Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juni 2017 - 1 StR 39/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:090617B1STR39.17.1
09.06.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 39/17
vom
9. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßiger Fälschung von Zahlungskarten
mit Garantiefunktion u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:090617B1STR39.17.1

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Juni 2017 gemäß § 206a Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 29. November 2016 wird das Verfahren eingestellt. 2. Der Staatskasse fallen die insoweit entstandenen Kosten des Verfahrens zur Last. Es wird davon abgesehen, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in Tateinheit mit 28 tateinheitlichen Fällen des Computerbetrugs zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt sowie eine Anrechnungsentscheidung hinsichtlich in Spanien erlittener Auslieferungshaft getroffen.
2
Mit seiner dagegen gerichteten Revision macht der Angeklagte u.a. das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs wegen einer bereits in Rumänien erfolgten rechtskräftigen Verurteilung geltend.
3
Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Einstellung des hiesigen Strafverfahrens. Der Angeklagte ist wegen derselben wie der hier gegenständlichen Tat bereits aufgrund der Entscheidung des Berufungsgerichts Craiova vom 27. September 2016 in Rumänien rechtskräftig verurteilt worden. Es besteht deshalb das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs gemäß Art. 54 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ).

I.


4
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts brachte ein unbekannt gebliebener Täter am 11. April 2009 auf Weisung des Angeklagten ein zuvor von dem Zeugen S. zusammengebautes Kartenlesegerät am Türöffner einer näher bezeichneten Bankfiliale in D. an, um so die auf den Magnetstreifen von Maestro-Zahlungskarten gespeicherten Daten auslesen zu können. Unmittelbar anschließend installierte ein weiterer Mittäter eine ebenfalls zuvor von S. aus vom Angeklagten zur Verfügung gestellten Bestandteilen gefertigte Videoleiste. Damit wurden die PIN-Eingaben der Bankkunden ausgespäht. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt nach dem 11. April 2009 stellten der Angeklagte und weitere Mittäter – möglicherweise auch lediglich Mittäter auf Anweisung des Angeklagten – unter Nutzung der ausgespähten Daten Kartendubletten her.
5
Zwischen dem 17. und dem 20. April 2009 kam es jedenfalls durch die gesondert Verfolgten St. und G. sowie weitere unbekannt gebliebene Mittäter auf Weisung des Angeklagten unter Einsatz der Kartendubletten an näher bezeichneten Geldautomaten in Rumänien zu insgesamt 28 Bargeldabhebungen. Dabei wurde ein Gesamtbetrag von knapp 9.100 Euro erlangt.
6
2. Ausweislich der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils hat der Zeuge S. , auf dessen Angaben das Landgericht seine Überzeugung von dem festgestellten Sachverhalt stützt, u.a. ausgesagt, im April 2009 sei er mit dem gesondert Verfolgten G. von Rumänien aus nach Deutschland eingereist. Der ebenfalls gesondert Verfolgte St. sei auf einem anderen Reiseweg ebenfalls nach Deutschland gekommen und habe die für die Skimminggeräte benötigten Teile bei sich gehabt. Nach dem Zusammenbau der Gerätschaften habe man sich mit dem Angeklagten in H. getroffen. Durch diesen sei dort eine Wohnung angemietet worden. Im Anschluss an die Übergabe der Skimminggeräte an den Angeklagten sei die Gruppe für zwei Tage in H. geblieben, um dort für die Tatbegehung geeignete Banken auszukundschaften. Dies sei ebenso erfolglos geblieben, wie das Auskundschaften von Banken in Dr. und R. auf dem Rückweg nach Rumänien. Weiterhin hat S. ausgesagt, am Tag nach seiner Rückkehr in sein Heimatland habe sich der Angeklagte telefonisch bei ihm gemeldet und ihm mitgeteilt, dass man anderenorts erfolgreich Bankdaten ausgespäht habe. Abhebungen mit aufgrund der in D. erlangten Daten erstellten Kartendubletten seien dann u.a. durch G. und St. erfolgt.

II.


7
Das in Deutschland geführte Strafverfahren gegen den Angeklagten war einzustellen, weil zu dessen Gunsten das Verbot der Doppelverfolgung aus Art. 54 SDÜ eingreift und dies – derzeit – ein durch den Senat von Amts wegen zu prüfendes Verfahrenshindernis bewirkt (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2010 – 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11; Urteil vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 531/12, BGHSt 59, 120, 123 Rn. 10 mwN; siehe auch BGH, Beschluss vom 28. Dezember 2006 – 1 StR 534/06, NStZ-RR 2007, 179).
8
1. Die im hiesigen Strafverfahren gegenständliche prozessuale Tat ist bereits Gegenstand eines gegen den Angeklagten in Rumänien geführten Strafverfahrens gewesen. Das dortige Verfahren ist durch Entscheidung des Berufungsgerichts Craiova vom 27. September 2016 (Beschluss Nr. ) rechtskräftig abgeschlossen worden, indem die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts in Gorj vom 24. Mai 2016 (Nr. ) als unbegründet verworfen worden ist. In erster Instanz war der Angeklagte wegen betrügerischer Finanzoperationen (Art. 250 Abs. 1 rumänisches StGB), Nachmachen von Zahlungsinstrumenten (Art. 311 Abs. 2 rumänisches StGB), Besitz von Gerätschaften zum Nachmachen von Zahlungsinstrumenten (Art. 314 Abs. 2 rumänisches StGB), unberechtigtem Zugang zu Computersystemen (Art. 360 Abs. 1 und 3 rumänisches StGB), unerlaubter Handlungen mit Vorrichtungen oder Software (Art. 365 Abs. 1 und 2 rumänisches StGB) sowie wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung (Art. 367 Abs. 1 rumänisches StGB) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.
9
Ausweislich des durch den Senat eingeholten Gutachtens des MaxPlanck -Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht ist der Angeklagte durch das vorgenannte Urteil auf der Grundlage von Art. 33 bis Art. 34 des rumänischen Strafgesetzbuchs von 1969 in Verbindung mit dem Art. 5 des am 1. Februar 2014 in Kraft getretenen rumänischen Strafgesetzbuchs vom 17. Juli 2009 unter Anwendung der lex mitior Regel im Wege der Gesamtstrafenbildung zu einer Hauptstrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Gericht hat die Vollstreckung dieser Strafe bei einer Bewährungszeit von fünf Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Dem Angeklagten ist aufgegeben worden, zu von der Bewährungshilfe festgelegten Terminen bei dieser zu erscheinen. Darüber hinaus ist er unter anderem verpflichtet, jeden Wohnsitzund Arbeitsplatzwechsel sowie jede den Zeitraum von acht Tagen überschrei- tende Reise mitzuteilen. Das erstinstanzliche Gericht hat dem Angeklagten eine zusätzliche Strafe in Gestalt des Verbots der Ausübung einiger in Art. 64 Abs. 1 Buchst. a) und b) des rumänischen Strafgesetzbuchs von 1969 aufgeführter Rechte sowie als Nebenstrafe ebenfalls das Verbot der Ausübung in dem genannten Artikel erfasster Rechte auferlegt. Die Nebenstrafe ist zur Bewährung ausgesetzt worden (Art. 71 Abs. 5 des rumänischen StGB von 1969).
10
2. Dieser Verurteilung liegt dieselbe Tat im Sinne von Art. 54 SDÜ zugrunde wie dem hier angefochtenen Urteil.
11
a) Nach der für die nationalen Gerichte verbindlichen Auslegung des Art. 54 SDÜ durch die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 11. Februar 2003 – C-187/01 und C-385/01 – Gözütok und Brügge –; vom 9. März 2006 – C-436/04 – Van Esbroeck –, NJW 2006, 1781; vom 28. September 2006 – C-467/04 – Gasparini –; vom 28. September 2006 – C-150/05 – Van Straaten –; vom 18. Juli 2007 – C-288/05 – Kretzinger –, NJW 2007, 3412 und vom 18. Juli 2007 – C-367/05 – Kraaijenbrink –,NStZ 2008, 164; Beschluss vom 22. Dezember 2008 – C-491/07 – Turansky –, NStZ-RR 2009, 109; Urteil vom 16. November 2010 – C-261/09 Mantello –, NJW 2011, 983) gilt im Rahmen dieser Vorschrift ein im Verhältnis zu den nationalen Rechtsordnungen eigenständiger, autonom nach unionsrechtlichen Maßstäben auszulegender Tatbegriff. Danach ist maßgebendes Kriterium für die Anwendung des Art. 54 SDÜ allein die Identität der materiellen Tat, verstanden als das Vorhandensein eines Komplexes konkreter, in zeitlicher und räumlicher Hinsicht sowie nach ihrem Zweck unlösbar miteinander verbundener Tatsachen. Das Verbot der Doppelbestrafung greift ein, wenn ein solcher Komplex unlösbar miteinander verbundener Tatsachen besteht und die verschiedenen Verfahren jeweils Tatsachen aus dem einheitli- chen Komplex zum Gegenstand haben (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2008 – 5 StR 342/04, NJW 2008, 2931, 2932 f.; Urteil vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 531/12, BGHSt 59, 120, 125 f. Rn. 15). Auf materiell-rechtliche Bewer- tungen, insbesondere darauf, ob die verschiedenen begangenen Delikte nach deutschem Recht sachlich-rechtlich im Verhältnis von Tateinheit oder Tatmehrheit stehen, kommt es demnach nicht an (BGH aaO BGHSt 59, 120, 126 Rn. 15 aE).
12
Die nähere Auslegung dieses Tatbegriffs im Sinne des Art. 54 SDÜ hat sich in erster Linie am Zweck dieser Norm auszurichten, der darin besteht, die ungehinderte Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit der Unionsbürger zu sichern. Wer wegen eines Tatsachenkomplexes bereits in einem Vertragsstaat abgeurteilt ist, soll sich ungeachtet unterschiedlicher rechtlicher Maßstäbe in den einzelnen Staaten darauf verlassen können, dass er nicht – auch nicht unter einem anderen rechtlichen Aspekt – ein zweites Mal wegen derselben Tatsachen strafrechtlich verfolgt wird. Demgegenüber ist die Einordnung der Tatsachen nach den Strafrechtsordnungen der Vertragsstaaten unbeachtlich. Die Qualifizierung eines Tatsachenkomplexes als eine Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ ist darüber hinaus von dem jeweils rechtlich geschützten Interesse unabhängig; denn dieses kann wegen der fehlenden Harmonisierung der nationalen Strafvorschriften von einem Vertragsstaat zum anderen unterschiedlich sein. Allein aus dem Umstand, dass die Taten durch einen einheitlichen Vorsatz auf subjektiver Ebene verbunden sind, lässt sich die Identität der Sachverhalte nicht herleiten; erforderlich ist vielmehr eine objektive Verbindung der zu beurteilenden Handlungen (vgl. EuGH, jeweils aaO sowie BGH aaO BGHSt 59, 120, 126 Rn. 16).
13
Ob im konkreten Fall nach diesen Kriterien eine einheitliche Tat anzunehmen ist, obliegt der Beurteilung durch die nationalen Gerichte (EuGH, Urteile vom 9. März 2006 – C-436/04 – Van Esbroeck –, NJW 2006, 1781 und vom 28. September 2006 – C-467/04 – Gasparini –; BGH aaO BGHSt 59, 120, 126 Rn. 17).
14
b) Bei Anwendung dieser Maßstäbe liegt hier eine einheitliche Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ vor.
15
aa) Ausweislich des Urteils der Strafabteilung des Gerichts Gorj vom 24. Mai 2016 sowie der Entscheidung des Berufungsgerichts Craiova vom 27. September 2016 war der Angeklagte im Zeitraum zwischen 2008 und 2010 Anführer einer kriminellen Gruppe, der neben ihm u.a. auch der hiesige Zeuge S. sowie G. , St. und weitere namentlich benannte Personen angehörten. Nach den weiteren Feststellungen der rumänischen Gerichte hat der Angeklagte die kriminelle Organisation u.a. dadurch unterstützt, dass er ihnen Skimming-Gerätschaften zur Verfügung gestellt hatte. Im April 2009 seien S. , G. und St. nach H. gefahren, wo sie sich in der Wohnung eines weiteren Beteiligten getroffen hätten. Dort sei auch das weitere Vorgehen festgelegt worden. Am 12. April 2009 seien die Vorgenannten nach Rumänien zurückgereist. Von dem Angeklagten seien ihnen insgesamt 64 PINCodes telefonisch übermittelt worden. Diese Daten seien auf gefälschte Kreditkarten gebrannt und in Rumänien benutzt worden.Der Angeklagte habe einen weiteren Beteiligten eingesetzt, um Skimming-Geräte nach Deutschland zu bringen. Später seien dadurch hohe Geldsummen von „ATMs“ abgehoben wor- den.
