Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Sept. 2016 - 1 StR 245/16

bei uns veröffentlicht am22.09.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 245/16
vom
22. September 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:220916B1STR245.16.1

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 22. September 2016
beschlossen:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. November 2015 werden als unbegründet verworfen. 2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Die von der Revision angeregte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst. Die Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG durch die Strafkammer (vgl. hierzu auch die Stellungnahme des Generalbundesanwalts ) entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Unzulässigkeit eines Vorsteuerabzugs gemäß § 15 Abs. 1 UStG, wenn schon zurzeit der Rechnungsstellung Uneinbringlichkeit gegeben ist (vgl. BFH, Urteil vom 24. Oktober 2013 – V R 31/12, BFHE 243, 451, BStBl II 2015, 674; Beschluss vom 9. April 2014 – XI B 10/14, BFH/NV 2014, 1099). Bei der Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit steht den Mitgliedstaaten ein Regelungsspielraum zu (vgl. Art. 90 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem – MwStSystRL). Die Annahme einer Uneinbringlichkeit aufgrund von Umständen, die vor Einreichen der Umsatzsteuervoranmeldun- gen gegeben waren, verstößt im Hinblick auf diese den Mitgliedstaaten eingeräumte Regelungsbefugnis nicht gegen den durch Art. 90 MwStSystRL vorgegebenen Rechtsrahmen (BFHE 243, 451 aaO). Dieses Auslegungsergebnis unterliegt keinen vernünftigen Zweifeln. Raum Graf Cirener Fischer Bär

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Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 15 Vorsteuerabzug


(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen: 1. die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuera

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 17 Änderung der Bemessungsgrundlage


(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzu

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(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Die Sätze 1 bis 4 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und des § 13b sinngemäß. Bei Preisnachlässen und Preiserstattungen eines Unternehmers in einer Leistungskette an einen in dieser Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach Satz 1 nur vor, wenn der Leistungsbezug dieses Abnehmers im Rahmen der Leistungskette im Inland steuerpflichtig ist. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs kann unterbleiben, soweit ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgelts entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Berichtigungen nach den Sätzen 1 und 2 sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Die Berichtigung nach Satz 4 ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der andere Unternehmer wirtschaftlich begünstigt wird.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn

1.
das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;
2.
für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;
3.
eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb rückgängig gemacht worden ist;
4.
der Erwerber den Nachweis im Sinne des § 3d Satz 2 führt;
5.
Aufwendungen im Sinne des § 15 Abs. 1a getätigt werden.

(3) Ist Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden, so hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Absatz 1 Satz 8 gilt sinngemäß.

(4) Werden die Entgelte für unterschiedlich besteuerte Lieferungen oder sonstige Leistungen eines bestimmten Zeitabschnitts gemeinsam geändert (z.B. Jahresboni, Jahresrückvergütungen), so hat der Unternehmer dem Leistungsempfänger einen Beleg zu erteilen, aus dem zu ersehen ist, wie sich die Änderung der Entgelte auf die unterschiedlich besteuerten Umsätze verteilt.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, ist im Bereich der Oberflächentechnik (Malerarbeiten, Strahltechnik und Verzinkerei) tätig.

2

In ihrer für das Streitjahr 2007 abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung vom 8. April 2008, die einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 168 Satz 1 der Abgabenordnung gleichstand, berücksichtigte die Klägerin sog. Sicherheitseinbehalte für mögliche Baumängel nicht als bereits bei der Leistungserbringung zu versteuerndes Entgelt.

3

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) demgegenüber davon aus, dass die Klägerin ihre Leistungen auch im Umfang der Sicherheitseinbehalte bereits mit Leistungserbringung zu versteuern habe. Das FA erließ am 25. Juni 2008 einen entsprechenden Änderungsbescheid für das Streitjahr.

4

Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. Nach dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2012, 2167 veröffentlichten Urteil des FG ist die Klägerin nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (Sollbesteuerung) auch im Umfang der Sicherungseinbehalte verpflichtet. Die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (Istbesteuerung) gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG i.V.m. § 20 UStG hätten nicht vorgelegen. Daher habe die Klägerin ihre Leistungen bei Erbringung unabhängig von einer Entgeltvereinnahmung zu versteuern. Eine Berichtigung wegen Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG liege nicht vor. Eine derartige Uneinbringlichkeit sei nur aufgrund konkreter Mängelrügen anzunehmen, die im Streitfall nicht vorlägen. Nach den von der Klägerin geschlossenen Verträgen sei sie zumindest gegen Übernahme von Gewährleistungsbürgschaften zur vollen Entgeltvereinnahmung berechtigt gewesen.

5

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, die sie auf Verletzung materiellen Rechts stützt. Ihre Auftraggeber hätten zwischen 5 % bis 10 % der Auftragssumme als Sicherheit für Gewährleistungszeiträume von zwei oder fünf Jahren einbehalten. Im Umfang dieser Sicherungseinbehalte habe sie nicht über liquide Mittel verfügt. Bereits mangelnder Zahlungswille reiche für eine Berichtigung nach § 17 UStG aus. Es bestehe kein Erfordernis einer Entgeltsminderung oder einer Mängelrüge. Dies entspreche auch der Rechtsprechung zum Insolvenzrecht, nach der dem Zahlungseingang erhebliche Bedeutung zukomme. Sie sei als bloßer Steuereinnehmer nicht zur Vorfinanzierung von Steuern verpflichtet. Zudem habe sie im Streitjahr von Banken keine Bürgschaften erhalten können.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG und den Umsatzsteueränderungsbescheid 2007 vom 25. Juni 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. November 2009 aufzuheben.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Klägerin habe ihre Entgelte im Hinblick auf Gewährleistungsverpflichtungen unstreitig teilweise erst nach zwei bis fünf Jahren vereinnahmt. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG sei zwar bei mangelndem Zahlungswillen oder bei Zahlungsunfähigkeit anzuwenden. Die Auftraggeber der Klägerin hätten aber weder die Zahlungen noch das Bestehen oder die Höhe der vereinbarten Entgelte bestritten. Eine lediglich temporäre Zahlungsunwilligkeit reiche nicht aus. Die Klägerin habe weder konkrete Vereinbarungen vorgelegt noch Mängelrügen oder Rechnungskürzungen nachgewiesen. Die Pflicht zur Vorfinanzierung im Rahmen der Sollbesteuerung sei nicht rechtswidrig.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem Urteil des FG kann die Klägerin im Umfang der Sicherungseinbehalte zu einer Minderung wegen Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG berechtigt sein. Zum Umfang und den Voraussetzungen dieser Sicherungseinbehalte sind aber noch weitere Feststellungen zu treffen.

10

1. Die Steuer für die von der Klägerin erbrachten Leistungen ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG mit dem Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Leistungserbringung und damit im Streitjahr entstanden.

11

a) Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG entsteht die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten und damit bei der sog. Sollbesteuerung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind.

12

Die Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 63 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird. Eine einschränkende Auslegung dieser Bestimmung dergestalt, dass Steuertatbestand und Steueranspruch nur im Umfang der Leistungsentgelte eintreten, die bei Leistungsbewirkung fällig und rechtlich durchsetzbar sind, ist im Hinblick auf ihren eindeutigen Wortlaut nicht möglich.

13

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 22. Juli 2010 V R 4/09 (BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.4.b dd) ausdrücklich entschieden hat, verstößt die auf dem Unionsrecht beruhende Sollbesteuerung nicht gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit und ist aus diesem Grund auch verfassungsgemäß (vgl. auch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 20. März 2013  1 BvR 3063/10, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2013, 535, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- 2013, 818, mit dem eine Verfassungsbeschwerde gegen dieses Senatsurteil nicht zur Entscheidung angenommen wurde). Soweit sich die Sollbesteuerung im Einzelfall als unverhältnismäßig erweisen sollte, ist dem durch die Auslegung des Berichtigungstatbestandes der Uneinbringlichkeit (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG, vgl. auch Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL) Rechnung zu tragen (BFH-Urteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.4.b dd (1), und Wäger, Umsatzsteuer-Rundschau 2013, 673 ff., 674).

14

b) Im Streitfall entstand die Steuer für die Leistungen der Klägerin, die der Sollbesteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG unterlag, mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Leistungserbringung und damit im Streitjahr, da ihr keine Genehmigung zur sog. Istbesteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG i.V.m. § 20 UStG erteilt worden war.

15

2. Das Urteil des FG ist aufzuheben, da die Klägerin dem Grunde nach zu einer Berichtigung des Steueranspruchs für die von ihr erbrachten Leistungen gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG berechtigt ist.

16

a) Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG gilt dies sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist.

17

Diese Regelung beruht unionsrechtlich auf Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL. Danach wird im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes die Steuerbemessungsgrundlage unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.

18

b) Bei der Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist der für die Mitgliedstaaten bestehende Regelungsspielraum zu beachten, der sich daraus ergibt, dass Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL eine Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage für den Fall "der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung... nach der Bewirkung des Umsatzes ... unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen" anordnet. Bei der Ausübung dieser Regelungsbefugnis, die den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum einräumt, sind nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG-Beschluss in HFR 2013, 535, WM 2013, 818, unter III.1.) wie auch nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BFH-Urteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.4.e) die Grundrechte des nationalen Verfassungsrechts zu berücksichtigen.

19

c) Uneinbringlich ist ein Entgelt i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (BFH-Urteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.4.b dd (1)). Kann der Unternehmer das Entgelt für seine bereits erbrachten Leistungen aus Gründen, die bereits bei Leistungserbringung vorliegen, für einen Zeitraum über zwei bis fünf Jahre nicht vereinnahmen, ist erst recht von Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG auszugehen.

20

Denn eine Vorfinanzierung der Umsatzsteuer über mehrjährige Zeiträume ist im Verhältnis zur Besteuerung der Unternehmer, die der Istbesteuerung unterliegen, mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar. Mit der Istbesteuerung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG i.V.m. § 20 UStG) hat der Gesetzgeber die ihm nach Unionsrecht eingeräumte Ermächtigung ausgeübt, für die Entstehung des Steueranspruchs nach Art. 66 Buchst. b MwStSystRL auf die Vereinnahmung des Preises abzustellen. Die Auslegung des Begriffs "Uneinbringlichkeit" muss auch dazu dienen, die Besteuerungsgleichheit zwischen den Besteuerungsformen der Soll- und Istbesteuerung zu gewährleisten (BFH-Urteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.4.b dd (1) und oben II.1.a, und Wäger, a.a.O., S. 674).

21

Darüber hinaus wäre die Verpflichtung zu einer mehrjährigen Vorfinanzierung der Umsatzsteuer mit Blick auf die dem Unternehmer zukommende Aufgabe, "öffentliche Gelder" als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen (Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105, Rdnr. 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771, Rdnr. 21) unverhältnismäßig. Ob dies auch für andere Fallgestaltungen wie z.B. die Lieferung im Rahmen von Leasingverhältnissen zu gelten hat (so Senatsurteil vom 1. Oktober 1970 V R 49/70, BFHE 100, 272, BStBl II 1971, 34, unter 3.), ist im Streitfall nicht zu entscheiden.

22

d) Gegen Uneinbringlichkeit bereits im Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung (§ 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 1 UStG) spricht nicht das Senatsurteil vom 28. Juni 2000 V R 45/99 (BFHE 192, 129, BStBl II 2000, 703, unter II.4.). Dort hat der Senat nur entschieden, dass sich Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG und nachträgliche Vereinnahmung nach Satz 2 dieser Vorschrift im selben Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum gegenseitig aufheben.

23

e) Die Annahme einer Uneinbringlichkeit aufgrund von Umständen, die bei Leistungserbringung vorliegen, und die zu einer Berichtigung bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung führen, verstößt auch nicht gegen den durch Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL vorgegebenen Rechtsrahmen. Soweit es danach erforderlich ist, eine Berichtigung "nach der Bewirkung des Umsatzes" vorzusehen, reicht es aus, wenn es zur Uneinbringlichkeit nach der Leistungserbringung deshalb kommt, weil keine Bürgschaft gestellt werden kann.

24

f) Ein Widerspruch zur Rechtsprechung des XI. Senats des BFH liegt nicht vor. Soweit dieser in seinem Urteil vom 16. April 2008 XI R 56/06 (BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909) davon ausgegangen ist, dass die Lieferung bereits bei ihrer Ausführung voll zu versteuern ist, betraf dies eine Lieferung im Rahmen eines tauschähnlichen Vorgangs, bei dem vom Empfänger der Lieferung keine Zahlungen zu leisten waren, so dass sich die Frage nach dem Zeitpunkt einer Vereinnahmung von Geldbeträgen nicht stellen konnte.

25

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt keine Feststellungen zu der Frage getroffen, in welchem Umfang die Klägerin aufgrund der Sicherungseinbehalte Entgelte nicht vereinnahmen konnte.

26

Soweit die Klägerin nach den von ihr abgeschlossenen Verträgen eine vollständige Entgeltzahlung bereits mit Leistungserbringung für den Fall beanspruchen konnte, dass sie die Gewährleistungsansprüche ihrer Leistungsempfänger durch Bankbürgschaft sicherte, kommt es dabei auch darauf an, ob der Klägerin eine derartige Bürgschaftsgestellung möglich war.

27

Zu prüfen ist schließlich auch, ob die Klägerin im Streitjahr eine Steuerminderung für in Vorjahren erbrachte Leistungen geltend gemacht hat, die dann aber nur zu einer Berichtigung im Jahr der Leistungserbringung führen könnte.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hatte im Jahr 1997 die A-KG mit der schlüsselfertigen Erstellung eines Bank- und Geschäftshauses in X zu einem Pauschalpreis von 7.178.000 DM netto beauftragt. Im Laufe der Bauarbeiten kam es zu Streitigkeiten über Nachträge, Sicherheitsleistungen und den Baufortschritt. Der für den 30. Mai 1998 geplante Fertigstellungstermin wurde nicht eingehalten. Am 6. August 1998 stellte die A-KG die Bauarbeiten ein. Daraufhin kündigte die Klägerin am 10. August 1998 den Vertrag und verweigerte die Abnahme des teilfertigen Bauwerks wegen Baumängeln.

2

Die A-KG erteilte der Klägerin unter dem Datum "31.12.1998/14.07.1999" eine "Schlussrechnung" über eine Restschuld der Klägerin von 1.763.501,34 DM zuzüglich Umsatzsteuer, die der Klägerin im Juli 1999 zuging. Mit Schreiben vom 5. August 1999 lehnte es die Klägerin ab, die Schlussrechnung zu bezahlen. Diese sei unvollständig, verspätet und entspreche für verschiedene Restleistungen nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Im Übrigen sei die Schlussrechnung nach Maßgabe der vereinbarten Verdingungsordnung für Bauleistungen nicht prüffähig und werde den Anforderungen an eine Schlussrechnung im Pauschalpreisverfahren nicht gerecht. Mit Schreiben vom 25. August 1999 wiederholte und vertiefte die Klägerin ihre Einwendungen gegen die Schlussrechnung. Nachdem sie die Schlussrechnung abschließend geprüft hatte, teilte die Klägerin der A-KG mit Schreiben vom 19. April 2000 mit, dass in Höhe von ca. 1,9 Mio. DM bereits Überzahlungen geleistet worden seien, weshalb weitere Zahlungen endgültig abgelehnt würden.

3

Auf die im März 2000 von der A-KG erhobene Klage wurde die Klägerin mit Urteil des Landgerichts B vom 30. September 2008 zur Zahlung von 816.131,20 € einschließlich Umsatzsteuer verurteilt. Auf die Berufung der Klägerin kam es im April 2010 vor dem Oberlandesgericht C zu einem Vergleich. Die Parteien einigten sich darauf, dass die Klägerin eine Restforderung von 560.344,83 € netto zuzüglich 89.655,17 € Umsatzsteuer an die A-KG zahlen sollte. Aufgrund dieses Vergleichs erstellte die A-KG mit Datum vom 6. Mai 2010 eine "Schlussrechnung gemäß § 14 Abs. 2 UStG".

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Die Umsatzsteuer aus dieser Schlussrechnung machte die Klägerin in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 2. Kalendervierteljahr 2010 als Vorsteuer geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erkannte diesen Vorsteuerabzug im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid vom 29. März 2011 nicht an. Die Klägerin sei bereits im Juni 1999 aus der Schlussrechnung der A-KG vom "31.12.1998/14.07.1999" zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen, habe diesen Anspruch aber nicht geltend gemacht. Der Vorsteuerabzug sei daher verjährt. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

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Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde beruft sich das FA auf das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde des FA hat keinen Erfolg.

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1. Eine Revisionsentscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO erforderlich.

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a) Das FA hat die begehrte Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht entsprechend den in § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genannten Anforderungen dargelegt.

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aa) Zur Darlegung einer Divergenz ist erforderlich, dass sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, in welcher konkreten Rechtsfrage das FG in der angefochtenen Entscheidung nach Ansicht des Beschwerdeführers von der Rechtsprechung anderer Gerichte abgewichen ist. Er hat rechtserhebliche abstrakte Rechtssätze im angefochtenen Urteil und in den von ihm angeführten Divergenzentscheidungen so genau zu bezeichnen, dass die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 21. September 2011 XI B 24/11, BFH/NV 2012, 277, Rz 34, m.w.N.). Außerdem muss sich aus der Beschwerdebegründung ergeben, dass im Streitfall ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt wie der Divergenzentscheidung (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2011 III B 91/10, BFH/NV 2011, 1664, Rz 13, m.w.N.; vom 8. August 2013 II B 3/13, BFH/NV 2013, 1805).

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bb) Das Vorbringen des FA genügt den vorstehend beschriebenen Anforderungen nicht.

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(1) Das FA führt hierzu aus, das FG sei bei seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des BFH abgewichen (BFH-Urteil vom 28. Februar 1980 V R 90/75, BFHE 130, 430, BStBl II 1980, 535). Der BFH habe in diesem Urteil entschieden, dass Besteuerungsgegenstand der Umsatzsteuer nicht die schuldrechtlichen Vereinbarungen der am Leistungsaustausch Beteiligten, sondern die Erfüllungshandlungen seien. Werde aus der Sicht des ursprünglichen Vertrages das Werk nicht fertig gestellt und eine Vollendung des Werkes durch den Werkunternehmer nicht mehr vorgesehen, müsse sich der Eintritt der Steuerpflicht nach dem neu bestimmten Leistungsgegenstand richten. Der neue Leistungsgegenstand bestimme sich im Falle der Kündigung des Werkvertrages nach Maßgabe des am Tag des Zugangs der Kündigung tatsächlich Geleisteten.

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Dagegen habe das FG angenommen, dass die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erstmals mit der Erstellung der Schlussrechnung der A-KG vom 6. Mai 2010 aufgrund des gerichtlichen Vergleichs erfüllt gewesen seien. Erst zu diesem Zeitpunkt habe festgestanden, dass über die Abschlagszahlungen der Klägerin hinaus Umsatzsteuer aus einer von der A-KG ausgeführten Werklieferung entstanden sei, die von der Klägerin als Vorsteuer hätte abgezogen werden können und dass dem in Rechnung gestellten Betrag auch die entsprechende Leistung für das Unternehmen der Klägerin gegenüber gestanden habe. Das Urteil des FG stehe daher im Widerspruch zur genannten Entscheidung des BFH in BFHE 130, 430, BStBl II 1980, 535 hinsichtlich des Zeitpunkts der Leistungsausführung und des damit einhergehenden Zeitpunkts der Steuerentstehung für die ausgeführte Werklieferung.

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(2) Dieser Vortrag erfüllt die genannten Darlegungsanforderungen schon deshalb nicht, weil sich dem Vorbringen des FA nicht entnehmen lässt, dass die Sachverhalte der behaupteten Divergenzentscheidung und des Streitfalls miteinander vergleichbar sind. Während es bei der behaupteten Divergenzentscheidung in BFHE 130, 430, BStBl II 1980, 535 ausschließlich um die Frage ging, ob und unter welchen Voraussetzungen nur zum Teil erbrachte Leistungen des Leistenden steuerbar sind, liegt dem vorliegenden Streitfall die Rechtsfrage zugrunde, zu welchem Zeitpunkt bei nur teilweise erbrachten Leistungen ein Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht und ob das geforderte Entgelt im Jahr 1999 uneinbringlich war. Im Streitfall war insoweit auch --abweichend von der behaupteten Divergenzentscheidung-- entscheidungserheblich, dass der von der Klägerin begehrte Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nur ausgeübt werden darf, wenn der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Frage der Erfüllung der Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 UStG war bei der behaupteten Divergenzentscheidung ersichtlich nicht von Belang.

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(3) Im Übrigen hat sich das FG hinsichtlich der vom FA aufgeworfenen Vorfrage dahingehend, ob im Streitfall aufgrund der Kündigung ein "neuer Leistungsgegenstand" begründet wurde, mit den Ausführungen des BFH in seinem Urteil in BFHE 130, 430, BStBl II 1980, 535 ausdrücklich auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb die Rechtsgrundsätze dieser Entscheidung seines Erachtens nicht auf den Streitfall zu übertragen sind (vgl. Seite 9 erster Absatz des FG-Urteils).

15

Soweit das FA insoweit eine seines Erachtens unzutreffende Rechtsanwendung durch das FG rügt, vermag dies die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12. November 2012 III B 186/11, BFH/NV 2013, 236).

16

(4) Dasselbe gilt für den Hinweis des FA darauf, dass im Streitfall am "31.12.1998/14.07.1999" ein Abrechnungsdokument vom Juli 1999 vorgelegen habe, das seinerzeit die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 UStG erfüllt habe. Denn mit diesem Vorbringen setzt das FA lediglich seine Rechtsauffassung an die Stelle der abweichenden Meinung des FG, was gleichfalls lediglich eine unbeachtliche Rüge eines materiellen Rechtsanwendungsfehlers ist.

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b) Das FA hat auch keinen schwerwiegenden Rechtsfehler aufgezeigt, der eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO geboten erscheinen lässt.

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aa) Ein Fehler bei der Rechtsanwendung kann nur ausnahmsweise nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Zulassung der Revision führen, wenn es sich um einen schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehler handelt, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Ein derartiger Fehler liegt nur dann vor, wenn die angefochtene FG-Entscheidung objektiv willkürlich oder zumindest greifbar gesetzwidrig ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 24. September 2013 XI B 75/12, BFH/NV 2014, 164, Rz 34).

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bb) Einen solchen qualifizierten Rechtsanwendungsfehler hat das FA nicht dargelegt.

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Soweit das FA ausführt, dass nach den Regelungen in § 17 UStG für den streitbefangenen Zeitraum ebenfalls kein Vorsteuerabzug vorgenommen werden könne, weil die Anwendung dieser Korrekturvorschrift voraussetze, dass der ursprünglich mögliche Vorsteuerabzug seinerzeit in Anspruch genommen worden sei, übersieht es, dass nach der neueren Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 24. Oktober 2013 V R 31/12, BFHE 243, 451, BFH/NV 2014, 465) Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG bereits im Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung eintreten kann; dies hat wegen der Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG auch entsprechende Auswirkungen auf den Leistungsempfänger, der danach entsprechend der vom FG vertretenen Auffassung den Vorsteuerabzug nicht geltend machen kann, wenn er --wie hier-- von Anfang an das Bestehen dieser Forderung ganz oder teilweise bestreitet und damit zum Ausdruck bringt, dass er die Forderung nicht bezahlen werde.

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2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

22

a) Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund gestützt, muss der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen. Auch muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. In Bezug auf die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage muss dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Oktober 2008 XI B 202/07, BFH/NV 2009, 118, und vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165).

23

b) Das Vorbringen des FA genügt diesen Anforderungen nicht.

24

aa) Nach Auffassung des FA ist in dem von ihm angestrebten Revisionsverfahren zu klären, "ob für die Anwendung des § 17 UStG Voraussetzung ist, dass ein Vorsteuerabzug nach § 15 UStG vorgenommen wurde". Denn das FG habe in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Klägerin aus dem Abrechnungsdokument vom "31.12.1998/14.07.1999" nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei, weil das von der A-KG geforderte Entgelt durch das substantiierte Bestreiten der Klägerin uneinbringlich gewesen sei. Damit sei das FG bei seiner Entscheidung zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs möglich sei, auch wenn der entsprechende Vorsteuerabzug im betreffenden Besteuerungszeitraum nicht geltend gemacht worden sei. Die Revision sei zuzulassen, weil der BFH über diese dem Streitfall zugrunde liegende Rechtsfrage noch nicht entschieden habe.

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bb) Diesem Vortrag lässt sich schon nicht entnehmen, weshalb die vom FA aufgeworfene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und auch klärbar ist. Allein der Hinweis auf das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch das erforderliche Allgemeininteresse (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 15. Januar 2008 VIII B 222/06, BFH/NV 2008, 753, unter 1.a, und vom 4. Oktober 2012 XI B 46/12, BFH/NV 2013, 273, Rz 20). Ferner hat das FG hierzu seines Erachtens einschlägige Rechtsprechung zitiert (vgl. Seite 11 dritter Absatz des FG-Urteils), mit der sich das FA indes in keiner Weise auseinandergesetzt hat. Es fehlt schließlich an der Darlegung, ob und ggf. weshalb die aufgeworfene Rechtsfrage streitig ist.

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cc) Im Übrigen ist die vom FA aufgeworfene Rechtsfrage auch deshalb nicht klärungsbedürftig, weil sich aus der Übertragung der Rechtsgrundsätze des BFH in seiner Entscheidung in BFH/NV 2014, 465 auf den Streitfall ergibt, dass die Klägerin im Jahr 1999 nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG keinen Vorsteuerabzug hätte geltend machen können.

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3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).