein auf dem Umstand, dass der Angeklagte nach den Feststellungen zugleich mit seiner Aufforderung, nicht mehr auf den Kopf des Nebenklägers zu schlagen, gegenüber C. äußerte, sie sollten „nur auf die Beine schlagen“. Damit unvereinbar ist jedoch die nach- folgende Feststellung, der Angeklagte D. , der selbst keine Schläge ausführte, habe in der Vorstellung gehandelt, die Herbeiführung des tatbestand- lichen Erfolges durch sein eigenes Handeln „weiter zu fördern“, es also an einem eigenen Willen zur Tatherrschaft als Voraussetzung für eine Zurechnung gemäß § 25 Abs. 2 StGB fehlte.
10
Die Sache bedarf neuer tatrichterlicher Prüfung. Eine Änderung des Schuldspruchs dahin, dass der Angeklagte lediglich der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung schuldig ist, kommt nicht in Betracht. Der Senat vermag letztlich nicht auszuschließen, dass weitere Feststellungen getroffen werden können, die ein (mit-)täterschaftliches Handeln des Angeklagten begründen können.

II.

11
1. Soweit der Angeklagte K. betroffen ist, hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hinsichtlich des Schuldspruchs und der Höhe der gegen den Angeklagten verhängten Geldstrafe keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.
12
2. a) Jedoch hält die vom Landgericht vorgenommene Bemessung der Höhe des Tagessatzes rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
13
Gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 StGB ist von dem Nettoeinkommen auszugehen , welches der Täter durchschnittlich an einem Tag zur Verfügung hat. Danach ist der Tagessatz im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der Höhe der dem Angeklagten monatlich gewährten Sozialleistungen (als alleinige Einkommensquelle ) – wenn auch geringfügig – zu hoch bemessen. Eine Überschreitung des rechnerischen Tagesnettosatzes ist zwar – ebenso wie eine Unterschreitung – in gewissen Grenzen zulässig, bedarf indes näherer Begründung (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 1989 – 1 StR 682/88, BGHR StGB § 40 Abs. 2 Satz 1 Einkommen 1). Eine solche fehlt hier; für ein Abweichen von der rechnerischen Höhe ist auch sonst nichts ersichtlich.
14
b) Mit Blick darauf, dass der Angeklagte nach den Feststellungen lediglich Sozialleistungen in Höhe von 410 € monatlich erhält, hätte für das Landgericht ferner Anlass bestanden zu prüfen, ob ihm eine sofortige Zahlung der gesamten Geldstrafe zuzumuten ist oder gemäß § 42 StGB Zahlungserleichterungen zu gewähren sind. Die insoweit unterbliebene Entscheidung ist regelmäßig dem Tatrichter vorbehalten (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August1984 – 3 StR 283/84, juris Rn. 3) und muss von ihm nachgeholt werden.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender RiBGH Dr. Quentin ist erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible