Bundesgerichtshof Urteil, 26. Feb. 2015 - 1 StR 574/14

bei uns veröffentlicht am26.02.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 5 7 4 / 1 4
vom
26. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
26. Februar 2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. Juli 2014 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Seine dagegen gerichtete, auf den Strafausspruch beschränkte Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Spätestens ab Februar 2013 traten in der Ehe zwischen dem Angeklagten und seiner später getöteten Ehefrau erhebliche Spannungen auf, die regelmäßig in lautstark geführte verbale Auseinandersetzungen mündeten. Im Rahmen dieser Konflikte belegte die sehr wortgewaltige Ehefrau den Angeklagten mit ehrverletzenden Ausdrücken. Beginnend ab Oktober 2013 nahmen die Streitigkeiten an Heftigkeit zu. Im Hinblick auf eine mögliche Scheidung und damit verbundene Streitigkeiten um das Sorgerecht für die 2009 geborene Tochter und den 2012 geborenen Sohn zeichneten die Eheleute ab November 2013 die Wortgefechte mit ihren jeweiligen Mobiltelefonen auf.
4
Zu Tätlichkeiten kam es trotz der Heftigkeit der verbalen Streitigkeiten nur selten. Bei einem Tritt gegen das Schienbein des Angeklagten brach sich die Ehefrau mehrere Zehen. Als sie im Rahmen einer Auseinandersetzung im November 2013 auf den Angeklagten losging, konnte er sie durch Wegschubsen mühelos abwehren. Überhaupt war der Angeklagte seiner Ehefrau bei ihren wenigen körperlichen Attacken stets überlegen.
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2. Am Abend des 29. November 2013 brachte der Angeklagte die beiden Kinder zu Bett. Da der Sohn nicht sogleich einschlafen konnte, legte sich der Angeklagte zu ihm ins Bett, schlief dabei aber selbst ein. Dies nahm seine Ehefrau , die ihn später weckte, zum Anlass, ihm vorzuwerfen, er schlafe, um nicht mit ihr über ihre gemeinsamen Eheprobleme reden zu müssen. Es entwickelte sich ein heftiger, zunächst mit Worten geführter Streit zwischen den Eheleuten. Dabei beschimpfte die Ehefrau den Angeklagten als „Schlappschwanz“ und „elendigen Hund“, außerdem sei seine ganze Familie „behindert“.
6
Da ein Versuch des Angeklagten, einen gemeinsamen Bekannten, der bereits bei früheren Auseinandersetzungen als Schlichter tätig geworden war, zu erreichen, scheiterte, wurde der Streit weiter fortgesetzt. Gegen 4.00 Uhr des Folgetages ging die Ehefrau schreiend auf den Angeklagten los und versuchte , diesen mit der Faust gegen den Oberkörper zu schlagen. Diesen Angriff konnte er, ebenso wie einen sich anschließenden durch Wegschubsen abwehren. Bei dem dritten Mal gelang es der Ehefrau, das T-Shirt des Angeklagten zu ergreifen und diesen an der Brust zu kratzen.
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In diesem Moment verlor wegen des Kratzens der durch die wochenlangen Streitigkeiten und Beschimpfungen zermürbte sowie wegen des begleitenden Schlafmangels – die Streitigkeiten setzten häufig nach dem Ende der Spätschicht des Angeklagten ein – übermüdete Angeklagte die Fassung (UA S. 14). Bei ihm trat ein Affekt auf, der dazu führte, dass er seine Ehefrau nicht erneut wegschubste, sondern deren Hals mit seinen beiden Händen fest umfasste. Er drückte zu, so dass seine Ehefrau nach etwa 8 Sekunden bewusstlos wurde und in sich zusammensackte. Obwohl der Angeklagte wusste, dass er damit ihren Tod herbeiführen würde, ging er mit ihr zu Boden und drückte ihren Hals noch wenigstens drei Minuten lang zu, bis sie tot war. Durch die Einwirkung brach das rechte Zungenbein der Ehefrau. Ihr Tod trat durch Ersticken ein (UA S. 15).
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Nachdem der Angeklagte den Tod seiner Ehefrau realisiert hatte, verbrachte er die Leiche in den Keller, um den eventuell aufwachenden Kindern den Anblick der toten Mutter zu ersparen. Im Verlaufe des Nachmittags offenbarte er zunächst seiner Schwester die Tötung der Ehefrau. Später stellte er sich der Polizei.
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3. Das sachverständig beratene Landgericht hat einen sich als tiefgreifende Bewusstseinsstörung erweisenden affektiven Ausnahmezustand (UA S. 47) bei dem Angeklagten angenommen. Dieser Zustand wurde auch durch das bewusstlose Zusammensacken der Getöteten nicht aufgehoben. Aufgrund des Affekts war bei erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit die Fähigkeit des Angeklagten, sich entsprechend dieser Einsicht zu steuern, erheblich vermindert.
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4. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 213 StGB geprüft, dessen Vorausset- zungen aber sowohl im Hinblick auf eine vorausgegangene Provokation gemäß § 213 Alt. 1 StGB als auch einen allgemeinen minder schweren Fall nach § 213 Alt. 2 StGB verneint. Geringfügige Verletzungen, wie sie dem Angeklagten hier von der Ehefrau zugefügt wurden, erreichten nicht die für eine „Misshandlung“ erforderliche Erheblichkeit. Gleiches gelte für eine in dem Verhalten der getöte- ten Ehefrau möglicherweise liegende „seelische Misshandlung“. Es hat zudem die während der verbalen Auseinandersetzung geäußerten Beleidigungen nicht als schwer im Sinne von § 213 Alt. 1 StGB bewertet. Maßgebend sei eine Beurteilung aufgrund einer Gesamtwürdigung nach objektivem Maßstab unter Berücksichtigung der Gesamtbeziehung von Täter und Opfer. In seiner Gesamtwürdigung hat das Tatgericht vor allem auf den Inhalt der in den zahlreichen vorausgegangenen Streitigkeiten erfolgten, den Angeklagten herabwürdigenden Äußerungen der Ehefrau abgestellt. Vor diesem Hintergrund verlören die in der Tatnacht getätigten, zudem im Streit geäußerten Beleidigungen an Gewicht.
11
Ein minder schwerer Fall gemäß § 213 Alt. 2 StGB ist vom Landgericht ebenfalls in Betracht gezogen worden. Auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB hat es einen solchen verneint, den Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB jedoch gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert.

II.

12
Die nachträglich beschränkte Revision hat keinen Erfolg. Der Strafausspruch des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
13
1. Die durch den dazu ausdrücklich ermächtigten (§ 302 Abs. 2 StPO) Wahlverteidiger in der Revisionshauptverhandlung erklärte, als Teilrücknahme zu wertende Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch, der die Vertreterin des Generalbundesanwalts zugestimmt hat (§ 303 Satz 1 StPO), ist wirksam. Die Beschränkung bezieht sich ungeachtet der Annahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten auf einen Beschwerdepunkt, der von dem nicht angefochtenen Schuldspruch unabhängig beurteilt werden kann. Das angefochtene Urteil enthält, was einer wirksamen Beschränkung entgegenstehen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2001 – 2 StR 500/00, BGHSt 46, 257, 259), keine Anhaltspunkte für eine Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeklagten.
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2. Das Landgericht hat die Voraussetzungen eines minder schweren Falls des Totschlags hinsichtlich beider Varianten des § 213 StGB ohne Rechtsfehler verneint.
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a) Die von der Revision beanstandete Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.), ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Urteile vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268; vom 29. Juni 1991 – 3 StR 145/91, BGHR StGB § 1, Gesamtwürdigung 7; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 146 mwN).
16
Das Revisionsgericht darf die der Entscheidung des Tatrichters über das Vorliegen eines minder schweren Falls zugrunde liegende Wertung nicht selbst vornehmen, sondern lediglich daraufhin überprüfen, ob dem Tatrichter ein Rechtsfehler unterlaufen ist (siehe BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.). Diese Grundsätze über den für das Revisionsgericht geltenden Prüfungsmaßstab gelten nicht nur für die tatrichterliche Beurteilung des unbenannten minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 2 StGB, sondern auch für die in § 213 Alt. 1 StGB benannten Konstellationen minder schwerer Fälle. Denn bei § 213 StGB insgesamt und nicht lediglich bei seiner zweiten Alternative handelt es sich um eine Strafzumessungsregel (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1966 – 2 StR 525/65, BGHSt 21, 14, 15; siehe auch Beschluss vom 12. Oktober 1977 – 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287, 289; H. Schneider in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 4, § 213 Rn. 1 mwN).
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b) Derartige der Revision zugänglichen Rechtsfehler bei der Anwendung von § 213 StGB weist das angefochtene Urteil nicht auf.
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aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können lediglich solche dem späteren Täter zugefügten Misshandlungen die Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 1 StGB begründen, die nach ihrem Gewicht und den Umständen des Einzelfalls geeignet sind, die „Jähtat als verständliche Reaktion“ auf das provozierende Verhalten des Opfers der nachfol- genden Tötungstat erscheinen zu lassen (BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 – 4 StR 37/95, NJW 1995, 1910, 1911; BGH, Urteil vom 4. Mai 1995 – 5 StR 213/95, NStZ 1996, 33; vgl. auch BGH, Urteil vom 1. August 1996 – 5 StR 214/96,BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 5; aber auch Senat, Urteil vom 4. Dezember 1990 – 1 StR 577/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 3). Diese Voraussetzungen können selbst bei einer lediglich versuch- ten Körperverletzung gegeben sein (BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 – 4StR 37/95, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 4; Urteil vom 1. August 1996 – 5 StR 214/96, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 5). Da sich die Tötungstat jedoch als „verständliche Reaktion“ auf die vorausgegangene Miss- handlung durch das spätere Opfer erweisen muss, werden eingetretene oder drohende lediglich geringfügige Eingriffe in die körperliche oder seelische Unversehrtheit des Täters des Tötungsdelikts regelmäßig keine Misshandlung im Sinne von § 213 Alt. 1 StGB begründen können (Senat, Urteil vom 19. Februar

1991

1 StR 659/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 6 „nur erhebliche Beeinträchtigungen“ ; vgl. auch Jähnke in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., Band 5, § 213 Rn. 4; H. Schneider aaO § 213 Rn. 13 mwN).
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Dem entsprechend hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass es der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen von § 213 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung des menschlichen Lebens gebieten, die Anforderungen an das der Tat vorausgehende Opferverhalten und auch an die auf die tatauslösende Situation zulaufende Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung nicht zu niedrig anzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 10; Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339 f.; vom 8. Juli 2014 – 3 StR228/14 Rn. 5). An diesem Gebot hat sich trotz der Verschärfung des Strafrahmens von § 213 StGB durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) nichts geändert (Senat, Beschluss vom 15. Januar 2002 – 1 StR 548/01, NStZ-RR 2002, 140 f.; siehe auch BGH, Urteil vom 9. Juli 1998 – 4 StR 136/98).
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Ob nach den vorgenannten Grundsätzen eine Misshandlung gegeben ist, hat der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller dafür maßgebenden Umstände, namentlich unter Berücksichtigung der bisherigen Täter-Opfer-Beziehung und der damit verbundenen Motivationsgenese, zu beurteilen (siehe BGH, Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 10 mwN).
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(1) An diesen Maßstäben gemessen hält die Bewertung des Tatgerichts, es fehle an einer der Tötungstat vorausgehenden und diese auslösenden erheblichen Misshandlung seitens der später getöteten Ehefrau sachlichrechtlicher Prüfung stand. Das Landgericht hat mit einer Gesamtwürdigung bei objektivem Maßstab unter Einbeziehung der Gesamtbeziehung von Täter und Opfer den zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt gewählt. Dass es eine ge- wisse Erheblichkeit der „Misshandlung“, sowohl unter dem Aspekt der körperli- chen als auch der seelischen Beeinträchtigung, für erforderlich gehalten hat, ist ersichtlich nicht zu beanstanden.
22
(2) Der Senat besorgt auch nicht, dass das Tatgericht seiner Beurteilung des Vorliegens einer Misshandlung rechtsfehlerhaft lediglich die unmittelbar der Tötung vorausgehende Attacke der Ehefrau auf den Angeklagten zugrunde gelegt hat. Wie die Revision und der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hervorheben, kann § 213 Alt. 1 StGB auch dann zur Anwendung gelangen, wenn die tatauslösende Misshandlung für sich allein genom- men, zwar keine „schwere Unbill“ darstellt, sieaber gleichsam nur der Tropfen ist, der das Fass zum Überlaufen bringt (Senat, Urteil vom 4. Dezember 1990 – 1StR 577/90, StV 1991, 105 f. mwN; siehe auch bzgl. einer vorangegangenen Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340 mwN; vom 8. Juli 2014 – 3 StR 228/14 Rn. 5). Nach dieser Rechtsprechung ist es daher geboten, in die ohnehin erforderliche Gesamtwürdigung auch in der Vergan- genheit liegende Vorgänge als mitwirkende Ursachen einzubeziehen (BGH, jeweils aaO).
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Auch wenn das Landgericht sich bezüglich einer tatauslösenden Misshandlung nicht ausdrücklich auf die vorgenannten Anforderungen bezogen hat, vermag der Senat nach dem Gesamtzusammenhang des Urteils auszuschließen , dass dem Tatrichter die Berücksichtigung früherer Misshandlungen im Rahmen der Gesamtwürdigung aus dem Blick geraten ist. Es hat nicht nur die Entwicklung der Beziehung zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau einschließlich der jedenfalls im Jahr 2013 in der Intensität deutlich zunehmenden Spannungen und Streitigkeiten festgestellt. Vielmehr verhält sich das angefochtene Urteil auch zu den wenigen früheren Streitigkeiten der Eheleute, bei denen es über die verbale Auseinandersetzung hinaus zu Tätlichkeiten gekommen ist (UA S. 11 unten und S. 12). In diesem Zusammenhang werden die von Seiten der Ehefrau unternommenen seltenen und nicht intensiven körperlichen Angriffe ebenso beschrieben wie die Fähigkeit des Angeklagten, sich dieser Attacken mühelos zu erwehren. Da das Landgericht zudem rechtlich zutreffend von der Berücksichtigung der Gesamtbeziehung zwischen Täter und Opfer ausgeht, lässt sich nicht annehmen, es habe zunächst dazu umfassende Feststellungen getroffen, die dann im Rahmen der Strafzumessung bei der Frage der Anwendung von § 213 StGB unbeachtet geblieben seien.
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bb) Aus entsprechenden Gründen halten auch die Erwägungen des Landgerichts zum Fehlen einer tatauslösenden schweren Beleidigung revisionsrechtlicher Prüfung stand.
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(1) Die Revision und der Generalbundesanwalt zeigen im rechtlichen Ausgangspunkt übereinstimmend zutreffend auf, dass auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer „schweren Beleidigung“ im Sinne von § 213Alt. 1 StGB nicht allein auf die in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Tatgeschehen stehenden Vorgänge abzustellen ist. Nach der ständigen Rechtspre- chung des Bundesgerichtshofs ist vielmehr eine „Ganzheitsbetrachtung“ erforderlich , die in der Vergangenheit liegende Vorgänge als „mitwirkende Ursachen“ mit einbezieht. Die Voraussetzungen von § 213 Alt. 1 StGB können dem- nach auch dann erfüllt sein, wenn zwar das Verhalten des Tatopfers vor der Tat isoliert betrachtet „keine schwere Beleidigung darstellt, dennoch aber den Täter zum Zorn reizte und auf der Stelle zur Tat hinriss, weil es nach einer ganzen Reihe von Kränkungen gleichsam nur noch der Tropfen war, der das Faß zum Überlaufen brachte.“ (siehe nur Senat, Beschlüsse vom 11. Juni 1996 – 1 StR 300/96, StV 1998, 131; vom 21. Mai 2004 – 1 StR 170/04, NStZ 2004, 631 f.; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340; Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 10 jeweils mwN; Beschluss vom 8. Juli 2014 – 3 StR 228/14 Rn. 5; Fischer aaO § 213 Rn. 5 aE mit zahlr. Nachweisen). In die erforderliche Gesamtbewertung sind alle Umstände einzubeziehen, die dem konkreten Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der Provokation durch das spätere Tatopfer sein Gepräge geben (Senat, Urteil vom 10. Oktober 1989 – 1 StR 239/89, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 5).
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(2) Dem wird das angefochtene Urteil gerecht. Das Landgericht hat ausdrücklich eine objektive Bewertung der seitens der Ehefrau geäußerten Beleidi- gungen unter „Berücksichtigung der Gesamtbeziehung von Täter und Opfer“ (UA S. 54) zugrunde gelegt. Die Feststellungen zeichnen die Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau insgesamt ausführlich und sorgfältig nach (UA S. 7-12). Das umfasst vor allem die ab 2011 einsetzenden Streitigkeiten in der Ehe und deren zunehmende Eskalation seit Februar 2013. Zudem stellt das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung den Inhalt der Streitigkeiten ab November 2013 mittels der von den beiden Beteiligten jeweils gefertigten Aufzeichnungen per Mobiltelefon im Einzelnen dar (UA S. 33-37). Dazu gehören auch die von der Ehefrau in diesen verbalen Auseinandersetzungen geäußerten Beleidigungen gegenüber dem Angeklagten.
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Den ausführlich dokumentierten Inhalt der früheren Streitigkeiten hat das Landgericht in die ihm obliegende Bewertung des Schweregrades der der Tötungstat unmittelbar vorausgegangenen Beleidigungen einbezogen. Da es sich ausdrücklich mit der Bedeutung der früheren Herabwürdigungen für die tatunmittelbaren Äußerungen befasst hat, vermag der Senat auch insoweit auszuschließen , dass das Tatgericht den Aspekt eines sich zu einer schweren Beleidigung aufsummierenden, sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Geschehens wiederholter Kränkungen aus dem Blick verloren haben könnte. Der rechtliche Ausgangspunkt des Tatgerichts, die Schwere der der Tat vorausgehenden Beleidigungen unter Berücksichtigung der früheren kränkenden Äußerungen zu beurteilen, ist als solcher ebenfalls rechtsfehlerfrei (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 1994 – 2 StR 382/94).
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Hat aber der Tatrichter den für die Beurteilung des Vorliegens eines minder schweren Falls rechtlich zutreffenden Maßstab gewählt, unterliegt die Wertung als solche, ob sich die geäußerten Beleidigungen unter Berücksichtigung des Gesamtgeschehens als schwer im Sinne von § 213 Alt. 1 StGB erweisen , nicht der revisionsgerichtlichen Kontrolle (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 1991 – 1 StR 659/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 6 bzgl. der Bewertung eines Fußtritts als erhebliche Misshandlung). Teil dieser dem Tatrichter obliegenden Wertung ist es auch, die Bewertungsrichtung der festgestellten konkreten Umstände (unter Einschluss der dem eigentlichen Tötungsgeschehen vorausgehenden) zu bestimmen und auf dieser Grundlage das Vorliegen der benannten Milderungsgründe aus § 213 Alt. 1 StGB zu beur- teilen. Es ist dem Revisionsgericht verwehrt, seine eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen.
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cc) Ob die Voraussetzungen von § 213 Alt. 1 StGB im Einzelfall aufgrund einer Kumulation von vorausgehender Misshandlung und schwerer Beleidigung verwirklicht werden können (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 1991 – 1 StR 659/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 6), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn nach den Feststellungen und der Beweiswürdigung des Tatgerichts , worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist, bildete der der Tötungstat vorausgehende körperliche Übergriff den unmittelbaren Auslösereiz für den affektiven Ausnahmezustand des Angeklagten (UA S. 14 und S. 48). Beruht nach diesen rechtsfehlerfreien Feststellungen der die Tötungstat auslösende Zorn des Angeklagten auf dem körperlichen Angriff durch die Ehefrau und nicht auf vorangegangenen Beleidigungen, hätte die Anwendung von § 213 Alt. 1 StGB weder auf das Vorliegen schwerer Beleidigungen als solcher noch auf das Zusammenwirken von solchen und Misshandlungen gestützt werden können. Maßgeblich sind nämlich nur diejenigen Motive des Täters, die in der Tatsituation einen beherrschenden Einfluss auf den Täter gehabt haben (vgl. Schneider aaO § 213 Rn. 31). War aber eine für § 213 Alt. 1 StGB nicht ausreichend erhebliche Misshandlung der eigentliche Auslösereiz des Affekts, kann nicht auf eine im Motivbündel nur untergeordnete Reizung durch eine (schwere) Beleidigung abgestellt werden (siehe insoweit BGH, Beschluss vom 22. April 2004 – 4 StR 48/04, NStZ 2004, 500 f. mwN).
30
dd) Die Verneinung eines sonst minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 2 StGB hält ebenfalls sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
31
(1) Das Landgericht ist von der gebotenen Gesamtbewertung aller relevanten Umstände (Fischer aaO § 213 Rn. 12; H. Schneider aaO § 213 Rn. 49 jeweils mwN) ausgegangen. In diese hat es zugunsten des Angeklagten die jeweils nicht die Schwelle von § 213 Alt. 1 StGB erreichenden Misshandlungen bzw. Beleidigungen durch die später getötete Ehefrau einbezogen und den minder schweren Fall zunächst ohne Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB geprüft.
32
Die zu Lasten des Angeklagten wirkende Erwägung des Tatrichters, er habe „seinen zwei kleinen Kindern, die aufgrund ihres jungen Alters von nur ein und vier Jahren der mütterlichen Zuwendung in besonderem Maß bedürfen, durch die Tat die Mutter“ genommen (UA S. 54 f.), ist nicht rechtsfehlerhaft und verstößt insbesondere nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Das Tatgericht hat erkennbar nicht auf das mit nahezu jeder Tötung einhergehende Leid der Angehörigen und dem schmerzlichen Verlust einer Bezugsperson abgestellt. Vielmehr hat es in rechtlich fehlerfreier Weise das spezifische Alter von Sohn und Tochter der Getöteten in den Blick genommen und damit auf eine zulässige einzelfallbezogene Differenzierung nach der Bedeutung des Vorhandenseins der getöteten Bezugsperson für die konkreten Angehörigen abgestellt. Damit erschöpft sich die Erwägung gerade nicht in der Heranziehung einer typischen Tatfolge eines Tötungsdelikts.
33
(2) Gleiches gilt auch für die weitere Strafzumessungserwägung, die beiden Kinder litten erheblich unter dem Verlust der Mutter. Das Landgericht hat damit auf die im konkreten Fall bewirkten verschuldeten Auswirkungen der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB) abgestellt, die bei beiden Kindern eingetreten sind. Deren Eintritt hat das Tatgericht mit der bei der Tochter weiterhin erfolgenden psychologischen Betreuung mit Feststellungen unterlegt. Dass es dabei die in der Beweiswürdigung ausdrücklich dargestellte zwischenzeitliche Besserung des Zustands der Tochter aus dem Blick verloren haben könnte, ist nicht zu besorgen.
34
Ohne Rechtsfehler hat das Tatgericht das Leiden der Kinder unter dem Verlust der Mutter als verschuldete Auswirkungen der Tat gewertet. Dem steht die Begehung der Tat im Zustand der durch einen Affekt bewirkten erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht entgegen. Da seine Einsichtsfähigkeit insgesamt erhalten geblieben ist und er – wie sich sowohl aus dem festgestellten allgemeinen Umgang mit den Kindern als auch aus seinem Nachtatverhalten (Verbringen der Leiche in den Keller, um ihnen den Anblick der toten Mutter zu ersparen) ergibt – um deren Wohl besonders bemüht war, waren die eingetretenen Tatfolgen für ihn vorhersehbar.
35
(3) Angesichts der rechtsfehlerfreien strafschärfenden Berücksichtigung der vorstehend erörterten Umstände bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Verneinung eines sonstigen minder schweren Falls selbst unter zusätzlicher Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes gemäß § 21 StGB. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters zwischen dem Strafrahmen aus § 213 StGB und dem über § 49 Abs. 1 StGB (hier in Verbindung mit § 21 StGB) gemilderten Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB zu wählen (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 2. November 1983 – 2 StR 492/83, NStZ 1984, 118; Fischer aaO § 213 Rn. 19 mwN). Hat das Tatgericht wie hier sein Ermessen ohne Rechtsfehler ausgeübt, hat das Revisionsgericht die Würdigung als solche hinzunehmen, mag auch eine andere ebenfalls in Betracht gekommen sein.
36
3. Die konkrete Strafzumessung weist keine den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Wie bereits ausgeführt [II.2.b)dd)] durfte das Landgericht die Auswirkungen der Tat auf die beiden Kinder strafschärfend berücksichtigen.
37
4. Unter den konkreten Umständen des Einzelfalls hätte sich im Übrigen selbst eine rechtsfehlerhafte Ablehnung von § 213 StGB nicht auf die Strafzumessung ausgewirkt. Da nach den Feststellungen hier zwischen den vorausgegangenen Kränkungen bzw. Tätlichkeiten und dem affektiven Ausnahmezustand eine enge Verbindung bestand, sie also auf dieselbe Wurzel zurückzuführen sind (siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 30. April 1991 – 4 StR 140/91, NStE Nr. 24 zu § 213 StGB, vom 24. Oktober 2012 – 5 StR 472/12, NStZ 2013, 341 mwN), hätte eine weitere Milderung des Strafrahmens von § 213 StGB über §§ 21, 49 StGB nicht erfolgen können.

III.

38
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO, diejenige über die notwendigen Auslagen aus einer entsprechenden Anwendung von § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO. Rothfuß Graf Radtke RinBGH Dr. Fischer ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Mosbacher Rothfuß

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(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

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Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafprozeßordnung - StPO | § 302 Zurücknahme und Verzicht


(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausges

Strafgesetzbuch - StGB | § 213 Minder schwerer Fall des Totschlags


War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minde

Strafprozeßordnung - StPO | § 472 Notwendige Auslagen des Nebenklägers


(1) Die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen sind dem Angeklagten aufzuerlegen, wenn er wegen einer Tat verurteilt wird, die den Nebenkläger betrifft. Die notwendigen Auslagen für einen psychosozialen Prozessbegleiter des Nebenklägers kön

Strafgesetzbuch - StGB | § 1 Keine Strafe ohne Gesetz


Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

Strafprozeßordnung - StPO | § 303 Zustimmungserfordernis bei Zurücknahme


Wenn die Entscheidung über das Rechtsmittel auf Grund mündlicher Verhandlung stattzufinden hat, so kann die Zurücknahme nach Beginn der Hauptverhandlung nur mit Zustimmung des Gegners erfolgen. Die Zurücknahme eines Rechtsmittels des Angeklagten beda

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War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

Wenn die Entscheidung über das Rechtsmittel auf Grund mündlicher Verhandlung stattzufinden hat, so kann die Zurücknahme nach Beginn der Hauptverhandlung nur mit Zustimmung des Gegners erfolgen. Die Zurücknahme eines Rechtsmittels des Angeklagten bedarf jedoch nicht der Zustimmung des Nebenklägers.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Der Rechtsmittelverzicht eines Angeklagten ist unwirksam, wenn er
lediglich aufgrund einer - auch irrtümlich - objektiv unrichtigen Erklärung oder
Auskunft des Gerichts (hier: zu beamtenrechtlichen Nebenfolgen des Urteils)
zustandegekommen ist.
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist unwirksam
, wenn eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nicht rechtsfehlerfrei
begründet wurde und Schuldunfähigkeit nicht auszuschließen ist.
BGH, Beschluß vom 10. Januar 2001 - 2 StR 500/00 - LG Darmstadt -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 500/00
vom
10. Januar 2001
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Erpressung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Januar 2001 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 11. August 2000 mit den Feststellungen - mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Erpressung zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Strafe und Maßregel wurden zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner auf den Strafausspruch beschränkten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er erstrebt eine Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr mit Bewährung. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang.

II.

1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Der in der Hauptverhandlung erklärte Rechtsmittelverzicht des Angeklagten ist unwirksam. Die Strafkammer ging in der Hauptverhandlung - ebenso wie die übrigen Verfahrensbeteiligten - versehentlich davon aus, der Status des Angeklagten als Kommunalbeamter werde nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BRRG nicht tangiert, wenn er wegen versuchter Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr verurteilt werde. Diese Auffassung äußerte der Vorsitzende auch in der mündlichen Urteilsbegründung. Lediglich aufgrund dieser Umstände erklärte der Angeklagte im Anschluß an die Urteilsverkündung nach Rücksprache mit seinem Verteidiger, er verzichte auf Rechtsmittel und nehme das Urteil an. Der Verzicht wurde protokolliert, verlesen und genehmigt. Auch der Staatsanwalt verzichtete auf Rechtsmittel. Dieser Verfahrensgang ergibt sich aus den übereinstimmenden dienstlichen und anwaltlichen Erklärungen der richterlichen Mitglieder der Strafkammer und des Verteidigers sowie dem Hauptverhandlungsprotokoll. In Wirklichkeit entsprach die Rechtsauffassung der Strafkammer jedoch nicht § 24 Abs. 1 Nr. 1 BRRG. Nach dieser Vorschrift endet das Beamtenverhältnis mit Rechtskraft der Verurteilung eines Beamten wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr. Ein Rechtsmittelverzicht ist als Prozeßerklärung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr., vgl. u.a. BGHSt 45, 51, 53). Die Rechtsprechung erkennt allerdings in eng begrenztem Umfang Ausnahmen an. In Betracht kommen insbesondere die Fälle schwerwiegender Willensmängel. Auch vom Gericht zu verantwortende Umstände der Art und Weise des Zustandekommens können einen Rechtsmittelverzicht unwirksam machen (BGHSt 45, 51, 53, 55). Deshalb kann ein Rechtsmittelverzicht ausnahmsweise unwirksam
sein, wenn er lediglich aufgrund einer - sei es auch irrtümlich - objektiv unrichtigen Erklärung oder Auskunft des Gerichts zustandegekommen ist (vgl. Kleinknecht /Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 302 Rdn. 10, 22; Gollwitzer in Löwe/ Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 302 Rdn. 52; Ruß in KK 4. Aufl. § 302 Rdn. 13; OLG Koblenz NStZ-RR 1996, 306 jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Strafkammer hat durch ihre objektiv unzutreffenden Erklärungen zu den beamtenrechtlichen Nebenfolgen des Urteils dem Angeklagten die Vorstellung vermittelt, sein Status als Beamter werde durch das Urteil nicht berührt. Nur deshalb hat der Angeklagte auf Rechtsmittel verzichtet. Daran , daß der Angeklagte auf die wiederholt geäußerte Beurteilung des Landgerichts vertraut hat, trifft ihn kein Verschulden. Wegen der dargelegten Umstände seines Zustandekommens war der Rechtsmittelverzicht des Angeklagten hier von Anfang an unwirksam. Auf eine Anfechtung wegen Irrtums kommt es daher nicht an. 2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist unwirksam. Der Schuldspruch und die Strafzumessung sind hier so miteinander verknüpft , daß eine getrennte Überprüfung der Strafzumessung nicht möglich wäre , ohne den nicht angefochtenen Schuldspruch mit zu berühren (vgl. BGH NJW 1996, 2663, 2664 m.w.N.). Wird der Strafausspruch angefochten, ist auch die Frage einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit Gegenstand der revisionsrechtlichen Prüfung. Diese ergibt hier, daß das Urteil keine rechtsfehlerfreie Begründung für die Annahme einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit enthält. Auf der Grundlage des angefochtenen Urteils läßt sich auch nicht völlig ausschließen, daß der Angeklagte zur Tatzeit steuerungsunfähig war.
Das Landgericht teilt zwar die Entwicklung der psychischen Erkrankung des Angeklagten mit dem wiederholten Wechsel von manischen und depressiven Phasen näher mit. Die Beurteilung dieser Erkrankung durch das sachverständig beratene Landgericht ist jedoch unklar und widersprüchlich. Im Anschluß an den Sachverständigen meint das Landgericht, der Angeklagte sei zur Tatzeit an einer "aktuellen seelischen Störung" erkrankt gewesen, durch die seine Fähigkeit zur Willensbildung, seine Steuerungskontrolle und seine gesamte Reflexionsfähigkeit erheblich gestört gewesen seien. Die Steuerungsfähigkeit sei insbesondere auch deshalb erheblich vermindert gewesen, weil die manische Symptomatik durch die fortgeführte Einnahme von Antidepressiva verstärkt worden sei. Welche psychische Erkrankung der Sachverständige konkret festgestellt hat, wird aber nicht näher mitgeteilt. Nach den vom Landgericht beschriebenen Krankheitssymptomen kommen hier eine manische Episode zur Tatzeit, aber auch eine bipolare affektive Störung in Betracht , die früher nach Kurt Schneider als "Zyklothymie" bezeichnet wurde (vgl. hierzu Nedopil, Forensische Psychiatrie S. 113 ff.). Einer dahingehenden Beurteilung widerspricht aber, daß das Landgericht Schuldunfähigkeit ausschließt , weil der Angeklagte "nicht an einer Manie im Sinne einer Psychose" gelitten habe. Gerade bei den in Betracht kommenden affektiven Störungen handelt es sich aber um Psychosen. Sollte es zutreffen, daß der Angeklagte bei der Tat nicht an einer Psychose litt, fehlte schon die Grundlage für die Annahme einer erheblichen Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit. Hinzu kommt: Bei mittelgradigen Depressionen oder Manien kann die Willensbildung aufgehoben sein, wenn Motivation und Verhalten auf die affektive Störung zurückzuführen sind. Bei schweren manischen (oder depressiven) Episoden liegt daher eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit jedenfalls nicht fern (vgl. hierzu Nedopil aaO S. 117). Das Landgericht hätte daher die diagnostische Einord-
nung der Erkrankung und die Gewichtung ihrer Auswirkungen auf die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten näher darlegen müssen. Nach der bisherigen Erörterung dieser Fragen ist nicht auszuschließen, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht nur erheblich vermindert, sondern aufgehoben war. Da hierdurch nicht nur der Straf-, sondern auch der Schuldspruch betroffen ist und die Frage der Schuldfähigkeit nur einheitlich beurteilt werden kann, ist eine Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch unzulässig. Ebensowenig kann unter diesen Umständen die Maßregelanordnung von der Anfechtung ausgenommen werden. 3. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs. Der Schuldspruch hält der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand, weil das Landgericht - wie bereits dargelegt - Schuldunfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat. Daneben ist auch die Strafzumessung rechtsfehlerhaft. Das Landgericht war der in den Urteilsgründen mitgeteilten Ansicht, daß die Beendigung des Beamtenverhältnisses als Nebenfolge der strafrechtlichen Verurteilung unangemessen wäre und der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten nicht gerecht würde. Die Strafkammer ging jedoch - wie bereits ausgeführt - unter Verkennung von § 24 BRRG irrtümlich davon aus, daß bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr diese Folge nicht eintreten werde. Daher wurde bei der Bemessung der Strafe auch die beamtenrechtliche Nebenfolge nicht zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt. Die Maßregelanordnung hat ebenfalls keinen Bestand, weil die Schuldfähigkeit des Angeklagten bisher nicht rechtsfehlerfrei geprüft wurde.
Die Feststellungen zum äußeren Tathergang können jedoch bestehen bleiben, weil sie von den dargelegten Rechtsfehlern nicht berührt werden. Jähnke Detter Bode Otten Elf

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

5 StR 530/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
Vom 18. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 9. Juli 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Ihr Rechtsmittel dringt mit der Sachrüge zum Strafausspruch durch. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Die alkoholabhängige Angeklagte lebte seit Ende 1999 mit der Mutter der Nebenklägerin in einer lesbischen Lebensgemeinschaft. Beide Frauen sprachen übermäßig alkoholischen Getränken zu; unter deren Einfluss kam es zu Streitigkeiten und tätlichen Angriffen der Angeklagten auf ihre Partne- rin. Ihr Verhältnis war von wechselseitiger heftiger Eifersucht geprägt. Die Angeklagte verletzte ihre Lebensgefährtin am 4. Dezember 2004 mit einem Messer (BAK über 2 ‰) und am 19. Mai 2005 mit Faustschlägen und Tritten (BAK über 1,5 ‰). Dieserhalb wurde die Angeklagte vom Amtsgericht Plauen am 7. Dezember 2005 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
4
Am nächsten Abend kam es nach erneutem Alkoholkonsum in der gemeinsamen Wohnung zu einem weiteren heftigen Streit. Die Lebensgefährtin der Angeklagten warf dieser vor, ihr untreu zu sein, und machte ihr Vorhaltungen wegen der Gerichtsverhandlung vom Vortag. Schließlich tötete die Angeklagte ihre Partnerin mit sechs Stichen. Sie ließ die Getötete liegen, zog aus und vertuschte die Tat gegenüber Dritten bis Ende April 2006.
5
b) Das Landgericht schloss – dem psychiatrischen Sachverständigen folgend – eine Schuldunfähigkeit aus und nahm Zeichen einer anderen schweren seelischen Abartigkeit im Umfang des § 21 StGB an: „Diese lägen in einer Alkoholabhängigkeit der Angeklagten und einer problematischen Persönlichkeitsentwicklung mit deutlichen Zügen von Dissozialität und emotionaler Instabilität begründet. Die schwere seelische Abartigkeit in Kombination mit der tataktuellen Alkoholisierung wäre ausreichend – bei bestehender Einsichtsfähigkeit –, die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten erheblich einzuschränken (§ 21 StGB).“
6
c) Das Landgericht hat die Annahme eines sonstigen minder schweren Falles im Sinne des § 213 StGB mit folgenden Erwägungen abgelehnt: „Die Kammer beachtete zu Gunsten der Angeklagten, dass der Tat ein Streit zwischen Täter und Opfer vorausging und geht von einer spontanen Tatbegehung aus. Diesem Aspekt steht entgegen, dass die Angeklagte mit überaus roher Gesinnung G. tötete. Sowohl die konkrete Begehungsweise als auch das Verhalten nach der Tat sprechen gegen die Annahme eines minder schweren Falles (UA S. 28).“
7
Die Schwurgerichtskammer hat eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wegen „Alkoholgewöhnung“ abgelehnt, „da die Angeklagte … bereits vor dieser Tat die Neigung zeigte, nach Alkoholgenuss Straftaten unter Gewaltanwendung gegen Leib und Leben eines Anderen zu begehen und sich die Angeklagte dieser Neigung bewusst war oder zumindest bewusst hätte sein können“ (UA S. 29).
8
2. Zwar ist die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr. vgl. nur BGHSt 3, 179; 24, 268; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung 7). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGHR aaO). Dies ist hier der Fall.
9
a) Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte habe ihre Partnerin aus überaus roher Gesinnung getötet, entbehrt einer tatsächlichen Grundlage (vgl. BGH StV 2002, 235 m.w.N.). Einer solchen Annahme stehen der festgestellte Streit und die von dem Opfer erhobenen Vorwürfe entgegen.
10
b) Soweit das Landgericht die Tatmodalitäten strafschärfend gewertet hat, besorgt der Senat, dass die Schwurgerichtskammer die Tatausführung bei den hier vorliegenden Voraussetzungen einer verminderten Schuldfähigkeit über das Maß der geminderten Schuld hinaus der Angeklagten angelastet hat (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 38; BGHR StV 2005, 495).
11
Gegenstand c) eines auf das Verhalten nach der Tat gestützten schulderhöhenden Umstands könnte vorliegend die Einstellung der Angeklagten zur Tat sein (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 9). Indes hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen, aus denen die dafür gebotene besondere Missachtung gerade des Tatopfers spricht (vgl. BGHR aaO Nachtatverhalten 11; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 376).
12
3. Die Strafe muss demnach neu bemessen werden. Bei dem hier vorliegenden Wertungsfehler bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen.
13
Der Senat weist darauf hin, dass – sollte eine erneute Entscheidung über eine Strafrahmenverschiebung erforderlich werden – zu erwägen sein wird, ob der Angeklagten ihr Alkoholkonsum im Blick auf ihre Alkoholabhängigkeit und ihres Hanges, Alkohol im Übermaß zu konsumieren (UA S. 30) uneingeschränkt vorgeworfen werden kann (vgl. BGHSt 49, 239, 254; Tröndle /Fischer, StGB 54. Aufl. § 21 Rdn. 26).
14
Jedenfalls wird der neue Tatrichter die Vollstreckungsreihenfolge anhand des jetzt geltenden § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB zu prüfen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2007 – 5 StR 374/07). Gerhardt Raum Brause Schaal Jäger

Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

5 StR 530/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
Vom 18. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 9. Juli 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Ihr Rechtsmittel dringt mit der Sachrüge zum Strafausspruch durch. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Die alkoholabhängige Angeklagte lebte seit Ende 1999 mit der Mutter der Nebenklägerin in einer lesbischen Lebensgemeinschaft. Beide Frauen sprachen übermäßig alkoholischen Getränken zu; unter deren Einfluss kam es zu Streitigkeiten und tätlichen Angriffen der Angeklagten auf ihre Partne- rin. Ihr Verhältnis war von wechselseitiger heftiger Eifersucht geprägt. Die Angeklagte verletzte ihre Lebensgefährtin am 4. Dezember 2004 mit einem Messer (BAK über 2 ‰) und am 19. Mai 2005 mit Faustschlägen und Tritten (BAK über 1,5 ‰). Dieserhalb wurde die Angeklagte vom Amtsgericht Plauen am 7. Dezember 2005 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
4
Am nächsten Abend kam es nach erneutem Alkoholkonsum in der gemeinsamen Wohnung zu einem weiteren heftigen Streit. Die Lebensgefährtin der Angeklagten warf dieser vor, ihr untreu zu sein, und machte ihr Vorhaltungen wegen der Gerichtsverhandlung vom Vortag. Schließlich tötete die Angeklagte ihre Partnerin mit sechs Stichen. Sie ließ die Getötete liegen, zog aus und vertuschte die Tat gegenüber Dritten bis Ende April 2006.
5
b) Das Landgericht schloss – dem psychiatrischen Sachverständigen folgend – eine Schuldunfähigkeit aus und nahm Zeichen einer anderen schweren seelischen Abartigkeit im Umfang des § 21 StGB an: „Diese lägen in einer Alkoholabhängigkeit der Angeklagten und einer problematischen Persönlichkeitsentwicklung mit deutlichen Zügen von Dissozialität und emotionaler Instabilität begründet. Die schwere seelische Abartigkeit in Kombination mit der tataktuellen Alkoholisierung wäre ausreichend – bei bestehender Einsichtsfähigkeit –, die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten erheblich einzuschränken (§ 21 StGB).“
6
c) Das Landgericht hat die Annahme eines sonstigen minder schweren Falles im Sinne des § 213 StGB mit folgenden Erwägungen abgelehnt: „Die Kammer beachtete zu Gunsten der Angeklagten, dass der Tat ein Streit zwischen Täter und Opfer vorausging und geht von einer spontanen Tatbegehung aus. Diesem Aspekt steht entgegen, dass die Angeklagte mit überaus roher Gesinnung G. tötete. Sowohl die konkrete Begehungsweise als auch das Verhalten nach der Tat sprechen gegen die Annahme eines minder schweren Falles (UA S. 28).“
7
Die Schwurgerichtskammer hat eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wegen „Alkoholgewöhnung“ abgelehnt, „da die Angeklagte … bereits vor dieser Tat die Neigung zeigte, nach Alkoholgenuss Straftaten unter Gewaltanwendung gegen Leib und Leben eines Anderen zu begehen und sich die Angeklagte dieser Neigung bewusst war oder zumindest bewusst hätte sein können“ (UA S. 29).
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2. Zwar ist die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr. vgl. nur BGHSt 3, 179; 24, 268; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung 7). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGHR aaO). Dies ist hier der Fall.
9
a) Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte habe ihre Partnerin aus überaus roher Gesinnung getötet, entbehrt einer tatsächlichen Grundlage (vgl. BGH StV 2002, 235 m.w.N.). Einer solchen Annahme stehen der festgestellte Streit und die von dem Opfer erhobenen Vorwürfe entgegen.
10
b) Soweit das Landgericht die Tatmodalitäten strafschärfend gewertet hat, besorgt der Senat, dass die Schwurgerichtskammer die Tatausführung bei den hier vorliegenden Voraussetzungen einer verminderten Schuldfähigkeit über das Maß der geminderten Schuld hinaus der Angeklagten angelastet hat (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 38; BGHR StV 2005, 495).
11
Gegenstand c) eines auf das Verhalten nach der Tat gestützten schulderhöhenden Umstands könnte vorliegend die Einstellung der Angeklagten zur Tat sein (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 9). Indes hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen, aus denen die dafür gebotene besondere Missachtung gerade des Tatopfers spricht (vgl. BGHR aaO Nachtatverhalten 11; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 376).
12
3. Die Strafe muss demnach neu bemessen werden. Bei dem hier vorliegenden Wertungsfehler bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen.
13
Der Senat weist darauf hin, dass – sollte eine erneute Entscheidung über eine Strafrahmenverschiebung erforderlich werden – zu erwägen sein wird, ob der Angeklagten ihr Alkoholkonsum im Blick auf ihre Alkoholabhängigkeit und ihres Hanges, Alkohol im Übermaß zu konsumieren (UA S. 30) uneingeschränkt vorgeworfen werden kann (vgl. BGHSt 49, 239, 254; Tröndle /Fischer, StGB 54. Aufl. § 21 Rdn. 26).
14
Jedenfalls wird der neue Tatrichter die Vollstreckungsreihenfolge anhand des jetzt geltenden § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB zu prüfen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2007 – 5 StR 374/07). Gerhardt Raum Brause Schaal Jäger

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

10
a) Den Anforderungen des § 213 Alternative 1 StGB genügen nur solche Provokationen, die unter objektiver Betrachtung – nicht nur aus der Sicht des Täters – geeignet sind, den Täter die erlittene Kränkung als schwere Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit empfinden zu lassen, und ihn deswegen in eine heftige Gemütsbewegung versetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339). Insofern ist auf Grundlage aller dafür maßgebenden Umstände, namentlich unter Berücksichtigung der gesamten Beziehung der Streitenden zu beurteilen, ob die Kränkung als schwere Beleidigung zu bewerten ist. Dabei ist auch deren Lebenskreis in den Blick zu nehmen, um so den Stellenwert der Provokation für die Motivationsgenese des Täters objektiv beurteilen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 1995 – 5 StR 213/95, NStZ 1996, 33 mwN). Der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen des § 213 Alternative 1 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung menschlichen Lebens gebieten es, die Anforderungen an die Schwere der Beleidigung, auch angesichts der auf die tatauslösende Situation zulaufenden Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung, nicht zu niedrig anzusetzen. Jedoch kann eine für sich gesehen nicht als gravierend einzustufende Kränkung dann als schwer zu beurteilen sein, wenn sie nach einer Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen der „Tropfen“ war, der „das Fass zum Überlaufen gebracht“ hat (st. Rspr., zuletzt BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339 mwN).

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 548/01
vom
15. Januar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2002 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München II vom 13. September 2001 im Strafausspruch mit
den Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Der Angeklagte wurde wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil von S. (Einzelstrafe sieben Jahre) sowie zwei (weiteren) Fällen der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil seiner Ehefrau (Einzelstrafe jeweils zwei Jahre), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision bleibt zum Schuldspruch erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO), hat aber zum Strafausspruch Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
1. Folgendes ist festgestellt: Im Rahmen des von der Ehefrau des Angeklagten eingeleiteten Scheidungsverfahrens kam es unter den Eheleuten zu Streitigkeiten vor allem über das Sorgerecht für die 1990 und 1992 geborenen Söhne und die Tilgung von Schulden in Höhe von mehreren hunderttausend DM. Diese rührten wesentlich von einem Hausbau her sowie von einem Darlehen über 80.000 DM, das für ein "Ayurveda-Studio" der Ehefrau aufgenommen worden war. Ein nennenswertes Einkommen erzielte diese nicht. Nach der Trennung der Eheleute verblieben dem Angeklagten, der in einem Zimmer zur Miete wohnte, von seinem Nettoverdienst von etwa 4.400 DM noch etwa 460 DM. Als die Zwangsversteigerung des Hauses anstand, verweigerte die Ehefrau ihre für einen freihändigen Verkauf erforderliche Zustimmung , ohne daß ein Grund hierfür festgestellt wäre, obwohl bei einer Zwangsversteigerung ein wesentlich geringerer Erlös zu erwarten war als bei einem freihändigen Verkauf. In dem nunmehr von der Ehefrau und den Söhnen bewohnten Haus hielt sich zumindest zeitweite S. , der Freund der Ehefrau, auf, dem diese auch den vom Angeklagten für sie und die Kinder geleasten Pkw - für den der Angeklagte monatliche Leasingraten bezahlte - zur Nutzung überlassen hatte. Als der Angeklagte erfuhr, daß die Söhne gegenüber dem Familiengericht erklärt hatten, im Fall einer Scheidung bei der Mutter bleiben zu wollen, war er enttäuscht und verzweifelt, nachdem diese bis zuletzt immer wieder versichert hatten, bei einer Scheidung bei ihm leben zu wollen. Wie es zu diesem Sinneswandel gekommen war, ist nicht mitgeteilt. Der Angeklagte vermutete "gleichfalls eine Intrige seiner Frau und ihres Freundes".
Der Angeklagte geriet über die ganze Situation so in Wut, daû er noch in derselben Nacht zu seinem früheren Wohnhaus und zu seiner Ehefrau fuhr, "um sie notfalls auch mit Schlägen zu zwingen, dem Verkauf des Hauses zuzustimmen" ; er nahm ein Küchenmesser mit, "um seiner Forderung Nachdruck verleihen zu können". Vor dem Haus steigerte sich seine Wut weiter, als er dort den von ihm geleasten und von S. benutzten Pkw stehen sah. Es ging ihm jetzt nicht mehr nur um den Hausverkauf, sondern er wollte "die Situation auf der Stelle unter Einsatz von Gewalt bereinigen" und dabei seine Ehefrau und S. "angreifen". Er betrat über die Garage die Waschküche, nachdem er zuvor einen aufgefundenen Radmutterschlüssel als Schlagwerkzeug an sich genommen hatte. In der Waschküche trat ihm seine Ehefrau entgegen, der er mit den Worten: "Jetzt hast Du erreicht, was Du wolltest, Du Drecksau!" den Radmutterschlüssel zweimal auf den Kopf schlug. Einen Tötungsvorsatz konnte die Strafkammer nicht feststellen. Als die Ehefrau S. um Hilfe rief, wandte sich der Angeklagte von ihr ab und lief in das Wohnzimmer, wo er mit den Worten: "Ich bring Dich um, Du Drecksau!" mit dem mitgebrachten Messer mehrfach auf S. einstach. Es kam zu einem Kampf, bei dem sich S. zwar letztlich erfolgreich wehren, tiefe Schnitt- und weniger tiefe Stichverletzungen aber nicht verhindern konnte. Am Ende konnte S. trotz Verfolgung durch den Angeklagten fliehen. Der Angeklagte kehrte zum Haus zurück und wandte sich wieder, diesmal auch mit dem Messer, gegen die Ehefrau, der er, noch immer ohne Tötungsvorsatz , trotz ihrer Gegenwehr Verletzungen am Ellenbogen und am Unterarm zufügte. Das Eingreifen der durch den Lärm aufgewachten Kinder ermöglichte dann auch der Ehefrau die Flucht.
2. Der Schuldspruch ist rechtsfehlerfrei. Der näheren Ausführung bedarf nur folgendes: Die Annahme, es liege nicht Tateinheit (natürliche Handlungseinheit), sondern Tatmehrheit hinsichtlich der drei Tatkomplexe vor, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht zu beanstanden. Höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen sind einer additiven Betrachtungsweise, wie sie der natürlichen Handlungseinheit zu Grunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich. Greift der Täter daher einzelne Menschen nacheinander an, so besteht selbst bei einheitlichem Tatentschluû und engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäûig kein Anlaû, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen (BGH StV 1999, 351, 352, StV 1994, 537, 538 jew. m.w.N.). Besonderheiten, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten (vgl. BGH StV 1994 aaO), sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich dies auch nicht daraus, daû der Angeklagte zweimal seine Ehefrau angriff, da der zwischenzeitliche Angriff gegen S. insoweit eine Zäsur bildet. 3. Der Strafausspruch kann dagegen keinen Bestand haben.
a) Hinsichtlich des Totschlagsversuchs ist ausgeführt, ein minder schwerer Fall (§ 213 StGB) liege nicht vor. Ein Anlaû, der den in § 213 StGB genannten Umständen auch nur annähernd vergleichbar sei, sei nicht ersichtlich. S. habe dem Angeklagten "keinerlei Anlaû" zur Tat gegeben, der Strafrahmen sei jedoch wegen Versuchs gemäû §§ 23, 49 StGB zu mildern. Dabei geht die Strafkammer von einem unzutreffenden Ansatz aus, da bei der Frage, ob ein sonstiger minder schwerer Fall im Sinne von § 213 StGB, zweite Alternative, vorliegt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
nicht auf die Vergleichbarkeit mit den Fällen einer Provokation abzustellen ist. Entscheidend hierfür ist vielmehr, ob das gesamte Tatbild einschlieûlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäû gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maûe abweicht, daû die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (BGH, Beschluû vom 21. Dezember 1992 - 5 StR 645/92 -; NStZ 1985, 310 m.w.N.). In diesem Zusammenhang können auch die Vorgeschichte der Tat und die gesamten Beziehungen zwischen den Beteiligten von Bedeutung sein (Eser in Schönke/ Schröder StGB, 26. Aufl. § 213 Rdn. 13 m.w.N.). Bereits bei Vorliegen eines "vertypten Milderungsgrundes" (hier: Versuch) kann die Annahme eines minder schweren Falles in Betracht kommen (st. Rspr., vgl. die Nachw. bei Tröndle/ Fischer StGB, 50. Aufl. § 50 Rdn. 2).
b) Nach diesen Grundsätzen hätte die Strafkammer bei der Prüfung des minder schweren Falles die dazu aufgezeigten Besonderheiten der Vorgeschichte der Tat in die Erörterung einbeziehen müssen. Die Strafkammer sieht zwar die finanzielle und familiäre Lage des Angeklagten als wesentlich zu Gunsten des Angeklagten sprechenden Gesichtspunkt an, erörtert diesen Umstand aber nicht - wie geboten - bereits bei der Prüfung des Strafrahmens sondern erst bei der Strafzumessung innerhalb des bereits gefundenen Strafrahmens. Schlieûlich hat S. selbst, für das Opfer eines Tötungsversuchs ungewöhnlich, "ein gewisses Verständnis" für die Gesamtsituation des Angeklagten gezeigt.
c) Allerdings gebietet der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts die Schwelle des § 213 StGB - auch nach der Strafrahmenverschärfung durch das 6. StrRG - nicht zu niedrig anzusetzen (Tröndle/Fischer aaO § 213 Rdn. 13 m.w.N.). Gleichwohl kann der Senat unter den hier gege-
benen Umständen nicht ausschlieûen, daû es sich im Ergebnis zu Gunsten des Angeklagten ausgewirkt hätte, wenn die Strafkammer die genannten Gesichtspunkte schon bei der Strafrahmenbestimmung erwogen hätte.
d) Die überwiegend auf dieselben Erwägungen wie die Strafe wegen versuchten Totschlags gestützten Einzelstrafen wegen der gefährlichen Körperverletzungen zum Nachteil der Ehefrau können schon im Hinblick auf den engen inneren Zusammenhang des gesamten Tatgeschehens keinen Bestand haben. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Kolz
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a) Den Anforderungen des § 213 Alternative 1 StGB genügen nur solche Provokationen, die unter objektiver Betrachtung – nicht nur aus der Sicht des Täters – geeignet sind, den Täter die erlittene Kränkung als schwere Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit empfinden zu lassen, und ihn deswegen in eine heftige Gemütsbewegung versetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339). Insofern ist auf Grundlage aller dafür maßgebenden Umstände, namentlich unter Berücksichtigung der gesamten Beziehung der Streitenden zu beurteilen, ob die Kränkung als schwere Beleidigung zu bewerten ist. Dabei ist auch deren Lebenskreis in den Blick zu nehmen, um so den Stellenwert der Provokation für die Motivationsgenese des Täters objektiv beurteilen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 1995 – 5 StR 213/95, NStZ 1996, 33 mwN). Der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen des § 213 Alternative 1 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung menschlichen Lebens gebieten es, die Anforderungen an die Schwere der Beleidigung, auch angesichts der auf die tatauslösende Situation zulaufenden Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung, nicht zu niedrig anzusetzen. Jedoch kann eine für sich gesehen nicht als gravierend einzustufende Kränkung dann als schwer zu beurteilen sein, wenn sie nach einer Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen der „Tropfen“ war, der „das Fass zum Überlaufen gebracht“ hat (st. Rspr., zuletzt BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 454/10
vom
21. Dezember 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
21. Dezember 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 19. Juli 2010 im Strafausspruch aufgehoben ; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg; zum Schuldspruch ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen lernten sich der Angeklagte und E. , das im Jahre 1991 geborene, an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leidende spätere Tatopfer, im Sommer 2009 kennen und begannen eine intime Beziehung. Obwohl es zu immer heftigeren Auseinandersetzungen kam, bei denen der Angeklagte sich nicht aggressiv verhielt, E. sich indes häufig selbst verletzte und gegenüber dem Angeklagten gewalttätig wurde, bezogen die beiden eine gemeinsame Wohnung in K. . Das spätere Opfer hatte in der Folgezeit wie schon zuvor intime Kontakte zu mehreren weiteren Männern. Aufgrund der immer weiter eskalierenden Streitigkeiten, in deren Verlauf der Angeklagte auch mit einem Messer und einem Teleskopschlagstock bedroht wurde, kam es mehrfach zu Einsätzen der Polizei. Zuletzt ereignete sich am 4. März 2010 in der gemeinsamen Wohnung eine Auseinandersetzung, die bis in die Nacht andauerte. Während dieser verhielt sich E. erneut aggressiv; sie versetzte dem Angeklagten Schläge und Tritte. Am nächsten Morgen ging der Streit weiter. Nachdem das spätere Opfer den Angeklagten von neuem provoziert und getreten hatte, wollte dieser die Wohnung verlassen. Dies gelang ihm jedoch nicht, weil E. die Tür verschlossen und die Schlüssel an sich genommen hatte. Sie griff den Angeklagten weiterhin an, schlug ihn mit einem Besenstiel und bedrohte ihn mit einem Messer. Sodann versuchte sie, den Angeklagten mit einem Antennenkabel zu schlagen. Dieser riss ihr das Kabel aus der Hand, wickelte es mehrfach um ihren Hals und zog es solange zu, bis sie sich nicht mehr bewegte. Sodann verknotete er es. Dabei verspürte der Angeklagte zugleich Wut, Aggression und Ohnmacht; er wollte, dass das Opfer mit seinem Verhalten aufhört und wusste sich nicht mehr anders zu helfen. Sachverständig beraten hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte sich bedingt durch einen Ausbruch narzisstischer Wut in einem Affektzustand befand, durch den seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB war.
3
Das Landgericht hat die Strafe dem oberen Bereich des Rahmens des § 213 StGB entnommen. Einen minder schweren Fall nach § 213 1. Alt. StGB hat es allein deshalb verneint, weil das vom Opfer beabsichtigte Schlagen mit einem Antennenkabel gegenüber dem körperlich weit überlegenen Angeklagten nicht als tatbestandsrelevante Provokation angesehen werden könne. Die Würdigung der Gesamtumstände einschließlich des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB führe jedoch zur Annahme eines sonstigen minder schweren Falles nach § 213 2. Alt. StGB.
4
2. Die Begründung, mit der die Strafkammer einen minder schweren Fall des Totschlags nach § 213 1. Alt. StGB abgelehnt hat, hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
Den Anforderungen an eine schwere Beleidigung im Sinne des § 213 1. Alt. StGB genügen nur solche Provokationen, die auf der Grundlage aller dafür maßgebenden Umstände unter objektiver Betrachtung und nicht nur aus der Sicht des Täters als schwer beleidigend zu beurteilen sind; denn der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen des § 213 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung menschlichen Lebens gebieten es, die Anforderungen an die Schwere der Beleidigung und auch der auf die tatauslösende Situation zulaufenden Entwicklung der Täter-OpferBeziehung nicht zu niedrig anzusetzen. Mit dieser Maßgabe kann jedoch auch eine für sich gesehen nicht als gravierend einzustufende Beleidigung dann als schwer zu bewerten sein, wenn sie nach einer Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen der "Tropfen" war, der "das Fass zum Überlaufen" gebracht hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 22. Juni 1993 - 5 StR 254/93, BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 8; Beschluss vom 21. Mai 2004 - 1 StR 170/04, NStZ 2004, 631, 632). Erforderlich ist deshalb stets eine Gesamtbetrachtung aller für die Beurteilung maßgeblichen Umstände (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1989 - 1 StR 239/89, BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 5).
6
Eine solche Gesamtwürdigung lässt das angefochtene Urteil vermissen. Das Landgericht hat ausschließlich den versuchten Angriff des Opfers gegen den Angeklagten mit dem Antennenkabel und damit noch nicht einmal den Verlauf der der Tat vorausgehenden Auseinandersetzung, sondern lediglich die unmittelbar tatauslösende Handlung des Opfers in seine Betrachtung einbezogen. Es hätte indes die gesamte Entwicklung der Beziehung zwischen dem Opfer und dem Angeklagten in den Blick nehmen und prüfen müssen, ob bei einer sachgerechten Bewertung aller maßgebenden Umstände die Voraussetzungen des § 213 1. Alt. StGB gegeben sind.
7
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Höhe der Strafe, auf die das Landgericht erkannt hat, auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Das Landgericht hat zwar die Voraussetzungen eines minder schweren Falles des Totschlags nach § 213 2. Alt. StGB angenommen. Dabei hat es allerdings den vertypten Strafmilderungsgrund des § 21 StGB in die Beurteilung einbezogen und somit "verbraucht". Es erscheint indes möglich, dass die Strafkammer, hätte sie die Voraussetzungen des § 213 1. Alt. StGB bejaht, den Strafrahmen des § 213 StGB erneut nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert und eine geringere Strafe verhängt hätte.
8
Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist eine derartige weitere Milderung des Strafrahmens nicht ausgeschlossen; denn der über den Erregungszustand im Sinne des § 213 1. Alt. StGB hinausgehende Affekt, der zu einer von dieser Bestimmung nicht vorausgesetzten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit führt, kann eine zusätzliche Strafrahmenverschiebung rechtfertigen, ohne dass dem § 50 StGB entgegensteht (BGH, Beschlüsse vom 13. August 1985 - 1 StR 250/85, NStZ 1986, 71; vom 6. November 1985 - 2 StR 590/85, NStZ 1986, 115; vom 8. Juni 1993 - 1 StR 276/93, BGHR StGB § 50 Mehrfachmilderung 3; vom 30. Juli 2008 - 2 StR 270/08, NStZ 2009, 91, 92). Bei der vom neuen Tatgericht gegebenenfalls zu treffenden Entscheidung, ob eine weitere Strafrahmenmilderung angezeigt ist, wird allerdings zu berücksichtigen sein, dass die Milderungsgründe durch die enge Verknüpfung zwischen der Kränkung und dem psychischen Zustand des Angeklagten auf dieselben Wurzeln zurückgehen (BGH, Urteil vom 22. Juni 1993 - 5 StR 254/93, BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 8; Beschluss vom 30. Juli 2008 - 2 StR 270/08, NStZ 2009, 91, 92).
9
4. Die getroffenen Feststellungen werden durch den aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt, sie können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind möglich. Becker von Lienen Hubert Schäfer Mayer
5
Den Anforderungen an eine Misshandlung oder schwere Beleidigung im Sinne des § 213 1. Alt. StGB genügen zwar grundsätzlich nur solche Provokationen , die auf der Grundlage aller dafür maßgebenden Umstände unter objektiver Betrachtung und nicht nur aus der Sicht des Täters als schwer zu beurteilen sind; denn der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen des § 213 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung menschlichen Lebens gebieten es, die Anforderungen an die Schwere der Misshandlung oder Beleidigung und auch der auf die tatauslösende Situation zulaufenden Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung nicht zu niedrig anzusetzen. Mit dieser Maßgabe kann jedoch auch eine für sich gesehen nicht als gravierend einzustufende Provokation dann als schwer zu bewerten sein, wenn sie nach einer Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen der "Tropfen" war, der "das Fass zum Überlaufen" brachte (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 - 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340 mwN). Erforderlich ist deshalb stets eine Gesamtbetrachtung aller für die Beurteilung maßgeblichen Umstände (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1989 - 1 StR 239/89, BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 5).

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 170/04
vom
21. Mai 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Mai 2004 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18. November 2003 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts Mannheim vom 18. November 2003 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Die auf § 136a StPO gestützte Rüge ist unbegründet. Auch wenn die Auskunft des Vernehmungsbeamten über das vorläufige Obduktionsergebnis nach dem damaligen Stand der Erkenntnisse unvollständig war, liegt keine verbotene Vernehmungsmethode in der Form einer bewußten Täuschung oder Irreführung vor. Das Schwurgericht hat freibeweislich geprüft und keine Anhaltspunkte dafür gefunden, daß der Angeklagte bewußt über die damalige Beweislage getäuscht worden ist; denn nachdem anfänglich verschiedene Todesursachen in Betracht gezogen worden waren, reduzierte sich die telefoni- sche Mitteilung auf Gewalteinwirkung im weiteren Sinne sowie eine nicht gänzlich auszuschließende Herzrhythmusstörung. Liegen nur fahrlässige Fehlleistungen bzw. Fehlinformationen der Ermittlungsbeamten vor, fehlt es an einem gezielten Einsatz unzulässiger Mittel (vgl. BGHSt 31, 395, 399 f.; BGH StV 1989, 515; KK-Boujong, 5. Aufl., § 136a Rdn. 23). Im übrigen hat der Angeklagte seine Angaben zum äußeren Tathergang auch in der Hauptverhandlung wiederholt , so daß jedenfalls zu diesem Zeitpunkt die damals unzutreffenden Angaben nicht mehr fortwirken konnten, nachdem zwischenzeitlich seit längerem das schriftliche Gutachten vorlag, welches von einem Tod infolge Erstikkens nach einem Angriff gegen den Hals ausgeht.
Die sachlich-rechtliche Beanstandung, eine Zusatzuntersuchung am Herz der Verstorbenen sei nicht durchgeführt worden, weshalb „nicht in verläßlicher Weise“ der Tod durch eine Herzrhythmusstörung ausgeschlossen werden könne, vermag die Beweiswürdigung der Strafkammer und das dieser zugrunde liegende Gutachten der rechtsmedizinischen Sachverständigen nicht zu erschüttern. Zudem bestand nach den Angaben des Hausarztes des Opfers, welcher das Vorliegen von Herzrhythmusstörungen ausschloß, keine Veranlassung , eine zusätzliche Untersuchung des Herzens durchzuführen – gerade auch in Anbetracht der Verletzungen des Opfers im Halsbereich.
Auch die Angriffe der Revision gegen die Strafzumessung bleiben ohne Erfolg.
Die tatrichterliche Würdigung, es lägen keine kränkenden Äußerungen des Tatopfers im Sinne einer schweren Beleidigung nach § 213 StGB vor, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (BGH NStZ 1982, 27; BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 6; BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 8). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß eine für sich gesehen nicht als schwer einzustufende Beleidigung dann als schwer bewertet werden kann, wenn sie nach einer Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen der „Tropfen“ war, der „das Faß zum Überlaufen“ gebracht hat (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1983, 365; BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 5). Der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen des § 213 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung menschlichen Lebens gebieten es jedoch, die Anforderungen an die Schwere der Beleidigungen und auch der auf die tatauslösende Situation zulaufenden Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung nicht zu niedrig anzusetzen (vgl. BGHSt 34, 37; BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 4 und 6). Daher genügen nur solche Provokationen den Anforderungen des § 213 1. Alt. StGB, die auf der Grundlage aller dafür maßgebenden Umstände unter objektiver Betrachtung und nicht nur aus der Sicht des Täters als schwer beleidigend zu beurteilen sind (BGHR aaO Beleidigung 4, 5 und 6).
Die Ausführungen des Tatrichters lassen nicht besorgen, daß er sich dieser Anforderungen an das Gewicht der Provokationslage nicht bewußt gewesen ist. Die Getötete hatte seit Herbst 2001 Veränderungen im Verhalten des Angeklagten bemerkt und aus weiteren Anhaltspunkten auf ein Verhältnis ihres Mannes mit einer anderen Frau geschlossen. Eine solche außereheliche Beziehung leugnete er auch noch vehement, als das Opfer nach einer mehrwöchigen Beobachtung des Angeklagten durch eine Detektei Fotos und Berichte vorliegen hatte, weshalb es dann in der Folge zu mehrfachen heftigen Auseinandersetzungen unter den Eheleuten kam. Dabei beleidigte die Geschädigte den Angeklagten, einen Rechtspfleger, und seine Geliebte, eine Reini- gungskraft im Gericht, in gleicher Weise wie auch unmittelbar vor der Tat, machte obszöne Anspielungen im Hinblick auf seine nachlassende Potenz und drohte mindestens einmal, den Direktor des Amtsgerichts als seinen Vorgesetzten über die außereheliche Beziehung zu informieren. Danach ist es nicht zu beanstanden , wenn die Strafkammer die Wiederholung solcher – für sich gesehen durchaus tiefgehender – Beleidigungen unmittelbar vor dem Tatgeschehen unter Berücksichtigung des weiteren Verhaltens des Angeklagten und unter objektiver Betrachtung der Gesamtumstände, nicht als schwere Beleidigungen im Sinne von § 213 beurteilt hat (vgl. BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 8).
Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung war zu verwerfen , weil sie dem Gesetz entspricht (§ 465 Abs. 1 StPO).
Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Graf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 454/10
vom
21. Dezember 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
21. Dezember 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 19. Juli 2010 im Strafausspruch aufgehoben ; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg; zum Schuldspruch ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen lernten sich der Angeklagte und E. , das im Jahre 1991 geborene, an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leidende spätere Tatopfer, im Sommer 2009 kennen und begannen eine intime Beziehung. Obwohl es zu immer heftigeren Auseinandersetzungen kam, bei denen der Angeklagte sich nicht aggressiv verhielt, E. sich indes häufig selbst verletzte und gegenüber dem Angeklagten gewalttätig wurde, bezogen die beiden eine gemeinsame Wohnung in K. . Das spätere Opfer hatte in der Folgezeit wie schon zuvor intime Kontakte zu mehreren weiteren Männern. Aufgrund der immer weiter eskalierenden Streitigkeiten, in deren Verlauf der Angeklagte auch mit einem Messer und einem Teleskopschlagstock bedroht wurde, kam es mehrfach zu Einsätzen der Polizei. Zuletzt ereignete sich am 4. März 2010 in der gemeinsamen Wohnung eine Auseinandersetzung, die bis in die Nacht andauerte. Während dieser verhielt sich E. erneut aggressiv; sie versetzte dem Angeklagten Schläge und Tritte. Am nächsten Morgen ging der Streit weiter. Nachdem das spätere Opfer den Angeklagten von neuem provoziert und getreten hatte, wollte dieser die Wohnung verlassen. Dies gelang ihm jedoch nicht, weil E. die Tür verschlossen und die Schlüssel an sich genommen hatte. Sie griff den Angeklagten weiterhin an, schlug ihn mit einem Besenstiel und bedrohte ihn mit einem Messer. Sodann versuchte sie, den Angeklagten mit einem Antennenkabel zu schlagen. Dieser riss ihr das Kabel aus der Hand, wickelte es mehrfach um ihren Hals und zog es solange zu, bis sie sich nicht mehr bewegte. Sodann verknotete er es. Dabei verspürte der Angeklagte zugleich Wut, Aggression und Ohnmacht; er wollte, dass das Opfer mit seinem Verhalten aufhört und wusste sich nicht mehr anders zu helfen. Sachverständig beraten hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte sich bedingt durch einen Ausbruch narzisstischer Wut in einem Affektzustand befand, durch den seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB war.
3
Das Landgericht hat die Strafe dem oberen Bereich des Rahmens des § 213 StGB entnommen. Einen minder schweren Fall nach § 213 1. Alt. StGB hat es allein deshalb verneint, weil das vom Opfer beabsichtigte Schlagen mit einem Antennenkabel gegenüber dem körperlich weit überlegenen Angeklagten nicht als tatbestandsrelevante Provokation angesehen werden könne. Die Würdigung der Gesamtumstände einschließlich des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB führe jedoch zur Annahme eines sonstigen minder schweren Falles nach § 213 2. Alt. StGB.
4
2. Die Begründung, mit der die Strafkammer einen minder schweren Fall des Totschlags nach § 213 1. Alt. StGB abgelehnt hat, hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
Den Anforderungen an eine schwere Beleidigung im Sinne des § 213 1. Alt. StGB genügen nur solche Provokationen, die auf der Grundlage aller dafür maßgebenden Umstände unter objektiver Betrachtung und nicht nur aus der Sicht des Täters als schwer beleidigend zu beurteilen sind; denn der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen des § 213 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung menschlichen Lebens gebieten es, die Anforderungen an die Schwere der Beleidigung und auch der auf die tatauslösende Situation zulaufenden Entwicklung der Täter-OpferBeziehung nicht zu niedrig anzusetzen. Mit dieser Maßgabe kann jedoch auch eine für sich gesehen nicht als gravierend einzustufende Beleidigung dann als schwer zu bewerten sein, wenn sie nach einer Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen der "Tropfen" war, der "das Fass zum Überlaufen" gebracht hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 22. Juni 1993 - 5 StR 254/93, BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 8; Beschluss vom 21. Mai 2004 - 1 StR 170/04, NStZ 2004, 631, 632). Erforderlich ist deshalb stets eine Gesamtbetrachtung aller für die Beurteilung maßgeblichen Umstände (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1989 - 1 StR 239/89, BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 5).
6
Eine solche Gesamtwürdigung lässt das angefochtene Urteil vermissen. Das Landgericht hat ausschließlich den versuchten Angriff des Opfers gegen den Angeklagten mit dem Antennenkabel und damit noch nicht einmal den Verlauf der der Tat vorausgehenden Auseinandersetzung, sondern lediglich die unmittelbar tatauslösende Handlung des Opfers in seine Betrachtung einbezogen. Es hätte indes die gesamte Entwicklung der Beziehung zwischen dem Opfer und dem Angeklagten in den Blick nehmen und prüfen müssen, ob bei einer sachgerechten Bewertung aller maßgebenden Umstände die Voraussetzungen des § 213 1. Alt. StGB gegeben sind.
7
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Höhe der Strafe, auf die das Landgericht erkannt hat, auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Das Landgericht hat zwar die Voraussetzungen eines minder schweren Falles des Totschlags nach § 213 2. Alt. StGB angenommen. Dabei hat es allerdings den vertypten Strafmilderungsgrund des § 21 StGB in die Beurteilung einbezogen und somit "verbraucht". Es erscheint indes möglich, dass die Strafkammer, hätte sie die Voraussetzungen des § 213 1. Alt. StGB bejaht, den Strafrahmen des § 213 StGB erneut nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert und eine geringere Strafe verhängt hätte.
8
Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist eine derartige weitere Milderung des Strafrahmens nicht ausgeschlossen; denn der über den Erregungszustand im Sinne des § 213 1. Alt. StGB hinausgehende Affekt, der zu einer von dieser Bestimmung nicht vorausgesetzten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit führt, kann eine zusätzliche Strafrahmenverschiebung rechtfertigen, ohne dass dem § 50 StGB entgegensteht (BGH, Beschlüsse vom 13. August 1985 - 1 StR 250/85, NStZ 1986, 71; vom 6. November 1985 - 2 StR 590/85, NStZ 1986, 115; vom 8. Juni 1993 - 1 StR 276/93, BGHR StGB § 50 Mehrfachmilderung 3; vom 30. Juli 2008 - 2 StR 270/08, NStZ 2009, 91, 92). Bei der vom neuen Tatgericht gegebenenfalls zu treffenden Entscheidung, ob eine weitere Strafrahmenmilderung angezeigt ist, wird allerdings zu berücksichtigen sein, dass die Milderungsgründe durch die enge Verknüpfung zwischen der Kränkung und dem psychischen Zustand des Angeklagten auf dieselben Wurzeln zurückgehen (BGH, Urteil vom 22. Juni 1993 - 5 StR 254/93, BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 8; Beschluss vom 30. Juli 2008 - 2 StR 270/08, NStZ 2009, 91, 92).
9
4. Die getroffenen Feststellungen werden durch den aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt, sie können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind möglich. Becker von Lienen Hubert Schäfer Mayer
10
a) Den Anforderungen des § 213 Alternative 1 StGB genügen nur solche Provokationen, die unter objektiver Betrachtung – nicht nur aus der Sicht des Täters – geeignet sind, den Täter die erlittene Kränkung als schwere Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit empfinden zu lassen, und ihn deswegen in eine heftige Gemütsbewegung versetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339). Insofern ist auf Grundlage aller dafür maßgebenden Umstände, namentlich unter Berücksichtigung der gesamten Beziehung der Streitenden zu beurteilen, ob die Kränkung als schwere Beleidigung zu bewerten ist. Dabei ist auch deren Lebenskreis in den Blick zu nehmen, um so den Stellenwert der Provokation für die Motivationsgenese des Täters objektiv beurteilen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 1995 – 5 StR 213/95, NStZ 1996, 33 mwN). Der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen des § 213 Alternative 1 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung menschlichen Lebens gebieten es, die Anforderungen an die Schwere der Beleidigung, auch angesichts der auf die tatauslösende Situation zulaufenden Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung, nicht zu niedrig anzusetzen. Jedoch kann eine für sich gesehen nicht als gravierend einzustufende Kränkung dann als schwer zu beurteilen sein, wenn sie nach einer Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen der „Tropfen“ war, der „das Fass zum Überlaufen gebracht“ hat (st. Rspr., zuletzt BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339 mwN).
5
Den Anforderungen an eine Misshandlung oder schwere Beleidigung im Sinne des § 213 1. Alt. StGB genügen zwar grundsätzlich nur solche Provokationen , die auf der Grundlage aller dafür maßgebenden Umstände unter objektiver Betrachtung und nicht nur aus der Sicht des Täters als schwer zu beurteilen sind; denn der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen des § 213 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung menschlichen Lebens gebieten es, die Anforderungen an die Schwere der Misshandlung oder Beleidigung und auch der auf die tatauslösende Situation zulaufenden Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung nicht zu niedrig anzusetzen. Mit dieser Maßgabe kann jedoch auch eine für sich gesehen nicht als gravierend einzustufende Provokation dann als schwer zu bewerten sein, wenn sie nach einer Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen der "Tropfen" war, der "das Fass zum Überlaufen" brachte (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 - 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340 mwN). Erforderlich ist deshalb stets eine Gesamtbetrachtung aller für die Beurteilung maßgeblichen Umstände (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1989 - 1 StR 239/89, BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 5).

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

5 StR 472/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 24. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Oktober 2012

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. Juni 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben; die zugrundeliegenden Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es zwischen dem Angeklagten und seiner deutlich jüngeren Ehefrau zu einer Auseinandersetzung , der Provokationen seitens der Ehefrau vorausgingen. In deren Verlauf bedrohte sie ihn, beleidigte ihn „in allen Lebensbereichen als Versager“ und sagte ihm nach Konfrontation mit ihrer wieder aufgenommenen Tätigkeit als Prostituierte, dass „es mit ihm im Bett keinen Spaß mache“ (UA S. 8 f.). Der 59-jährige, nicht vorbestrafte Angeklagte fühlte sich hierdurch zutiefst gede- mütigt und ausgenutzt. Im Rahmen einer nun auch körperlich ausgetragenen Auseinandersetzung erstickte er seine Ehefrau. Das sachverständig berate- ne Schwurgericht konnte nicht ausschließen, dass der Angeklagte „im Ver- laufe der Auseinandersetzung mit seiner Ehefrau in eine hochgradige Erregung versetzt worden und dadurch in seiner Hemmungs- und Steuerungsfä- higkeit erheblich eingeschränkt war“ (UA S. 9).
3
Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht einen minder schweren Fall nach § 213 StGB bejaht, ohne sich mit dessen erster Alternative auseinanderzusetzen. Die Urteilsgründe lassen vielmehr erkennen, dass das Landgericht aufgrund des Geständnisses des Angeklagten, der verminderten Steuerungsfähigkeit sowie weiterer strafmildernder Faktoren (UA S. 14) einen sonstigen minder schweren Fall im Sinne der zweiten Alternative des § 213 StGB angenommen hat. Sodann hat es erwogen, dass unter Außerachtlassung des fakultativen Strafmilderungsgrundes nach § 21 StGB eine weitere Milderung des Strafrahmens nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB im Hinblick auf die „enge Verknüpfung der durch die Geschädigte ausgespro- chenen Kränkungen und dem affektiven, die Schuldfähigkeit erheblich beein- trächtigenden Erregungszustand des Angeklagten“ nicht in Betracht komme (UA S. 14).
4
Diese Strafrahmenbestimmung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
Das Landgericht hätte die erste Alternative des § 213 StGB ausdrücklich erörtern müssen, weil es aufgrund des konkret festgestellten Geschehensablaufs nicht fernliegend war, dass der Angeklagte durch eine vom späteren Opfer verübte schwere Beleidigung provoziert worden war (vgl. dazu Fischer, 59. Aufl., § 213 StGB, Rn. 5 f. mwN). Diese vorrangige Prüfung war deshalb geboten, weil der sich daraus ergebende Strafrahmen – ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2011 – 5 StR 4/11, StraFo 2012, 24, 25 mwN) – eine weitere Milde- rung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB ermöglicht hätte. Zwar hätte das Tatgericht insofern im Rahmen der damit verbundenen Ermessensausübung berücksichtigen dürfen, dass zwischen den ausgesprochenen Kränkungen und dem hochgradigen affektiven Erregungszustand eine enge Verbindung bestand und sie auf dieselbe Wurzel zurückzuführen waren (BGH, Urteil vom 13. August 1985 – 1 StR 250/85, NStZ 1986, 71; Beschlüsse vom 7. Dezember 1995 – 4 StR 688/95, StV 1996, 204, 205, und vom 21. Dezember 2010 – 3StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340). Eine solche sich – an die Annahme der Provokationsalternative – anschließende Ermessensentscheidung, in der alle Umstände berücksichtigt werden, welche die Tat unter dem Gesichtspunkt der Schuld als mehr oder minder leicht oder schwer erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 1993 – 1 StR 26/93, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 7 mwN), hat das Tatgericht indes nicht vorgenommen.
6
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Annahme der ersten Alternative des § 213 StGB den Strafrahmen des § 213 StGB nochmals nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert und daraus eine mildere Strafe verhängt hätte. Jedenfalls liegt es aber hier nicht fern, dass das Tatgericht auch bei Ablehnung einer weiteren Strafrahmenverschiebung innerhalb dieses Sonderstrafrahmens die übrigen mildernden Faktoren, die nicht für die Annahme eines minder schweren Falls hätten herangezogen werden müssen , stärker gewichtet hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2006 – 5 StR 457/06; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. März 2011 – 5 StR 4/11 aaO).
7
Die Strafzumessung bedarf daher neuer tatgerichtlicher Würdigung. Da es sich um einen Wertungsfehler handelt, können die getroffenen Feststellungen bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann aber weitere, ihnen nicht widersprechende Feststellungen treffen.
Raum Schaal Schneider Dölp Bellay

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen sind dem Angeklagten aufzuerlegen, wenn er wegen einer Tat verurteilt wird, die den Nebenkläger betrifft. Die notwendigen Auslagen für einen psychosozialen Prozessbegleiter des Nebenklägers können dem Angeklagten nur bis zu der Höhe auferlegt werden, in der sich im Falle der Beiordnung des psychosozialen Prozessbegleiters die Gerichtsgebühren erhöhen würden. Von der Auferlegung der notwendigen Auslagen kann ganz oder teilweise abgesehen werden, soweit es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(2) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, ein, so kann es die in Absatz 1 genannten notwendigen Auslagen ganz oder teilweise dem Angeschuldigten auferlegen, soweit dies aus besonderen Gründen der Billigkeit entspricht. Stellt das Gericht das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig ein, gilt Absatz 1 entsprechend.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen, die einem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsen sind. Gleiches gilt für die notwendigen Auslagen eines Privatklägers, wenn die Staatsanwaltschaft nach § 377 Abs. 2 die Verfolgung übernommen hat.

(4) § 471 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend.