Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Mai 2012 - 1 StR 59/12

bei uns veröffentlicht am29.05.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 59/12
vom
29. Mai 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
______________________________
Bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit kommt der Blutalkoholkonzentration
umso geringere Bedeutung zu, je mehr sonstige aussagekräftige psychodiagnostische
Beweisanzeichen zur Verfügung stehen (Bestätigung und Fortführung
von BGH, Urteil vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66).
BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 - 1 StR 59/12 - LG München II
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Mai 2012 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 28. Oktober 2011 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Seine auf Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

A.


2
I. Auf der Grundlage eines umfassenden und näher überprüften Geständnisses hat das Landgericht folgendes Tatgeschehen festgestellt: Der Angeklagte begab sich am 16. Juli 2010 nach Beendigung seiner Arbeit - er war im Frühdienst in einer Pension tätig, wo er u.a. für Abrechnungen zuständig war - wie nahezu jeden Tag in seine Stammkneipe und trank dort ab 11.30 Uhr, spätestens ab 12.00 Uhr, mindestens sechs, maximal zehn Halbe Bier. Teilweise hielt sich der Angeklagte vor der Kneipe auf einer Bank auf, die neben einem Brunnen stand. An diesem Nachmittag badeten Kinder in dem Brunnen, darunter der dem Angeklagten unbekannte, damals siebenjährige Geschädigte, der sich bis auf die Unterhose entkleidet hatte. Der Geschädigte verließ als letztes der Kinder den Brunnen und ging zu dem auf der Bank sitzenden Angeklagten. Dieser trocknete den Jungen mit einem dort befindlichen Handtuch ab. Als der Junge seine Sorge äußerte, er könne mit seiner Mutter Ärger bekommen , weil er nass und verdreckt sei, bot ihm der Angeklagte an, ihn mit in seine (des Angeklagten) Wohnung zu nehmen, um dort die Wäsche zu trocken.
3
Der Junge folgte dem Angeklagten in dessen nahegelegene Wohnung, die zu einem nicht ermittelbaren Zeitpunkt zwischen 17.00 Uhr und kurz nach 18.00 Uhr erreicht wurde. Dort brachte der Angeklagte den Jungen in das Badezimmer , wo dieser sich entkleidete und in die Badewanne stieg. Nachdem der Angeklagte die Unterhose des Jungen zum Wäschetrockner gebracht und diesen angestellt hatte, ging er zu dem Jungen in das Badezimmer „und half diesem beim Duschen, indem er (…) ihn einseifte (…). Hierbei fasste der Angeklagte den Entschluss, sexuelle Handlungen an dem Kind vorzunehmen.“ Er sprach den Jungen auf sichtbare Reste von dessen im April 2010 durchgeführten Phimose-Operation an und äußerte, das werde helfen. Sodann griff er - vor der Badewanne kniend - mit seiner Hand an den Penis des Jungen, nahm die- sen in den Mund und „bewegte seinen Mund über etwa fünf bis zehn Sekunden am Geschlechtsteil des Jungen vor und zurück und zog mit dem Mund daran, um sich sexuell zu erregen. Dazu erklärte er dem Kind, er mache das, damit der `Pipi besser hochkomme`(…) was ihm auch zumindest teilweise gelang“. Der Angeklagte beendete den Oralverkehr, nachdem der Junge äußerte, dass er das eklig finde.
4
Anschließend trug der Angeklagte Babyöl oder eine Gleitcreme auf den After des Jungen auf und drang dabei mit einem seiner Finger dort ein und be- wegte den Finger mehrmals hin und her, um sich dadurch sexuell zu erregen. Dies verursachte bei dem Jungen, wie der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm, „nicht unerhebliche Schmerzen“. Als der Junge dies und sein Ekel- empfinden gegenüber dem Angeklagten äußerte, beendete der Angeklagte diese sexuelle Handlung und hörte auch auf, den Jungen auf den Mund zu küssen, wie er es im Verlauf des Geschehens getan hatte.
5
Als der Junge nach etwa 20 Minuten mit der zwischenzeitlich getrockneten Kleidung die Wohnung des Angeklagten verließ, sagte ihm der Angeklagte noch, „dass das Geschehen ein Geheimnis bleiben solle“.
6
II. Darüber hinaus hat das durch zwei Sachverständige beratene Landgericht zur Schuldfähigkeit festgestellt, dass der Angeklagte zur Tatzeit alkoholbedingt enthemmt, jedoch in seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit weder aufgrund des Alkoholkonsums noch aufgrund sonstiger Umstände i.S.v. § 21 StGB erheblich vermindert war.
7
Die Strafkammer hat unter Zugrundelegung der jeweils dem Angeklagten günstigsten Parameter (z.B. maximale Trinkmenge, kürzestmögliche Trinkdauer , Alkoholgehalt des Bieres) ohne den Angeklagten benachteiligenden Rechts- fehler eine maximale Blutalkoholkonzentration von 3,03 ‰ errechnet. Aussagen von Zeugen (u.a. der Wirt der Stammkneipe des Angeklagten) hat die Strafkammer entnommen, dass der Angeklagte an die angegebenen Trinkmengen gewöhnt war und seine dadurch bedingten Ausfallerscheinungen generell und auch am Tattag „nur leicht“ waren. Den Angaben des Angeklagten entnahm sie, dass er nach einem im Mai 2010 erlittenen Schlaganfall und danach erfolgter Reha täglich sechs bis zehn, gelegentlich auch vierzehn Halbe Bier trank, ohne dass es hierdurch zu Beeinträchtigungen in seinem Berufsleben gekommen war. Die Kammer hat sich ferner - nach eigener Prüfung - die Ausführun- gen des Sachverständigen (der aufgrund eines Rechen-/Schreibfehlers von einer maximalen Blutalkoholkonzentration sogar von 3,46 ‰ ausgegangen war) zu eigen gemacht, wonach das Leistungsvermögen des Angeklagten sowie seine detailscharfe Erinnerung an die Abläufe am Tattag ebenso wie das Vorliegen eines stringenten intentionalen Handlungsbogens mit vielen planerischen Elementen und sinnvollen Reaktionen auf das Verhalten des Kindes gegen die Annahme erheblicher Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sprechen. Das Verhalten des Angeklagten am Tattag falle auch nicht aus dem Rahmen seines sonstigen Verhaltens.
8
Beim Angeklagten liege eine homosexuelle Kernpädophilie ohne forensischen Krankheitswert vor. Anhaltspunkte einer forensisch relevanten Leistungsminderung , einer endogenen Psychose, einer schweren Neurose oder einer schweren Persönlichkeitsstörung seien nicht erkennbar. Auch unter dem Aspekt eines Motivationsbündels mit Folgen des Schlaganfalls (zunehmende Ängstlichkeit, depressives Erleben) und der alkoholbedingten Enthemmung ergebe sich keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten.

B.


9
Die Revision des Angeklagten ist ohne Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
10
I. Die Rüge, der gegen die Vorsitzende Richterin angebrachte Ablehnungsantrag sei mit Unrecht verworfen worden (§ 338 Nr. 3 StPO), bleibt aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen erfolglos.
11
Der Angeklagte hatte sich in der Hauptverhandlung zunächst - entgegen einem vom Verteidiger vor der Hauptverhandlung angekündigten Geständnis - auf Erinnerungslücken berufen, so dass die Strafkammer seine Angaben zutreffend nicht als Geständnis werten konnte. Daraufhin wurde die Hauptverhandlung ausgesetzt und ein Glaubwürdigkeitsgutachten eingeholt. Die Annahme , hieraus könnte sich die Besorgnis einer Befangenheit zu Lasten des Angeklagten ergeben, trifft offensichtlich nicht zu.
12
II. Der von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragene, auch von der Revision nicht näher beanstandete Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung stand.
13
III. Auch der Strafausspruch ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Strafkammer von einem rechtsfehlerfrei gefundenen Strafrahmen ausgegangen; Fehler bei der konkreten Strafbemessung sind nicht ersichtlich.
14
1. Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer ungeachtet einer errechneten Blutalkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt von über 3 ‰ eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit i.S.v. § 21 StGB ausgeschlossen.
15
a) Auszugehen ist dabei von Folgendem:
16
(1) Eine Blutalkoholkonzentration in der errechneten Höhe gibt - wie die Strafkammer zutreffend erkannt hat - Anlass zur Prüfung einer krankhaften seelischen Störung durch einen akuten Alkoholrausch; die Möglichkeit von Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderter Schuldfähigkeit ist dann grundsätzlich zu erörtern.
17
(2) Darüber hinaus war in älterer Rechtsprechung die Auffassung vertreten worden, bei Überschreiten bestimmter Grenzwerte sei die Steuerungsfähig- keit mit einem kaum widerlegbaren Grad an Wahrscheinlichkeit „in aller Regel“ erheblich vermindert (vgl. nur BGH, Urteil vom 22. November 1990 - 4 StR 117/90, BGHSt 37, 233 ff.). Dies war aus juristischer Sicht wegen des zu geringen Gewichts der Einzelfallgerechtigkeit (vgl. Nachweise bei BGH, Beschluss vom 9. Juli 1996 - 1 StR 511/95, NStZ 1996, 592; zusammenfassend auch Schild in Kindhäuser/Neumann/Päffgen, StGB, 3. Aufl., § 20 Rn. 81 f.) nie unumstritten , ebenso deshalb, weil Schuldfähigkeit „ein normatives Postulat, aber keine messbare Größe“ ist (zusammenfassend Maatz/Wahl, FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 531, 533). In der forensisch-psychiatrischen Wissenschaft war diese schematisierende Auffassung nahezu einhellig abgelehnt worden, weil die Wirkung von Alkohol auf jeden Menschen unterschiedlich sei (z.B. Kröber NStZ 1996, 569; Joachim NStZ 1996, 593).
18
Diese Rechtsprechung wurde deswegen aufgegeben, nachdem sämtliche Strafsenate des Bundesgerichtshofs auf Anfrage des Senates (§ 132 Abs. 2 GVG; BGH, Beschluss vom 9. Juli 1996 - 1 StR 511/95) zuvor erklärt hatten, eine gegenteilige Auffassung nicht (mehr) zu vertreten (BGH, Beschluss vom 6. November 1996 - 2 ARs 357/96; BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1996 - 3 ARs 17/96; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 1996 - 4 ARs6/95; BGH, Beschluss vom 6. November 1996 - 5 ARs 59/96).
19
Seither ist gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass es keinen Rechts- oder Erfahrungssatz gibt, der es gebietet, ohne Rücksicht auf die im konkreten Fall feststellbaren psychodiagnostischen Kriterien ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration regelmäßig von zumindest „bei Begehung der Tat“ erheblichverminderter Schuldfähigkeit auszugehen (grund- legend Senatsentscheidung vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66 ff.; vgl. weiter u.a. auch Beschluss vom 29. November 2005 - 5 StR 358/05; BGH, Urteil vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04; BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 1 StR 233/04; BGH, Beschluss vom 3. Dezember2002 - 1 StR 378/02; BGH, Beschluss vom 5. April 2000 - 3 StR 114/00; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 1999 - 3 StR 481/99).
20
Allerdings wird in neueren Entscheidungen (Nachweise bei Pfister NStZRR 2012, 161, 162 ff.) vereinzelt unter Hinweis auch auf ältere (aufgegebene) Rechtsprechung der Blutalkoholkonzentration wieder stärkere indizielle Bedeutung beigemessen. Hierdurch sollte offenkundig (vgl. § 132 Abs. 2 GVG) den Besonderheiten der zu entscheidenden Einzelfälle (z.B. Möglichkeit einer schockartigen Ernüchterung nach Tatende) Rechnung getragen, keineswegs aber die aufgezeigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Frage gestellt werden. Hierzu bestünde angesichts der ihr zugrundeliegenden und seither auch nicht angezweifelten medizinischen Erfahrungssätze auch keine Veranlassung.
21
Es ist prinzipiell unmöglich, „einer bestimmten Blutalkoholkonzentration für jeden Einzelfall gültige psychopathologische, neurologisch-körperliche Symptome oder Verhaltensauffälligkeiten zuzuordnen. Es existiert keine lineare Abhängigkeit der Symptomatik von der Blutalkoholkonzentration. Aus diesen Gründen ist es prinzipiell unmöglich, allein aus der Blutalkoholkonzentration das Ausmaß einer alkoholisierungsbedingten Beeinträchtigung ableiten zu wol- len“ (Foerster in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 5. Aufl. 2009, S. 246; ebenso Nedopil, Forensische Psychiatrie, 3. Aufl. 2007, S. 124 ff.; vgl. auch Schöch in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie , Band 1 S. 111 f.). Es wäre daher auch verfehlt, einem psychodiagnostischen Beweisanzeichen - etwa dem Leistungsverhalten vor, bei oder nach Tatbegehung - von vornherein mit Blick auf eine bestimmte Blutalkoholkonzentration oder mit Blick auf eine zum Erreichen höherer Blutalkoholwerte notwendigerweise bestehende Alkoholgewöhnung eine Aussagekraft zur Beurteilung der Schuldfähigkeit i.S.d. §§ 20, 21 StGB abzusprechen. Zur Problematik der Feststellung einer Blutalkoholkonzentration anhand von Trinkmengenangaben eines Angeklagten verweist der Senat überdies auf die zutreffenden Ausführungen von Wendt und Kröber (in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Band 2 S. 245).
22
(3) Für die Beurteilung der Schuldfähigkeit maßgeblich ist demnach eine Gesamtschau aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände, die sich auf das Erscheinungsbild des Täters vor, während und nach der Tat beziehen (grundlegend Senatsentscheidung vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66 ff.; auch BGH, Beschluss vom 5. April 2000 - 3 StR 114/00; BGH, Urteil vom 22. Januar 1997 - 3 StR 516/96). Dabei kann die - regelmäßig deshalb zu bestimmende (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2012 - 5 StR 49/12; BGH, Beschluss vom 8. Oktober 1997 - 2 StR 478/97) - Blutalkoholkonzentration ein je nach den Umständen des Einzelfalls sogar gewichtiges, aber keinesfalls allein maßgebliches Beweisanzeichen (Indiz) sein (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04; BGH, Urteil vom 6. Juni 2002 - 1 StR 14/02; BGH, Urteil vom 3. Dezember 2002 - 1 StR 378/02; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. September 2003 - 4 StR 139/03; BGH, Urteil vom 22. April 1998 - 3 StR 15/98).
23
Welcher Beweiswert der Blutalkoholkonzentration (die weniger zur Auswirkung des Alkohols als lediglich zu dessen wirksam aufgenommener Menge aussagt) im Verhältnis zu anderen psychodiagnostischen Beweisanzeichen beizumessen ist, lässt sich nicht schematisch beantworten. Er ist umso geringer , je mehr sonstige aussagekräftige psychodiagnostische Kriterien (Überblick hierzu z.B.: Plate, Psyche, Unrecht und Schuld, 2002, S. 194 ff.; Detter, Strafzumessung, 2009, II. Teil Rn. 83) zur Verfügung stehen. So können die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung auch bei einer Blutalkoholkonzent- ration schon von unter 2 ‰ begründen (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 1999 - 3 StR 481/99), umgekehrt eine solche selbst bei errechneten Maximal- werten von über 3 ‰ auch ausschließen (BGH, Urteil vom 6. Juni 2002 - 1 StR 14/02: 3,54 ‰; vgl. auch Foerster in Venzlaff/Foerster, aaO).
24
b) Dies zugrunde gelegt zeigt die Revision keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
25
(1) Die Strafkammer hat den aufgezeigten Maßstab beachtet und ausgehend von der von ihr bestimmten Blutalkoholkonzentration die Frage der Schuldfähigkeit in einer Gesamtschau aller Umstände beurteilt.
26
Die Strafkammer geht von einer ohne den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ermittelten Blutalkoholkonzentration von 3,03 ‰ aus. Freilich hatte der Sachverständige seinem Gutachten eine Blutalkoholkonzentration von 3,46 ‰ zugrunde gelegt. Die Strafkammer legt in den Urteilsgründen näher dar, dass es sich hierbei um einen Schreib- bzw. Rechenfehler des Sachverständigen handelt und sie darüber hinaus zugunsten des Angeklagten von einem früheren Trinkende als der Sachverständige (17.00 Uhr statt 18.00 Uhr) ausgeht.
27
Die Revision sieht § 261 StPO verletzt, weil die Strafkammer hierauf in der Hauptverhandlung nicht hingewiesen habe. Ob damit im Ergebnis nicht vielmehr eine Verletzung des § 265 StPO (zumindest in entsprechender Anwendung ) gerügt sein soll (vgl. § 300 StPO), mag dahinstehen. Nachdem der Sachverständige selbst auf der Grundlage einer Blutalkoholkonzentration von 3,46 ‰ das Vorliegen der Voraussetzungendes § 21 StGB verneint hatte, ist jedenfalls nicht erkennbar, dass sich der Angeklagte anders oder erfolgversprechender hätte verteidigen können als geschehen, wenn er darauf hingewiesen worden wäre, dass nicht von einer Blutalkoholkonzentration von 3,46 ‰ sondern von 3,03 ‰ auszugehen ist; hierzu trägt auch die Revision nichts vor (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - 1 StR 587/09 Rn. 28).
28
(2) Anhaltspunkte, die Strafkammer könnte bei der ihr obliegenden Gesamtwürdigung der zur Verfügung stehenden Indizien oder bei der Beurteilung der Erheblichkeit i.S.v. § 21 StGB den ihr zustehenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum überschritten haben, sind nicht ersichtlich (zur nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung vgl. auch Maatz/Wahl, FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 531, 553). Insbesondere obliegt es tatrichterlicher Beurteilung , welches Gewicht der Blutalkoholkonzentration im Einzelfall in Zusammenschau mit anderen zur Verfügung stehenden Beweisanzeichen beigemessen werden kann. Die letzte Verantwortung für die Beurteilung der Schuldfähigkeit liegt beim Tatrichter (BGH, Urteil vom 18. Mai 1995 - 4 StR 698/94). Die Frage der Erheblichkeit ist eine allein vom Richter zu beantwortende Rechtsfrage (vgl.
BGH, Beschluss vom 7. April 2010 - 4 StR 644/09; BGH, Beschluss vom 23. September 2003 - 1 StR 343/03).
29
(3) Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine der näher ausgeführten Erwägungen der Strafkammer ungeeignet wäre, zur Stützung des gefundenen Gesamtergebnisses zumal in einer Gesamtschau mit herangezogen zu werden.
30
Namentlich bei größerer Alkoholaufnahme kommt der - hier näher dargestellten und sachverständig begutachteten - Alkoholgewöhnung eine wichtige Bedeutung zu (Schöch in LK-StGB, 12. Aufl., § 20 Rn. 17; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 528 mwN). Ohne Rechtsfehler hebt die Strafkammer neben anderen Beweisanzeichen auch auf das isoliert gesehen bei trinkgewohnten Personen freilich nur begrenzt aussagekräftige (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2011 - 5 StR 255/11; BGH, Beschluss vom 12. Juni 2007 - 4 StR 187/07) Fehlen erheblicher Ausfallerscheinungen ab. Sie stützt sich dabei nicht nur auf die Angaben eines Kindes (hierzu BGH, Beschluss vom 26. März 1997 - 3 StR 35/97) oder ebenfalls erheblich alkoholisierter Zechkumpane (hierzu BGH, Beschluss vom 17. August 2011 - 5 StR 255/11), sondern u.a. auf den im Umgang mit alkoholisierten Personen nicht unerfahrenen Gastwirt der Stammkneipe des Angeklagten. Die Strafkammer durfte hier auch dem Umstand, dass der Angeklagte trotz erheblichen Alkohol- konsums insgesamt „sein Berufsleben ohne Einschränkungen unter Kontrolle“ hatte, Bedeutung beimessen. Ebenfalls ohne Rechtsfehler durfte die Strafkammer das nahezu gleich bleibende Verhalten des Angeklagten ananderen Tagen, an denen der Angeklagte nach eigenen Angaben weniger Alkohol konsumiert hatte, vergleichend zur Beurteilung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten am Tattag heranziehen. Aussagekraft konnte die Strafkammer hier auch dem (aus dem festgestellten Sachverhalt ersichtlichen) planvollen und zielgerichteten Agieren des Angeklagten vor und bei Tatbegehung (z.B. die ein- leitend vorgetäuschte „Phimose-Behandlung“) aber auch nach Tatbegehung beimessen (z.B. der Hinweis auf eine Geheimhaltungsbedürftigkeit). Die hier mit Blick auf das gesamte Tatgeschehen fernliegende Möglichkeit einer nach der Tat eingetretenen plötzlichen Ernüchterung (dazu BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 5 StR 545/11) musste die Strafkammer nicht erörtern.
31
Soweit die Revision eine Gesamtwürdigung mit anderen die Schuldfähigkeit tangierenden Umständen (Depression aufgrund erlittenen Schlaganfalls; Kernpädophilie) vermisst, übersieht sie zum einen die Bezugnahme der Strafkammer auf die dies in den Blick nehmenden Ausführungen eines Sachverständigen und zum anderen die darauf aufbauende, eigene Würdigung der Strafkammer, dass „auch der Schlaganfall - gegebenenfalls mit Persönlich- keitszügen und Alkoholkonsum - die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht in erheblichem Maß einschränkte“ (UA S. 38).
32
2. Auch mit dem Vorbringen, die Strafkammer habe einen minderschweren Fall i.S.v. § 176a Abs. 4 StGB rechtsfehlerhaft verneint, kann die Revision nicht durchdringen.
33
Nachdem das eingeholte Sachverständigengutachten keinen Zweifelan der Glaubwürdigkeit des geschädigten Kindes ergeben hatte, hat der Angeklagte sich nicht länger auf Erinnerungslosigkeit berufen, sondern das bereits früher angekündigte Geständnis abgelegt und künftige (abgesicherte) Zahlungen an den Geschädigten versprochen. Die Strafkammer hat dies ohne den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler als Täter-Opfer-Ausgleich (§ 46a Nr. 1 StGB) bewertet, diesen bei der Prüfung eines minder schweren Falles zwar nicht ausdrücklich angesprochen, jedoch sogleich den Strafrahmen des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB gemäß § 46a, § 49 Abs. 1 StGB gemildert (zum an sich gebotenen methodischen Vorgehen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO, Rn. 588 ff.).
34
Dies begründet hier keinen, jedenfalls keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler. Der Tatrichter ist in der Entscheidung regelmäßig frei, welchen von mehreren in Betracht kommenden Strafrahmen - hier also der des § 176a Abs. 4 StGB (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) oder der gemäß § 46a, § 49 Abs. 1 StGB gemilderte des § 176a Abs. 2 StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten) - er der Strafbemessung zugrunde legt (vgl. schon BGH, Urteil vom 3. Mai 1966 - 5 StR 173/66, BGHSt 21, 57, 59; zusammenfassend, auch zur Gegenansicht, KettStraub in Kindhäuser/Neummann/Päffgen, aaO, § 50 Rn. 14). Einen Rechtsfehler , der darin liegen könnte, dass sich die Strafkammer nicht bewusst gewesen wäre, dass ein dem Angeklagten günstigerer Strafrahmen zur Verfügung stehen könnte, kann der Senat hier nach der eingehenden Erörterung der Strafkammer zum Täter-Opfer-Ausgleich ausschließen. Es liegt fern, die Strafkammer könnte bei der zur Prüfung, ob ein minder schwerer Fall i.S.v. § 176a Abs. 4 StGB vorliegt, vorgenommenen „Gesamtschau“ (UA S. 42) nicht auch den zur Strafrahmenmilderung gemäß § 49 StGB herangezogenen TäterOpfer -Ausgleich in den Blick genommen haben (vgl. auch § 50 StGB). Es kann deshalb hier dahinstehen, welches die maßgeblichen Umstände des Einzelfalls (vgl. Theune in LK-StGB, 12. Aufl., § 50 Rn. 19 mwN) sein könnten, die den einen oder den anderen Strafrahmen zu einem dem Angeklagten günstigeren machen würden, nachdem sich die Strafe weder an einer möglichen Obernoch einer möglichen Untergrenze orientiert. Auch deshalb könnte der Senat ausschließen, dass der Angeklagte durch einen etwaigen Rechtsfehler beschwert wäre.
Nack Wahl Rothfuß
RiBGH Hebenstreit ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Nack Graf

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

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(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

5 StR 358/05

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 29. November 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. November 2005

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 26. April 2005 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Strafausspruch, soweit der Angeklagte wegen Vergewaltigung verurteilt wurde,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung (Einzelstrafe : drei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe) und sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen (viermal ein Jahr und einmal ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe) unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Während die Schuldsprüche und die für die Fälle des sexuellen Missbrauchs festgesetzten Einzelstrafen sachlichrechtlicher Nachprüfung standhalten, begegnet die für die Vergewaltigung (Fall II 2 der Urteilsgründe) ausgesprochene Strafe durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat insoweit die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
1. Nach den Feststellungen trank der Angeklagte im Laufe des 2. Januar 2005 (Zeitpunkt der Tat: 3. Januar 2005 zwischen 2.00 und 3.00 Uhr morgens) eine Flasche Wodka. Am Abend und in der Nacht zum 3. Januar nahm der Angeklagte bis 1.30 Uhr Longdrinks zu sich. Die genaue Menge der konsumierten Getränke konnte das Gericht nicht feststellen, obwohl die Zeugin M , die mitgetrunken hatte, bekundet hat, dass der Angeklagte „nicht mehr als sonst“ getrunken habe. Ob und gegebenenfalls welche Angaben zur Trinkmenge der Angeklagte oder das Tatopfer gemacht haben, teilt das Urteil nicht mit. Im Wesentlichen aufgrund der weiteren Aussage der genannten Zeugin, wonach der Angeklagte keine Ausfallerscheinungen gezeigt habe, ist die sachverständig beratene Strafkammer zu der Auffassung gelangt , dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit weder ausgeschlossen noch erheblich vermindert gewesen sei. Auch wenn der Angeklagte an diesem Abend beträchtlich alkoholisiert gewesen sein sollte, könnten wegen seiner Alkoholtoleranz und im Hinblick auf die Bekundungen der Zeugin die Voraussetzungen des § 21 StGB ausgeschlossen werden.
Demgegenüber hat das Landgericht in einem der Fälle des sexuellen Missbrauchs, bei dem der Angeklagte ebenfalls alkoholisiert war, die Voraussetzungen des § 21 StGB angenommen, obwohl auch in diesem Fall weder das Opfer noch später die Entnahmeärztin nennenswerte alkoholbedingte Ausfallerscheinungen bemerkt haben (Fall II 3 der Urteilsgründe). Im Unterschied zu Fall II 2 konnte hier aber die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit mit etwa 3 ‰ errechnet werden. Die Strafkammer führt in diesem Zusammenhang aus, dass allein wegen der Höhe der ermittelten Blutalkoholkon- zentration in diesem Fall eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden könne.
2. Die unterschiedliche Behandlung lässt besorgen, dass der Tatrichter nicht bedacht hat, dass auch in Fällen, in denen keine Blutprobe entnommen worden ist, dem Gericht die Aufgabe obliegt, sich aufgrund aller Erkenntnismöglichkeiten im Rahmen freier Beweiswürdigung eine Überzeugung von der vom Angeklagten vor der Tat genossenen Alkoholmenge zu verschaffen. Auf dieser Grundlage ist eine Tatzeit-Blutalkoholkonzentration zu errechnen, die bei der Beurteilung des möglichen Wegfalls des Einsichtsoder Steuerungsvermögens zur Tatzeit in die erforderliche Gesamtwürdigung einzubeziehen ist (vgl. BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 22, 23; BGH StV 1993, 519). Denn für die Beantwortung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 21 StGB gegeben sind, kommt es sowohl auf die Höhe der Blutalkoholkonzentration als auch auf die psychodiagnostischen Kriterien an (vgl. BGHSt 43, 66), wobei das Fehlen von Ausfallerscheinungen einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit nicht unbedingt entgegensteht (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 20 Rdn. 24 m.w.N.). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Feststellung, der Angeklagte habe keine Ausfallerscheinungen gezeigt, allein auf den wenig aussagekräftigen Angaben einer zur fraglichen Zeit selbst angetrunkenen Zeugin beruht, wonach der Angeklagte „nicht hackedickevoll“ gewesen sei und noch klar habe reden können.
Der Strafausspruch kann aus diesen Gründen keinen Bestand haben. Der Schuldspruch wird von dem Rechtsfehler nicht berührt. Es ist auszuschließen , dass der neue Tatrichter zu Feststellungen gelangt, die zur Anwendung von § 20 StGB führen. Der Wegfall der Einsatzstrafe zieht die Auf- hebung der Gesamtstrafe nach sich. Bei Bildung einer neuen Gesamtstrafe wird zu Gunsten des Angeklagten mehr als bisher zu bedenken sein, dass vier der fünf Missbrauchstaten mehr als zwölf Jahre zurückliegen und die fünfte Tat die Erheblichkeitsschwelle des § 184 f Nr. 1 StGB nur knapp überschreitet.
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 248/04
vom
22. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
20. Oktober 2004 in der Sitzung am 22. Oktober 2004, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger
- in der Verhandlung vom 20. Oktober 2004 -,
Rechtsanwalt
als Verteidiger
- in der Sitzung am 22. Oktober 2004 -,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29. Januar 2004 wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten greift mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge die Verneinung erheblich verminderter Schuldfähigkeit an. Sie bleibt ohne Erfolg. 1. Das Landgericht hat festgestellt: Der Angeklagte begann im Alter von 13 Jahren mit dem Trinken von Alkohol. Bereits mit 17 Jahren befand er sich in einer Entziehungskur, die ebenso ergebnislos blieb wie spätere Entgiftungen und Therapien. Am 25. Juli 2003 tranken der Angeklagte und seine Lebensgefährtin R. , die Geschädigte, in ihrer gemeinsamen Wohnung ab etwa
16.00 Uhr zusammen mit dem Mitangeklagten S. in erheblichem Umfang Wein.Als R. gegen 21.00 Uhr, nur mit einem Achselshirt und einem Slip bekleidet, aufreizend vor S. tanzte, entschloß sich der Angeklagte aus Wut und Verärgerung hierüber sowie aufgrund bereits in der Vergangenheit erfolgter Demütigungen seitens der Geschädigten, seine Lebensgefährtin zu töten. Er holte, verborgen vor der Geschädigten, aus der Küche ein Fleischermesser und stachelte den S. mehrfach leise mit den Worten "Komm, die stechen wir jetzt ab; sie hat es verdient" an. S. ergriff schließlich das Messer und stieß es der auf dem Sessel sitzenden Geschädigten wuchtig in den Unterbauch. Sodann verließ er fluchtartig die Wohnung. Der Angeklagte zog das Messer aus der Wunde und wusch es in der Spüle ab. Anschließend verständigte er per Notruf das DRK. Eine 45 Minuten nach der Tat entnommene Blutprobe des Angeklagten ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,92 o/oo. Seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit war zum Tatzeitpunkt jedoch nicht erheblich eingeschränkt. 2. Mit einer Aufklärungsrüge macht der Angeklagte geltend, das Landgericht hätte den Arzt Dr. L. , der auf dem Polizeirevier bei dem Angeklagten die Blutprobe entnommen und ein Protokoll über den Zustand des Angeklagten gefertigt hatte, als sachverständigen Zeugen vernehmen müssen. Die Rüge ist unbegründet. Durch das Unterlassen der Einvernahme des Arztes hat das Landgericht nicht gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen. Es hat zwar die Feststellungen in dem Protokoll der Blutentnahme u.a. mit der Begründung in Frage gestellt, derartige Feststellungen geschähen "zumeist unter Zeitdruck und lediglich oberflächlich", was im vorliegenden Fall durch die hohe Zahl der ausgelassenen Untersuchungen bestätigt werde. Es hat aber rechts-
fehlerfrei den Angaben des Protokolls keinen wesentlichen Indizwert beigemessen. Die in dem Protokollsformular vorgesehenen Untersuchungen bezüglich Puls, Blutdruck, Romberg-Test, Drehnystagmus, Gang geradeaus und plötzliche Kehrtwendung wurden bei dem Angeklagten überhaupt nicht vorgenommen. Auch deuten einige der getroffenen Feststellungen eher auf eine nicht eingeschränkte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten hin. So wird das Befinden des Angeklagten als "normal", der Alkoholeinfluß auf den Angeklagten nur als "deutlich" und nicht als "stark" oder "sehr stark" gekennzeichnet. Bei dieser Sachlage mußte das Landgericht sich nicht zu der ergänzenden Vernehmung des Arztes gedrängt sehen. 3. Auch die Sachrüge ist nicht begründet. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht angenommen, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht alkoholbedingt erheblich vermindert war.
a) Bei einer Blutalkoholkonzentration in der festgestellten Höhe ist die Möglichkeit einer krankhaften seelischen Störung durch einen akuten Alkoholrausch zu erörtern. Einen Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration regelmäßig vom Vorliegen dieses Merkmals auszugehen ist, gibt es jedoch nicht. Entscheidend ist vielmehr eine Gesamtschau aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände aus der Persönlichkeitsstruktur des Täters, seinem Erscheinungsbild vor, während und nach der Tat und dem eigentlichen Tatgeschehen. Die Blutalkoholkonzentration ist in diesem Zusammenhang ein zwar gewichtiges, aber keinesfalls allein maßgebliches oder vorrangiges Beweisanzeichen, wobei deren Bedeutung auch von der - hier sehr hohen - Alkoholgewöhnung des Täters beeinflußt sein kann (vgl. BGHSt 43, 66, 70; BGH NStZ 2002, 532).
Ob die Steuerungsfähigkeit wegen des Vorliegens einer krankhaften seelischen Störung bei Begehung der Tat "erheblich" im Sinne des § 21 StGB vermindert war, ist eine Rechtsfrage. Diese hat der Tatrichter ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortun g zu beantworten. Hierbei fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen , die die Rechtsordnung auch an einen berauschten Täter stellt (vgl. BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ-RR 1999, 295, 296). Diese Anforderungen sind um so höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (BGH NStZ 2004, 437).
b) Diesen Grundsätzen ist die sachverständig beratene Strafkammer gerecht geworden (zum Maßstab revisionsrechtlicher Überprüfung tatrichterlicher Entscheidungen zum Einfluß von Alkohol auf die Schuldfähigkeit vgl. auch Maatz/Wahl BGH-FS S. 531, 553). Der Revision ist zwar einzuräumen, daß der Blutalkoholwert hier sehr tatzeitnah - 45 Minuten nach der Tat - gemessen wurde und deshalb eine zuverlässige Aussage mit nicht geringer Beweisbedeutung darstellt. Das Landgericht war gleichwohl aus Rechtsgründen nicht gehindert, trotz dieses Blutalkoholwertes die festgestellten psychodiagnostischen Beweisanzeichen dahin zu würdigen, daß eine krankhafte seelische Störung nicht vorgelegen hatte. Die psychodiagnostischen Beweisanzeichen sind hier sogar besonders aussagekräftig. Der alkoholabhängige Angeklagte ist in hohem Maße trinkgewohnt. Sein Verhalten vor, während und nach der Tat hat in sich schlüssige Handlungssequenzen mit motorischen Kombinationsleistungen gezeigt, die so nicht möglich gewesen wären, wenn diese Fähigkeiten erheblich beeinträchtigt gewesen wären. Er brachte das Messer mit dem Unterarm verdeckt in das Wohnzimmer, verbarg es dort vor der Geschädigten und sprach bewußt so lei-
se auf den Mitangeklagten S. ein, daß der Geschädigten seine Worte verborgen blieben. Er rief unmittelbar nach der Tat bei der Polizeidirektion an und erfragte die Telefonnummer des DRK. Auf dem Notrufband des DRK ist die Stimme des Angeklagten - wie die Strafkammer aufgrund eigener Wahrnehmung festgestellt hat - deutlich und ohne Anzeichen einer verwaschenen Aussprache zu vernehmen. Er antwortete schnell und angepaßt auf Nachfragen und legte bei der Angabe seiner Telefonnummer sogar bewußt Pausen ein, um das Mitschreiben zu erleichtern. Die Geschädigte wie der Mitangeklagte S. schilderten den Angeklagten als "ganz normal", und auch der am Tatort eintreffende Polizeibeamte Polizeihauptmeister Ri. stellte bei dem Angeklagten "keinerlei Ausfallerscheinungen" fest. Hinzu kommt das genaue, auch die Motivationslage einschließende Erinnerungsvermögen des Angeklagten. Soweit das kontrollierte Vorgehen des Angeklagten, das über "eingeschliffenes" Verhalten und schlichte Verhaltensmuster hinausging, nach der Tat geschah, brauchte das Landgericht angesichts seines Verhaltens vor und bei Ausführung der Tat auch keinen relevanten Ernüchterungseffekt in Rechnung zu stellen. Er hat die Tat weder in einem Zustand der Erregung oder in einem seelischen Ausnahmezustand noch unüberlegt begangen. Er hat sie vielmehr im einzelnen geplant und das Tatwerkzeug besorgt. Er hat die Lage, in der die Geschädigte sich aufgrund der entspannten Atmosphäre keines Angriffs auf ihr Leben versah, bewußt zur Tat ausgenutzt. Diese - das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllende - Vorgehensweise läßt die Annahme, das differenzierte Verhalten des Angeklagten nach der Tat sei auf einen Ernüchterungseffekt zurückzuführen, als fernliegend erscheinen. Das Landgericht durfte daher - "nach eingehender Prüfung" - die Indizwirkung der gemessenen hohen Blutalkoholkonzentration als entkräftet anse-
hen, ohne den ihm insoweit zustehenden Beurteilungsspielraum (BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 13) zu überschreiten. Da das Landgericht damit das Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung rechtsfehlerfrei verneint hat, kommt es auf die Frage der "Erheblichkeit" einer verminderten Steuerungsfähigkeit nicht mehr an.
c) Der von der Revision hilfsweise beantragten Vorlage der Sache an den Großen Senat für Strafsachen nach § 132 Abs. 2, 3 GVG bedarf es nicht, da kein Strafsenat des Bundesgerichtshofs an der Auffassung festhält, es gebe einen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz, wonach ab einem bestimmten Grenzwert des Blutalkoholgehalts die Steuerungsfähigkeit in aller Regel erheblich vermindert ist (vgl. BGHSt 43, 66, 76). Dementsprechend hat der Senat auch bereits entschieden, daß in einem Fall, in dem die Blutalkoholkonzentration bis zu 3,54 o/oo betragen haben kann, eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens kurz nach der Tat zu Recht ausgeschlossen wurde (BGH NStZ 2002, 532). Gleichermaßen hat z.B. auch der 4. Strafsenat für den Fall einer maximalen Blutalkoholkonzentration von 3,23 o/oo den Ausschluß einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit aufgrund psychodiagnostischer Beurteilungskriterien für möglich erklärt (BGH, Urteil vom 11. September 2003 - 4 StR 139/03). Soweit in den Entscheidungen der einzelnen Senate möglicherweise Unterschiede in der auf den jeweiligen Einzelfall bezogenen Bewertung und Gewichtung einzelner psychodiagnostischer Kriterien aufgetreten sind, nötigt dies nicht zur Vorlage dieser Sache an den Großen Senat für Strafsachen , da es sich insoweit nicht um verbindliche Entscheidungen eines anderen Senats in einer Rechtsfrage im Sinne von § 132 Abs. 2 GVG handelt.
Es bestehen schließlich keine Anhaltspunkte dafür, die der Rechtsprechung des Senats zugrundeliegenden medizinischen Erfahrungssätze in Frage zu stellen, so daß es auch der von der Revision ebenfalls hilfsweise beantragten Anhörung eines Sachverständigen nicht bedarf. Nack Wahl Kolz Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 233/04
vom
16. September 2004
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. September
2004, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
in Begleitung von Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 22. Januar 2004 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die Revision des Angeklagten wird verworfen. 4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die hierdurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen tateinheitl ich begangener zweifacher gefährlicher Körperverletzung mit tateinheitlich begangener zweifacher versuchter gefährlicher Körperverletzung mit Widerstand gegen Vollstrekkungsbeamte und unerlaubtem Besitz von Schußwaffen zu einer Freiheitsstrafe
von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision eine Verurteilung des Angeklagten auch wegen versuchten Totschlags. Das Rechtsmittel hat Erfolg. Dagegen ist die Revision des Angeklagten unbegründet.

I.


Die Revision der Staatsanwaltschaft
1. Die Begründung, mit welcher das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz ausgeschlossen hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Nach den Feststellungen gab der Angeklagte, der sich durch seine Nachbarin und drei weitere Frauen in seiner Nachtruhe gestört fühlte und diese vertreiben wollte, vom Fenster seines im Erdgeschoß gelegenen Schlafzimmers mit einem halbautomatischen Selbstladegewehr Kaliber 22 aus der Hüfte heraus in schneller Folge sechs Schüsse auf die rund 27 Meter entfernten Frauen ab. Eine der Frauen wurde durch einen Geschoßsplitter von einem Abpraller am rechten Oberschenkel verletzt; eine Frau erlitt einen Durchschuß am rechten Fuß. Die beiden anderen Frauen wurden nicht getroffen. Die durch einen Ingenieur für Waffentechnik sachverständig beratene Strafkammer hat sich davon überzeugt, daß die Flugbahnen von insgesamt fünf Geschossen - einschließlich eines Pfostenschusses - in Richtung der Personengruppe verliefen. Die Geschoßwirkung reichte aus, um auf eine Entfernung von 25 Metern zwei hintereinander eingespannte Holzbretter von jeweils 20 mm zu durchschlagen. Aufgrund eines Treffers an einem Betonpfosten in Höhe von rund
1,10 Meter sowie des Spurenbildes der übrigen Einschüsse hat die Strafkammer ausgeschlossen, daß der Angeklagte in den Boden schießen wollte, um die Frauen zu vertreiben. Aufgrund der festgestellten Umstände habe es der Angeklagte nicht in der Hand gehabt, wo und wie er getroffen habe.
Wenn das Landgericht bei dieser Sachlage von bedingtem Körperverletzungsvorsatz ausgegangen ist, weil der Angeklagte trotz der festgestellten Alkoholisierung (BAK maximal 2,18 o/oo) erkannt hatte, daß ein Feuern mit dem Kleinkalibergewehr auf die Frauen die körperliche Unversehrtheit dieser Personen verletzen konnte und dies billigend in Kauf nahm, ist nicht ersichtlich, warum er trotz Kenntnis von der Gefährlichkeit seines Handelns die Gefahr des Todes der Frauen nicht erkannt haben könnte. Wer - wie der im Umgang mit Schußwaffen und deren Wirkungen vertraute Angeklagte - sich dessen bewußt war, daß bei der gegebenen Vorgehensweise das Trefferbild unklar sein würde und deshalb die abgefeuerten Projektile ohne weiteres die im Einwirkungsbereich der Schüsse befindlichen Personen treffen konnten, weiß auch um deren mögliche tödliche Wirkung.
Die Auffassung des Landgerichts, dem Angeklagten sei nur bedingter Körperverletzungsvorsatz nachzuweisen, läßt besorgen, daß es sich zwar von dem für den bedingten Tötungsvorsatz notwendigen Wissenselement überzeugt hat, aber zu hohe Anforderungen an das Vorliegen des Willenselements gestellt hat. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird in der Regel das Vertrauen auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges dann zu verneinen sein, wenn der vorgestellte Ablauf eines Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahe ist, daß nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann (vgl. nur BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 38).

2. Soweit das Landgericht bei der Verneinung bedingten Tötungsvorsatzes darauf abstellt, daß der Angeklagte "deutlich minderbegabt ist", erhellt sich nicht, was damit konkret zum Ausdruck gebracht werden soll. Nach den Ausführungen des in der Hauptverhandlung gehörten psychiatrischen Sachverständigen wirkt der Angeklagte deutlich minderbegabt, wobei die Minderbegabung jedoch nicht ein Ausmaß erreiche, daß auf Grund dieser eine verminderte Steuerungsfähigkeit i. S. d. § 21 StGB anzunehmen sei. Eine vorhandene Minderbegabung spielt, was allgemein die Schuld betrifft, jedoch keine Rolle. Sie kann strafrechtlich nur dann von Bedeutung sein, wenn sie sich auf die konkrete Tat ausgewirkt hat. Hierfür gibt es bei dem im Umgang mit Waffen vertrauten Angeklagten, der auch die Tatwaffe in den vergangenen Jahren dazu benutzt hatte, Jagd auf Greifvögel zu machen, keinen Anhalt.
3. Zu den Einwendungen der Staatsanwaltschaft gegen den Strafausspruch , insbesondere zu dem Vorbringen, das Landgericht habe zu Unrecht von der Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung nach § 21, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht, bemerkt der Senat:

a) Rechtliche Bedenken bestehen bereits gegen die Annahme, der Angeklagte sei schon deshalb in seiner Steuerungsfähigkeit alkoholbedingt erheblich vermindert gewesen, weil bei ihm eine BAK von maximal 2,18 o/oo festgestellt und die einschreitenden Polizeibeamten den Eindruck hatten, der Angeklagte sei stark alkoholisiert. Diese Ausführungen lassen besorgen, daß die Strafkammer nicht die nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geforderte umfassende Gesamtwürdigung zu der Frage vorgenommen hat, ob beim Angeklagten unter Berücksichtigung der Vorgeschichte der
Tat, seines Verhaltens vor, während und nach der Tat und seiner Alkoholgewöhnung zur Tatzeit eine durch Alkoholrausch bedingte krankhafte seelische Störung vorgelegen hat (BGHSt 43, 66, 69). Es fehlt nicht nur eine nähere Auseinandersetzung mit den Trinkgewohnheiten des Angeklagten, sondern den Urteilsgründen sind auch keine Ausführungen zur Vorgeschichte der Tat und zum Einfluß des Alkohols auf das Leistungsverhalten bei der Tatbegehung und das Nachtatverhalten zu entnehmen. Den bisherigen Feststellungen ist nur zu entnehmen, daß der Angeklagte pro Woche ca. einen Kasten Bier trinkt, und daß der Tat über längere Zeit nachbarschaftliche Streitigkeiten vorausgegangen sind. Andererseits verhielt sich der Angeklagte, der nach den Feststellungen zunächst geschlafen hatte, kurz nach der Tat noch situationsadäquat.

b) Das Urteil läßt auch nicht erkennen, daß sich die Strafkammer bewußt war, daß es sich bei der Frage, ob eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit erheblich im Sinne des § 21 StGB ist, um eine Rechtsfrage handelt, die der Tatrichter - ohne Bindung an Äußerungen von Sachver ständigen - in eigener Verantwortung zu beantworten hat (BGHSt aaO S. 77).

c) Bei der weiteren Entscheidung, ob bei Vorliegen erheblich verminderter Schuld eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen werden soll, hat die Strafkammer zwar erörtert, daß eine Schuldmilderung dann ausgeschlossen sein kann, wenn die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Täters auf verschuldeter Trunkenheit beruht (vgl. dazu BGHSt aaO S. 77 f.). Sie hat aber eine verschuldete Trunkenheit mit der Begründung verneint, der Angeklagte sei nicht in der Lage gewesen, die mit der Alkoholisierung einhergehende Gefährdung der Allgemeinheit richtig einzuschätzen : "Die Minderbegabung des Angeklagten hinderte diesen daran, bei
Aufnahme des Alkohols die Gefahren zu erkennen, die mit der Aufnahme verbunden sind." Dieser Schluß der Kammer wird weder von den bisherigen Feststellungen getragen noch entspricht er der Lebenserfahrung. Nach den bisher mitgeteilten persönlichen Verhältnissen hat der fast 70 Jahre alte Angeklagte sein bisheriges Leben durchaus gemeistert. Er ist bisher nicht vorbestraft und hat ein rechtschaffendes Berufsleben als Pflasterer und als Busfahrer geführt. In seiner Freizeit beschäftigte er sich mit der Bienen- und Taubenzucht und gehörte lange Jahre dem Schützenverein an. Ohne nähere Darlegung über das Ausmaß und den Einfluß einer Minderbegabung auf die Lebensgestaltung des Angeklagten liegt es nach dem bisher mitgeteilten Lebenslauf eher nahe, daß der Angeklagte - wie jedermann - die Gefahren des Alkohols kennt.
4. Die nach Zurückweisung der Sache nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird Gelegenheit haben, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB neu zu prüfen und die Gründe für die zu Gunsten des Angeklagten vorgenommene Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB näher darzulegen. Im übrigen wird zu erwägen sein, ob nach den getroffenen Feststellungen nicht nur - wie vom Landgericht angenommen - die Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt ist, sondern auch die Voraussetzungen für die (versuchte) gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung i. S. d. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB vorliegen.

II.


Die Revision des Angeklagten
Die Nachprüfung des Urteils auf die Rüge der Verletzun g materiellen
Rechts hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. 1. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers tragen die fehlerfrei getroffenen Feststellungen den Schuldspruch.

a) Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten, er habe nur in den Boden schießen wollen, um die Frauen zu vertreiben, für widerlegt erachtet. Die dem zugrundeliegenden Beweiserwägungen beruhen auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage.
Nach den Feststellungen hatte der im Umgang mit Schußwaffen geübte Angeklagte von seinem Standort an dem - wie sich aus den gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Bezug genommenen Lichtbildern ergibt - im Erdgeschoß seines Anwesens befindlichen Schlafzimmerfenster freien Blick auf die rund 27 Meter entfernte Gartenbank, in deren Bereich sich die vier Tatopfer aufhielten. Das Landgericht hat weiter festgestellt, daß der Angeklagte auf Grund der örtlichen Gegebenheiten ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, in sehr kurzer Entfernung vor seinem Schlafzimmerfenster in den Boden zu feuern, wenn es ihm nur darauf angekommen wäre, die Frauen zu vertreiben. Der Angeklagte gab gleichwohl aus der Hüfte in schneller Folge sechs Schüsse in Richtung der Frauengruppe ab. Die Einschußbeschädigungen fanden sich überwiegend im Bereich der Gartenbank und der benachbarten Haustüre. Die Geschädigte H. erlitt einen direkten Durchschuß am Fuß, die Geschädigte S. wurde durch einen Geschoßsplitter am Oberschenkel verletzt. Dies steIlt eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Überzeugung der Strafkammer dar, daß der zwar alkoholisierte, sich jedoch gegenüber den wenig später eintreffenden Polizeibeamten situationsangemessen verhaltende Angeklagte bewußt auf die vier Frauen geschossen und billigend in Kauf genommen hat, diese zu
verletzen.

b) Daß das Landgericht insoweit nur (versuchte) gefährliche Körperverletzungen mittels einer Waffe (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB), nicht dagegen auch mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) angenommen hat, beschwert den Angeklagten nicht.

c) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat das Landgericht zu Recht Widerstand in einem besonders schweren Fall nach § 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB angenommen. Der Täter verwendet die Waffe schon dann, wenn er sie zur Drohung mit Gewalt einsetzt (BGHSt 27, 176, 180). Im übrigen hat das Landgericht der Erfüllung des Regelbeispiels im Hinblick auf den geringen Unwert der Tat für die "tateinheitlich auszusprechende Strafe" ausdrücklich kein Gewicht beigemessen.
2. Die Strafzumessung bewegt sich innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsspielraums und weist keinen Rechtsfehler auf.
Wahl Boetticher Schluckebier Richterin am BGH Elf ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Wahl Graf

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

5 StR 49/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. März 2012

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 26. September 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch bleibt bestehen. Die Beweiswürdigung hält trotz der unaufgelösten Widersprüche zwischen den Angaben der Nebenklägerin und der Einlassung des Angeklagten einerseits und der Aussage des Zeugen H. andererseits angesichts der vorhandenen objektiven Beweismittel (DNA-Spuren, Verletzungen der Nebenklägerin und Fundort ihrer Brille) im Ergebnis sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
3
2. Jedoch begegnet der Strafausspruch unter mehreren Gesichtspunkten durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken.
4
a) Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, „dass der Angeklagte aufgrund seines Alkoholkonsums enthemmt war und dies mit ein Grund dafür war, dass er sich entschloss, die Tat zu begehen“ (UA S. 19). Die Voraussetzungen des § 21 StGB hat es allerdings ebenso verneint, wie diejenigen des § 177 Abs. 5 StGB. Eine alkoholbedingt erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten hat das Landgericht alleine im Hinblick darauf ausgeschlossen, dass „weder der Angeklagte noch die Nebenklägerin bzw. der Zeuge H. schilderten, dass der Angeklagte stark betrunken war. Es wurde von keinem von alkoholbedingten Ausfallerscheinungen wie Lallen, Torkeln etc. berichtet“ (UA S. 11).
5
Diese Erwägungen tragen den Ausschluss einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht. Nach den Feststellungen betrieb dieser im Tatzeitraum in erheblichem Maße Alkoholmissbrauch. Der Tat ging eine „Feier“ in der Wohnung des Zeugen H. voraus, an der neben dem Zeugen die Nebenklägerin sowie der Angeklagte teilnahmen und bei der die Nebenklägerin Champagner, der Zeuge und der Angeklagte Wodka tranken. Nach der Einlassung des Angeklagten, auf welche die Strafkammer ihre Feststellungen „zum Alkoholkonsum“ stützt (UA S. 11), hat dieser am Tattag bis zum Abend „wohl einen Liter Wodka getrunken“ (UA S. 10). Die vom An- geklagten beabsichtigte vaginale Vergewaltigung der Nebenklägerin konnte er infolge von Erektionsstörungen nicht ausführen.
6
Angesichts dieser Umstände, die Anhaltspunkte für eine erhebliche Verminderung des nur relativ geringfügig und nicht einschlägig vorbestraften Angeklagten bieten, konnten die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht alleine aufgrund der bekundeten Wahrnehmungen der ebenfalls nicht unerheblich alkoholisierten Zeugen ausgeschlossen werden. Auch unternimmt das Landgericht, das keinen medizinischen Sachverständigen zugezogen hat, keinen Versuch einer Berechnung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit auf der Grundlage der Angaben des Angeklagten.
7
Da der Angeklagte sich selbst als „angetrunken“ beschrieben hat und die Tat einzelne Merkmale eines gezielten Vorgehens aufweist (Mitnahme des Mantels und der Schuhe der Nebenklägerin in die Wohnung des Angeklagten , um sie dorthin zu locken), kann der Senat zwar eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten bei der Tat ausschließen. Jedoch bedarf es erneuter Prüfung, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten infolge seiner Alkoholisierung erheblich vermindert war oder hiervon zumindest aufgrund des Zweifelssatzes auszugehen ist. Obgleich die verhängte Strafe maßvoll ist, kann der Strafausspruch auf dem fehlerhaften Ausschluss einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit beruhen.
8
b) Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er versuchte, den Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin auszuführen, „obwohl bereits ein halbes Jahr vor der Tat es zu einem nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin gekommen war“ (UA S. 19). Abgesehen davon, dass zur Feststellung dieser Tat im angefochtenen Urteil jegliche Beweiswürdigung fehlt, war die Strafkammer auch nicht befugt, diese Feststellung gegen den Angeklagten zu verwerten. Der Angeklagte wurde aufgrund Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vom 5. Dezember 2008 am 27. Juni 2011 in Polen festgenommen. Die Auslieferungsbewilligung des Bezirksgerichts Lublin umfasst nur die abgeurteilte Tat vom 28. Dezember 2007, nicht jedoch die ursprünglich mitangeklagte Tat vom Sommer 2007, für die dementsprechend die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wurde. Die Verwertung dieser Tat zum Nachteil des Angeklagten bei der Strafzumessung verletzt den Grundsatz der Spezialität nach Art. 27 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (2002/584/JI) in Verbindung mit § 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG. Danach ist nicht nur die Festsetzung selbständiger Strafen für andere Taten als die Auslieferungstat ausgeschlossen, sondern auch deren Mitbestrafung im Wege der Erhöhung der für die Auslieferungstat verwirkten Strafe (BGH, Urteile vom 19. Februar 1969 – 2 StR 612/68, BGHSt 22, 318; vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11 Rn. 19; Theune in LK, 12. Aufl., § 46 Rn. 179).
9
c) Schließlich wird das neue Tatgericht nach § 51 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 StGB einen Ausspruch über die Anrechnung der vom Angeklagten in Polen erlittenen Auslieferungshaft zu treffen haben.
Basdorf Schaal Schneider König Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 248/04
vom
22. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
20. Oktober 2004 in der Sitzung am 22. Oktober 2004, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger
- in der Verhandlung vom 20. Oktober 2004 -,
Rechtsanwalt
als Verteidiger
- in der Sitzung am 22. Oktober 2004 -,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29. Januar 2004 wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten greift mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge die Verneinung erheblich verminderter Schuldfähigkeit an. Sie bleibt ohne Erfolg. 1. Das Landgericht hat festgestellt: Der Angeklagte begann im Alter von 13 Jahren mit dem Trinken von Alkohol. Bereits mit 17 Jahren befand er sich in einer Entziehungskur, die ebenso ergebnislos blieb wie spätere Entgiftungen und Therapien. Am 25. Juli 2003 tranken der Angeklagte und seine Lebensgefährtin R. , die Geschädigte, in ihrer gemeinsamen Wohnung ab etwa
16.00 Uhr zusammen mit dem Mitangeklagten S. in erheblichem Umfang Wein.Als R. gegen 21.00 Uhr, nur mit einem Achselshirt und einem Slip bekleidet, aufreizend vor S. tanzte, entschloß sich der Angeklagte aus Wut und Verärgerung hierüber sowie aufgrund bereits in der Vergangenheit erfolgter Demütigungen seitens der Geschädigten, seine Lebensgefährtin zu töten. Er holte, verborgen vor der Geschädigten, aus der Küche ein Fleischermesser und stachelte den S. mehrfach leise mit den Worten "Komm, die stechen wir jetzt ab; sie hat es verdient" an. S. ergriff schließlich das Messer und stieß es der auf dem Sessel sitzenden Geschädigten wuchtig in den Unterbauch. Sodann verließ er fluchtartig die Wohnung. Der Angeklagte zog das Messer aus der Wunde und wusch es in der Spüle ab. Anschließend verständigte er per Notruf das DRK. Eine 45 Minuten nach der Tat entnommene Blutprobe des Angeklagten ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,92 o/oo. Seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit war zum Tatzeitpunkt jedoch nicht erheblich eingeschränkt. 2. Mit einer Aufklärungsrüge macht der Angeklagte geltend, das Landgericht hätte den Arzt Dr. L. , der auf dem Polizeirevier bei dem Angeklagten die Blutprobe entnommen und ein Protokoll über den Zustand des Angeklagten gefertigt hatte, als sachverständigen Zeugen vernehmen müssen. Die Rüge ist unbegründet. Durch das Unterlassen der Einvernahme des Arztes hat das Landgericht nicht gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen. Es hat zwar die Feststellungen in dem Protokoll der Blutentnahme u.a. mit der Begründung in Frage gestellt, derartige Feststellungen geschähen "zumeist unter Zeitdruck und lediglich oberflächlich", was im vorliegenden Fall durch die hohe Zahl der ausgelassenen Untersuchungen bestätigt werde. Es hat aber rechts-
fehlerfrei den Angaben des Protokolls keinen wesentlichen Indizwert beigemessen. Die in dem Protokollsformular vorgesehenen Untersuchungen bezüglich Puls, Blutdruck, Romberg-Test, Drehnystagmus, Gang geradeaus und plötzliche Kehrtwendung wurden bei dem Angeklagten überhaupt nicht vorgenommen. Auch deuten einige der getroffenen Feststellungen eher auf eine nicht eingeschränkte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten hin. So wird das Befinden des Angeklagten als "normal", der Alkoholeinfluß auf den Angeklagten nur als "deutlich" und nicht als "stark" oder "sehr stark" gekennzeichnet. Bei dieser Sachlage mußte das Landgericht sich nicht zu der ergänzenden Vernehmung des Arztes gedrängt sehen. 3. Auch die Sachrüge ist nicht begründet. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht angenommen, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht alkoholbedingt erheblich vermindert war.
a) Bei einer Blutalkoholkonzentration in der festgestellten Höhe ist die Möglichkeit einer krankhaften seelischen Störung durch einen akuten Alkoholrausch zu erörtern. Einen Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration regelmäßig vom Vorliegen dieses Merkmals auszugehen ist, gibt es jedoch nicht. Entscheidend ist vielmehr eine Gesamtschau aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände aus der Persönlichkeitsstruktur des Täters, seinem Erscheinungsbild vor, während und nach der Tat und dem eigentlichen Tatgeschehen. Die Blutalkoholkonzentration ist in diesem Zusammenhang ein zwar gewichtiges, aber keinesfalls allein maßgebliches oder vorrangiges Beweisanzeichen, wobei deren Bedeutung auch von der - hier sehr hohen - Alkoholgewöhnung des Täters beeinflußt sein kann (vgl. BGHSt 43, 66, 70; BGH NStZ 2002, 532).
Ob die Steuerungsfähigkeit wegen des Vorliegens einer krankhaften seelischen Störung bei Begehung der Tat "erheblich" im Sinne des § 21 StGB vermindert war, ist eine Rechtsfrage. Diese hat der Tatrichter ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortun g zu beantworten. Hierbei fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen , die die Rechtsordnung auch an einen berauschten Täter stellt (vgl. BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ-RR 1999, 295, 296). Diese Anforderungen sind um so höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (BGH NStZ 2004, 437).
b) Diesen Grundsätzen ist die sachverständig beratene Strafkammer gerecht geworden (zum Maßstab revisionsrechtlicher Überprüfung tatrichterlicher Entscheidungen zum Einfluß von Alkohol auf die Schuldfähigkeit vgl. auch Maatz/Wahl BGH-FS S. 531, 553). Der Revision ist zwar einzuräumen, daß der Blutalkoholwert hier sehr tatzeitnah - 45 Minuten nach der Tat - gemessen wurde und deshalb eine zuverlässige Aussage mit nicht geringer Beweisbedeutung darstellt. Das Landgericht war gleichwohl aus Rechtsgründen nicht gehindert, trotz dieses Blutalkoholwertes die festgestellten psychodiagnostischen Beweisanzeichen dahin zu würdigen, daß eine krankhafte seelische Störung nicht vorgelegen hatte. Die psychodiagnostischen Beweisanzeichen sind hier sogar besonders aussagekräftig. Der alkoholabhängige Angeklagte ist in hohem Maße trinkgewohnt. Sein Verhalten vor, während und nach der Tat hat in sich schlüssige Handlungssequenzen mit motorischen Kombinationsleistungen gezeigt, die so nicht möglich gewesen wären, wenn diese Fähigkeiten erheblich beeinträchtigt gewesen wären. Er brachte das Messer mit dem Unterarm verdeckt in das Wohnzimmer, verbarg es dort vor der Geschädigten und sprach bewußt so lei-
se auf den Mitangeklagten S. ein, daß der Geschädigten seine Worte verborgen blieben. Er rief unmittelbar nach der Tat bei der Polizeidirektion an und erfragte die Telefonnummer des DRK. Auf dem Notrufband des DRK ist die Stimme des Angeklagten - wie die Strafkammer aufgrund eigener Wahrnehmung festgestellt hat - deutlich und ohne Anzeichen einer verwaschenen Aussprache zu vernehmen. Er antwortete schnell und angepaßt auf Nachfragen und legte bei der Angabe seiner Telefonnummer sogar bewußt Pausen ein, um das Mitschreiben zu erleichtern. Die Geschädigte wie der Mitangeklagte S. schilderten den Angeklagten als "ganz normal", und auch der am Tatort eintreffende Polizeibeamte Polizeihauptmeister Ri. stellte bei dem Angeklagten "keinerlei Ausfallerscheinungen" fest. Hinzu kommt das genaue, auch die Motivationslage einschließende Erinnerungsvermögen des Angeklagten. Soweit das kontrollierte Vorgehen des Angeklagten, das über "eingeschliffenes" Verhalten und schlichte Verhaltensmuster hinausging, nach der Tat geschah, brauchte das Landgericht angesichts seines Verhaltens vor und bei Ausführung der Tat auch keinen relevanten Ernüchterungseffekt in Rechnung zu stellen. Er hat die Tat weder in einem Zustand der Erregung oder in einem seelischen Ausnahmezustand noch unüberlegt begangen. Er hat sie vielmehr im einzelnen geplant und das Tatwerkzeug besorgt. Er hat die Lage, in der die Geschädigte sich aufgrund der entspannten Atmosphäre keines Angriffs auf ihr Leben versah, bewußt zur Tat ausgenutzt. Diese - das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllende - Vorgehensweise läßt die Annahme, das differenzierte Verhalten des Angeklagten nach der Tat sei auf einen Ernüchterungseffekt zurückzuführen, als fernliegend erscheinen. Das Landgericht durfte daher - "nach eingehender Prüfung" - die Indizwirkung der gemessenen hohen Blutalkoholkonzentration als entkräftet anse-
hen, ohne den ihm insoweit zustehenden Beurteilungsspielraum (BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 13) zu überschreiten. Da das Landgericht damit das Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung rechtsfehlerfrei verneint hat, kommt es auf die Frage der "Erheblichkeit" einer verminderten Steuerungsfähigkeit nicht mehr an.
c) Der von der Revision hilfsweise beantragten Vorlage der Sache an den Großen Senat für Strafsachen nach § 132 Abs. 2, 3 GVG bedarf es nicht, da kein Strafsenat des Bundesgerichtshofs an der Auffassung festhält, es gebe einen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz, wonach ab einem bestimmten Grenzwert des Blutalkoholgehalts die Steuerungsfähigkeit in aller Regel erheblich vermindert ist (vgl. BGHSt 43, 66, 76). Dementsprechend hat der Senat auch bereits entschieden, daß in einem Fall, in dem die Blutalkoholkonzentration bis zu 3,54 o/oo betragen haben kann, eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens kurz nach der Tat zu Recht ausgeschlossen wurde (BGH NStZ 2002, 532). Gleichermaßen hat z.B. auch der 4. Strafsenat für den Fall einer maximalen Blutalkoholkonzentration von 3,23 o/oo den Ausschluß einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit aufgrund psychodiagnostischer Beurteilungskriterien für möglich erklärt (BGH, Urteil vom 11. September 2003 - 4 StR 139/03). Soweit in den Entscheidungen der einzelnen Senate möglicherweise Unterschiede in der auf den jeweiligen Einzelfall bezogenen Bewertung und Gewichtung einzelner psychodiagnostischer Kriterien aufgetreten sind, nötigt dies nicht zur Vorlage dieser Sache an den Großen Senat für Strafsachen , da es sich insoweit nicht um verbindliche Entscheidungen eines anderen Senats in einer Rechtsfrage im Sinne von § 132 Abs. 2 GVG handelt.
Es bestehen schließlich keine Anhaltspunkte dafür, die der Rechtsprechung des Senats zugrundeliegenden medizinischen Erfahrungssätze in Frage zu stellen, so daß es auch der von der Revision ebenfalls hilfsweise beantragten Anhörung eines Sachverständigen nicht bedarf. Nack Wahl Kolz Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 14/02
vom
6. Juni 2002
in der Strafsache
gegen
,
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Juni 2002,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 21. September 2001 wird als unbegründet verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern, und wegen Körperverletzung in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Nach den Feststellungen des Landgerichts mißbrauchte der Angeklagte seine 1985 geborene Stieftochter 1995 oder 1996 sowie am 25. März 2001 sexuell. Ferner schlug und trat er sie im Dezember 2000, im Februar 2001 und am 25. März 2001 mit der Hand und einmal mit den Füßen. Bei allen Taten war der Angeklagte durch den vorangegangenen Genuß alkoholischer Getränke leicht enthemmt. Jedoch war seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit bei keiner der Taten erheblich vermindert.
Mit seiner Revision wendet sich der Angeklagte gegen den Rechtsfolgenausspruch. Mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge greift er insbesondere die Feststellung nicht erheblich verminderter Schuldfähigkeit an. Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.

II.


Die Revision ist - von vorneherein - wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Dies ergibt die Auslegung der Revisionsrechtfertigung. Sie hat das erklärte Ziel, den Weg zur Verurteilung zu einer geringeren Freiheitsstrafe zu eröffnen, zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

III.


1. Mit der Verfahrensrüge wendet sich der Angeklagte gegen die Ablehnung seines Antrags auf Einholung eines “psychologischen-psychiatrischensuchtmedizinischen Sachverständigengutachtens” durch das Landgericht.
Die Rüge ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt noch den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Zwar vermag die Nennung der Fundstellen des Beweisantrags und des Ablehnungsbeschlusses in den Akten deren inhaltliche Wiedergabe in der Revisionsrechtfertigungsschrift grundsätzlich nicht zu ersetzen (vgl. LR-Hanack StPO 25. Aufl. § 344 Rdn. 83; KKKuckein StPO 4. Aufl. § 344 Rdn. 39; Kleinknecht/Meyer-Goûner StPO 45. Aufl. § 344 Rdn. 21; jeweils m.w.N.; differenzierend: Kutzer, StraFo 2000, 326 [327]). Der Beschwerdeführer teilt daneben aber noch mit, daû zur Auswir-
kung des Alkohol- bzw. Tablettenkonsums des Angeklagten auf dessen Schuldfähigkeit bereits zwei rechtsmedizinische Sachverständige gehört wurden , die eine wesentliche - alkohol- oder medikamentenbedingte - Verminderung des Einsichts- oder Steuerungsvermögens des Angeklagten zu den Tatzeiten verneinten, daû der Angeklagte die Beauftragung eines weiteren - psychiatrischen - Sachverständigen hierzu beantragt hatte, die Strafkammer dies aber unter Hinweis auf ihre eigene Sachkunde abgelehnt hat. Dies genügt hier, um den Senat in die Lage zu versetzen, allein anhand der Revisionsbegründung und der Urteilsgründe zu überprüfen, ob der behauptete Verfahrensverstoû gegeben ist.
Weiterer Vortrag in der Revisionsbegründung wäre allerdings dann erforderlich gewesen, wenn Grundlage des beantragten Sachverständigengutachtens nicht nur der Alkohol- und Tablettenkonsum des Angeklagten hätte sein sollen, sondern etwa Auffälligkeiten in der Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten. Diese hätten dann genannt werden müssen.
Die Verfahrensrüge ist jedoch unbegründet. Die Strafkammer hat den Beweisantrag rechtsfehlerfrei unter Berufung auf ihre eigene Sachkunde zurückgewiesen (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO). Diese wird in den Urteilsgründen überzeugend nachgewiesen. Die Strafkammer durfte dabei auch auf die ihr in der Hauptverhandlung durch die Ausführungen der bereits gehörten Sachverständigen vermittelten Erkenntnisse zurückgreifen (vgl. G. Schäfer, Die Praxis des Strafverfahrens, 6. Aufl. Rdn. 1193 m.w.N.).
2. Auch mit der Sachrüge bleibt die Revision ohne Erfolg.

a) Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer festgestellt, daû die Einsichtsund Steuerungsfähigkeit des Angeklagten in keinem der Fälle alkoholbedingt oder in Folge der Einnahme von Tabletten (Diazepam) erheblich vermindert war.
aa) Der Angeklagte nimmt regelmäûig groûe Alkoholmengen zu sich. Er ist “hochgradig alkoholgewöhnt”. Nach Alkoholkonsum wird er zuweilen aggressiv. Eine süchtige Einengung auf den Konsum von Alkohol liegt jedoch nicht vor. Seine Lebens- und Freizeitgestaltung ist nicht beeinträchtigt. Mit Rücksicht auf seinen Beruf als Fernfahrer, den er seit fünfzehn Jahren beanstandungsfrei ausübt, trinkt der Angeklagte in der Regel nur an Wochenenden, soweit familiäre Unternehmungen nicht entgegenstehen. Erinnerungslücken infolge von Trunkenheit hatte der Angeklagten noch nie. Alkoholbedingte Entzugserscheinungen konnten bei einer einmonatigen stationären Behandlung des Angeklagten ab Ende Mai 1995 nach einem Suizidversuch nicht festgestellt werden.
Konkrete Anhaltspunkte zum Grad der Alkoholisierung des Angeklagten bei den Taten gibt es nur hinsichtlich der Vorfälle am 25. März 2001. Eine am nächsten Tag um 02.10 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,91 %o. Davon ausgehend ergibt sich eine maximale Blutalkoholkonzentration von 3,54 %o bei der Körperverletzung - Tatzeit zwischen 19.00 Uhr und 19.23 Uhr - und von 3,41 %o bei der sexuellen Nötigung (Tatzeit zwischen 19.40 Uhr und 20.00 Uhr). Ein um 20.45 Uhr vorgenommener Atemtest ergab eine Alkoholkonzentration von 2,48 %o. Ausfallerscheinungen waren bei dem Angeklagten weder zum Zeitpunkt seiner Festnahme um
20.00 Uhr noch bei der ärztlichen Prüfung seiner Leistungsfähigkeit im Zusammenhang mit der Blutentnahme um 02.10 Uhr erkennbar.
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nahm der Angeklagte aufgrund ärztlicher Verordnung ab Mai 1994 ungefähr ein Jahr lang täglich lediglich eine Tablette Diazepam ein und nicht fünf bis sieben, wie sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung entgegen seinen Angaben gegenüber dem ihn 1995 behandelnden Arzt einlieû. Die Beendigung dieses Tablettenkonsums hatte zu Beginn seiner stationären Behandlung nach einem Suizidversuch ab Ende Mai 1995 nur eine leichte Entzugssymptomatik zur Folge.
bb) Auf dieser Grundlage ist die selbst sachkundige und zudem sachverständig beratene Strafkammer aufgrund sorgfältiger Erwägungen unter Darstellung der maûgeblichen Anknüpfungstatsachen zu der Überzeugung gekommen , daû weder der Alkoholmiûbrauch des Angeklagten noch (hinsichtlich der ersten Tat) die regelmäûige Einnahme von Diazepam - auch nicht im Zusammenwirken mit Alkohol - eine schwere Persönlichkeitsveränderung im Sinne einer suchtbedingten und suchttypischen Depravation des Angeklagten zur Folge hatte und er zu den Tatzeiten auch nicht infolge einer akuten Alkoholund /oder Medikamentenintoxikation an einer krankhaften seelischen Störung litt.
Dies ist auch hinsichtlich der Taten am 25. März 2001 von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten lag zum Zeitpunkt der ersten der beiden Taten am 25. März 2001 im Bereich von 2,5 %o bis 3,54 %o. Die Strafkammer hat nicht verkannt, daû eine Blutalkoholkonzentration in der hier nach Rückrechnung nicht ausschlieûbaren Höhe
“zwar an sich geeignet ist, eine forensisch relevante Intoxikation zu indizieren”. Allerdings verliert - worauf die Strafkammer zu Recht hinweist - der errechnete maximale Blutalkoholwert infolge des langen Rückrechnungszeitraums an indizieller Bedeutung für die Beurteilung der Schuldfähigkeit (vgl. BGH NStZ 1998, 457 [458]), zumal hier die - ebenfalls indizielle - tatnahe Atemluftmessung eher auf eine Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit an der unteren Grenze der Bandbreite der möglichen Werte schlieûen läût.
Vor allem aber gibt es keinen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz darüber, daû ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit auszugehen ist. Denn eine durch den Blutalkoholgehalt angezeigte, wirksam in den Blutkreislauf aufgenommene Alkoholmenge wirkt nach medizinischer Erfahrung auf jeden Menschen unterschiedlich (BGHSt 43, 66 [71 f.]; vgl. auch BGH NStZ 1998, 458). Das Landgericht stellte rechtsfehlerfrei fest, daû das körperliche und geistige Leistungsvermögen des in hohem Maûe alkoholgewohnten Angeklagten kurz nach der Tat und auch zum Zeitpunkt der Entnahme der Blutprobe - bei dann einer Blutalkoholkonzentration von 1,91 %o - nicht wesentlich beeinträchtigt war. Dabei hat die Strafkammer - bei Darlegung der Befundtatsachen - nicht nur auf das kontrollierte und äuûerlich geordnete Verhalten des Angeklagten abgestellt, sondern insbesondere auch auf dessen klares Bewuûtsein, seine sofortigen adäquaten Reaktionen auf Fragen und Handlungen anderer, den geordneten Denkablauf, seine ruhige Stimmung und sein normales Befinden. Wenn die Strafkammer vor diesem Hintergrund eine erhebliche Verminderung der Einsichts- oder der Steue-
rungsfähigkeit auch bei Begehung der Taten am 25. März 2001 ausgeschlossen hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

b) Daû sich der Angeklagte das Ermittlungs- und Strafverfahren wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung zum Nachteil der Darlene Neu am 14. Februar 1998 hinsichtlich der Tat (sexuelle Nötigung) am 25. März 2001 nicht zur Warnung dienen lieû, durfte die Strafkammer berücksichtigen, auch wenn jenes Verfahren am 4. Januar 2001 mit einem Freispruch endete (vgl. BGHSt 25, 64; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. Rdn. 367).

c) Auch im übrigen ergab die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
Schäfer Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 378/02
vom
3. Dezember 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
3. Dezember 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom 3. Juni 2002 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Die Jugendkammer hat den Angeklagten zu drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, weil er im Zustande alkoholbedingt erheblich verminderter Schuldfähigkeit die 14 Jahre alte B. G. vergewaltigt hat. Seine auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision macht im wesentlichen geltend, die Jugendkammer habe nicht rechtsfehlerfrei eine alkoholbedingte Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) des Angeklagten ausgeschlossen. Auch der Generalbundesanwalt hält das Urteil für rechtsfehlerhaft.
Die Revision bleibt erfolglos. Die Revisionsangriffe versagen, auch im übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

I.


1. Folgendes ist festgestellt:

a) Am Mittag des 5. August 2001 überredete der Angeklagte in der Nähe seines Wohnhauses auf der Straße die Geschädigte, deren zehn Jahre alte Schwester und ein weiteres, ebenfalls zehn Jahre altes Mädchen, mit ihm in seinem Schrebergarten Blumen zu gießen. Er bestellte telefonisch ein Taxi und fuhr mit ihnen zu der unweit gelegenen Anlage, wobei er der Taxifahrerin den ihr unbekannten Weg wies. Der Angeklagte, der „zumindest eines der Mädchen in seiner Gartenhütte sexuell missbrauchen“ wollte, forderte zunächst eine der Zehnjährigen auf, mit ihm in die Hütte zu kommen. Als sie ablehnte, zerrte er sie am Oberarm; sie konnte sich aber befreien. Die beiden zehnjährigen Mädchen entfernten sich, nachdem ihnen der Angeklagte 50 DM gegeben und sie aufgefordert hatte, „alles, was sie gesehen hätten zu vergessen und zu verschwinden“. Anschließend zog der Angeklagte B. G. gegen ihren Widerstand in die Hütte, die er von innen versperrte. Obwohl sie sich wehrte und schrie, warf er sie auf ein Sofa, zog sie und sich vollständig aus und legte sich auf sie. Zum Geschlechtsverkehr kam es nicht, sein wiederholter Versuch scheiterte, weil er keine „ausreichend starke“ Erektion hatte. Statt dessen führte er über etwa fünf Minuten immer wieder seinen Finger in ihre Scheide ein. Als sie Übelkeit vortäuschte und an die Luft wollte, bot er ihr 100 DM an, wenn er weitermachen könne. Letztlich schloß er aber die Tür auf und B. G. konnte fliehen.

b) Eine etwa sechs Stunden nach der Tat entnommene Blutprobe des Angeklagten ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,80 %o. Auf der Grundlage
der Angaben des Angeklagten, vor der Tat in erheblichem Umfang Wodka und nach der Tat eine Flasche Bier getrunken zu haben, errechnet die Jugendkammer ohne einen den Angeklagten benachteiligenden Fehler einen theoretischen Maximalblutalkoholwert von 3,87 %o zur Tatzeit.
2. Die Jugendkammer stützt ihre Annahme, beim Angeklagten hätten we- gen vorangegangenen Alkoholkonsums zwar die Voraussetzungen von § 21 StGB, nicht aber die des § 20 StGB vorgelegen, auf die im einzelnen rechtsfehlerfrei dargelegte sehr hohe Alkoholgewöhnung des Angeklagten sowie auf sein Verhalten vor und bei der Tat. Darüber hinaus weist sie darauf hin, daß die Taxifahrerin den Angeklagten „als betrunken, aber nicht volltrunken“ beschrieben hat und er bei der Blutprobe (Ergebnis: 2,80 %o) dem Arzt nur „leicht alkoholisiert“ erschien.

II.


1. Mit einer Aufklärungsrüge macht die Revision geltend, die Jugendkammer hätte einen Sachverständigen „zum etwaigen Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 StGB“ hören müssen. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) ist damit schon nicht zulässig gerügt, da entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO das erwartete Beweisergebnis nicht klar genug mitgeteilt ist. Das genannte Vorbringen der Revision ist nicht anders zu bewerten als ein Vorbringen, das ein bestimmtes Ergebnis nur als möglich bezeichnet, oder das behauptet, weitere Ermittlungen hätten vielleicht ein anderes Beweisergebnis erbracht (vgl. hierzu nur BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1; BGH, Beschluß vom 4 August 1998 – 1 StR 79/98; w. Nachw. bei Kuckein in KK 4. Aufl. § 344 Rdn. 51).

2. Im übrigen ist auch nicht erkennbar, daß sich die Jugendkammer sachverständiger Beratung hätte bedienen müssen (vgl. auch Maatz/Wahl BGH – FS S. 531, 553). Ohne daß dies bei der vorliegenden, eher einfach gelagerten Fallgestaltung gesonderter Darlegung bedurft hätte, belegen ihre Ausführungen genügend eigene Sachkunde. Weder ist die Jugendkammer von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen, noch hat sie wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen:

a) Bei einer Blutalkoholkonzentration der genannten Höhe ist die Möglichkeit von Schuldunfähigkeit zu erörtern. Einen Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration regelmäßig von Schuldunfähigkeit auszugehen sei, gibt es jedoch nicht. Entscheidend ist vielmehr eine Gesamtschau aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände , die sich auf das Erscheinungsbild des Täters vor, während und nach der Tat beziehen. Die Blutalkoholkonzentration ist in diesem Zusammenhang ein zwar gewichtiges, aber keinesfalls allein maßgebliches Beweisanzeichen, wobei deren Bedeutung auch von der – hier sehr hohen – Alkoholgewöhnung des Täters beeinflußt sein kann (vgl. nur BGH NStZ 1998, 591, 592; StV 1997, 257; insgesamt eingehend zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Schild in NK – StGB < 9. Lieferung 2001 > § 20 Rdn. 143 f. m. zahlr. Nachw.).
Die Ausführungen der Jugendkammer lassen erkennen, daß sie von diesen Grundsätzen ausgegangen ist (zum Maßstab revisionsrechtlicher Überprüfung tatrichterlicher Entscheidungen zum Einfluß von Alkohol auf die Schuldfähigkeit vgl. auch Maatz/Wahl aaO). Es ist auch nicht ersichtlich, daß eine der im einzelnen von der Jugendkammer angestellten Erwägungen unge-
eignet wäre, zur Stützung des gefundenen Gesamtergebnisses herangezogen zu werden.
b) Soweit geltend gemacht ist, die Jugendkammer hätte wesentliche Gesichtspunkte , die sich zwar nicht aus dem Urteil, wohl aber aus dem Akteninhalt ergeben, bei der Prüfung der Schuldfähigkeit außer acht gelassen, ist das Vorbringen der Revision schon nicht zulässig.
(1) Die Revision macht geltend, die Taxifahrerin (vgl. oben I 2) habe den Angeklagten bei der Polizei als „total betrunken“ bezeichnet.
Verfahrensrügen, die auf einen Abgleich des Urteils mit der Aktenlage gerichtet sind, sind jedoch nicht zulässig (vgl. nur BGH NStZ 2000, 156; Wahl in NJW – Sonderheft für G. Schäfer 2002, S. 73 jew. m. w. Nachw.). Die Taxifahrerin wurde in der Hauptverhandlung gehört und hat den Angeklagten ausweislich der maßgeblichen Urteilsgründe gerade nicht als volltrunken bezeichnet.
(2) Weiter macht die Revision geltend, die Geschädigte habe bei der Polizei angegeben, daß der Angeklagte, „als er die Tür aufschloss, irgendwie nicht mehr bei der Sache war. Er saß offensichtlich völlig apathisch auf dem Sofa und war geistig entrückt“. Die Revision führt weiter aus, daß diese Beobachtung der Geschädigten auf ausgeschlossene Schuldfähigkeit hindeute.
Ausweislich der Urteilsgründe wurde die Geschädigte in der Hauptverhandlung nicht vernommen; ihre polizeiliche Aussage wurde verlesen. Eine Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, eine solche Aussage habe einen anderen Inhalt, als er dem Urteil zu Grunde gelegt wurde, ist unter diesen
Umständen möglich, ebenso eine Rüge, wesentliche Erkenntnisse, die sich aus der verlesenen Aussage ergeben, seien unbeachtet geblieben (vgl. nur BGHR StPO § 261 Inbegriff 7, 15, 22, 30; Wahl aaO m. w. Nachw.).
Nach der verlesenen polizeilichen Aussage hat die Geschädigte am Tattag auf die Frage, ob der Angeklagte betrunken war, erklärt: „Meiner Meinung nach war er nicht stark betrunken. Man roch zwar den Alkohol, aber er hatte keinen unsicheren Gang, lallte nicht und ich glaube, er wusste, was er tat“. Bei einer – ebenfalls verlesenen - ergänzenden Vernehmung vom nächsten Tag sagte sie: “ Danach (gemeint: nach dem Aufschließen der Tür) setzte sich Herr N. wieder auf das Sofa und war irgendwie nicht mehr bei der Sache. In diesem Moment konnte ich mich schnell anziehen... Danach konnte ich ... davonlaufen“.
Daraus ergibt sich, daß diese Rüge schon an entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzutreffendem und unvollständigem Vortrag scheitert. Die Geschädigte hat weder ausdrücklich noch sinngemäß erklärt, nach ihrer Beobachtung sei der Angeklagte „völlig apathisch ... und geistig entrückt“ gewesen. Dem gegenüber verschweigt die Revision die Aussage der Geschädigten vom Tattag, die jedenfalls nicht für eine besonders intensive Trunkenheit spricht. Solch unvollständiger Vortrag führt dazu, daß sich die Revision nicht mit Umständen auseinander setzen muß, die gegen ihr Vorbringen sprechen (BGHSt 40, 218, 240; BGH, Urteil vom 1. Juli 1998 – 1 StR 182/98).
Im übrigen wurde dem Angeklagten erheblich verminderte Schuldfähigkeit zugebilligt, weil er vor der Tat viel Alkohol konsumiert hatte. Allein daraus, daß Auswirkungen dieses Alkoholkonsums auch äußerlich erkennbar waren,
ergibt sich jedoch nicht, daß der Angeklagte alkoholbedingt nicht nur erheblich vermindert schuldfähig, sondern schuldunfähig war. Besonders intensive oder ungewöhnliche Alkoholauswirkungen, die eine andere Beurteilung nahe legen könnten, ergeben sich aus der Aussage, der Angeklagte sei nach der Tat „irgendwie nicht bei der Sache“ gewesen, jedenfalls nicht.

c) Schließlich ist auch nicht ersichtlich, daß die Jugendkammer wesentliche , im Urteil getroffene Feststellungen im Rahmen der Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten außer acht gelassen hätte:
(1) Der Senat teilt nicht die Auffassung, es könne ein hier möglicherweise für Schuldunfähigkeit sprechendes Indiz sein, daß der Angeklagte mit den Mädchen mit einem Taxi zum Tatort fuhr. Insbesondere belegt dies nicht, daß sich der Angeklagte ohne vernünftigen Grund einem erheblichen Entdekkungsrisiko ausgesetzt hätte. Die Taxifahrerin konnte allenfalls bekunden, daß der Angeklagte und die Mädchen zur Kleingartenanlage gefahren sind, nicht aber, was dort geschehen ist. Wäre der Angeklagte im übrigen am frühen Nachmittag aus Richtung seiner Wohnung in E. in Begleitung von drei Mädchen zu Fuß zu der Kleingartenanlage gelaufen, wäre die Möglichkeit, daß dies beob-achtet worden wäre, auch nicht erkennbar geringer gewesen. Daß der Angeklagte auch sonst keine unverständlichen Entdeckungsrisiken einging, wird im übrigen auch daran deutlich, daß er vor der Tat die beiden jüngeren Mädchen mit Geld dazu veranlaßte, sich zu entfernen und er später der Geschädigten Geld anbot, mit dem er sie offensichtlich auch zum Schweigen veranlassen wollte.
(2) Schließlich ist, zumal im Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, auch nicht erkennbar, daß die nicht „ausreichend stark(e)“ Erektion des Angeklagten ein Gesichtspunkt sein könnte, der den Ausschluß der Schuldfähigkeit des Angeklagten nahe legt und daher in diesem Zusammenhang zu erörtern gewesen wäre (vgl. auch oben II. 2 b). 3. Auch im übrigen ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei.

III.


Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung stand.
1. Die Jugendkammer hat festgestellt, der Angeklagte – monatliches ! " # %$& ' )(* + -,*. Einkommen: 1.000 ,* 0 # ) 21 34 0 5( 6% 6 87 9*+: % ; 0 0 <8 :+ 8 = 87 3.0000 / ksichtigten Umstand ist nicht ausgeführt.
Der Generalbundesanwalt hält auch unbeschadet der Frage, ob damit . '> ? 1:? ? ? ' # * @ A BDCE §§ 46a nr. 1, 49 abs. 1 stgb nicht erörtert ist.
Der Senat, dem im übrigen eine Schmerzensgeldzusage über 30.000 unrealistisch erschiene, sieht – unabhängig von der Höhe der Zusage - keinen durchgreifenden Rechtsfehler:
Auf die Vernehmung der Geschädigten war allseits verzichtet worden. Die Jugendkammer hat, ersichtlich auf Grund der Vernehmung der Mutter der Geschädigten festgestellt, daß diese noch immer unter den Folgen der Tat er-
heblich zu leiden hat. Sie hat Probleme im Umgang mit Erwachsenen, insbe- sondere mit Männern, hat Schlafstörungen und macht sich wegen der Tat Selbstvorwürfe. Sie fürchtet, die Familie des Angeklagten denke schlecht über sie. Sie ist noch immer in psychologischer Behandlung; wann diese beendet werden kann, ist noch nicht absehbar. Trotz der nicht sehr klaren Feststellung der Jugendkammer zu einer Vereinbarung zwischen dem Angeklagten und der minderjährigen Geschädigten über vermögensrechtliche Ansprüche drängt sich jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen die Annahme, es sei zu einem kommunikativen, auf einen umfassenden, friedenstiftenden Ausgleich gerichteten Prozeß zwischen der Geschädigten und dem Angeklagten gekommen , nicht auf.
2. Auch im übrigen sind Rechtsfehler bei der Strafzumessung nicht ersichtlich. Das Vorbringen der Revision beschränkt sich letztlich darauf, auch von der Jugendkammer nicht übersehene Gesichtspunkte anders zu gewichten.
Nack Wahl Boetticher Schluckebier Kolz

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 139/03
vom
11. September 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. September 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 19. November 2002 mit den Feststellungen, einschließlich derjenigen zu den Trinkmengen des Angeklagten, aufgehoben
a) im Ausspruch über die wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung verhängten Einzelstrafe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Ferner hat es gegen ihn eine isolierte Sperre nach § 69 a StGB angeordnet. Gegen
dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verlet- zung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat in Bezug auf die Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und den Maßregelausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Vergewaltigung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Erörterung bedarf insoweit - angesichts des Teilaufhebungsantrags des Generalbundesanwalts - nur die zu § 244 Abs. 2 StPO erhobene Verfahrensrüge, mit der der Beschwerdeführer die Verletzung der Aufklärungspflicht durch Ablehnung der Vernehmung der Zeugen Rolf, Regina und Roland S. sowie Johanna A. geltend macht.

a) Die Verteidigung hat in der Hauptverhandlung die Vernehmung der vorgenannten Zeugen „zum Verhalten des Angeklagten am 07.04.2002“ (nach der Tat) und „zum Verhältnis der Eheleute T. “ (bei der Geschädigten handelt es sich um die Ehefrau des Angeklagten) beantragt. Zur Begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt, der Angeklagte habe dem Zeugen Rolf S. noch am Tattag, den übrigen Zeugen „kurz danach“ von dem Vorfall vom 7. April 2002 berichtet. Alle vier Zeugen seien „dem Angeklagten seit Jahren aufs Engste verbunden“ und könnten auch genaue Angaben über das Verhältnis des Angeklagten zu seiner Ehefrau und über ein „mögliches Motiv für eine Falschbeschuldigung“ durch diese machen.
Die Strafkammer hat den Antrag durch Beschluß mit der Begründung abgelehnt, mangels bestimmt behaupteter Beweistatsachen liege nur ein Beweisermittlungsantrag vor. Die Vernehmung der angebotenen Zeugen dränge sich im übrigen bei verständiger Würdigung der Sachlage weder auf noch liege sie nahe.
Der Beschwerdeführer sieht hierin einen Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO. Die beantragte Beweiserhebung habe sich dem Gericht aufdrängen müssen, da – wie die Revision durch die Wiedergabe von Ausschnitten aus polizeilichen Vernehmungsprotokollen zu belegen versucht – bei den Angaben der Zeugen, denen die Geschädigte ihrerseits von dem Tatgeschehen berichtet habe, Widersprüchlichkeiten aufgetreten seien. Die Einvernahme der benannten Zeugen hätte demgegenüber ergeben, daß der Angeklagte diesen den Tathergang wie bei seiner polizeilichen Vernehmung und in der Hauptverhandlung geschildert habe.

b) Der Rüge bleibt der Erfolg versagt.
aa) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob sie den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt, da die polizeilichen Vernehmungsprotokolle, aufgrund derer der Strafkammer sich die beantragte Beweiserhebung nach Auffassung der Revision hätte aufdrängen müssen, in der Begründungsschrift nicht vollständig, sondern nur in Ausschnitten wiedergegeben werden. Nach dieser Bestimmung sind nämlich die die Rüge begründenden Tatsachen so genau und vollständig anzugeben, daß das Revisionsgericht allein auf ihrer Grundlage prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (st. Rspr., vgl. BGHR StPO
§ 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 7, 8 m.w.N.). Dies erfordert bei einer Aufklärungsrüge auch die Darlegung der Umstände und Vorgänge, die für die Beurteilung der Frage, ob sich dem Gericht die vermißte Beweiserhebung aufdrängen mußte, bedeutsam sein konnten (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 3, 6 m.w.N.). Wird - wie hier - der Aufklärungsmangel aus dem Inhalt früherer, im Ermittlungsverfahren erfolgter Zeugenvernehmungen hergeleitet , so bedarf es daher regelmäßig deren (vollständiger) inhaltlicher Wiedergabe (vgl. auch BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 6).
bb) Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Das Landgericht hat den gestellten Antrag zu Recht als Beweisermittlungsantrag gewertet, da ihm eine bestimmte Beweisbehauptung nicht entnommen werden kann. Es war – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - auch nicht aufgrund der ihm nach § 244 Abs. 2 StPO obliegenden Aufklärungspflicht gehalten, die beantragten Beweiserhebungen vorzunehmen. Der bloße Umstand, daß der die Vergewaltigung bestreitende Angeklagte nach der Tat Dritten den „Vorfall“ geschildert hat, mußte hier das Gericht nicht bereits zu deren Vernehmung drängen. Denn auch wenn man unterstellt, daß der Angeklagte diesen gegenüber von einer Vergewaltigung nichts berichtet oder eine solche in Abrede gestellt hat, hätte das Landgericht nach Sachlage dem keinen höheren Beweiswert zumessen müssen, als seinem diesbezüglichen Bestreiten im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung selbst. Soweit die benannten Zeugen Angaben über ein „mögliches Motiv für eine Falschbeschuldigung“ hätten tätigen sollen, mußte sich mangels jeglicher konkreter Tatsachenangabe dem Landgericht eine entsprechende Beweiserhebung schon deshalb nicht aufdrängen, da es sich bei der Motivation zu einem Handeln oder Unterlassen um einen Vorgang im Inneren eines anderen Menschen handelt, der grundsätzlich nicht
tauglicher Gegenstand des Zeugenbeweises sein kann (vgl. hierzu Meyer- Goßner StPO 46. Aufl. vor § 48 Rdnr. 2). Schließlich war die beantragte Vernehmung auch nicht aus Gründen der „Waffengleichheit“ geboten. Soweit das Landgericht Zeugen vernommen hat, denen die Geschädigte von der Tat berichtet hat, geschah dies ersichtlich zur Beurteilung der - vom Landgericht rechtsfehlerfrei bejahten - Glaubwürdigkeit der Zeugin. Dies führt jedoch nicht bereits im Sinne eines Automatismus dazu, daß aus Gründen der Amtsaufklärung nunmehr auch all die Personen zu vernehmen sind, denen der Angeklagte seinerseits den Tathergang geschildert hat.
2. Keinen Bestand kann hingegen das Urteil im Ausspruch über die wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung verhängte Einzelstrafe (Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten) haben, weil die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine alkoholbedingte erheblich verminderte Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten verneint hat, rechtlichen Bedenken begegnen.

a) Das Landgericht ist den Trinkmengenangaben des Angeklagten gefolgt und hat hieraus eine maximale Blutalkoholkonzentration von 3,23 ‰ zum Tatzeitpunkt errechnet. Es hat trotz dieses hohen Wertes eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten verneint und in diesem Zusammenhang auf einzelne Tatumstände verwiesen, welche es – ohne dies näher auszuführen – ersichtlich als Anzeichen für eine uneingeschränkte Schuldfähigkeit gewertet hat. Im Anschluß hat es sich ohne weitere Begründung der Einschätzung des Sachverständigen angeschlossen. Dieser habe lediglich eine „alkoholbedingte Enthemmung aufgrund der Beziehungskonstellation und Tren-
nungssituation“ bejaht, die jedoch nicht den Grad der erheblichen Minderung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erreicht habe.

b) Dies hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
aa) Schließt sich der Tatrichter dem angehörten Sachverständigen an, muß er sich in eigener Verantwortung mit dem Gutachteninhalt auseinandersetzen und dessen wesentlichen Grundlagen auf eine für das Revisionsgericht nachprüfbare Weise in den Urteilsgründen mitteilen (vgl. Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 20 Rdnr. 65 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Dem wird das angefochtene Urteil, das sich zu Einzelheiten des Sachverständigengutachtens nicht verhält, nicht gerecht.
bb) Darüber hinaus vermögen die vom Landgericht angeführten Tatumstände nicht den Ausschluß einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten zu rechtfertigen. Zwar kann die Indizwirkung einer hohen TatzeitBlutalkoholkonzentration (vgl. BGHSt 43, 66) durch Umstände entkräftet werden , die darauf hinweisen, daß das Steuerungsvermögen des Täters trotz der erheblichen Alkoholisierung voll erhalten geblieben ist (sog. psychodiagnostische Beurteilungskriterien; vgl. hierzu etwa BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 34 und 36). Dem Umstand, daß der Angeklagte „zielgerichtet mit Symbolcharakter in mehreren Etappen über eine Inbesitznahme der Geschädigten hin zu einer Erniedrigung“ (UA 27) gehandelt hat, kommt aber eine entsprechende Aussagekraft nicht ohne weiteres zu. Auch das Nachtatverhalten des Angeklagten, das teilweise eher von Ernüchterung und Reue getragen gewesen sein kann, gestattet keine diesbezüglichen sicheren Schlüsse.

c) Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung der betroffenen Einzelstrafe , da nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Landgericht bei Annahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit von der Möglichkeit der Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht beziehungsweise - auch angesichts des Vorverhaltens der Geschädigten - den Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB zugrundegelegt und auf eine niedrigere Einzelstrafe erkannt hätte. Dies entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage. Einer Aufhebung des Schuldspruches bedarf es insoweit nicht, da der Senat eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten (§ 20 StGB) zur Tatzeit sicher ausschließen kann. Er hebt jedoch auch die Feststellungen zu den Trinkmengen auf, um dem neuen Tatrichter eine umfassende Prüfung der Voraussetzungen des § 21 StGB zu ermöglichen. Insoweit wird für die neue Hauptverhandlung zu berücksichtigen sein, daß Trinkmengenangaben des Angeklagten der Errechnung der Blutalkoholkonzentration nicht ungeprüft zugrunde gelegt werden müssen (vgl. hierzu im einzelnen Tröndle/Fischer aaO § 20 Rdnr. 15 m.N.).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 14/02
vom
6. Juni 2002
in der Strafsache
gegen
,
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Juni 2002,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 21. September 2001 wird als unbegründet verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern, und wegen Körperverletzung in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Nach den Feststellungen des Landgerichts mißbrauchte der Angeklagte seine 1985 geborene Stieftochter 1995 oder 1996 sowie am 25. März 2001 sexuell. Ferner schlug und trat er sie im Dezember 2000, im Februar 2001 und am 25. März 2001 mit der Hand und einmal mit den Füßen. Bei allen Taten war der Angeklagte durch den vorangegangenen Genuß alkoholischer Getränke leicht enthemmt. Jedoch war seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit bei keiner der Taten erheblich vermindert.
Mit seiner Revision wendet sich der Angeklagte gegen den Rechtsfolgenausspruch. Mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge greift er insbesondere die Feststellung nicht erheblich verminderter Schuldfähigkeit an. Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.

II.


Die Revision ist - von vorneherein - wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Dies ergibt die Auslegung der Revisionsrechtfertigung. Sie hat das erklärte Ziel, den Weg zur Verurteilung zu einer geringeren Freiheitsstrafe zu eröffnen, zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

III.


1. Mit der Verfahrensrüge wendet sich der Angeklagte gegen die Ablehnung seines Antrags auf Einholung eines “psychologischen-psychiatrischensuchtmedizinischen Sachverständigengutachtens” durch das Landgericht.
Die Rüge ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt noch den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Zwar vermag die Nennung der Fundstellen des Beweisantrags und des Ablehnungsbeschlusses in den Akten deren inhaltliche Wiedergabe in der Revisionsrechtfertigungsschrift grundsätzlich nicht zu ersetzen (vgl. LR-Hanack StPO 25. Aufl. § 344 Rdn. 83; KKKuckein StPO 4. Aufl. § 344 Rdn. 39; Kleinknecht/Meyer-Goûner StPO 45. Aufl. § 344 Rdn. 21; jeweils m.w.N.; differenzierend: Kutzer, StraFo 2000, 326 [327]). Der Beschwerdeführer teilt daneben aber noch mit, daû zur Auswir-
kung des Alkohol- bzw. Tablettenkonsums des Angeklagten auf dessen Schuldfähigkeit bereits zwei rechtsmedizinische Sachverständige gehört wurden , die eine wesentliche - alkohol- oder medikamentenbedingte - Verminderung des Einsichts- oder Steuerungsvermögens des Angeklagten zu den Tatzeiten verneinten, daû der Angeklagte die Beauftragung eines weiteren - psychiatrischen - Sachverständigen hierzu beantragt hatte, die Strafkammer dies aber unter Hinweis auf ihre eigene Sachkunde abgelehnt hat. Dies genügt hier, um den Senat in die Lage zu versetzen, allein anhand der Revisionsbegründung und der Urteilsgründe zu überprüfen, ob der behauptete Verfahrensverstoû gegeben ist.
Weiterer Vortrag in der Revisionsbegründung wäre allerdings dann erforderlich gewesen, wenn Grundlage des beantragten Sachverständigengutachtens nicht nur der Alkohol- und Tablettenkonsum des Angeklagten hätte sein sollen, sondern etwa Auffälligkeiten in der Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten. Diese hätten dann genannt werden müssen.
Die Verfahrensrüge ist jedoch unbegründet. Die Strafkammer hat den Beweisantrag rechtsfehlerfrei unter Berufung auf ihre eigene Sachkunde zurückgewiesen (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO). Diese wird in den Urteilsgründen überzeugend nachgewiesen. Die Strafkammer durfte dabei auch auf die ihr in der Hauptverhandlung durch die Ausführungen der bereits gehörten Sachverständigen vermittelten Erkenntnisse zurückgreifen (vgl. G. Schäfer, Die Praxis des Strafverfahrens, 6. Aufl. Rdn. 1193 m.w.N.).
2. Auch mit der Sachrüge bleibt die Revision ohne Erfolg.

a) Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer festgestellt, daû die Einsichtsund Steuerungsfähigkeit des Angeklagten in keinem der Fälle alkoholbedingt oder in Folge der Einnahme von Tabletten (Diazepam) erheblich vermindert war.
aa) Der Angeklagte nimmt regelmäûig groûe Alkoholmengen zu sich. Er ist “hochgradig alkoholgewöhnt”. Nach Alkoholkonsum wird er zuweilen aggressiv. Eine süchtige Einengung auf den Konsum von Alkohol liegt jedoch nicht vor. Seine Lebens- und Freizeitgestaltung ist nicht beeinträchtigt. Mit Rücksicht auf seinen Beruf als Fernfahrer, den er seit fünfzehn Jahren beanstandungsfrei ausübt, trinkt der Angeklagte in der Regel nur an Wochenenden, soweit familiäre Unternehmungen nicht entgegenstehen. Erinnerungslücken infolge von Trunkenheit hatte der Angeklagten noch nie. Alkoholbedingte Entzugserscheinungen konnten bei einer einmonatigen stationären Behandlung des Angeklagten ab Ende Mai 1995 nach einem Suizidversuch nicht festgestellt werden.
Konkrete Anhaltspunkte zum Grad der Alkoholisierung des Angeklagten bei den Taten gibt es nur hinsichtlich der Vorfälle am 25. März 2001. Eine am nächsten Tag um 02.10 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,91 %o. Davon ausgehend ergibt sich eine maximale Blutalkoholkonzentration von 3,54 %o bei der Körperverletzung - Tatzeit zwischen 19.00 Uhr und 19.23 Uhr - und von 3,41 %o bei der sexuellen Nötigung (Tatzeit zwischen 19.40 Uhr und 20.00 Uhr). Ein um 20.45 Uhr vorgenommener Atemtest ergab eine Alkoholkonzentration von 2,48 %o. Ausfallerscheinungen waren bei dem Angeklagten weder zum Zeitpunkt seiner Festnahme um
20.00 Uhr noch bei der ärztlichen Prüfung seiner Leistungsfähigkeit im Zusammenhang mit der Blutentnahme um 02.10 Uhr erkennbar.
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nahm der Angeklagte aufgrund ärztlicher Verordnung ab Mai 1994 ungefähr ein Jahr lang täglich lediglich eine Tablette Diazepam ein und nicht fünf bis sieben, wie sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung entgegen seinen Angaben gegenüber dem ihn 1995 behandelnden Arzt einlieû. Die Beendigung dieses Tablettenkonsums hatte zu Beginn seiner stationären Behandlung nach einem Suizidversuch ab Ende Mai 1995 nur eine leichte Entzugssymptomatik zur Folge.
bb) Auf dieser Grundlage ist die selbst sachkundige und zudem sachverständig beratene Strafkammer aufgrund sorgfältiger Erwägungen unter Darstellung der maûgeblichen Anknüpfungstatsachen zu der Überzeugung gekommen , daû weder der Alkoholmiûbrauch des Angeklagten noch (hinsichtlich der ersten Tat) die regelmäûige Einnahme von Diazepam - auch nicht im Zusammenwirken mit Alkohol - eine schwere Persönlichkeitsveränderung im Sinne einer suchtbedingten und suchttypischen Depravation des Angeklagten zur Folge hatte und er zu den Tatzeiten auch nicht infolge einer akuten Alkoholund /oder Medikamentenintoxikation an einer krankhaften seelischen Störung litt.
Dies ist auch hinsichtlich der Taten am 25. März 2001 von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten lag zum Zeitpunkt der ersten der beiden Taten am 25. März 2001 im Bereich von 2,5 %o bis 3,54 %o. Die Strafkammer hat nicht verkannt, daû eine Blutalkoholkonzentration in der hier nach Rückrechnung nicht ausschlieûbaren Höhe
“zwar an sich geeignet ist, eine forensisch relevante Intoxikation zu indizieren”. Allerdings verliert - worauf die Strafkammer zu Recht hinweist - der errechnete maximale Blutalkoholwert infolge des langen Rückrechnungszeitraums an indizieller Bedeutung für die Beurteilung der Schuldfähigkeit (vgl. BGH NStZ 1998, 457 [458]), zumal hier die - ebenfalls indizielle - tatnahe Atemluftmessung eher auf eine Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit an der unteren Grenze der Bandbreite der möglichen Werte schlieûen läût.
Vor allem aber gibt es keinen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz darüber, daû ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit auszugehen ist. Denn eine durch den Blutalkoholgehalt angezeigte, wirksam in den Blutkreislauf aufgenommene Alkoholmenge wirkt nach medizinischer Erfahrung auf jeden Menschen unterschiedlich (BGHSt 43, 66 [71 f.]; vgl. auch BGH NStZ 1998, 458). Das Landgericht stellte rechtsfehlerfrei fest, daû das körperliche und geistige Leistungsvermögen des in hohem Maûe alkoholgewohnten Angeklagten kurz nach der Tat und auch zum Zeitpunkt der Entnahme der Blutprobe - bei dann einer Blutalkoholkonzentration von 1,91 %o - nicht wesentlich beeinträchtigt war. Dabei hat die Strafkammer - bei Darlegung der Befundtatsachen - nicht nur auf das kontrollierte und äuûerlich geordnete Verhalten des Angeklagten abgestellt, sondern insbesondere auch auf dessen klares Bewuûtsein, seine sofortigen adäquaten Reaktionen auf Fragen und Handlungen anderer, den geordneten Denkablauf, seine ruhige Stimmung und sein normales Befinden. Wenn die Strafkammer vor diesem Hintergrund eine erhebliche Verminderung der Einsichts- oder der Steue-
rungsfähigkeit auch bei Begehung der Taten am 25. März 2001 ausgeschlossen hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

b) Daû sich der Angeklagte das Ermittlungs- und Strafverfahren wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung zum Nachteil der Darlene Neu am 14. Februar 1998 hinsichtlich der Tat (sexuelle Nötigung) am 25. März 2001 nicht zur Warnung dienen lieû, durfte die Strafkammer berücksichtigen, auch wenn jenes Verfahren am 4. Januar 2001 mit einem Freispruch endete (vgl. BGHSt 25, 64; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. Rdn. 367).

c) Auch im übrigen ergab die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
Schäfer Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

28
In diesem Zusammenhang bemerkt der Senat: Von hier nicht einschlägigen Besonderheiten abgesehen, braucht eine Revisionsbegründung den ursächlichen Zusammenhang zwischen (behauptetem) Rechtsfehler und dem angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich darzulegen. Es ist vielmehr grundsätzlich Sache des Revisionsgerichts, die Beruhensfrage von sich aus zu prüfen. Dies sollte jedoch gerade in Fällen, in denen die Möglichkeit eines Beruhens nicht leicht zu erkennen ist, den Beschwerdeführer nicht davon abhalten, konkret darzulegen, warum aus seiner Sicht hier ein Beruhen möglich erscheinen kann (vgl. zusammenfassend Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rdn. 65 m.w.N.). Andernfalls ist nicht auszuschließen, dass das Revisionsgericht trotz seiner umfassenden Überprüfung der Beruhensfrage eine in diesem Zusammenhang (doch) in Betracht zu ziehende Möglichkeit nicht erkennt und daher auch nicht in seine Erwägungen einbezieht (BGH, Beschl. vom 14. Januar 2010 - 1 StR 620/09). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof gerade auch im Zusammenhang mit Rügen der Verletzung von § 265 StPO wiederholt darauf hingewiesen, dass auch dem Revisionsvorbringen nichts zu entnehmen ist, was das (negative) Ergebnis seiner Beruhensprüfung in Frage stellen könne (vgl. z.B. BGHR StPO § 265 Abs.1 Hinweispflicht 9, 12; BGH, Beschl. vom 19. Oktober 1994 - 2 StR 336/94; Beschl. vom 13. Juni 2007 - 2 StR 127/07).

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 644/09
vom
7. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 7. April 2010 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 9. Juli 2009 im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in zwei Fällen und wegen Sachbeschädigung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
2
Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Den Verfahrensrügen bleibt der Erfolg aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 9. Februar 2010 versagt. Hingegen führt das Rechtsmittel auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im gesamten Rechtsfolgenausspruch; im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
1. Die Ausführungen des Landgerichts zur Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
Die Urteilsgründe beschränken sich in diesem Zusammenhang darauf, das Ergebnis der Exploration durch den vom Landgericht beauftragten psychiatrischen Sachverständigen Dr. S. wiederzugeben, wonach der Angeklagte weder an einer schizophrenen Psychose noch an einer wahnhaften Störung leide und auch eine Affekttat auszuschließen sei. Vielmehr habe der Angeklagte lediglich eine akzentuierte Persönlichkeit mit Mängeln in der sozialen Kompetenz und benötige daher psychotherapeutische Behandlung; die Eingangsvoraussetzungen von § 20 StGB seien indes nicht erfüllt. Das Landgericht ist dieser Einschätzung des Sachverständigen dann trotz "nicht unerheblicher Bedenken im Ergebnis" gefolgt und hat eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB zum Zeitpunkt der Taten verneint.
5
2. Diese Erwägung des Landgerichts ist so allgemein gehalten, dass dem Senat die revisionsgerichtliche Prüfung, ob die Strafkammer bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist und die Voraussetzungen einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB rechtsfehlerfrei verneint hat, nicht möglich ist.
6
Der Tatrichter hat die Schuldfähigkeit des Angeklagten ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beurteilen; es handelt sich insoweit um eine Rechtsfrage, die vor dem Hintergrund einer Gesamtwürdigung von Tat und Täter zu beantworten ist (BGHSt 43, 66, 77; 49, 45, 53; BGH, Urteil vom 6. Mai 1997 – 1 StR 17/97, BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 31). Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen im angefochtenen Urteil ersichtlich schon deshalb nicht, weil die Strafkammer selbst erhebliche Zweifel am Ergebnis des Sachverständigengutachtens erkennen lässt, ohne diese auch nur ansatzweise näher zu erläutern. Unerörtert bleibt auch der in den Urteilsgründen mitgeteilte Umstand, dass der im Zuge der einstweiligen Unterbringung des Angeklagten tätig gewordene psychiatrische Sachverständige Dr. G. in zwei – vorläufigen – Stellungnahmen eine psychotische Erkrankung nicht ausgeschlossen hat.

II.


7
Trotz der im Hinblick auf das Tatbild außerordentlich maßvollen Einzelstrafen – vor allem in Fall II. 3 der Urteilsgründe – kann der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass sich der Rechtsfehler bei der Strafbemessung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat, und hebt den Rechtsfolgenausspruch daher insgesamt auf.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Franke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 343/03
vom
23. September 2003
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. September 2003 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Konstanz vom 30. April 2003 im Rechtsfolgenausspruch
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird mit der Maßgabe verworfen,
daß der Angeklagte der schweren Brandstiftung, der Brandstiftung
, des Diebstahls in drei Fällen, davon in einem Fall in
Tateinheit mit versuchter Brandstiftung, sowie des versuchten
Diebstahls in zwei Fällen und der Sachbeschädigung schuldig
ist.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "schwerer Brandstiftung, Brandstiftung, Diebstahls in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung, Diebstahls in einem besonders schweren Fall, versuchten besonders schweren Diebstahls in zwei Fällen, Diebstahls und wegen
Sachbeschädigung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt er die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts. 1. Das Rechtsmittel ist unbegründet, soweit es dem Schuldspruch gilt (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Senat berichtigt lediglich den Urteilsausspruch, da das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere Fälle nicht auszuführen ist (vgl. BGH StV 2001, 624). 2. Das Urteil ist jedoch - bereits auf die Sachbeschwerde hin, so daß es auf die Verfahrensbeschwerde nicht mehr ankommt - im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben, weil die Verneinung der Voraussetzungen einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB der rechtlichen Überprüfung nicht standhält. Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte, der im Alter von zwei Jahren einen schweren Unfall "mit Hirnverletzungen" erlitten hatte, bereits als Kind psychiatrisch behandelt. Er hat eine Sonderschule besucht und keine Berufsausbildung erfahren. Er befand sich fast 20 Jahre lang im Maßregelvollzug in psychiatrischen Anstalten. Den in den Jahren 1983 und 1994 erfolgten Anordnungen der Unterbringung gemäß § 63 StGB lagen zum einen Diebstahl, Betrug, Urkundenfälschung, Vortäuschen einer Straftat und gefährliche Körperverletzung , zum anderen schwere Brandstiftung zugrunde. Im April 2000 ist die Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt worden. Dem vorliegenden Verfahren liegen acht Tatkomplexe zugrunde, in denen der Angeklagte u.a. ein Gartenhaus, einen in einer Garage abgestellten Pkw und einen Hasenstall in Brand setzte, dies bei einem Vereinsheim versuchte und eine Reihe von Diebstählen - zumeist mittels Einbruchs - beging.
Das Landgericht teilt als Ergebnis des psychiatrischen Sachverständigengutachtens mit: Bei dem Angeklagten liege keine psychiatrische Erkrankung oder hirnorganisch bedingte Wesensänderung im Sinne einer krankhaften seelischen Störung vor. Zu konstatieren sei eine schwerwiegende, seit der Kindheit andauernde Persönlichkeitsstörung mit überwiegend histrionischen und dissozialen Komponenten. Diese sei zwar als andere schwere seelische Abartigkeit zu werten. Die Steuerungsfähigkeit sei bezüglich der Diebstahlsund Einbruchsdelikte jedoch nicht im Ausmaß des § 21 StGB vermindert. Bezüglich der Branddelikte bleibe "vieles unklar". Ein zwanghaftes Handeln sei nicht erkennbar. Mangels zusätzlicher konstellativer Momente (situative Belastung , Alkoholeinfluß, abnorme Stimmungslabilität) könnten auch in Bezug auf die Branddelikte die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht bejaht werden. Dieser Bewertung des Sachverständigen hat sich die Strafkammer angeschlossen. Diese knappen Erwägungen werden den Besonderheiten des Falles nicht gerecht. Schon angesichts des Tatgeschehens in den Brandstiftungsfällen , in denen der Angeklagte ohne erkennbares Motiv gehandelt hat, ist die Wertung des Landgerichts nicht ohne weiteres verständlich. Insbesondere aber war hier in Rechnung zu stellen, daß der Lebensweg des Angeklagten von Anfang an bis in die Zeit der verfahrensgegenständlichen Taten von erheblichen psychiatrischen Auffälligkeiten geprägt war, die wiederholt zur Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit geführt haben. Angesichts dessen ist es ein durchgreifender Darstellungsmangel, daß die Urteilsgründe nicht erkennbar machen, warum der gehörte Sachverständige - und damit auch das Tatgericht - von den zahlreichen, die Voraussetzungen des § 21 StGB bejahenden ärztlichen Befunden und gutachtlichen Äußerungen, wie sie insbesondere im Rahmen der den Angeklagten betreffenden Unterbringungsentscheidungen ange-
fallen sind, abgewichen ist. Die Kammer hätte diese darlegen und sich mit ihnen auseinandersetzen müssen. Deshalb kann der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Auf den Schuldspruch hat der Rechtsfehler keine Auswirkungen, weil eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten nach den Feststellungen auszuschließen ist. 3. Sofern der neue Tatrichter zur positiven Feststellung eines Zustands im Sinne des § 21 StGB gelangt, würde auch die Frage einer erneuten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erörtern sein. Daß nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung einer Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 StPO). 4. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß es Aufgabe des Tatrichters ist, das Gutachten des Sachverständigen zu überprüfen und sich über den Zustand des Angeklagten eine eigene Überzeugung zu bilden (vgl. BGH NJW 1997, 1645, 1646). Insbesondere ist auch die Frage der Erheblichkeit der Verminderung der Steuerungsfähigkeit eine Rechtsfrage,
die deshalb vom Richter, nicht aber vom Sachverständigen zu beantworten ist (st. Rspr.; vgl. BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ 1999, 630). Nack Wahl Schluckebier Kolz Elf
5 StR 255/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 17. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. August 2011

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. Februar 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg. Soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, ist das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts liegt der Tat eine Auseinandersetzung im „so genannten Trinkermilieu am Berliner Ost-Bahnhof“ (UA S. 6) zugrunde. Der im Zeitpunkt der Tat 27 Jahre alte, aus Polen stammende und erheblichen Alkoholmissbrauch treibende Angeklagte traf dort auf den später verstorbenen 59 Jahre altenalkoholkranken R. . Gemeinsam mit anderen Personen wurde auf einem kleinen Vorplatz des Bahnhofs Alkohol konsumiert. Als der Angeklagte den auf einer niedrigen Mauer sitzenden alkoholkranken R. verdächtigte, ihm Zigaretten weggenommen zu haben, schrie er ihn an und versetzte ihm schließlich einen kräftigen Tritt seitlich gegen den Kopf. R. fiel nach hinten in eine Rabatte und blieb dort liegen, ohne dass sich die umstehenden Personen um ihn kümmerten. Erst als zwei Zeugen mehrere Stunden später bei ihm keine Lebenszeichen mehr feststellen konnten, riefen sie einen Rettungswagen. Der Tritt des Angeklagten hatte zu einer Verletzung des Gehirns des Geschädigten geführt, wahrscheinlich zu einem Riss eines Aneurysmas in der Nähe des Hirnstamms; der Geschädigte verstarb wenig später.
3
2. Die Verneinung erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
4
a) Die beim Angeklagten etwa sieben bis acht Stunden nach dem Tatzeitpunkt ermittelten Blutalkoholwerte vermochte die sachverständig beratene Schwurgerichtskammer ihrer Bewertung nicht zugrunde zu legen, da der Angeklagte, der am Nachmittag mit dem Konsum von Alkohol angefangen hatte, damit auch nach dem festgestellten Tatgeschehen fortfuhr. Auch konnten keine zuverlässigen Trinkmengenangaben erhoben werden.
5
b) Angesichts dessen hat das Landgericht seine Annahme, die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei nicht erheblich vermindert gewesen, im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen auf folgende Umstände gestützt: Zeugen hätten den Angeklagten als angetrunken, jedoch „nicht total betrunken“ bezeichnet. Auf einer Videoaufzeichnung, die sein Verhalten in Tatzeitnähe zeige, sei erkennbar, dass der Angeklagte ohne weiteres in der Lage gewesen sei, aus der Hocke am Boden aufzustehen, sich wieder hinzuhocken und umherzugehen; augenfälliges Torkeln oder Schwanken sei nicht zu erkennen. Entscheidend sei schließlich der festgestellte Tatablauf selbst, wonach der Angeklagte fähig gewesen sei, einen Tritt gegen den Kopf des vor ihm sitzenden Geschädigten auszuführen. Aufgrund der Größe des Geschädigten und dessen Sitzhöhe erfordere eine derartige Handlung ein deutliches Heben des Beines und damit ein Maß an Koordinationsfähigkeit , das einer stark betrunkenen Person nicht mehr möglich gewesen wäre.
6
aa) Die Schwurgerichtskammer hat nicht bedacht, dass selbst bei hochgradiger Alkoholisierung des Täters grobmotorische Fertigkeiten erhalten geblieben sein können (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1981 – 2 StR 264/81). Denn dievom Landgericht angeführten Umstände belegen nur, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht völlig aufgehoben war; aus ihnen ist indes nicht mit genügender Sicherheit abzuleiten, dass seine Steuerungsfähigkeit nicht erheblich vermindert gewesen ist. Dazu hätte es aussagekräftiger psychodiagnostischer Beweisanzeichen bedurft. Als solche sind nur Umstände in Betracht zu ziehen, die Hinweise darauf geben können, dass die Steuerungsfähigkeit des Täters trotz erheblicher Alkoholisierung nicht in erheblichem Maße beeinträchtigt gewesen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Mai 2005 – 2 StR 160/05, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 38, und vom 28. April 2009 – 4 StR 95/09, NStZ-RR 2009, 270). Eine alkoholische Beeinflussung mit der Folge erheblich verminderter Schuldfähigkeit ist weder zwingend noch regelmäßig von schweren ins Auge fallenden Ausfallerscheinungen begleitet (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 1997 – 3 StR 35/97, StV 1997, 349).
7
bb) Soweit sich die Urteilsbegründung auf Aussagen von Zeugen stützt, die sich selbst zum Zweck des Alkoholkonsums am Ort des Geschehens aufhielten, wären deren Alkoholisierung in Bedacht zu nehmen und ihre Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Bewertung des Verhaltens des Angeklagten zu erörtern gewesen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. November 2005 – 5 StR 358/05, NStZ-RR 2006, 72, und vom 26. Mai 2009 – 5 StR 57/09, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 41).
8
c) Obgleich die verhängte Strafe eher maßvoll erscheint, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass sie bei Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB noch geringer ausgefallen wäre. Dies gilt insbesondere, da dieser benannte Strafmilderungsgrund im Rahmen der Prüfung des § 213 Alternative 2, § 227 Abs. 2 StGB – nachrangig zu unbenannten Strafmilderungsgründen – zu berücksichtigen wäre. Der Senat weist darauf hin, dass die in diesem Zusammenhang zu Lasten des Angeklagten angestellte Erwä- gung, er habe „keinen bzw. jedenfalls keinen nachvollziehbaren Grund“ (UA S. 21) für den körperlichen Übergriff auf R. gehabt, angesichts des nicht aufgeklärten Diebstahlsverdachts nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist.
9
3. Darüber hinaus hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt.
10
a) Dem Sachverständigen folgend hat die Schwurgerichtskammer bei dem Angeklagten einen Hang im Sinne des § 64 StGB und den Symptomcharakter der verfahrensgegenständlichen Tat festgestellt. Von der Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB hat sie gleichwohl im Hinblick auf ungenügende Sprachkenntnisse des Angeklagten abgesehen. Mangels konstruktiver Kommunikationsmöglichkeiten könne keine Erfolg versprechende Therapie durchgeführt werden. In derartigen Fällen sehe die derzeitige Fassung des § 64 StGB vor, von einer Unterbringung Abstand zu nehmen.
11
b) Auch nach der Umgestaltung des § 64 StGB zur Sollvorschrift mit der Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) sollte es im Grundsatz dabei verbleiben, dass die Sprachunkundigkeit eines Ausländers nicht ohne weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf seine Unterbringung sein kann (vgl. Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5137, S. 10). Indes muss nicht gegen jeden Sprachunkundigen , insbesondere wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm schwer möglich sein wird, eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08, NStZ 2009, 204). Bei dem Angeklagten handelt es sich um einen EU-Ausländer mit Lebensmittelpunkt in Deutschland. Angesichts dessen hätte es jedenfalls der Klärung bedurft, inwieweit das für den Vollzug einer Unterbringung des Angeklagten zuständige Krankenhaus des Maßregelvollzugs Behandlungsmöglichkeiten für polnischsprachige Patienten bietet (vgl. Basdorf /Schneider/König in Festschrift Rissing-van Saan, 2011, S. 59, 62 ff.).
Raum Brause Schaal Schneider Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 187/07
vom
12. Juni 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. Juni 2007 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 7. Dezember 2006 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen, einschließlich derjenigen zu den Trinkmengen, aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen tötete der Angeklagte, der alkoholabhängig ist und zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration von 2,87 ‰ aufwies, seine Lebensgefährtin durch mindestens zehn gegen den Kopf gerichtete Schläge mit einem Baseballschläger. Die Schläge waren so heftig, dass Teile der Schädeldecke vom Kopf gelöst wurden und der Schläger schließlich zerbrach. Vor der Tat war der Angeklagte nie durch Tätlichkeiten oder aggressives Verhalten aufgefallen , sondern führte trotz vergleichsweise hoher Intelligenz ein eher passives und beruflich perspektivloses Leben. In der Beziehung zwischen dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin war es mehrfach zu zeitweiligen Trennungen gekommen. Der Tat vorangegangen war ein erneuter heftiger Streit, in dessen Verlauf das spätere Opfer dem Angeklagten erklärte, er habe am folgenden Tag die gemeinsame Wohnung zu verlassen. Nach der Tat verschloss der Angeklagte die Türen zum Tatzimmer und zum Kinderzimmer, zog sich um und fuhr mit dem Kraftfahrzeug der Geschädigten nach Polen.
3
Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, er könne sich an das eigentliche Tatgeschehen "ganz überwiegend nicht erinnern", ebenso wenig an das unmittelbare Nachtatgeschehen. Seine Erinnerung setze erst wieder ein, als er die deutsch-polnische Grenze passiert habe.
4
Das sachverständig beratene Landgericht hat im Anschluss an den Sachverständigen eine Aufhebung oder erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ausgeschlossen. Eine solche habe weder auf Grund der akuten Alkoholintoxikation allein noch im Zusammenspiel mit einer möglicherweise affektiv hoch aufgeladenen Streitsituation vorgelegen. Auch das Maß der aufgewendeten Gewalt spreche hier nicht für das Vorliegen eines Affekts als Ausdruck einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, da der Tatablauf Hinweise auf stimmige Handlungsschritte enthalte. Im Nachtatverhalten lägen ebenfalls Umstände vor, die gegen eine vorangegangene Affekttat sprächen.
5
2. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB verneint hat, halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
6
a) Soweit das Landgericht - dem Sachverständigen folgend - meint, die festgestellte hohe Alkoholisierung des Angeklagten könne deswegen für sich allein eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht begründen, weil der Angeklagte eine hohe Alkoholtoleranz entwickelt habe und nach der Tat ohne Schwierigkeiten nach Polen gefahren sei, hat es nicht bedacht, dass äußeres Leistungsverhalten und innere Steuerungsfähigkeit bei hoher Alkoholgewöhnung durchaus weit auseinander fallen können (BGHR StGB § 20 Blutalkoholkonzentration 10, 18). Gerade bei Alkoholikern zeigt sich oft eine durch "Übung" erworbene erstaunliche Kompensationsfähigkeit im Bereich grobmotorischer Auffälligkeiten (vgl. Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 20 Rdn. 23). Dem Verhalten nach der Tat kommt in diesem Zusammenhang nur eine geringe Aussagekraft zu, weil, was das Landgericht nicht erkennbar bedacht hat, bei dem Angeklagten durch die Tat eine wesentliche Ernüchterung eingetreten sein kann. Zudem ergibt sich aus dem Urteil nicht, dass der Angeklagte unmittelbar nach der Tat die Fahrt nach Polen angetreten hat.
7
b) Die Ablehnung eines Affekts begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
Die Ausführungen der Strafkammer sind schon im Ansatz nicht frei von Widersprüchen. Einerseits meint sie in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen , die völlig fehlende Gewalt in der Beziehung im Vorfeld würde grundsätzlich für die Annahme einer plötzlichen affektiven "Zerreißung der Sinnzusammenhänge" und damit, befördert durch die Alkoholintoxikation, für die Annahme einer tiefgreifenden Bewusststeinsstörung zum Tatzeitpunkt sprechen. Andererseits soll gerade gegen eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung sprechen, dass aggressive Durchsetzungsstrategien für den Angeklagten nicht typisch seien.
9
Vor allem aber hat die Strafkammer den Tatablauf nicht hinreichend in ihre Erwägungen zum Affekt einbezogen. Zwar hat sie gesehen, dass das außergewöhnlich hohe Maß der aufgewendeten Gewalt ein Umstand ist, der für das Vorliegen eines Affekts als Ausdruck einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung sprechen könne. Letztlich hat sie aber eine Affekttat vor allem deswegen verneint , weil der Angeklagte das Tatwerkzeug erst aus einem anderen Raum geholt und weil er damit überwiegend zielgerichtet auf den Kopf des Opfers geschlagen habe. Beide Argumente tragen das Ergebnis nicht. Bei dem Herbeiholen des Tatwerkzeugs handelt es sich um eine einfache Tätigkeit, die vom Angeklagten keine intensiven Entscheidungs- und Steuerungselemente erfordert und deswegen nicht gegen einen Affekt spricht (BGHR StGB § 21 Bewusstseinsstörung 1). Ebenso wenig spricht ein gezieltes Zuschlagen gegen einen Affekt, denn auch ein Täter, der in einem hochgradigen affektiven Ausnahmezustand handelt, kann gemessen an der Verfolgung seines deliktischen Ziels durchaus folgerichtig und zielgerichtet handeln und insbesondere in der Lage sein, sein Opfer mit allen Schlägen am Kopf zu treffen (vgl. BGHR StGB § 20 Bewusststeinsstörung 6; § 21 Affekt 10).
10
3. Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Strafausspruchs, da der Senat nicht auszuschließen vermag, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Bewertung des psychischen Zustands des Angeklagten zur Tatzeit zur Annahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit gekommen wäre, von der Milderungsmöglichkeit nach §§ 21, 49 StGB Gebrauch gemacht und auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten kann der Senat dagegen auf Grund der getroffenen Feststellungen zum Tatund Nachtatgeschehen ausschließen. Der Senat hebt auch die Feststellungen zu den Trinkmengen auf, um dem neuen Tatrichter eine umfassende Prüfung der Voraussetzungen des § 21 StGB zu ermöglichen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass Trinkmengenangaben des Angeklagten bei Errechnung der Blutalkoholkonzentration nicht ungeprüft zu Grunde gelegt werden müssen.
11
Die neu entscheidende Strafkammer wird ferner den Anrechnungsmaßstab für die vom Angeklagten in Polen erlittene Freiheitsentziehung in der Urteilsformel festzusetzen haben (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 51 Rdn. 18, 19).
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann
5 StR 255/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 17. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. August 2011

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. Februar 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg. Soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, ist das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts liegt der Tat eine Auseinandersetzung im „so genannten Trinkermilieu am Berliner Ost-Bahnhof“ (UA S. 6) zugrunde. Der im Zeitpunkt der Tat 27 Jahre alte, aus Polen stammende und erheblichen Alkoholmissbrauch treibende Angeklagte traf dort auf den später verstorbenen 59 Jahre altenalkoholkranken R. . Gemeinsam mit anderen Personen wurde auf einem kleinen Vorplatz des Bahnhofs Alkohol konsumiert. Als der Angeklagte den auf einer niedrigen Mauer sitzenden alkoholkranken R. verdächtigte, ihm Zigaretten weggenommen zu haben, schrie er ihn an und versetzte ihm schließlich einen kräftigen Tritt seitlich gegen den Kopf. R. fiel nach hinten in eine Rabatte und blieb dort liegen, ohne dass sich die umstehenden Personen um ihn kümmerten. Erst als zwei Zeugen mehrere Stunden später bei ihm keine Lebenszeichen mehr feststellen konnten, riefen sie einen Rettungswagen. Der Tritt des Angeklagten hatte zu einer Verletzung des Gehirns des Geschädigten geführt, wahrscheinlich zu einem Riss eines Aneurysmas in der Nähe des Hirnstamms; der Geschädigte verstarb wenig später.
3
2. Die Verneinung erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
4
a) Die beim Angeklagten etwa sieben bis acht Stunden nach dem Tatzeitpunkt ermittelten Blutalkoholwerte vermochte die sachverständig beratene Schwurgerichtskammer ihrer Bewertung nicht zugrunde zu legen, da der Angeklagte, der am Nachmittag mit dem Konsum von Alkohol angefangen hatte, damit auch nach dem festgestellten Tatgeschehen fortfuhr. Auch konnten keine zuverlässigen Trinkmengenangaben erhoben werden.
5
b) Angesichts dessen hat das Landgericht seine Annahme, die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei nicht erheblich vermindert gewesen, im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen auf folgende Umstände gestützt: Zeugen hätten den Angeklagten als angetrunken, jedoch „nicht total betrunken“ bezeichnet. Auf einer Videoaufzeichnung, die sein Verhalten in Tatzeitnähe zeige, sei erkennbar, dass der Angeklagte ohne weiteres in der Lage gewesen sei, aus der Hocke am Boden aufzustehen, sich wieder hinzuhocken und umherzugehen; augenfälliges Torkeln oder Schwanken sei nicht zu erkennen. Entscheidend sei schließlich der festgestellte Tatablauf selbst, wonach der Angeklagte fähig gewesen sei, einen Tritt gegen den Kopf des vor ihm sitzenden Geschädigten auszuführen. Aufgrund der Größe des Geschädigten und dessen Sitzhöhe erfordere eine derartige Handlung ein deutliches Heben des Beines und damit ein Maß an Koordinationsfähigkeit , das einer stark betrunkenen Person nicht mehr möglich gewesen wäre.
6
aa) Die Schwurgerichtskammer hat nicht bedacht, dass selbst bei hochgradiger Alkoholisierung des Täters grobmotorische Fertigkeiten erhalten geblieben sein können (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1981 – 2 StR 264/81). Denn dievom Landgericht angeführten Umstände belegen nur, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht völlig aufgehoben war; aus ihnen ist indes nicht mit genügender Sicherheit abzuleiten, dass seine Steuerungsfähigkeit nicht erheblich vermindert gewesen ist. Dazu hätte es aussagekräftiger psychodiagnostischer Beweisanzeichen bedurft. Als solche sind nur Umstände in Betracht zu ziehen, die Hinweise darauf geben können, dass die Steuerungsfähigkeit des Täters trotz erheblicher Alkoholisierung nicht in erheblichem Maße beeinträchtigt gewesen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Mai 2005 – 2 StR 160/05, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 38, und vom 28. April 2009 – 4 StR 95/09, NStZ-RR 2009, 270). Eine alkoholische Beeinflussung mit der Folge erheblich verminderter Schuldfähigkeit ist weder zwingend noch regelmäßig von schweren ins Auge fallenden Ausfallerscheinungen begleitet (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 1997 – 3 StR 35/97, StV 1997, 349).
7
bb) Soweit sich die Urteilsbegründung auf Aussagen von Zeugen stützt, die sich selbst zum Zweck des Alkoholkonsums am Ort des Geschehens aufhielten, wären deren Alkoholisierung in Bedacht zu nehmen und ihre Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Bewertung des Verhaltens des Angeklagten zu erörtern gewesen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. November 2005 – 5 StR 358/05, NStZ-RR 2006, 72, und vom 26. Mai 2009 – 5 StR 57/09, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 41).
8
c) Obgleich die verhängte Strafe eher maßvoll erscheint, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass sie bei Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB noch geringer ausgefallen wäre. Dies gilt insbesondere, da dieser benannte Strafmilderungsgrund im Rahmen der Prüfung des § 213 Alternative 2, § 227 Abs. 2 StGB – nachrangig zu unbenannten Strafmilderungsgründen – zu berücksichtigen wäre. Der Senat weist darauf hin, dass die in diesem Zusammenhang zu Lasten des Angeklagten angestellte Erwä- gung, er habe „keinen bzw. jedenfalls keinen nachvollziehbaren Grund“ (UA S. 21) für den körperlichen Übergriff auf R. gehabt, angesichts des nicht aufgeklärten Diebstahlsverdachts nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist.
9
3. Darüber hinaus hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt.
10
a) Dem Sachverständigen folgend hat die Schwurgerichtskammer bei dem Angeklagten einen Hang im Sinne des § 64 StGB und den Symptomcharakter der verfahrensgegenständlichen Tat festgestellt. Von der Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB hat sie gleichwohl im Hinblick auf ungenügende Sprachkenntnisse des Angeklagten abgesehen. Mangels konstruktiver Kommunikationsmöglichkeiten könne keine Erfolg versprechende Therapie durchgeführt werden. In derartigen Fällen sehe die derzeitige Fassung des § 64 StGB vor, von einer Unterbringung Abstand zu nehmen.
11
b) Auch nach der Umgestaltung des § 64 StGB zur Sollvorschrift mit der Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) sollte es im Grundsatz dabei verbleiben, dass die Sprachunkundigkeit eines Ausländers nicht ohne weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf seine Unterbringung sein kann (vgl. Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5137, S. 10). Indes muss nicht gegen jeden Sprachunkundigen , insbesondere wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm schwer möglich sein wird, eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08, NStZ 2009, 204). Bei dem Angeklagten handelt es sich um einen EU-Ausländer mit Lebensmittelpunkt in Deutschland. Angesichts dessen hätte es jedenfalls der Klärung bedurft, inwieweit das für den Vollzug einer Unterbringung des Angeklagten zuständige Krankenhaus des Maßregelvollzugs Behandlungsmöglichkeiten für polnischsprachige Patienten bietet (vgl. Basdorf /Schneider/König in Festschrift Rissing-van Saan, 2011, S. 59, 62 ff.).
Raum Brause Schaal Schneider Bellay
5 StR 545/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 7. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Februar 2012

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 14. September 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten des Rechtsmittels aufzuerlegen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines weiteren Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Gegen den Schuldspruch ist aus den zutreffenden Gründen der An2 tragsschrift des Generalbundesanwalts revisionsgerichtlich nichts zu erinnern. Insbesondere hat die Jugendkammer eine alkoholbedingte Aufhebung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten (§ 20 StGB) rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
3
2. Hingegen begegnet die Begründung, mit der sie auch eine erhebli3 che Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB abgelehnt hat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
4
a) Nach den Feststellungen war der Tat vom 13. Dezember 2010 ein
4
Trinkgelage im Innenhof der Altmarktgalerie in der Dresdner Innenstadt vorausgegangen , an dem neben dem Angeklagten drei weitere junge Leute teilnahmen und das sich über mehr als fünf Stunden erstreckte. Bereits zuvor hatte der Angeklagte Alkohol konsumiert. Ausgehend von den Trinkmengenangaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung (vgl. UA S. 10, 12) gelangt sie durch Rückrechnung zu einer maximalen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit beim Angeklagten von „2,07 ‰ bzw. 2,44 ‰“, mithin Werten, bei denen „grundsätzlich eine alkoholbedingte Verminderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zu diskutieren“ sei (UA S. 21). Im Anschluss an das Sachverständigengutachten findet die Jugendkammer indes im Tatgeschehen keinerlei Anhaltspunkte für eine erhebliche Einschränkung der Schuldfä- higkeit des Angeklagten: „Durch keinen der Zeugen seien körperliche und neurologische Ausfallerscheinungen des Angeklagten berichtet worden. Der Angeklagte selbst könne sich genau erinnern. Das Tatgeschehen wie auch das Nachtatgeschehen zeigten keinerlei Ausfallerscheinungen“ (UA S. 21). Vielmehr sei der Angeklagte „offensichtlich zielgerichtet und absichtsvoll vor- gegangen“ (UA S. 22).
5
b) Diese Begründung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht
5
stand. Eine Blutalkoholkonzentration von maximal 2,44 ‰ legt die Annahme einer erheblichen Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit nahe, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für eine Tat wie die vor- liegende ab einer Blutalkoholkonzentration von 2,2 ‰ in Betracht zu ziehen ist (BGH, Urteil vom 22. November 1990 – 4 StR 117/90, BGHSt 37, 231, 235; Urteil vom 12. Januar 1994 – 3 StR 633/93, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 27; Beschluss vom 25. Februar 1998 – 2 StR 16/98, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 34). Auch wenn davon auszugehen ist, dass es keinen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz darüber gibt, dass ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden muss, ist der festgestellte Wert ein gewichtiges Beweisanzeichen für die Stärke der alkoholischen Beeinflussung.
6
Zwar ist grundsätzlich der eingeschränkte Beweiswert aufgrund von
6
Trinkmengenangaben errechneter Blutalkoholwerte zu beachten. Die Bewertung der Jugendkammer, der Angeklagte habe seinen eigenen Alkoholkonsum in der Hauptverhandlung überhöht dargestellt, vermag der vom Sachverständigen berechneten und vom Landgericht übernommenen Blutalkoholkonzentration nicht die Bedeutung im Sinne einer Feststellung zu nehmen. Solange nämlich nicht auf der Grundlage einer schlüssigen Beweiswürdigung , die hier indes fehlt, ein geringerer Alkoholkonsum festgestellt wird, gebietet es der Zweifelssatz, den von der Jugendkammer errechneten Maximalwert mit der sich daraus ergebenden Indizwirkung der Beurteilung der Schuldfähigkeit zugrunde zu legen, wenn keine gegenteiligen Beweisanzeichen vorhanden sind (vgl. Schöch in LK, 12. Aufl., § 20 Rn. 111 mwN).
7
c) Als in diesem Sinne kontraindikatorische psychodiagnostische Be7 urteilungskriterien kommen dabei nur solche Umstände in Betracht, die Hinweise darauf geben können, ob das Steuerungsvermögen des Täters trotz der erheblichen Alkoholisierung voll erhalten geblieben ist (BGH, Beschluss vom 30. Juli 1997 – 3 StR 144/97, NStZ 1997, 592). Den vom Landgericht herangezogenen Umständen kommt eine solche Bedeutung nicht zu. Das Verhalten des Angeklagten bei der Tatbegehung weist keine Merkmale auf, die aussagekräftige Rückschlüsse auf die Steuerungsfähigkeit zulassen. Vielmehr zeigt das Tatbild im Gegenteil Besonderheiten, die auf eine alko- holbedingte erhebliche Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit des Angeklagten schließen lassen können (spontane, rasche Verfolgung des nach einer geringfügigen, bereits beruhigten Auseinandersetzung weggehenden Ge- schädigten; wuchtiger Stich mit einem „Wehrmachtsehrendolch“ in seinen Oberbauch) und die von der Jugendkammer in diesem Zusammenhang nicht behandelt werden. Unerörtert bleibt auch der Umstand, dass die Gruppe um den Angeklagten auf ihrem Heimweg „laut grölend und ‚Dynamo-Sprüche‘ brüllend“ (UA S. 10) durch die Dresdner Innenstadt zog. Das Verhalten des Angeklagten nach der Tat (Flucht mit der Straßenbahn, Entsorgung des Dolchs im Schnee) hat nur geringe Aussagekraft, zumal durch die Tat eine wesentliche Ernüchterung eingetreten sein kann. Sein angeblich genaues Erinnerungsvermögen ist angesichts seiner dreimal abgewandelten Einlassung zum Tatablauf, die das Landgericht jeweils – in nachvollziehbarer Weise – für nicht glaubhaft hält, kein wesentliches Kriterium. Dass der Angeklagte den Zeugen nicht durch Torkeln oder Lallen oder ähnliche Ausfallerscheinungen aufgefallen ist, genügt alleine nicht, eine erhebliche Verminderung seines Steuerungsvermögens auszuschließen.
8
d) Ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei der Tat infolge seiner
8
Alkoholisierung erheblich vermindert war oder dies zumindest nicht auszuschließen ist (§ 21 StGB), bedarf deshalb erneuter Prüfung. Der Senat verkennt nicht, dass der Alkoholisierung – namentlich bei einer Ahndung nach Jugendstrafrecht – nicht unbedingt maßgebliche strafmildernde Wirkung zukommen muss. Die entsprechende Gewichtung obliegt indes dem Ermessen des Tatgerichts.
9
3. Darüber hinaus liegt ein Rechtsfehler darin, dass die Jugendkam9 mer eine Unterbringung nach § 64 StGB nicht geprüft hat. Die im Zusammenhang mit der Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten wiederge- gebenen Ausführungen des Sachverständigen zur Frage eines „chronischen Abhängigkeitsverhaltens“ (UA S. 22) veranlassen den Senat zu dem Hinweis , dass eine Alkoholabhängigkeit nicht zwingende Voraussetzung für die Annahme eines Hanges ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. November2003 – 1 StR 406/03, BGHR StGB § 64 Hang 2, und vom 4. April 1995 – 4 StR 95/95, BGHR § 64 Abs. 1 Hang 5). Denn hierunter fällt nicht nur eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit, sondern es genügt eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, ohne dass diese den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss (BGH, Beschlüsse vom 18. August 1998 – 5 StR 363/98, und vom 18. Juli 2007 – 5 StR 279/07). Eine solche Neigung liegt bei dem festgestellten Alkoholmissbrauchsverhalten des Angeklagten („Alpha- und Betaalkoholismus“, UA S. 22) nicht von vornherein fern (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 – 5 StR 510/09, NStZ-RR 2010, 234).
10
4. Angesichts der Bestätigung des Schuldspruchs kann der Senat trotz
10
der Zurückverweisung der Hauptsache die auf § 74 JGG und § 473 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 StPO gestützte Kostenentscheidung bereits jetzt treffen.
Basdorf Raum Brause Schneider Bellay

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden.