Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2014 - 1 StR 209/14

bei uns veröffentlicht am21.08.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 0 9 / 1 4
vom
21. August 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. August 2014 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Nürnberg-Fürth vom 19. Dezember 2013 aufgehoben

a) hinsichtlich der Einzelstrafen im Tatkomplex B.III der Urteilsgründe
,

b) im Gesamtstrafausspruch.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts
Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen, davon in neun Fällen jeweils in Tateinheit mit mehreren Fällen der Urkundenfälschung , sowie wegen falscher Versicherung an Eides statt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der Angeklagte beanstandet mit der Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Die Revision hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Der Schuldspruch hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung stand.
3
Dies gilt auch, soweit das Landgericht den Angeklagten im Tatkomplex B.III der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung in neun Fällen in Tateinheit mit jeweils mehreren tateinheitlich begangenen Fällen der Urkundenfälschung verurteilt hat. Die anhand der Urteilsfeststellungen nicht nachvollziehbare Annahme des Landgerichts, die Steuerhinterziehungen stünden auch, soweit das Landgericht Hinterziehungstaten nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO zu Grunde gelegt hat, in natürlicher Handlungseinheit mit den Urkundenfälschungen, beschwert den Angeklagten jedenfalls nicht.
4
II. In den Tatkomplexen B.I und B.II der Urteilsgründe sind die Einzelstrafen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Demgegenüber haben die Einzelstrafen im Tatkomplex B.III keinen Bestand; dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich.
5
1. Der Erörterung bedürfen lediglich die Tatkomplexe B.I und B.III der Urteilsgründe. Diesen liegt im Kern zu Grunde, dass der Angeklagte zunächst im eigenen Namen (Tatkomplex B.I der Urteilsgründe) und nachfolgend im Namen und auf Rechnung von K. (Tatkomplex B.III der Urteilsgründe) mit Branntwein handelte. Die Geschäfte wurden im sog. Gutschriftverfahren (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG) abgewickelt, d.h. die Branntweinlieferungen wurden von dem Leistungsempfänger unter Umsatzsteuerausweis gegenüber dem leistenden Unternehmer abgerechnet. Im Rahmen des Branntweinhandels im Tatkomplex B.III der Urteilsgründe wurden auch Scheinrechnungen und Scheingutschriften über tatsächlich nicht erfolgte Branntweinankäufe und -verkäufe des Unternehmens der K. („Branntweinhandel K. “) ausge- stellt und verwendet.
6
Nach den Feststellungen und Wertungen des Landgerichts hinterzog der Angeklagte in diesem Zusammenhang durch die nicht rechtzeitige Abgabe von Steuererklärungen in insgesamt zehn Fällen und durch die Abgabe unrichtiger Steuererklärungen in weiteren fünf Fällen Steuern in einer Gesamthöhe von 4.780.373,51 Euro.
7
2. Soweit der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift bei den Steuerschadensberechnungen für die Jahre 2003 und 2004 im Tatkomplex B.I der Urteilsgründe auf einzelne Unstimmigkeiten innerhalb der Umsatzsteuerberechnungen hingewiesen hat, wird hiermit kein Rechtsfehler zum Nachteildes Angeklagten aufgezeigt:
8
Das Landgericht hat ausweislich der Urteilsgründe die im jeweiligen Jahr verkürzte Umsatzsteuer bestimmt, indem es zunächst die Nettoverkaufspreise, wie sie sich aus den Gutschriften der Kunden über Branntweinankäufe beim Angeklagten ergaben, addiert und sodann mit dem zutreffenden Steuersatz multipliziert hat. Die vom Landgericht daneben rechtsfehlerhaft vorgenommene Zuordnung der Umsatzsteuerbeträge zu den einzelnen Käufern beschwert den Angeklagten nicht. Der Strafzumessung wurden allein die rechtsfehlerfrei bestimmten Jahresbeträge zugrunde gelegt.
9
3. Die Strafzumessung im Tatkomplex B.III der Urteilsgründe begegnet demgegenüber durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie lässt besorgen, dass das Landgericht außer Acht gelassen hat, dass der vom Angeklagten in Steuererklärungen unrichtig geltend gemachte Vorsteuerabzug sich teilweise aus solchen Scheingutschriften ergab, für die der Angeklagte zugleich Umsatzsteuern hätte anmelden müssen.
10
a) Das Landgericht ist der Auffassung, die von ihm als strafschärfend berücksichtigte große Höhe der Umsatzsteuerschäden ergäbe sich unter anderem daraus, dass der Angeklagte in den Umsatzsteuererklärungen für das Unternehmen der K. („Branntweinhandel K. “) Vorsteuernaus insgesamt 158 von ihm gefertigten Gutschriften geltend gemacht habe. Diese Gutschriften seien Scheingutschriften, weil sie über in Wahrheit nicht erfolgte Branntweinankäufe des „Branntweinhandel K. “ mit den in den Gutschriften jeweils als Verkäufer genannten Firmen abrechneten. Der Gesamtbetrag der sich aus diesen Gutschriften ergebenden Vorsteuerbeträge belief sich nach den Feststellungen auf 1.112.796,93 Euro. Weitere Steuerverkürzungen in identischer Gesamthöhe erblickt das Landgericht darin, dass der Angeklagte seiner sich aus § 14c Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG, § 35 AO ergebenden Verpflichtung, die in diesen 158 Scheingutschriften ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge in Steuererklärungen für das Unternehmen der K. anzumelden, nicht nachgekommen sei. Im Ergebnis fand damit die in den 158 Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer bei der Strafzumessung des Landgerichts zum Nachteil des Angeklagten in zweifacher Hinsicht Berücksichtigung.
11
b) Dies wird dem Unrechtsgehalt der von dem Angeklagten begangenen Taten nicht gerecht und ist daher rechtsfehlerhaft.
12
Das Landgericht hat zwar ohne Rechtsfehler den Vorsteuerabzug aus den 158 Gutschriften, die es rechtsfehlerfrei als Scheingutschriften bewertet hat, bei der Bestimmung des Hinterziehungsumfangs berücksichtigt (BGH, Urteil vom 30. April 2009 – 1 StR 342/08, BGHSt 53, 311; Beschluss vom 20. März 2002 – 5 StR 448/01, NJW 2002, 1963).
13
Es hätte jedoch bei der Strafzumessung in den Blick nehmen müssen, dass die gemäß § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG geschuldete Steuer lediglich das Steueraufkommen vor den Folgen eines unberechtigten Vorsteuerabzugs schützen sollte. Letztlich hat sich hier nämlich lediglich die mit der Ausstellung der Scheingutschriften entstehende Gefahr für das Steueraufkommen, der der Gesetzgeber mit Schaffung des § 14 Abs. 3 UStG aF (§ 14c UStG nF) entgegenwirken wollte (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 – 5 StR 516/01, BGHSt 47, 343), mit der tatsächlichen Geltendmachung des Vorsteuerabzuges aus ebendiesen Gutschriften realisiert (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2009 – 1 StR 342/08, BGHSt 53, 311). Der dem Fiskus durch die Erstellung und Verwendung von Scheingutschriften entstandene Steuerschaden geht damit in seiner Bedeutung für die Strafzumessung über die Höhe des unberechtigten Vorsteuerabzugs nicht hinaus; der für die Strafzumessung maßgebliche Steuerschaden ist nicht etwa deshalb doppelt so hoch, weil der gemäß § 14c UStG geschuldete Steuerbetrag, der der Möglichkeit eines unberechtigten Vorsteuerabzugs Rechnung tragen sollte, ebenfalls verkürzt wurde. Diesen Zusammenhang zwischen Steuerentstehung gemäß § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG und unberechtigtem Vorsteuerabzug hat das Landgericht bei der Strafzumessung nicht erkennbar zugunsten des Angeklagten berücksichtigt. Dies führt zur Aufhebung der hiervon betroffenen Einzelstrafen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2002 – 5 StR 212/02, wistra 2003, 140; BGH, Beschluss vom 20. März 2002 – 5 StR 448/01, BGHR AO § 370 Abs. 1 Strafzumessung 14).
14
4. Da das Landgericht in diesen Fällen die Höhe der hinterzogenen Steuern als maßgeblichen Strafzumessungsgrund herangezogen hat, können die entsprechenden Einzelstrafen keinen Bestand haben. Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich.
15
Demgegenüber haben die von dem Rechtsfehler nicht betroffenen Urteilsfeststellungen Bestand. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, sofern diese nicht in Widerspruch zu den bisherigen stehen.
16
5. Der Senat schließt aus, dass der Rechtsfehler die für die sechs Taten der Steuerhinterziehung im Tatkomplex B.I der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafen beeinflusst hat. Raum Graf Jäger Cirener Mosbacher

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(1) Die Steuer entsteht 1. für Lieferungen und sonstige Leistungen a) bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Das gilt auch fü

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Die Steuer entsteht

1.
für Lieferungen und sonstige Leistungen
a)
bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Das gilt auch für Teilleistungen. Sie liegen vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist,
b)
bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind,
c)
in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung nach § 16 Abs. 5 in dem Zeitpunkt, in dem der Kraftomnibus in das Inland gelangt,
d)
in den Fällen des § 18 Abs. 4c mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Abs. 1a Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
e)
in den Fällen des § 18 Absatz 4e mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1b Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
f)
in den Fällen des § 18i mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1c Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
g)
in den Fällen des § 18j vorbehaltlich des Buchstabens i mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1d Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
h)
in den Fällen des § 18k mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1e Satz 1, in dem die Lieferungen ausgeführt worden sind; die Gegenstände gelten als zu dem Zeitpunkt geliefert, zu dem die Zahlung angenommen wurde,
i)
in den Fällen des § 3 Absatz 3a zu dem Zeitpunkt, zu dem die Zahlung angenommen wurde;
2.
für Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und 9a mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem diese Leistungen ausgeführt worden sind;
3.
in den Fällen des § 14c im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung;
4.
(weggefallen)
5.
im Fall des § 17 Abs. 1 Satz 6 mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist;
6.
für den innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 1a mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Kalendermonats;
7.
für den innergemeinschaftlichen Erwerb von neuen Fahrzeugen im Sinne des § 1b am Tag des Erwerbs;
8.
im Fall des § 6a Abs. 4 Satz 2 in dem Zeitpunkt, in dem die Lieferung ausgeführt wird;
9.
im Fall des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem der Gegenstand aus einem Umsatzsteuerlager ausgelagert wird.

(2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gilt § 21 Abs. 2.

(3) (weggefallen)

Wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, hat die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 342/08
vom
30. April 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________________
1. In Fällen fingierter Ketten- oder Karussellgeschäfte, die auf Hinterziehung von
Steuern angelegt sind, ist bei der Strafzumessung der aus dem Gesamtsystem
erwachsene deliktische Schaden als verschuldete Auswirkung der Tat zu
Grunde zu legen, soweit den einzelnen Beteiligten die Struktur und die Funktionsweise
des Gesamtsystems bekannt sind (im Anschluss an BGHSt 47,
343).
2. Werden durch ein komplexes und aufwändiges Täuschungssystem, das die
systematische Verschleierung von Sachverhalten über einen längeren Zeitraum
bezweckt, in beträchtlichem Umfang Steuern verkürzt, kann sich die
Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung als
notwendig erweisen.
BGH, Urt. vom 30. April 2009 - 1 StR 342/08 - LG Gießen
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
30. April 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 23. November 2007 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in zwei Fällen wegen Untreue verurteilt wurde; das Verfahren wird insoweit eingestellt;
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil in den Fällen, in denen der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, im Ausspruch über die jeweilige Einzelstrafe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zehn Fällen sowie wegen Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, führt lediglich zur Aufhebung des Urteils und Einstellung des Verfahrens, soweit der Angeklagte wegen Untreue in zwei Fällen verurteilt wurde. Der Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafen führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, gegen den Rechtsfolgenausspruch; das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte seit 1985 Geschäftsführer der J. (nachfolgend J. GmbH). Deren Geschäftsgegenstand war der An- und Verkauf von Nutzfahrzeugen, insbesondere von Betonmischern.
4
1. Die Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in zehn Fällen beruht auf folgenden Feststellungen:
5
In einer Vielzahl von Fällen verlangten die Halter der Gebrauchtfahrzeuge , die die J. GmbH ankaufen wollte, dass nicht der vollständige Kaufpreis in der Rechnung ausgewiesen wurde. Sie wollten auf diese Weise die Zahlung der auf den nicht in die Rechnung aufgenommenen Teil des Kaufpreises entfallenden Steuer vermeiden. Um diesem Ansinnen der Halter der Fahrzeuge zu entsprechen, wurde unter Anleitung des Angeklagten J. und unter Mitwirkung früherer Mitangeklagter ein System von Scheinfirmen sowie Scheingeschäften entwickelt und in der Folge auch umgesetzt. Dieses ermöglichte einerseits den Haltern, geringere Kaufpreise als die tatsächlich gezahlten zu fakturieren. Auf der anderen Seite konnte die J. GmbH durch das nachstehend näher dargelegte System Rechnungen erlangen, die ihr ermöglichten, Vorsteuer aus Beträgen geltend zu machen, die noch über dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis lagen.
6
Im Einzelnen ging der Angeklagte gemeinsam mit den Mitangeklagten wie folgt vor:
7
Der ursprüngliche Halter des jeweiligen Gebrauchtfahrzeugs, der dieses verkaufen wollte, erstellte für Firmen, die zum Schein als unmittelbarer Käufer des Gebrauchtfahrzeugs auftraten (Erstankäufer), eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis über einen Teil des tatsächlichen Kaufpreises. Der verbleibende Rest des Kaufpreises wurde bar gezahlt, ohne dass dieser Teilbetrag versteuert wurde.
8
Der Erstankäufer stellte einem Zwischenhändler eine Scheinrechnung mit Umsatzsteuerausweis aus, wobei der dort angeführte Nettobetrag über dem Kaufpreis lag, der tatsächlich - als Rechnungsbetrag zuzüglich Schwarzgeldbetrag - an den letzten Halter des Fahrzeuges gezahlt worden war. Der Zwischenhändler erstellte seinerseits für die J. GmbH eine Rechnung, in der er einen nochmals höheren Nettopreis sowie die darauf anfallende Umsatzsteuer auswies. Die J. GmbH veräußerte die Fahrzeuge sodann, nachdem sie teilweise durch das Unternehmen instand gesetzt worden waren, im Inland oder - weit überwiegend - in das Ausland. Die Lieferungen ins Ausland waren umsatzsteuerfrei.
9
Einzelne Geschäfte wichen insoweit von dem dargestellten Grundmuster ab, als der ursprüngliche Halter des Fahrzeuges eine Rechnung an ein in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ansässiges Scheinunternehmen ausstellte, in der entsprechend § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG keine Umsatzsteuer ausgewiesen wurde. Parallel dazu wurde eine Lieferkette in Deutschland fingiert, nach der das identische Fahrzeug von einer Scheinfirma an einen Zwischenhändler und von diesem an die J. GmbH verkauft wurde. In anderen Fällen trat ein ansonsten als Zwischenhändler fungierendes Unternehmen unmittelbar als Käufer gegenüber dem ursprünglichen Halter der Fahrzeuge auf. In weiteren Fällen wurden die Teile des Kaufpreises, die von dem ursprünglichen Halter nicht versteuert wurden, durch Scheinrechnungen über den - tatsächlich nicht erfolgten - Verkauf von Ersatzteilen verschleiert.
10
Allen Geschäften war gemeinsam, dass tatsächlich der ursprüngliche Halter des jeweiligen Gebrauchtfahrzeugs mit Geldern bezahlt wurde, die die J. GmbH dem Zwischenhändler zur Verfügung gestellt hatte, der diese an die Verkäufer weiterleitete. Die Fahrzeuge wurden jeweils direkt an die J. GmbH geliefert. Die Entscheidung über den Ankauf eines Fahrzeuges und den zu zahlenden Preis traf in allen Fällen jeweils der Angeklagte J. , der für die J. GmbH handelte.
11
Die J. GmbH versteuerte die aus ihren Lieferungen resultierenden Umsätze im Inland. Umsätze aus Auslandslieferungen und innergemeinschaftlichen Lieferungen wurden als solche deklariert. Die sich aus den Rechnungen der Zwischenhändler ergebende Vorsteuer wurde nach § 15 UStG abgezogen. Auch die als Zwischenhändler auftretenden Unternehmen erklärten die Umsätze, die in ihren Rechnungen an die J. GmbH ausgewiesen wurden, und führten die ausgewiesene Umsatzsteuer ab. Von der daraus resultierenden Zahllast wurde die Vorsteuer abgezogen, die sich aus den Rechnungen ergab, die den Zwischenhändlern von den als Erstankäufer auftretenden Scheinfirmen ausgestellt worden waren. Demgegenüber erklärten die Erstankäufer die in den Rechnungen an die Zwischenhändler ausgewiesenen Umsätze nicht und führten die dort ausgewiesene Umsatzsteuer, die sich auf knapp 570.000,-- Euro belief, auch nicht ab.
12
Der Angeklagte J. machte in den Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 1997 bis 2001 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate März, April, Juni, Juli und Oktober 2002 für die J. GmbH die Vorsteuer aus den Rechnungen der Zwischenhändler geltend. Diese belief sich auf etwas mehr als 665.000,-- Euro.
13
Nach Auffassung des Landgerichts wurde insoweit durch die Abgabe falscher Umsatzsteuererklärungen Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von 433.900,-- Euro hinterzogen, die bei der Strafzumessung zu Grunde zu legen sei. Bei diesem Betrag handelt es sich um die jeweilige Umsatzsteuer, die auf den Anteil des Kaufpreises entfiel, der unversteuert an den ursprünglichen Halter des jeweiligen Fahrzeugs gezahlt wurde. Diesen berechnete die Strafkammer , indem sie den Nettobetrag der Ausgangsrechnung des ursprünglichen Halters an die Erstankäufer von dem Nettobetrag der Rechnung, die dieser den Zwischenhändlern ausstellte, subtrahierte. Demgegenüber sah die Strafkammer die Umsatzsteuer, die in den Rechnungen der Erstankäufer an die Zwischenhändler und in den Rechnungen der Zwischenhändler an die J. GmbH ausgewiesen wurde, nicht als strafzumessungsrelevanten Hinterziehungsschaden an. Bei einer Verurteilung wegen Vergehen nach § 370 AO sei im Rahmen der Strafzumessung „nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur auf die Verkürzung solcher Steuersummen abzustellen, die bei ordnungsgemäßem Verhalten von vornherein an den Fiskus abzuführen gewesen wären“.
14
2. Daneben verurteilte das Landgericht den Angeklagten wegen Untreue in zwei Fällen zum Nachteil der J. GmbH. Nach den diesbezüglichen Feststellungen entnahm der Angeklagte in den Jahren 2000 und 2001 unter Verletzung der ihn treffenden Pflichten als Geschäftsführer aus dem Vermögen der Gesellschaft ohne rechtfertigenden Grund insgesamt knapp 175.000,-- Euro , um das Geld für eigene Zwecke zu verwenden. Diese Entnahmen verschleierte er durch Scheinrechungen, die er in die Buchhaltung der J. GmbH einstellte. Die in den Scheinrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer machte der Angeklagte in den Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2000 bzw. 2001 als Vorsteuer geltend. Alleinige Gesellschafterin zur Tatzeit war die Ehefrau des Angeklagten.

II.

15
Die Revision des Angeklagten führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Teilaufhebung und -einstellung und zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
16
1. Soweit der Angeklagte wegen Untreue zum Nachteil der J. GmbH verurteilt wurde, ist die Verurteilung aufzuheben und das Verfahren gemäß § 260 Abs. 3 StPO einzustellen. Es besteht ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis, da der nach § 266 Abs. 2 StGB i.V.m. § 247 StGB für die Strafverfolgung erforderliche Strafantrag der Verletzten fehlt.
17
a) Nach den Feststellungen war allein die Ehefrau des Angeklagten Gesellschafterin der J. GmbH. Als Verletzte der Untreuetaten zum Nachteil der J. GmbH ist daher allein die Ehefrau des Angeklagten anzusehen (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 86). Dass sie den erforderlichen Strafantrag ge- stellt hat, ist weder festgestellt, noch anderweitig ersichtlich. Auch für eine Ausnahme von dem Strafantragserfordernis, die dann in Betracht kommt, wenn durch die Untreuehandlung eine konkrete Existenzgefährdung der Gesellschaft verursacht worden ist (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 79, 80), ergeben sich keine Anhaltspunkte.
18
b) Der Senat schließt aus, dass noch ein wirksamer Strafantrag gestellt werden könnte. Dies gilt um so mehr, als die Antragsfrist nach § 77b Abs. 1 StGB, deren Lauf mit Kenntniserlangung der Antragsberechtigten von Tat und Täter beginnt (§ 77b Abs. 2 StGB), mit hoher Wahrscheinlichkeit verstrichen ist. Diesbezügliche, sich angesichts der konkreten Situation aufdrängende Zweifel würden zu Gunsten des Angeklagten wirken (vgl. BGHSt 22, 90, 93).
19
c) Der Wegfall der Verurteilung wegen Untreue führt vorliegend nicht zur Aufhebung der diesbezüglichen Feststellungen (vgl. Schoreit in KK StPO 6. Aufl. § 260 Rdn. 46), da die zu den Untreuetaten getroffenen Feststellungen auch für die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung hinsichtlich der Abgabe unrichtiger Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2000 und 2001 von Bedeutung sind.
20
2. Wegen des Wegfalls der wegen Untreue verhängten Einzelstrafen kann der Gesamtstrafenausspruch keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
21
3. Im Übrigen bleiben die Verfahrensrügen und die Sachrüge aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen, die auch durch die Gegenerklärung des Angeklagten nicht entkräftet werden, ohne Erfolg.
22
Ergänzend dazu bemerkt der Senat lediglich Folgendes:
23
a) Soweit der Angeklagte rügt, dass die Berufsrichter und die Schöffen vom Wortlaut der im Selbstleseverfahren eingeführten Urkunden keine Kenntnis erlangt haben, deckt er keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Das Urteil könnte auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler auch nicht beruhen. Denn der Angeklagte hat die einzelnen Lieferungen, deren Daten durch die verlesenen Urkunden eingeführt wurden, nicht bestritten (UA S. 110). Ist aber der Inhalt eines ansonsten zuverlässigen Schriftstücks in der Hauptverhandlung nicht bestritten worden, kann das Urteil im Allgemeinen nicht darauf beruhen, dass das Schriftstück nicht verlesen wurde (vgl. Senat StV 2007 - 569, 570 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend etwas anderes gelten könnte, sind nicht gegeben.
24
b) Auch im Hinblick auf die Rüge, ein Beweisantrag, der am 19. Juni 2007 gestellt wurde, sei rechtsfehlerhaft abgelehnt worden, kann jedenfalls ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf dem behaupteten Rechtsfehler beruhen könnte.
25
Zutreffend weist die Revision zwar darauf hin, dass die Strafkammer in dem Ablehnungsbeschluss lediglich die zur Begründung des Beweisantrags angeführte Schlussfolgerung des Antragstellers als bereits erwiesen erachtete, nicht aber die eigentliche Beweisbehauptung. In der Sache erweisen sich aber die unter Beweis gestellten Tatsachen aus Sicht des Landgerichts als in tatsächlicher Hinsicht bedeutungslos. Denn im Hinblick auf das Beweisziel kam den Beweistatsachen keine Bedeutung zu. Die Strafkammer erachtete die Tatsachen , auf die nach Feststellung der unter Beweis gestellten (Indiz-)Tatsachen geschlossen werden sollte, bereits anderweitig als erwiesen an. Dies war angesichts der Begründung des Beschlusses für den Angeklagten und seine Verteidiger auch erkennbar. Ein Beruhen des Urteils auf der fehlerhaften Ablehnung kann deshalb ausgeschlossen werden.
26
c) Der Sachrüge ist der Erfolg auch unabhängig davon zu versagen, ob es sich bei den Zwischenhändlern um Unternehmer handelte und ob diese tatsächlich eine Lieferung an die J. GmbH i.S.v. § 3 UStG erbrachten. Denn nach den Feststellungen wusste der Angeklagte J. um seine Einbindung in eine auf Hinterziehung von Umsatzsteuer ausgerichtete Lieferkette. Nach der Rechtsprechung des Senats zu missbräuchlichen Umsatzgeschäften bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Sinne von § 6a UStG sind aber auf Grund des im Gemeinschaftsrecht verankerten Verbots missbräuchlicher Praktiken für alle Beteiligten eines oder mehrerer Umsatzgeschäfte, die auf die Hinterziehung von Steuern gerichtet sind, die Steuervorteile, die für die einzelnen Geschäfte grundsätzlich vorgesehen sind, zu versagen (BGH DStR 2009, 577 ff.). Dies gilt auch für rein inländische Umsatzgeschäfte (vgl. auch EuGH, Urt. vom 6. Juli 2006 - Rechtssache C-439/05 - Kittel Rdn. 56 f.).

III.

27
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
28
1. Sie beantragt zwar, „das Urteil im angefochtenen Umfang aufzuheben“. Aus dem Inhalt der Revisionsbegründung lässt sich indes entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin allein gegen den Gesamtstrafenausspruch, die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung und die Einzelstrafen, die für die zehn Fälle der Steuerhinterziehung verhängt wurden, wendet.
29
2. Die Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam. Eine isolierte Überprüfung der Strafzumessung ist möglich, ohne dass die den Schuldspruch tragenden Feststellungen hiervon berührt würden (vgl. BGH NJW 1996, 2663, 2664 m.w.N.). Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen bilden eine ausreichende Grundlage für die Nachprüfung der Strafzumessung (BGHSt 33, 59); sowohl das steuerrechtlich erhebliche Verhalten des Angeklagten als auch die Höhe der verkürzten Steuern hat das Landgericht dargelegt.
30
3. Einer Aufhebung und Einstellung des Verfahrens, soweit der Angeklagte in zwei Fällen wegen Untreue verurteilt wurde, auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft bedarf es nicht, da - unabhängig davon, dass dieses Rechtsmittel auch zu Gunsten des Angeklagten wirkt (§ 301 StPO) - das Urteil insoweit bereits auf die Revision des Angeklagten aufzuheben und das Verfahren einzustellen war (vgl. auch Senat, Urt. vom 11. März 2003 - 1 StR 507/02 m.w.N.).
31
4. Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin, dass das Landgericht der Strafzumessung einen zu geringen Schuldumfang zu Grunde gelegt hat.
32
a) Bei der Zumessung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung hat das in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB genannte Kriterium der „verschuldeten Auswirkungen der Tat“ im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung besonderes Gewicht. „Auswirkungen der Tat“ sind insbesondere die Folgen für das durch die Strafnorm geschützte Rechtsgut. Das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens jeder einzelnen Steuerart. Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand i.S.d. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BGH NJW 2009, 528, 531 m.w.N.).
33
Vorliegend wurde zur Ermöglichung der Hinterziehung der Steuern, die der ursprüngliche Halter der Gebrauchtfahrzeuge hätte entrichten müssen, eine Kette von Scheingeschäften gebildet, durch die weitere Steuern hinterzogen wurden. Die Sachverhaltsvarianten, die das Landgericht festgestellt hat, sind betrügerischen Karussellgeschäften vergleichbar, die auf die Erschleichung von ungerechtfertigten Steuervorteilen gerichtet sind. Hier wie dort gilt aber hinsichtlich der verschuldeten Auswirkungen der Tat folgendes:
34
Aufgrund der Ausgestaltung des Gesamtsystems besteht in Fällen solcher fingierter Ketten- oder Karussellgeschäfte typischerweise die Situation, dass für einzelne Glieder der Kette die umsatzsteuerlichen Auswirkungen neutral erscheinen können. Werden nämlich von einzelnen Kettengliedern sämtliche Umsatzsteuern bezahlt und stehen den von diesem Kettenglied gezogenen Vorsteuern vom Scheinrechnungsaussteller gezahlte Umsatzsteuern gegenüber , dann scheint die umsatzsteuerliche Bilanz an sich ausgeglichen. Nach den Feststellungen bestand eine ebensolche Situation bei der J. GmbH. Diese machte zwar zu Unrecht die in den Rechnungen der Zwischenhändler ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Die Zwischenhändler führten aber die Umsatzsteuer, die in den Rechnungen ausgewiesen waren, die der J. GmbH ausgestellt wurden, an das jeweils zuständige Finanzamt ab.
35
Dieser Umstand berührt aber den Schuldspruch nicht. Denn ein Vorsteuerabzug scheidet aus, da den Rechnungen der Zwischenhändler keine tatsächlich durchgeführten Lieferungen zu Grunde lagen. Nur wenn solche tatsächlich gegeben gewesen wären, wäre der Rechnungsadressat zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen (BGH NJW 2002, 1963, 1965).
36
Der Umstand, dass die umsatzsteuerliche Bilanz der J. GmbH auf Grund der Entrichtung der Umsatzsteuer durch die Zwischenhändler als neutral erscheint, hätte aber Auswirkungen auf die Bestimmung des Schuldumfangs.
37
b) Eine solche auf das einzelne Scheinrechnungsverhältnis beschränkte Betrachtung würde dem Gesamtunrechtsgehalt des Hinterziehungssystems aber nicht gerecht. Dieser wird nämlich nicht durch das einzelne Rechnungsverhältnis geprägt, sondern durch das System als Ganzes. Es ist anerkannt, dass jedenfalls, soweit - wie hier - den einzelnen Beteiligten die Struktur und die Funktionsweise des Gesamtsystems bekannt sind, dies auch bei der Feststellung der für die Strafzumessung bestimmenden verschuldeten Auswirkungen der Tat Gewicht erlangen kann. Maßgeblich ist deshalb der vom Vorsatz umfasste , aus dem Gesamtsystem erwachsene deliktische Schaden, der in dem Überschuss von gezogener Vorsteuer im Vergleich zu gezahlter Umsatzsteuer besteht (BGH NJW 2002, 3036, 3039).
38
Es ist daher rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht allein die Umsatzsteuer , die durch die ursprünglichen Halter hinterzogen wurde, der Strafzumessung zu Grunde gelegt hat. Denn hierdurch wird der aus dem Gesamthinterziehungssystem erwachsene Schaden nicht vollständig erfasst.

