Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2017 - 1 StR 300/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:070917B1STR300.17.0
bei uns veröffentlicht am07.09.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 300/17
vom
7. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:070917B1STR300.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu Ziffer 1. auf dessen Antrag - am 7. September 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 23. November 2016 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kostenpflichtig gewährt. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben. 3. Das Verfahren wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Heidelberg zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum vorsätzlichen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Entscheidung über die Einziehung von Gegenständen getroffen. Dagegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten.
2
Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 3 StPO und nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG Erfolg. Die Revision macht zu Recht geltend , dass das Befangenheitsgesuch vom Landgericht rechtsfehlerhaft gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig verworfen worden ist und es dadurch zu einer Entziehung des gesetzlichen Richters gekommen ist.

I.

3
Der Verfahrensrüge liegt im Wesentlichen folgendes Geschehen zu Grunde:
4
1. Am ersten Hauptverhandlungstag, dem 18. November 2016, lehnte der Verteidiger namens des Angeklagten den Vorsitzenden Richter und den richterlichen Beisitzer wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
5
Zur Begründung seines Befangenheitsgesuchs nahm der Verteidiger zunächst auf seine im Rahmen einer ersten, später jedoch ausgesetzten Hauptverhandlung gestellten Befangenheitsanträge vom 26. August 2016 und vom 30. August 2016, sowie auf seine Erwiderungen vom 31. August 2016 und 25. September 2016 auf die dienstlichen Stellungnahmen der Richter Bezug. Ergänzend führte er als neuen Sachvortrag aus, dass sich eine Befangenheit der Berufsrichter im jetzigen Termin ergebe, da die Terminierung zur nunmehrigen Hauptverhandlung abermals rechtsfehlerhaft und willkürlich erfolgt sei, wobei sich das Gericht wiederum über einen geschaffenen Vertrauenstatbestand hinweggesetzt habe, wie dieser bereits für die frühere Verfahrensterminierung durch das Oberlandesgericht Stuttgart in seinem Beschluss vom 31. August 2016 beanstandet worden sei. Darüber hinaus machte der Angeklagte geltend, dass die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers mit Beschluss vom 31. Oktober 2016 gegen seinen ausdrücklichen Willen erfolgt sei, ohne dass die Voraussetzungen hierfür gegeben gewesen seien. Weiter trug der Angeklagte vor, dass der Verteidigung in der Hauptverhandlung das Wort zur Antragstellung nicht erteilt und trotz Beanstandung der Verteidigung und Beantragung eines Gerichtsbeschlusses ein solcher nicht herbeigeführt und protokolliert worden sei. Auch einem Unterbrechungsantrag des Verteidigers zur Beratung mit dem Angeklagten sei nicht nachgekommen worden.
6
2. Das Landgericht verwarf den Befangenheitsantrag unter Mitwirkung der abgelehnten Richter und der Schöffen gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO mit Beschluss vom 23. November 2016 als unzulässig. Zur Begründung wurde nach umfangreicher Schilderung des bisherigen Verfahrensablaufs darauf verwiesen , dass sich für die Strafkammer sowohl aus den geschilderten Geschehensabläufen vor und in der Hauptverhandlung als auch aus den gestellten Gesuchen eindeutig ergebe, dass es dem Antragsteller nicht darum gehe, „das Ausscheiden der jeweils abgelehnten Richter zu erreichen oder begründete Anliegen vorzutragen, sondern einzig darum in rechtsmissbräuchlicher Weise das Verfahren zu sabotieren“. Zudem seien „die nunmehr gestellten Gesuche von unwahrem und haltlosem Vorbringen geprägt“. Im Folgenden führte die Strafkammer im Einzelnen aus, weshalb die Ausführungen der Verteidigung zu dem neuen Vorbringen im Ablehnungsgesuch nicht zutreffend seien. Abschließend kam sie zu dem Ergebnis, dass sich nach einer Gesamtbewertung das Prozessverhalten der Verteidigung als dysfunktional darstelle: „Es wird einzig das Ziel verfolgt das Verfahren zu sabotieren und eine Entscheidung in ange- messener Zeit zu verhindern.“

II.

7
Die zulässig erhobene Verfahrensrüge führt zur Urteilsaufhebung.
8
Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO ist gegeben. Bei dem angegriffenen Urteil wirkten Richter mit, nachdem ein gegen sie gerichtetes Ab- lehnungsgesuch in objektiv nicht vertretbarer Weise nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO verworfen und dadurch der Anspruch des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt worden ist.
9
1. Ein Befangenheitsantrag kann unter den Voraussetzungen des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO wegen Verschleppungsabsicht nur dann abgelehnt werden, wenn es dem Antragsteller offensichtlich ausschließlich auf eine Verzögerung der Hauptverhandlung ankommt (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2004 - 2 StR 462/03, NStZ 2004, 630). Die Regelung beinhaltet damit eine Abwehrmöglichkeit gegen exzessiv und rechtsmissbräuchlich gestellte Ablehnungsanträge , die etwa auf völlig haltlose und unzutreffende Vorwürfe gestützt werden (BGH, Beschluss vom 20. März 2009 - 2 StR 545/08, NStZ-RR 2009, 207) oder die sich aus einer Gesamtwürdigung von Indizien ergeben (vgl. Siolek in LöweRosenberg , StPO, 27. Aufl., § 26a Rn. 24 und Schmitt in Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 26a Rn. 6 mwN).
10
Die einer Vereinfachung des Ablehnungsverfahrens dienende Vorschrift des § 26a StPO gestattet nur ausnahmsweise, dass ein abgelehnter Richter selbst über einen gegen ihn gestellten Befangenheitsantrag entscheidet, wenn keine Entscheidung in der Sache getroffen wird und die Beteiligung des abgelehnten Richters lediglich auf eine echte Formalentscheidung oder die Verhinderung des Missbrauchs des Ablehnungsrechts beschränkt bleibt (BVerfG, Beschlüsse vom 2. Juni 2005 - 2 BvR 625/01, NJW 2005, 3410 und vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06). Die Anwendung des § 26a StPO darf daher nicht dazu führen, dass der abgelehnte Richter sein eigenes Verhalten beurteilt und damit zum »Richter in eigener Sache« wird. In Fällen, in denen die Frage der Unzulässigkeit nicht klar und eindeutig zu beantworten ist, liegt es daher nahe, das Regelverfahren nach § 27 StPO zu wählen, um jeden Anschein einer solchen Entscheidung in eigener Sache zu vermeiden; denn auf Fälle „offensichtlicher Unbegründetheit“ des Ablehnungsgesuchs darf das vereinfachte Ablehnungs- verfahren wegen des sonst vorliegenden Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht ausgedehnt werden. Nur bei einer solch strengen Beachtung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26a StPO gerät diese Ausnahmeregelung mit der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Konflikt (BVerfG, Beschlüsse vom 2. Juni 2005 - 2 BvR 625/01, NJW 2005, 3410 und vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06; BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 2009 - 1 StR 289/09, wistra 2009, 446 und vom 7. Juli 2015 - 3 StR 66/15, StraFo 2015, 458 mwN).
11
Dass die abgelehnten Richter zum Beleg der Prozessverschleppungsabsicht das eigene Verhalten im Rahmen des Prozessgeschehens bei der Entscheidung nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO darstellen müssen, macht sie indes noch nicht zu Richtern in eigener Sache (BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 2009 - 1 StR 289/09, wistra 2009, 446 und vom 2. November 2010 - 1 StR 544/09, NStZ 2011, 294, jeweils mwN). Hingegen darf der abgelehnte Richter über diese formale Prüfung hinaus nicht an einer näheren inhaltlichen Untersuchung der Ablehnungsgründe auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer offensichtlichen Unbegründetheit mitwirken und sich auf diese Weise zum Richter in eigener Sache machen. Dabei muss die Auslegung des Ablehnungsgesuchs darauf ausgerichtet sein, es seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen, um nicht im Gewande der Zulässigkeitsprüfung in eine Begründetheitsprüfung einzutreten (BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 2005 - 2 BvR 625/01, NJW 2005, 3410; BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 - 5 StR 99/14, NStZ 2015, 175).
12
2. Diesen Maßstäben hält die Verwerfung des gegen die Berufsrichter und Schöffen gerichteten Ablehnungsgesuchs als unzulässig nicht stand.
13
a) Die Voraussetzungen für eine Verschleppungsabsicht oder eine Verfolgung nur verfahrensfremder Zwecke i.S.d. § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO liegen nicht vor.
14
Mit dem am ersten Tag der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungsgesuch des Angeklagten wurden mit der aus seiner Sicht rechtsfehlerhaften und willkürlichen Terminierung zur neu angesetzten Hauptverhandlung sowie der Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers erkennbar neue Tatsachen vorgebracht , die eine Besorgnis der Befangenheit des Gerichts in der jetzigen Hauptverhandlung begründen konnten. Dass dabei zur Begründung dieses Befangenheitsantrags auf frühere Anträge und Entscheidungen Bezug genommen wurde, steht dem nicht entgegen. Denn erst unter Berücksichtigung des bisherigen Verfahrensablaufs wurde das neue, aus Sicht des Angeklagten die jetzige Befangenheit begründende Verhalten der Berufsrichter nachvollziehbar. Damit kann bereits nicht festgestellt werden, dass es dem Antragsteller offensichtlich bereits am ersten Tag der Hauptverhandlung ausschließlich auf eine Verzögerung des Verfahrens durch einen exzessiv und rechtsmissbräuchlich gestellten Ablehnungsantrag ankam oder ausschließlich verfahrensfremde Ziele verfolgt wurden. Dies umso mehr, als der Angeklagte auf Grund der zeitlichen Grenze des § 25 Abs. 1 StPO gehalten war, sich neu ergebende Anhaltspunkte, die geeignet waren, Zweifel gegen die Unparteilichkeit des Gerichts zu begründen, unmittelbar zu Beginn der neuen Hauptverhandlung geltend zu machen.
15
b) Im Übrigen werden mit der Entscheidung auch die dargestellten Grenzen der vom Gesetzgeber nach § 26a StPO ausnahmsweise zugelassenen Verwerfungskompetenz durch das abgelehnte Gericht überschritten. Denn es erfordert eine inhaltliche und keine rein formale Prüfung, ob der vom Angeklagten in seinem Ablehnungsgesuch geltend gemachte neue Sachvortrag aus Sicht eines verständigen Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit zu be- gründen vermochte. Dies wird auch aus der Begründung des Beschlusses vom 23. November 2016 deutlich, soweit in Bezug auf den neuen Sachvortrag des Angeklagten darauf verwiesen wird, dass „wahrheitswidrige“ oder „unwahre Be- hauptungen“ aufgestellt würden. Weil die abgelehnten Richter die Entschei- dung selbst getroffen haben und damit eine inhaltliche Bewertung des Ablehnungsgesuchs vorgenommen haben, ist der Anwendungsbereich des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO in einer Weise überspannt worden, die im Blick auf die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht mehr vertretbar war.

III.

16
Der Senat hielt es für angebracht, das Verfahren an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO). RinBGH Dr. Fischer ist im Urlaub und deshalb an der Unterschrift gehindert. Raum Bellay Raum Bär Hohoff

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

Strafprozeßordnung - StPO | § 26a Verwerfung eines unzulässigen Ablehnungsantrags


(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn 1. die Ablehnung verspätet ist,2. ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angege

Strafprozeßordnung - StPO | § 25 Ablehnungszeitpunkt


(1) Die Ablehnung eines erkennenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse, in der Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision bis zum Beginn de

Strafprozeßordnung - StPO | § 27 Entscheidung über einen zulässigen Ablehnungsantrag


(1) Wird die Ablehnung nicht als unzulässig verworfen, so entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. (2) Wird ein richterliches Mitglied der erkennenden Strafkammer abgelehnt, so entscheid

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

1.
die Ablehnung verspätet ist,
2.
ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
3.
durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

1.
die Ablehnung verspätet ist,
2.
ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
3.
durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

(1) Wird die Ablehnung nicht als unzulässig verworfen, so entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung.

(2) Wird ein richterliches Mitglied der erkennenden Strafkammer abgelehnt, so entscheidet die Strafkammer in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung.

(3) Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter dieses Gerichts. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der Abgelehnte das Ablehnungsgesuch für begründet hält.

(4) Wird das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlußunfähig, so entscheidet das zunächst obere Gericht.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

1.
die Ablehnung verspätet ist,
2.
ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
3.
durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 289/09
vom
8. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2009 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 6. November 2008 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Zu der Rüge, die abgelehnten Richter hätten ein Ablehnungsgesuch zu Unrecht als unzulässig verworfen (§ 26a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 338 Nr. 3 StPO), bemerkt der Senat ergänzend: Die Rüge ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil das Landgericht die Grenzen, innerhalb derer die abgelehnten Richter selbst über den Antrag entscheiden konnten (vgl. hierzu BVerfG NJW 2005, 3410; 2006, 3129; BVerfG, Beschl. vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06), nicht überschritten hat.

a) Die Vorschrift des § 26a StPO gestattet nur ausnahmsweise, dass ein abgelehnter Richter selbst über einen gegen ihn gestellten Befangenheitsantrag entscheidet. Voraussetzung für diese Ausnahme von dem in § 27 StPO erfassten Regelfall der Entscheidung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters ist, dass keine Entscheidung in der Sache getroffen wird, vielmehr die Beteiligung des abgelehnten Richters auf eine echte Formalentscheidung oder die Verhinderung des Missbrauchs des Ablehnungsrechts beschränkt bleibt (BVerfG NJW 2005, 3410). Die Anwendung des § 26a StPO darf nicht dazu führen, dass der ablehnende Richter sein eigenes Verhalten beurteilt und damit „Richter in eigener Sache“ wird.
Dies gilt auch für die Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO (vgl. BGH wistra 2008, 267; NStZ 2008, 523, 524). Allerdings ist es zum Beleg der Prozessverschleppungsabsicht regelmäßig erforderlich, dass die Richter das eigene Verhalten im Rahmen des Prozessgeschehens schildern. Allein hierdurch werden sie indes nicht zu Richtern in eigener Sache (BGH NStZ 2008, 473). Der Gesetzgeber hat aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Ablehnungsverfahrens von einer Zuständigkeit dergestalt abgesehen, dass der abgelehnte Richter auch in den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs an der Mitwirkung bei der Entscheidung über das Gesuch gehindert ist. Die Mitwirkung des abgelehnten Richters bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs oder über die Frage seiner missbräuchlichen Anbringung, wie § 26a StPO sie erlaubt, verhindert ein aufwändiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren unter Hinzuziehung von Vertretern in Fällen gänzlich untauglicher oder rechtsmissbräuchlicher Ablehnungsgesuche; bei strenger Beachtung ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen gerät sie mit der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Konflikt, weil die Prüfung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraussetzt und deshalb keine echte Entscheidung in eigener Sache ist (BVerfG, Beschl. vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06).

b) Nach diesen Maßstäben hält die Verwerfung des gegen die Strafkammer gerichteten Ablehnungsgesuchs als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO rechtlicher Nachprüfung stand.
Das Landgericht hat die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs gegen die Berufsrichter der Strafkammer auf § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO gestützt. Es hat dabei seine Überzeugung von der dem Antrag zugrunde liegenden Verschleppungsabsicht rechtsfehlerfrei gewonnen aus dem Befangenheitsantrag selbst (dort wurde, wie die Revision selbst einräumt, die Rechtslage zur Möglichkeit der Fristsetzung für Beweisanträge - BGHSt 51, 333, 344; BGH NStZ 2007, 716 - falsch dargestellt und der Strafkammer tatsächlich unzutreffend vorgeworfen, Beweisanträge pauschal zurückgewiesen zu haben), der Verfahrenssituation (Ende des von der Strafkammer vorgesehenen Beweisprogramms) sowie aus dem dem Antrag vorangehenden Prozessgeschehen (durch die Verteidigung wurden in Beweisanträgen an drei aufeinanderfolgenden Tagen drei miteinander unvereinbare Sachverhaltsbehauptungen in das Wissen derselben 31 Zeugen gestellt).
Zur Begründung der Prozessverschleppungsabsicht kamen die abgelehnten Richter nicht umhin, das dem Befangenheitsantrag vorausgegangene Prozessgeschehen und damit auch eigenes Verhalten und den Inhalt von Beschlussbegründungen zu schildern. Zu Richtern „in eigener Sache“ sind sie dadurch nicht geworden (vgl. BGH NStZ 2008, 473). Denn das Landgericht hat in dem Zurückweisungsbeschluss nicht eigenes Verhalten bewertet, sondern vielmehr anhand des Inhalts der in dem Befangenheitsgesuch beanstandeten Ablehnungsbeschlüsse aufgezeigt, dass die Behauptung der Verteidigung, Beweisanträge würden nach Ablauf der Frist „pauschal als verspätet behandelt“, objektiv unwahr ist. Dies war zur Darlegung der Verschleppungsabsicht, deren Feststellung gesetzliche Voraussetzung der Anwendung des § 26a Abs. 1 Satz 3 StPO ist, zulässig. Dasselbe gilt für das Aufzeigen und die Bewertung weiterer Umstände aus dem Prozessverhalten des Ablehnenden, die das Landgericht zum Beleg der Prozessverschleppungsabsicht herangezogen hat. Auch die Tatsache, dass das Landgericht schon bei der vorangehenden Ablehnung von Beweisanträgen wegen Prozessverschleppung gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO eine Verschleppungsabsicht festgestellt hat, führt nicht dazu, dass die Richter zu Richtern „in eigener Sache“ geworden wären.

c) Selbst wenn man dies anders bewerten wollte, wäre der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO nicht gegeben, weil jedenfalls eine willkürliche oder offensichtlich unhaltbare Anwendung des § 26a StPO nicht gegeben ist.
Unterlaufen dem Tatgericht Fehler bei der Anwendung des § 26a StPO, begründet dies nicht ohne weiteres den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO. Ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen der §§ 26a, 27 StPO führt vielmehr nur dann zu einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn diese Vorschriften willkürlich angewendet werden oder die richterliche Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie verkennt (BVerfG NJW 2005, 3410, 3411; BVerfG, Beschl. vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06; BGHSt 50, 216, 219; BGH NStZ 2007, 161). In Fällen, in denen sich die Verwerfung als nicht offensichtlich unhaltbar erweist und es sich mithin um einen „einfachen Rechtsverstoß“ und nicht um einen Verfassungsverstoß handelt, ist dem Revisionsgericht die Überprüfung nach Beschwerdegrundsätzen (BGH wistra 2005, 464) und sogar der mögliche Austausch des Verwerfungsgrundes erlaubt (BGH wistra 2008, 267).
Auch nach den dann anzuwendenden Beschwerdegrundsätzen wäre die Entscheidung des Landgerichts rechtlich nicht zu beanstanden, weil angesichts des Prozessgeschehens offensichtlich ist, dass durch das Ablehnungsgesuch das Verfahren nur verschleppt werden sollte. Dies ergibt sich aus folgendem Prozessgeschehen: Die von der Strafkammer nach dem Maßstab der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) für erforderlich gehaltenen Beweiserhebungen waren bereits Ende August 2008 im Wesentlichen durchgeführt. Am 49. Verhandlungstag , dem 10. Oktober 2008, setzte der Vorsitzende der Strafkammer den Prozessbeteiligten eine Frist bis zum 17. Oktober 2008, „andernfalls - ohne überzeugende Begründung für die verspätete Antragstellung - mit einer Ablehnung wegen Verfahrensverzögerung gerechnet werden“ müsse. Die Fristsetzung wurde am 14. Oktober 2008 durch Beschluss der Strafkammer gemäß § 238 Abs. 2 StPO bestätigt. In diesem Beschluss wurde festgestellt, dass der Vorsitzende bereits am 30. September 2008 unter Hinweis auf eine bevorstehende Fristsetzung für etwaige weitere Beweisanträge darauf hingewiesen habe, dass die Strafkammer beabsichtige, die Beweisaufnahme - nach einer Verhandlungspause von zehn Tagen, die zur Vorbereitung weiterer Beweisanträge genutzt werden konnte - am 10. Oktober 2008 zu schließen.
In der nächsten, statt am 17. Oktober erst am 21. Oktober 2008 stattfindenden Hauptverhandlung stellte der Verteidiger des Angeklagten vier Beweisanträge , u.a. gerichtet auf die Vernehmung von 73 Zeugen, die von der Strafkammer am 24. Oktober 2008 - zum Teil gewertet als bloße Beweisermittlungsanträge ohne Angabe einer hinreichend konkreten Beweistatsache - zurückgewiesen wurden, ohne dass die Zurückweisung auf Prozessverschleppung gestützt wurde. Dem an diesem Tag gestellten Beweisantrag auf Vernehmung des Bruders des Angeklagten kam das Landgericht nach. Auf Frage des Vorsitzenden erklärte die Verteidigung des Angeklagten dabei, „dass sie zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Beweisanträge stellen werde, was nicht heiße, dass spä- ter keine weiteren Beweisanträge gestellt würden,“ und „dass sie weiterhin Zeugen in den Sitzungssaal stellen werde und diese für kommenden Dienstag und Freitag bereits geladen habe“. Weitere noch an diesem Hauptverhandlungstag gestellte Beweisanträge lehnte die Strafkammer ab, ebenfalls ohne die Ablehnung auf Prozessverschleppung zu stützen.
Zu Beginn der Hauptverhandlung am 28. Oktober 2008 präsentierte der Verteidiger des Angeklagten einen von ihm geladenen und auch erschienenen Zeugen und stellte zudem einen Beweisantrag auf Vernehmung von 30 der bereits zuvor benannten 73 Zeugen, nun einzeln benannt und mit konkret auf sie bezogenen Beweistatsachen. Die Strafkammer lehnte die beantragte Beweiserhebung wegen beabsichtigter Verfahrensverschleppung ab (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO), weil die in den Beweisanträgen erst am 52. Verhandlungstag benannten Zeugen und Beweisthemen der Verteidigung des Angeklagten seit Beginn des Verfahrens bekannt gewesen seien.
Nach Verkündung der Ablehnungsbeschlüsse lehnte der Verteidiger des Angeklagten mit einem erkennbar vorgefertigten „Befangenheitsantrag“, in den handschriftlich lediglich noch die Daten und Uhrzeiten der Beweisanträge und Ablehnungsbeschlüsse eingetragen wurden, die Berufsrichter der Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die behauptete Besorgnis der Befangenheit wurde - ohne dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für Fristsetzung für Beweisanträge (BGHSt 51, 333, 344; BGH NStZ 2007, 716) erwähnt wurde - allgemein damit begründet, dass derjenige Richter, der nach einer von ihm selbst bestimmten Frist nicht mehr bereit sei, den vom Angeklagten vorgetragenen Beweisanträgen nachzugehen, den Eindruck erwecke, dass er die elementaren Verteidigungsrechte eines Angeklagten nicht in ausreichendem Maße würdige. „Insbesondere“ im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des § 246 Abs. 1 StPO lasse die am 10. Oktober 2008 erlassene Verfügung des Vorsitzenden und die am 14. Oktober 2008 verkündete Ausschlussfrist Zweifel an der Unvoreingenommenheit der zur Entscheidung berufenen Richter aufkommen.
Für die Verteidigung war jedoch klar erkennbar, dass sich die Strafkammer mit der Fristsetzung an die Vorgaben der Rechtsprechung (vgl. BGH aaO) gehalten hat, auch nach Fristablauf noch beantragte Beweiserhebungen durchgeführt hat und im Übrigen Beweisanträge nicht pauschal, sondern mit fundierter Begründung wegen Prozessverschleppung abgelehnt hat.
Angesichts des gesamten Prozessverhaltens der Verteidigung nach Abschluss des von der Strafkammer nach dem Maßstab der Aufklärungspflicht abgearbeiteten Beweisprogramms und nach Fristsetzung für weitere Beweisanträge durch die Strafkammer ist offensichtlich, dass durch die Ablehnung der Strafkammer nur das Verfahren verschleppt werden sollte.
Nack Wahl Hebenstreit RiBGH Prof. Dr. Sander ist in Urlaub und deshalb an der Unterschrift verhindert. Jäger Nack

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 6 6 / 1 5
vom
7. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 7. Juli 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 3. November 2014 wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Einfuhr von Betäubungsmittel in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, sichergestellte 8.934 Gramm Kokain eingezogen und den Verfall von Kurierlohn in Höhe von 1.270 € angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf Verfahrensrügen und sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision der Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
2
Näherer Erörterung bedarf nur die Rüge, an der Entscheidung hätten Richter und Schöffen mitgewirkt, nachdem insgesamt acht gegen sie gerichtete Ablehnungsgesuche mit Unrecht verworfen worden seien (§ 338 Nr. 3 StPO). Im Zentrum steht nach den Ausführungen der Revision dabei die Rüge einer fehlerhaften Verwerfung der zeitlich letzten Ablehnung (Nr. 8), jedoch werden auch die Entscheidungen über die anderen Ablehnungsgesuche zur Überprüfung gestellt.

3
1. Der Rüge liegt folgender, von der Revision auf 141 Seiten dargelegter Sachverhalt zugrunde:
4
Die Beschwerdeführerin war am 25. Oktober 2013 bei der Einreise aus den Niederlanden mit nahezu neun Kilogramm Kokain (über 7,1 kg Cocainhydrochlorid ) festgenommen worden. Am Folgetag war ihr nach Verkündung des Haftbefehls von der Ermittlungsrichterin beim Amtsgericht Kleve Rechtsanwalt S. aus Kleve als Verteidiger beigeordnet worden. Zugrunde gelegen hatte dem der Wille der Beschwerdeführerin, sofort einen Verteidiger zur Seite gestellt zu bekommen, wobei sie aber keinen Wunsch bezüglich eines bestimmten Verteidigers geäußert hatte. Elf Tage später hatte sich Rechtsanwalt H. aus Bremen als Verteidiger gemeldet und alsbald den Antrag auf Beiordnung gestellt. Dies hatte die Haftrichterin zuerst unter Hinweis auf das bestehende Mandat von Rechtsanwalt S. abgelehnt. Nach zwischenzeitlicher Anklageerhebung hatte sodann der Vorsitzende der Strafkammer am 28. Februar 2014 dem erneut gestellten Antrag entsprochen, nachdem zuvor Rechtsanwalt S. erklärt hatte, die Angeklagte sperre sich gegen jeden Versuch, den Tatvorwurf mit ihm zu besprechen.
5
In urlaubsbedingter Abwesenheit des Vorsitzenden war sodann am 20. Mai 2014 angesichts der Gesundheitsprobleme der Angeklagten - diese hatten bereits zum Abbruch einer ersten, am 12. März 2014 begonnenen Hauptverhandlung geführt - zur Sicherung des Verfahrensablaufs eine Rechtsanwältin aus Kleve als weitere Verteidigerin bestellt worden. Die Angeklagte war dazu nicht gehört worden. Auf ihre Beschwerde hatte der Vorsitzende nach Rückkehr aus dem Urlaub am 30. Mai 2014 die Beiordnung aufgehoben, die des inzwischen von der Angeklagten mandatierten Rechtsanwalts B. aus Köln indes abgelehnt. Dies sowie die Terminierung der Sache auf nur einen Hauptverhandlungstag war Anlass für ein am 3. Juni 2014 zu Beginn der neuerlichen Hauptverhandlung gestelltes Befangenheitsgesuch (Nr. 1). Die zweite Hauptverhandlung musste aufgrund eines Zusammenbruchs der Angeklagten am 1. Juli 2014 abgebrochen werden.
6
Der erneute (dritte) Beginn der Hauptverhandlung wurde auf den 6. Oktober 2014 festgelegt. In der Nacht davor ging per Fax ein Ablehnungsgesuch (Nr. 2) ein, das darauf gestützt war, der Vorsitzende habe nicht zügig und sachgerecht über einen Antrag der Verteidigung auf Berichtigung des Protokolls der Hauptverhandlung vom 3. Juni 2014 entschieden. In der Nacht zum 11. Oktober 2014 übersandte Rechtsanwalt H. ein weiteres Ablehnungsgesuch (Nr. 3) gegen den Vorsitzenden. Anlass waren die Verhandlungsleitung und eine angebliche Bemerkung des Vorsitzenden am ersten Verhandlungstag. Die hierzu abgegebene dienstliche Erklärung des Vorsitzenden war sodann Anlass für eine weitere, am 13. Oktober 2014, dem zweiten Verhandlungstag, erklärte Ablehnung (Nr. 4). Ein weiterer Ablehnungsantrag (Nr. 5) ging in den Morgenstunden des 27. Oktober 2014 - dem vierten Verhandlungstag - ein und war darauf gestützt, dass der Vorsitzende trotz eines am Tag zuvor von Rechtsanwalt B. gestellten Antrags auf Aufhebung des Hauptverhandlungstermins , Unterbrechung der Hauptverhandlung für zwei Wochen, augenärztliche Untersuchung der Angeklagten und Zurverfügungstellung eines Computerarbeitsplatzes in der Untersuchungshaft den Termin hatte bestehen lassen.
7
Während über die Anträge Nr. 1 bis 4 jeweils gemäß § 27 Abs. 1 StPO entschieden worden war, lehnte die Kammer den Antrag Nr. 5 gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO wegen der Absicht der Prozessverschleppung ab. Gleicher- maßen verfuhr sie mit den gegen alle mitwirkenden Richter gerichteten Anträgen Nr. 6 und 7, die im Anschluss daran in der Hauptverhandlung vom 27. Oktober 2014 gestellt wurden und gestützt waren auf die Ablehnung der Unterbrechung der Hauptverhandlung zum Zweck der augenärztlichen Untersuchung der Angeklagten einerseits sowie auf Unterbrechung der Hauptverhandlung andererseits, um mit der Angeklagten eine Einlassung zur Sache vorbereiten zu können. In letzterem Zusammenhang warfen beide Verteidiger den Richtern vor, sie würden den zeitlichen Aufwand verkennen respektive ignorieren , den sie als nicht ortsansässige Verteidiger für Besuche bei der Mandantin betreiben müssten. Daneben erklärte Rechtsanwalt H. , dass er sich wegen Erschöpfung aufgrund der langen Bahnfahrt und der Terminsvorbereitung nicht mehr in der Lage sehe, der Hauptverhandlung weiter zu folgen. Daraufhin teilte der Vorsitzende mit, dass unter Umständen ein dritter, ortsnaher Verteidiger beigeordnet werden könnte, und gab der Angeklagten Gelegenheit, bis zum 29. Oktober 2014 nachmittags einen ortsansässigen Verteidiger ihrer Wahl zu benennen.
8
Am Mittwoch, dem 29. Oktober 2014 ordnete der Vorsitzende Rechtsanwalt S. aus Kleve (erneut) als Verteidiger bei. Die Bestellung von Rechtsanwalt Sp. aus Duisburg - dieser hatte sich als weiterer Wahlverteidiger gemeldet - lehnte er hingegen ab: Die Beiordnung eines weiteren, nicht ortsansässigen Verteidigers verspreche keine zusätzliche Verfahrenssicherung. Rechtsanwalt S. sei hingegen in die Sache schon eingearbeitet. Diese Entscheidung war Gegenstand des letzten Ablehnungsgesuchs (Nr. 8) gegen den Vorsitzenden, das die beiden Verteidiger für die Angeklagte am Montag, den 3. November 2014, dem fünften (und letzten) Hauptverhandlungstag , stellten und in dem sie im Wesentlichen darauf abhoben, dass die Beiordnung von Rechtsanwalt S. schon einmal wegen fehlenden Vertrauensver- hältnisses zur Mandantin hatte aufgehoben werden müssen. Auch dieses Gesuch verwarf die Strafkammer unter Mitwirkung des abgelehnten Richters wegen der mit ihm verbundenen Absicht der Prozessverschleppung (§ 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO), nahm Bezug auf die wegen der beiden zuletzt erhobenen Ablehnungsgesuche ergangenen Beschlüsse und führte ergänzend aus, es ginge "letztlich um unterschiedliche Rechtsansichten zur Bestellung eines dritten Pflichtverteidigers"; zudem sei offensichtlich, dass die Sachlage (erkennbar gemeint: die Abwägung zwischen dem Interesse der Angeklagten an einem weiteren Pflichtverteidiger ihres Vertrauens und dem der Öffentlichkeit an der Durchführung des Strafverfahrens) nach einem Jahr Untersuchungshaft im dritten Verhandlungsanlauf anders sei als bei der ersten Entpflichtung von Rechtsanwalt S. .
9
2. Die Verfahrensrüge bleibt ohne Erfolg.
10
a) Das letzte Ablehnungsgesuch hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen.
11
aa) Allerdings hat der Senat Bedenken gegen die Behandlung des Gesuchs als prozessverschleppend (§ 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO).
12
Die Vorschrift des § 26a StPO gestattet nur ausnahmsweise, dass ein abgelehnter Richter selbst über einen gegen ihn gestellten Befangenheitsantrag entscheidet. Voraussetzung für diese Ausnahme von dem in § 27 StPO erfassten Regelfall der Entscheidung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters ist, dass keine Entscheidung in der Sache getroffen wird, vielmehr die Beteiligung des abgelehnten Richters auf eine echte Formalentscheidung oder die Verhinderung des Missbrauchs des Ablehnungsrechts beschränkt bleibt. Die Anwendung des § 26a StPO darf nicht dazu führen, dass der abgelehnte Richter sein eigenes Verhalten beurteilt und damit "Richter in eigener Sache" wird. Dies gilt auch für die Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 1 StR 289/09, BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 19 mwN). Hier zeigt schon der Hinweis auf die der Beiordnungsentscheidung zugrunde liegenden Erwägungen, dass damit der abgelehnte Vorsitzende sein eigenes Verhalten beurteilt hat. Auch die Begründung, es gehe nur um unterschiedliche Rechtsansichten betreffend die Verteidigerbestellung, macht deutlich , dass der abgelehnte Richter mehr getan hat, als lediglich das eigene Verhalten im Verlauf des Prozesses zu schildern.
13
bb) Dies führt gleichwohl nicht dazu, dass das Gesuch vom Landgericht zu Unrecht verworfen worden ist.
14
Zwar kann es nicht darauf ankommen, dass vorliegend kein Anlass bestand , die Voreingenommenheit des Vorsitzenden zu besorgen, da wegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und der von der Beurteilung eines Gesuchs als zulässig oder unzulässig abhängigen Zusammensetzung der Richterbank (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 2005 - 2 BvR 625/01 und 2 BvR 638/01, NJW 2005, 3410, 3411 f.) der Senat die Zurückweisung als unzulässig nicht durch eine solche als unbegründet ersetzen kann. Auch kann hier aus den bereits genannten Umständen das Gesuch nicht wegen eines völlig ungeeigneten - und damit im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO fehlenden - Ablehnungsgrundes verworfen werden.
15
Indes erweist sich das Gesuch wegen Verspätung als unzulässig (§ 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO). Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO muss die Ablehnung unverzüglich, d.h. so bald wie möglich und ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung geltend gemacht werden, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 17. November 1999 - 2 StR 313/99, BGHSt 45, 312, 315). Dem zur Ablehnung Berechtigten ist dabei eine gewisse Zeit zum Überlegen und Abfassen des Gesuchs zuzugestehen (vgl. BGH, Urteile vom 3. Mai 1995 - 2 StR 19/95, BGHR StPO § 25 Abs. 2 Unverzüglich 3 mwN; vom 29. März 2012 - 3 StR 455/11, NStZ-RR 2012, 211). Welche Zeitspanne erforderlich, angemessen und deshalb zuzubilligen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Hier hat der Verteidiger Rechtsanwalt H. am Mittwoch, dem 29. Oktober 2014, von der Entscheidung des Vorsitzenden über die Verteidigerbestellung Kenntnis erlangt und noch am selben Tag "im Auftrag der Angeklagten" durch Fax dagegen Beschwerde eingelegt. Wie sich aus dem Schriftsatz des Verteidigers vom 30. Oktober 2014 ergibt, hat er zuvor mit der Angeklagten fernmündlich Kontakt gehabt. Angesichts der fortgeschrittenen Verfahrensdauer hätte die Beschwerdeführerin deshalb nicht bis zum Montag, dem 3. November 2014 - dem nächsten Verhandlungstag - mit der Antragstellung zuwarten dürfen.
16
b) Auch die übrigen Ablehnungsgesuche sind zu Recht verworfen worden. Dies gilt hinsichtlich der gemäß § 27 Abs. 1 StPO behandelten Gesuche: Unter Berücksichtigung der dienstlichen Erklärungen des abgelehnten Richters ist kein Umstand erkennbar, der bei vernünftiger Würdigung geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Die drei im Verlauf der Hauptverhandlung vom 27. Oktober 2014 gestellten Gesuche sind unter Mitwirkung der abgelehnten Richter ebenso zutreffend gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO wegen Prozessverschleppung abgelehnt worden.
Becker Pfister Hubert Mayer Gericke

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

1.
die Ablehnung verspätet ist,
2.
ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
3.
durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 289/09
vom
8. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2009 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 6. November 2008 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Zu der Rüge, die abgelehnten Richter hätten ein Ablehnungsgesuch zu Unrecht als unzulässig verworfen (§ 26a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 338 Nr. 3 StPO), bemerkt der Senat ergänzend: Die Rüge ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil das Landgericht die Grenzen, innerhalb derer die abgelehnten Richter selbst über den Antrag entscheiden konnten (vgl. hierzu BVerfG NJW 2005, 3410; 2006, 3129; BVerfG, Beschl. vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06), nicht überschritten hat.

a) Die Vorschrift des § 26a StPO gestattet nur ausnahmsweise, dass ein abgelehnter Richter selbst über einen gegen ihn gestellten Befangenheitsantrag entscheidet. Voraussetzung für diese Ausnahme von dem in § 27 StPO erfassten Regelfall der Entscheidung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters ist, dass keine Entscheidung in der Sache getroffen wird, vielmehr die Beteiligung des abgelehnten Richters auf eine echte Formalentscheidung oder die Verhinderung des Missbrauchs des Ablehnungsrechts beschränkt bleibt (BVerfG NJW 2005, 3410). Die Anwendung des § 26a StPO darf nicht dazu führen, dass der ablehnende Richter sein eigenes Verhalten beurteilt und damit „Richter in eigener Sache“ wird.
Dies gilt auch für die Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO (vgl. BGH wistra 2008, 267; NStZ 2008, 523, 524). Allerdings ist es zum Beleg der Prozessverschleppungsabsicht regelmäßig erforderlich, dass die Richter das eigene Verhalten im Rahmen des Prozessgeschehens schildern. Allein hierdurch werden sie indes nicht zu Richtern in eigener Sache (BGH NStZ 2008, 473). Der Gesetzgeber hat aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Ablehnungsverfahrens von einer Zuständigkeit dergestalt abgesehen, dass der abgelehnte Richter auch in den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs an der Mitwirkung bei der Entscheidung über das Gesuch gehindert ist. Die Mitwirkung des abgelehnten Richters bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs oder über die Frage seiner missbräuchlichen Anbringung, wie § 26a StPO sie erlaubt, verhindert ein aufwändiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren unter Hinzuziehung von Vertretern in Fällen gänzlich untauglicher oder rechtsmissbräuchlicher Ablehnungsgesuche; bei strenger Beachtung ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen gerät sie mit der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Konflikt, weil die Prüfung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraussetzt und deshalb keine echte Entscheidung in eigener Sache ist (BVerfG, Beschl. vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06).

b) Nach diesen Maßstäben hält die Verwerfung des gegen die Strafkammer gerichteten Ablehnungsgesuchs als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO rechtlicher Nachprüfung stand.
Das Landgericht hat die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs gegen die Berufsrichter der Strafkammer auf § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO gestützt. Es hat dabei seine Überzeugung von der dem Antrag zugrunde liegenden Verschleppungsabsicht rechtsfehlerfrei gewonnen aus dem Befangenheitsantrag selbst (dort wurde, wie die Revision selbst einräumt, die Rechtslage zur Möglichkeit der Fristsetzung für Beweisanträge - BGHSt 51, 333, 344; BGH NStZ 2007, 716 - falsch dargestellt und der Strafkammer tatsächlich unzutreffend vorgeworfen, Beweisanträge pauschal zurückgewiesen zu haben), der Verfahrenssituation (Ende des von der Strafkammer vorgesehenen Beweisprogramms) sowie aus dem dem Antrag vorangehenden Prozessgeschehen (durch die Verteidigung wurden in Beweisanträgen an drei aufeinanderfolgenden Tagen drei miteinander unvereinbare Sachverhaltsbehauptungen in das Wissen derselben 31 Zeugen gestellt).
Zur Begründung der Prozessverschleppungsabsicht kamen die abgelehnten Richter nicht umhin, das dem Befangenheitsantrag vorausgegangene Prozessgeschehen und damit auch eigenes Verhalten und den Inhalt von Beschlussbegründungen zu schildern. Zu Richtern „in eigener Sache“ sind sie dadurch nicht geworden (vgl. BGH NStZ 2008, 473). Denn das Landgericht hat in dem Zurückweisungsbeschluss nicht eigenes Verhalten bewertet, sondern vielmehr anhand des Inhalts der in dem Befangenheitsgesuch beanstandeten Ablehnungsbeschlüsse aufgezeigt, dass die Behauptung der Verteidigung, Beweisanträge würden nach Ablauf der Frist „pauschal als verspätet behandelt“, objektiv unwahr ist. Dies war zur Darlegung der Verschleppungsabsicht, deren Feststellung gesetzliche Voraussetzung der Anwendung des § 26a Abs. 1 Satz 3 StPO ist, zulässig. Dasselbe gilt für das Aufzeigen und die Bewertung weiterer Umstände aus dem Prozessverhalten des Ablehnenden, die das Landgericht zum Beleg der Prozessverschleppungsabsicht herangezogen hat. Auch die Tatsache, dass das Landgericht schon bei der vorangehenden Ablehnung von Beweisanträgen wegen Prozessverschleppung gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO eine Verschleppungsabsicht festgestellt hat, führt nicht dazu, dass die Richter zu Richtern „in eigener Sache“ geworden wären.

c) Selbst wenn man dies anders bewerten wollte, wäre der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO nicht gegeben, weil jedenfalls eine willkürliche oder offensichtlich unhaltbare Anwendung des § 26a StPO nicht gegeben ist.
Unterlaufen dem Tatgericht Fehler bei der Anwendung des § 26a StPO, begründet dies nicht ohne weiteres den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO. Ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen der §§ 26a, 27 StPO führt vielmehr nur dann zu einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn diese Vorschriften willkürlich angewendet werden oder die richterliche Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie verkennt (BVerfG NJW 2005, 3410, 3411; BVerfG, Beschl. vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06; BGHSt 50, 216, 219; BGH NStZ 2007, 161). In Fällen, in denen sich die Verwerfung als nicht offensichtlich unhaltbar erweist und es sich mithin um einen „einfachen Rechtsverstoß“ und nicht um einen Verfassungsverstoß handelt, ist dem Revisionsgericht die Überprüfung nach Beschwerdegrundsätzen (BGH wistra 2005, 464) und sogar der mögliche Austausch des Verwerfungsgrundes erlaubt (BGH wistra 2008, 267).
Auch nach den dann anzuwendenden Beschwerdegrundsätzen wäre die Entscheidung des Landgerichts rechtlich nicht zu beanstanden, weil angesichts des Prozessgeschehens offensichtlich ist, dass durch das Ablehnungsgesuch das Verfahren nur verschleppt werden sollte. Dies ergibt sich aus folgendem Prozessgeschehen: Die von der Strafkammer nach dem Maßstab der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) für erforderlich gehaltenen Beweiserhebungen waren bereits Ende August 2008 im Wesentlichen durchgeführt. Am 49. Verhandlungstag , dem 10. Oktober 2008, setzte der Vorsitzende der Strafkammer den Prozessbeteiligten eine Frist bis zum 17. Oktober 2008, „andernfalls - ohne überzeugende Begründung für die verspätete Antragstellung - mit einer Ablehnung wegen Verfahrensverzögerung gerechnet werden“ müsse. Die Fristsetzung wurde am 14. Oktober 2008 durch Beschluss der Strafkammer gemäß § 238 Abs. 2 StPO bestätigt. In diesem Beschluss wurde festgestellt, dass der Vorsitzende bereits am 30. September 2008 unter Hinweis auf eine bevorstehende Fristsetzung für etwaige weitere Beweisanträge darauf hingewiesen habe, dass die Strafkammer beabsichtige, die Beweisaufnahme - nach einer Verhandlungspause von zehn Tagen, die zur Vorbereitung weiterer Beweisanträge genutzt werden konnte - am 10. Oktober 2008 zu schließen.
In der nächsten, statt am 17. Oktober erst am 21. Oktober 2008 stattfindenden Hauptverhandlung stellte der Verteidiger des Angeklagten vier Beweisanträge , u.a. gerichtet auf die Vernehmung von 73 Zeugen, die von der Strafkammer am 24. Oktober 2008 - zum Teil gewertet als bloße Beweisermittlungsanträge ohne Angabe einer hinreichend konkreten Beweistatsache - zurückgewiesen wurden, ohne dass die Zurückweisung auf Prozessverschleppung gestützt wurde. Dem an diesem Tag gestellten Beweisantrag auf Vernehmung des Bruders des Angeklagten kam das Landgericht nach. Auf Frage des Vorsitzenden erklärte die Verteidigung des Angeklagten dabei, „dass sie zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Beweisanträge stellen werde, was nicht heiße, dass spä- ter keine weiteren Beweisanträge gestellt würden,“ und „dass sie weiterhin Zeugen in den Sitzungssaal stellen werde und diese für kommenden Dienstag und Freitag bereits geladen habe“. Weitere noch an diesem Hauptverhandlungstag gestellte Beweisanträge lehnte die Strafkammer ab, ebenfalls ohne die Ablehnung auf Prozessverschleppung zu stützen.
Zu Beginn der Hauptverhandlung am 28. Oktober 2008 präsentierte der Verteidiger des Angeklagten einen von ihm geladenen und auch erschienenen Zeugen und stellte zudem einen Beweisantrag auf Vernehmung von 30 der bereits zuvor benannten 73 Zeugen, nun einzeln benannt und mit konkret auf sie bezogenen Beweistatsachen. Die Strafkammer lehnte die beantragte Beweiserhebung wegen beabsichtigter Verfahrensverschleppung ab (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO), weil die in den Beweisanträgen erst am 52. Verhandlungstag benannten Zeugen und Beweisthemen der Verteidigung des Angeklagten seit Beginn des Verfahrens bekannt gewesen seien.
Nach Verkündung der Ablehnungsbeschlüsse lehnte der Verteidiger des Angeklagten mit einem erkennbar vorgefertigten „Befangenheitsantrag“, in den handschriftlich lediglich noch die Daten und Uhrzeiten der Beweisanträge und Ablehnungsbeschlüsse eingetragen wurden, die Berufsrichter der Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die behauptete Besorgnis der Befangenheit wurde - ohne dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für Fristsetzung für Beweisanträge (BGHSt 51, 333, 344; BGH NStZ 2007, 716) erwähnt wurde - allgemein damit begründet, dass derjenige Richter, der nach einer von ihm selbst bestimmten Frist nicht mehr bereit sei, den vom Angeklagten vorgetragenen Beweisanträgen nachzugehen, den Eindruck erwecke, dass er die elementaren Verteidigungsrechte eines Angeklagten nicht in ausreichendem Maße würdige. „Insbesondere“ im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des § 246 Abs. 1 StPO lasse die am 10. Oktober 2008 erlassene Verfügung des Vorsitzenden und die am 14. Oktober 2008 verkündete Ausschlussfrist Zweifel an der Unvoreingenommenheit der zur Entscheidung berufenen Richter aufkommen.
Für die Verteidigung war jedoch klar erkennbar, dass sich die Strafkammer mit der Fristsetzung an die Vorgaben der Rechtsprechung (vgl. BGH aaO) gehalten hat, auch nach Fristablauf noch beantragte Beweiserhebungen durchgeführt hat und im Übrigen Beweisanträge nicht pauschal, sondern mit fundierter Begründung wegen Prozessverschleppung abgelehnt hat.
Angesichts des gesamten Prozessverhaltens der Verteidigung nach Abschluss des von der Strafkammer nach dem Maßstab der Aufklärungspflicht abgearbeiteten Beweisprogramms und nach Fristsetzung für weitere Beweisanträge durch die Strafkammer ist offensichtlich, dass durch die Ablehnung der Strafkammer nur das Verfahren verschleppt werden sollte.
Nack Wahl Hebenstreit RiBGH Prof. Dr. Sander ist in Urlaub und deshalb an der Unterschrift verhindert. Jäger Nack

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 544/09
vom
2. November 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 3.: Steuerhinterziehung u.a.
zu 2.: Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. November 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 und 1b StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten B. und W. gegen das Urteil des Landgerichts Limburg vom 17. Dezember 2008 wird das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO betreffend den Angeklagten B. hinsichtlich der Fälle B 1, B 2, B 3, B 18 und betreffend den Angeklagten W. hinsichtlich des Falles W 12 der Urteilsgründe eingestellt. Im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen. 2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B. und W. werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen , dass
a) schuldig sind aa) der Angeklagte B. der Steuerhinterziehung in dreizehn Fällen sowie der versuchten Steuerhinterziehung , bb) der Angeklagte W. der Steuerhinterziehung in zehn Fällen sowie der versuchten Steuerhinterziehung und
b) der Angeklagte W. in den Fällen W 1 und W 2 der Urteilsgründe zu einer einheitlichen Freiheitsstrafe von ei- nem Jahr verurteilt wird; die weitere Einzelstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe entfällt. 3. Die Angeklagten B. und W. haben die verbleibenden Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. 4. Auf die Revision des Angeklagten F. wird das Urteil des Landgerichts Limburg vom 17. Dezember 2008, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte F. der Steuerhinterziehung in sechs Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung in fünf Fällen schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen dahin abgeändert, dass der Angeklagte F. aa) betreffend die Fälle F 3 und F 4 der Urteilsgründe zu einer einheitlichen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wird; die weitere Einzelstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe entfällt; bb) in den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt wird,
c) im Gesamtstrafausspruch mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
5. Die weitergehende Revision des Angeklagten F. wird als unbegründet verworfen. 6. Über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten F. ist zugleich mit der Entscheidung über die Gesamtstrafe zu befinden.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten, den Angeklagten W. wegen Steuerhinterziehung in zwölf Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und den Angeklagten F. wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.
2
Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Sachrüge und zahlreiche Verfahrensrügen gestützten Revisionen. Diese haben den aus dem Tenor ersichtlichen, geringfügigen Teilerfolg, im Übrigen sind sie unbegründet.

A.

3
I. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
4
Die Angeklagten B. und W. waren gemeinsam im Bereich des Direktvertriebs tätig und erzielten dort erhebliche Gewinne. Sie gründeten eine Reihe von letztlich nur formalrechtlich existierenden Firmen, die sie zentral - auch über eine Holdinggesellschaft - steuerten und beherrschten. Spätestens im Jahr 1999 kamen die Angeklagten B. und W. - nach Beratung durch den Angeklagten F. und unter dessen Mitwirkung - überein, dieses Firmenkonglomerat zur Steuerhinterziehung zu nutzen. Sie vereinbarten, die erzielten Gewinne durch Nichtabgabe von Steuererklärungen und vor allem durch die Geltendmachung von Scheinrechnungen systematisch der Besteuerung zu entziehen. In Ausführung dieses Plans veranlassten die Angeklagten B. und W. jeweils die Auszahlung der in den Scheinrechnungen ausgewiesenen Beträge und machten diese Beträge, die sie nach Abzug einer von den Rechnungsausstellern einbehaltenen Provision jeweils „schwarz und in bar“ zurückerhielten , bei den auszahlenden Firmen in voller Höhe als Betriebsausgaben steuermindernd geltend. Ihre sich hieraus ergebenden Einnahmen verschwiegen die Angeklagten in ihren Einkommensteuererklärungen ebenso wie weitere Einnahmen.
5
II. Das Landgericht hat die auf die Scheinrechnungen geleisteten Zahlungen jeweils als „verdeckte Gewinnausschüttung“ gewertet. Auf der Ebene der Gesellschaften hat es deshalb eine gewinnmindernde Berücksichtigung verneint und auf dieser Basis die durch die unrichtigen Steuererklärungen hinterzogenen Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuern ermittelt. Die Strafverfolgung war dabei auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen den Angeklagten schon aus ihrer formalrechtlichen Stellung heraus die Abgabe zutreffender Steuererklärungen oblag. Hinsichtlich der Einkommensteuerhinterziehung hat das Landgericht bei den Angeklagten B. und W. die aufgrund von Scheinrechnungen abgeflossenen Beträge als in voller Höhe der Einkommen- steuer unterliegend angesehen und hieraus die Höhe der verkürzten Steuern bzw. erstrebten Steuerverkürzungen berechnet.

B.

6
Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.
7
I. Die Taten sind nicht verjährt. Auch in dem allein den Angeklagten B. betreffenden Fall B 8 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Umsatzsteuer für das Jahr 2000) ist keine Verfolgungsverjährung eingetreten.
8
Im Fall der unterlassenen Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung beginnt die Verfolgungsverjährung mit Ablauf der Erklärungsfrist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 344/08, wistra 2009, 189 mwN). Die hier somit am 31. Mai 2001 begonnene Verjährung wurde vor Verjährungseintritt durch den Durchsuchungsbeschluss vom 12. April 2006 unterbrochen. Der in einem sehr frühen Verfahrensstadium ergangene Beschluss nennt die Veranlagungszeiträume (1999 bis 2005), die Steuerarten (Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer , Gewerbesteuer und Einkommensteuer) und die jeweils gleichartige Tatbegehung (Kapitaltransfer zum Zwecke der Steuerhinterziehung mit oder ohne Verwendung unrichtiger Belege). Der Durchsuchungsbeschluss, der auch die von der Durchsuchung - und damit vom Tatverdacht - betroffenen Firmen angab, war daher geeignet, die von der Verjährungsunterbrechung betroffenen Taten von denkbar ähnlichen oder gleichartigen Vorkommnissen, auf die sich die Verfolgung nicht bezog, zu unterscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213, 214 f.; BGH, Urteil vom 14. Juni 2000 - 3 StR 94/00, NStZ 2001, 191). Der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden erstreckte sich von Anfang an auf sämtliche später abgeurteilte Taten.
Eine Beschränkung des Verfolgungswillens auf einzelne Taten, welche Auswirkungen auf die Reichweite der verjährungsunterbrechenden Wirkung des Durchsuchungsbeschlusses haben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2008 - 3 StR 545/07, NStZ 2009, 205; Beschluss vom 11. Dezember 2007 - 4 StR 279/07, NStZ 2008, 214; Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213), ist nicht gegeben.
9
II. Der Grundsatz der Spezialität steht der strafrechtlichen Verfolgung des in Spanien festgenommenen und von dort ausgelieferten Angeklagten W. nicht entgegen.
10
1. Die Revision des Angeklagten W. macht in diesem Zusammenhang Folgendes geltend: Der der Auslieferung zugrunde liegende Haftbefehl des Amtsgerichts Wetzlar vom 27. April 2006 sei zu unbestimmt; er sei erst nach Auslieferung des Angeklagten W. neu gefasst und konkretisiert worden. Die abgeurteilten Taten würden von der auf dem ebenso zu unbestimmten Europäischen Haftbefehl gründenden Auslieferungsbewilligung nicht erfasst. Weder der Angeklagte noch die spanischen Auslieferungsbehörden hätten auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet. Eine nachträgliche Genehmigung zur Verfolgung der abgeurteilten Taten sei ebenfalls nicht erfolgt.
11
2. Der Spezialitätsgrundsatz ist nicht verletzt. Die abgeurteilten Taten sind von dem im Europäischen Haftbefehl bezeichneten Lebenssachverhalt umfasst. Es bedarf deshalb hier keiner Erörterung, ob aus § 83h Abs. 2 Nr. 3 IRG, der Art. 27 Abs. 3 Buchst. c des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 190 vom 18. Juli 2002, S. 1 ff.) wortgleich umsetzt, folgt, dass sich aus einer Verletzung des Spezialitätsgrund- satzes kein Verfahrenshindernis, sondern lediglich ein Vollstreckungshindernis ergibt (so EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - Rechtssache C-388/08, NStZ 2010, 35 mit Anm. Heine). Der Angeklagte W. wurde wegen keiner von der Auslieferungsbewilligung nicht erfassten „anderen“ verurteilt.
12
a) Der dem Spezialitätsgrundsatz zugrunde liegende Tatbegriff umfasst den gesamten mitgeteilten Lebenssachverhalt, innerhalb dessen der Verfolgte einen oder mehrere Straftatbestände erfüllt haben soll (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 1977 - 4 ARs 8/77, BGHSt 27, 168, 172 mwN; Vogler in Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, § 11 IRG Rn. 14). Im Rahmen dieses historischen Vorgangs sind die Gerichte des ersuchenden Staates nicht gehindert, die Tat abweichend rechtlich oder tatsächlich zu würdigen, soweit insofern ebenfalls Auslieferungsfähigkeit besteht (BGH, Beschluss vom 22. Juli 2003 - 5 StR 22/03, NStZ 2003, 684; Urteil vom 11. Januar 2000 - 1 StR 505/99, NStZ-RR 2000, 333; Urteil vom 6. März 1985 - 2 StR 782/84, NStZ 1985, 318; Urteil vom 28. Mai 1986 - 3 StR 177/86, NStZ 1986, 557; Schomburg/Hackner in Schomburg/Lagodny, IRG, 4. Aufl. § 72 Rn. 20; Vogler aaO § 11 Rn.15 f.).
13
b) Eine Änderung in der Rechtsauffassung berührt die Hoheitsinteressen des um Auslieferung ersuchten Staates regelmäßig nicht. Dementsprechend steht der - vor allem dem Schutz dieser Interessen dienende - Spezialitätsgrundsatz etwa einer Verurteilung wegen Einzeltaten anstelle einer im Auslieferungsersuchen angenommenen fortgesetzten Handlung nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 1995 - 1 StR 18/95, NStZ 1995, 608). Das Gleiche gilt, wenn das Strafgesetz später geändert wird (hier etwa durch Aufhebung des Verbrechenstatbestandes des § 370a AO), ebenso, wenn der den Haftbefehl erlassende Richter anstatt von Tatmehrheit rechtsfehlerhaft von einer Verknüpfung der Taten im Sinne einer Handlungseinheit ausgegangen ist, sofern die dem Beschuldigten vorgeworfenen Tathandlungen dem Auslieferungsersuchen zu entnehmen sind (vgl. BGH, Urteil vom 8. August 1989 - 1 StR 296/89, NStZ 1989, 526).
14
c) Der Begriff der „anderen Tat“ im Sinne des § 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG knüpft allein an die Beschreibung der Straftat in der Auslieferungsbewilligung, diese wiederum an den Europäischen Haftbefehl an. Eine „andere Tat“ liegt nicht vor, wenn sich die Angaben im Europäischen Haftbefehl und diejenigen im späteren Urteil hinreichend entsprechen (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - Rechtssache C-388/08, aaO; BGH, Beschluss vom 24. September 2010 - 1 StR 373/10). Dies ist hier der Fall.
15
Der Umstand, dass der dem Auslieferungsersuchen und der Auslieferungsbewilligung zugrunde liegende Haftbefehl im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens - verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechend - eine dem jeweiligen Ermittlungsstand angepasste Konkretisierung erfahren hat, lässt hier die Identität der Tat unberührt. Die Strafverfolgung wurde dadurch nicht auf andere Taten gerichtet. Sämtliche abgeurteilten Taten sind nach Art des Delikts (Steuerhinterziehung), den betroffenen Steuerarten, den jeweiligen Veranlagungszeiträumen und der Begehungsweise identisch mit den im Europäischen Haftbefehl umrissenen Teilakten des dort beschriebenen Lebenssachverhalts.
16
d) Auch der Umstand, dass einzelne nach deutschem Recht als selbständige Taten zu wertende Teilakte des im Auslieferungsersuchen geschilderten Gesamtgeschehens sich auf Verkürzungsbeträge beziehen, deren Höhe - isoliert betrachtet - nach spanischem Recht für eine Ahndung als Steuerhinterziehung nicht ausreichen könnte (vgl. Art. 305 ff. des Spanischen Strafgesetzbuchs [Gesetz Nr. 10/1995 vom 23. November 1995 - BOE Nr. 281 vom 24. November 1995, S. 33987 ff.]), begründet keinen Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz.
17
Unabhängig von der Höhe der jeweiligen Steuerverkürzung handelt es sich bei den Delikten der Art nach um Steuerhinterziehungsdelikte im Sinne der Art. 305 ff. des Spanischen Strafgesetzbuches. Zwar gehören Fiskaldelikte zu den Straftaten, bei denen in Übereinstimmung mit dem Rahmenbeschluss 2002/584/JI nicht auf das Erfordernis der gegenseitigen Strafbarkeit verzichtet wurde. Hieraus ergibt sich allerdings gemäß Art. 12 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 des Spanischen Gesetzes Nr. 3/2003 vom 14. März 2003 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren (BOE Nr. 65 vom 17. März 2003, S. 10244 ff.) nur ein fakultatives Auslieferungshindernis.
18
Von der Möglichkeit, die Auslieferung abzulehnen, hat Spanien vorliegend keinen Gebrauch gemacht. Mit der Bewilligung der Auslieferung auf der Grundlage des dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegenden Europäischen Haftbefehls und des dort geschilderten Lebenssachverhalts haben die spanischen Behörden zum Ausdruck gebracht, dass die Auslieferung für die Strafverfolgung wegen Steuerhinterziehung unabhängig von der Höhe der im Rahmen einzelner Teilakte des Geschehens hinterzogenen Steuer bewilligt wird. Dem im Europäischen Haftbefehl geschilderten Lebenssachverhalt war für alle am Verfahren Beteiligten klar zu entnehmen, dass einzelne Steuerhinterziehungshandlungen mit Steuerverkürzungen in noch nicht genau bekannter Höhe zu Grunde liegen.

C.

19
Die von den Angeklagten erhobenen, teilweise inhaltsgleichen, teilweise sich überschneidenden Verfahrensrügen decken keine den Bestand des Urteils gefährdenden Rechtsfehler auf. Sie bleiben aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts zutreffend dargelegten Gründen ohne Erfolg. Soweit sie nicht bereits unzulässig sind, sind sie jedenfalls unbegründet. Ergänzend bemerkt der Senat:
20
I. Bei der Erhebung einer Verfahrensrüge sind die den Mangel enthaltenden Tatsachen vollständig, zutreffend, schriftlich (in die Begründungsschrift eingefügte Kopien, die nicht hinreichend lesbar sind, genügen dem nicht, vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1984 - 2 StR 166/84, NJW 1985, 443) und insgesamt innerhalb der sich aus § 345 Abs. 1 StPO ergebenden Revisionsbegründungsfrist anzubringen.
21
Insbesondere dann, wenn sich der Verfahrensgang - wie hier - durch eine kaum zu überblickende Anzahl von Anträgen der Verteidigung auszeichnet, die sich auf umfangreiche Anlagen beziehen, sich teilweise wiederholen und zum Teil auf andere Anträge oder Beschlüsse Bezug nehmen, kann die Revision nicht von ihrer sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Pflicht entbunden werden, die (und nur die) auf die jeweilige Angriffsrichtung bezogenen Verfahrenstatsachen so vorzutragen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung die einzelnen Rügen darauf überprüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegen würde, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2007 - 5 StR 383/06, NJW 2007, 3010, 3011; BGH, Beschluss vom 7. April 2005 - 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463; BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005, NJW 2005, 1999, 2001; Kuckein in KK-StPO 6. Aufl. § 344 Rn. 38 mwN).
22
Neuer Tatsachenvortrag nach Fristablauf im Rahmen von Gegenerklärungen (§ 349 Abs. 3 StPO) kann die Unzulässigkeit innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht zulässig erhobener Verfahrensbeanstandungen nicht mehr nachträglich beseitigen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010 - 1 StR 530/09, wistra 2010, 312; BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 3 StR 431/08, NStZ 2009, 168; Kuckein in KK-StPO 6. Aufl. § 344 Rn. 66).
23
1. Die für den Angeklagten W. mit Schriftsätzen vom 4. Juni 2009 erhobenen Verfahrensrügen sind schon deshalb unzulässig, weil zu diesem Zeitpunkt für diesen Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist bereits abgelaufen war. Die Frist des § 345 Abs. 1 StPO beginnt für jeden Angeklagten gesondert in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Zustellung des Urteils an ihn bzw. seine Verteidiger (Hanack in LR-StPO, 25. Aufl. § 345 Rn. 4; Wiedner in BeckOK-StPO, § 345 Rn. 5). Wird das Urteil mehreren Empfangsberechtigten zugestellt, beginnt die Frist grundsätzlich nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem eine wirksame Zustellung an den letzten Zustellungsempfänger vollzogen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1968 - 1 StR 77/68, BGHSt 22, 221). Dies ist hier bezüglich des Angeklagten W. für den 28. April 2009 nachgewiesen. Die Revisionsbegründungsfrist wurde für den Angeklagten W. weder dadurch erneut in Gang gesetzt, dass seinen Verteidigern das Urteil vorsorglich (mit ausdrücklichem Hinweis auf einen allein den Angeklagten B. betreffenden, möglichen Zustellungsmangel) zu einem späteren Zeitpunkt nochmals zugestellt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 2006 - 4 StR 286/06, NStZ 2007, 53; Beschluss vom 17. März 2004 - 2 StR 44/04, NStZ-RR 2005, 261; Urteil vom 27. Oktober 1977 - 4 StR 326/77, NJW 1978, 60), noch dadurch, dass eine erste wirksame Zustellung des Urteils an den Ver- teidiger des Angeklagten B. möglicherweise erst für den 4. Mai 2009 belegt ist.
24
2. Für die Rüge, ein Ablehnungsgesuch sei zu Unrecht nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO abgelehnt worden, folgt aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dieser Verfahrensrüge (ebenso wie bei Ablehnung eines Beweisantrags wegen Prozessverschleppungsabsicht, vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. Juni 1986 - 3 StR 10/86, NStZ 1986, 519, 520) auch sein eigenes prozessuales Verhalten wiedergeben muss, soweit es nach dem Inhalt des beanstandeten Beschlusses für die Entscheidung mitbestimmend war. Dem steht nicht entgegen, dass hiermit - wie auch sonst - verlangt wird, dass mit dem Revisionsvorbringen auch solche Umstände vorgetragen werden müssen, die der erhobenen Rüge den Boden entziehen können (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2008 - 1 StR 484/08, BGHSt 52, 355, 357; weitere Nachweise bei Cirener, NStZ-RR 2010, 97, 100).
25
Diesen Anforderungen genügt der Revisionsvortrag der Angeklagten B. und W. zur Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 26a StPO nicht. Die Beschwerdeführer haben - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - nicht mitgeteilt, dass den Befangenheitsanträgen vorausgehend fortlaufende, teilweise inhaltsgleiche und ganze Geschäftsverteilungspläne enthaltende Rügen und Anträge dazu geführt haben, dass mit der Verlesung der Anklage erst im Laufe des 7. Hauptverhandlungstages begonnen werden konnte, während die Verteidigung gleichzeitig mit einem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründete Anträge auf Aufhebung der Haftbefehle gestellt hat.
26
3. Bei dem Vortrag der für die revisionsgerichtliche Überprüfung bedeutsamen Verfahrenstatsachen darf sich die Revision nicht auf die Mitteilung sol- cher Tatsachen oder Dokumente beschränken, die Gegenstand der Hauptverhandlung waren bzw. die dem Verteidiger zugestellt wurden. Das Begründungserfordernis des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO umfasst - soweit zur Beurteilung des Revisionsvorbringens erforderlich - alle dem Beschwerdeführer zugänglichen Tatsachen. Hierzu gehört jedenfalls der gesamte Akteninhalt, in den Einsicht zu nehmen die Vorschrift des § 147 StPO dem Verteidiger gestattet. Werden zur Revisionsrechtfertigung herangezogene Tatsachen entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzutreffend dargestellt, ist eine darauf gestützte Verfahrensrüge ebenfalls unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2005 - 2 StR 203/05, NStZ 2006, 55, 56).
27
a) Die Revision des Angeklagten B. rügt, § 261 StPO sei dadurch verletzt worden, dass zur Feststellung von Zahlungsflüssen bestimmte Kontoauszüge nicht verlesen worden seien. Sie teilt jedoch nicht mit, dass Kontoverdichtungen und diesen zugrunde liegende Buchungstexte (mithin „Kontounterlagen“ im Sinne der Urteilsgründe) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden. Die Rüge ist daher unzulässig.
28
Die Aufklärungsrüge des Angeklagten B. , mit der er die unzureichende Aufklärung gesellschaftsrechtlicher Verhältnisse geltend macht (§ 244 Abs. 2 StPO), enthält eine falsche Tatsachenbehauptung und ist schon deswegen unzulässig. Entgegen der Revisionsrechtfertigung, die sich insbesondere darauf stützt, ein Handelsregisterauszug der S. AG sei nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden, wurde ein solcher Handelsregisterauszug am 11. Verhandlungstag verlesen (Protokollband Bl. 59 ff.).
29
Auf beides hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Gegenerklärung hingewiesen.
30
b) Die von den Angeklagten B. und W. erhobene Rüge einer „Verletzung der §§ 244 Abs. 2, 244 Abs. 3 und 244 Abs. 5 StPO“, mit der sie beanstanden, das Landgericht habe die Einvernahme dreier Auslandszeugen zu dem Rechnungen der Schweizer Firma S. betreffenden Sachverhalt zu Unrecht abgelehnt, bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
31
aa) Die Verfahrensrüge ist bereits nicht zulässig erhoben.
32
Dem liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde: Am 64. Verhandlungstag beantragte die Verteidigung unter anderem unter Bezugnahme auf eine von ihr wörtlich mitstenographierte Zeugenaussage vom 21. Verhandlungstag, Verantwortliche der Firma S. zu einem auf insgesamt acht Seiten näher beschriebenen Beweisthema zu vernehmen. Ohne auf den späten Zeitpunkt der Beweisantragstellung einzugehen (was im Rahmen einer Entscheidung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO möglich gewesen wäre, vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03, NJW 2005, 300, 304), lehnte es die Strafkammer mit Beschluss vom selben Tag ab, die benannten Auslandszeugen zu vernehmen, da deren Einvernahme unter Berücksichtigung des bisherigen Beweisergebnisses keinen Erkenntnisgewinn brächte. Es könne im Rahmen einer Bewertung der zu erwartenden Aussagen nicht außer Betracht bleiben, dass Verantwortliche der Firma S. den Versuch unternommen hätten, sich durch ihren Rechtsbeistand, den Schweizer Rechtsanwalt Dr. P. , verdeckt Erkenntnisse aus dem Gang der Hauptverhandlung zu verschaffen. Dr. P. sei von der Verteidigung als technischer Experte für Datensicherungsfragen vorgestellt worden, seine Berufsstellung als Rechtsanwalt und seine vertragliche Beziehung zur Firma S. , die sich aus einer Werbeaussage ergebe, sei dabei indes verheimlicht worden.
33
Die Revision rügt, aus den von der Strafkammer herangezogenen Umständen könne nicht darauf geschlossen werden, Rechtsanwalt Dr. P. solle die Interessen der Firma S. wahren. Sie unterlässt es indes entgegen den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, das in der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft genannte, in den Akten befindliche Schreiben der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug mitzuteilen, aus dem sich explizit ergibt, dass Rechtsanwalt Dr. P. der Rechtsbeistand der Firma S. ist.
34
bb) Auch einen sachlichrechtlichen Mangel in der Beweiswürdigung deckt die erhobene Verfahrensbeanstandung nicht auf. Der von der Strafkammer gezogene Schluss, dass Rechtsanwalt Dr. P. die Interessen der Firma S. wahrnahm, ist nicht zu beanstanden. Er ist möglich, zwingend braucht er nicht zu sein. Die Strafkammer hat auch nicht ein Verhalten der Angeklagten oder ihrer Verteidiger bewertet, sondern Schlüsse aus einem aktenkundig gemachten Verhalten Dritter auf die Glaubwürdigkeit und das Geschäftsgebaren von Zeugen gezogen. Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Die Rolle Dr. P. s als Interessenvertreter der S. durfte daher sowohl bei der Entscheidung über den Beweisantrag als auch im Rahmen der Beweiswürdigung herangezogen werden.
35
II. Die Verfahrensrügen, mit denen die Gerichtsbesetzung als fehlerhaft beanstandet wird (§ 338 Nr. 1, 2, 3 und 5 StPO), greifen nicht durch. Sie wären jedenfalls unbegründet. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
36
1. Die Revisionen der Angeklagten F. und W. rügen die Besetzung der Strafkammer mit dem zunächst als Ergänzungsrichter berufenen RiLG L. (§ 338 Nr. 1 StPO).
37
a) Dem liegt folgendes Prozessgeschehen zu Grunde: Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts für das Jahr 2007 sah vor, dass im Falle des § 192 Abs. 2 GVG zur Teilnahme an der Hauptverhandlung als Ergänzungsrichter RiLG Dr. B. , VRiLG S. und VPräsLG R. in dieser Reihenfolge berufen sind, bei Verhinderung des an sich berufenen Richters der Nächstberufene an seine Stelle tritt und gleiches gilt, wenn ein Richter im Geschäftsjahr bereits einmal herangezogen wurde.
38
Der Vorsitzende hatte zunächst die Zuziehung (nur) eines Ergänzungsrichters angeordnet. Nachdem RiLG Dr. B. gegen den im Zusammenhang mit der Terminierung dieses Verfahrens stehenden Widerruf seiner Urlaubsbewilligung Widerspruch eingelegt und eine beisitzende Richterin ihre Schwangerschaft angezeigt hatte, ordnete der Vorsitzende die Zuziehung eines weiteren Ergänzungsrichters an. Zu dem für den 25. Oktober 2007 anberaumten Hauptverhandlungstermin meldete sich RiLG Dr. B. kurz vor Terminsbeginn telefonisch dienstunfähig erkrankt; der weitere Ergänzungsrichter, VRiLG S. , erschien. Nach Aufruf der Sache, Feststellung des soeben Gesagten, Anhörung der Verfahrensbeteiligten und Beratung hierzu wurde das Verfahren durch Gerichtsbeschluss ausgesetzt und neuer Termin für den 8. November 2007 bestimmt. Am selben Tag ordnete der Vorsitzende die Zuziehung von drei Ergänzungsrichtern an. Dies veranlasste das Präsidium des Landgerichts, am 29. Oktober 2007 den Geschäftsverteilungsplan dahingehend zu ändern, dass zum weiteren Ergänzungsrichter RiLG L. bestimmt wurde, in der Reihenfolge nach den bereits namentlich bestimmten. Hierüber wurden die Verteidiger der Angeklagten unterrichtet. Die Besetzung des Gerichts wurde dahingehend bekannt gegeben, dass an der Hauptverhandlung nunmehr RiLG Dr. B. , VPräsLG R. und RiLG L. als Ergänzungsrichter mitwirkten. Am 8. November 2007 teilte der Vorsitzende nach Aufruf der Sache mit, dass sich RiLG Dr. B. erneut kurz vor dem Termin telefonisch dienstunfähig erkrankt gemeldet habe. In der Besetzung mit zwei Ergänzungsrichtern, VPräsLG R. und RiLG L. , nahm das Gericht sodann einen maschinenschriftlich vorberei- teten Antrag der Verteidigung auf amtsärztliche Untersuchung von RiLG Dr. B. sowie die Rüge, das Gericht sei hinsichtlich der Zahl der Ergänzungsrichter unvollständig besetzt, entgegen, bevor der Vorsitzende schriftlich (zu Protokoll) die Anordnung auf Zuziehung eines dritten Ergänzungsrichters aufhob. Es folgten Befangenheitsanträge und Besetzungsrügen. Die Dienstunfähigkeit von RiLG Dr. B. wurde noch am 8. November 2007 amtsärztlich festgestellt. Am dritten Hauptverhandlungstag schied eine Beisitzerin aus, an ihre Stelle rückte VPräsLG R. , der am darauf folgenden Hauptverhandlungstag krankheitsbedingt ebenfalls ausscheiden musste. Der an seine Stelle tretende RiLG L. wirkte sodann am Verfahren bis zur Urteilsverkündung mit.
39
Die Revision ist der Auffassung, der Geschäftsverteilungsplan enthalte schon hinsichtlich der Ergänzungsrichterregelung keine abstrakt-generelle Regelung , im Übrigen sei dessen nachtägliche Änderung unzulässig. Sie führe - wie auch die anderen aus Sicht der Revision willkürlichen Entscheidungen zur Gerichtsbesetzung (Bestimmung der Anzahl der Ergänzungsrichter, Aussetzung , unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der einzelnen Ergänzungsrichter ) - zu einer nicht mehr nach allgemeinen Kriterien vorhersehbaren, sondern nur auf den Einzelfall bezogenen Zuweisung von RiLG L. .
40
b) Die Besetzungsrüge wäre jedenfalls unbegründet. Die sich aus der plötzlichen Verhinderung mehrerer Richter ergebende Situation hat die vom Landgericht getroffenen Entscheidungen über die Gerichtsbesetzung erforderlich gemacht; sie sind sachlich gerechtfertigt und rechtsfehlerfrei.
41
Eine Besetzungsrüge gemäß § 338 Nr. 1 StPO könnte ohnehin nur dann Erfolg haben, wenn der in Rede stehenden Besetzung eine - hier nicht gegebene - willkürliche Verletzung der einschlägigen Bestimmungen zu Grunde liegen würde (vgl. BVerfGE 23, 288, 320). Von Willkür kann aber nur die Rede sein, wenn sich die Entscheidung über die Gerichtsbesetzung so weit von dem die Bestimmungen über die Besetzung des Gerichts beherrschenden Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist. Schon eine nur vertretbare Beantwortung einer Zweifelsfrage zur zutreffenden Gerichtsbesetzung verstößt aber weder gegen den sich aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Anspruch auf Mitwirkung des gesetzlichen Richters, noch wird dadurch eine vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts i.S.v. § 338 Nr. 1 StPO herbeigeführt (vgl. BVerfGE 29, 45, 48; BGH, Urteil vom 22. Juni 1982 - 1 StR 249/81, NStZ 1982, 476, 477 mwN).
42
aa) Über die Erforderlichkeit der Zuziehung von Ergänzungsrichtern und deren Anzahl entscheidet gemäß § 192 Abs. 2 GVG der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1988, BGHSt 35, 366, 368; Wickern in LR-StPO, 25. Aufl., § 192 GVG Rn. 7; Diemer in KK-StPO, 6. Aufl., § 192 GVG Rn. 4a), wobei er sich an einer ihm bekannt werdenden - nicht notwendigerweise konstanten - Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ergänzungsfalls orientieren wird. Neben dem Umfang des Verfahrens und dessen zu erwartender Dauer können auch in der Person eines Beteiligten liegende Umstände eine solche Wahrscheinlichkeit begründen; diese hat der Vorsitzende in den Blick zu nehmen. Tritt ein weiterer solcher Umstand hinzu (hier z.B. die Schwangerschaft einer Richterin oder die Erkrankung des RiLG Dr. B. mit zunächst unbekannter Ursache) oder entfällt ein solcher, ist es zulässig und sachgerecht, die Anzahl der erforderlichen Ergänzungsrichter anzupassen. Hieraus leitet sich auch das Recht des Vorsitzenden ab, die Anordnung auf Zuziehung eines Ergänzungsrichters jederzeit zu widerrufen (vgl. Wickern in LR-StPO, 25. Aufl., § 192 GVG Rn. 9).
43
Gemessen hieran ist auch die Entscheidung, den für den 25. Oktober 2007 angesetzten Termin nach Bekanntwerden der Krankmeldung des Ergänzungsrichters RiLG Dr. B. nicht bereits vor Aufruf der Sache abzusetzen, rechtsfehlerfrei. Sie beinhaltet die schlüssige und auch in dieser Form zulässige Abänderung der Anordnung über die Zahl der hinzuzuziehenden Ergänzungsrichter. Angesichts der Unklarheiten bezüglich der Erkrankung des RiLG Dr. B. war es auch nicht objektiv willkürlich, was allein die Annahme einer fehlerhaften Gerichtsbesetzung (§ 338 Nr. 1 StPO) stützen könnte, zunächst (was hier ebenfalls formlos möglich war, vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1988 - 2 StR 250/88, NJW 1989, 1681; BGH, Urteil vom 24. Juli 1990 - 5 StR 221/89, NJW 1991, 51) vom Vorliegen eines Ergänzungsfalls auszugehen , dies aber - mit Blick auf den gesetzlichen Richter - wie geschehen sodann zur Erörterung zu stellen und den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Mit Blick auf das Beschleunigungsgebot und die mit einem Verfahren mit mehreren Verteidigern verbundenen Schwierigkeiten einer Terminsfindung war dies sachgerecht.
44
Ebenso wenig vermag die - nach Ausbleiben eines immerhin möglichen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 222b Rn. 3; Gmel in KK-StPO, 6. Aufl., § 222b Rn. 3; Ritscher in BeckOK-StPO, § 222b Rn. 7) Verzichts auf den Besetzungseinwand getroffene - Entscheidung, das Verfahren mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen auszusetzen, die Revisionsrüge, das Gericht sei im dann neu anberaumten Termin fehlerhaft besetzt gewesen, zu begründen. Es ist auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens bereits nicht ersichtlich , dass der Vorsitzende hier willkürlich gehandelt haben könnte, etwa um bewusst auf die (nachfolgende) Gerichtsbesetzung Einfluss zu nehmen. Überdies war die Entscheidung, das Verfahren auszusetzen, ebenfalls sachgerecht.
45
In der Annahme, das Gericht sei mit VRiLG S. am 25. Oktober 2007 fehlerhaft besetzt, konnte an diesem Tag keine andere Entscheidung getroffen werden, als diejenige, das Verfahren auszusetzen. Auch eine erneute Aufstockung der Zahl der Ergänzungsrichter in laufender Verhandlung (was wegen der unklaren Erkrankungslage des RiLG Dr. B. angezeigt war) wäre nach bereits erfolgtem Aufruf der Sache mit Blick auf § 226 StPO nicht mehr in Betracht gekommen (vgl. Wickern in LR-StPO, 25. Aufl., § 192 GVG Rn. 5).
46
Die Aussetzung des am 25. Oktober 2007 begonnenen Verfahrens mit einem Neubeginn innerhalb der Unterbrechungsfrist des § 229 StPO begegnete - auch im Lichte des Anspruchs der Angeklagten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) - selbst dann keinen durchgreifenden Bedenken, wenn man annähme, die Strafkammer sei mit VRiLG S. als einzigem Ergänzungsrichter am 25. Oktober 2007 objektiv richtig besetzt gewesen. Sind in einer Hauptverhandlung noch keine Erträge erzielt worden, die bei einer Unterbrechung fortwirkten, bei einer Aussetzung aber erneut gewonnen werden müssten, ist das Gericht in der Entscheidung, ob es die Hauptverhandlung unterbricht oder sie aussetzt, grundsätzlich frei (BGH, Urteil vom 9. August 2007 - 3 StR 96/07, NStZ 2008, 113).
47
Das Entscheidungsermessen entfiel hier auch nicht dadurch, dass ein neuer Hauptverhandlungstermin innerhalb der Frist des § 229 Abs. 2 StPO bestimmt werden konnte. Vielmehr entsprach es dem Gebot der Beschleunigung, zumal in Haftsachen, eine neue Hauptverhandlung möglichst bald anzusetzen, nachdem sich die Hauptverhandlung am 25. Oktober 2007 für die Strafkammer als nicht zweifelsfrei in dieser Form durchführbar erwiesen hatte. Für die Frage, ob eine Aussetzung zulässig ist, kann nicht allein die Dauer bis zum nächstmöglichen Termin maßgeblich sein (vgl. zu diesem Gesichtspunkt aber Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 228 Rn. 2). Dies ergibt sich auch aus einem Vergleich mit den Regelungen in § 217 Abs. 2, § 246 Abs. 2, § 265 Abs. 3 und Abs. 4 StPO, die für Situationen eine Aussetzung vorschreiben oder zulassen, in denen das Gericht unter Beachtung des Beschleunigungsgebots nicht gehindert ist, innerhalb der sich aus § 229 Abs. 2 StPO ergebenden Unterbrechungsfrist neu zu terminieren. Auch sonst wird die Annahme eines richterlichen Ermessens für die Entscheidung zwischen Unterbrechung und Aussetzung der Vielfalt denkbarer Geschehensabläufe, die eine nachträgliche Umterminierung bedingen können, besser gerecht als eine starre Zeitgrenze, ohne dass dadurch schützenswerte Interessen der Verfahrensbeteiligten beeinträchtigt wären.
48
bb) Mit Aufruf der Sache am 25. Oktober 2007 begann die Hauptverhandlung , § 243 Abs. 1 Satz 1 StPO. Dies hatte zur Folge, dass der an dieser Hauptverhandlung teilnehmende VRiLG S. - unabhängig davon, ob seine Mitwirkung fehlerhaft war oder nicht - im Geschäftsjahr 2007 im Gegensatz zu RiLG Dr. B. bereits einmal als Ergänzungsrichter herangezogen worden war und daher nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht neuerlich als Ergänzungsrichter herangezogen werden konnte.
49
cc) Vor diesem Hintergrund ist auch die nachträgliche Änderung des Geschäftsverteilungsplans nicht zu beanstanden. Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Limburg für das Jahr 2007 enthält eine hinreichend abstrakte Regelung zur Frage, welcher Richter im nicht vorhersehbaren Fall der Notwendigkeit eines Ergänzungsrichters heranzuziehen ist. Der Umstand, dass - anders als im Vorjahr - mehr als drei Ergänzungsrichter erforderlich sein würden, war nicht absehbar. Durch die - ermessensfehlerfreie - Anordnung der Hinzuziehung eines weiteren, nicht bereits durch die Teilnahme an der Hauptverhandlung vom 25. Oktober 2007 „verbrauchten“ Ergänzungsrichters war eine unvorhersehbare Regelungslücke im Geschäftsverteilungsplan entstanden, die das Präsidium des Landgerichts in entsprechender Anwendung des § 21e GVG zu schließen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 1981 - 3 StR 88/81, NStZ 1981, 489).
50
dd) Hinsichtlich der dienstunfähig gewordenen Beisitzerin und des erkrankten VPräsLG R. lag jeweils ein Verhinderungsfall vor, bei dem ein Ergänzungsrichter für den verhinderten Richter einzutreten hatte (vgl. § 192 Abs. 2 GVG). Aber auch hinsichtlich des erstberufenen Ergänzungsrichters, RiLG Dr. B. , lag am 8. November 2007 ein Verhinderungsfall vor, da dieser Richter an diesem Tag - amtsärztlich attestiert - bereits erneut erkrankt und absehbar längerfristig unfähig war, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Hiervon durfte der Vorsitzende angesichts der Besonderheiten des Falles jedenfalls ausgehen. Damit trat an die Stelle von RiLG Dr. B. der nächstberufene Ergänzungsrichter , an dessen Stelle wiederum der in der Reihe nachfolgende. Die Mitwirkung von RiLG L. an Hauptverhandlung und Urteil erweist sich nach alledem als zutreffend, keinesfalls aber als willkürlich.
51
2. Neben dieser Besetzungsrüge haben die Revisionen aller Angeklagten eine dienstliche Stellungnahme von RiLG L. zu einem mit dem Anstaltsseelsorger des Angeklagten W. auf dessen Wunsch geführten Gespräch zum Anlass genommen, anzunehmen, RiLG L. sei gemäß § 22 Nr. 5 StPO von der Mitwirkung ausgeschlossen gewesen. Die hierauf gestützte Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 2 StPO) ist ebenfalls unbegründet.
52
Das Wissen, das ein Richter während des Laufs eines anhängigen Verfahrens dienstlich erlangt und durch eine dienstliche Erklärung in die Hauptverhandlung einbringt, macht den Richter nicht zum Zeugen. Eine Vernehmung als Zeuge wäre ein unzulässiges Beweismittel i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO; es entzöge dem Angeklagten den gesetzlichen Richter (BGH, Urteil vom 23. Juni 1993 - 3 StR 89/93, NJW 1993, 2758).
53
3. Die Besetzungsrüge des Angeklagten W. , der Vorsitzende sei gemäß § 22 Nr. 1 StPO von der Mitwirkung ausgeschlossen gewesen (§ 338 Nr. 2 StPO), ist bereits nicht zulässig erhoben, weil sie den Inhalt der hierzu abgegebenen dienstlichen Erklärungen nicht vorträgt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Sie wäre auch unbegründet:
54
Der Vorsitzende hat gemäß § 183 GVG die Äußerung eines Verteidigers, es sei dem Angeklagten unzumutbar, sich mit den Richtern in einem Raum aufzuhalten , zu Protokoll genommen. Diese Äußerung wurde Gegenstand einer Strafanzeige durch den Landgerichtspräsidenten. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war der Vorsitzende damit nicht als Verletzter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen. Straftat im Sinne des § 22 Nr. 1 StPO kann nur eine solche sein, die Prozessgegenstand des anhängigen Verfahrens ist. Andernfalls läge es in der Hand eines jeden Angeklagten, sich nach Belieben jedem Richter zu entziehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. April 1996 - 2 BvR 1639/94, NJW 1996, 2022).
55
4. Die behauptete Überlassung von Teilen der Anklageschrift an die Schöffen könnte für sich allein eine Besorgnis der Befangenheit weder gegenüber den Berufsrichtern noch gegenüber den Schöffen begründen (vgl. EGMR, Urteil vom 12. Juni 2008 - 26771/03, NJW 2009, 2871; zur Zulässigkeit der Überlassung von Aktenteilen an Schöffen vgl. auch BGH, Urteil vom 26. März 1997 - 3 StR 421/96, BGHSt 43, 36). Die hierauf gestützte Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 3 StPO) des Angeklagten B. kann schon deswegen nicht erfolgreich sein.
56
5. Die auf § 338 Nr. 3 StPO gestützten Verfahrensrügen der Angeklagten B. und W. , mit denen sie geltend machen, Befangenheitsgesuche seien zu Unrecht gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig verworfen und Art. 101 GG dadurch verletzt worden, bleiben ebenfalls ohne Erfolg.
57
a) Den Rügen liegt u.a. Folgendes zugrunde: Die Verteidigung des Angeklagten F. hatte am 3. Verhandlungstag gegen eine Protokollführerin ein Ablehnungsgesuch angebracht, weil diese dem Vorsitzenden über Vorkommnisse in einer Sitzungspause (Übergabe von Unterlagen an einen der Angeklagten ) berichtet hatte. Es wurde ebenso wie ein Antrag auf Umsetzung der Protokollführerin zurückgewiesen. Dies und die Mitteilung des Vorsitzenden, hinsichtlich einer Beisitzerin den Ergänzungsfall annehmen zu wollen, nahm die Verteidigung des Angeklagten B. zum Anlass, die Mitglieder der Strafkammer einschließlich der Schöffen abzulehnen. Die Verteidigung des Angeklagten W. lehnte ebenfalls mit einem in der Hauptverhandlung angebrachten und zwei weiteren während laufender Hauptverhandlung auf der Geschäftsstelle eingereichten - mit vorangehenden überwiegend wortgleichen - Anträgen die Mitglieder der Strafkammer einschließlich der Schöffen wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.
58
Die Strafkammer verwarf die Befangenheitsgesuche mit Beschluss vom 3. Dezember 2007 gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig. Eine Gesamtschau des bisherigen Verfahrensgangs offenbare ein zwischen den Verteidigern abgesprochenes Verteidigungsverhalten, das darin bestehe, Anträge in möglichst umständlicher und zeitaufwändiger Weise einzubringen, die hierdurch entstehenden Verzögerungen sodann aber zur Begründung für weitere Haftaufhebungsanträge zu verwenden. Auch werde erkennbar, dass Entscheidungen des Gerichts über Verfahrensanträge umgehend zum Anlass für weitere Ablehnungsanträge unter Wiederholung bereits verbeschiedener Rügen genommen worden seien. Die Strafkammer weist darauf hin, die Verteidigung des Angeklagten W. habe am 1. Verhandlungstag zwei Besetzungsrügen angebracht , bei denen sie jeweils - mit dem Bemerken, dies sei prozessual zwingend - den gesamten Geschäftsverteilungsplan einschließlich der Zuständigkeitsverteilung sämtlicher Zivilkammern und aller Änderungsbeschlüsse verlesen habe. Am 2. Verhandlungstag habe die Verteidigung des Angeklagten B. begonnen, einen ihr schriftlich vorliegenden Befangenheitsantrag zu Protokoll zu diktieren, einschließlich eines dem Ablehnungsgesuch zugrunde liegenden Beschlusses aus dem Ermittlungsverfahren mit den darin enthaltenen Zahlenkolonnen. Nach einem am Nachmittag des 2. Verhandlungstages vom Vorsitzenden gegebenen Hinweis darauf, dass ein Recht auf Protokollierung der Antragsbegründung nicht bestehe, habe der Verteidiger des Angeklagten B. erwidert, dass er diese Ansicht zur Kenntnis nehme, seinen Antrag gleichwohl weiter zu Protokoll diktieren werde. Das Landgericht nennt im Ablehnungsbeschluss weitere Anträge, unter anderem einen Befangenheitsantrag gegen die Protokollführerin, in welchem diese des Denunziantentums und der Abgabe unwahrer Erklärungen bezichtigt werde, einen Antrag auf Umsetzung der Protokollführerin , in dem diese erneut der bewussten Spitzeltätigkeit bezichtigt werde. Gegen die Kammermitglieder werde der diffamierende Vorwurf erhoben, die angebliche Bespitzelungstätigkeit der Protokollführerin entspreche einem Wunsch der Strafkammer. Die mit dem Vorwurf der Verkündung eines nicht beratenen Kammerbeschlusses vorgetragene Wertung, das gerügte Verhalten des Vorsitzenden lasse vermuten, dass dieser auch die Beurteilung der Schuldfrage nicht vom Ergebnis der Beweisaufnahme abhängig mache, diene allein einer Bloßstellung; ein Verteidiger des Angeklagten B. habe selbst bekundet, eine Tischberatung habe zu dem in Rede stehenden Beschluss stattgefunden. Die weiteren Einwände gegen die Unbefangenheit der Richter seien - zum Teil wortgleich - bereits Gegenstand früherer Anträge gewesen, die die Strafkam- mer bereits beschieden habe. Der darin enthaltene Hinweis, die Mitglieder des Präsidiums hätten bei wahrheitsgemäßen Angaben bekennen müssen, die Ergänzungsrichter unter bewusster Missachtung der verfassungsrechtlichen Erfordernisse bestellt zu haben, diene ebenfalls allein der Diffamierung.
59
Auch ein weiteres Befangenheitsgesuch des Angeklagten B. verwarf die Strafkammer am 1. Juli 2008 gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig. Die Verteidigung hatte gegen die an einem Beschluss zur Zurückweisung eines gegen einen Sachverständigen gerichteten Befangenheitsantrags mitwirkenden Richter ein Befangenheitsgesuch angebracht und sodann gegen die hierüber entscheidenden Richter neuerlich mit einem Ablehnungsantrag reagiert. Nachdem auf Antrag der Verteidigung mitgeteilt wurde, welche Richter hierüber entscheiden würden, wurde gegen diese ein Befangenheitsantrag gestellt , der nunmehr Gegenstand einer Revisionsrüge ist.
60
In dem diesen Antrag zurückweisenden Beschluss führt die Strafkammer aus, die Verteidiger hätten durch das bisherige Prozessverhalten gezeigt, dass sie bestrebt seien, die Hauptverhandlung dauerhaft auf eine Auseinandersetzung um vermeintliche Voreingenommenheit zu beschränken, eine zügige Beweisaufnahme zu verhindern, hierdurch zusätzliche Arbeitskraft der Richter zu binden und die dadurch entstandenen Verzögerungen dann als Argument in einer eingereichten Haftbeschwerde zu verwenden. So erweise sich die sukzessive Kettenablehnung der für das jeweils neu abgelehnte Kammermitglied nachrückenden Richters in der Zusammenschau des - im Einzelnen dargelegten - Prozessverlaufs, dass es der Verteidigung nur um die Verhinderung einer Beweisaufnahme zum Themenkomplex „S. “ gehe.
61
b) Die Rügen wären jedenfalls unbegründet. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO liegt nicht vor. Die Grenzen, innerhalb derer abgelehnte Richter selbst über die gegen sie angebrachten Ablehnungsgesuche entscheiden können (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2005, 3410; NJW 2006, 3129; BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06), wurden nicht überschritten.
62
aa) Die Vorschrift des § 26a StPO gestattet ausnahmsweise, dass ein abgelehnter Richter selbst über ein gegen ihn angebrachtes Befangenheitsgesuch entscheidet. Voraussetzung für diese Ausnahme von dem in § 27 StPO erfassten Regelfall der Entscheidung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters ist, dass keine Entscheidung in der Sache getroffen wird, vielmehr die Beteiligung des abgelehnten Richters auf eine echte Formalentscheidung oder die Verhinderung des Missbrauchs des Ablehnungsrechts beschränkt bleibt (BVerfG, NJW 2005, 3410). Dies gilt auch für die Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2008 - 5 StR 129/07, wistra 2008, 267; BGH, Beschluss vom 10. April 2008 - 4 StR 443/07, NStZ 2008, 523, 524). Allerdings ist es zum Beleg der Prozessverschleppungsabsicht regelmäßig erforderlich , dass die Richter das eigene Verhalten im Rahmen des Prozessgeschehens schildern. Allein hierdurch werden sie aber nicht zu Richtern in eigener Sache (BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06; BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 1 StR 289/09, wistra 2009, 446; Beschluss vom 13. Februar 2008 - 3 StR 509/07, NStZ 2008, 473).
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bb) Gemessen hieran ist die Verwerfung der geschilderten Ablehnungsgesuche als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht zu beanstanden.
64
Die abgelehnten Richter haben nicht ihr eigenes Verhalten bewertet. Vielmehr hat die Strafkammer ihre Überzeugung von der den Befangenheitsge- suchen zugrunde liegenden Verschleppungsabsicht und der Verfolgung verfahrensfremder Zwecke rechtsfehlerfrei gewonnen aus den Befangenheitsgesuchen selbst (deren Inhalt, Art und Weise der Anbringung der Gesuche und Wortwahl) und der jeweiligen Verfahrenssituation. Auch der Umstand, dass die abgelehnten Richter im Rahmen der Entscheidung vom 1. Juli 2008 auf vorangehende Beschlüsse Bezug nehmen, mit denen sie bereits eine Prozessverschleppungsabsicht in anderem Zusammenhang festgestellt hatten, macht sie nicht zu Richtern in eigener Sache (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 1 StR 289/09, wistra 2009, 446).
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Die Voraussetzungen des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO waren gegeben, wie bereits die von der Strafkammer in den Ablehnungsbeschlüssen geschilderten Umstände belegen. Auch die revisionsgerichtliche Prüfung nach Beschwerdegrundsätzen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 3 StR 446/04, wistra 2005, 464 ergibt, dass ein klarer Fall missbräuchlich angebrachter Ablehnungsgesuche vorliegt. Schon in der hier sogar mehrfachen Wiederholung gleichlautender Anträge kann eine Absicht zur Verfahrensobstruktion erkennbar werden. Der von der Strafkammer aus dem Umstand, dass für verschiedene Angeklagte gestellte Anträge sowohl vom Erscheinungsbild als auch vom Inhalt identisch waren, gezogene Schluss auf ein zwischen den Verteidigern abgestimmtes Verhalten, liegt dabei überaus nahe. Die Stellung langer Anträge zu Protokoll und die Anwürfe gegen die Mitglieder der Strafkammer, die ersichtlich zur Wahrung der Verteidigungsinteressen nicht erforderlich waren, deuten ebenfalls auf die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke oder die Absicht zur bloßen Verschleppung des Verfahrens hin. Jedenfalls in der Gesamtschau lässt dieses Prozessverhalten keinen vernünftigen Zweifel zu, dass es der Verteidigung (auch) mit den abgelehnten Befangenheitsanträgen nicht um die Wahrnehmung legitimer Verteidigungsaufgaben - den Angeklagten vor einem materiellen Fehlurteil oder auch nur einem prozessordnungswidrigen Urteil zu schüt- zen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 3 StR 445/04, NStZ 2005, 341) - ging, sondern um die Verhinderung eines geordneten Verfahrensfortgangs und -abschlusses in angemessener Zeit durch die zielgerichtete und massive Beeinträchtigung von Verfahrensherrschaft und Arbeitsfähigkeit des Strafgerichts (vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 5 StR 129/05, NJW 2005, 2466).
66
Das Revisionsvorbringen vermag diesen Befund nicht zu entkräften. Soweit die Revision des Angeklagten B. vorträgt, es gehöre zu den Kernaufgaben der Verteidigung, durch Ablehnungsanträge zu versuchen, eine Haftverschonung für den Mandanten zu erzwingen, offenbart dies ein Fehlverständnis des Strafprozesses im allgemeinen und des Ablehnungsverfahrens nach §§ 24 ff. StPO im besonderen. Solches Vorbringen ist nicht geeignet, den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu widerlegen. Der Auftrag der Verteidigung liegt - bei allem anerkennenswerten Engagement für den Mandanten - nicht ausschließlich im Interesse eines Angeklagten, sondern auch in einer am Rechtsstaatsgedanken ausgerichteten Strafrechtspflege (BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 106). Der Verteidiger, von dem das Gesetz besondere Sachkunde verlangt (§§ 138, 139, 142 Abs. 2 StPO, § 392 AO), ist der Beistand, nicht der Vertreter des Beschuldigten, an dessen Weisungen er auch nicht gebunden ist (BGH, Urteil vom 7. November 1991 - 4 StR 252/91, NStZ 1992, 140).
67
c) Im Übrigen würde auch ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen der §§ 26a, 27 StPO nicht stets den Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO begründen, vielmehr führt ein solcher Verstoß nur dann zu einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn diese Vorschriften willkürlich angewendet werden oder die richterliche Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie verkennt (BVerfG, NJW 2005, 3410, 3411; BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06; BGH, Beschluss vom 29. August 2006 - 1 StR 371/06, NStZ 2007, 161). Beides ist hier nicht der Fall.
68
d) Die weiteren von den Revisionen beanstandeten Beschlüsse der Strafkammer, mit denen Befangenheitsgesuche gegen Berufsrichter und Schöffen sowie gegen einen Sachverständigen gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO verworfen wurden, halten gemessen an den aufgezeigten Grundsätzen ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.
69
III. Auch die gegen die Behandlung der zahllosen Beweisanträge durch die Strafkammer gerichteten Verfahrensrügen, wie etwa die Beanstandung, die Strafkammer habe zwei auf die Einvernahme von rund 2.000 und 5.401 Zeugen gerichtete Beweisanträge rechtsfehlerhaft als bedeutungslos abgelehnt, bleiben aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen ohne Erfolg. Sie wären jedenfalls unbegründet.
70
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Bundesgerichtshof schon früh die Zurückweisung eines hinsichtlich des Umfangs der begehrten Beweisaufnahme ähnlichen (Hilfs-)Beweisantrags eben wegen dieses Umfangs mit folgender Begründung gebilligt hat: „Die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags der Verteidigung, „sämtliche Inserenten“ - etwa 7.000 - als Zeugen zu verhören, verletzt die §§ 244, 245 StPO [aF] schon deshalb nicht, weil er … auf Unmögliches gerichtet ist“ (BGH, Urteil vom 4. Januar 1954 - 1 StR 476/53). In vergleichbarem Sinn hat das OVG Münster (DÖV 1981, 384 mwN) unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass sich auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Ablehnung von Beweisanträgen nach § 244 StPO richte, einen auf die Vernehmung von 20.000 Zeugen gerichteten Antrag zurückgewiesen: Die Durchführung der Beweisaufnahme sei unzumutbar, die Grenzen der Zumutbarkeit „eindeutig überschritten“ (vgl. auch Niemöller, Zum exzessiven Gebrauch des Beweisantragsrechts, JR 2010, 332, 338).

D.

71
Hinsichtlich des Angeklagten F. führt die sachrechtliche Nachprüfung zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und in dessen Folge zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe (§ 349 Abs. 4 StPO). Darüber hinaus hat die Rüge der Verletzung materiellen Rechts keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten F. aufgedeckt (§ 349 Abs. 2 StPO).
72
I. Der Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten F. ist auf die Sachrüge dahin zu ändern, dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in sechs Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung in fünf Fällen schuldig ist.
73
1. Die den Fällen F 3 und F 4 der Urteilsgründe zugrunde liegenden Taten (Versuch der Hinterziehung von Körperschaft- bzw. Gewerbesteuer der B. GmbH für das Jahr 2004), die das Landgericht als tatmehrheitlich verwirklicht angesehen hat, stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift hierzu ausgeführt: "Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. … Ausnahmsweise kann Tateinheit vorliegen, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden. Entscheidend dabei ist, dass die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthal- ten sind (vgl. BGHSt 33, 163; BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 6 und 9; BGH wistra 1996, 62 m.w.N.). Dies ist für die Taten F 3 und F 4 festgestellt, weil die unrichtigen Steuererklärungen am 06.03.2006 bei einem Finanzamt abgegeben wurden, sie Steuern derselben Gesellschaft für den Veranlagungszeitraum 2004 betrafen und übereinstimmend unrichtige Angaben enthielten."
74
Der Schuldspruch ist daher entsprechend abzuändern, ein Teilfreispruch kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 596/08, NStZ 2009, 347; Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546).
75
2. In den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Körperschaft - bzw. Gewerbesteuer der D. Systeme GmbH für das Jahr 2004) tragen die Urteilsfeststellungen die Verurteilung wegen vollendeter Steuerhinterziehung nicht. Der Senat ändert daher den Schuldspruch in diesen Fällen jeweils auf versuchte Steuerhinterziehung ab.
76
a) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe alle äußeren und inneren Tatsachen so vollständig angeben, dass darin die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands erkannt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1989 - 3 StR 55/89, BGHR, StPO, § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 4). Bei der Blankettstrafnorm des § 370 AO, die erst zusammen mit den sie ausfüllenden steuerrechtlichen Vorschriften die maßgebliche Strafvorschrift bildet (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 2007 - 5 StR 549/06, NStZ 2007, 595), muss sich deshalb aus den Feststellungen ergeben, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 1997 - 5 StR 210/97, NStZ-RR 1997, 374, 375; BGH, Beschluss vom 26. April 2001 - 5 StR 584/00, NStZ-RR 2001, 307). Diesen Anforderungen wird das Urteil in den Fällen F 7 und F 8 nicht gerecht.
77
b) Das Landgericht hat in den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe festgestellt , dass der Angeklagte F. betreffend den Veranlagungszeitraum 2004 für die D. Systeme GmbH, deren Geschäftsführer er war, keine Körperschaftsteuer - und Gewerbesteuererklärungen abgegeben hat. Diese Feststellungen allein tragen jedoch die Annahme einer vollendeten Körperschaftund Gewerbesteuerhinterziehung zugunsten der D. Systeme GmbH nicht. Denn bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch Unterlassen ist - sofern, wie hier, kein Schätzungsbescheid ergangen ist - für die Vollendung der Tat i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO derjenige Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Veranlagung spätestens stattgefunden hätte, wenn die Steuererklärung eingereicht worden wäre (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1998 - 5 StR 500/98, NStZ-RR 1999, 218). Dies ist dann der Fall, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat (vgl. BGH aaO mwN; Jäger in Klein, AO, 10. Aufl., § 370 Rn. 92).
78
Den Urteilsfeststellungen kann nicht entnommen werden, welches Finanzamt für die D. Systeme GmbH zuständig war und wann die Veranlagungsarbeiten für den jeweiligen Veranlagungszeitraum dort tatsächlich abgeschlossen waren. Legt man für den allgemeinen Abschluss der Veranlagungsarbeiten einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren zugrunde, ist davon auszugehen , dass die Veranlagungsarbeiten hier bei Einleitung des Ermittlungsverfahrens in der ersten Jahreshälfte 2006 (erste Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse datieren vom 12. April 2006) noch nicht abgeschlossen waren. Dies liegt auch deshalb nahe, weil das Landgericht in den Fällen F 11 und F 12 der Urteilsgründe solches für denselben Veranlagungszeitraum und dieselben Steuerarten bei der Schwestergesellschaft D. Service GmbH festgestellt (und dementsprechend auf versuchte Steuerhinterziehung erkannt) hat.
79
c) Der Senat schließt aus, dass betreffend die Fälle F 7 und F 8 der Urteilsgründe für die D. Systeme GmbH noch Feststellungen getroffen werden können, die einen allgemeinen Veranlagungsabschluss beim zuständigen Finanzamt vor Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung an den Angeklagten F. belegen könnten. Der Schuldspruch ist daher in diesen Fällen auf versuchte Steuerhinterziehung abzuändern. Es ist ausgeschlossen, dass sich der Angeklagte F. gegen den geänderten Tatvorwurf anders als geschehen hätte verteidigen können.
80
II. Infolge der Schuldspruchänderung hält beim Angeklagten F. auch der Strafausspruch teilweise rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
81
1. Für die tateinheitlich verwirklichten Taten in den Fällen F 3 und F 4 der Urteilsgründe setzt der Senat die vom Landgericht für jede der beiden Taten verhängte Einzelstrafe von sechs Monaten als neue Einzelstrafe fest (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Es kann ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses der Taten eine mildere Strafe als diese verhängt hätte. Die weitere Einzelfreiheitsstrafe entfällt.
82
2. In den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe kann der Strafausspruch von jeweils neun Monaten Freiheitsstrafe keinen Bestand haben, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft von einer vollendeten Tat ausgegangen ist. Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend setzt der Senat in diesen Fällen in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO jeweils die niedrigste mögliche Freiheitsstrafe von einem Monat fest. Angesichts der Höhe der erstrebten Steuerverkürzung (rund 86.000 Euro im Fall F 7, rund 78.500 Euro im Fall F 8) und im Hinblick auf die übrigen Einzelstrafen schließt der Senat aus, dass das Landgericht bei zutreffender Einstufung der Tat als versuchte Steuerhinterziehung noch eine Geldstrafe verhängt hätte (§ 47 StGB).
83
3. Angesichts des Wegfalls einer Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten und der Herabsetzung zweier Einzelfreiheitsstrafen von neun Monaten auf einen Monat kann bei dem Angeklagten F. der Gesamtstrafausspruch keinen Bestand haben. Es ist nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass das Landgericht bei Berücksichtigung der Änderungen bei den Einzelstrafen eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte, auch wenn dies im Hinblick auf die Erwägungen des Landgerichts zur Gesamtstrafenbildung eher fern liegt.
84
Der Senat hebt deshalb beim Angeklagten F. die Gesamtfreiheitsstrafe mit der Maßgabe (§ 354 Abs. 1b StPO) auf, dass die nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe im Beschlussverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zu treffen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2008 - 1 StR 336/08; Urteil vom 17. Februar 2004 - 1 StR 369/03). Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht.

E.

85
Die Revisionen der Angeklagten B. und W. haben mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg. Hiervon bleiben die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen allerdings unberührt. Im Übrigen ergibt die sachrechtliche Nachprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten B. und W. (§ 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1 StPO). Der Erörterung bedarf Folgendes:
86
I. Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend stellt der Senat das Verfahren betreffend den Angeklagten B. hinsichtlich der Fälle B 1, B 2, B 3, B 18 und betreffend den Angeklagten W. hinsichtlich des Falles W 12 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein.
87
In diesen Fällen bestehen teilweise durchgreifende Bedenken gegen die vom Landgericht vorgenommene Berechnung der Höhe der hinterzogenen Steuern. Der Senat sieht angesichts der Komplexität des Verfahrens aus Gründen der Verfahrensökonomie und zur Beschleunigung des Verfahrens davon ab, die Sache insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen. Die in diesen Fällen noch zu erwartenden Einzelstrafen fielen gegenüber den übrigen Einzelstrafen nicht beträchtlich ins Gewicht (§ 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO).
88
Die Teileinstellung zieht die entsprechende Änderung des Schuldspruchs nach sich.
89
II. In den allein den Angeklagten W. betreffenden Fällen W 1 und W 2 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Gewerbe- bzw. Umsatzsteuer der P. GbR für das Jahr 2001) hat das Landgericht das Konkurrenzverhältnis der Taten unrichtig beurteilt. Die Straftatbestände wurden aus den bei dem Angeklagten F. zu den Fällen F 3 und F 4 (vgl. oben D.I.1.) genannten Gründen in Tateinheit, nicht - wie vom Landgericht angenommen - tatmehrheitlich verwirklicht. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab und setzt für die tateinheitlich begangene Tat eine einheitliche - vom Landgericht bisher für die Fälle W 1 und W 2 jeweils als schuldangemessen angesehene - Strafe von einem Jahr Freiheitsstrafe fest. Er schließt aus, dass das Landgericht bei zutreffender Annahme von Tateinheit eine mildere Strafe als ein Jahr Freiheitsstrafe verhängt hätte (§ 354 Abs. 1 StPO), zumal das Landgericht allein für den Fall W 2 - isoliert betrachtet rechtsfehlerfrei - eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für schuldangemessen erachtet hat. Die zweite Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr entfällt.
90
Ein Teilfreispruch hinsichtlich der Verurteilung im Fall W 1 (Gewerbesteuerhinterziehung bei der P. GbR für das Jahr 2001) kommt nicht in Betracht, weil der Senat sicher ausschließen kann, dass es insoweit insgesamt an einer Tatbestandsverwirklichung fehlen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 596/08, NStZ 2009, 347; Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546).
91
Zwar ist den Urteilsgründen der Inhalt der in diesem Fall abgegeben Steuererklärung und des daraufhin ergangenen Steuerbescheides nicht zu entnehmen. Daher kann der Senat die festgesetzte mit der gesetzlich geschuldeten Steuer nicht vergleichen und den vom Landgericht angenommenen Schuldumfang nicht nachprüfen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08, BGHR, StPO, § 267 Abs. 1 Steuerhinterziehung 1). Es steht jedoch sicher fest, dass die Angeklagten in diesem Fall entweder Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt haben. Denn den Urteilsgründen einschließlich der Berechnungsdarstellung ist zu entnehmen, dass aufgrund unrichtiger Angaben in der Steuererklärung dem Gewerbesteuerbescheid ein zu niedriger Gewerbeertrag zugrunde gelegte wurde.
92
Die Urteilsgründe zu Fall W 1 sind insofern widersprüchlich, als das Landgericht einerseits von einem zu hoch festgesetzten „vortragsfähigen Verlust“ , andererseits von einer verkürzten Gewerbesteuer in Höhe von rund 140.000 DM ausgeht. Dabei handelt es sich um zwei sich gegenseitig ausschließende Sachverhaltsvarianten. In beiden Varianten, von denen eine sicher vorliegt, wäre jedoch gleichermaßen ein Taterfolg i.S.d. § 370 Abs. 1 AO eingetreten.
93
1. Es liegt nahe, dass das Landgericht zwar von einer Steuerverkürzung ausgegangen ist, diese aber zu hoch angesetzt hat, weil es einen im Urteil aber nicht näher dargelegten „Verlustvortrag“ mit Blick auf das Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO) außer Ansatz gelassen hat. Die Anwendung des Kompensationsverbots wäre rechtsfehlerhaft. Denn mit „anderen Gründen“ i.S.d. § 370 Abs. 4 Satz 3 AO sind nur solche Tatsachen gemeint, auf die sich der Täter nicht bereits im Besteuerungsverfahren berufen hat (BGH, Urteil vom 28. Januar 1987 - 3 StR 373/86, NJW 1987, 1273; Jäger in Klein, AO, 10. Aufl., § 370 Rn. 130). Steuervorteile, die dem Täter schon aufgrund seiner Angaben zustanden, dürfen ihm im Steuerstrafverfahren nicht vorenthalten werden (BGH, Urteil vom 31. Januar 1978 - 5 StR 458/77; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 177. Aufl., EL 153 § 370 AO Rn. 46). Eine Steuerverkürzung wäre trotz dieses Rechtsfehlers gegeben.
94
2. Sollten sich demgegenüber die unrichtigen Angaben der Angeklagten so ausgewirkt haben, dass ein zu hoher vortragsfähiger Gewerbeverlust festgestellt worden ist, läge hierin die Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils i.S.d. § 370 Abs. 1 AO. Denn eine Besserstellung des Steuerpflichtigen wird nicht erst durch die tatsächliche Durchführung des Verlustabzugs, sondern bereits durch die Feststellung des (vortragsfähigen) Verlusts bewirkt (vgl. Patzelt, Ungerechtfertigte Steuervorteile und Verlustabzug im Steuerstrafrecht, 1990). Die Feststellung eines Verlustvortrags erfolgt durch gesonderten Grundlagenbescheid (hier gemäß § 10a GewStG; vgl. dazu BFH, Urteil vom 9. Juni 1999 - I R 92/98, BB 1999, 1803), der gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für den jeweils nächsten Steuerbescheid und Verlustfeststellungsbescheid Bindungswirkung entfaltet (vgl. zum Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG: BFH, Urteil vom 21. Januar 2004 - VIII R 2/02, BStBl. II 2004, 551). Insofern erlangt der Steuerpflichtige einen Vorteil spezifisch steuerlicher Art, der auf dem Tätigwerden der Finanzbehörde beruht und der eine hinreichend konkrete Gefähr- dung des Steueranspruchs begründet, die für die Annahme eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 106f.; FG München, Urteil vom 23. Februar 2010 - 13 K 1694/07).
95
III. Im Übrigen hält die Verurteilung der Angeklagten B. und W. wegen Hinterziehung von Körperschaft- und Gewerbesteuern rechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere weist die Wertung des Landgerichts, dass die auf die Scheinrechnungen geleisteten Zahlungen den bei der Berechnung der geschuldeten Körperschaft- und Gewerbesteuern zugrunde zu legenden Gewinn der jeweiligen Rechnungsadressaten in der jeweils festgestellten Höhe nicht mindern konnten, keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
96
1. Bei den in der Rechtsform der GmbH geführten Unternehmen hat das Landgericht die auf Scheinrechnungen geleisteten Zahlungen zutreffend als verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet, die den Gewinn nicht schmälern (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG; zum Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2008 - 5 StR 547/07, wistra 2008, 310; Urteil vom 24. Mai 2007 - 5 StR 72/07, DStRE 2008, 169, 170 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs). Denn die Geldabflüsse aus der jeweiligen Unternehmenssphäre hatten ihren Grund allein in dem Verhältnis zwischen den in den Rechnungen aufgeführten Firmen und den Angeklagten B. und W. als deren Gesellschaftern. Ein ordentlicher Geschäftsleiter hätte Scheinrechnungen nicht als Aufwand in der Buchhaltung berücksichtigt und für vorgenommene Zahlungen zumindest Rückzahlungsansprüche verbucht.
97
Soweit in sehr geringem Umfang tatsächlich Waren geliefert oder Dienstleistungen erbracht wurden, diente dies - wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat - allein der Verschleierung der Steuerhinterziehung. Die zugrunde liegenden Vereinbarungen sind somit als Scheingeschäfte steuerlich unbeachtlich (§ 41 Abs. 2 AO), die erbrachten Zahlungen insgesamt nicht betrieblich veranlasst (§ 4 Abs. 4 EStG). Der Umstand, dass die Strafkammer diese Lieferungen und Leistungen gleichwohl gewinnmindernd in Ansatz gebracht hat, beschwert die Angeklagten nicht.
98
2. Soweit das Landgericht auch im Zusammenhang mit der P. GbR den Begriff „verdeckte Gewinnausschüttung“ verwendet, versteht es diesen Begriff erkennbar untechnisch in dem Sinne, dass die Angeklagten B. und W. beabsichtigten, mittels an die P. GbR gerichteten Scheinrechnungen deren Gewinn zu mindern. Dies ist rechtsfehlerfrei, denn auch bei der P. GbR hatten die Zahlungen nach den Feststellungen des Landgerichts keine betriebliche Veranlassung, sondern dienten allein dem Vermögenszufluss bei den Angeklagten B. und W. . Derart ausschließlich privat veranlasste Zahlungen, denen keine erkennbaren Leistungen an den Betrieb gegenüberstehen, können als Entnahme den Gewinn einer GbR nicht mindern, unabhängig davon, ob der Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) oder durch Betriebsvermögensvergleich (§ 5 EStG) ermittelt wird (vgl. BFH, Beschluss vom 6. Oktober 1993 - VIII B 122/92, BFH/NV 1994, 173).
99
IV. Das Urteil hat auch insoweit Bestand, als das Landgericht die Angeklagten B. und W. wegen vollendeter und versuchter Taten der Einkommensteuerhinterziehung verurteilt hat.
100
1. Allerdings galt im Tatzeitraum bei Gewinnausschüttungen das Anrechnungsverfahren für Körperschaftsteuerguthaben (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG aF). Das Landgericht hätte deshalb beachten müssen, dass bei Verurteilung einer Person nach verdeckter Gewinnausschüttung sowohl wegen Körperschaftsteuerhinterziehung zugunsten der ausschüttenden Kapitalgesellschaft als auch - als Empfänger der Ausschüttung - wegen Einkommensteuerhinterziehung die verkürzte Einkommensteuer im Hinblick auf die verdeckte Gewinnausschüttung (fiktiv) nach dem Anrechnungsverfahren zu berechnen war (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2006 - 5 StR 435/06, wistra 2007, 68). Der Umstand, dass das Landgericht hier bei dem Angeklagten B. im Fall B 12 der Urteilsgründe (Einkommensteuerhinterziehung betreffend das Jahr 1999) das Anrechnungsverfahren außer Betracht gelassen hat, beschwert den Angeklagten im Ergebnis jedoch nicht. Eine gleichzeitige Aburteilung der Verkürzung der Körperschaftsteuer für die von der M. GmbH im Jahr 1999 verdeckt ausgeschütteten Gewinne (Fall B 1 der Urteilsgründe) liegt im Hinblick auf die vom Senat insoweit vorgenommene Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO nicht mehr vor.
101
2. Auch das Vorbringen der Revision, das Landgericht habe bei der Bestimmung der von den Angeklagten B. und W. verkürzten Einkommensteuer zu Unrecht nicht auf den Zufluss der Einnahmen bei den Angeklagten abgestellt, deckt keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
102
a) Soweit es sich bei den steuerpflichtigen Einkünften um Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 EStG) handelt, kommt es auch dann allein auf den tatsächlichen Gewinn zum Ablauf des Wirtschaftsjahres an, wenn die Einnahmen im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts erzielt wurden. So ver- hält es sich hier bezüglich der P. GbR. Die Höhe der Entnahmen der Gesellschafter ist dabei ohne Bedeutung.
103
b) Demgegenüber führt die verdeckte Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft erst dann auf der Ebene des Gesellschafters zu Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG), wenn ein Zufluss beim Gesellschafter im Sinne von § 11 EStG gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2003 - 5 StR 277/03, wistra 2004, 109 mwN).
104
Ein Zufluss beim Gesellschafter kann dabei auch dann vorliegen, wenn er selbst (noch) keine Zahlung erhalten hat. Denn für die Annahme eines Vermögenszuflusses genügt es, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahe stehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Sofern die Zuwendung allein auf dem Näheverhältnis des Empfängers zum Gesellschafter beruht, ist die Zuwendung so zu beurteilen, als hätte der Gesellschafter selbst den Vorteil erhalten und diesen (als steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung) an die nahe stehende Person weitergegeben (BFH, Urteil vom 22. Februar 2005, VIII R 24/03; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 29. Aufl., § 20 Rn. 75 mwN).
105
„Nahe stehend“ sind nicht nur Angehörige i.S.v. § 15 AO; eine Beziehung , die auf die außerbetriebliche Zuwendung schließen lässt, kann auch gesellschaftsrechtlicher , schuldrechtlicher oder rein tatsächlicher Art sein (BFH, Urteil vom 18. Dezember 1996 - I R 139/94, NJW 1997, 2198; Weber-Grellet aaO mwN), wie etwa eine wechselseitige, auf jahrelange geschäftliche Zusammenarbeit zurückgehende Beziehung (vgl. BFH, Urteil vom 25. Oktober 1963 - I 325/61 S, NJW 1964, 517).
106
„Nahe stehend“ kann daher auch ein Mitgesellschafter sein, sodass der Zufluss bei dem einen Gesellschafter dem jeweils anderen zugerechnet werden kann. Nahe stehende Person war hier auch der anderweitig Verfolgte G. , der die Erstellung von Scheinrechnungen durch von ihm beherrschte Firmen veranlasst und für die Rückzahlung ausbezahlter Beträge an die Angeklagten gesorgt hatte. Die Angeklagten B. und W. waren seit Jahren mit G. freundschaftlich verbunden. Sie hatten ihn im Tatzeitraum auch bei dessen betrügerischen Machenschaften mit der Einziehung von durch Missbrauch von Einzugsermächtigungen erlangten Geldbeträgen unterstützt, dabei Gelder auf Konten der B. GmbH vereinnahmt und an G. ausgekehrt.
107
c) Eine Besonderheit besteht in den Fällen ohne bestehendes Näheverhältnis zu den unmittelbaren Geldempfängern, in denen die Angeklagten B. und W. die verdeckt ausgeschütteten Gewinne deshalb nicht in voller Höhe erhalten konnten, weil die Geldempfänger vor der Weitergabe der Beträge an die Angeklagten eine „Provision“ als Gegenleistung für die Ausstellung von Scheinrechnungen einbehielten. Den Angeklagten ist diese Provision allerdings als „sonstiger Bezug“ i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zugeflossen. Ein Zufluss ist beim Gesellschafter auch dann gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft an einen Dritten zahlt und damit eine Verpflichtung des Gesellschafters erfüllt (BFH, Urteil vom 24. Januar 1989 - VIII R 74/84, BStBl II 1989, 419, 420). Dies ist für die Befreiung des Gesellschafters von privaten Verpflichtungen im Zusammenhang mit ausschließlich privat veranlassten Handwerkskosten anerkannt (BGH, Beschluss vom 11. November 2003 - 5 StR 277/03, wistra 2004, 109). Für die Zahlung der ebenfalls ausschließlich privat veranlassten „Kosten“ für Dienste im Zusammenhang mit der Erstellung von Scheinrechnungen und Geldtransfers kann nichts anderes gelten. Damit besteht hier der den Angeklagten zugeflossene Vermögensvorteil darin, dass der jeweilige Zahlungsempfänger mit der Provisionszahlung an die Aussteller der Scheinrechnungen belastet wurde, die von den Angeklagten zu tragen war.
108
Es kann hier offen bleiben, ob die von den Rechnungsausstellern oder anderen in den Vermögensrückfluss an die Angeklagten eingebundenen Personen in diesen Fällen einbehaltenen „Provisionen“ bei der Berechnung der Einkommensteuer der Angeklagten als Werbungskosten (§ 9 EStG) hätten in Ansatz gebracht werden müssen oder ob ein solcher Abzug deshalb zu versagen wäre, weil die Aufwendungen der Angeklagten für das Erstellen der Scheinrechnungen und den Geldtransfer nicht der Einkunftserzielung, sondern ausschließlich deren Verschleierung und damit Zwecken der privaten Lebensführung dienten. Denn der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe , dass das Landgericht diejenigen von den Gesellschaften ausgezahlten Beträge, die nicht an die Angeklagten zurückgeflossen sind, aus dem für die Strafzumessung relevanten Schuldumfang ausgenommen hat. Es ist auszuschließen, dass die Strafkammer den im Urteil mehrfach dargestellten und erörterten Provisionseinbehalt der Rechnungsaussteller bei der Strafzumessung nicht mehr im Blick hatte.
109
d) Der Umstand, dass das Landgericht keine ausdrücklichen Feststellungen zum Zeitpunkt des Rückflusses der Geldbeträge an die Angeklagten B. und W. getroffen hat, gefährdet den Bestand des Urteils nicht.
110
Derartiger Feststellungen hätte es nur in den Fällen bedurft, in denen die Auszahlung an die Firma S. - also an eine nicht nahe stehende Person - vorgenommen worden ist. In diesen Fällen erfolgten aber nach den Urteilsfeststellungen sämtliche Zahlungen auf spätestens am 30. August des jeweiligen Jahres ausgestellte Rechnungen. Das Landgericht durfte deshalb von einem Zahlungseingang im Kalenderjahr der Rechnungsausstellung ausgehen. Für die Annahme, einzelne Zahlungen könnten erst im jeweiligen Folgejahr erfolgt sein, fehlt jeder Anhaltspunkt.
111
3. Allerdings hat das Landgericht in dem den Angeklagten B. betreffenden Fall B 17 und gleichermaßen in dem den Angeklagten W. betreffenden Fall W 11 der Urteilsgründe (jeweils Versuch der Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 2004) die Höhe der erstrebten Verkürzung von Einkommensteuer unzutreffend berechnet. Hierdurch sind die Angeklagten B. und W. jedoch nicht beschwert. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei fehlerfreier Verkürzungsberechnung in diesen Fällen mildere Einzelstrafen verhängt hätte (§ 354 Abs. 1 StPO).
112
a) Nach den Urteilsfeststellungen waren die Angeklagten B. und W. zu gleichen Teilen Gesellschafter der Firma T. S.L., einer Kapitalgesellschaft spanischen Rechts mit Sitz in Cala Llonga/Ibiza, deren Anteile sie im Jahr 2004 mit notariellem Vertrag veräußert hatten. Gleichwohl verschwiegen sie den hieraus erzielten Erlös gegenüber den deutschen Finanzbehörden.
113
b) Die steuerliche Behandlung des Veräußerungserlöses durch das Landgericht hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand; das Landgericht hat zu Unrecht den vollständigen Veräußerungserlös als Veräußerungsgewinn angesehen. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt: „Richtigerweise gehört dieser Veräußerungsgewinn eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft … zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 17 EStG. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns findet gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG das so genannte Halbeinkünfteverfahren Anwendung, so dass vorliegend lediglich von einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn in Höhe von 61.500,- € auszugehen ist (Hälfte Veräußerungspreis von 62.500 abzüglich hälftige Veräußerungskosten und die Hälfte der Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt 1.000,- €).“
114
Die Veräußerungserlöse stellen für die in Deutschland ansässigen Angeklagten B. und W. ausländische Einkünfte (§ 34d Nr. 4b EStG) dar. Nach Art. 13 Abs. 3 des insoweit maßgeblichen (§ 34c Abs. 6 EStG) Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA Spanien) vom 14. März 1968 (BStBl I 1968, 544) werden die Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens (zu dem auch Anteile an Kapitalgesellschaften zählen), wenn sie - wie hier - nicht das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte darstellen, nur in dem Vertragsstaat besteuert, in dem der Veräußerer ansässig ist.
115
Die Veräußerung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft wird im deutschen Steuerrecht in § 17 EStG erfasst (BFH, Urteil vom 22. Februar 1989 - I R 11/85, BFHE 156, 170 = BStBl II 1989, 794 mwN). Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG sind „Anteile“ i.S.d. § 17 EStG u.a. Aktien, Anteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und ähnliche Beteiligungen. Zu letzteren zählen insbesondere Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften (BFH, Urteil vom 24. Oktober 1984 - I R 228/81). Die in Rede stehende Sociedad Limitada spanischen Rechts ist typgleich mit einer deutschen GmbH, Anteile an ihr verkörpern Gesellschafterrechte, wie sie nach deutschem Recht mit GmbH-Anteilen verbunden sind (vgl. Reckhorn-Hengemühle, Die neue Spanische GmbH, 1993). Deshalb sind sie als „ähnliche Beteiligungen“ i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG zu qualifizieren (vgl. BFH, Urteil vom 19. März 1996 - VIII R 15/94, BFHE 180, 146 = BStBl II 1996, 312, 313 mwN). Gründe, die einer Anwendung des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG entgegenstehen könnten , sind nicht ersichtlich.
116
Durch den Ansatz des niedrigeren Gewinns vermindert sich die vom Angeklagten B. geschuldete Einkommensteuer auf 385.116 Euro (statt 412.790 Euro), beim Angeklagten W. reduziert sich der Betrag hinterzogener Einkommensteuer - bei der gebotenen Anwendung der Grundtabelle - auf 201.027 Euro (statt 219.856 Euro).
117
c) Zwar ist die Höhe der Steuerverkürzung bestimmender Strafzumessungsgrund (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 80). Der Senat kann hier aber ausschließen, dass das Landgericht mildere Einzelstrafen verhängt hätte, wenn es den Veräußerungsgewinn zutreffend berechnet hätte.
118
Das Landgericht hat bei der im Übrigen rechtsfehlerfreien Strafzumessung außer auf die Professionalität und Zielstrebigkeit der Angeklagten im Wesentlichen auf die erhebliche Überschreitung der Schwelle zur Steuerverkürzung großen Ausmaßes abgestellt. Diese Umstände bestehen auch bei zutreffender Berechnung der Steuerverkürzung fort. Auch ausgehend von der vom Landgericht vorgenommenen Abstufung der Einzelstrafen in Schritten von wenigstens drei Monaten wird im Vergleich mit den übrigen Einzelstrafen deutlich, dass das Landgericht, hätte es die zutreffenden Verkürzungsbeträge erkannt, keine niedrigeren Einzelstrafen als die festgesetzten von zwei Jahren (Fall B 17) bzw. einem Jahr (Fall W 11) Freiheitsstrafe verhängt hätte.
119
V. Der Senat kann auch ausschließen, dass sich der aufgezeigte Wegfall einer Einzelstrafe beim Angeklagten W. und der weitere Wegfall von Einzelgeldstrafen von jeweils 60 bzw. 90 Tagessätzen in den von der Teileinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO erfassten Fällen bei den Angeklagten B. und W. auf die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt haben könnte. Er schließt aus, dass das Landgericht angesichts des Tatbildes und der Größenordnung der Steuerverkürzung niedrigere als die ohnehin bereits milden Gesamtstrafen von sechs Jahren und drei Monaten (B. ) bzw. von fünf Jahren ( W. ) festgesetzt hätte. Die verbleibende Vielzahl von Einzelstrafen und deren Höhe rechtfertigt bereits für sich die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 1997 - 1 StR 483/97, NStZ 1998, 311). Überdies hat die Strafkammer bei der Gesamtstrafenbildung ohne Rechtsfehler maßgeblich auf Gesichtspunkte abgestellt, die das Gesamtgeschehen prägen (z.B. den Aufbau einer Unternehmensstruktur, deren Gestaltung nach dem Ziel einer dauerhaften systematischen Bereicherung durch Steuerhinterziehung ausgerichtet ist) und die nicht durch die genaue Anzahl der Einzelfälle gekennzeichnet sind.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 99/14
vom
6. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Mai 2014 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Juni 2013 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Freiheitsberaubung mit Todesfolge in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge und versuchtem Totschlag zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Der Beanstandung liegt im Wesentlichen folgendes Geschehen zugrunde :
3
In der Hauptverhandlung vom 7. März 2013 beantragte der Angeklagte die Entbindung seines Pflichtverteidigers, weil dieser die Verteidigung des Angeklagten durch Einwirken auf zwei Zeuginnen gegen dessen Willen eingeschränkt und damit das Vertrauensverhältnis schwerwiegend gestört habe. Mit außerhalb der Hauptverhandlung ergangenem und dem inhaftierten Angeklagten am 22. April 2013 formlos per Post übersandten Beschluss vom 19. Ap- ril 2013 wies der Vorsitzende den Entpflichtungsantrag zurück. Die Vorwürfe des Angeklagten lägen neben der Sache, würden dem bisherigen Einsatz des Verteidigers nicht gerecht und stellten sich entsprechend einer durch den Ver- teidiger in anderem Zusammenhang gebrauchten Formulierung als „Theaterdonner“ dar. Im nachfolgenden Hauptverhandlungstermin vom 25. April 2013 lehnte der Angeklagte den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Er machte unter anderem geltend, dass der Vorsitzende im Zurückweisungsbe- schluss das Wort „Theaterdonner“ aufgegriffen und verwendet habe, als sei damit „glasklar erwiesen“, dass der Verteidiger fair gearbeitet und ihn nicht sei- ner Rechte beraubt habe.
4
Die Schwurgerichtskammer verwarf den Befangenheitsantrag unter Mitwirkung des abgelehnten Vorsitzenden im Termin vom 13. Mai 2013 als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO. Der Angeklagte habe weder ein Mittel zur Glaubhaftmachung noch einen geeigneten Ablehnungsgrund ange- geben. Betreffend die Formulierung „Theaterdonner“ habe er offengelassen, inwiefern hierdurch Zweifel an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters begründet seien. Das Gesuch ziele ersichtlich nicht auf das Ausscheiden des abgelehnten Richters ab, sondern ausschließlich auf die Entpflichtung des Verteidigers und erweise sich damit als Missbrauch des Instituts der Richterablehnung.
5
2. Die zulässig erhobene Verfahrensrüge führt zur Urteilsaufhebung. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO ist gegeben. Bei dem angegriffenen Urteil wirkte ein Richter mit, nachdem ein gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch unter Verletzung des § 26a StPO in einer unter dem Aspekt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vertretbaren Weise verworfen worden war.
6
a) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts wäre das Gesuch des Angeklagten nicht schon mangels Glaubhaftmachung der Wahrung des Unverzüglichkeitserfordernisses nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 Satz 1 und § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO zu verwerfen gewesen. Denn der Glaubhaftmachung der zugrunde liegenden Tatsachen bedurfte es nicht, weil sich diese aus den Akten ergaben (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 1976 – 2 StR 527/76; siehe auch BGH, Beschluss vom 29. August 2006 – 1 StR 371/06, NStZ 2007, 161, 162; KK-Scheuten, 7. Aufl., § 26 StPO Rn. 4). Die Ablehnung erfolgte auch rechtzeitig. Die Übersendung des Beschlusses vom 19. April 2013 wurde am 22. April 2013 ausgeführt und konnte den Angeklagten demgemäß frühestens am 23. April 2013 erreichen. Zwar kann es das Unverzüglichkeitsgebot in Anbetracht des anzulegenden strengen Maßstabs erfordern , das Gesuch schon während einer Verhandlungsunterbrechung zeitnah schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle anzubringen (vgl. BGH, Urteile vom 10. November 1967 – 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 344 f.; vom 5. April

1995

– 5StR 681/94, BGHR StPO § 25 Abs. 2 Unverzüglich 4). Jedoch ist die im unmittelbar folgenden Hauptverhandlungstermin vom 25. April 2013 durchgeführte Antragstellung unter Anrechnung einer dem Angeklagten zuzubilligenden Überlegungsfrist hier als rechtzeitig anzusehen (vgl. auch BGH, Urteil vom 5. April 1995 – 5 StR 681/94, aaO).
7
b) Das Befangenheitsgesuch, das aus den vorgenannten Gründen auch hinsichtlich des Befangenheitsgrundes keine Glaubhaftmachung erforderte, hätte nicht nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO abgelehnt werden dürfen.
8
aa) Die Vorschrift des § 26a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StPO gestattet ausnahmsweise nur dann die Beteiligung des abgelehnten Richters an der Ent- scheidung über einen gegen ihn gestellten Befangenheitsantrag, wenn das Ablehnungsgesuch ohne nähere Prüfung und losgelöst von den Umständen des Einzelfalls zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet ist; hingegen darf der abgelehnte Richter über diese bloß formale Prüfung hinaus nicht an einer näheren inhaltlichen Untersuchung der Ablehnungsgründe auch unter dem Blickwinkel einer offensichtlichen Unbegründetheit mitwirken und sich auf diese Weise zum „Richter in eigener Sache“ machen (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2007, 275, 276 mwN; BGH, Beschlüsse vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 220; vom 13. Juli 2006 – 5 StR 154/06, BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 15; vom 8. Juli 2009 – 1 StR 289/09, BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 19, jeweils mwN). Dabei muss die Auslegung des Ablehnungsgesuchs darauf ausgerichtet sein, es seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen, um nicht im Gewande der Zulässigkeitsprüfung in eine Begründetheitsprüfung einzutreten (vgl. BVerfG, NJW 2005, 3410, 3412).
9
bb) Diesen Maßstäben wird der Zurückweisungsbeschluss der Schwurgerichtskammer nicht gerecht. Dem Befangenheitsgesuch ist die Besorgnis des Angeklagten zu entnehmen, dass der Vorsitzende das Vorbringen zur Beeinträchtigung seiner Verteidigungsinteressen durch den Pflichtverteidiger nicht ernst nehme („Theaterdonner“) und sich deshalb vorschnell auf die Seite des Genannten gestellt habe. Damit hat er dessen Voreingenommenheit geltend gemacht, ohne dass weitere Ausführungen notwendig gewesen wären. Das durch ein Zitat belegte Ablehnungsgesuch konnte nicht als aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung des Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet angesehen werden. Denn es erforderte eine inhaltliche und keine rein formale Prüfung, ob die Aussage in der gewählten Formulierung aus Sicht eines verständigen Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit zu begründen vermochte (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2006 – 5 StR 154/06, aaO). Weil der abgelehnte Richter die Entscheidung selbst getroffen und damit eine inhaltliche Bewertung des Ablehnungsgesuchs in Nichtausschöpfung des Gesuchs versagt hat, ist der Anwendungsbereich des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO in einer Weise überspannt worden, die im Blick auf die Anforderungen von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht mehr vertretbar war (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli

2006

– 5StR 154/06, aaO). Daran vermag nichts zu ändern, dass das Ablehnungsgesuch ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters gemäß § 27 StPO wohl als unbegründet zu verwerfen gewesen wäre.
10
c) Die Voraussetzungen der zweiten Alternative des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO waren gleichfalls nicht gegeben. Sie könnten allein dann erfüllt sein, wenn der Angeklagte ausschließlich verfahrensfremde Ziele verfolgt hätte. Dies kann anzunehmen sein, wenn mit haltloser Begründung versucht wird, das Institut der Richterablehnung als Druckmittel zur Durchsetzung genehmer oder zur Verhinderung unangenehmer Entscheidungen zu missbrauchen; die völlige Abwegigkeit der Ablehnungsgründe kann dabei die Sachfremdheit des angebrachten Gesuchs im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO indizieren (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, aaO, S. 222; siehe auch BVerfG, NJW 2006, 3129, 3133). Davon kann hier angesichts nicht gänzlicher Unschlüssigkeit des Vorbringens des Angeklagten nicht ausgegangen werden.
11
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Für die neu durchzuführende Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
12
a) Die Verfahrensrüge Nr. 1, mit der geltend gemacht wird, dass die Ergebnisse der Durchsuchung des Ladenlokals des Angeklagten unverwertbar seien, hätte ungeachtet ihrer Zulässigkeit (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) keinen Erfolg gehabt. Mit Recht ist die Schwurgerichtskammer in ihrem Beschluss vom 15. Oktober 2013 davon ausgegangen, dass vor der durch den Angeklagten erteilten Zustimmung noch keine „Durchsuchung“ im Sinne des Gesetzes statt- gefunden hat. Der Polizeibeamte hat die Waffe beim (zulässigen) Durchqueren des Lokals nämlich lediglich erblickt, ohne irgendeine Maßnahme zu deren Auffinden getroffen zu haben. Die Feststellung der Schwurgerichtskammer, die Waffe habe in einem offenen Regalfach unter der Ladenkasse gelegen, deckt sich dabei mit dem Durchsuchungsbericht in Verbindung mit den vom Ladenlokal gefertigten Lichtbildern. Es kann deshalb offen bleiben, ob bei Annahme einer zunächst ohne richterliche Anordnung und ohne Zustimmung des Angeklagten erfolgten Durchsuchung ein Beweisverwertungsverbot abzulehnen gewesen wäre, wofür vor allem wegen der (nachträglich erteilten) Zustimmung des Angeklagten viel spricht.
13
b) Das neu entscheidende Tatgericht wird auch der Frage nachzugehen haben, ob sich der Angeklagte wegen vollendeten Mordes durch positives Tun strafbar gemacht hat. Das im angefochtenen Urteil festgestellte, indessen im Rahmen der Beweiswürdigung nicht näher erörterte fortbestehende erhebliche Interesse des Angeklagten an der Lebensgefährtin des Opfers, das sich auch in einem Anruf noch am Tattag dokumentiert hat (UA S. 7 f.), könnte die Annahme eines von vornherein geplanten Mordes aus niedrigen Beweggründen nahelegen, zumal andere Motive als eine durch den Angeklagten beabsichtigte Beseitigung des „Nebenbuhlers“ nicht erkennbar sind. Das Verschlechterungs- verbot aus § 358 Abs. 2 StPO stünde einer Verschärfung des Schuldspruchs dabei nicht entgegen (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 24. April 2014 – 5 StR 123/14).
Sander Schneider Dölp
König Bellay

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

1.
die Ablehnung verspätet ist,
2.
ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
3.
durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

(1) Die Ablehnung eines erkennenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse, in der Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision bis zum Beginn des Vortrags des Berichterstatters, zulässig. Ist die Besetzung des Gerichts nach § 222a Absatz 1 Satz 2 schon vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden, so muss das Ablehnungsgesuch unverzüglich angebracht werden. Alle Ablehnungsgründe sind gleichzeitig vorzubringen.

(2) Im Übrigen darf ein Richter nur abgelehnt werden, wenn

1.
die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eingetreten oder dem zur Ablehnung Berechtigten erst später bekanntgeworden sind und
2.
die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird.
Nach dem letzten Wort des Angeklagten ist die Ablehnung nicht mehr zulässig.

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

1.
die Ablehnung verspätet ist,
2.
ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
3.
durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.