Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 429/09
vom
15. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. März 2011 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 31. März 2009 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 31 Fällen und wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 62 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Angeklagte rügt die Verletzung von § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO, da der Anklagesatz der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Traunstein vom 13. November 2008 nur teilweise verlesen worden sei.
3
Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
4
In der unverändert zugelassenen Anklage wurden dem Angeklagten 93 Fälle des gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande begangenen Betruges bzw. versuchten Betruges jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung zur Last gelegt. Der Angeklagte soll gemeinschaftlich handelnd mit den Mitangeklagten A. und B. sowie weiteren, unbekannt gebliebenen Mittätern verschiedene Personen dadurch betrügerisch geschädigt haben bzw. versucht haben betrügerisch zu schädigen, dass er und seine Mittäter sich unbefugt Kontodaten verschafften und mit diesen gefälschte Überweisungsträger und Zahlungsaufträge erstellten. Diese wurden sodann bei den jeweiligen Banken eingereicht , damit die Banken die in den Überweisungen angeführten Beträge auf Konten des Angeklagten und seiner Mittäter überweisen.
5
Die Anklage gliedert sich in zwei Tatkomplexe. Hinsichtlich des ersten Tatkomplexes wird zunächst die allgemeine Vorgehensweise des Angeklagten und seiner Mittäter geschildert. Insoweit wird dem Angeklagten V. zur Last gelegt, dass ihm und nicht bekannten Mittätern innerhalb der Bandenstruktur „insbesondere die Organisation und Koordination der Fälschungen sowie der Abhebung der Überweisungsbeträge“ oblag. Daran schließt sich die Bezifferung der Gesamtzahl der in diesem Tatkomplex angeklagten Taten und der durch sie verursachte Gesamtschaden bzw. der angestrebte Vermögensvorteil bei den Betrugstaten, die im Versuchsstadium stecken geblieben sind, an. Hinsichtlich sämtlicher anderer Einzelheiten der insgesamt 76 Taten dieses Tatkomplexes wird auf eine 16 Seiten umfassende Tabelle verwiesen, die sich im Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift befindet. Hinsichtlich des zweiten Tatkomplexes findet sich im konkreten Anklagesatz auf den Seiten 5 bis 10 der Anklageschrift unmittelbar nach der Schilderung der Vorgehensweise des Angeklagten und seiner Mittäter, die im Wesentlichen der bereits im Tatkomplex 1 erfolgten Schilderung entspricht, die Tabelle mit den die Einzeltaten konkretisierenden Tatdaten. Daran schließt sich der abstrakte Anklagesatz an; sodann folgt das Wesentliche Ergebnis der Ermittlungen.
6
In der Hauptverhandlung wurde vor Verlesung des Anklagesatzes hinsichtlich der Seiten 5 bis 10 der Anklageschrift, die die Tabelle der Einzeldaten der Taten des zweiten Tatkomplexes beinhalteten, das Selbstleseverfahren in entsprechender Anwendung von § 249 Abs. 2 StPO angeordnet. Es wurde festgestellt, dass die Richter, die Schöffen, der Staatsanwalt, die drei Angeklagten und die Verteidiger Ausfertigungen der Anklageschrift zur Verfügung haben, um diese selbst lesen zu können; der Angeklagte V. hatte eine französische Übersetzung der Anklage erhalten. Daran anschließend verlas der Staatsanwalt den ersten Teil des Anklagesatzes, der die Schilderung der allgemeinen Vorgehensweise des Angeklagten und seiner Mittäter in Tatkomplex 1 und 2 umfasste. Sodann wurde die Selbstleseverfügung des Vorsitzenden ausgeführt, hierfür die Hauptverhandlung aber nicht unterbrochen, um den Angeklagten und den Verteidigern zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit zu geben, die Seiten 5 bis 10 der Anklageschrift zu lesen. Es wurde festgestellt, dass die Mitglieder des Gerichts die Seiten 5 bis 10 der Anklageschrift gelesen haben und die übrigen Beteiligten Gelegenheit hatten, vom Wortlaut „der Urkunden“ Kenntnis zu nehmen. Daran anschließend verlas der Staatsanwalt den restlichen Anklagesatz. Nach Feststellung der Anklagezulassung, der Bekanntgabe eines Verteidigerschriftsatzes , der Mitteilung, dass ein Dolmetscher zum Fortsetzungstermin erscheinen würde, und der Belehrung der Angeklagten wurde die Hauptverhandlung für fünfzig Minuten unterbrochen. Nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung erklärte der Verteidiger des Mitangeklagten A. , dass der Vorwurf in der Anklageschrift in vollem Umfang eingeräumt werde. Auf Frage erklärte der Mitangeklagte A. , dass dies auch seiner Einlassung entspreche. Der Verteidiger des Angeklagten V. erklärte zur Sache, dass sein Mandant die Vorwürfe in der Anklage einräumen würde. Er lege aber Wert auf die Feststellung, dass er keine „Chefposition“ inne gehabt habe. In diesem Sinne äußerte sich sodann der Angeklagte V. selbst zur Sache.
7
2. Die Frage, ob der Anklagesatz den Anforderungen des § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 200 StPO genügt, wenn einem Angeklagten eine große Zahl von Vermögensdelikten zur Last gelegt wird, die einem einheitlichen modus operandi folgen, und im Anklagesatz, der allein in der Hauptverhandlung verlesen wird, neben der Schilderung der gleichartigen Tatausführung, die die Merkmale des jeweiligen Straftatbestandes erfüllt, die Gesamtzahl der Taten, der Tatzeitraum sowie der Gesamtschaden bezeichnet werden und die Einzelheiten der Taten ergänzend in einem anderen, nicht zu verlesenden Teil der Anklageschrift detailliert beschrieben sind, hat der Senat gemäß § 132 Abs. 2 und 4 GVG in einem anderweitigen Verfahren - nach Anfrage bei den übrigen Strafsenaten (§ 132 Abs. 3 GVG) - dem Großen Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs zur Entscheidung vorgelegt (BGH, Beschluss vom 24. Februar 2010 - 1 StR 260/09, NJW 2010, 1386).
8
Dieser hat mit Beschluss vom 12. Januar 2011 - GSSt 1/10 - wie folgt entschieden: „In Strafverfahren wegen einer Vielzahl gleichförmiger Taten oder Tateinzelakte, die durch eine gleichartige Begehungsweise gekennzeichnet sind, ist dem Erfordernis der Verlesung des Anklagesatzes i.S.d. § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO Genüge getan, wenn dieser insoweit wörtlich vorgelesen wird, als in ihm die gleichartige Tatausführung, welche die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands erfüllt, beschrieben und die Gesamtzahl der Taten, der Tatzeitraum sowie bei Vermögensdelikten der Gesamtschaden bestimmt sind. Einer Verlesung der näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten oder der Einzelakte bedarf es in diesem Fall nicht. “
9
Demnach muss der konkrete Anklagesatz in den einschlägigen Verfahren einerseits die Schilderung der gleichartigen Tatausführung, welche die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands erfüllt, die Bezifferung der Gesamtzahl der Taten, die Bestimmung des Tatzeitraums sowie bei Vermögensdelikten die Bezifferung des Gesamtschadens umfassen. Andererseits ist - nach wie vor - auch die Auflistung der näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten oder - namentlich in Fällen der Bewertungseinheit oder der uneigentlichen Organisationsdelikte - die Auflistung der Einzelakte der Taten Teil des konkreten Anklagesatzes. Eine Ausgliederung der letztgenannten Auflistungen der Tatdetails in das Wesentliche Ergebnis der Ermittlungen oder an eine andere Stelle der Anklage ist demnach mit § 200 Abs. 1 Satz 1, § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht vereinbar. Auf die Grundlage der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen brauchen diese detaillierten Auflistungen, die regelmäßig in tabellarischer Form die konkreten Tatzeitpunkte, die Tatorte, die Tatopfer und - bei Vermögensdelikten - die jeweiligen Einzelschäden umfassen und dadurch die Einzeltaten näher individualisieren, jedoch nicht in der Hauptverhandlung verlesen zu werden. Zu verlesen ist lediglich die - regelmäßig in Fließtext abgefasste - allgemeine Schilderung der gleichartigen Tatausführung, in der - quasi als „Quintessenz“ vor die Klammer gezogen - die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands dargelegt werden, die für alle Einzeltaten einheitlich gegeben sind.
10
3. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Rüge eines Verstoßes gegen § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO als unbegründet.
11
a) Dem Angeklagten lag eine Vielzahl von Taten zur Last, die durch eine gleichartige Begehungsweise gekennzeichnet waren. Insoweit waren die Voraussetzungen gegeben, die nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen eine Beschränkung des in der Hauptverhandlung zu verlesenden Anklagesatzes auf die Schilderung der gleichartigen Tatausführung, welche die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands erfüllt, und die Gesamtzahl der Taten , den Tatzeitraum sowie bei Vermögensdelikten den Gesamtschaden, ermöglichten. Der in der Hauptverhandlung verlesene Anklagesatz genügte diesen Anforderungen. Die Mitglieder des Tatgerichts - namentlich die Schöffen - wurden darüber hinaus durch die Aushändigung der Anklageschrift, in der die Einzeltaten aufgelistet waren, informiert.
12
b) Der Umstand, dass hinsichtlich des Tatkomplexes 1 die näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten in Tabellen enthalten waren, die nicht Teil des Anklagesatzes i.S.v. § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 200 Abs. 1 StPO, sondern Teil des Wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen waren, stellt keinen Rechtsfehler dar, auf dem das Urteil beruht.
13
aa) Die unvollständige Fassung des Anklagesatzes stellt keinen Rechtsfehler dar, der dazu führen würde, dass die Umgrenzungsfunktion der Anklage nicht gewährleistet wäre. Auch wenn der Anklagesatz lückenhaft ist, erfüllt die Anklage die Umgrenzungsfunktion doch hinreichend, wenn der Angeklagte die einzelnen Tatvorwürfe dem Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen entnehmen kann (BGH, Urteil vom 28. April 2006 - 2 StR 174/05, NStZ 2006, 649). Dies ist hier der Fall. Anderes behauptet auch die Revision nicht.
14
bb) Aufgrund der oben genannten Gründe waren diese näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten oder der Einzelakte nicht in der Hauptverhandlung zu verlesen. Die Informationsfunktion, die der Verlesung des Anklagesatzes in der Hauptverhandlung zukommt, wird daher durch die rechtsfehlerhafte Fassung des Anklagesatzes bereits nicht berührt.

15
cc) Darüber hinaus entfaltet die Anklage ihre Informationsfunktion gegenüber dem Angeklagten und seinem Verteidiger im Wesentlichen dadurch, dass sie vollumfänglich dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger alsbald nach Eingang durch den Vorsitzenden des Gerichts mitzuteilen ist (§ 201 Abs. 1 Satz 1 StPO; vgl. BGH [GS], Beschluss vom 12. Januar 2011 - GSSt 1/10 Rn. 25). Auch insoweit wirkt sich die vorliegende Fassung des Anklagesatzes nicht zum Nachteil des Angeklagten aus. Wenngleich die Einzeltaten nicht Gegenstand des Anklagesatzes waren, sondern in Tabellen aufgeführt wurden, die sich an anderer Stelle in der Anklage befanden, wurde der Angeklagte durch die Anklageschrift , die ihm in französischer Übersetzung mitgeteilt wurde und ihm in dieser Form in der Hauptverhandlung vorlag, in ihrer Gesamtheit über die Einzelheiten des Anklagevorwurfs so ausreichend unterrichtet, dass hinreichende Gelegenheit bestand, das Prozessverhalten hierauf einzustellen (vgl. auch BVerfG NStZ 2004, 214).
16
c) Hinsichtlich des 2. Tatkomplexes genügt der konkrete Anklagesatz den Anforderungen an die Fassung des Anklagesatzes. Er enthält einerseits die Schilderung der gleichartigen Tatausführung, welche die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands erfüllt, die Bezifferung der Gesamtzahl der Taten, die Bestimmung des Tatzeitraums und die Bezifferung des Gesamtschadens sowie andererseits die näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten , die in einer Tabelle zusammengefasst wurden. Ein Rechtsfehler besteht insoweit nicht.
17
Da auch in diesem Tatkomplex dem Angeklagten eine Vielzahl von Taten zur Last lagen, die durch eine gleichartige Begehungsweise gekennzeichnet sind, waren auch insoweit - entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft bei Abfassung des Anklagesatzes - die Voraussetzungen für eine Beschränkung des in der Hauptverhandlung zu verlesenden Anklagesatzes objektiv gegeben ; die Tabellen auf den Seiten 5 bis 10 der Anklageschrift mussten daher nicht verlesen werden.
18
Vor diesem Hintergrund ist der Umstand, dass die Tabellen auf den Seiten 5 bis 10 der Anklageschrift in entsprechender Anwendung des § 249 Abs. 2 StPO im Selbstleseverfahren eingeführt wurden oder aber eingeführt werden sollten, unschädlich. Zwar sind die Regelungen über das Selbstleseverfahren auf die Verlesung des Anklagesatzes nicht übertragbar (BGH [GS], Beschluss vom 12. Januar 2011 - GSSt 1/10, Rn. 17). Wird aber anstelle der nach den vorgenannten Grundsätzen ohnehin nicht erforderlichen Verlesung dieses Teiles des Anklagesatzes insoweit - wie hier - ein Selbstleseverfahren durchgeführt , erweist sich dies regelmäßig nicht als Rechtsfehler, auf dem das Urteil beruht. Umstände, die vorliegend ein anderes Ergebnis begründen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Namentlich ist eine Beschränkung von Verteidigungsmöglichkeiten des verteidigten Angeklagten durch die bei den beiden Tatkomplexen unterschiedlich praktizierte Vorgehensweise nicht erkennbar.
19
4. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Auch die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe durch das Landgericht weist keinen Rechtsfehler auf. Gleichwohl können die verhängten Einzelstrafen keinen Bestand haben, da der seit Erlass des landgerichtlichen Urteils verstrichene Zeitraum eine neue Strafzumessung bedingt.
20
a) Seit Verkündung des landgerichtlichen Urteils sind zwischenzeitlich knapp zwei Jahre vergangen. Gut vier Monate und zwei Wochen entfielen dabei auf die Absetzung und Zustellung des Urteils sowie auf die Abfassung der Revi- sionsbegründungen, die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft und die Antragsschriften des Generalbundesanwalts. Nach Eingang der Antragsschrift des Generalbundesanwalts am 13. August 2009 und der diesbezüglichen Gegenerklärung des Angeklagten vom 17. August 2009 wurde die Entscheidung über die Revision des Angeklagten mit Blick auf das oben genannte Anfrage- und Vorlageverfahren zurückgestellt, das mit dem Anfragebeschluss des Senats nach § 132 Abs. 3 GVG vom 2. September 2009 (1 StR 260/09; NStZ 2009, 703) eingeleitet worden war. Die dortige Rechtsfrage war auch für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren von Bedeutung, weshalb die Zurückstellung der Entscheidung geboten war. Die Durchführung des Anfrage- und Vorlageverfahrens nach § 132 GVG nahm gut ein Jahr und vier Monate in Anspruch. Seit der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen mit Beschluss vom 12. Januar 2011 sind weitere zwei Monate vergangen, innerhalb derer der Beschluss des Großen Senats dem Angeklagten zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben wurde.
21
b) Bei dieser Sachlage ist keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung gegeben, die in Anwendung der Grundsätze der Vollstreckungslösung durch Bestimmung eines als vollstreckt geltenden Teils der Gesamtfreiheitsstrafe zu kompensieren wäre (vgl. BGH [GS], Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124).
22
aa) Die außerhalb des Anfrage- und Vorlageverfahrens verstrichenen Zeiträume resultieren im Wesentlichen aus gesetzlich vorgesehenen Fristen und den Verfahrensabläufen eines Revisionsverfahrens. Sie erweisen sich insoweit nicht als beanstandungswürdig (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 - 1 StR 445/03, NStZ 2004, 504, 505).
23
bb) Daneben kann die Durchführung eines Vorlageverfahrens zum Großen Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs nach § 132 GVG als solche regelmäßig eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht begründen. Wegen der großen Bedeutung der dem Großen Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vorgelegten Rechtsfragen und ihrer Schwierigkeit erfordert das vorausgehende Anfrageverfahren nach § 132 Abs. 3 GVG ebenso wie das Vorlageverfahren selbst eine eingehende und zeitintensive Befassung zunächst sämtlicher Strafsenate des Bundesgerichtshofs und sodann des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - 3 StR 61/02, NStZ-RR 2007 [bei Becker], 293).
24
c) Gleichwohl können die - an sich rechtsfehlerfrei bemessenen - Einzelstrafen keinen Bestand haben. Der Umstand, dass nach Erlass des tatrichterlichen Urteils ein nicht unerheblicher Zeitraum verstrichen ist, muss vorliegend zu Gunsten des Angeklagten strafmildernd Berücksichtigung finden, da er dies nicht zu vertreten hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2006 - 3 StR 415/02, NStZ-RR 2006, 187, 188). Das Ausmaß der seit den Taten vergangenen Zeit und die aus der Verfahrensdauer resultierende Belastung für den Angeklagten stellen grundsätzlich bestimmende Strafzumessungsgründe dar. Diese Umstände konnte das Landgericht bei der Bemessung der Strafen nicht berücksichtigen , da sie erst nach Erlass des tatrichterlichen Urteils entstanden sind. Sie sind nunmehr festzustellen und in wertender Betrachtung bei der Straffestsetzung in den Grenzen des gesetzlich eröffneten Strafrahmens bereits bei der Bemessung der Einzelstrafen mildernd zu berücksichtigen (vgl. BGH [GS], Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124 Rn. 55).
25
d) Die Feststellung dieser Umstände und deren Bewertung obliegt dem neuen Tatgericht. Eine in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1a StPO erfolgende Herabsetzung der Einzelstrafen durch den Senat scheidet vorliegend aus. Der Senat kann nicht ausschließen, dass in der Zeit nach Erlass des tatgerichtlichen Urteils neue Umstände, die im vorgenannten Sinne für die Bemessung der Strafe bedeutsam sein könnten, eingetreten sind. Insoweit bedarf es eines zutreffend ermittelten, vollständigen und aktuellen Strafzumessungssachverhalts (vgl. BVerfG NJW 2007, 2977, 2980 f.). Mit Blick auf das insoweit zu beachtende Verfahren (vgl. BVerfG aaO) würde eine Herabsetzung der Einzelstrafen durch den Senat im Vergleich zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache keine wesentliche Beschleunigung darstellen.
26
5. Die Aufhebung der Einzelstrafen führt zum Wegfall der Gesamtfreiheitsstrafe. Einer Aufhebung der insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf es nicht. Diese sind unter Berücksichtigung der nunmehr neu zu treffenden Feststellungen durch das neue Tatgericht, das in Anbetracht der bereits bisher verstrichenen Zeit eine möglichst zeitnahe Entscheidung herbeiführen sollte, nochmals zu werten. Nack Wahl Graf Jäger Sander

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2011 - 1 StR 429/09

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2011 - 1 StR 429/09

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2011 - 1 StR 429/09 zitiert 8 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 132


(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate. (2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Sena

Strafprozeßordnung - StPO | § 243 Gang der Hauptverhandlung


(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind. (

Strafprozeßordnung - StPO | § 249 Führung des Urkundenbeweises durch Verlesung; Selbstleseverfahren


(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind. (2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen

Strafprozeßordnung - StPO | § 200 Inhalt der Anklageschrift


(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Bew

Strafprozeßordnung - StPO | § 201 Übermittlung der Anklageschrift


(1) Der Vorsitzende des Gerichts teilt die Anklageschrift dem Angeschuldigten mit und fordert ihn zugleich auf, innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Entscheidung über die Eröffnung d

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2011 - 1 StR 429/09 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2011 - 1 StR 429/09 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2003 - 1 StR 445/03

bei uns veröffentlicht am 17.12.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 445/03 vom 17. Dezember 2003 in der Strafsache gegen wegen Betrugs u. a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Dezember 2003 beschlossen : Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgeric

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Jan. 2008 - GSSt 1/07

bei uns veröffentlicht am 17.01.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS GSSt 1/07 vom 17. Januar 2008 in der Strafsache gegen Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ___________________________________ MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtssta

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Feb. 2010 - 1 StR 260/09

bei uns veröffentlicht am 24.02.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 260/09 vom 24. Februar 2010 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Betruges hier: Vorlage an den Großen Senat für Strafsachen gemäß § 132 Abs. 2 und 4 GVG Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Februa
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2011 - 1 StR 429/09.

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2018 - 1 StR 165/17

bei uns veröffentlicht am 21.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 165/17 vom 21. März 2018 in der Strafsache gegen wegen Totschlags u.a. ECLI:DE:BGH:2018:210318B1STR165.17.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. März 2018 - 3 StR 63/15

bei uns veröffentlicht am 08.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 63/15 vom 8. März 2018 in der Strafsache gegen wegen Totschlags ECLI:DE:BGH:2018:080318B3STR63.15.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2017 - 2 StR 495/12

bei uns veröffentlicht am 25.10.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 495/12 vom 25. Oktober 2017 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Diebstahls u.a. ECLI:DE:BGH:2017:251017U2STR495.12.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktobe

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 260/09
vom
24. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges
hier: Vorlage an den Großen Senat für Strafsachen gemäß § 132 Abs. 2 und 4
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Februar 2010 beschlossen
:
Dem Großen Senat für Strafsachen wird gemäß § 132 Abs. 2
und 4 GVG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Genügt, wenn einem Angeklagten eine große Zahl von Vermögensdelikten
zur Last gelegt wird, die einem einheitlichen
modus operandi folgen, der Anklagesatz den Anforderungen
des § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 200 Abs. 1 Satz 1
StPO, wenn in diesem, der allein in der Hauptverhandlung
nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO zu verlesen ist, neben der
Schilderung der gleichartigen Tatausführung, die die Merkmale
des jeweiligen Straftatbestandes erfüllt, die Gesamtzahl der
Taten, der Tatzeitraum sowie der Gesamtschaden bezeichnet
werden und die Einzelheiten der Taten, d.h. die konkreten
Tatzeitpunkte, die Tatorte, die Tatopfer und die jeweiligen Einzelschäden
, ergänzend in einem anderen nicht zu verlesenden
Teil der Anklageschrift detailliert beschrieben sind?

Gründe:

I.

1
Das Landgericht Mannheim hat den Angeklagten K. wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und den Angeklagten M. wegen Betruges in 369 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen.
2
Die Revisionen beanstanden mit einer im Wesentlichen inhaltsgleichen Verfahrensrüge, dass der in der Hauptverhandlung verlesene Anklagesatz kei- ne ausreichende Konkretisierung der einzelnen Tatvorwürfe und Tatumstände enthalte und daher nicht den Anforderungen des § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO genüge. Insoweit sei zwar kein die Umgrenzungsfunktion berührender Mangel der Anklageschrift gegeben, indes genüge die Anklage nicht der ihr zukommenden Informationsfunktion. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes, der dieser Rüge zu Grunde liegt, wird auf den Anfragebeschluss des Senats in dieser Sache vom 2. September 2009 (Rdn. 4 bis 10) verwiesen. Klarstellend wird der Sachverhalt insoweit ergänzt, dass die als „Anlagen“ bezeichneten Tabellen, in denen die einzelnen Taten hinsichtlich der Person der jeweils Geschädigten, der Tatorte und der Tatzeit sowie der Einzelschäden konkretisiert werden, ein Teil der Anklageschrift sind. Dies wird insbesondere dadurch bestätigt, dass die Anlagen von dem die Anklage verfassenden Oberstaatsanwalt unterschrieben sind.
3
Der Senat hält die Rüge für zulässig und das diesbezügliche Sachvorbringen für erwiesen.
4
Der Senat möchte die Revisionen - dem Beschlussantrag des Generalbundesanwalts folgend - im Wesentlichen verwerfen. Lediglich soweit sowohl im Original der Anklage als auch in den Anlagen, die den Schöffen ausgehändigt wurden, einzelne Seiten der Tabellen fehlten und aufgrund dieses Versehens einzelne Taten nicht in der zugelassenen Anklage angeführt waren, beabsichtigt der Senat, das Verfahren teilweise einzustellen bzw. die Verfolgung nach § 154a Abs. 2 StPO zu beschränken. Gleiches ist hinsichtlich der Tat Nr. 287 des Angeklagten M. beabsichtigt. Nach den bisherigen Feststellungen trat bei dieser Tat eine G. und nicht der Angeklagte M. als Vermittlerin auf, so dass die Tat dem Angeklagten nicht ohne weiteres zugerechnet werden kann.
5
Im Übrigen erachtet der Senat die Sachrüge und die sonstigen Verfahrensrügen für unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. An der Verwerfung der vorstehend geschilderten Verfahrensrüge, die auf Verletzung von § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO gestützt ist und die der Senat ebenfalls für unbegründet hält, sieht er sich nach Durchführung des Anfrageverfahrens ohne Vorlage an den Großen Senat für Strafsachen gemäß § 132 Abs. 2 GVG aufgrund des Urteils des 2. Strafsenats vom 28. April 2006 (2 StR 174/05 = NStZ 2006, 649) gehindert. In dieser Entscheidung hatte der 2. Strafsenat erkannt, dass bei einer Serie von Straftaten grundsätzlich erforderlich sei, dass die dem Angeklagten im einzelnen vorgeworfenen Tathandlungen nach Tatzeit, Tatort, Tatausführung und anderen individualisierenden Merkmalen ausreichend beschrieben und dargelegt werden. Dies sei nach der genannten Entscheidung nicht der Fall, wenn bei einer Tatserie im Anklagesatz nur der Tatplan sowie die Tatausführung allgemein beschrieben und die individualisierenden Merkmale der Einzeltat im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen aufgeführt sind. Danach wäre hier ein Verfahrensfehler gegeben. Da der 2. Strafsenat in dem vorgenannten Urteil entschieden hat, dass in Fällen wie dem vorliegenden aufgrund des Umfanges des Verfahrensstoffes ein Beruhen des Urteils regelmäßig nicht ausgeschlossen werden kann, wäre auf der Grundlage dieser Entscheidung die Rüge auch im vorliegenden Fall begründet.
6
Mit dem vorgenannten Beschluss vom 2. September 2009 hat der Senat bei dem 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs angefragt, ob er an seiner entgegenstehenden Entscheidung festhält, bei den übrigen Strafsenaten, ob der beabsichtigten Entscheidung dortige Rechtsprechung entgegensteht und ob gegebenenfalls an dieser festgehalten wird.
7
Der 2. Strafsenat hat mit Beschluss vom 25. November 2009 (2 ARs 455/09) ausgesprochen, dass er an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält.
Die übrigen Strafsenate des Bundesgerichtshofs haben mitgeteilt, dass dortige Rechtsprechung der beabsichtigten Entscheidung nicht entgegensteht. Während der 4. Strafsenat (Beschl. vom 8. Dezember 2009 - 4 ARs 17/09) und der 5. Strafsenat (Beschl. vom 28. Oktober 2009 - 5 ARs 53/09) der Rechtsansicht des Senats zustimmen, hat der 3. Strafsenat mit Beschluss vom 17. November 2009 (3 ARs 16/09) Zweifel geäußert, ob sich die beabsichtigte Verfahrensweise ohne Tätigwerden des Gesetzgebers allein auf der Grundlage des geltenden Strafprozessrechts umsetzen lässt.

II.

8
1. Der Senat legt die streitige Rechtsfrage dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung vor. Die Vorlage erfolgt sowohl aus Gründen der Divergenz zur Rechtsprechung des 2. Strafsenats (§ 132 Abs. 2 GVG) als auch nach § 132 Abs. 4 GVG, da die Rechtsfrage nach Auffassung des Senats auch zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
9
a) In Abweichung von dem Rechtssatz, der in dem Anfragebeschluss aufgestellt wurde, konkretisiert der Senat die Rechtsfrage in zwei Punkten. Im Hinblick auf die Bedenken des 2. Strafsenats, wonach der Begriff der „zahlreichen Vermögensdelikte“ einen „Quell zukünftiger Unklarheiten, Auslegungsbedürfnisse und Rechtsstreitigkeiten enthalte“, wird nunmehr - in Anlehnung an die vom Gesetzgeber in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 StGB; § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 StGB; § 306b Abs. 1 Alt. 2 StGB; § 330 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB gewählten Tatbestandsmerkmale - vorausgesetzt, dass eine „große Zahl“ von Vermögensdelikten gegeben ist [vgl. dazu nachfolgend 2. c) aa]. Zudem wird klargestellt, dass es sich bei der - regelmäßig tabellarisch erfolgenden - Auflistung der Einzelheiten der Taten, d.h. den konkreten Tatzeitpunkten, der Tatop- fer und der jeweiligen Einzelschäden, um einen Teil der Anklageschrift handelt, der lediglich - wie das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen - nicht nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO zu verlesen ist.
10
b) In Abkehr von der Rechtsprechung des 2. Strafsenats genügt nach Auffassung des Senats, wenn einem Angeklagten eine große Zahl von Vermögensdelikten zur Last gelegt wird, die einem einheitlichen modus operandi folgen , die Anklageschrift den Anforderungen des § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO, wenn im konkreten Anklagesatz, der allein in der Hauptverhandlung nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO zu verlesen ist, neben der Schilderung der gleichartigen Tatausführung, die die Merkmale des jeweiligen Straftatbestandes erfüllt, die Gesamtzahl der Taten, der Tatzeitraum sowie der Gesamtschaden bezeichnet werden und die Einzelheiten der Taten, d.h. die konkreten Tatzeitpunkte, die Tatorte, die Tatopfer und die jeweiligen Einzelschäden , ergänzend in einem eigenständigen Abschnitt der Anklageschrift, der nicht nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO zu verlesen ist, detailliert beschrieben sind.
11
2. Dies ergibt sich nach Auffassung des Senats aus folgendem:
12
a) Insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Verfolgungsdichte im Bereich der Wirtschaftskriminalität (z.B. im Bereich des ärztlichen Abrechnungsbetruges ) einerseits und neuer Formen der Tatbegehung - namentlich unter Ausnutzung der Möglichkeiten des Internets - andererseits, besteht in Verfahren, bei denen massenweise und gleichförmig begangene Vermögensdelikte zur Anklage kommen, das praktische Bedürfnis, die Hauptverhandlung von der zeitaufwändigen Verlesung der Aufstellung der einzelnen Taten zu entlasten (so ausdrücklich der 3. Strafsenat im Antwortbeschluss vom 17. November 2009 - 3 ARs 16/09 - unter Hinweis auf die Anm. vom Wilhelm NStZ 2007, 358 zur Entscheidung des LG Mühlhausen NStZ aaO; vgl. insoweit auch die Fallschilderung von Müller NJW 2009, 3745, 3746).
13
Dem Senat ist darüber hinaus zum Beispiel ein Verfahren bekannt, in dem der zu verlesende Anklagesatz auf der Grundlage des Urteils des 2. Strafsenats einen Umfang von knapp 6.000 Seiten hätte. Die insoweit erforderliche Verlesung würde mehrere Verhandlungstage in Anspruch nehmen, was eine erhebliche Beeinträchtigung der Ressourcen der Justiz sowie der weiteren Verfahrensbeteiligten mit sich bringen würde. Dem kann nach Auffassung des Senats mit einer sinnhaften Auslegung von § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO nach Maßgabe der Vorlagefrage begegnet werden.
14
b) Entgegen der Zweifel, die der 3. Strafsenat in seinem Antwortbeschluss geäußert hat und entgegen der Rechtsauffassung von Teilen des 2. Strafsenats, die eine konzentrierte Fassung des konkreten Anklagesatzes nicht mit den Vorschriften des § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO für vereinbar erachten (2. Strafsenat, Beschl. vom 25. November 2009 - 2 ARs 445/09 - dort Rdn. 8 ff.), ist die Auffassung des Senats zwanglos sowohl mit Wortlaut als auch mit Sinn und Zweck der einschlägigen Vorschriften in Einklang zu bringen, die der Gesetzgeber bei der Neufassung von § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO im Blick hatte (nachfolgend aa). Es bedarf daher weder einer Gesetzesänderung, noch ist - wie andere Teile des 2. Strafsenats erwägen (Beschl. vom 25. November 2009 - 2 ARs 445/09 - dort Rdn. 12) - eine entsprechende Anwendung des § 249 Abs. 2 StPO erforderlich. Vielmehr wird die Auffassung des Senats den Funktionen, die der Fassung des Anklagesatzes und dessen Verlesung im Strafverfahren zukommt, gerecht (nachfolgend bb).
15
aa) § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO und § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO in ihrer heutigen Fassung gehen zurück auf das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 19. Dezember 1964 (BGBl. I 1067). Mit diesem wurde § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO dahingehend geändert, dass die Verlesung des Eröffnungsbeschlusses, in dem nach der Neufassung des Gesetzes nur noch über die Zulassung der Anklage zu entscheiden ist, durch die Verlesung des Anklagesatzes ersetzt wurde. Gleichzeitig wurde § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO neugefasst. An Stelle der bisherigen Formulierung, wonach „die dem Angeschuldigten zur Last gelegte Tat unter Hervorhebung ihrer gesetzlichen Merkmale und des anzuwendenden Strafgesetzes zu bezeichnen“ war, trat die noch heute gültige Legaldefinition des Begriffes „Anklagesatz“, der sich auch in § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO wieder findet.
16
Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt dabei dem Anklagesatz besondere Bedeutung zu (vgl. Anlage zur Kabinettsvorlage des BMJ vom 10. Juni 1960 - 4100/1B - O - 22 872/60 - S. 76). Demgemäß forderte die damalige Kommentarliteratur im Anschluss an die Gesetzesänderung, dass die Tat als klarer Lebensvorgang so geschildert werden müsse, dass dem Leser (auch dem juristisch nicht vorgebildeten) erkennbar werde, welches Tun oder Unterlassen Gegenstand der Aburteilung sein soll (Kohlhaas in LR 22. Aufl. § 200 Anm. 4). Weiter wurde als erforderlich angesehen, dass die rechtliche Subsumtion klar und erschöpfend sein soll, was aber nicht auf Kosten der allgemeinen Verständlichkeit gehen dürfe. Namentlich im Hinblick auf die Fortsetzungstat wurde als notwendig, aber auch ausreichend angesehen, dass die Einzelakte aus der Anklageschrift zu erkennen sind, wobei es als ausreichend angesehen wurde, wenn einzelne Akte konkret bezeichnet werden und auf den Fortsetzungszusammenhang verwiesen wird (Kohlhaas aaO Anm. 5). Insoweit hatte sich die Literatur an der bereits vor der Gesetzesänderung ergangenen Recht- sprechung und Literatur orientiert, nach der nicht notwendig war, bei fortgesetzter Handlung jeden Einzelakt in individualisierter Eigenart anzugeben (vgl. OLG Oldenburg NJW 1952, 990; Schmidt Lehrkommentar zur Strafprozessordnung 1957 § 200 Erl. 10).
17
bb) Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass es der Gesetzgeber bei der Neufassung der einschlägigen Vorschriften für erforderlich erachtete, bei Serientaten sämtliche Einzeltaten in den Teil der Anklage aufzunehmen, der in der Hauptverhandlung zu verlesen ist (Anklagesatz). Vielmehr ist - auch gemessen an der Funktion und der Stellung der Verlesung des Anklagesatzes in der Hauptverhandlung - davon auszugehen, dass der zu verlesende Anklagesatz nach dem Willen des Gesetzgebers geeignet sein soll, die wesentlichen Gesichtpunkte der zur Aburteilung stehenden Lebenssachverhalte für alle Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit in einer solchen Form zu präsentieren, dass der weitere Gang der Hauptverhandlung nachvollzogen werden kann. Hierfür ist die Mitteilung aller Einzeltaten in der Verlesung weder erforderlich, noch geeignet, zumindest in den Fällen, in denen die zu verlesenden Details allein aufgrund der schlichten Menge der Information intellektuell nicht erfasst und gespeichert werden können. Der Zweck, der mit der Verlesung des Anklagesatzes nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO verbunden ist, gebietet vielmehr, den konkreten Anklagesatz so zu fassen, dass er bei Verlesung in der Hauptverhandlung für alle Verfahrensbeteiligte sowie die Öffentlichkeit verständlich und erfassbar ist (vgl. auch Nr. 110 Abs. 1 RiStBV, im Ansatz ebenso Britz in FS Müller, 2008, S. 107, 111 f., der zutreffend von der „Hörverständlichkeit“ des zu verlesenden Anklagesatzes spricht). Verständlichkeit und Erfassbarkeit des Inhaltes ist bei Tabellenwerken, die mehrere hundert Seiten füllen und über viele Stunden oder Tage verlesen werden, aber gerade nicht gegeben.
18
cc) Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trug diesen Gesichtspunkten in der Folge Rechnung, indem sie bei der Anklage einer fortgesetzten Handlung anerkannte, dass bei ausreichender Konkretisierung eines Lebenssachverhaltes innerhalb der gesamten Anklage nicht einmal die Darstellung der Einzelakte erforderlich war (BGH, Urt. vom 27. Mai 1975 - 5 StR 184/75; Urt. vom 2. Mai 1985 - 4 StR 142/85).
19
dd) Ein solches Verständnis vom Wesen des Anklagesatzes steht auch im Einklang mit dem allgemeinen Wortsinn des Begriffes „Satz“, der eine knappe , alle wesentlichen Gesichtspunkte erfassende Schilderung des angeklagten Lebenssachverhaltes nahe legt. Mit der Neufassung des § 200 Abs. 1 Satz 1 wollte der Gesetzgeber einen zu schleppenden und zu schwer verständlichen Aufbau vermeiden.
20
ee) In Anbetracht der in der Praxis aufgrund der bisherigen Auslegung von § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO bestehenden Probleme, die sich nicht bei der Abfassung der Anklage, sondern vielmehr bei deren Verlesung in der Hauptverhandlung stellen, reduziert sich die aufgeworfene Rechtsfrage im Ergebnis letztlich darauf, ob die Verlesung der Einzelheiten der Taten, d.h. die konkreten Tatzeitpunkte, die Tatorte, die Tatopfer und die jeweiligen Einzelschäden, im Hinblick auf die Funktionen, die dem Anklagesatz zukommen, geboten ist. Insoweit ist folgendes zu sehen:
21
(1) Die Anklage dient zunächst dazu, die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen. Es darf nicht unklar blei- ben, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll (Umgrenzungsfunktion, vgl. BGHSt 40, 390, 392).
22
Dieser Umgrenzungsfunktion wird die Anklage, die in der nach Auffassung des Senats gebotenen Art und Weise abgefasst (oben 1. b) ist, gerecht. Durch die Angabe der Zahl der Einzeltaten, die in einem umgrenzten Tatzeitraum begangen wurden und die zudem in den Tabellen der Einzeltaten konkretisiert werden, ist eine hinreichende Individualisierung der Taten gegeben. Für die Beteiligten des konkreten Verfahrens bleibt bei einer solchen Vorgehensweise nicht unklar, welche Einzeltaten nach dem Willen der Staatsanwaltschaft zur Aburteilung stehen. Auch in anderen Verfahren, in denen der Umfang der angeklagten Taten im Hinblick auf Fragen des Strafklageverbrauchs o.ä. bedeutsam sein könnte, kann zweifelsfrei festgestellt werden, welche Einzeltaten von der Anklage umfasst sind.
23
In diesem Sinn machen die Revisionen im vorliegenden Verfahren auch zu Recht kein Verfahrenshindernis geltend, das gegeben wäre, wenn die vorliegende Anklage nicht der Umgrenzungsfunktion entsprechen würde. Auch der 2. Strafsenat erachtete in der Entscheidung, von der abgewichen werden soll, die Umgrenzungsfunktion noch als hinreichend gewahrt. Den durchgreifenden Rechtsfehler erkennt der 2. Strafsenat vielmehr darin, dass der Informationsfunktion der Anklage nicht entsprochen wurde, da die Einzelheiten, die die dem Angeklagten zur Last gelegten Taten konkretisieren, nicht nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO in der Hauptverhandlung verlesen wurden (2. Strafsenat, Urt. vom 28. April 2006 - 2 StR 174/05 - Rdn. 7).
24
(2) Entscheidend ist daher, ob im Hinblick auf die Informationsfunktion der Anklage über die Verlesung des Anklagesatzes hinaus, in dem neben der Schilderung der gleichartigen Tatausführung, die die Merkmale des jeweiligen Straftatbestandes erfüllt, die Gesamtzahl der Taten, der Tatzeitraum sowie der Gesamtschaden bezeichnet werden, die Verlesung der Einzelheiten der Taten, d.h. die konkreten Tatzeitpunkte, die Tatorte, die Tatopfer und die jeweiligen Einzelschäden, geboten ist. Dies ist nach der Auffassung des Senats zu verneinen.
25
Im Hinblick auf die Informationsfunktion kommt der Anklage die Aufgabe zu, den Angeklagten und die übrigen Verfahrensbeteiligten über weitere Einzelheiten des Vorwurfs zu unterrichten, um ihnen Gelegenheit zu geben, ihr Prozessverhalten auf den mit der Anklage erhobenen Vorwurf einzustellen (vgl. BGHSt 40, 44, 47 f.).
26
(a) Der Informationsfunktion gegenüber dem Angeklagten entspricht das Gesetz dabei zunächst insoweit, als die Anklageschrift dem Angeschuldigten nach § 201 Abs. 1 StPO zugestellt wird. Bereits dadurch soll die umfassende und zuverlässige Unterrichtung des Angeschuldigten gewährleistet werden, um ihm rechtliches Gehör bereits vor der Eröffnung des Hauptverfahrens und die Möglichkeit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu geben (vgl. Schneider in KK 6. Aufl. § 201 Rdn. 1 m.w.N.). Diese, die Informationsfunktion gegenüber dem Angeklagten prägenden Gesichtspunkte, werden durch die Abfassung der Anklage in der vorliegenden Art und Weise aber nicht beeinträchtigt, da dem Angeklagten die gesamte Anklage zugestellt wird. Insoweit ist auch - verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG NStZ 2004, 214) - anerkannt, dass die Übersetzung der Anklage in der Hauptverhandlung nicht erforderlich ist, wenn dem des Lesens Kundigen eine schriftliche Übersetzung überlassen wird (Schneider in KK 6. Aufl. § 243 Rdn. 21, Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 243 Rdn. 13).
27
Soweit darüber hinaus dem Angeklagten in der Hauptverhandlung durch die Verlesung nochmals die gegen ihn erhobenen Vorwürfe verdeutlicht werden sollen, wird diesem Zweck durch die Verlesung (und ggfs. Übersetzung) der - quasi vor die Klammer gezogenen - Kernvorwürfe ausreichend Rechnung getragen. Eine Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten ist hierin nicht zu sehen.
28
(b) Auch gegenüber den weiteren Verfahrensbeteiligten, die die gesamte Anklage ausgehändigt erhalten, wird der Informationsfunktion durch die Überlassung der Anklage entsprochen. Der Fassung des zu verlesenden Anklagesatzes kommt daher im Hinblick auf die Informationsfunktion nur noch insoweit Bedeutung zu, als die Schöffen über den Verfahrensgegenstand informiert werden. Daneben tritt die Information der Öffentlichkeit. Insoweit ist die relevante Problematik weiter darauf einzugrenzen, ob durch die Verlesung eines unüberschaubaren Anklagesatzes, der auch die Tateinzelheiten in Tabellen umfasst, der Information der Schöffen und der Öffentlichkeit besser entsprochen werden kann. Dies ist im Hinblick auf die eingeschränkte Verständlichkeit und Erfassbarkeit der in Rede stehenden Tabellenwerke zu verneinen.
29
(aa) Die Schöffen sollen durch die Verlesung des Anklagesatzes mit dem Gegenstand der Verhandlung und mit den Grenzen, in denen sich diese und die Urteilsfindung zu bewegen hat, bekannt gemacht werden. Sie sollen so über den erhobenen Tatvorwurf informiert werden, dass sie ihr Amt ausüben können. An diesen Funktionen gemessen ist der Informationswert einer gruppierten Darstellung gegenüber der bloß chronologischen Auflistung der Einzeltaten weitaus höher. Die für die Beurteilung der Sachverhalte maßgeblichen Gesichtspunkte können von allen Verfahrensbeteiligten schneller erfasst und bewertet werden. Demgegenüber bringt die stunden- oder tagelange Verlesung (vgl. oben II. 2. a) hunderter, zuweilen tausender von Datensätzen, bei dem die Aufmerksamkeit der Verfahrensbeteiligten und der Öffentlichkeit regelmäßig rasch erlahmt, keinen weitergehenden Erkenntnisgewinn. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Einzeltaten im Laufe der Hauptverhandlung ohnehin im Detail eingeführt werden müssen. Bereits dadurch ist ausgeschlossen, dass die Schöffen bei der Urteilsfindung nicht über die Tateinzelheiten informiert sind.
30
Daneben können die - nicht zu verlesenden - Tabellenwerke den Schöffen ausgehändigt werden (s.a. Krehl NStZ 2008, 525, 526), ohne dass dies freilich für eine hinreichende Anklageverlesung i.S.v. § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderlich wäre. So kann den Schöffen das Nachvollziehen der einzelnen Feststellungen in der Hauptverhandlung erleichtert werden. Die Aushändigung des Anklagesatzes wird grundsätzlich als zulässig angesehen (vgl. Häger in GedSchr. für Karlheinz Meyer, 1990, S. 171, 172 ff.; Schneider in KK 6. Aufl. § 243 Rdn. 21; Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 243 Rdn. 13) und auch seitens des 2. Strafsenats im Antwortbeschluss befürwortet. Sie widerspricht auch nicht dem Grundsatz des fairen Verfahrens (EGMR NJW 2009, 2871, 2873). Durch die Aushändigung der gesamten Anklage einschließlich der Tabellen mit den Einzeltaten wird den Schöffen ermöglicht, der weiteren Hauptverhandlung - namentlich der Beweisaufnahme - anhand der schriftlich vorliegenden Anklage zu folgen. Jeweils dann, wenn der Gang der Hauptverhandlung dies erforderlich macht, kann der Schöffe auf die maßgeblichen Punkte zurückgreifen. Gerade dann wird er auch die Einzelheiten des konkret nachzuweisenden Falles am besten erfassen können.
31
Deshalb ist - orientiert an den Zwecken, die der Anklage zukommen - die Auffassung des Senats auch vorzugswürdig gegenüber einer Einführung der Anklage in entsprechender Anwendung des § 249 Abs. 2 StPO, wie sie ein Teil des 2. Strafsenats befürwortet (2. Strafsenat, Beschl. vom 25. November 2009 - 2 ARs 445/09 - dort Rdn. 12). Denn die Einführung der Anklage in entsprechender Anwendung des § 249 Abs. 2 StPO müsste - den Vorgaben des § 243 Abs. 3 StPO folgend - vor Eintritt in die Beweisaufnahme erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt bestehen indes die nämlichen Bedenken im Hinblick auf die intellektuelle Erfassbarkeit der Einzeldaten der Taten, wie sie im Hinblick auf die Verlesung des gesamten Anklagesatzes bestehen. Der eigentliche Erkenntnisgewinn kommt den Daten der Einzeltaten erst dann zu, wenn diese Gegenstand der Beweisaufnahme sind.
32
(bb) Auch die Öffentlichkeit wird durch die Verlesung des konkreten Anklagesatzes , wie er nach Auffassung des Senats gefasst sein kann, hinreichend informiert. Eine Bekanntgabe der Daten, die die Einzelfälle konkretisieren, ist demgegenüber nicht erforderlich (so wohl auch Krehl aaO). Denn Zweck des Öffentlichkeitsprinzips ist einerseits die Kontrolle des Verfahrensgangs durch die Allgemeinheit. Daneben dient sie dem Informationsinteresse des Publikums sowie spezial- und generalpräventiven Zwecken (vgl. Diemer in KK 6. Aufl. GVG § 169 Rdn. 2). Diese Zwecke werden aber auch gewahrt, ohne dass eine dem Formalismus, nicht mehr aber dem eigentlichen Sinn der Vorschriften Rechnung tragende langatmige Verlesung des Anklagesatzes erfolgt, die allenfalls dessen akustische Wahrnehmung, nicht aber seine Aufnahme oder ein intellektuelles Verarbeiten durch die Zuhörer bewirkt. Zudem ist auch an dieser Stelle zu berücksichtigen, dass die Einzeltaten im Laufe der Hauptverhandlung ohnehin im Detail eingeführt werden müssen. Auch die Öffentlichkeit wird dadurch hinreichend über die weiteren Tateinzelheiten informiert.
33
Daher erweist sich auch im Hinblick auf die Information der Öffentlichkeit eine Einführung der Anklage in entsprechender Anwendung des § 249 Abs. 2 StPO gerade nicht als die geeignetere Verfahrensweise. Die vollständige Ersetzung der Verlesung würde dazu führen, dass jegliche Information der Öffentlichkeit über den Verfahrensgegenstand entfiele. Sollte nur die Verlesung der Einzeldaten ersetzt werden, ergäbe sich kein weitergehender Erkenntnisgewinn.
34
c) Nach Auffassung des Senats bestehen daher weder im Hinblick auf den Wortlaut des Gesetzes noch auf den Zweck, den das Gesetz mit der Fassung und der Verlesung des Anklagesatzes verfolgt, Bedenken gegen die vom Senat vertretene Auslegung von § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO. Vor diesem Hintergrund ist - entgegen der Vorbehalte des 3. Strafsenats (Beschl. vom 17. November 2009 - 3 ARs 16/09 - Rdn. 7) - eine sinnhafte Auslegung auch möglich, so dass es einer Gesetzesänderung nicht bedarf.
35
Darüber hinaus erachtet der Senat auch die weiteren Gesichtspunkte, die der 2. Strafsenat in seinem Antwortbeschluss vom 25. November 2009 und der 3. Strafsenat in seinem Antwortbeschluss vom 17. November 2009 anführen , nicht als durchschlagend:
36
aa) Soweit in den Antwortbeschlüssen das im Anfragebeschluss angeführte Abgrenzungskriterium der „zahlreichen“ Vermögensdelikte als zu unbestimmt erachtet wird, kann dem nach Auffassung des Senats dadurch begegnet werden, dass in Anlehnung an § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 StGB; § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 StGB; § 306b Abs. 1 Alt. 2 StGB; § 330 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB auf eine große Zahl von Vermögensdelikten abgestellt wird. Diese wird ab 20 Taten gegeben sein (vgl. Fischer StGB 57. Aufl. § 267 Rdn. 40; § 330 Rdn. 8). Werden insoweit bereits im materiellen Strafrecht keine Bedenken ge- gen die hinreichende Bestimmtheit der dortigen Tatbestandsmerkmale erhoben , können nach Auffassung des Senats auch keine weitergehenden Bedenken gegen die Bestimmtheit der für die in strafprozessualer Hinsicht erforderlichen Voraussetzungen bestehen. Die Anforderungen an den Begriff der „großen Zahl“ kann daher durch die Rechtsprechung hinreichend konkretisiert werden.
37
bb) Auch der als weiteres Abgrenzungsmerkmal aufgenommene Begriff des „einheitlichen modus operandi“ ist nach Auffassung des Senats hinreichend bestimmt, um in der Praxis eine sachgerechte Handhabung zu ermöglichen. Denn ein einheitlicher modus operandi ist nur dann gegeben, wenn die vom Senat für erforderlich erachtete Gruppierung möglich ist. Nur dann, wenn für die große Zahl von Taten eine allgemeingültige Beschreibung der Tatbegehung , die quasi vor die Klammer gezogen wird, erfolgen kann, ist eine Konkretisierung des Anklagesatzes einerseits möglich und andererseits auch sinnvoll.
38
cc) Durch das Erfordernis der Gruppierungsmöglichkeit aufgrund eines einheitlichen modus operandi ist zuletzt nach Auffassung des Senats auch den seitens des 2. Strafsenats gehegten Befürchtungen, dass die Aufstellungen der Einzeltaten in tabellarischer Form besonders fehleranfällig seien, hinreichend begegnet. Ohnehin ist für die Frage, welchen Umfang der nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO zu verlesende Anklagesatz im Hinblick auf die Informationsfunktion aufweisen muss, die Frage der Fehleranfälligkeit des Erstellens von Tabellen ohne Belang. Allenfalls für die Frage, ob Einzeltaten überhaupt in der Anklage tabellarisch erfasst werden dürfen, kann die Fehlerhaftigkeit eines solchen Vorgehens von Bedeutung sein. Dessen ungeachtet ist aber gerade dadurch, dass die Gruppierung der einzelnen Taten einerseits dazu zwingt, die Besonderheiten des Einzelfalles genauer in den Blick zu nehmen, andererseits aber auch die Möglichkeit schafft, die für mehre- re Taten übereinstimmenden Gesichtspunkte herauszustellen, eine sachgerechte tatsächliche und rechtliche Erfassung des Einzelfalles möglich. Nack Wahl Rothfuß Jäger Sander

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

(1) Der Vorsitzende des Gerichts teilt die Anklageschrift dem Angeschuldigten mit und fordert ihn zugleich auf, innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens beantragen oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorbringen wolle. Die Anklageschrift ist auch dem Nebenkläger und dem Nebenklagebefugten, der dies beantragt hat, zu übersenden; § 145a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(2) Über Anträge und Einwendungen beschließt das Gericht. Die Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

55
1. Wie bisher sind zunächst Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen. Diese Feststellung dient zunächst als Grundlage für die Strafzumessung. Der Tatrichter hat insofern in wertender Betrachtung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil sowie die besonderen Belastungen, denen der Angeklagte wegen der überlangen Verfahrensdauer ausgesetzt war, bei der Straffestsetzung in den Grenzen des gesetzlich eröffneten Strafrahmens mildernd zu berücksichtigen sind. Die entsprechenden Erörterungen sind als bestimmende Zumessungsfaktoren in den Urteilsgründen kenntlich zu machen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); einer Bezifferung des Maßes der Strafmilderung bedarf es nicht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 445/03
vom
17. Dezember 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Dezember 2003 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 23. April 2003 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Strafbemessung begegnet auch unter dem Gesichtspunkt der Dauer
des Strafverfahrens keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Das Landgericht hat die lange Zeitspanne zwischen den Taten des
Angeklagten und der nunmehrigen Aburteilung ebenso strafmildernd berücksichtigt
wie den Umstand, daß diese nicht vom Angeklagten zu vertreten ist
(UA S. 44, 45).
2. Soweit die Revision meint, es liege eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung
(gemeint: im Sinne des Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) vor, deren
einzelne Ursachen in den Urteilsgründen näherer Feststellung und Erörterung
bedurft hätten, und dabei die Zeiträume zwischen verschiedenen Verfahrensereignissen
anspricht, gilt folgendes:

a) Die Rüge ist schon nicht in zulässiger Weise erhoben. Will ein Beschwerdeführer
beanstanden, durch das Verfahren sei das Beschleunigungs-
gebot des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verletzt und die Verfahrensverzögerung sei
im Urteil nicht berücksichtigt worden, so hat er die Tatsachen, die den behaupteten
Verfahrensverstoß belegen, in der Revisionsbegründung darzulegen
, um dem Revisionsgericht eine entsprechende Nachprüfung zu ermöglichen
(§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Entsprechendes gilt, wenn der Beschwerdeführer
wie hier beanstandet, das Urteil sei zwar eher allgemein vom Vorliegen
einer Verfahrensverzögerung ausgegangen, aber Art, Ausmaß und Umstände
dieser Verzögerung seien nicht oder nicht genügend festgestellt (so BGHR
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 7 m.w.Rspr.Nw.).
Dem wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. So heißt es dort etwa,
der Zeitraum von ca. einem Jahr für das Zwischenverfahren und derjenige von
14 Monaten zwischen der ersten Revisionsentscheidung und dem Beginn der
erneuten Hauptverhandlung seien erörterungsbedürftig gewesen. Hier wäre
vorzutragen gewesen, was die Aktenlage insoweit zur Sachbehandlung und
Verfahrensförderung konkret ergibt. Es ist nicht Aufgabe des Senats, von Amts
wegen das - hier mehr als 60 Stehordner umfassende - Aktenwerk auf Verzögerungen
durchzusehen oder auch nur in Teilabschnitten zu sichten, um die
allgemein unter Hinweis auf zeitliche Eckdaten aufgestellte Behauptung einer
Verzögerung zu prüfen. Beispielhaft zeigt sich gerade hinsichtlich des Zeitraums
zwischen der ersten Revisionsentscheidung und der erneuten Hauptverhandlung
, daß insoweit die Hinweise bedeutsam sein können, die in dem in
dieser Sache ergangenen Senatsbeschluß vom 7. Februar 2002 - 1 StR 222/01
- unter IV.3.d) enthalten sind. Diese können naheliegenderweise zunächst, vor
der Neuverhandlung, weitere Ermittlungen veranlaßt haben. Hierzu wäre konkret
vorzutragen gewesen. Wäre dies geschehen, ergäbe sich eine andere Beurteilung
als auf der Grundlage des unvollständigen Revisionsvortrages. Auch
soweit sich die Revision darauf bezieht, daß die Strafkammer im Urteil aus-
führt, nach dem 13. Oktober 1995 sei ein "vorübergehender faktischer Stillstand"
in den polizeilichen Ermittlungen eingetreten, hätte die Revision dazu
Einzelheiten darlegen müssen, insbesondere auch zur Frage der genauen
Dauer dieses Stillstandes.

b) Die Rüge hat auch deshalb keinen Erfolg, weil das Landgericht von
einer "überlangen Verfahrensdauer" ausgeht und diese bei der Bemessung der
Gesamtstrafe konkret, bei der Zumessung der Einzelstrafen in allgemeiner
Form kompensiert hat.
Der Senat entnimmt dem Zusammenhang der Urteilsgründe, daß die
Strafkammer unter dem Oberbegriff der "überlangen Verfahrensdauer" neben
dem reinen Zeitablauf auch eine "rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung"
feststellen wollte. Dafür spricht die vorgenommene Kompensation bei der Gesamtstrafbildung.
Zudem umfaßt der verwendete Oberbegriff in der älteren
Rechtsprechung (vgl. BGH NStZ 1999, 181) durchaus auch die rechtsstaatswidrigen
Verfahrensverzögerungen, wie sich an der Veröffentlichung von einschlägigen
Entscheidungen und Stellungnahmen im Schrifttum unter entsprechenden
Überschriften und Leitsätzen zeigt (so schon BGHR StGB § 46 Abs. 2
Verfahrensverzögerung 12 m.w.N.).
Das Landgericht hat auf der Grundlage dieser Bewertung das Maß der
Kompensation bei der Straffindung hinreichend bestimmt. Bei der Bildung der
Gesamtstrafe hat es den Strafabschlag von einem Jahr und sechs Monaten
ausdrücklich festgehalten und im Urteil als solchen ausgewiesen. Daß dies bei
den Einzelstrafen - obgleich grundsätzlich erforderlich - nicht konkret in Form
einer Gegenüberstellung verschiedener Strafmaße geschehen ist, vermag den
Bestand des Strafausspruches hier nicht zu gefährden. Die Strafkammer hat
ausdrücklich hervorgehoben, sie hätte höhere Einzelstrafen angesetzt, wenn
nicht eine Kompensation erfolgt wäre (UA S. 48). Deshalb steht nicht zu besorgen
, daß der Angeklagte etwa im Falle der späteren Notwendigkeit einer anderweitigen
nachträglichen Gesamtstrafenbildung beim Wegfall der jetzt in Rede
stehenden Gesamtstrafe benachteiligt werden könnte. Angesichts der eher
milden Einzelstrafen und des straffen Zusammenzuges bei der Gesamtstrafenbildung
vermag der Senat zudem sicher auszuschließen, daß das Verhältnis
zwischen den ermäßigten wie nicht ermäßigten Einzelstrafen und den beiden
gegenübergestellten Gesamtstrafen unstimmig sein könnte (vgl. dazu BGH
NStZ 2002, 589).

c) Der Senat sieht indessen auf der Grundlage der Urteilsausführungen
keinen Grund zur Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung,
weil das Verfahren von außergewöhnlicher Komplexität und auch sonst schwierig
war. Durch die gegenteilige Wertung des Landgerichts und die darauf gestützte
, genau bemessene Milderung der Gesamtstrafe ist der Angeklagte jedoch
nicht beschwert.
Soweit sich aus dem Urteil des Landgerichts selbst einige zeitliche
Spannen zwischen Verfahrensabschnitten ergeben (UA S. 44 f.), erweisen sich
diese in einer Gesamtschau nicht als von solcher Qualität, daß dies die Annahme
der Rechtsstaatswidrigkeit und der Unangemessenheit (im Sinne von
Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) begründen könnte. In Fällen solcher Art hat der Tatrichter
zu prüfen, ob die Sache insgesamt in angemessener Frist verhandelt
worden ist, wobei eine gewisse Untätigkeit innerhalb einzelner Verfahrensabschnitte
dann nicht zu einer Verletzung von Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 MRK führt,
wenn dadurch die Gesamtdauer des Verfahrens nicht unangemessen lang
wird. Dabei beginnt die "angemessene Frist" im Sinne der Konvention, wenn
der Beschuldigte von den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt wird; sie endet mit
dem rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens. Neben der gesamten Dauer
vom Beginn bis zum Ende der Frist kommen für die Frage der Angemessenheit
die Schwere und die Art des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit
des Verfahrens, die Art und Weise der Ermittlungen, das Verhalten des Beschuldigten
sowie das Ausmaß der mit dem andauernden Verfahren verbundenen
Belastungen für den Beschuldigten als maßgebende Kriterien in Betracht
(siehe nur BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 9; vgl. zusammenfassend
Franke in MünchKomm. StGB § 46 Rdn. 62 mit weiteren
Rechtsprechungsnachweisen).
Hier handelt es sich um eine umfangreiche, schwierige Wirtschaftsstrafsache
, die zunächst wegen mehrerer Tatkomplexe gegen vier Angeklagte geführt
wurde. Die erste tatrichterliche Hauptverhandlung dauerte vom Oktober
1999 bis zum August des Jahres 2000. Das erste, vom Senat später teilweise
aufgehobene Urteil umfaßte in seiner schriftlichen Begründung 510 Seiten. Das
Gewicht des gegen den Angeklagten jetzt noch bestehenden, abgeurteilten
Tatvorwurfs erweist sich zumal im Blick auf die außergewöhnliche Schadenshöhe
von 128 Mio DM als erheblich. Angesichts der Komplexität der Vorgänge
ist es auch nicht zu beanstanden, daß die Erstellung des polizeilichen Schlußberichts
, die Anklageerhebung und die Entscheidung über die Eröffnung des
Hauptverfahrens sowie die Vorbereitung der beiden Hauptverhandlungen, aber
auch das erste Revisionsverfahren mehrmonatige Zeiträume in Anspruch genommen
haben. Schließlich ist zu bedenken, daß die Ausschöpfung der von
der Dauer der ersten Hauptverhandlung mitbestimmten Frist zur Absetzung der
Urteilsgründe ebensowenig eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung
mitzubegründen vermag wie die auf Revision des Angeklagten hin erfolgte teilweise
Aufhebung des ersten Urteils und die Zurückverweisung der Sache zu
neuer Verhandlung und Entscheidung. Dies ist Ausfluß der Gesetzeslage und
eines rechtsstaatlichen Rechtsmittelsystems (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2
Verfahrensverzögerung 15). Der Angeklagte war zwar ersichtlich über wenigstens
sieben Jahre hin (ausgehend von der im Urteil erwähnten ersten Beschuldigten
-Vernehmung) dem Verfahren ausgesetzt, befand sich aber - im
Jahr 1997 - nur etwa dreieinhalb Monate in Untersuchungshaft.
Soweit der Senat von Amts wegen auf die zulässige Revision hin Verfahrensverzögerungen
nach Erlaß des angefochtenen tatrichterlichen Urteils zu
berücksichtigen hat (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 8), worauf
die Revision zutreffend hinweist, vermag er indes in dem Zeitraum von
etwa drei Monaten zwischen dem Eingang der Revisionsbegründung beim
Landgericht und der Übersendung des gesamten Vorganges an den Generalbundesanwalt
nichts Beanstandungswürdiges zu sehen. Diese Dauer erklärt
sich hier zwanglos aus den zu beachtenden Regularien (vgl. § 347 StPO,
Nr. 163 ff. RiStBV) und dem großen Umfang des Aktenwerks, das auch drei
Andere betraf.
Nack Wahl Schluckebier
Kolz Elf

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

55
1. Wie bisher sind zunächst Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen. Diese Feststellung dient zunächst als Grundlage für die Strafzumessung. Der Tatrichter hat insofern in wertender Betrachtung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil sowie die besonderen Belastungen, denen der Angeklagte wegen der überlangen Verfahrensdauer ausgesetzt war, bei der Straffestsetzung in den Grenzen des gesetzlich eröffneten Strafrahmens mildernd zu berücksichtigen sind. Die entsprechenden Erörterungen sind als bestimmende Zumessungsfaktoren in den Urteilsgründen kenntlich zu machen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); einer Bezifferung des Maßes der Strafmilderung bedarf es nicht.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.