16
bb) Auf der Grundlage der dem inländischen Urteil und den ausländischen Urteilen zugrundeliegenden Verfahrensgegenständen handelt es sich um denselben Komplex unlösbar miteinander verbundener Tatsachen. Maßgeblich dafür ist nämlich vor allem, ob die fraglichen Tatsachen in zeitlicher und räumlicher Hinsicht sowie nach ihrem Zweck unlösbar miteinander verbunden sind (etwa EuGH, Urteil vom 9. März 2006 – C-436/04 – Van Esbroeck –, NJW 2006, 1781; siehe auch Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht, 2014, § 7 Rn. 27; Radtke in Böse [Hrsg.], Europäisches Strafrecht mit polizeilicher Zusammenarbeit [EnzEuR Band 9], 2013, § 12 Rn. 49; Zehetgruber, JR 2015, 184, 187). Sowohl die Verurteilung durch das Landgericht als auch diejenige durch die rumänischen Gerichte leiten das jeweils strafbare Verhalten jedenfalls auch aus den Geschehnissen im April 2009 in H. und anderen Orten in Deutschland sowie den sich an das Ausspionieren von Bankkundendaten in Deutschland und die anschließenden Abhebungen unter Verwendung von mit diesen Daten versehenen Kartendubletten in Rumänien ab. Zwar wird in dem Urteil der Strafabteilung des Gerichts in Gorj als Ort der Anbringung von Skimming-Gerätschaften nicht ausdrücklich eine Bankfiliale in D. bezeichnet. Die übrigen zugrunde gelegten tatsächlichen Umstände der Tatbegehung stimmen aber zumindest in Bezug auf das zur Verurteilung durch das Landgericht führende Geschehen überein. Grundlage in tatsächlicher Hinsicht ist jeweils die Einreise von näher benannten Bandenmitgliedern nach Deutschland , vor allem die Zusammenkunft u.a. von S. , G. und St. in H. , mit dem Ziel, dort unter Einsatz der von S. zusammengebauten, vom Angeklagten stammenden Gerätschaften an die Daten von Bankkunden zu gelangen. Beiden Verurteilungen liegt zugrunde, dass mit Hilfe dieser Skimming-Gerätschaften Bankkundendaten ab dem 11. April 2009 erlangt und auf den anschließend hergestellten Kartendubletten verwendet worden sind. Es ist übereinstimmend festgestellt worden, dass die Daten durch andere Bandenmitglieder als S. , G. und St. erlangt worden sind. Die beiden Letztgenannten haben dann neben weiteren Beteiligten an Bankauto- maten in Rumänien größere Geldbeträge unter Einsatz der Kartendubletten abgehoben.
17
Es steht der Annahme derselben Tat im Sinne von Art. 54 SDÜ nicht entgegen, dass der in Rumänien der Verurteilung zugrunde liegende Lebenssachverhalt umfänglicher ist als der Gegenstand (§§ 155, 264 StPO) des hiesigen Verfahrens und auch einen Zeitraum vor den in Deutschland abgeurteilten Geschehnissen umfasst. Der Verfahrensgegenstand im Inland wird jedenfalls vollständig von dem der Verurteilung in Rumänien zugrunde liegenden umfasst. Der für den Tatbegriff im Sinne von Art. 54 SDÜ maßgebliche unlösbare Tatsachenkomplex wird nicht dadurch aufgehoben, dass in den betroffenen Vertragsstaaten geringe Unterschiede bei den maßgeblichen tatsächlichen Umständen (etwa Zahl und Identität von Tatbeteiligten; Umfang von Handelsmengen bei BtM-Handel etc.) bestehen (vgl. EuGH, Urteil vom 28. September 2006 – C-150/05 – VanStraaten – Rn. 53). Erst recht kommt es für den Tatbegriff des Art. 54 SDÜ nicht auf die materiell-rechtliche Bewertung des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts durch Gerichte der beteiligten Mitgliedstaaten an (Radtke aaO § 12 Rn. 51).
18
Die Verurteilung des Angeklagten durch die rumänischen Gerichte bezieht sich auch nicht lediglich auf die Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß § 367 Abs. 1 des rumänischen Strafgesetzbuchs. Wie sich aus den Entscheidungen beider Instanzen in Rumänien auch ausweislich des dazu eingeholten Gutachtens des Max-Planck-Instituts ergibt, umfasst der Schuldspruch die Verurteilung wegen insgesamt sechs verschiedener Delikte. Für die Verwirklichung jeder der oben (Rn. 8) genannten Straftatbestände des rumänischen Strafrechts sind jeweils Einzelstrafen verhängt worden, die dann zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren zusammengeführt worden sind. Insbe- sondere der in Rumänien erfolgten Verurteilung aufgrund der Art. 250 Abs. 1, Art. 311 Abs. 2, Art. 314 Abs. 2, Art. 360 Abs. 1 und 3 sowie Art. 365 Abs. 1 und 2 des rumänischen StGB liegen tatsächliche Umstände zugrunde, auf die auch die inländische Verurteilung gestützt ist. Es kommt daher nicht darauf an, ob bei der Bestimmung der Reichweite des Begriffs der Tat im Sinne von Art. 54 SDÜ Einschränkungen vorzunehmen wären, wie sie für den innerstaatlichen Tatbegriff (§§ 155, 264 StPO) bei Organisationsdelikten angenommen werden (dazu BGH, Urteil vom 30. März 2001 – 3 StR 342/00, NStZ 2001, 436 ff. und Beschluss vom 9. Juli 2015 – 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308 ff.). Deshalb bedarf es auf der Grundlage von Art. 35 EUV in Verbindung mit Art. 267 AEUV auch keiner Anfrage an den Gerichtshof der Europäischen Union, ob bei der Verurteilung im Erstverfolgungsstaat wegen eines Organisationsdelikts (hier: Art. 367 Abs. 1 des rumänischen Strafgesetzbuchs) der Tatbegriff des Art. 54 SDÜ dahingehend auszulegen wäre, dass Straftaten, die sich als Beteiligung an der Organisation darstellen, nicht von diesem erfasst wären.
19
c) Art. 54 SDÜ findet auch auf Abwesenheitsurteile, wie sie hier mit den verurteilenden Erkenntnissen in Rumänien vorliegen, Anwendung (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 – C-297/07 – Bourquain – Rn. 34, NStZ 2009, 454; siehe auch EuGH, Urteil vom 27. Mai 2014 – C-129/14 – Spasic –; siehe auch BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2010 – 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11, 13 Rn. 7).
20
d) Mit der Entscheidung des Berufungsgerichts Craiova vom 27. September 2016 liegt eine rechtskräftige Aburteilung im Sinne von Art. 54 SDÜ vor.
21
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union besteht eine solche dann, wenn durch die entsprechende Entscheidung im Erstverfolgungsstaat nach dessen Recht die Strafklage endgültig verbraucht ist (EuGH, Urteile vom 22. Dezember 2008 – C-491/07 – Turansky –, Slg.2008 I-11039 Rn. 32; vom 16. November 2010 – C-261/09 – Mantello –, NJW 2011, 983, 985 Rn. 45; siehe auch bereits EuGH, Urteil vom 11. Februar 2003 – verbundene Rs. C-187/01 und C-385/01 – Gözütok und Brügge –, Slg. 2003, I-01345 Rn. 27-30). Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Ausweislich des Gutachtens des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht regelt Art. 6 der rumänischen Strafprozessordnung den Grundsatz ne bis in idem für das innerstaatliche Recht. Danach darf niemand für die Begehung einer Straftat verfolgt oder verurteilt werden, wenn gegen dieselbe Person zeitlich vorausgehend ein endgültiges strafrechtliches Urteil im Hinblick auf dieselbe Tathandlung ergangen ist, wobei es auf die materiell-rechtliche Bewertung der Tathandlung nicht ankommt. Nach dem maßgeblichen rumänischen Recht ist gegen den Angeklagten mit der Verwerfung seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Gerichts in Gorj durch die Entscheidung des Berufungsgerichts Craiova vom 27. September 2016 eine endgültige Verurteilung in Rumänien erfolgt. Der Senat hat unter Vermittlung des Europäischen Justiziellen Netzes (EJN) von den rumänischen Justizbehörden die Auskunft erhalten, dass das Urteil des Berufungsgerichts dem Angeklagten am 5. Oktober 2016 an eine Adresse in Rumänien und am 16. November 2016 an eine Adresse in Spanien zugestellt worden ist. Innerhalb der dafür gesetzlich vorgesehenen Frist von 30 Tagen ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel durch den Angeklagten eingelegt worden, so dass es innerstaatlich in Rumänien rechtskräftig geworden ist.
22

e) Die gegen den Angeklagten rechtskräftig verhängte Freiheitstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt ist, wird im Sinne von Art. 54 SDÜ „gerade vollstreckt“. Esbedarf daher keiner Entscheidung, ob dieses Element der Vollstreckungsbedingung bereits deshalb erfüllt ist, weil der Angeklagte zusätzlich und neben der genannten Hauptstrafe mit dem Verbot der Ausübung bestimmter Rechte belegt worden ist.
23
aa) Der Senat hält im Ergebnis an seiner Rechtsprechung fest, dass es für den unionsweiten Strafklageverbrauch auf die in Art. 54 SDÜ ausdrücklich statuierte Vollstreckungsbedingung auch nach dem Inkrafttreten der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCH) ankommt, obwohl der Wortlaut von Art. 50 GrCH diese Bedingung nicht ausdrücklich enthält (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2010 – 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11, 14 ff. Rn. 13 ff., aA etwa Böse, GA 2011, 504, 508 ff.; Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, 206, 210; siehe auch Weißer in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 3. Aufl., § 42 Rn. 131133 sowie Duesberg, ZIS 2017, 66, 68 ff.). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mittlerweile entschieden, dass es sich bei der Vollstreckungsbedingung aus Art. 54 SDÜ um eine mit Art. 50 GrCH zu vereinbarende, durch Art. 52 Abs. 1 GrCH gedeckte Einschränkung des Grundsatzes ne bis in idem handelt (EuGH, Urteil vom 27. Mai 2014 – C-129/14 – Spasic –, NJW 2014, 3007, 3008 f. Rn. 55-58). Der sachlich legitimierende Grund für diese Einschränkung liegt in ihrem Zweck, zu verhindern, dass ein in einem Vertragsstaat rechtskräftig Verurteilter, wenn dieser Staat die verhängte Strafe nicht hat vollstrecken lassen, nicht mehr wegen derselben Tat in einem anderen Vertragsstaat verfolgt werden kann und so letztlich einer Strafe entginge (EuGH aaO Rn. 58 mwN).
24
bb) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union wird im Sinne von Art. 54 SDÜ eine Strafe auch dann „gerade vollstreckt“, wenn im Erstverfolgungsstaat auf eine Freiheitsstrafe erkannt worden ist, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2007 – C-288/05 – Kretzinger –, NJW 2007, 3412, 3414 Rn. 42 und 44). Dieses Teilelement der Vollstreckungsbedingung ist während des Laufs der Bewährungszeit verwirklicht (EuGH aaO Rn. 42).
25
Der Senat vertritt die Auffassung, dass die gegen den Angeklagten in Rumänien verhängte Bewährungsstrafe „gerade vollstreckt“ wird, obwohl er sich bis zum 9. Juni 2017 in deutscher Untersuchungshaft in dieser Sache befand und deshalb bislang nicht den ihm im Erstverfolgungsstaat aufgegebenen Bewährungsauflagen und/oder -weisungen nachkommen konnte. Zwar hat sich der Angeklagte nach den dem Senat zugänglichen Erkenntnissen während der gesamten Dauer des Strafverfahrens in Rumänien nicht dort aufgehalten, weshalb in beiden Instanzen in seiner Abwesenheit aber unter Mitwirkung eines Verteidigers verhandelt worden ist. Er hätte sich daher – unabhängig von der in Deutschland seit dem 6. Juni 2016 gegen ihn vollzogenen Untersuchungshaft – erst nach Rumänien begeben müssen, um die dortigen Bewährungsauflagen/ -weisungen zu erfüllen. Auch in einer solchen Konstellation gebietet der Gedanke , dass die Handlungsfreiheit eines Verurteilten erheblich beeinträchtigt ist, solange die Bewährungszeit läuft, die Annahme des Vollstreckungselements (vgl. dazu die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kretzinger [Rs. C-288/05] vom 5. Dezember 2006 Rn. 49; siehe auch Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 7. Aufl., § 10 Rn. 81), zumal die faktische Unmöglichkeit für den Angeklagten, sich nach Rumänien zu begeben, aus der in Deutschland gegen ihn nach der Überstellung durch die spanischen Justizbehörden seit dem 6. Juni 2016 vollzogenen Untersuchungshaft in dieser Sache resultierte.
26
Daran ändert im Ergebnis auch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Spasic (Urteil vom 27. Mai 2014 – C-129/14, NJW 2014, 3007 ff.) nichts. Dort hat der EuGH entschieden, dass nach dem Widerruf der Bewährung einer zunächst ausgesetzten Freiheitsstrafe diese erst dann (wieder) im Sinne von Art. 54 SDÜ „gerade vollstreckt“ wird, wenn mit der Verbüßung im Erstverfolgungsstaat begonnen worden ist (EuGH aaO Rn. 83). Damit wäre der Zweitverfolgungsstaat in einer solchen Konstellation berechtigt, die durch seine Gerichtsbarkeit – regelmäßig in Unkenntnis der rechtskräftigen Verurteilung im Erstverfolgungsstaat – erfolgte, ebenfalls rechtskräftig festgesetzte Strafe wegen derselben Tat nach dem Bewährungswiderruf und vor der tatsächlichen Verbüßung der Strafe aus dem Urteil im Erstverfolgungsstaat zu vollstrecken. Und dies, obwohl der Verurteilte – anders als im Fall der nicht widerrufenen Bewährung – nicht mehr beeinflussen kann, ob und wann es zum Beginn der Verbüßung im Erstverfolgungsstaat kommt.
27
Ungeachtet dessen ist nach Auffassung des Senats durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aber hinreichend geklärt, dass ohne weitere Differenzierungen eine in einem Vertragsstaat rechtskräftig verhängte Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt ist, während des Laufs der Bewährungszeit als im Sinne von Art. 54 SDÜ „gerade vollstreckt“ gilt. Es bedarf deshalb nicht der Einleitung eines Vorabentschei- dungsverfahrens gemäß Art. 35 Abs. 3 EUV i.V.m. Art. 267 AEUV.
28
f) Das Eingreifen des Doppelverfolgungsverbots aus Art. 54 SDÜ ist auch nicht durch Art. 55 Abs. 1 Buchst. a) SDÜ ausgeschlossen. Dabei bedarf keiner Entscheidungen, ob die von der Bundesrepublik Deutschland bei der Ratifikation des SDÜ erklärten Vorbehalte (BGBl. 1994 II S. 631) nach der Einbeziehung des Schengen-Besitzstandes in den Rahmen der Europäischen Union (siehe dazu Protokoll zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, ABl. EG Nr. C 340 vom 10. November 1997 S. 93) und nach dem Inkrafttreten der Charta der Grundrechte der Europäischen Union weiterhin Bestand haben (vgl. dazu näher Böse , Festschrift für H.-H. Kühne, 2013, S. 519, 521 ff. mwN). Denn der von der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 55 Abs. 1 Buchst. a) erster Halbsatz SDÜ erklärte Vorbehalt greift vorliegend im Hinblick auf die Rückausnahme im zweiten Halbsatz der genannten Bestimmung ohnehin nicht. Die Tat – im Sinne des unionsrechtlichen Tatbegriffs – ist zumindest im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Abhebungen an Geldautomaten zwischen dem 17. und dem 20. April 2009 mit den Kartendubletten auf rumänischem Staatsgebiet und damit auch im Erstverfolgungsstaat begangen worden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Dezember 2006 – 1 StR 534/06, NStZ-RR 2007, 179).

