Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Sept. 2016 - 1 StR 372/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:080916B1STR372.16.0
08.09.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 372/16
vom
8. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:080916B1STR372.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. September 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 17. März 2016 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem wurde auf Adhäsionsanträge des Geschädigten H. ein Schmerzensgeldanspruch gegen den Angeklagten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt sowie festgestellt, dass der Angeklagte zum Ersatz künftiger immaterieller Schäden aus dem tatgegenständlichen Vorfall verpflichtet ist.
2
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts Erfolg; im Übrigen ist sie im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

II.

3
Der Strafausspruch des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand; die Prüfung der Voraussetzungen eines minder schweren Falls des Totschlags gemäß § 213 StGB durch das Landgericht erweist sich als rechtsfehlerhaft.
4
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts konnte der Angeklagte deswegen nicht schlafen, weil der Geschädigte mit dessen Lebensgefährtin deren Mutter besucht hatte und diese sich ab 23.30 Uhr vor der Haustür laut unterhielten. Nachdem sie der im ersten Stock des Hauses wohnende Angeklagte gegen 24 Uhr durch das Schlafzimmerfenster aufgefordert hatte, leise zu sein, weil er am nächsten Tag früh zur Arbeit müsse, kam es alsbald zu gegen- seitigen Beleidigungen. Dann forderte ihn der Geschädigte wie folgt auf: „Wenn du Eier hast, komm runter!“ Weil seine Ehefrau diese Äußerung mitbekommen hatte, fühlte sich der Angeklagte in seiner Ehre gekränkt und rief nach unten, dass er runterkomme und sie alle umbringe. Auf diesem Weg nahm er eine an der Wand des Wohnungsflures zu Dekorationszwecken hängende Axt mit einer Gesamtlänge von ca. 27 cm mit und lief nach unten vor das Haus. Er lief auf den Geschädigten zu und rief, dass er diesen nun umbringen werde, worauf dieser ihn mit seinem Körper zur Seite drückte, ohne dass er die in der rechten Hand nach unten gehaltene Axt bemerkte. Der Angeklagte hob daraufhin den Arm und schlug mit der Axt mindestens zweimal in Richtung Kopf-/Halsbereich, wobei er den Tod des Geschädigten zumindest billigend in Kauf nahm. Dieser konnte den Schlägen jedoch ausweichen und zudem den rechten Arm des An- geklagten so fixieren, dass sich die Axt hinter dessen Rücken befand. Der Angeklagte wollte daraufhin dem Geschädigten mit der anderen Hand an den Hals fassen, was dieser jedoch ebenfalls abwehren konnte. Kurz darauf erschien die Ehefrau des Angeklagten, nahm ihm die Axt Weg, und ging mit dem Angeklagten zurück in die Wohnung, wo er von der alsbald eintreffenden Polizei festgenommen wurde. Der Geschädigte erlitt durch den Angriff des Angeklagten eine 6 cm lange Schnittwunde am linken Arm, welche im Krankenhaus ambulant behandelt wurde, sowie Kratzer im Hals- und Brustbereich.
5
2. Hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB hat das Schwurgericht die Worte des Geschädigten „wenn Du Eier hast, komm runter“ als 'schwere Beleidigung' angesehen. Es hat § 213 Alt.1 StGB aber nicht angenommen, weil nach seiner Auffassung der Angeklagte nicht „auf der Stelle zur Tat hingerissen“ worden sei, denn er habe zunächst die an der Wand hängende Axt an sich nehmen, die Wohnung verlassen und nach unten gehen müssen, bevor er auf den Geschädigten traf. Indem das Schwurgericht allein auf die Zeitdauer zwischen der provozierenden Aussage des Geschädigten und dessen durchgeführten Angriff abstellte, hat es einen falschen Maßstab angewandt. Maßgebend ist vielmehr, ob der bei einem Täter durch die Provokation hervorgerufene Zorn noch angehalten und ihn zu seiner Tat hingerissen hat (BGH, Beschlüsse vom 28. September 2010 – 5 StR 358/10, NStZ-RR 2011, 10 und vom 26. Juli 1994 – 1 StR 286/94, NStZ 1995, 83) und als nicht durch rationale Erwägung unterbrochene Gefühlsaufwallung fortgewirkt hat (BGH, Beschluss vom 16. April 2007 – 5 StR 134/07, NStZ-RR 2007, 200). Nach den Feststellungen des Schwurgerichts hat der Angeklagte auf die Bemerkung des Geschädigten sofort reagiert und ist nach unten auf die Straße gegangen, wobei er im Vorbeigehen die an der Wand hängende Axt erfasste und mitnahm. Damit liegt eine spontane Reaktion des Angeklagten vor, welche insoweit die Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB erfüllt.
6
3. Auf dem genannten Rechtsfehler beruht der Strafausspruch. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Schwurgericht, wenn es davon ausge- gangen wäre, dass der Angeklagte „auf der Stelle zur Tat hingerissen“ worden ist, bereits aufgrund der Beleidigung einen minderschweren Fall nach § 213 Alt. 1 StGB angenommen hätte und bei vollständiger Würdigung aller maßgeblichen Strafzumessungsumstände einen minder schweren Fall angenommen und wegen des Versuchs eine zusätzliche Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 23, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen hätte und damit insgesamt zu einer geringeren Strafe gelangt wäre.
7
Die tatsächlichen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer kann ergänzende Feststellungen zum Strafausspruch treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.

III.

