Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2013 - 2 StR 154/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) soweit es die Angeklagten V. und S. betrifft aa) in den Strafaussprüchen, bb) soweit von der Anordnung einer Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist,
b) soweit es den Angeklagten A. betrifft aa) hinsichtlich Fall II. 4 der Urteilsgründe, bb) im Gesamtstrafenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten V. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten S. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung, schweren Raubs in Tateinheit mit Körperverletzung, Computerbetrugs und Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer "Einheitsjugendstrafe" von vier Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten A. wegen schweren Raubs,Computerbetrugs und Beihilfe zum Diebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Hinsichtlich der Angeklagten S. und A. hat das Landgericht zudem eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten , mit denen sie die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügen. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen hat zu den Schuldsprüchen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten V. und S. ergeben. Dagegen halten die Rechtsfolgenaussprüche der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil das Urteil nicht erkennen lässt, dass das Landgericht geprüft hat, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung gemäß § 64 StGB vorliegen.
- 3
- Aufgrund der Feststellungen des Landgerichts hinsichtlich der im Zeitpunkt der Taten noch heranwachsenden Angeklagten V. und S. - seit 2005 sich steigernder regelmäßiger Cannabis- und Amphetaminkonsum, "schädlicher Gebrauch von Amphetamin und Marihuana" im Tatzeitraum (UA S. 64), Finanzierung der Betäubungsmittelbedarfe als Tatmotiv (UA S. 67, 70) - hätte sich die Prüfung der Voraussetzungen des § 64 StGB aufgedrängt.
- 4
- Wegen des durch § 5 Abs. 3 JGG vorgegebenen sachlichen Zusammenhangs zwischen Strafe und Unterbringung (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 494/12, BGHR JGG § 5 Abs. 3 Absehen 3 und vom 18. Januar 1993 - 5 StR 682/92, BGHR JGG § 5 Abs. 3 Absehen 1, jeweils für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus) ist auch der jeweilige Strafausspruch aufzuheben. Zwar liegt nach den bisherigen Feststellungen die Annahme, dass die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt die Ahndung ihrer Taten durch die Verhängung einer Jugendstrafe entbehrlich machen könnte, eher fern. Der Senat kann aber gleichwohl nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG davon abgesehen hätte, Jugendstrafe zu verhängen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2009 - 4 StR 99/09, NStZ-RR 2009, 277 mwN).
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- Der neue Tatrichter wird daher über den gesamten Rechtsfolgenausspruch nochmals zu befinden haben. Zur Prüfung der Frage der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bedarf es dabei der Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO).
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- 2. a) Soweit das Landgericht den Angeklagten A. im Fall II. 4 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum Diebstahl verurteilt hat, hält dies rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen bestanden die Tatbeiträge des Angeklagten in der telefonischen Zusage, die Haupttäter des Diebstahls in Tatortnähe abzuholen und in der sich daran anschließenden Umsetzung der Zusage. Bereits zum Zeitpunkt der telefonischen Zusage des Angeklagten war der Diebstahl indes beendet, da das Diebesgut aus dem räumlichen Bereich des Entwendungsorts entfernt worden war und Rückholaktivitäten des Eigentümers nicht zu erwarten waren (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 18. April 2012 - 2 StR 6/12 und vom 26. Mai 2000 - 4 StR 131/00, NStZ 2001, 88, 89).
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- Da der Senat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht abschließend prüfen kann, ob der Angeklagte sich wegen Hehlerei oder Begünstigung strafbar gemacht hat, kommt eine Schuldspruchänderung nicht in Betracht. Der dargelegte Rechtsfehler führt deshalb zur Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 4 der Urteilsgründe einschließlich der insoweit verhängten Einzelstrafe. Die Aufhebung der Einzelstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
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- b) Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten A. ergeben.
Ott Zeng
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.
(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.
(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.
(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.
(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.