III.


29
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO. Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Angeklagten beruht auf § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO. Dabei hat der Senat seiner Ermessensausübung zugrunde gelegt, dass die Revision des Angeklagten ohne das Eingreifen des Verfahrenshindernisses aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts erfolgslos geblieben wäre (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 467 Rn. 16). Das Verfahrenshindernis ist zudem erst nach der Verkündung des Urteils des Landgerichts mit dem Ablauf der Frist für ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Berufungsgerichts Craiova eingetreten.

IV.


30
Eine Entscheidung über eine Entschädigung des Angeklagten für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen (§ 2 Abs. 1 StrEG) ist derzeit nicht veranlasst.
31
Eine Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses erfordert eine Entscheidung gemäß § 2 Abs. 1 StrEG lediglich dann, wenn es sich um ein dauerndes, also nicht oder nicht mehr ohne Weiteres behebbares Hindernis handelt (Meyer, StrEG, 10. Aufl., § 2 Rn. 28 und 29 mwN). Diese Voraussetzung liegt derzeit nicht vor. Das Eingreifen des Doppelverfolgungsverbots aus Art. 54 SDÜ erfordert – wie dargelegt – auch das Vollstreckungselement , das hier in der Variante einer ausländischen Strafe gegeben ist, die wegen der Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe „gerade vollstreckt“ wird. Sollte während des Laufs der durch die rumänischen Strafgerichte festgesetzten fünfjährigen Bewährungsfrist die Bewährung widerrufen, die verwirkte Freiheitsstrafe aber im Erstverfolgungsstaat dennoch nicht vollstreckt werden, wäre das Vollstreckungselement nicht mehr erfüllt. Dies eröffnete der Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit, die durch das hier angefochtene Urteil verhängte Freiheitsstrafe ihrerseits zu vollstrecken (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Mai 2014 – C-129/14 – Spasic –, NJW 2014, 3007, 3010 Rn. 83). Ein endgültiges Verfahrenshindernis wird daher erst dann eintreten, wenn die Bewährungsfrist ohne Widerruf durch die rumänischen Gerichte verstrichen oder die in Rumänien verhängte Freiheitsstrafe nach erfolgtem Widerruf vollzogen worden sein wird.
32
Vor diesem Hintergrund wird die zuständige Staatsanwaltschaft das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen des Vollstreckungselements aus Art. 54 SDÜ durch Konsultationen der rumänischen Justizbehörden regelmäßig überwachen.
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ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juni 2017 - 1 StR 39/17

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Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juni 2017 - 1 StR 39/17 zitiert 9 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Strafprozeßordnung - StPO | § 206a Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis


(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 2 Entschädigung für andere Strafverfolgungsmaßnahmen


(1) Wer durch den Vollzug der Untersuchungshaft oder einer anderen Strafverfolgungsmaßnahme einen Schaden erlitten hat, wird aus der Staatskasse entschädigt, soweit er freigesprochen oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird oder soweit das Geric

Strafprozeßordnung - StPO | § 155 Umfang der gerichtlichen Untersuchung und Entscheidung


(1) Die Untersuchung und Entscheidung erstreckt sich nur auf die in der Klage bezeichnete Tat und auf die durch die Klage beschuldigten Personen. (2) Innerhalb dieser Grenzen sind die Gerichte zu einer selbständigen Tätigkeit berechtigt und verpf

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2010 - 1 StR 57/10

bei uns veröffentlicht am 25.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 57/10 vom 25. Oktober 2010 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja StGB § 211 Abs. 2 Zur Tötung von Unbeteiligten in Italien im Zweiten Weltkrieg als Rache für einen Partisanenangriff.

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2013 - 3 StR 531/12

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 531/12 vom 12. Dezember 2013 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ___________________________________ SDÜ Art. 54 Zum Begriff "derselben Tat" im Sinne des Art. 54 SDÜ. B

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Dez. 2006 - 1 StR 534/06

bei uns veröffentlicht am 28.12.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 534/06 vom 28. Dezember 2006 in der Strafsache gegen wegen Hehlerei u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Dezember 2006 beschlossen : 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Lan

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2015 - 3 StR 537/14

bei uns veröffentlicht am 09.07.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 537/14 vom 9. Juli 2015 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2015:090715B3STR537.14.1 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalb
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juni 2017 - 1 StR 39/17.

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2019 - 1 StR 393/19

bei uns veröffentlicht am 24.10.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 393/19 vom 24. Oktober 2019 in der Strafsache gegen wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern ECLI:DE:BGH:2019:241019B1STR393.19.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung

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(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

7
a) Das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens - SDÜ - (ABl. EG 2000 L 239/219) ist hier nicht verletzt. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung, die grundsätzlich auch Abwesenheitsurteile erfasst (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 - C-297/07, NStZ 2009, 454), setzt voraus, dass die in dem Urteil vom 28. September 2006 verhängte Strafe entweder bereits vollstreckt worden ist oder gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates (hier: Italien) nicht mehr vollstreckt werden kann. All dies ist nicht der Fall. Die gegen den Angeklagten in Italien verhängte Freiheitsstrafe ist und wird nicht vollstreckt. Sie könnte aber, wie auch die zuständige italienische Behörde der Strafkammer bestätigt hat, nach italienischem Recht vollstreckt werden.
10
b) Da es sich bei dem Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 54 SDÜ um ein Verfahrenshindernis handelt (BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober2010 - 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11; vom 9. Juni 2008 - 5 StR 342/04, NJW 2008, 2931, 2932; Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., Art. 54 SDÜ Rn. 18), dessen Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens, mithin auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu berücksichtigen ist (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., Einl. Rn. 150; vgl. auch zu Art. 50 GrCh BGH, aaO, BGHSt 56, 11), kommt es weiter nicht darauf an, dass das tatgerichtliche Urteil im hiesigen Verfahren ebenfalls vor dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Gemeinschaft ergangen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 534/06
vom
28. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Hehlerei u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Dezember 2006 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Nürnberg-Fürth vom 11. Mai 2006, soweit es den Angeklagten
betrifft, gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben. Das
Verfahren wird insoweit gemäß § 206a StPO eingestellt.
2. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 17. August
2005 wird gemäß §§ 126 Abs. 3, 120 Abs. 1 Satz 2 StPO aufgehoben.
Der Angeklagte ist in dieser Sache freizulassen.
3. Die Staatskasse hat die insoweit entstandenen Kosten des Verfahrens
und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.
4. Die Entscheidung über eine Entschädigung des Angeklagten
wegen erlittener Strafverfolgungsmaßnahmen bleibt dem Landgericht
Nürnberg-Fürth vorbehalten.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er insbesondere das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs geltend macht, hat Erfolg.

2
Nach den Feststellungen der angefochtenen Entscheidung übernahm der Angeklagte im Juli/August 2004 jeweils zuvor in Deutschland entwendete Gegenstände, um diese Gewinn bringend weiter zu veräußern. Es handelte sich um zwei Motorräder der Marken BMW und Suzuki sowie um verschiedene Elektronikartikel der Marke Panasonic. Die Gegenstände wurden dem Angeklagten in den Niederlanden übergeben; allein das Motorrad BMW wurde auf Wunsch des Angeklagten nach Belgien verbracht und dann dort von ihm abgeholt und ebenfalls in die Niederlande gebracht. In der Folgezeit konnten die beiden Motorräder von der Polizei sichergestellt werden. Von den Elektronikartikeln der Marke Panasonic mit einem Gesamtwert von circa 150.000 Euro konnte ein Teil der Geräte in einem Gesamtwert von circa 30.000 Euro von der niederländischen Polizei später sichergestellt werden; im Übrigen waren sie vom Angeklagten zwischenzeitlich weiterveräußert worden.
3
Bei seiner Entscheidung ist das Landgericht davon ausgegangen, dass wegen der von ihm abgeurteilten Taten zwar gegen den Angeklagten auch durch die Staatsanwaltschaft Maastricht ein Verfahren eingeleitet, dann aber eingestellt worden sei. Nach Auffassung der Strafkammer war ein Strafklageverbrauch dadurch nicht eingetreten, da es sich um keine gerichtliche Entscheidung gehandelt habe.
4
Tatsächlich wurde der Angeklagte jedoch durch das dem Senat vorliegende Urteil eines Polizeirichters des Landgerichts Maastricht/Niederlande am 21. April 2006 freigesprochen. In dem Urteil wird auf die Nr. der Staatsanwaltschaft Bezug genommen. Unter dieser Nummer hatte die Bezirksstaatsanwaltschaft Maastricht am 22. März 2005 den Angeklagten zur Gerichtsverhandlung des Polizeigerichts des Gerichtsbezirks Maastricht auf den 10. Juni 2005 geladen. In der Ladung wurde der Angeklagte beschuldigt, am oder um den 15. August 2004 in der Gemeinde Vaals ein Motorrad (Marke BMW, Farbe schwarz) und/oder ein Motorrad (Marke Suzuki, Farbe schwarz) und/oder eine Anzahl Ton- und/oder Bildgeräte (Marke Panasonic, unter anderem DVD-Player, Radio/CD-Player, Videokameras, Lautsprecher) und/oder eine Anzahl Rasierapparate (Marke Panasonic) gelagert gehabt zu haben, wobei er zum Zeitpunkt des Erhalts zur Lagerung der genannten Gegenstände gewusst habe, dass diese aus Straftaten stammten. Das Urteil ist seit dem 9. Mai 2006 rechtskräftig.
5
Durch die freisprechende Entscheidung vom 21. April 2006 ist bezüglich der dem Gericht vorliegenden Taten gemäß Artikel 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) Strafklageverbrauch eingetreten. Nach dieser Vorschrift darf derjenige, der durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat nicht verfolgt werden, vorausgesetzt, dass im Fall der Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann.
6
Das Übereinkommen ist seit dem 26. März 1995 für Deutschland und die Niederlande in Kraft gesetzt. Der von Deutschland gemäß Artikel 55 Abs. 1 a) 1. Halbsatz SDÜ erklärte Vorbehalt steht der Anwendung von Artikel 54 SDÜ im vorliegenden Fall nicht entgegen. Denn nach dem 2. Halbsatz der Regelung greift der Vorbehalt dann nicht ein, wenn die Tat - wie hier - auch in dem Hoheitsgebiet der Vertragspartei begangen wurde, in dem das Urteil ergangen ist (vgl. BGHSt 46, 307, 308 m.w.N.).
7
Auch ein rechtskräftiger Freispruch bewirkt Strafklageverbrauch nach Artikel 54 SDÜ (vgl. BGHSt 46, 307, 309; BGH NStZ 1999, 579, 580; Schomburg in Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen , 4. Aufl., Art. 54 SDÜ Rdn. 11; Schomburg NJW 2000, 1833, 1834).
8
Bei den vom Landgericht abgeurteilten und den der Entscheidung des Polizeirichters in Maastricht zugrunde liegenden Sachverhalten handelt es sich um jeweils dieselben Taten im verfahrensrechtlichen Sinne. Das Verfahren ist somit wegen eines vor der Entscheidung des Landgerichts eingetretenen Prozesshindernisses unter Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 206a Abs. 1 StPO durch Beschluss einzustellen (vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 8; BGHSt 13, 128, 129).
9
Mit der Einstellung des Verfahrens war der gegen den Angeklagten bestehende Haftbefehl aufzuheben (§§ 126 Abs. 3, 120 Abs. 1 Satz 2 StPO) und seine Freilassung in dieser Sache anzuordnen.
10
Da hinsichtlich der Entscheidung über eine dem Angeklagten zu gewährende Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (§ 2 Abs. 1 StrEG) weitere Feststellungen zu treffen sind, war die Entscheidung hierüber dem Landgericht vorzubehalten.
Wahl Boetticher Pfister
Rothfuß Graf
10
b) Da es sich bei dem Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 54 SDÜ um ein Verfahrenshindernis handelt (BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober2010 - 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11; vom 9. Juni 2008 - 5 StR 342/04, NJW 2008, 2931, 2932; Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., Art. 54 SDÜ Rn. 18), dessen Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens, mithin auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu berücksichtigen ist (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., Einl. Rn. 150; vgl. auch zu Art. 50 GrCh BGH, aaO, BGHSt 56, 11), kommt es weiter nicht darauf an, dass das tatgerichtliche Urteil im hiesigen Verfahren ebenfalls vor dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Gemeinschaft ergangen ist.

(1) Die Untersuchung und Entscheidung erstreckt sich nur auf die in der Klage bezeichnete Tat und auf die durch die Klage beschuldigten Personen.

(2) Innerhalb dieser Grenzen sind die Gerichte zu einer selbständigen Tätigkeit berechtigt und verpflichtet; insbesondere sind sie bei Anwendung des Strafgesetzes an die gestellten Anträge nicht gebunden.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Die Untersuchung und Entscheidung erstreckt sich nur auf die in der Klage bezeichnete Tat und auf die durch die Klage beschuldigten Personen.

(2) Innerhalb dieser Grenzen sind die Gerichte zu einer selbständigen Tätigkeit berechtigt und verpflichtet; insbesondere sind sie bei Anwendung des Strafgesetzes an die gestellten Anträge nicht gebunden.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 537/14
vom
9. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:090715B3STR537.14.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 9. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Januar 2014, soweit es ihn betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall B.VIII. der Urteilsgründe sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Wipperfürth - Strafrichter - zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im Übrigen - wegen Körperverletzung (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe) sowie wegen versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Fall B.VIII. der Urteilsgründe) zu der Gesamt- geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Die auf die Rüge der Ver- letzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts rief der Angeklagte am 1. Mai 2011 zwischen 3.00 und 4.00 Uhr auf einer Maifeier in R. lauthals "Sieg Heil". Als ihn ein Besucher deswegen zur Rede stellen wollte, wiederholte er den Ausruf und "schlug dem Zeugen mit der flachen Hand die Brille aus dem Gesicht, ohne ihm dabei Schmerzen zuzufügen oder die Brille zu beschädigen". Anschließend entfernte sich der Angeklagte (Fall B.VIII. der Urteilsgründe).
3
Am 25. November 2011 kam es in W. außerhalb eines Schnellrestaurants zu einer Schlägerei, weswegen der Filialleiter die Polizei informierte. Als er bemerkte, dass die Kämpfenden den Ort des Geschehens verließen, hielt er den sich ebenfalls entfernenden Angeklagten, der in die Filiale gekommen war und zu einer der Gruppe der Kämpfenden gehörte, am Arm fest, um einen Zeugen vor Ort zu haben. Der Angeklagte riss sich los und rannte zur Tür. Als der Filialleiter ihm folgte, drehte sich der Angeklagte um, versetzte ihm einen Schlag mit der Faust ins Gesicht und floh anschließend vom Tatort (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe).
4
2. Die Verurteilung wegen Körperverletzung hinsichtlich des unter B.VII. 10. der Urteilsgründe geschilderten Sachverhalts hat Bestand. Soweit die Revision geltend macht, das Landgericht hätte eine Rechtfertigung des Angeklagten durch Notwehr erörtern müssen, ergeben die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen , dass der Faustschlag des sich ohnehin im Gehen befindlichen Angeklagten jedenfalls nicht erforderlich im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB war.
5
3. Demgegenüber wird der Schuldspruch wegen versuchter Körperverletzung hinsichtlich des Geschehens vom 1. Mai 2011 von den Feststellungen nicht getragen. Insofern fehlt es an Ausführungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten. Es mag zwar naheliegen, dass dessen Angriff nicht ausschließlich der Brille, sondern auch der körperlichen Integrität des Geschädigten galt oder dass der Angeklagte jedenfalls die Möglichkeit erkannte, diesen durch sein Vorgehen zu verletzen und dies billigend in Kauf nahm. Dies festzustellen ist indes Sache des Tatrichters. Darüber hinaus verhält sich das Urteil nicht zum Vorstellungsbild des Angeklagten unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung, welches für die Beurteilung maßgeblich ist, ob der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB von einem etwaigen Versuch strafbefreiend zurückgetreten ist (vgl. zum Rücktrittshorizont BGH, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 305 f.).
6
Die deshalb gebotene Aufhebung des Urteils umfasst auch das in Tateinheit zur versuchten Körperverletzung stehende, für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellte Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Der Wegfall der Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
7
Nach Ausscheiden des die Zuständigkeit des Landgerichts begründenden Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB verweist der Senat das Verfahren im Umfang der Aufhebung an das für das Geschehen in R. örtlich zuständige Amtsgerichts Wipperfürth - Strafrichter - zurück (§ 354 Abs. 3 StPO).
8
4. Darüber hinaus stellt der Senat klar, dass entgegen den Ausführungen in den schriftlichen Urteilsgründen des Landgerichts für einen Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und vom Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Nr. 1 (12) der Anklage) kein Raum war, und sich dementsprechend der ausgeurteilte Teilfreispruch hierauf nicht erstreckt.
9
Allerdings war die Anklage mit Blick auf das Geschehen vom 1. Mai 2011 von zwei Taten (§ 53 StGB) - dem ersten Ruf "Sieg Heil" auf der einen, dem zweiten Ruf sowie dem Schlag gegen die Brille auf der anderen Seite - ausgegangen. In diesen Fällen ist ein Freispruch auch dann angezeigt, wenn das tatmehrheitlich angeklagte, indes nicht als erwiesen angesehene Geschehen mit dem abgeurteilten Teil eine natürliche Handlungseinheit bilden würde (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 13 mwN). Dies gilt jedoch nicht, wenn - wie vorliegend - das gesamte angeklagte Geschehen abgeurteilt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2012 - 3 StR 220/12, NStZ-RR 2013, 6, 7). Denn in diesen Fällen ist für eine weitere materiellrechtliche Tat, die Gegenstand eines Freispruchs sein könnte, kein Raum mehr.
10
Ein Freispruch unterbleibt des Weiteren, wenn nicht wegen aller Taten verurteilt wird, die nach dem Eröffnungsbeschluss in Tateinheit zueinander stehen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1984 - 5 StR 270/84, NStZ 1985, 13, 15 f. bei Pfeiffer/Miebach). Deswegen kam ein Freispruch vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, der als in Tateinheit zu der Körperverletzung vom 25. November 2011 stehend angeklagt worden war, nicht in Betracht.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol
7
a) Das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens - SDÜ - (ABl. EG 2000 L 239/219) ist hier nicht verletzt. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung, die grundsätzlich auch Abwesenheitsurteile erfasst (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 - C-297/07, NStZ 2009, 454), setzt voraus, dass die in dem Urteil vom 28. September 2006 verhängte Strafe entweder bereits vollstreckt worden ist oder gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates (hier: Italien) nicht mehr vollstreckt werden kann. All dies ist nicht der Fall. Die gegen den Angeklagten in Italien verhängte Freiheitsstrafe ist und wird nicht vollstreckt. Sie könnte aber, wie auch die zuständige italienische Behörde der Strafkammer bestätigt hat, nach italienischem Recht vollstreckt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 534/06
vom
28. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Hehlerei u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Dezember 2006 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Nürnberg-Fürth vom 11. Mai 2006, soweit es den Angeklagten
betrifft, gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben. Das
Verfahren wird insoweit gemäß § 206a StPO eingestellt.
2. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 17. August
2005 wird gemäß §§ 126 Abs. 3, 120 Abs. 1 Satz 2 StPO aufgehoben.
Der Angeklagte ist in dieser Sache freizulassen.
3. Die Staatskasse hat die insoweit entstandenen Kosten des Verfahrens
und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.
4. Die Entscheidung über eine Entschädigung des Angeklagten
wegen erlittener Strafverfolgungsmaßnahmen bleibt dem Landgericht
Nürnberg-Fürth vorbehalten.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er insbesondere das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs geltend macht, hat Erfolg.

2
Nach den Feststellungen der angefochtenen Entscheidung übernahm der Angeklagte im Juli/August 2004 jeweils zuvor in Deutschland entwendete Gegenstände, um diese Gewinn bringend weiter zu veräußern. Es handelte sich um zwei Motorräder der Marken BMW und Suzuki sowie um verschiedene Elektronikartikel der Marke Panasonic. Die Gegenstände wurden dem Angeklagten in den Niederlanden übergeben; allein das Motorrad BMW wurde auf Wunsch des Angeklagten nach Belgien verbracht und dann dort von ihm abgeholt und ebenfalls in die Niederlande gebracht. In der Folgezeit konnten die beiden Motorräder von der Polizei sichergestellt werden. Von den Elektronikartikeln der Marke Panasonic mit einem Gesamtwert von circa 150.000 Euro konnte ein Teil der Geräte in einem Gesamtwert von circa 30.000 Euro von der niederländischen Polizei später sichergestellt werden; im Übrigen waren sie vom Angeklagten zwischenzeitlich weiterveräußert worden.
3
Bei seiner Entscheidung ist das Landgericht davon ausgegangen, dass wegen der von ihm abgeurteilten Taten zwar gegen den Angeklagten auch durch die Staatsanwaltschaft Maastricht ein Verfahren eingeleitet, dann aber eingestellt worden sei. Nach Auffassung der Strafkammer war ein Strafklageverbrauch dadurch nicht eingetreten, da es sich um keine gerichtliche Entscheidung gehandelt habe.
4
Tatsächlich wurde der Angeklagte jedoch durch das dem Senat vorliegende Urteil eines Polizeirichters des Landgerichts Maastricht/Niederlande am 21. April 2006 freigesprochen. In dem Urteil wird auf die Nr. der Staatsanwaltschaft Bezug genommen. Unter dieser Nummer hatte die Bezirksstaatsanwaltschaft Maastricht am 22. März 2005 den Angeklagten zur Gerichtsverhandlung des Polizeigerichts des Gerichtsbezirks Maastricht auf den 10. Juni 2005 geladen. In der Ladung wurde der Angeklagte beschuldigt, am oder um den 15. August 2004 in der Gemeinde Vaals ein Motorrad (Marke BMW, Farbe schwarz) und/oder ein Motorrad (Marke Suzuki, Farbe schwarz) und/oder eine Anzahl Ton- und/oder Bildgeräte (Marke Panasonic, unter anderem DVD-Player, Radio/CD-Player, Videokameras, Lautsprecher) und/oder eine Anzahl Rasierapparate (Marke Panasonic) gelagert gehabt zu haben, wobei er zum Zeitpunkt des Erhalts zur Lagerung der genannten Gegenstände gewusst habe, dass diese aus Straftaten stammten. Das Urteil ist seit dem 9. Mai 2006 rechtskräftig.
5
Durch die freisprechende Entscheidung vom 21. April 2006 ist bezüglich der dem Gericht vorliegenden Taten gemäß Artikel 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) Strafklageverbrauch eingetreten. Nach dieser Vorschrift darf derjenige, der durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat nicht verfolgt werden, vorausgesetzt, dass im Fall der Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann.
6
Das Übereinkommen ist seit dem 26. März 1995 für Deutschland und die Niederlande in Kraft gesetzt. Der von Deutschland gemäß Artikel 55 Abs. 1 a) 1. Halbsatz SDÜ erklärte Vorbehalt steht der Anwendung von Artikel 54 SDÜ im vorliegenden Fall nicht entgegen. Denn nach dem 2. Halbsatz der Regelung greift der Vorbehalt dann nicht ein, wenn die Tat - wie hier - auch in dem Hoheitsgebiet der Vertragspartei begangen wurde, in dem das Urteil ergangen ist (vgl. BGHSt 46, 307, 308 m.w.N.).
7
Auch ein rechtskräftiger Freispruch bewirkt Strafklageverbrauch nach Artikel 54 SDÜ (vgl. BGHSt 46, 307, 309; BGH NStZ 1999, 579, 580; Schomburg in Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen , 4. Aufl., Art. 54 SDÜ Rdn. 11; Schomburg NJW 2000, 1833, 1834).
8
Bei den vom Landgericht abgeurteilten und den der Entscheidung des Polizeirichters in Maastricht zugrunde liegenden Sachverhalten handelt es sich um jeweils dieselben Taten im verfahrensrechtlichen Sinne. Das Verfahren ist somit wegen eines vor der Entscheidung des Landgerichts eingetretenen Prozesshindernisses unter Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 206a Abs. 1 StPO durch Beschluss einzustellen (vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 8; BGHSt 13, 128, 129).
9
Mit der Einstellung des Verfahrens war der gegen den Angeklagten bestehende Haftbefehl aufzuheben (§§ 126 Abs. 3, 120 Abs. 1 Satz 2 StPO) und seine Freilassung in dieser Sache anzuordnen.
10
Da hinsichtlich der Entscheidung über eine dem Angeklagten zu gewährende Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (§ 2 Abs. 1 StrEG) weitere Feststellungen zu treffen sind, war die Entscheidung hierüber dem Landgericht vorzubehalten.
Wahl Boetticher Pfister
Rothfuß Graf

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

(1) Wer durch den Vollzug der Untersuchungshaft oder einer anderen Strafverfolgungsmaßnahme einen Schaden erlitten hat, wird aus der Staatskasse entschädigt, soweit er freigesprochen oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird oder soweit das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn ablehnt.

(2) Andere Strafverfolgungsmaßnahmen sind

1.
die einstweilige Unterbringung und die Unterbringung zur Beobachtung nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Jugendgerichtsgesetzes,
2.
die vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 der Strafprozeßordnung,
3.
Maßnahmen des Richters, der den Vollzug des Haftbefehls aussetzt (§ 116 der Strafprozeßordnung),
4.
die Sicherstellung, die Beschlagnahme, der Vermögensarrest nach § 111e der Strafprozeßordnung und die Durchsuchung, soweit die Entschädigung nicht in anderen Gesetzen geregelt ist,
5.
die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis,
6.
das vorläufige Berufsverbot.

(3) Als Strafverfolgungsmaßnahmen im Sinne dieser Vorschrift gelten die Auslieferungshaft, die vorläufige Auslieferungshaft, die Sicherstellung, die Beschlagnahme und die Durchsuchung, die im Ausland auf Ersuchen einer deutschen Behörde angeordnet worden sind.