8
Ob die Äußerung des Geschädigten „wenn Du Eier hast, komm runter“ als schwere Beleidigung zu verstehen ist, hat der Tatrichter neu zu beurteilen, wobei die Anforderungen nicht zu niedrig anzusetzen sind (BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582, Fischer, StGB, 63. Aufl., § 213 Rn. 5). Dabei kommt es nicht darauf an, wie der Angeklagte die Kundgebung des Geschädigten aufgefasst hat, sondern darauf, ob sie objektiv als schwer beleidigend zu beurteilen ist (BGH, Urteil vom 13. Mai 1981 – 3 StR 42/81, NStZ 1981, 300). Maßgebend ist der konkrete Geschehensablauf unter Berücksichtigung von Persönlichkeit und Lebenskreis der Beteiligten (Fischer, StGB, 63. Aufl., § 213 Rn. 5) der konkreten Beziehung zwischen Täter und Opfer (BGH, Urteil vom 12. Mai 1987 – 1 StR 43/87, NStZ 1987, 555) sowie der tatauslösenden Situation (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2004 – 1 StR 170/04, NStZ 2004, 631). Auch wird zu berücksichtigen sein, welche weiteren Beleidigungen im Vorfeld der Tat zwischen den Beteiligten gewechselt wurden und inwieweit der Geschädigte hierbei unmittelbar beteiligt war.
9
Der neuberufene Tatrichter wird zudem noch in den Blick zu nehmen haben, ob das „Zur-Seite-Stoßen“ des Angeklagten unmittelbar vor seinem An- griff mit der Axt eine „Misshandlung“ im Sinne von § 213 StGB darstellte oder bereits als Abwehrbewegung anzusehen war. Raum Graf Jäger Cirener Fischer

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

5 StR 358/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2010

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Februar 2010 nach § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags unter Einbeziehung der Strafen aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und zwei Wochen verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts im Umfang der Beschlussformel Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Schwurgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der 33-jährige Angeklagte hatte die später Getötete, die 27 Jahre alte L. , kurz vor der Tat kennengelernt und sofort Gefallen an ihr gefunden. Seine Annäherungsversuche wies sie mehrfach deutlich zurück. Am Tag und Abend vor der Tat hatten der Angeklagte und L. mit dem Zeugen W. in dessen Wohnung einige Biere, etwas Wein und eine von L. gegen Mitternacht an einem nahe gelegenen Imbiss gekaufte Flasche Wodka getrunken. Als der Zeuge W. das Zusammensein beenden und schlafen gehen wollte, kam es zu einer Auseinandersetzung. Deswegen ging L. gemeinsam mit dem Angeklagten in dessen im selben „Plattenbau“ gelegene Wohnung. Dort entwickelte sich kurz darauf ein Streit zwischen dem Angeklagten und der „unter Alkoholeinfluss rasch wütend werdenden“ L. , weil diese eine finanzielle Beteiligung an der von ihr bezahlten, gemeinsam genossenen Flasche Wodka forderte. Obgleich der Angeklagte ihr „eine Art Schuldschein“ über den geforderten Betrag ausstellte, beruhigte sich L. nicht. Sie schlug dem Angeklagten im Verlaufe des weiteren Streits zunächst ins Gesicht, woraufhin dieser sie kräftig zu Boden stieß; später versetzte sie ihm einen Tritt in den Unterleib. „In der Folge beschloss der Angeklagte spontan, L. zu töten. Er packte sie mit beiden Händen am Hals und würgte sie bis zur Bewusstlosigkeit“ (UA S. 9). Dann schleifte er die noch schwach atmende Frau ins Badezimmer , holte ein Küchenmesser aus dem Wohnzimmer und stach es ihr dreimal „wuchtig bis zum Anschlag“ ins Herz. Anschließend versuchte er, die Leiche mit einem Messer in kleinere Stücke zu zerteilen, um ihren Abtransport in ein Versteck zu erleichtern. Dies gelang ihm letztlich nicht. Später verbarg er die Leiche in einem Heizungsschacht im Keller des von ihm bewohnten Mehrfamilienhauses. Dort wurde sie zwölf Tage später gefunden.
4
Das Schwurgericht hat angenommen, dass der Angeklagte bei der Tat „zwar alkoholisch enthemmt [war], deutlich angetrunken oder gar betrunken war er jedoch nicht“ (UA S. 8).
5
2. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Schuldspruch ergeben. Indes hält der Strafausspruch im Einklang mit dem Antrag des Generalbundesanwalts letztlich materiellrechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
a) Zunächst ist die Begründung, mit der das Schwurgericht eine Anwendbarkeit des § 213 StGB verneint, nicht rechtsfehlerfrei. Soweit es zu Lasten des Angeklagten darauf abstellt, er habe die Tat „aus nichtigem Anlass“ (UA S. 21) begangen, wird erst im Rahmen der Ausführungen zur Strafzumessung deutlich, dass das Gericht als solchen sowohl den angegebenen Streit wegen der Bezahlung der letzten Flasche Wodka als auch eine „denkbare“ Zurückweisung durch das Opfer nach einem Annäherungsversuch des Angeklagten sieht. Unmittelbarer Anlass der Tat waren indes die von der Getöteten ausgehenden Gewalttätigkeiten gegen den Angeklagten, die geeignet waren, ihn in besonderem Maße zu demütigen (Tritt in den Unterleib ). Dass diese wiederum durch sexuelle Annäherungsversuche des Angeklagten veranlasst wurden, hat das Schwurgericht nicht festzustellen vermocht (UA S. 8).
7
Darüber hinaus ist – im Einklang mit der Stellungnahme des Generalbundesanwalts – zu besorgen, dass das Schwurgericht einen falschen Maßstab für die Prüfung des Merkmals „auf der Stelle zur Tat hingerissen“ angewendet hat. Es hat entscheidend darauf abgestellt, dass die letztlich zum Tode führende Handlung − die Messerstiche − erst nach dem Verbringen des Opfers in das Bad erfolgt sei und mithin keine unmittelbare Reaktion auf die Provokation darstelle. Maßgebend ist indes nicht, ob sich die Tat als „Spontantat“ darstellt; vielmehr kommt es darauf an, ob der durch die Provokation hervorgerufene Zorn noch angehalten und den Angeklagten zu seiner Tat hingerissen hat (vgl. BGHR StGB § 213 Alt. 1 Hingerissen 1). Das liegt hier nicht gänzlich fern, zumal das Schwurgericht das festgestellte Tatgeschehen als einen einheitlichen Vorgang gewertet hat.
8
b) Auch die Erwägungen, mit denen das Schwurgericht zu der Annahme gelangt, dass der Angeklagte bei der Tat uneingeschränkt schuldfähig gewesen sei, sind nicht rechtsfehlerfrei.
9
Die in den Feststellungen genannte Trinkmenge („einige Biere, etwas Wein und den am Imbiss gekauften Wodka“ gemeinsam mit den übrigen Beteiligten ) findet in der Beweiswürdigung keine Stütze. Sie entspricht nicht der vom Schwurgericht ausdrücklich als glaubhaft gewerteten Angabe des Zeugen W. in seiner Beschuldigtenvernehmung (Konsum von einer Flasche Korn und dem gekauften Wodka durch den Angeklagten und L. ), sondern deckt sich noch am ehesten mit den Angaben des Angeklagten in seiner Beschuldigtenvernehmung am 25. Juni 2009 (UA S. 17). Diese hält das Gericht jedoch ebenso für unglaubhaft wie seine weitergehenden Angaben in der Vernehmung am 26. Juni 2009 (UA aaO).
10
Seine Beurteilung stützt das Schwurgericht darauf, dass sich unter Zugrundelegung dieser Trinkmengen nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen für die Tatzeit jeweils ein Blutalkoholwert im Bereich von 4,0 Promille ergebe, der jedoch auch bei dem trinkgewohnten Angeklagten nicht mit seinem festgestellten Verhalten zu vereinbaren sei. Die Grundlagen für diese Berechnung des Sachverständigen werden nicht mitgeteilt , sie ist darüber hinaus hinsichtlich der eigenen Angaben des Beschuldigten am 25. Juni 2009 auch nicht plausibel. Widerlegte Trinkmengenangaben widerlegen zudem nicht zugleich die Möglichkeit zwar geringerer, aber immer noch im Sinne des § 21 StGB erheblicher alkoholischer Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit.
11
Das Schwurgericht hat allerdings im Rahmen der von ihm vorgenommen Gesamtwürdigung Indizien festgestellt, die das gefundene Ergebnis – Verneinung der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB – grundsätzlich auch unabhängig von einer Berechnung der Blutalkoholkonzentration tragen könnten (vgl. BGHSt 43, 66, 69 ff.). Dazu zählen die Alkoholgewohnheiten des Angeklagten und seine körperliche Konstitution ebenso wie eher differenzierte Handlungsabläufe vor, während und nach der Tat (vgl. UA S. 21), die insgesamt einen komplexen Geschehensablauf belegen, der mit der Notwendigkeit situativer Anpassungsleistungen und reflektierender Auseinanderset- zung mit dem aktuellen Geschehen einherging und damit in besonderem Maße auf eine erhalten gebliebene Steuerungsfähigkeit schließen lässt. Hinzu kommt die detailreiche Erinnerung des Angeklagten an die Tat (vgl. dazu Kröber NStZ 1996, 569, 575). Sie hat erhebliches Gewicht gegenüber der – ohnehin wenig zuverlässigen (vgl. Kröber aaO S. 574) – Berechnung der Blutalkolkonzentration aus geschätzten Trinkmengenangaben.
12
3. Sollte das neue Tatgericht gleichwohl zur Bejahung der Voraussetzungen des § 213 StGB, 1. Alternative, wie des § 21 StGB gelangen, wird eine nochmalige Verschiebung des Strafrahmens aus § 213 StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB mit Blick auf das Tatbild und den engen Zusammenhang zwischen Enthemmung und Jähtat nicht nahe liegen. Gegebenenfalls wird auch § 64 StGB in die tatgerichtliche Prüfung einzubeziehen sein.
Basdorf Schaal Schneider König Bellay
5 StR 134/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 16. April 2007
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. April 2007 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Hamburg vom 4. Dezember 2006 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO im gesamten Rechtsfolgenausspruch
aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung – auch über die Kosten des
Rechtsmittels – an eine andere Schwurgerichtskammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung
und wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten
verurteilt. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der allein erhobenen
Sachrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg. Das weitergehende
Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2 Generalbundesanwalt Der hat in seiner Antragsschrift vom
22. März 2007 zur Strafzumessung des Landgerichts ausgeführt:
3 „Der Strafausspruch kann keinen Bestand haben.
4 Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass das Schwurgericht es bei der
Festsetzung der Einsatzstrafe unterlassen hat, die erste Alternative des
§ 213 StGB zu erörtern. Dies war hier aus Rechtsgründen unerlässlich (vgl.
BGH NStZ 1995, 83 Nr. 10; BGH NStZ-RR 2000, 80 Nr. 3; Senat, Beschlüsse
vom 12. Juni 2002 – 5 StR 221/02 – und vom 11. Dezember 2006
5 StR 457/06 –).
5 Der genannte Rechtsfehler berührt zwar die andere Einzelstrafe nicht. Da
indes nicht auszuschließen ist, dass diese von der Bemessung der Einsatzstrafe
beeinflusst ist, und um dem neuen Tatrichter eine umfassende Bewertung
zu ermöglichen, sollten alle Strafaussprüche in dessen Beurteilung gestellt
werden.
6 Einer Aufhebung der Feststellungen bedarf es nicht. Neue, die nicht in Widerspruch
zu den bisherigen stehen, können getroffen werden.“
7 Dem kann sich der Senat auch nicht vor dem Hintergrund der durchaus
maßvollen Bestrafung des Angeklagten verschließen, zumal das Landgericht
nach sachverständiger Beratung auch hinsichtlich des versuchten
Totschlags noch von einer psychischen Beeinträchtigung des Angeklagten
ausgegangen ist, die durch die Aufregung des Angeklagten infolge der von
K. hervorgerufenen Verletzungen mitverursacht worden ist (UA S. 20). Es
liegt deshalb nahe, dass der durch die Kränkung hervorgerufene Zorn des
Angeklagten noch angehalten und als nicht durch rationale Erwägung unterbrochene
Gefühlsaufwallung fortgewirkt hat (vgl. Tröndle/Fischer, StGB
54. Aufl. § 213 Rdn. 9a m.w.N.).
8 Solches wird der neu berufene Tatrichter zu prüfen haben, der bei
dem ersichtlich alkoholkranken Angeklagten (UA S. 4) auch die Verhängung
einer Maßregel gemäß § 64 StGB in seine Würdigung einbeziehen wird. Um
dies zu ermöglichen, hat der Senat den gesamten Rechtsfolgenausspruch
aufgehoben.
Basdorf Gerhardt Raum
Brause Jäger

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 5 7 4 / 1 4
vom
26. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
26. Februar 2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. Juli 2014 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Seine dagegen gerichtete, auf den Strafausspruch beschränkte Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Spätestens ab Februar 2013 traten in der Ehe zwischen dem Angeklagten und seiner später getöteten Ehefrau erhebliche Spannungen auf, die regelmäßig in lautstark geführte verbale Auseinandersetzungen mündeten. Im Rahmen dieser Konflikte belegte die sehr wortgewaltige Ehefrau den Angeklagten mit ehrverletzenden Ausdrücken. Beginnend ab Oktober 2013 nahmen die Streitigkeiten an Heftigkeit zu. Im Hinblick auf eine mögliche Scheidung und damit verbundene Streitigkeiten um das Sorgerecht für die 2009 geborene Tochter und den 2012 geborenen Sohn zeichneten die Eheleute ab November 2013 die Wortgefechte mit ihren jeweiligen Mobiltelefonen auf.
4
Zu Tätlichkeiten kam es trotz der Heftigkeit der verbalen Streitigkeiten nur selten. Bei einem Tritt gegen das Schienbein des Angeklagten brach sich die Ehefrau mehrere Zehen. Als sie im Rahmen einer Auseinandersetzung im November 2013 auf den Angeklagten losging, konnte er sie durch Wegschubsen mühelos abwehren. Überhaupt war der Angeklagte seiner Ehefrau bei ihren wenigen körperlichen Attacken stets überlegen.
5
2. Am Abend des 29. November 2013 brachte der Angeklagte die beiden Kinder zu Bett. Da der Sohn nicht sogleich einschlafen konnte, legte sich der Angeklagte zu ihm ins Bett, schlief dabei aber selbst ein. Dies nahm seine Ehefrau , die ihn später weckte, zum Anlass, ihm vorzuwerfen, er schlafe, um nicht mit ihr über ihre gemeinsamen Eheprobleme reden zu müssen. Es entwickelte sich ein heftiger, zunächst mit Worten geführter Streit zwischen den Eheleuten. Dabei beschimpfte die Ehefrau den Angeklagten als „Schlappschwanz“ und „elendigen Hund“, außerdem sei seine ganze Familie „behindert“.
6
Da ein Versuch des Angeklagten, einen gemeinsamen Bekannten, der bereits bei früheren Auseinandersetzungen als Schlichter tätig geworden war, zu erreichen, scheiterte, wurde der Streit weiter fortgesetzt. Gegen 4.00 Uhr des Folgetages ging die Ehefrau schreiend auf den Angeklagten los und versuchte , diesen mit der Faust gegen den Oberkörper zu schlagen. Diesen Angriff konnte er, ebenso wie einen sich anschließenden durch Wegschubsen abwehren. Bei dem dritten Mal gelang es der Ehefrau, das T-Shirt des Angeklagten zu ergreifen und diesen an der Brust zu kratzen.
7
In diesem Moment verlor wegen des Kratzens der durch die wochenlangen Streitigkeiten und Beschimpfungen zermürbte sowie wegen des begleitenden Schlafmangels – die Streitigkeiten setzten häufig nach dem Ende der Spätschicht des Angeklagten ein – übermüdete Angeklagte die Fassung (UA S. 14). Bei ihm trat ein Affekt auf, der dazu führte, dass er seine Ehefrau nicht erneut wegschubste, sondern deren Hals mit seinen beiden Händen fest umfasste. Er drückte zu, so dass seine Ehefrau nach etwa 8 Sekunden bewusstlos wurde und in sich zusammensackte. Obwohl der Angeklagte wusste, dass er damit ihren Tod herbeiführen würde, ging er mit ihr zu Boden und drückte ihren Hals noch wenigstens drei Minuten lang zu, bis sie tot war. Durch die Einwirkung brach das rechte Zungenbein der Ehefrau. Ihr Tod trat durch Ersticken ein (UA S. 15).
8
Nachdem der Angeklagte den Tod seiner Ehefrau realisiert hatte, verbrachte er die Leiche in den Keller, um den eventuell aufwachenden Kindern den Anblick der toten Mutter zu ersparen. Im Verlaufe des Nachmittags offenbarte er zunächst seiner Schwester die Tötung der Ehefrau. Später stellte er sich der Polizei.
9
3. Das sachverständig beratene Landgericht hat einen sich als tiefgreifende Bewusstseinsstörung erweisenden affektiven Ausnahmezustand (UA S. 47) bei dem Angeklagten angenommen. Dieser Zustand wurde auch durch das bewusstlose Zusammensacken der Getöteten nicht aufgehoben. Aufgrund des Affekts war bei erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit die Fähigkeit des Angeklagten, sich entsprechend dieser Einsicht zu steuern, erheblich vermindert.
10
4. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 213 StGB geprüft, dessen Vorausset- zungen aber sowohl im Hinblick auf eine vorausgegangene Provokation gemäß § 213 Alt. 1 StGB als auch einen allgemeinen minder schweren Fall nach § 213 Alt. 2 StGB verneint. Geringfügige Verletzungen, wie sie dem Angeklagten hier von der Ehefrau zugefügt wurden, erreichten nicht die für eine „Misshandlung“ erforderliche Erheblichkeit. Gleiches gelte für eine in dem Verhalten der getöte- ten Ehefrau möglicherweise liegende „seelische Misshandlung“. Es hat zudem die während der verbalen Auseinandersetzung geäußerten Beleidigungen nicht als schwer im Sinne von § 213 Alt. 1 StGB bewertet. Maßgebend sei eine Beurteilung aufgrund einer Gesamtwürdigung nach objektivem Maßstab unter Berücksichtigung der Gesamtbeziehung von Täter und Opfer. In seiner Gesamtwürdigung hat das Tatgericht vor allem auf den Inhalt der in den zahlreichen vorausgegangenen Streitigkeiten erfolgten, den Angeklagten herabwürdigenden Äußerungen der Ehefrau abgestellt. Vor diesem Hintergrund verlören die in der Tatnacht getätigten, zudem im Streit geäußerten Beleidigungen an Gewicht.
11
Ein minder schwerer Fall gemäß § 213 Alt. 2 StGB ist vom Landgericht ebenfalls in Betracht gezogen worden. Auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB hat es einen solchen verneint, den Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB jedoch gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert.

II.

12
Die nachträglich beschränkte Revision hat keinen Erfolg. Der Strafausspruch des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
13
1. Die durch den dazu ausdrücklich ermächtigten (§ 302 Abs. 2 StPO) Wahlverteidiger in der Revisionshauptverhandlung erklärte, als Teilrücknahme zu wertende Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch, der die Vertreterin des Generalbundesanwalts zugestimmt hat (§ 303 Satz 1 StPO), ist wirksam. Die Beschränkung bezieht sich ungeachtet der Annahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten auf einen Beschwerdepunkt, der von dem nicht angefochtenen Schuldspruch unabhängig beurteilt werden kann. Das angefochtene Urteil enthält, was einer wirksamen Beschränkung entgegenstehen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2001 – 2 StR 500/00, BGHSt 46, 257, 259), keine Anhaltspunkte für eine Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeklagten.
14
2. Das Landgericht hat die Voraussetzungen eines minder schweren Falls des Totschlags hinsichtlich beider Varianten des § 213 StGB ohne Rechtsfehler verneint.
15
a) Die von der Revision beanstandete Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.), ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Urteile vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268; vom 29. Juni 1991 – 3 StR 145/91, BGHR StGB § 1, Gesamtwürdigung 7; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 146 mwN).
16
Das Revisionsgericht darf die der Entscheidung des Tatrichters über das Vorliegen eines minder schweren Falls zugrunde liegende Wertung nicht selbst vornehmen, sondern lediglich daraufhin überprüfen, ob dem Tatrichter ein Rechtsfehler unterlaufen ist (siehe BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.). Diese Grundsätze über den für das Revisionsgericht geltenden Prüfungsmaßstab gelten nicht nur für die tatrichterliche Beurteilung des unbenannten minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 2 StGB, sondern auch für die in § 213 Alt. 1 StGB benannten Konstellationen minder schwerer Fälle. Denn bei § 213 StGB insgesamt und nicht lediglich bei seiner zweiten Alternative handelt es sich um eine Strafzumessungsregel (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1966 – 2 StR 525/65, BGHSt 21, 14, 15; siehe auch Beschluss vom 12. Oktober 1977 – 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287, 289; H. Schneider in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 4, § 213 Rn. 1 mwN).
17
b) Derartige der Revision zugänglichen Rechtsfehler bei der Anwendung von § 213 StGB weist das angefochtene Urteil nicht auf.
18
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können lediglich solche dem späteren Täter zugefügten Misshandlungen die Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 1 StGB begründen, die nach ihrem Gewicht und den Umständen des Einzelfalls geeignet sind, die „Jähtat als verständliche Reaktion“ auf das provozierende Verhalten des Opfers der nachfol- genden Tötungstat erscheinen zu lassen (BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 – 4 StR 37/95, NJW 1995, 1910, 1911; BGH, Urteil vom 4. Mai 1995 – 5 StR 213/95, NStZ 1996, 33; vgl. auch BGH, Urteil vom 1. August 1996 – 5 StR 214/96,BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 5; aber auch Senat, Urteil vom 4. Dezember 1990 – 1 StR 577/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 3). Diese Voraussetzungen können selbst bei einer lediglich versuch- ten Körperverletzung gegeben sein (BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 – 4StR 37/95, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 4; Urteil vom 1. August 1996 – 5 StR 214/96, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 5). Da sich die Tötungstat jedoch als „verständliche Reaktion“ auf die vorausgegangene Miss- handlung durch das spätere Opfer erweisen muss, werden eingetretene oder drohende lediglich geringfügige Eingriffe in die körperliche oder seelische Unversehrtheit des Täters des Tötungsdelikts regelmäßig keine Misshandlung im Sinne von § 213 Alt. 1 StGB begründen können (Senat, Urteil vom 19. Februar

1991

1 StR 659/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 6 „nur erhebliche Beeinträchtigungen“ ; vgl. auch Jähnke in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., Band 5, § 213 Rn. 4; H. Schneider aaO § 213 Rn. 13 mwN).
19
Dem entsprechend hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass es der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen von § 213 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung des menschlichen Lebens gebieten, die Anforderungen an das der Tat vorausgehende Opferverhalten und auch an die auf die tatauslösende Situation zulaufende Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung nicht zu niedrig anzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 10; Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339 f.; vom 8. Juli 2014 – 3 StR228/14 Rn. 5). An diesem Gebot hat sich trotz der Verschärfung des Strafrahmens von § 213 StGB durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) nichts geändert (Senat, Beschluss vom 15. Januar 2002 – 1 StR 548/01, NStZ-RR 2002, 140 f.; siehe auch BGH, Urteil vom 9. Juli 1998 – 4 StR 136/98).
20
Ob nach den vorgenannten Grundsätzen eine Misshandlung gegeben ist, hat der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller dafür maßgebenden Umstände, namentlich unter Berücksichtigung der bisherigen Täter-Opfer-Beziehung und der damit verbundenen Motivationsgenese, zu beurteilen (siehe BGH, Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 10 mwN).
21
(1) An diesen Maßstäben gemessen hält die Bewertung des Tatgerichts, es fehle an einer der Tötungstat vorausgehenden und diese auslösenden erheblichen Misshandlung seitens der später getöteten Ehefrau sachlichrechtlicher Prüfung stand. Das Landgericht hat mit einer Gesamtwürdigung bei objektivem Maßstab unter Einbeziehung der Gesamtbeziehung von Täter und Opfer den zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt gewählt. Dass es eine ge- wisse Erheblichkeit der „Misshandlung“, sowohl unter dem Aspekt der körperli- chen als auch der seelischen Beeinträchtigung, für erforderlich gehalten hat, ist ersichtlich nicht zu beanstanden.
22
(2) Der Senat besorgt auch nicht, dass das Tatgericht seiner Beurteilung des Vorliegens einer Misshandlung rechtsfehlerhaft lediglich die unmittelbar der Tötung vorausgehende Attacke der Ehefrau auf den Angeklagten zugrunde gelegt hat. Wie die Revision und der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hervorheben, kann § 213 Alt. 1 StGB auch dann zur Anwendung gelangen, wenn die tatauslösende Misshandlung für sich allein genom- men, zwar keine „schwere Unbill“ darstellt, sieaber gleichsam nur der Tropfen ist, der das Fass zum Überlaufen bringt (Senat, Urteil vom 4. Dezember 1990 – 1StR 577/90, StV 1991, 105 f. mwN; siehe auch bzgl. einer vorangegangenen Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340 mwN; vom 8. Juli 2014 – 3 StR 228/14 Rn. 5). Nach dieser Rechtsprechung ist es daher geboten, in die ohnehin erforderliche Gesamtwürdigung auch in der Vergan- genheit liegende Vorgänge als mitwirkende Ursachen einzubeziehen (BGH, jeweils aaO).
23
Auch wenn das Landgericht sich bezüglich einer tatauslösenden Misshandlung nicht ausdrücklich auf die vorgenannten Anforderungen bezogen hat, vermag der Senat nach dem Gesamtzusammenhang des Urteils auszuschließen , dass dem Tatrichter die Berücksichtigung früherer Misshandlungen im Rahmen der Gesamtwürdigung aus dem Blick geraten ist. Es hat nicht nur die Entwicklung der Beziehung zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau einschließlich der jedenfalls im Jahr 2013 in der Intensität deutlich zunehmenden Spannungen und Streitigkeiten festgestellt. Vielmehr verhält sich das angefochtene Urteil auch zu den wenigen früheren Streitigkeiten der Eheleute, bei denen es über die verbale Auseinandersetzung hinaus zu Tätlichkeiten gekommen ist (UA S. 11 unten und S. 12). In diesem Zusammenhang werden die von Seiten der Ehefrau unternommenen seltenen und nicht intensiven körperlichen Angriffe ebenso beschrieben wie die Fähigkeit des Angeklagten, sich dieser Attacken mühelos zu erwehren. Da das Landgericht zudem rechtlich zutreffend von der Berücksichtigung der Gesamtbeziehung zwischen Täter und Opfer ausgeht, lässt sich nicht annehmen, es habe zunächst dazu umfassende Feststellungen getroffen, die dann im Rahmen der Strafzumessung bei der Frage der Anwendung von § 213 StGB unbeachtet geblieben seien.
24
bb) Aus entsprechenden Gründen halten auch die Erwägungen des Landgerichts zum Fehlen einer tatauslösenden schweren Beleidigung revisionsrechtlicher Prüfung stand.
25
(1) Die Revision und der Generalbundesanwalt zeigen im rechtlichen Ausgangspunkt übereinstimmend zutreffend auf, dass auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer „schweren Beleidigung“ im Sinne von § 213Alt. 1 StGB nicht allein auf die in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Tatgeschehen stehenden Vorgänge abzustellen ist. Nach der ständigen Rechtspre- chung des Bundesgerichtshofs ist vielmehr eine „Ganzheitsbetrachtung“ erforderlich , die in der Vergangenheit liegende Vorgänge als „mitwirkende Ursachen“ mit einbezieht. Die Voraussetzungen von § 213 Alt. 1 StGB können dem- nach auch dann erfüllt sein, wenn zwar das Verhalten des Tatopfers vor der Tat isoliert betrachtet „keine schwere Beleidigung darstellt, dennoch aber den Täter zum Zorn reizte und auf der Stelle zur Tat hinriss, weil es nach einer ganzen Reihe von Kränkungen gleichsam nur noch der Tropfen war, der das Faß zum Überlaufen brachte.“ (siehe nur Senat, Beschlüsse vom 11. Juni 1996 – 1 StR 300/96, StV 1998, 131; vom 21. Mai 2004 – 1 StR 170/04, NStZ 2004, 631 f.; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340; Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 10 jeweils mwN; Beschluss vom 8. Juli 2014 – 3 StR 228/14 Rn. 5; Fischer aaO § 213 Rn. 5 aE mit zahlr. Nachweisen). In die erforderliche Gesamtbewertung sind alle Umstände einzubeziehen, die dem konkreten Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der Provokation durch das spätere Tatopfer sein Gepräge geben (Senat, Urteil vom 10. Oktober 1989 – 1 StR 239/89, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 5).
26
(2) Dem wird das angefochtene Urteil gerecht. Das Landgericht hat ausdrücklich eine objektive Bewertung der seitens der Ehefrau geäußerten Beleidi- gungen unter „Berücksichtigung der Gesamtbeziehung von Täter und Opfer“ (UA S. 54) zugrunde gelegt. Die Feststellungen zeichnen die Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau insgesamt ausführlich und sorgfältig nach (UA S. 7-12). Das umfasst vor allem die ab 2011 einsetzenden Streitigkeiten in der Ehe und deren zunehmende Eskalation seit Februar 2013. Zudem stellt das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung den Inhalt der Streitigkeiten ab November 2013 mittels der von den beiden Beteiligten jeweils gefertigten Aufzeichnungen per Mobiltelefon im Einzelnen dar (UA S. 33-37). Dazu gehören auch die von der Ehefrau in diesen verbalen Auseinandersetzungen geäußerten Beleidigungen gegenüber dem Angeklagten.
27
Den ausführlich dokumentierten Inhalt der früheren Streitigkeiten hat das Landgericht in die ihm obliegende Bewertung des Schweregrades der der Tötungstat unmittelbar vorausgegangenen Beleidigungen einbezogen. Da es sich ausdrücklich mit der Bedeutung der früheren Herabwürdigungen für die tatunmittelbaren Äußerungen befasst hat, vermag der Senat auch insoweit auszuschließen , dass das Tatgericht den Aspekt eines sich zu einer schweren Beleidigung aufsummierenden, sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Geschehens wiederholter Kränkungen aus dem Blick verloren haben könnte. Der rechtliche Ausgangspunkt des Tatgerichts, die Schwere der der Tat vorausgehenden Beleidigungen unter Berücksichtigung der früheren kränkenden Äußerungen zu beurteilen, ist als solcher ebenfalls rechtsfehlerfrei (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 1994 – 2 StR 382/94).
28
Hat aber der Tatrichter den für die Beurteilung des Vorliegens eines minder schweren Falls rechtlich zutreffenden Maßstab gewählt, unterliegt die Wertung als solche, ob sich die geäußerten Beleidigungen unter Berücksichtigung des Gesamtgeschehens als schwer im Sinne von § 213 Alt. 1 StGB erweisen , nicht der revisionsgerichtlichen Kontrolle (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 1991 – 1 StR 659/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 6 bzgl. der Bewertung eines Fußtritts als erhebliche Misshandlung). Teil dieser dem Tatrichter obliegenden Wertung ist es auch, die Bewertungsrichtung der festgestellten konkreten Umstände (unter Einschluss der dem eigentlichen Tötungsgeschehen vorausgehenden) zu bestimmen und auf dieser Grundlage das Vorliegen der benannten Milderungsgründe aus § 213 Alt. 1 StGB zu beur- teilen. Es ist dem Revisionsgericht verwehrt, seine eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen.
29
cc) Ob die Voraussetzungen von § 213 Alt. 1 StGB im Einzelfall aufgrund einer Kumulation von vorausgehender Misshandlung und schwerer Beleidigung verwirklicht werden können (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 1991 – 1 StR 659/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 6), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn nach den Feststellungen und der Beweiswürdigung des Tatgerichts , worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist, bildete der der Tötungstat vorausgehende körperliche Übergriff den unmittelbaren Auslösereiz für den affektiven Ausnahmezustand des Angeklagten (UA S. 14 und S. 48). Beruht nach diesen rechtsfehlerfreien Feststellungen der die Tötungstat auslösende Zorn des Angeklagten auf dem körperlichen Angriff durch die Ehefrau und nicht auf vorangegangenen Beleidigungen, hätte die Anwendung von § 213 Alt. 1 StGB weder auf das Vorliegen schwerer Beleidigungen als solcher noch auf das Zusammenwirken von solchen und Misshandlungen gestützt werden können. Maßgeblich sind nämlich nur diejenigen Motive des Täters, die in der Tatsituation einen beherrschenden Einfluss auf den Täter gehabt haben (vgl. Schneider aaO § 213 Rn. 31). War aber eine für § 213 Alt. 1 StGB nicht ausreichend erhebliche Misshandlung der eigentliche Auslösereiz des Affekts, kann nicht auf eine im Motivbündel nur untergeordnete Reizung durch eine (schwere) Beleidigung abgestellt werden (siehe insoweit BGH, Beschluss vom 22. April 2004 – 4 StR 48/04, NStZ 2004, 500 f. mwN).
30
dd) Die Verneinung eines sonst minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 2 StGB hält ebenfalls sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
31
(1) Das Landgericht ist von der gebotenen Gesamtbewertung aller relevanten Umstände (Fischer aaO § 213 Rn. 12; H. Schneider aaO § 213 Rn. 49 jeweils mwN) ausgegangen. In diese hat es zugunsten des Angeklagten die jeweils nicht die Schwelle von § 213 Alt. 1 StGB erreichenden Misshandlungen bzw. Beleidigungen durch die später getötete Ehefrau einbezogen und den minder schweren Fall zunächst ohne Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB geprüft.
32
Die zu Lasten des Angeklagten wirkende Erwägung des Tatrichters, er habe „seinen zwei kleinen Kindern, die aufgrund ihres jungen Alters von nur ein und vier Jahren der mütterlichen Zuwendung in besonderem Maß bedürfen, durch die Tat die Mutter“ genommen (UA S. 54 f.), ist nicht rechtsfehlerhaft und verstößt insbesondere nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Das Tatgericht hat erkennbar nicht auf das mit nahezu jeder Tötung einhergehende Leid der Angehörigen und dem schmerzlichen Verlust einer Bezugsperson abgestellt. Vielmehr hat es in rechtlich fehlerfreier Weise das spezifische Alter von Sohn und Tochter der Getöteten in den Blick genommen und damit auf eine zulässige einzelfallbezogene Differenzierung nach der Bedeutung des Vorhandenseins der getöteten Bezugsperson für die konkreten Angehörigen abgestellt. Damit erschöpft sich die Erwägung gerade nicht in der Heranziehung einer typischen Tatfolge eines Tötungsdelikts.
33
(2) Gleiches gilt auch für die weitere Strafzumessungserwägung, die beiden Kinder litten erheblich unter dem Verlust der Mutter. Das Landgericht hat damit auf die im konkreten Fall bewirkten verschuldeten Auswirkungen der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB) abgestellt, die bei beiden Kindern eingetreten sind. Deren Eintritt hat das Tatgericht mit der bei der Tochter weiterhin erfolgenden psychologischen Betreuung mit Feststellungen unterlegt. Dass es dabei die in der Beweiswürdigung ausdrücklich dargestellte zwischenzeitliche Besserung des Zustands der Tochter aus dem Blick verloren haben könnte, ist nicht zu besorgen.
34
Ohne Rechtsfehler hat das Tatgericht das Leiden der Kinder unter dem Verlust der Mutter als verschuldete Auswirkungen der Tat gewertet. Dem steht die Begehung der Tat im Zustand der durch einen Affekt bewirkten erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht entgegen. Da seine Einsichtsfähigkeit insgesamt erhalten geblieben ist und er – wie sich sowohl aus dem festgestellten allgemeinen Umgang mit den Kindern als auch aus seinem Nachtatverhalten (Verbringen der Leiche in den Keller, um ihnen den Anblick der toten Mutter zu ersparen) ergibt – um deren Wohl besonders bemüht war, waren die eingetretenen Tatfolgen für ihn vorhersehbar.
35
(3) Angesichts der rechtsfehlerfreien strafschärfenden Berücksichtigung der vorstehend erörterten Umstände bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Verneinung eines sonstigen minder schweren Falls selbst unter zusätzlicher Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes gemäß § 21 StGB. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters zwischen dem Strafrahmen aus § 213 StGB und dem über § 49 Abs. 1 StGB (hier in Verbindung mit § 21 StGB) gemilderten Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB zu wählen (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 2. November 1983 – 2 StR 492/83, NStZ 1984, 118; Fischer aaO § 213 Rn. 19 mwN). Hat das Tatgericht wie hier sein Ermessen ohne Rechtsfehler ausgeübt, hat das Revisionsgericht die Würdigung als solche hinzunehmen, mag auch eine andere ebenfalls in Betracht gekommen sein.
36
3. Die konkrete Strafzumessung weist keine den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Wie bereits ausgeführt [II.2.b)dd)] durfte das Landgericht die Auswirkungen der Tat auf die beiden Kinder strafschärfend berücksichtigen.
37
4. Unter den konkreten Umständen des Einzelfalls hätte sich im Übrigen selbst eine rechtsfehlerhafte Ablehnung von § 213 StGB nicht auf die Strafzumessung ausgewirkt. Da nach den Feststellungen hier zwischen den vorausgegangenen Kränkungen bzw. Tätlichkeiten und dem affektiven Ausnahmezustand eine enge Verbindung bestand, sie also auf dieselbe Wurzel zurückzuführen sind (siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 30. April 1991 – 4 StR 140/91, NStE Nr. 24 zu § 213 StGB, vom 24. Oktober 2012 – 5 StR 472/12, NStZ 2013, 341 mwN), hätte eine weitere Milderung des Strafrahmens von § 213 StGB über §§ 21, 49 StGB nicht erfolgen können.

III.

38
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO, diejenige über die notwendigen Auslagen aus einer entsprechenden Anwendung von § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO. Rothfuß Graf Radtke RinBGH Dr. Fischer ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Mosbacher Rothfuß

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 170/04
vom
21. Mai 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Mai 2004 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18. November 2003 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts Mannheim vom 18. November 2003 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Die auf § 136a StPO gestützte Rüge ist unbegründet. Auch wenn die Auskunft des Vernehmungsbeamten über das vorläufige Obduktionsergebnis nach dem damaligen Stand der Erkenntnisse unvollständig war, liegt keine verbotene Vernehmungsmethode in der Form einer bewußten Täuschung oder Irreführung vor. Das Schwurgericht hat freibeweislich geprüft und keine Anhaltspunkte dafür gefunden, daß der Angeklagte bewußt über die damalige Beweislage getäuscht worden ist; denn nachdem anfänglich verschiedene Todesursachen in Betracht gezogen worden waren, reduzierte sich die telefoni- sche Mitteilung auf Gewalteinwirkung im weiteren Sinne sowie eine nicht gänzlich auszuschließende Herzrhythmusstörung. Liegen nur fahrlässige Fehlleistungen bzw. Fehlinformationen der Ermittlungsbeamten vor, fehlt es an einem gezielten Einsatz unzulässiger Mittel (vgl. BGHSt 31, 395, 399 f.; BGH StV 1989, 515; KK-Boujong, 5. Aufl., § 136a Rdn. 23). Im übrigen hat der Angeklagte seine Angaben zum äußeren Tathergang auch in der Hauptverhandlung wiederholt , so daß jedenfalls zu diesem Zeitpunkt die damals unzutreffenden Angaben nicht mehr fortwirken konnten, nachdem zwischenzeitlich seit längerem das schriftliche Gutachten vorlag, welches von einem Tod infolge Erstikkens nach einem Angriff gegen den Hals ausgeht.
Die sachlich-rechtliche Beanstandung, eine Zusatzuntersuchung am Herz der Verstorbenen sei nicht durchgeführt worden, weshalb „nicht in verläßlicher Weise“ der Tod durch eine Herzrhythmusstörung ausgeschlossen werden könne, vermag die Beweiswürdigung der Strafkammer und das dieser zugrunde liegende Gutachten der rechtsmedizinischen Sachverständigen nicht zu erschüttern. Zudem bestand nach den Angaben des Hausarztes des Opfers, welcher das Vorliegen von Herzrhythmusstörungen ausschloß, keine Veranlassung , eine zusätzliche Untersuchung des Herzens durchzuführen – gerade auch in Anbetracht der Verletzungen des Opfers im Halsbereich.
Auch die Angriffe der Revision gegen die Strafzumessung bleiben ohne Erfolg.
Die tatrichterliche Würdigung, es lägen keine kränkenden Äußerungen des Tatopfers im Sinne einer schweren Beleidigung nach § 213 StGB vor, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (BGH NStZ 1982, 27; BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 6; BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 8). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß eine für sich gesehen nicht als schwer einzustufende Beleidigung dann als schwer bewertet werden kann, wenn sie nach einer Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen der „Tropfen“ war, der „das Faß zum Überlaufen“ gebracht hat (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1983, 365; BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 5). Der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen des § 213 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung menschlichen Lebens gebieten es jedoch, die Anforderungen an die Schwere der Beleidigungen und auch der auf die tatauslösende Situation zulaufenden Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung nicht zu niedrig anzusetzen (vgl. BGHSt 34, 37; BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 4 und 6). Daher genügen nur solche Provokationen den Anforderungen des § 213 1. Alt. StGB, die auf der Grundlage aller dafür maßgebenden Umstände unter objektiver Betrachtung und nicht nur aus der Sicht des Täters als schwer beleidigend zu beurteilen sind (BGHR aaO Beleidigung 4, 5 und 6).
Die Ausführungen des Tatrichters lassen nicht besorgen, daß er sich dieser Anforderungen an das Gewicht der Provokationslage nicht bewußt gewesen ist. Die Getötete hatte seit Herbst 2001 Veränderungen im Verhalten des Angeklagten bemerkt und aus weiteren Anhaltspunkten auf ein Verhältnis ihres Mannes mit einer anderen Frau geschlossen. Eine solche außereheliche Beziehung leugnete er auch noch vehement, als das Opfer nach einer mehrwöchigen Beobachtung des Angeklagten durch eine Detektei Fotos und Berichte vorliegen hatte, weshalb es dann in der Folge zu mehrfachen heftigen Auseinandersetzungen unter den Eheleuten kam. Dabei beleidigte die Geschädigte den Angeklagten, einen Rechtspfleger, und seine Geliebte, eine Reini- gungskraft im Gericht, in gleicher Weise wie auch unmittelbar vor der Tat, machte obszöne Anspielungen im Hinblick auf seine nachlassende Potenz und drohte mindestens einmal, den Direktor des Amtsgerichts als seinen Vorgesetzten über die außereheliche Beziehung zu informieren. Danach ist es nicht zu beanstanden , wenn die Strafkammer die Wiederholung solcher – für sich gesehen durchaus tiefgehender – Beleidigungen unmittelbar vor dem Tatgeschehen unter Berücksichtigung des weiteren Verhaltens des Angeklagten und unter objektiver Betrachtung der Gesamtumstände, nicht als schwere Beleidigungen im Sinne von § 213 beurteilt hat (vgl. BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 8).
Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung war zu verwerfen , weil sie dem Gesetz entspricht (§ 465 Abs. 1 StPO).
Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Graf

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.