39
aa) Die Feststellungen der Strafkammer sind bereits deshalb bedenklich, weil sie nicht zweifelsfrei feststellen konnte, welche Höhe der nicht versteuerte Kaufpreis hatte, der an die ursprünglichen Halter gezahlt wurde (UA S. 110, 112, 116). Die Strafkammer stellt allein fest, dass der Nettobetrag, der in den Rechnungen der Erstankäufer aufgeführt wurde, über dem Kaufpreis lag, der tatsächlich an den letzten Halter des Fahrzeuges gezahlt worden war (UA S. 16, 110). Im Ergebnis beschwert dies den Angeklagten aber nicht, da aufgrund der Feststellungen zu seinen Lasten anderweitig hinterzogene Steuern in den Blick zu nehmen sind, die der Höhe nach zweifelsfrei feststehen und den Betrag, den die Strafkammer der Strafzumessung zu Grunde gelegt hat, übersteigen.
40
bb) Denn jedenfalls die von den als formelle Erstankäufer eingesetzten Scheinfirmen in den Rechnungen an die Zwischenhändler ausgewiesene Umsatzsteuer , die sich nach den Feststellungen auf circa 570.000,-- Euro belief, wurde hinterzogen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
41
(1) Die als Erstankäufer eingesetzten Scheinfirmen gaben keine Umsatzsteuervoranmeldungen oder -jahreserklärungen ab und führten die in den Scheinrechnungen an die Zwischenhändler ausgewiesene Umsatzsteuer entgegen § 14 Abs. 3 UStG aF (bzw. § 14c Abs. 2 UStG nF) auch nicht ab. Daher haben die Erstankäufer den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verwirklicht. Bei der Ausstellung einer Scheinrechnung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer ist eine Gefährdung des Steueraufkommens jedenfalls dann gegeben , wenn diese Rechnung zum Vorsteuerabzug benutzt werden kann und der Rechnungsaussteller die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt hat (BGH NStZ 2001, 380, 381).

42
(2) Die von den Scheinfirmen ausgestellten Rechnungen wurden zudem von den Zwischenhändlern dafür genutzt, unberechtigt Vorsteuern geltend zu machen. Die Steuergefährdung, der der Gesetzgeber mit Schaffung des § 14 Abs. 3 UStG aF (§ 14c UStG nF) entgegenwirken wollte (vgl. BGH NJW 2002, 3036, 3037), ist in einen Schaden umgeschlagen. Die Umsatzsteuer, die die Zwischenhändler aus den Rechnungen abzuführen hatten, die der J. GmbH ausgestellt worden waren, wurde hierbei verkürzt. Bezieht man auch die an anderer Stelle hinterzogene Umsatzsteuer in die gebotene Gesamtbetrachtung mit ein, erweist sich die umsatzsteuerrechtliche Bilanz der J. GmbH nicht mehr als neutral.
43
(3) Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung des Landgerichts, dass nach § 14 Abs. 3 UStG aF (resp. § 14c Abs. 2 UStG nF) geschuldete Steuern für die Strafzumessung irrelevant seien, da sie bei steuerehrlichem Verhalten nicht an den Fiskus abzuführen gewesen wären, rechtlich nicht zutreffend. Diese Sichtweise vernachlässigt, dass durch die Rechnungen, in denen Umsatzsteuer ausgewiesen wird, dem Rechnungsempfänger eine weitere Möglichkeit der Steuerhinterziehung eröffnet wird. Wenn sich die mit der Scheinrechnung verbundene Gefahr dann aber - wie hier - realisiert, hat diese verschuldete Auswirkung der Tat für die Strafzumessung Bedeutung. Es ist zu berücksichtigen , dass die Verkürzung, die aus den unrichtigen Erklärungen des Zwischenhändlers resultiert, den schon durch das Unterlassen der Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. -jahreserklärung durch den Erstankäufer verursachten Steuerschaden fortsetzt und allenfalls vergrößert. Damit ist das Steueraufkommen zwar nicht in der Summe der beiden Hinterziehungen, aber im Umfang des jeweils höheren Hinterziehungsbetrages gefährdet (BGH NStZ 2003, 268).
44
c) Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil auch zu Gunsten des Angeklagten. Angesichts der Tatsache, dass sowohl der Schaden der einzelnen Hinterziehungstaten als auch der Gesamtschaden weitaus höher ist, als von der Strafkammer angenommen, kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Zugrundelegung des zutreffenden Schadensumfangs sowohl auf höhere Einzel- als auch eine höhere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
45
Da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, können die vom Landgericht getroffenen Feststellungen aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter darf aber ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
46
5. Da bereits der aufgezeigte Rechtsfehler zur Aufhebung des Strafausspruchs führt, bedarf es keines Eingehens auf die weiteren Beanstandungen, die die Beschwerdeführerin gegen den Rechtsfolgenausspruch erhebt. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
47
a) Nach § 153a Abs. 2 oder § 154 Abs. 2 StPO eingestellte Taten bzw. Tatteile, von deren Ahndung nach § 154a StPO abgesehen wurde, dürfen lediglich dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn sie prozessordnungsgemäß festgestellt wurden und der Angeklagte darauf hingewiesen wurde (vgl. die Nachweise bei Fischer StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 46 f.).
48
b) Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben zu prüfen, ob die Taten einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung darstellen. Dies bestimmt sich vorliegend, soweit in diesem Zusammenhang auf die Höhe der hinterzogenen Steuern abgestellt wird, nach § 370 Abs. 3 AO aF. Insoweit müssten Steuern in „großem Ausmaß“ aus „groben Eigennutz“ hinterzogen worden sein.

49
c) Soweit die Höhe der Umsatzsteuer, die seitens der ursprünglichen Halter hinterzogen wurde, beziffert werden kann, ist dieser Hinterziehungsbetrag ebenfalls zu Ungunsten des Angeklagten als verschuldete Auswirkung der Tat mit in die Strafzumessung einzuziehen. Denn gerade auch, um dem ursprünglichen Halter diese eigenständige Hinterziehung zu ermöglichen, wurde das Gesamtsystem unter Mitwirkung des Angeklagten installiert. Der Umstand, dass insoweit für sich genommen eine eigenständige Beihilfe zur Steuerhinterziehung der ursprünglichen Halter gegeben ist, die als solche nicht angeklagt wurde, steht dem nicht entgegen (vgl. BGH NStZ 2003, 268). Wie dargelegt kann insoweit allerdings zur Ermittlung des Schwarzgeldanteils, auf dessen Grundlage die hinterzogene Umsatzsteuer zu berechnen wäre, nicht die Differenz zwischen dem Nettobetrag der Rechnungen, die die Erstankäufer den Zwischenhändlern ausstellten und dem Nettobetrag der Rechnungen der Halter an die Erstankäufer herangezogen werden. Soweit der Schwarzgeldanteil am Kaufpreis nicht anderweitig festgestellt werden kann, wäre insoweit der Schwarzgeldanteil für die einzelnen Geschäfte zu schätzen.
50
d) Für den Fall, dass die neu zu bemessende Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigen sollte, wäre auch § 56 Abs. 3 StGB in den Blick zu nehmen.
51
Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass bei Steuerhinterziehungen beträchtlichen Umfangs auch von Gewicht ist, die Rechtstreue der Bevölkerung, auch auf dem Gebiet des Steuerrechts zu erhalten. Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe kann sich daher zur Verteidigung der Rechtsordnung als notwendig erweisen, wenn die Tat Ausdruck einer verbreiteten Einstellung ist, die eine durch einen erheblichen Unrechtsgehalt ge- kennzeichnete Norm nicht ernst nimmt und von vornherein auf die Strafaussetzung vertraut (BGH NStZ 1985, 459; GA 1979, 59; Urt. vom 28. September 1983 - 3 StR 280/83). Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung ist insbesondere dann geboten, wenn eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalls für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte (vgl. BGHSt 24, 40, 46; BGHR StGB § 56 Abs. 3 - Verteidigung 15; BGH wistra 2000, 96, 97).
52
Besondere Umstände, die die Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe gebieten könnten, liegen nach den bisherigen Feststellungen hier vor. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass durch Umsatzsteuerhinterziehungen große Steuerausfälle verursacht werden (vgl. die Nachweise bei Muhler wistra 2009, 1). Zudem hat sich der Angeklagte an einem komplexen und aufwändigen Täuschungssystem beteiligt, das die systematische Verschleierung von Sachverhalten über einen längeren Zeitraum bezweckte (vgl. BGH NJW 2009, 533). Eine solche Vorgehensweise weist Merkmale einer organisierten Kriminalität (vgl. § 110a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StPO) auf. Andererseits liegen die Taten bereits einige Zeit zurück. Erforderlich ist eine dem Einzelfall gerecht werdende Abwägung, bei der Tat und Täter umfassend zu würdigen sind (BGHSt 24, 40, 46; BGHR StGB § 56 Abs. 3 - Verteidigung 5, 6 und 16; NStZ-RR 1998, 7, 8).
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung: ja
1. Wird durch Abschluß eines Scheinvertrages eine Gehaltszahlung
verschleiert, so kann darin Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung
des Gehaltsempfängers liegen.
2. Die Strafbarkeit eines unberechtigten Vorsteuerabzugs
aus einer Scheinrechnung entfällt nicht deswegen, weil
der Aussteller der Rechnung die dort gesondert ausgewiesene
Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt hat.
3. Zur Strafzumessung bei Lohnsteuerhinterziehung und
damit zusammenhängender Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung
des Gehaltsempfängers.
BGH, Beschl. vom 20. März 2002 – 5 StR 448/01
LG Frankfurt am
Main –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 20. März 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. März 2002

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15. Februar 2001 in den Strafaussprüchen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten K und H wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monaten bzw. von sieben Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten B hat es wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt. Die Vollstreckung der Strafen sind jeweils zur Bewährung ausgesetzt worden. Alle drei Angeklagte beanstanden mit ihren Revisionen das Verfahren und rügen die Verletzung materiellen Rechts. Die Revisionen führen auf die Sachrüge zur Aufhebung der jeweiligen Strafaussprüche; im übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Die Angeklagten K und H gehörten im Jahr 1993 dem ehrenamtlich tätigen Präsidium des Fußballvereins Eintracht Frankfurt an, bei dem auch der Lizenzfußballspieler Y beschäftigt war. Nachdem diesem mit Beginn der Bundesligasaison 1992/93 der Durchbruch zum “Topstürmer” der Fußballbundesliga gelungen war, fanden Anfang des Jahres 1993 Vertragsgespräche über eine Gehaltserhöhung statt, zumal da bereits andere Bundesligavereine Interesse an einer Verpflichtung von Y zeigten. Eintracht Frankfurt war daran gelegen, mit dem Spieler eine Vertragsverlängerung zu vereinbaren und eine im Arbeitsvertrag enthaltene Transferregelung zu beseitigen, nach der Y unter bestimmten Voraussetzungen eine vorzeitige Auflösung des Arbeitsvertrages verlangen konnte. Y wiederum stellte hohe Gehaltsforderungen. Nachdem die Vertragsverhandlungen zunächst ergebnislos abgebrochen worden waren, schaltete Y für die weiteren Verhandlungen den Angeklagten B ein, der eine Werbeagentur betrieb. Die Angeklagten einigten sich dann u.a. auf eine einmalige Zahlung von zwei Mio. DM zuzüglich Umsatzsteuer, die nicht direkt an Y , sondern zur Verschleierung der Zahlung über die Werbeagentur des Angeklagten B an Y weitergeleitet werden sollte. Um die anfallende Lohnsteuer nicht abführen zu müssen und um es Y zu ermöglichen, den Erhalt dieser Zahlung vor dem Finanzamt zu verheimlichen , beschlossen die Angeklagten, zum Schein einen Vertrag zwischen der Werbeagentur des Angeklagten B und Eintracht Frankfurt zu schließen , mit dem die Übertragung sämtlicher Vermarktungsrechte an der Person des Y an den Verein vorgetäuscht werden sollte. Im Juni 1993 wurden sodann mehrere den Fußballspieler Y betreffende Verträge unterzeichnet , die Gehaltsfragen regelten und die bisherige Transferregelung aufhoben. Dabei wurde die Vereinbarung zwischen Eintracht Frankfurt und
der Werbeagentur des Angeklagten B über die Übertragung der Vermarktungsrechte auf den 20. August 1993 vor- und die Verträge mit Y selbst auf den 5. März 1993 rückdatiert. Es sollte der Eindruck erweckt werden , der Vertrag über die Vermarktungsrechte sei erst ein halbes Jahr nach den übrigen Verträgen geschlossen worden. Von den von Eintracht Frankfurt gezahlten 2,3 Mio. DM behielt der Angeklagte B die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 300.000 DM, die er an das Finanzamt abführte, sowie eine Provision von 200.000 DM ein. Den restlichen Geldbetrag leitete er an eine Firma A Ltd. in Ghana weiter, deren wirtschaftlich Berechtigter Y war.
Eintracht Frankfurt gab in den beim Finanzamt eingereichten Lohnsteueranmeldungen die geleistete Zahlung nicht an und führte die darauf entfallende Lohnsteuer in Höhe von mehr als 1,2 Mio. DM nicht ab; dagegen machte der Verein die Umsatzsteuer aus der Rechnung des Angeklagten B als Vorsteuer geltend. Y wiederum erklärte den erhaltenen Geldbetrag nicht gegenüber dem Finanzamt und hinterzog die anfallende Einkommensteuer.

II.


Die Angeklagten wenden sich insbesondere dagegen, daû die Übertragung der Vermarktungsrechte an dem Bundesligafuûballspieler Y an Eintracht Frankfurt steuerlich als Scheingeschäft im Sinne von § 41 Abs. 2 AO behandelt worden ist. Sie machen geltend, daû es sich bei der gewählten Vereinbarung um eine zulässige und tatsächlich durchgeführte Vertragsgestaltung und nicht um die Verschleierung einer Gehaltszahlung an Y gehandelt habe.
1. Die erhobenen Verfahrensrügen zeigen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht auf. Der Erörterung bedarf lediglich folgendes:

Die von den Angeklagten K und H erhobene Rüge, das Landgericht habe gegen die ihm nach § 261 StPO obliegende Pflicht verstoûen, die erhobenen Beweise erschöpfend zu würdigen, weil es die Einlassung des früheren Mitangeklagten Y nicht mitgeteilt habe, obwohl seine Angaben mit den Urteilsfeststellungen im Widerspruch stünden, greift nicht durch.
Allerdings ist der Tatrichter grundsätzlich verpflichtet, alle wesentlichen Beweismittel der gesamten Hauptverhandlung im Rahmen seiner Beweiswürdigung heranzuziehen und die vorhandenen Beweise einer erschöpfenden Würdigung zu unterziehen (vgl. BGHR StPO § 261 Einlassung 5). Dies gilt auch für Sacheinlassungen, sofern sie nicht marginal sind (vgl. BGH, Beschl. vom 23. Februar 2000 – 5 StR 382/99). Der dem Tatrichter nach § 261 StPO eingeräumten Freiheit in der Überzeugungsbildung sind insoweit Grenzen gesetzt (vgl. BGH StV 1988, 138 m. Anm. Schlothauer; OLG Karlsruhe StV 2000, 658). Mit Recht stellt die Revision fest, daû grundsätzlich die Einlassung eines Mitangeklagten in der Hauptverhandlung bei der Beweiswürdigung auch dann Berücksichtigung finden muû, wenn das Verfahren gegen diesen Angeklagten – wie hier – später abgetrennt worden ist.
Eine vom Revisionsgericht auf eine entsprechende Verfahrensrüge nach § 261 StPO hin zu beachtende Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung kann sich nicht nur aus den Urteilsgründen selbst, sondern auch aus der aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ersichtlichen weiteren Beweisaufnahme ergeben, wenn diese in der Beweiswürdigung im Urteil keinen Niederschlag gefunden hat (vgl. hierzu BGH NStZ 2001, 440). Die Überprüfung kann jedoch nur auf die Beweisergebnisse erstreckt werden, die mit den Mitteln des Revisionsgerichts ohne weiteres feststellbar sind. Eine Rekonstruktion der
Hauptverhandlung zur Feststellung der Einlassung des früheren Mitangeklagten Y ist dem Senat damit grundsätzlich verwehrt.
Allerdings wird aus den in die Hauptverhandlung eingeführten ± und von den Revisionen entsprechend den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO mitgeteilten ± Schriftstücken deutlich, daû der frühere Mitangeklagte Y dieselben Sachverhalte zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich dargestellt hat, was seine Glaubwürdigkeit in Frage stellt. Eine nähere Auseinandersetzung mit den Angaben des Y und seiner Glaubwürdigkeit im Urteil war hier dennoch entbehrlich, weil ± wie dem Urteil mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist ± das Landgericht der Aussage des Y wegen erheblicher Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit keinen eigenständigen Beweiswert beigemessen hat. Das Landgericht ist den Angaben des Y mit äuûerster Zurückhaltung begegnet und hat seine Beweiswürdigung auf eine Vielzahl von Beweismitteln und Indizien gestützt. Die Angaben des Y hat das Landgericht dabei nie allein, sondern nur dann und nur zu einzelnen Punkten flankierend herangezogen, wenn die entsprechenden Beweistatsachen auch noch jeweils durch ein anderes Beweismittel belegt waren. Eine bloûe “Aussage gegen AussageKonstellation” , bei welcher der Bundesgerichtshof besondere Darstellungsund Begründungsanforderungen an das Urteil stellt, wenn der Tatrichter dem einzigen Belastungszeugen glaubt (vgl. BGHSt 44, 153, 158; 44, 256; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 23 m.w.N.), liegt hier nicht vor. Nähere Erörterungen zur Aussagekonstanz und zur Glaubwürdigkeit eines Aussagenden sind ansonsten regelmäûig nur dann geboten, wenn das Ergebnis der Beweiswürdigung davon abhängt. Dies war hier nicht der Fall. Das Landgericht hat seine Überzeugungsbildung auf eine Vielzahl von Beweismitteln gestützt und hat den Angaben des weitgehend für unglaubwürdig befundenen früheren Mitangeklagten Y keine maûgebliche Bedeutung beigemessen.
2. Die Schuldsprüche halten rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht hat sich die Überzeugung gebildet, daû der von den Angeklagten geschlossene Vertrag, mit dem die Übertragung der Vermarktungsrechte an dem Bundesligafuûballspieler Y vereinbart wurde, nicht ernstlich gewollt war und nur der Verschleierung einer Gehaltszahlung an Y diente. Die Beurteilung, ob ein Scheingeschäft vorliegt , obliegt grundsätzlich dem Tatrichter (vgl. Fischer in Hübschmann/ Hepp/Spitaler AO § 41 Rdn. 188). Das Urteil muû allerdings erkennen lassen , daû der Tatrichter die wesentlichen für und gegen ein Scheingeschäft sprechenden Umstände im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt und in eine Gesamtwürdigung einbezogen hat, so daû die vom Gericht gezogene Schluûfolgerung nicht nur eine Annahme ist oder sich als bloûe Vermutung erweist (vgl. BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 26). Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts gerecht.
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daû ein Lizenzfuûballspieler Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) bezieht, weil er sich auf eine längere Dauer verpflichtet und gegenüber dem Verein weisungsgebunden ist (vgl. § 1 LStDV; BFHE 170, 48, 50; Schmidt/Drenseck EStG 20. Aufl. § 19 Rdn. 15 “Sportler”; Jansen FR 1995, 461, 463; Lutz DStZ 1998, 279, 280; Pudell/Ernst SpuRt 1997, 185, 188). Es hat dabei bedacht, daû nicht sämtliche Leistungen des Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer Lohn im Sinne von § 19 EStG sein müssen. Erfolgreiche Sportler haben die Möglichkeit, aus ihrem Bekanntheitsgrad durch Werbeeinnahmen sogar noch höhere Entgelte zu erzielen als aus der sportlichen Betätigung (vgl. Lutz DStZ 1998, 279, 281). Dabei führen Einnahmen aus der Werbetätigkeit eines Sportlers nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BStBl II 1986, 424) regelmäûig zu (nicht lohnsteuerpflichtigen ) Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG), wenn der Sportler die Werbetätigkeit selbständig und nachhaltig mit Gewinnerzielungsabsicht
ausübt und sich die Tätigkeit als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt (vgl. auch BMF-Schreiben vom 25. August 1995 ± IV B 6 ± S 2331 ± 9/95, DStR 1995, 1508). Die Tatsache, daû der bei Eintracht Frankfurt als Arbeitnehmer beschäftigte Fuûballspieler Y über sein Festgehalt hinaus von seinem Arbeitgeber eine zusätzliche Einmalzahlung erhalten hat, qualifiziert diese damit noch nicht ohne weiteres als weitere Gehaltszahlung, schlieût eine solche aber auch nicht aus.
Ein Scheingeschäft im Sinne von § 41 Abs. 2 AO liegt indes dann vor, wenn die Parteien einverständlich lediglich den äuûeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen (vgl. BGH NJW 1982, 569; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO § 41 Rdn. 153). Entscheidend ist dabei, ob die Parteien zur Erreichung des erstrebten Erfolges ein Scheingeschäft für genügend oder ein ernstgemeintes Rechtsgeschäft für notwendig erachtet haben (vgl. BGHZ 36, 84, 88 m.w.N.). Dabei sind die Interessenlage und die verfolgten wirtschaftlichen Zwecke wie auch die Frage zu berücksichtigen, ob die Beteiligten ein durch ein Scheingeschäft verdecktes Geschäft wirklich gewollt haben (vgl. Fischer aaO Rdn. 153, 158).
Diese Maûstäbe hat das Landgericht beachtet und sich aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung der für und gegen ein Scheingeschäft sprechenden Umstände die Überzeugung gebildet, daû die Angeklagten eine Veräuûerung der Vermarktungsrechte nicht ernstlich vorhatten, sondern den geschaffenen Schein eines solchen Vertrages zur Verschleierung der Lohnzahlung an Y ausnutzen wollten. Der Tatrichter hat dabei nicht verkannt, daû der Erwerb von Vermarktungsrechten dem Verein auch dann von erheblichem Nutzen hätte sein können, wenn sich eine solche Investition nicht unmittelbar wirtschaftlich ausgezahlt hätte. Auch hat er bedacht , daû die erfolgte Abführung von Umsatzsteuer für einen Vollzug des
Vertrages und damit für eine Ernstlichkeit des Vertragsschlusses sprechen kann. Auf der anderen Seite hat er ohne Rechtsfehler in die Gesamtabwägung eingestellt, daû Eintracht Frankfurt trotz angeblicher Exklusivrechte einerseits einem späteren, Y betreffenden Werbevertrag des Angeklagten B mit der Firma P nicht entgegengetreten ist, andererseits selbst keinerlei Versuche unternommen hat, den Spieler zu vermarkten und nicht einmal die naheliegende Möglichkeit genutzt hat, den Hauptsponsor des Vereins auf eine Vermarktung Y s anzusprechen. Dabei durfte auch berücksichtigt werden, daû etwaige Vermarktungsrechte beim Transfer des Y zum englischen Fuûballverein Leeds United keine Rolle gespielt haben. Ebenso durfte das Landgericht würdigen, daû die Angeklagten durch Rück- und Vordatieren der verschiedenen Verträge den Eindruck erweckt haben, der Vertrag über eine Gehaltserhöhung und derjenige über die Übertragung der Vermarktungsrechte seien im Abstand von einem halben Jahr geschlossen worden.

b) Die Verurteilungen der Angeklagten K und H wegen Lohnsteuerhinterziehung sind frei von Rechtsfehlern.
Bei der Zahlung von 2,3 Mio. DM an den Angeklagten B handelte es sich um eine verdeckte Gehaltszahlung an den Vereinsspieler Y . Der Verein war verpflichtet, für diese Lohnsteuer anzumelden (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) und an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführen (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, daû die Angeklagten K und H die Zahlung an B formal auf den Vertrag vom 20. August 1993 über die Veräuûerung der Vermarktungsrechte für Y geleistet haben; als Scheingeschäft ist dieser Vertrag für die Besteuerung unerheblich (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO). Maûgeblich ist vielmehr das verdeckte Geschäft einer Gehaltszahlung an den bei Eintracht Frankfurt beschäftigten Fuûballspieler Y (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 2 AO). Insoweit ist es unerheblich, daû die geleistete Zahlung nicht unmittelbar,
sondern über den Angeklagten B und die Firma A Ltd. dem Arbeitnehmer Y zugeflossen ist (vgl. Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz § 19 Rdn. B 342 m. N.).

c) Auch die Verurteilungen der drei Angeklagten wegen Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung des früheren Mitangeklagten Y haben Bestand.
Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges des Haupttäters objektiv fördert (vgl. BGHSt 42, 135, 136), ohne daû sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muû (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 46, 107, 109).
Die strafbare Hilfeleistung liegt hier in dem Abschluû des Scheinvertrages , bei den Angeklagten K und H zudem in der Nichtaufnahme der Zahlung von 2,3 Mio. DM in die Lohnsteuerbescheinigung für Y . Hierdurch wurde (auch gegenüber den Finanzbehörden) verschleiert, daû es sich bei der geleisteten Zahlung um lohnsteuerpflichtiges Gehalt handelte. Dies ermöglichte Y die Hinterziehung der auf diesen Einkünften lastenden Einkommensteuer (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).
Einer Strafbarkeit der Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung steht nicht entgegen, daû eine Gehaltszahlung des Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer eine objektiv “neutrale” Handlung ist (vgl. hierzu BGHSt 46, 107, 112; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 3, 20), die grundsätzlich keine Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung des Arbeitnehmers darstellt. Hier beschränkte sich das Verhalten der Angeklagten nicht auf eine bloûe Gehaltszahlung; die Angeklagten haben vielmehr die Zahlung an Y durch Abschluû eines Scheinvertrages mit dem Angeklagten B gezielt verschleiert. Unbeachtlich ist dabei, daû eine entgeltliche, zeitlich befristete Übertragung der Rechte des Y am eigenen Namen (§ 12 BGB)
und am eigenen Bild (§ 22 ff. KunstUrhG) an Eintracht Frankfurt für eine sogenannte Namens- oder Imagewerbung unter Einbindung einer Werbeagentur rechtlich zulässig gewesen wäre. Ein solcher Vertrag war nach den Urteilsfeststellungen von den Angeklagten gerade nicht ernsthaft gewollt.
Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daû die Angeklagten weder für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Y verantwortlich noch von ihm mit der Erfüllung dieser Pflichten betraut worden waren. Den Angeklagten war bewuût , daû die getroffenen Vereinbarungen für Y nur dann wirtschaftlich von Interesse waren, wenn er die ihm zuflieûende Zahlung in seiner Einkommensteuererklärung nicht angeben würde; durch Verschleierung der Gehaltszahlung sollte gerade dies ermöglicht werden.
Schlieûlich ist eine Strafbarkeit der Angeklagten auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil es Y bei den Vertragsverhandlungen nicht vorrangig darauf ankam, eine strafbare Steuerhinterziehung begehen zu können ; er wollte vielmehr vor allem deutlich höhere Einkünfte als bisher erzielen. Verfolgt der von einem Hilfeleistenden Unterstützte neben strafbaren auch legale Ziele, stehen diese zulässigen Ziele einer Strafbarkeit des Hilfeleistenden dann nicht entgegen, wenn sich der Hilfeleistende mit dem strafbaren Tun des Unterstützten solidarisiert, indem er sich gerade die Förderung der strafbaren Handlungen des Unterstützten angelegen sein läût. So verhielt es sich hier. Mit dem Abschluû eines Scheinvertrages zur Verschleierung der Gehaltszahlung (und der Nichtabführung von Lohnsteuer) haben die Angeklagten ihr Verhalten neben der Verfolgung eigener finanzieller Interessen von Eintracht Frankfurt auch dem wirtschaftlichen Bestreben des Y und damit seinen deliktischen Zielen einer Steuerhinterziehung angepaût.

d) Die Verurteilung der Angeklagten K und H wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer durch unberechtigten Vorsteuerabzug begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Die in der Rechnung über die angebliche Veräuûerung von Vermarktungsrechten ausgewiesene Umsatzsteuer durfte nicht als Vorsteuer abgezogen werden.
Ein Vorsteuerabzug gemäû § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ist nur für Steuern aus Rechnungen im Sinne des § 14 UStG zulässig, denen steuerpflichtige Lieferungen oder sonstige Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG zugrundeliegen. Dabei ist auf die tatsächliche Gestaltung eines Rechtsgeschäfts abzustellen; maûgeblich sind die tatsächlichen Leistungsbewegungen (vgl. BFH, BFH/NV 1987, 756; BGHR AO § 41 Abs. 1 Durchführung , tatsächliche 1; BGHR AO § 370 Abs. 1 Versuch 2). Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind für die Besteuerung unerheblich (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO).
Diese Regelung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) des Rates vom 17. Mai 1977 (ABl. EG 1977 Nr. L 145, 1), wonach ein Recht zum Vorsteuerabzug nur für solche Steuern besteht, die geschuldet werden, weil sie mit einem der Mehrwertsteuer unterworfenen Umsatz im Zusammenhang stehen , nicht aber für solche, die ausschlieûlich geschuldet werden, weil sie in einer Rechnung ausgewiesen worden sind (EuGH, Urt. vom 13. Dezember 1989 ± Rechtssache C-342/87 ± Genius Holding, Slg. 1989, 4227).
Anderes gilt auch dann nicht, wenn ± wie hier ± die über eine nicht ausgeführte Leistung gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer tatsächlich an das Finanzamt abgeführt wird. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer gilt zwar, daû zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer im Besteuerungsverfahren berichtigt werden kann, wenn die Gefährdung des Steueraufkom-
mens rechtzeitig und vollständig beseitigt worden ist (EuGH, Urt. vom 19. September 2000 ± Rechtssache C-454/98 ± Schmeink & Cofreth und Strobel , Slg. 2000 I S. 6973; vgl. hierzu auch BFHE 194, 506 und 517; BGHR AO § 370 Abs. 1 Versuch 2). Dies schlieût jedoch nicht aus, daû die Mitgliedstaaten an das Ausstellen und Verwenden von Scheinrechnungen strafrechtliche Folgen knüpfen (EuGH aaO S. 7008 Tz. 62). Ob das Steueraufkommen durch die Tat letztlich dauerhaft gefährdet wird oder ob dies nicht der Fall ist, weil der Aussteller der zum Vorsteuerabzug verwendeten Rechnung die gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge an das Finanzamt abgeführt hat, spielt für die Verwirklichung des Hinterziehungstatbestandes nach § 370 Abs. 1 AO demnach keine Rolle. Diese Frage erlangt aber bei der Strafzumessung im Rahmen der Berücksichtigung der verschuldeten Auswirkungen der Tat (vgl. § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB) Bedeutung. 3. Jedoch begegnet die Strafzumessung insgesamt durchgreifenden Bedenken.

a) Das Landgericht hat die Angeklagten K und H sowohl wegen Lohnsteuerhinterziehung als auch wegen Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung des Y verurteilt. Im Rahmen der Strafzumessung hat es dabei jeweils die Höhe der Hinterziehungsbeträge strafschärfend berücksichtigt. Bei Anwendung dieses an sich zutreffenden Strafzumessungsgrundes ist allerdings zu besorgen, daû das Landgericht das Verhältnis von Lohn- und Einkommensteuer nicht hinreichend bedacht hat. Die Lohnsteuer ist die Einkommensteuer der Arbeitnehmer für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die gemäû § 38 Abs. 1 EStG durch Steuerabzug vom Lohn erhoben wird (vgl. hierzu Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht § 370 AO Rdn. 202). Da es sich bei der Lohnsteuer somit lediglich um eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer handelt, ist die vom Arbeitgeber abgeführte Lohnsteuer beim Arbeitnehmer auf dessen veranlagte Einkommensteuer anzurechnen (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG). Dies hat zur Folge, daû die Zahllast des Steuerpflichtigen stets um den durch Lohn-
steuerabzug bereits erhobenen Steuerbetrag niedriger als die festgesetzte Einkommensteuer ist. Zugleich bedeutet dies, daû das Steueraufkommen bei Hinterziehung sowohl der Lohnsteuer als auch der Einkommensteuer nicht in Höhe der Summe der beiden hinterzogenen Steuern gefährdet ist. Diesen Umstand hat das Landgericht bei der Strafzumessung wegen Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung des Y nicht erkennbar zugunsten der Angeklagten K und H berücksichtigt. Dies führt insoweit zur Aufhebung des Strafausspruchs. Aus demselben Grund ist auch der Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten B aufzuheben, den das Landgericht wegen Beihilfe sowohl zur Lohnsteuerhinterziehung als auch zur Einkommensteuerhinterziehung des Y verurteilt hat. Der Senat kann darüber hinaus nicht ausschlieûen, daû sich der Rechtsfehler auf die Strafzumessung wegen Hinterziehung von Lohnsteuer ausgewirkt hat, und hebt daher auch die hierfür verhängten Einzelstrafen auf.
b) Auch soweit die Angeklagten wegen Umsatzsteuerhinterziehung bzw. Beihilfe hierzu verurteilt worden sind, hält die Strafzumessung rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte B als Aussteller einer Scheinrechnung über die angebliche Übertragung von Vermarktungsrechten die in dieser Rechnung gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt, welche die Angeklagten K und H gegenüber dem Finanzamt als Vorsteuer geltend gemacht haben. Zwar hat die Tatsache, daû der Aussteller einer Scheinrechnung die dort gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt hat, für die Strafbarkeit des Rechnungsempfängers, der die Vorsteuer aus dieser Rechnung geltend gemacht hat, auûer Betracht zu bleiben (vgl. oben II.2.d.). Jedoch hat der Umstand, daû der Rechnungsaussteller eine solche Abführung von Anfang an vorhatte und der Rechnungsempfänger dies wuûte, für die Strafzumessung Bedeutung. In diesem Fall ist die Tat nicht auf eine dauerhafte Gefährdung des Steueraufkommens gerichtet, sofern die Verwendung von Scheinrechnungen nicht ± wie es etwa bei einem
Umsatzsteuerkarussell der Fall sein kann ± an anderer Stelle zu Steuerverkürzungen führen soll. Dies hat das Landgericht nicht bedacht.

c) Die erforderliche Neufestsetzung der Einzelstrafen bedingt die Aufhebung der gegen die Angeklagten K und H festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafen.
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(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
Können Scheinrechnungen nach den vom Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften vorgegebenen steuerlichen
Grundsätzen berichtigt werden, hat dies regelmäßig
keinen Einfluß auf den Schuldspruch, ist aber im Rahmen
der Strafzumessung zu berücksichtigen.
Bei sogenannten Umsatzsteuerkarussellen ist jedenfalls
dann, wenn den einzelnen Beteiligten die Struktur und die
Funktionsweise des Karussells bekannt sind, der durch das
System verursachte Gesamtschaden zu ermitteln und in die
Strafzumessung einzustellen.
BGH, Urt. v. 11. Juli 2002 – 5 StR 516/01
LG Stuttgart –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 11. Juli 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Sitzung vom
10. und 11. Juli 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 11. Juli 2002 für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 9. Juli 2001 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen diese Verurteilung wenden sich der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft, die ihre vom Generalbundesanwalt vertretene Revision auf den Strafausspruch beschränkt. Beide Rechtsmittel haben in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts erzielte der Angeklagte, der zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder ein Sägewerk mit angeschlossenem Holzgroßhandel in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG betrieb , im Laufe des Jahres 1997 Erlöse in Höhe von etwa 34.000 DM, die er entweder in bar oder über das Konto seines Schwiegervaters vereinnahmte. Im Rahmen der Umsatzsteuerjahreserklärung 1997, die der Angeklagte als Mit-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH vorbereitet und die sein Vater gutgläubig unterschrieben hatte, gab der Angeklagte für die L GmbH & Co. KG (im folgenden: Firma L ) diese Umsätze nicht an, so daß Umsatzsteuer in Höhe von ca. 4.500 DM verkürzt wurde.
Ebenfalls noch im Jahre 1997 begann der Angeklagte mit dem anderweitig verfolgten Zeugen M , der bei der G der für den Holzhandel verantwortliche Mitarbeiter war, Luftgeschäfte vorzunehmen. Dabei gingen M und der Angeklagte dergestalt vor, daß sie über Scheinrechnungen Lieferungen vortäuschten, die tatsächlich nicht erfolgt waren. So bezog der Angeklagte von der G angeblich Holz über einen Rechnungsbetrag in Höhe von 2,9 Mio. DM. Von M kaufte er laut Rechnungsstellung Waren in Höhe von etwa 2,4 Mio. DM an. Gleichzeitig lieferte der Angeklagte aber auch zum Schein an die G und an M . Er entrichtete auf diese von der Firma L gestellten Rechnungen die dafür ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von knapp 600.000 DM; umgekehrt zog er die Vorsteuer aus den an die Firma L gerichteten Scheinrechnungen, die entweder von der Firma M oder der G erstellt worden waren. Der Angeklagte buchte die Beträge aus den Scheinrechnungen gegen die G ± entsprechend der zwischen den Partnern bestehenden Übung ± direkt ab und zahlte 90 % des Rechnungsbetrages an M aus. M betrieb ein gleichartiges Scheinrechnungskarussell mit vier weiteren Firmen.
Der Angeklagte, der aus den nicht erfolgten Lieferungen keine Vorsteuer hätte geltend machen dürfen, verkürzte dadurch Umsatzsteuer für das Jahr 1997 in Höhe von 800.000 DM, worin auch die Steuerverkürzung in Höhe von 4.500 DM für die Gelder enthalten war, die auf die nicht verbuchten Lieferungen entfiel.
In den Monaten Januar bis März 1998 führten der Angeklagte und M dieses System weiter. Da auch in diesen Monaten der Angeklagte aus den jeweiligen an die Firma L gerichteten Scheinrechnungen unberechtigt die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer in den von ihm unterschriebenen monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen in Abzug brachte, entstanden weitere Steuerverkürzungen in Höhe von 170.000 DM (Januar 1998), 120.000 DM (Februar 1998) und 110.000 DM (März 1998). Der Angeklagte beabsichtigte schon bei Abgabe der monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen , diese unzutreffenden Angaben später im Rahmen der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 1998 nicht zu berichtigen.

II.


Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft führen im Strafausspruch zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils.
1. Die Revision des Angeklagten bleibt allerdings ohne Erfolg, soweit sie den Schuldspruch angreift.

a) Die von ihm erhobenen Verfahrensrügen sind sämtlich nicht ordnungsgemäû ausgeführt im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und damit unzulässig.

b) Die sachlichrechtlichen Beanstandungen gegen den Schuldspruch sind unbegründet. Das Landgericht hat den Angeklagten rechtsfehlerfrei wegen vollendeter Steuerhinterziehung in vier Fällen verurteilt.
aa) Hinsichtlich der Umsatzsteuerjahreserklärung 1997 wird der Schuldspruch schon allein durch die von der Revision nicht angegriffene Feststellung getragen, daû der Angeklagte die bar vereinnahmten oder auf das Konto seines Schwiegervaters überwiesenen Erlöse der Firma L in der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 1997 nicht angab. Da die Firma L aus diesen Geschäftsvorfällen Umsatzsteuer schuldete (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, § 13 Abs. 2 Nr. 1 UStG a.F./§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG n.F.), verkürzte der Angeklagte als verantwortlicher Geschäftsführer (§ 34 AO) gemäû § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO Steuern, indem er die bereits erfolgten Lieferungen den Finanzbehörden verschwieg.
bb) Die Verurteilungen wegen dreier vollendeter Steuerhinterziehungen bezüglich der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis März 1998 begegnen gleichfalls keinen rechtlichen Bedenken, weil der Angeklagte ± was auch hinsichtlich der Umsatzsteuerjahreserklärung 1997 den Schuldspruch rechtfertigt ±, Vorsteuern aus Scheinrechnungen geltend gemacht und damit den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt hat.
Unabhängig davon, ob der Adressat einer Scheinrechnung, die einen Umsatzsteuerausweis enthält, diese tatsächlich bezahlt hat, scheidet ein Vorsteuerabzug aus. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist der Rechnungsadressat nur dann zum Vorsteuerabzug befugt, wenn die in Rechnung gestellte Lieferung oder sonstige Leistung tatsächlich ausgeführt worden ist (BGH NJW 2002, 1963, 1965 sub d). Da den Rechnungen jeweils keine tatsächlich durchgeführten Lieferungen oder sonstigen Leistungen zugrunde lagen, war der Angeklagte zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, UStG § 15 Rdn. 96 m. w. N.).
Entgegen der Auffassung der Revision kann im Rahmen der Prüfung der Schuldfrage ein gegebenenfalls zu Unrecht geltend gemachter Vorsteu-
erbetrag nicht mit solchen Umsatzsteuerverbindlichkeiten saldiert werden, die aufgrund einer späteren Berichtigung in Wegfall gelangen.
(1) Selbst wenn eine Berichtigungsmöglichkeit gegeben wäre, könnte diese den Schuldspruch nicht in Frage stellen. Die Umsatzsteuer war zum Zeitpunkt der Abgabe der monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen nämlich nach § 14 Abs. 3 UStG geschuldet. Nach Satz 2 2. Alternative dieser Vorschrift haftet derjenige, der ± ohne daû ein entsprechender Geschäftsvorfall zugrunde liegt ± Rechnungen mit einem gesonderten Umsatzsteuerausweis erstellt. Mit der Schaffung eines allein an den Umsatzsteuerausweis geknüpften Steuertatbestandes soll die Erstellung entsprechender Scheinrechnungen verhindert werden, die ein erhebliches Gefährdungspotential aufweisen, weil aus ihnen Vorsteuerabzüge geltend gemacht werden können (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 Versuch 2). Eine solche Gefährdung liegt aufgrund der Besonderheiten des Umsatzsteuererhebungssystems, das überwiegend auf Vertrauen aufgebaut und weitgehend automatisiert ist, besonders nahe. Der Steuerpflichtige errechnet seine Umsatzsteuerschuld selbst; er legt allenfalls die Rechnungen vor. Eine Prüfung des hinter einer Rechnung stehenden Sachverhalts ist der Finanzbehörde im Rahmen des Massengeschäftes , welches die Umsatzsteuererhebung darstellt, grundsätzlich nicht möglich. Die Finanzverwaltung verfügt dabei im wesentlichen über ein auf Stichproben beschränktes weitmaschiges Kontrollsystem. Vor diesem Hintergrund erschlieût sich auch der Zweck des § 14 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative UStG. Mit dieser Regelung, die auf der gemeinschaftsrechtlichen Norm des Art. 21 Nr. 1 lit. c (jetzt: lit. d) der 6. EG-Richtlinie (77/388/EWG) beruht, ist ein Tatbestand geschaffen worden, der eine Ausfallhaftung gewährleistet (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG 8. Aufl. § 14 Rdn. 267.3).
Allerdings beschränkt der Gefährdungsgedanke auch den durch § 14 Abs. 3 UStG geschaffenen Haftungsumfang. Ist die Gefährdung nämlich rechtzeitig und vollständig beseitigt, verlangt es der Grundsatz der Neutralität
der Umsatzsteuer, daû eine zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden kann. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) aufgrund einer Vorlage des Bundesfinanzhofes (BFHE 187, 84) entschieden, dabei aber gleichzeitig ausgeführt, daû die Umsetzung der Berichtigungsmöglichkeit, die allerdings nicht von einem behördlichen Ermessen abhängig gemacht werden darf, den nationalen Verfahrensordnungen obliegt (EuGH, Urt. vom 19. September 2000 ± C-454/98, Slg. 2000, I ± 6973 ± Schmeink & Cofreth und Manfred Strobel). In Umsetzung dieses Urteils des Europäischen Gerichtshofs hat der Bundesfinanzhof hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Behandlung einer etwaigen Berichtigung differenziert. Entfällt die Gefährdungslage bereits im Besteuerungszeitraum, ist analog § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG noch in demselben Besteuerungszeitraum die Rechnung zu berichtigen (BFH UR 2001, 255, 257). Tritt der Wegfall der Gefährdungslage später ein, erfolgt eine Berichtigung der Steuer nach der Billigkeitsregelung des § 227 AO (BFH UR 2001, 312, 314). Die Gefährdungslage wird beseitigt, wenn die Scheinrechnung zurückgegeben oder storniert ist, ohne daû vorher ein Vorsteuerabzug getätigt wurde (BFH UR 2001, 255, 257). Sie wird aber auch trotz erfolgten Vorsteuerabzuges beseitigt, sobald umgekehrt die in der Scheinrechnung ausgewiesene Umsatzsteuer gezahlt ist (BFH UR 2001, 312, 314). Damit ist der in der Rechnung angelegte umsatzsteuerliche Saldo ausgeglichen und der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer wiederum gewahrt. Berichtigungsfähig sind solche Rechnungen auch, wenn die gezogene Vorsteuer unzweifelhaft zurückgeführt wurde (vgl. zu den Berichtigungsmöglichkeiten eingehend Wagner aaO § 14 Rdn. 201 ff.).
Voraussetzung für eine entsprechende Berichtigung ist aber, daû eine solche in der hierfür erforderlichen Form durchgeführt wurde. In den Fällen der Berichtigung nach § 17 Abs. 1 UStG muû die Berichtigung durch beide Partner des Scheinrechnungsverhältnisses erfolgen. In den Fällen, in denen nur noch eine Billigkeitsentscheidung nach § 227 AO in Betracht kommt, bedarf es eines gesonderten Verwaltungsverfahrens, in dem geprüft wird, ob
eine Gefährdung tatsächlich ausgeschlossen ist. Hier hatte jedenfalls im Voranmeldungszeitraum keine beiderseitige Berichtigung nach § 17 Abs.1 UStG stattgefunden. Selbst wenn die Finanzbehörde später einen Teil des Steueranspruches nach § 227 AO erlassen würde, lieûe dies den bereits vor dem getroffenen Billigkeitserlaû erfüllten Tatbestand der vollendeten Steuerhinterziehung unberührt. Dies hätte allenfalls als strafmildernder Umstand für die Rechtsfolgenbemessung Auswirkungen. Ein Einfluû auf den Schuldspruch läût sich mithin schon aus diesen Gründen ausschlieûen.
(2) Eine derartige Verrechnung, wie sie der Angeklagte mit seiner Revision geltend macht, unterfiele zudem dem Kompensationsverbot gemäû § 370 Abs. 4 Satz 3 AO. Der Abzug von Vorsteuern und die Bezahlung von Umsatzsteuern nach § 14 Abs. 3 UStG stehen nämlich in keinem so engen wirtschaftlichen Zusammenhang, als daû beide Gesichtspunkte nur einheitlich beurteilt werden könnten (BGH wistra 1984, 183; 1982, 199; Kohlmann AO 7. Aufl. § 370 Rdn. 160.2; Gast-de Haan in Klein AO 7. Aufl. § 370 Rdn. 74). Die jeweiligen umsatzsteuerrechtlich relevanten Tatbestände, nämlich der Vorsteuerabzug und die Rechnungsbesteuerung nach § 14 Abs. 3 UStG beruhen auf unterschiedlichen Sachverhalten. Dies ergibt sich hier schon daraus, daû die Firma L einmal Rechnungsaussteller und zum anderen Rechnungsempfänger war. Beide steuerlichen Tatbestände stehen nicht in einem untrennbaren Zusammenhang, auch wenn sie jeweils als Einzelrechnungsposten in die monatlichen Voranmeldungen eingehen (vgl. BGH wistra 1991, 107; kritisch hierzu Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 5. Aufl. § 370 Rdn. 71). Sowohl der Vorsteuerabzug als auch die Besteuerung nach § 14 Abs. 3 UStG haben jeweils unterschiedliche tatsächliche Grundlagen. Schon allein deshalb ist auch die Ermäûigung einer auf § 14 Abs. 3 UStG beruhenden Steuerlast aufgrund einer späteren Berichtigung ein anderer Grund im Sinne des § 370 Abs. 4 Satz 3 AO.
cc) Das Landgericht hat zutreffend den Angeklagten jeweils wegen vollendeter Steuerhinterziehung verurteilt. Entgegen der Auffassung der Re-
vision ergibt sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-454/98 ± Schmeink & Cofreth und Manfred Strobel ± nicht, es könne insoweit nur der Tatbestand einer versuchten Steuerhinterziehung erfüllt sein. Die eher beiläufige Anmerkung des Gerichtshofs in Rdn. 62, die über die Vorlegungsfragen hinausgeht und Bezug nimmt auf Ausführungen der Kommission, die Mitgliedstaaten seien nicht gehindert, die Ausstellung fingierter Rechnungen mit Mehrwertsteuerausweis als versuchte Steuerhinterziehung mit den im nationalen Recht vorgesehenen Sanktionen wie Geldstrafe oder Geldbuûe zu belegen, verweist lediglich allgemein auf die den Mitgliedstaaten obliegende strafrechtliche Verfolgung derartiger Manipulationen und erwähnt beispielhaft unterschiedliche Sanktionsmöglichkeiten. Ob die Verwendung fingierter Belege als buûgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit (§ 379 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder als Straftat zu ahnden ist, richtet sich allein nach nationalem Recht.
Für die Strafvorschrift des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist die relevante Tathandlung die Abgabe einer entsprechenden Steuererklärung gegenüber den Finanzbehörden, in der die unrichtige Rechnung Verwendung findet oder auf sie Bezug genommen wird. Für die Abgrenzung von Versuch und Vollendung ist nach deutschem Recht maûgebend, ob durch die unrichtige Erklärung Steuern verkürzt werden, mithin also ein Steuerschaden wenigstens auf Zeit entstanden ist (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO). Die Voraussetzung tritt regelmäûig dann ein, wenn aufgrund der falschen Angaben eine zu niedrige Steuer festgesetzt wurde. Ob im Einzelfall eine Berichtigung nach § 17 Abs. 1 UStG vor der Steuerfestsetzung als Rücktritt zu werten sein mag oder jedenfalls im Falle fehlender Freiwilligkeit im Sinne des § 24 StGB nur zu einer Versuchsstrafbarkeit führt, braucht der Senat hier ebensowenig zu prüfen wie die Frage , ob eine Berichtigung nach der Steuerfestsetzung zu einem persönlichen Strafaufhebungsgrund nach § 371 AO führen kann. Im vorliegenden Fall war der Steuerschaden schon in dem ungerechtfertigten Vorsteuerabzug begründet. Die Rechnungen, die den Vorsteuerabzügen zugrunde lagen, hat der Angeklagte jedenfalls bis zur Abgabe der Erklärungen, nicht berichtigt.
Da seine Steueranmeldungen mit einer Zahllast endeten, standen sie nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Damit lag eine zu geringe Steuerfestsetzung vor, die zugleich den Eintritt der Vollendung bewirkte (BGHR AO § 370 Abs. 1 Vollendung 2). Soweit der Angeklagte eigene (möglicherweise berichtigungsfähige) Steuerverbindlichkeiten nach § 14 Abs. 3 UStG gegenrechnen und so einen Steuerschaden beseitigen will, steht dem ± wie dargestellt ± das Kompensationsverbot entgegen; im übrigen hat er auch diese Rechnungen nicht innerhalb des Veranlagungszeitraumes und auch nicht vor Einleitung eines Steuerstrafverfahrens berichtigt.
2. Die Strafzumessung begegnet dagegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie enthält Rechtsfehler zum Vor- und Nachteil des Angeklagten.

a) Zum Nachteil des Angeklagten hat das Landgericht einer für die Firma L gegebenenfalls bestehenden Berichtigungsmöglichkeit nicht das erforderliche Gewicht beigemessen. Soweit nämlich eine solche besteht, wäre der vom Landgericht festgestellte Schaden in der Höhe dieser Berichtigung nur ein solcher auf Zeit. Für die Bestimmung des Schuldumfangs ist dieser Umstand von erheblicher Bedeutung; denn bei einer Verkürzung auf Zeit ist der Verkürzungserfolg allein im Zinsschaden zu sehen (BGH wistra 1997, 186; vgl. auch Kohlmann aaO § 370 Rdn. 156). Insoweit steht einer möglichen Berichtigung auch nicht das Kompensationsverbot gemäû § 370 Abs. 4 Satz 3 AO entgegen, weil es sich hierbei um die nach § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB im Rahmen der Strafzumessung zu beachtenden verschuldeten Auswirkungen der Tat handelt (BGH NJW 2002, 1963, 1965 f.; vgl. Kohlmann aaO Rdn. 166; Gast-de Haan aaO Rdn. 75 jeweils m. w. N.). Auch soweit eine Berichtigung noch nicht erfolgt ist, hat schon die bloûe Möglichkeit hierzu als strafmildernder Gesichtspunkt Einfluû auf die Strafzumessung. Nur wenn nämlich ein umsatzsteuerlich neutraler und ausgeglichener Saldo besteht , ist überhaupt eine Berichtigungsmöglichkeit eröffnet.
Dies erfordert allerdings keine detailgenaue Ermittlung der etwaigen Gröûenordnung von Berichtigungsmöglichkeiten. Der neue Tatrichter wird aber festzustellen haben, hinsichtlich welcher Rechnungen überhaupt eine im Sinne des Umsatzsteuerrechts relevante Gefährdungslage bestand. Dies ist nach den vorgenannten Entscheidungen des Bundesfinanzhofes (UR 2001, 255 und 312), die im Anschluû des Urteils des EuGH im Vorlageverfahren ergangen sind, bei den Sachverhaltskonstellationen nicht der Fall, in denen überhaupt keine Vorsteuer geltend gemacht wurde und die Rechnung zurückgegeben oder storniert ist. Ob aus den Rechnungen, die vom Angeklagten für die Firma L ausgestellt worden waren, Vorsteuern gezogen wurden, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Selbst wenn aber ein Vorsteuerabzug geltend gemacht worden wäre, wäre die Neutralität der Umsatzsteuer wiederum gewahrt, soweit der Rechnungssteller in entsprechendem Umfang Umsatzsteuer abgeführt hat. Dies verlangt deshalb eine Prüfung in zweifacher Hinsicht. Hat der Empfänger von Scheinrechnungen des Angeklagten Vorsteuern geltend gemacht, wären diese durch eigene Steuerzahlungen nach § 14 Abs. 3 UStG durch die Firma des Angeklagten auszugleichen. Soweit der Angeklagte selbst aus an ihn gerichteten Scheinrechnungen für seine Firma Vorsteuern gezogen hat, kommt es darauf an, ob der Aussteller seinerseits Umsatzsteuer gezahlt hat. Für den Angeklagten könnte es sich schlieûlich jedenfalls schuldmindernd auswirken, wenn er für seine Firma Umsatzsteuer an den Rechnungssteller geleistet hätte, die jedoch von diesem nicht an das Finanzamt abgeführt wurde. Daû eine der vorstehend aufgeführten Fallgruppen gegeben sein könnte, liegt im vorliegenden Fall schon deshalb nahe, weil nach den Feststellungen des Landgerichts der Angeklagte für die Firma L 67.000 DM mehr an Umsatzsteuern abgeführt hatte, als er dies bei korrektem Verhalten hätte tun müssen.

b) Das landgerichtliche Urteil enthält aber auch einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten. Dies führt zum Erfolg der Revision der Staatsanwaltschaft.
aa) Allerdings kann den Erwägungen der Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung nicht gefolgt werden. Sie vertritt die Auffassung, eine Berichtigung von Scheinrechnungen könne nur der Aussteller dieser Rechnungen erreichen. Die Staatsanwaltschaft meint dabei offenbar, daû der Angeklagte die eingetretene Steuergefährdung aus eigener Kraft gar nicht hätte beseitigen können. Wie bereits vorstehend ausgeführt, kann aber auch bei gezogenen Vorsteuern eine Gefährdung dann ausgeschlossen sein, wenn die Umsatzsteuer abgeführt wurde. Auch bei dieser Sachverhaltskonstellation besteht dann eine Berichtigungsmöglichkeit, wenn die unberechtigt gezogene Vorsteuer zurückgezahlt wird. Nach Rückzahlung der Vorsteuer ist dann auch die Rückführung der nach § 14 Abs. 3 UStG geschuldeten Umsatzsteuer möglich, wodurch wiederum ein ausgeglichener neutraler umsatzsteuerlicher Saldo hergestellt wird (BFH UR 2001, 312, 314). Gleichfalls kann der Staatsanwaltschaft nicht zugestimmt werden, wenn sie meint, eine Berichtigung könne dem Angeklagten nicht strafmildernd zugerechnet werden, weil er erst aktiv wurde, als das Steuerstrafverfahren bereits eingeleitet war. Es kommt nämlich nicht auf die Berichtigung an, sondern auf die Steuergefährdung , deren Beseitigung letztlich die Berichtigungsmöglichkeit auslöst. Wenn der Angeklagte aber aus den von ihm gestellten Rechnungen die ausgewiesene Umsatzsteuer angemeldet und diese auch abgeführt haben sollte bzw. einzelne Rechnungsempfänger möglicherweise keine Vorsteuer gezogen haben, dann sind dies Umstände, die eine Steuergefährdung ausschlieûen oder zumindest mindern und die zudem vor der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens entstanden sind.
bb) Ein Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten ergibt sich aber aus einem anderen Grund. Das Landgericht hat nämlich den Umstand nicht berücksichtigt , daû es sich im vorliegenden Fall um ein aus mehreren Beteiligten bestehendes Umsatzsteuerkarussell gehandelt hat. Dies hat Auswirkung auf die Bestimmung des Schuldumfanges.
(1) Solche Karussellgeschäfte sind dadurch geprägt, daû eine Mehrzahl von Personen jeweils gegenüber dem nächsten Glied in der Kette Scheinrechnungen ausstellt. Bei den sogenannten Umsatzsteuerkarussellen wird dieses System ± in der Regel grenzübergreifend ± betrieben, weil über Vorsteuererstattungen Steuergelder betrügerisch erlangt werden sollen (vgl. hierzu Kühn/Winter, UR 2001, 478 ff.; Merk, UR 2001, 97 ff.). Bei entsprechenden Karussellen ist in der Regel als immer gleichartige Vorgehensweise kennzeichnend, daû in die Kette einzelne oder mehrere Glieder (meist vermögenslose natürliche oder juristische Personen) eingebaut sind, die entweder keine Umsatzsteuer anmelden oder geschuldete Umsatzsteuer nicht abführen. Damit werden in diesem System zwar sämtliche Vorsteuern aus den Scheinrechnungen gezogen, aber nicht sämtliche Umsatzsteuerschulden aus den Scheinrechnungen bezahlt. Der Gewinn entsteht aus der Differenz von voll gezogenen Vorsteuern, aber nicht vollständig abgeführten Umsatzsteuern.
Innerhalb eines solchen Karussellsystems tritt typischerweise die Situation ein, daû aus Sicht eines einzelnen Glieds der Kette die umsatzsteuerlichen Auswirkungen neutral sein können. Werden nämlich von einzelnen Personen in der Kette sämtliche Umsatzsteuern bezahlt und stehen den von dieser Person gezogenen Vorsteuern wieder vom Scheinrechnungsaussteller gezahlte Umsatzsteuern gegenüber, dann wäre aus dem Blickwinkel dieser Person die umsatzsteuerliche Bilanz an sich ausgeglichen. Dies würde zwar bei einer strafrechtlichen Bewertung nicht ± wie oben ausgeführt ± den Schuldspruch berühren, hätte aber naturgemäû auf die Bestimmung des Schuldumfanges erhebliche Auswirkungen. Bei materieller ± die jeweiligen Berichtigungsmöglichkeiten einschlieûenden ± Betrachtung könnte sich dann im Hinblick auf diese Person ein gegen Null konvergierender Steuerschaden ergeben.
(2) Eine solche auf das einzelne Scheinrechnungsverhältnis beschränkte Betrachtung würde ± wie der Senat schon in seiner Entscheidung vom 20. März 2002 (NJW 2002, 1963, 1966) angedeutet hat ± dem Gesamtunrechtsgehalt nicht gerecht. Dieser wird nämlich nicht durch das einzelne Rechnungsverhältnis geprägt, sondern durch das Karussellsystem als Ganzes, mit dem auf kriminelle Art und Weise Vorsteuerüberschüsse erzielt werden sollen. Jedenfalls soweit den einzelnen Beteiligten die Struktur und die Funktionsweise des Karussells bekannt sind, muû dies auch bei der Feststellung der für die Strafzumessung bestimmenden verschuldeten Auswirkungen der Tat (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB) Gewicht erlangen. Maûgeblich ist deshalb der aus dem Gesamtsystem erwachsene deliktische Schaden, der in dem Überschuû von gezogener Vorsteuer im Vergleich zu gezahlter Umsatzsteuer besteht. Eine solche Zurechnung ist jedenfalls bei den Personen geboten, die sich bewuût in entsprechende Systeme einbinden lassen. Sie spielen nämlich, insbesondere wenn sie über einen eingeführten Betrieb verfügen, als vertrauenswürdige Deckadressen eine nicht zu unterschätzende Rolle für das Gelingen des kriminellen Gesamtunternehmens. Sind diese Betriebe der Finanzverwaltung als zuverlässig bekannt, wird sie auf die kurzfristige Anberaumung von Umsatzsteuerauûenprüfungen eher verzichten. Diese Einbeziehung in das Gesamtsystem rechtfertigt es dann auch, den steuerlichen Gesamtschaden, der durch dieses System erzeugt wurde, strafschärfend zu berücksichtigen.
Der neue Tatrichter wird demnach auch zu prüfen haben, inwieweit der Angeklagte in das Gesamtkarussellgeschäft eingeweiht war und gegebenenfalls in welcher Höhe ein deliktischer Steuerschaden entstanden ist.
Harms Häger Gerhardt Raum Brause

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 342/08
vom
30. April 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________________
1. In Fällen fingierter Ketten- oder Karussellgeschäfte, die auf Hinterziehung von
Steuern angelegt sind, ist bei der Strafzumessung der aus dem Gesamtsystem
erwachsene deliktische Schaden als verschuldete Auswirkung der Tat zu
Grunde zu legen, soweit den einzelnen Beteiligten die Struktur und die Funktionsweise
des Gesamtsystems bekannt sind (im Anschluss an BGHSt 47,
343).
2. Werden durch ein komplexes und aufwändiges Täuschungssystem, das die
systematische Verschleierung von Sachverhalten über einen längeren Zeitraum
bezweckt, in beträchtlichem Umfang Steuern verkürzt, kann sich die
Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung als
notwendig erweisen.
BGH, Urt. vom 30. April 2009 - 1 StR 342/08 - LG Gießen
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
30. April 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 23. November 2007 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in zwei Fällen wegen Untreue verurteilt wurde; das Verfahren wird insoweit eingestellt;
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil in den Fällen, in denen der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, im Ausspruch über die jeweilige Einzelstrafe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zehn Fällen sowie wegen Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, führt lediglich zur Aufhebung des Urteils und Einstellung des Verfahrens, soweit der Angeklagte wegen Untreue in zwei Fällen verurteilt wurde. Der Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafen führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, gegen den Rechtsfolgenausspruch; das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte seit 1985 Geschäftsführer der J. (nachfolgend J. GmbH). Deren Geschäftsgegenstand war der An- und Verkauf von Nutzfahrzeugen, insbesondere von Betonmischern.
4
1. Die Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in zehn Fällen beruht auf folgenden Feststellungen:
5
In einer Vielzahl von Fällen verlangten die Halter der Gebrauchtfahrzeuge , die die J. GmbH ankaufen wollte, dass nicht der vollständige Kaufpreis in der Rechnung ausgewiesen wurde. Sie wollten auf diese Weise die Zahlung der auf den nicht in die Rechnung aufgenommenen Teil des Kaufpreises entfallenden Steuer vermeiden. Um diesem Ansinnen der Halter der Fahrzeuge zu entsprechen, wurde unter Anleitung des Angeklagten J. und unter Mitwirkung früherer Mitangeklagter ein System von Scheinfirmen sowie Scheingeschäften entwickelt und in der Folge auch umgesetzt. Dieses ermöglichte einerseits den Haltern, geringere Kaufpreise als die tatsächlich gezahlten zu fakturieren. Auf der anderen Seite konnte die J. GmbH durch das nachstehend näher dargelegte System Rechnungen erlangen, die ihr ermöglichten, Vorsteuer aus Beträgen geltend zu machen, die noch über dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis lagen.
6
Im Einzelnen ging der Angeklagte gemeinsam mit den Mitangeklagten wie folgt vor:
7
Der ursprüngliche Halter des jeweiligen Gebrauchtfahrzeugs, der dieses verkaufen wollte, erstellte für Firmen, die zum Schein als unmittelbarer Käufer des Gebrauchtfahrzeugs auftraten (Erstankäufer), eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis über einen Teil des tatsächlichen Kaufpreises. Der verbleibende Rest des Kaufpreises wurde bar gezahlt, ohne dass dieser Teilbetrag versteuert wurde.
8
Der Erstankäufer stellte einem Zwischenhändler eine Scheinrechnung mit Umsatzsteuerausweis aus, wobei der dort angeführte Nettobetrag über dem Kaufpreis lag, der tatsächlich - als Rechnungsbetrag zuzüglich Schwarzgeldbetrag - an den letzten Halter des Fahrzeuges gezahlt worden war. Der Zwischenhändler erstellte seinerseits für die J. GmbH eine Rechnung, in der er einen nochmals höheren Nettopreis sowie die darauf anfallende Umsatzsteuer auswies. Die J. GmbH veräußerte die Fahrzeuge sodann, nachdem sie teilweise durch das Unternehmen instand gesetzt worden waren, im Inland oder - weit überwiegend - in das Ausland. Die Lieferungen ins Ausland waren umsatzsteuerfrei.
9
Einzelne Geschäfte wichen insoweit von dem dargestellten Grundmuster ab, als der ursprüngliche Halter des Fahrzeuges eine Rechnung an ein in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ansässiges Scheinunternehmen ausstellte, in der entsprechend § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG keine Umsatzsteuer ausgewiesen wurde. Parallel dazu wurde eine Lieferkette in Deutschland fingiert, nach der das identische Fahrzeug von einer Scheinfirma an einen Zwischenhändler und von diesem an die J. GmbH verkauft wurde. In anderen Fällen trat ein ansonsten als Zwischenhändler fungierendes Unternehmen unmittelbar als Käufer gegenüber dem ursprünglichen Halter der Fahrzeuge auf. In weiteren Fällen wurden die Teile des Kaufpreises, die von dem ursprünglichen Halter nicht versteuert wurden, durch Scheinrechnungen über den - tatsächlich nicht erfolgten - Verkauf von Ersatzteilen verschleiert.
10
Allen Geschäften war gemeinsam, dass tatsächlich der ursprüngliche Halter des jeweiligen Gebrauchtfahrzeugs mit Geldern bezahlt wurde, die die J. GmbH dem Zwischenhändler zur Verfügung gestellt hatte, der diese an die Verkäufer weiterleitete. Die Fahrzeuge wurden jeweils direkt an die J. GmbH geliefert. Die Entscheidung über den Ankauf eines Fahrzeuges und den zu zahlenden Preis traf in allen Fällen jeweils der Angeklagte J. , der für die J. GmbH handelte.
11
Die J. GmbH versteuerte die aus ihren Lieferungen resultierenden Umsätze im Inland. Umsätze aus Auslandslieferungen und innergemeinschaftlichen Lieferungen wurden als solche deklariert. Die sich aus den Rechnungen der Zwischenhändler ergebende Vorsteuer wurde nach § 15 UStG abgezogen. Auch die als Zwischenhändler auftretenden Unternehmen erklärten die Umsätze, die in ihren Rechnungen an die J. GmbH ausgewiesen wurden, und führten die ausgewiesene Umsatzsteuer ab. Von der daraus resultierenden Zahllast wurde die Vorsteuer abgezogen, die sich aus den Rechnungen ergab, die den Zwischenhändlern von den als Erstankäufer auftretenden Scheinfirmen ausgestellt worden waren. Demgegenüber erklärten die Erstankäufer die in den Rechnungen an die Zwischenhändler ausgewiesenen Umsätze nicht und führten die dort ausgewiesene Umsatzsteuer, die sich auf knapp 570.000,-- Euro belief, auch nicht ab.
12
Der Angeklagte J. machte in den Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 1997 bis 2001 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate März, April, Juni, Juli und Oktober 2002 für die J. GmbH die Vorsteuer aus den Rechnungen der Zwischenhändler geltend. Diese belief sich auf etwas mehr als 665.000,-- Euro.
13
Nach Auffassung des Landgerichts wurde insoweit durch die Abgabe falscher Umsatzsteuererklärungen Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von 433.900,-- Euro hinterzogen, die bei der Strafzumessung zu Grunde zu legen sei. Bei diesem Betrag handelt es sich um die jeweilige Umsatzsteuer, die auf den Anteil des Kaufpreises entfiel, der unversteuert an den ursprünglichen Halter des jeweiligen Fahrzeugs gezahlt wurde. Diesen berechnete die Strafkammer , indem sie den Nettobetrag der Ausgangsrechnung des ursprünglichen Halters an die Erstankäufer von dem Nettobetrag der Rechnung, die dieser den Zwischenhändlern ausstellte, subtrahierte. Demgegenüber sah die Strafkammer die Umsatzsteuer, die in den Rechnungen der Erstankäufer an die Zwischenhändler und in den Rechnungen der Zwischenhändler an die J. GmbH ausgewiesen wurde, nicht als strafzumessungsrelevanten Hinterziehungsschaden an. Bei einer Verurteilung wegen Vergehen nach § 370 AO sei im Rahmen der Strafzumessung „nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur auf die Verkürzung solcher Steuersummen abzustellen, die bei ordnungsgemäßem Verhalten von vornherein an den Fiskus abzuführen gewesen wären“.
14
2. Daneben verurteilte das Landgericht den Angeklagten wegen Untreue in zwei Fällen zum Nachteil der J. GmbH. Nach den diesbezüglichen Feststellungen entnahm der Angeklagte in den Jahren 2000 und 2001 unter Verletzung der ihn treffenden Pflichten als Geschäftsführer aus dem Vermögen der Gesellschaft ohne rechtfertigenden Grund insgesamt knapp 175.000,-- Euro , um das Geld für eigene Zwecke zu verwenden. Diese Entnahmen verschleierte er durch Scheinrechungen, die er in die Buchhaltung der J. GmbH einstellte. Die in den Scheinrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer machte der Angeklagte in den Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2000 bzw. 2001 als Vorsteuer geltend. Alleinige Gesellschafterin zur Tatzeit war die Ehefrau des Angeklagten.

II.

15
Die Revision des Angeklagten führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Teilaufhebung und -einstellung und zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
16
1. Soweit der Angeklagte wegen Untreue zum Nachteil der J. GmbH verurteilt wurde, ist die Verurteilung aufzuheben und das Verfahren gemäß § 260 Abs. 3 StPO einzustellen. Es besteht ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis, da der nach § 266 Abs. 2 StGB i.V.m. § 247 StGB für die Strafverfolgung erforderliche Strafantrag der Verletzten fehlt.
17
a) Nach den Feststellungen war allein die Ehefrau des Angeklagten Gesellschafterin der J. GmbH. Als Verletzte der Untreuetaten zum Nachteil der J. GmbH ist daher allein die Ehefrau des Angeklagten anzusehen (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 86). Dass sie den erforderlichen Strafantrag ge- stellt hat, ist weder festgestellt, noch anderweitig ersichtlich. Auch für eine Ausnahme von dem Strafantragserfordernis, die dann in Betracht kommt, wenn durch die Untreuehandlung eine konkrete Existenzgefährdung der Gesellschaft verursacht worden ist (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 79, 80), ergeben sich keine Anhaltspunkte.
18
b) Der Senat schließt aus, dass noch ein wirksamer Strafantrag gestellt werden könnte. Dies gilt um so mehr, als die Antragsfrist nach § 77b Abs. 1 StGB, deren Lauf mit Kenntniserlangung der Antragsberechtigten von Tat und Täter beginnt (§ 77b Abs. 2 StGB), mit hoher Wahrscheinlichkeit verstrichen ist. Diesbezügliche, sich angesichts der konkreten Situation aufdrängende Zweifel würden zu Gunsten des Angeklagten wirken (vgl. BGHSt 22, 90, 93).
19
c) Der Wegfall der Verurteilung wegen Untreue führt vorliegend nicht zur Aufhebung der diesbezüglichen Feststellungen (vgl. Schoreit in KK StPO 6. Aufl. § 260 Rdn. 46), da die zu den Untreuetaten getroffenen Feststellungen auch für die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung hinsichtlich der Abgabe unrichtiger Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2000 und 2001 von Bedeutung sind.
20
2. Wegen des Wegfalls der wegen Untreue verhängten Einzelstrafen kann der Gesamtstrafenausspruch keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
21
3. Im Übrigen bleiben die Verfahrensrügen und die Sachrüge aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen, die auch durch die Gegenerklärung des Angeklagten nicht entkräftet werden, ohne Erfolg.
22
Ergänzend dazu bemerkt der Senat lediglich Folgendes:
23
a) Soweit der Angeklagte rügt, dass die Berufsrichter und die Schöffen vom Wortlaut der im Selbstleseverfahren eingeführten Urkunden keine Kenntnis erlangt haben, deckt er keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Das Urteil könnte auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler auch nicht beruhen. Denn der Angeklagte hat die einzelnen Lieferungen, deren Daten durch die verlesenen Urkunden eingeführt wurden, nicht bestritten (UA S. 110). Ist aber der Inhalt eines ansonsten zuverlässigen Schriftstücks in der Hauptverhandlung nicht bestritten worden, kann das Urteil im Allgemeinen nicht darauf beruhen, dass das Schriftstück nicht verlesen wurde (vgl. Senat StV 2007 - 569, 570 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend etwas anderes gelten könnte, sind nicht gegeben.
24
b) Auch im Hinblick auf die Rüge, ein Beweisantrag, der am 19. Juni 2007 gestellt wurde, sei rechtsfehlerhaft abgelehnt worden, kann jedenfalls ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf dem behaupteten Rechtsfehler beruhen könnte.
25
Zutreffend weist die Revision zwar darauf hin, dass die Strafkammer in dem Ablehnungsbeschluss lediglich die zur Begründung des Beweisantrags angeführte Schlussfolgerung des Antragstellers als bereits erwiesen erachtete, nicht aber die eigentliche Beweisbehauptung. In der Sache erweisen sich aber die unter Beweis gestellten Tatsachen aus Sicht des Landgerichts als in tatsächlicher Hinsicht bedeutungslos. Denn im Hinblick auf das Beweisziel kam den Beweistatsachen keine Bedeutung zu. Die Strafkammer erachtete die Tatsachen , auf die nach Feststellung der unter Beweis gestellten (Indiz-)Tatsachen geschlossen werden sollte, bereits anderweitig als erwiesen an. Dies war angesichts der Begründung des Beschlusses für den Angeklagten und seine Verteidiger auch erkennbar. Ein Beruhen des Urteils auf der fehlerhaften Ablehnung kann deshalb ausgeschlossen werden.
26
c) Der Sachrüge ist der Erfolg auch unabhängig davon zu versagen, ob es sich bei den Zwischenhändlern um Unternehmer handelte und ob diese tatsächlich eine Lieferung an die J. GmbH i.S.v. § 3 UStG erbrachten. Denn nach den Feststellungen wusste der Angeklagte J. um seine Einbindung in eine auf Hinterziehung von Umsatzsteuer ausgerichtete Lieferkette. Nach der Rechtsprechung des Senats zu missbräuchlichen Umsatzgeschäften bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Sinne von § 6a UStG sind aber auf Grund des im Gemeinschaftsrecht verankerten Verbots missbräuchlicher Praktiken für alle Beteiligten eines oder mehrerer Umsatzgeschäfte, die auf die Hinterziehung von Steuern gerichtet sind, die Steuervorteile, die für die einzelnen Geschäfte grundsätzlich vorgesehen sind, zu versagen (BGH DStR 2009, 577 ff.). Dies gilt auch für rein inländische Umsatzgeschäfte (vgl. auch EuGH, Urt. vom 6. Juli 2006 - Rechtssache C-439/05 - Kittel Rdn. 56 f.).

III.

27
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
28
1. Sie beantragt zwar, „das Urteil im angefochtenen Umfang aufzuheben“. Aus dem Inhalt der Revisionsbegründung lässt sich indes entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin allein gegen den Gesamtstrafenausspruch, die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung und die Einzelstrafen, die für die zehn Fälle der Steuerhinterziehung verhängt wurden, wendet.
29
2. Die Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam. Eine isolierte Überprüfung der Strafzumessung ist möglich, ohne dass die den Schuldspruch tragenden Feststellungen hiervon berührt würden (vgl. BGH NJW 1996, 2663, 2664 m.w.N.). Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen bilden eine ausreichende Grundlage für die Nachprüfung der Strafzumessung (BGHSt 33, 59); sowohl das steuerrechtlich erhebliche Verhalten des Angeklagten als auch die Höhe der verkürzten Steuern hat das Landgericht dargelegt.
30
3. Einer Aufhebung und Einstellung des Verfahrens, soweit der Angeklagte in zwei Fällen wegen Untreue verurteilt wurde, auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft bedarf es nicht, da - unabhängig davon, dass dieses Rechtsmittel auch zu Gunsten des Angeklagten wirkt (§ 301 StPO) - das Urteil insoweit bereits auf die Revision des Angeklagten aufzuheben und das Verfahren einzustellen war (vgl. auch Senat, Urt. vom 11. März 2003 - 1 StR 507/02 m.w.N.).
31
4. Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin, dass das Landgericht der Strafzumessung einen zu geringen Schuldumfang zu Grunde gelegt hat.
32
a) Bei der Zumessung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung hat das in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB genannte Kriterium der „verschuldeten Auswirkungen der Tat“ im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung besonderes Gewicht. „Auswirkungen der Tat“ sind insbesondere die Folgen für das durch die Strafnorm geschützte Rechtsgut. Das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens jeder einzelnen Steuerart. Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand i.S.d. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BGH NJW 2009, 528, 531 m.w.N.).
33
Vorliegend wurde zur Ermöglichung der Hinterziehung der Steuern, die der ursprüngliche Halter der Gebrauchtfahrzeuge hätte entrichten müssen, eine Kette von Scheingeschäften gebildet, durch die weitere Steuern hinterzogen wurden. Die Sachverhaltsvarianten, die das Landgericht festgestellt hat, sind betrügerischen Karussellgeschäften vergleichbar, die auf die Erschleichung von ungerechtfertigten Steuervorteilen gerichtet sind. Hier wie dort gilt aber hinsichtlich der verschuldeten Auswirkungen der Tat folgendes:
34
Aufgrund der Ausgestaltung des Gesamtsystems besteht in Fällen solcher fingierter Ketten- oder Karussellgeschäfte typischerweise die Situation, dass für einzelne Glieder der Kette die umsatzsteuerlichen Auswirkungen neutral erscheinen können. Werden nämlich von einzelnen Kettengliedern sämtliche Umsatzsteuern bezahlt und stehen den von diesem Kettenglied gezogenen Vorsteuern vom Scheinrechnungsaussteller gezahlte Umsatzsteuern gegenüber , dann scheint die umsatzsteuerliche Bilanz an sich ausgeglichen. Nach den Feststellungen bestand eine ebensolche Situation bei der J. GmbH. Diese machte zwar zu Unrecht die in den Rechnungen der Zwischenhändler ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Die Zwischenhändler führten aber die Umsatzsteuer, die in den Rechnungen ausgewiesen waren, die der J. GmbH ausgestellt wurden, an das jeweils zuständige Finanzamt ab.
35
Dieser Umstand berührt aber den Schuldspruch nicht. Denn ein Vorsteuerabzug scheidet aus, da den Rechnungen der Zwischenhändler keine tatsächlich durchgeführten Lieferungen zu Grunde lagen. Nur wenn solche tatsächlich gegeben gewesen wären, wäre der Rechnungsadressat zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen (BGH NJW 2002, 1963, 1965).
36
Der Umstand, dass die umsatzsteuerliche Bilanz der J. GmbH auf Grund der Entrichtung der Umsatzsteuer durch die Zwischenhändler als neutral erscheint, hätte aber Auswirkungen auf die Bestimmung des Schuldumfangs.
37
b) Eine solche auf das einzelne Scheinrechnungsverhältnis beschränkte Betrachtung würde dem Gesamtunrechtsgehalt des Hinterziehungssystems aber nicht gerecht. Dieser wird nämlich nicht durch das einzelne Rechnungsverhältnis geprägt, sondern durch das System als Ganzes. Es ist anerkannt, dass jedenfalls, soweit - wie hier - den einzelnen Beteiligten die Struktur und die Funktionsweise des Gesamtsystems bekannt sind, dies auch bei der Feststellung der für die Strafzumessung bestimmenden verschuldeten Auswirkungen der Tat Gewicht erlangen kann. Maßgeblich ist deshalb der vom Vorsatz umfasste , aus dem Gesamtsystem erwachsene deliktische Schaden, der in dem Überschuss von gezogener Vorsteuer im Vergleich zu gezahlter Umsatzsteuer besteht (BGH NJW 2002, 3036, 3039).
38
Es ist daher rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht allein die Umsatzsteuer , die durch die ursprünglichen Halter hinterzogen wurde, der Strafzumessung zu Grunde gelegt hat. Denn hierdurch wird der aus dem Gesamthinterziehungssystem erwachsene Schaden nicht vollständig erfasst.

39
aa) Die Feststellungen der Strafkammer sind bereits deshalb bedenklich, weil sie nicht zweifelsfrei feststellen konnte, welche Höhe der nicht versteuerte Kaufpreis hatte, der an die ursprünglichen Halter gezahlt wurde (UA S. 110, 112, 116). Die Strafkammer stellt allein fest, dass der Nettobetrag, der in den Rechnungen der Erstankäufer aufgeführt wurde, über dem Kaufpreis lag, der tatsächlich an den letzten Halter des Fahrzeuges gezahlt worden war (UA S. 16, 110). Im Ergebnis beschwert dies den Angeklagten aber nicht, da aufgrund der Feststellungen zu seinen Lasten anderweitig hinterzogene Steuern in den Blick zu nehmen sind, die der Höhe nach zweifelsfrei feststehen und den Betrag, den die Strafkammer der Strafzumessung zu Grunde gelegt hat, übersteigen.
40
bb) Denn jedenfalls die von den als formelle Erstankäufer eingesetzten Scheinfirmen in den Rechnungen an die Zwischenhändler ausgewiesene Umsatzsteuer , die sich nach den Feststellungen auf circa 570.000,-- Euro belief, wurde hinterzogen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
41
(1) Die als Erstankäufer eingesetzten Scheinfirmen gaben keine Umsatzsteuervoranmeldungen oder -jahreserklärungen ab und führten die in den Scheinrechnungen an die Zwischenhändler ausgewiesene Umsatzsteuer entgegen § 14 Abs. 3 UStG aF (bzw. § 14c Abs. 2 UStG nF) auch nicht ab. Daher haben die Erstankäufer den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verwirklicht. Bei der Ausstellung einer Scheinrechnung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer ist eine Gefährdung des Steueraufkommens jedenfalls dann gegeben , wenn diese Rechnung zum Vorsteuerabzug benutzt werden kann und der Rechnungsaussteller die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt hat (BGH NStZ 2001, 380, 381).

42
(2) Die von den Scheinfirmen ausgestellten Rechnungen wurden zudem von den Zwischenhändlern dafür genutzt, unberechtigt Vorsteuern geltend zu machen. Die Steuergefährdung, der der Gesetzgeber mit Schaffung des § 14 Abs. 3 UStG aF (§ 14c UStG nF) entgegenwirken wollte (vgl. BGH NJW 2002, 3036, 3037), ist in einen Schaden umgeschlagen. Die Umsatzsteuer, die die Zwischenhändler aus den Rechnungen abzuführen hatten, die der J. GmbH ausgestellt worden waren, wurde hierbei verkürzt. Bezieht man auch die an anderer Stelle hinterzogene Umsatzsteuer in die gebotene Gesamtbetrachtung mit ein, erweist sich die umsatzsteuerrechtliche Bilanz der J. GmbH nicht mehr als neutral.
43
(3) Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung des Landgerichts, dass nach § 14 Abs. 3 UStG aF (resp. § 14c Abs. 2 UStG nF) geschuldete Steuern für die Strafzumessung irrelevant seien, da sie bei steuerehrlichem Verhalten nicht an den Fiskus abzuführen gewesen wären, rechtlich nicht zutreffend. Diese Sichtweise vernachlässigt, dass durch die Rechnungen, in denen Umsatzsteuer ausgewiesen wird, dem Rechnungsempfänger eine weitere Möglichkeit der Steuerhinterziehung eröffnet wird. Wenn sich die mit der Scheinrechnung verbundene Gefahr dann aber - wie hier - realisiert, hat diese verschuldete Auswirkung der Tat für die Strafzumessung Bedeutung. Es ist zu berücksichtigen , dass die Verkürzung, die aus den unrichtigen Erklärungen des Zwischenhändlers resultiert, den schon durch das Unterlassen der Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. -jahreserklärung durch den Erstankäufer verursachten Steuerschaden fortsetzt und allenfalls vergrößert. Damit ist das Steueraufkommen zwar nicht in der Summe der beiden Hinterziehungen, aber im Umfang des jeweils höheren Hinterziehungsbetrages gefährdet (BGH NStZ 2003, 268).
44
c) Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil auch zu Gunsten des Angeklagten. Angesichts der Tatsache, dass sowohl der Schaden der einzelnen Hinterziehungstaten als auch der Gesamtschaden weitaus höher ist, als von der Strafkammer angenommen, kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Zugrundelegung des zutreffenden Schadensumfangs sowohl auf höhere Einzel- als auch eine höhere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
45
Da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, können die vom Landgericht getroffenen Feststellungen aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter darf aber ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
46
5. Da bereits der aufgezeigte Rechtsfehler zur Aufhebung des Strafausspruchs führt, bedarf es keines Eingehens auf die weiteren Beanstandungen, die die Beschwerdeführerin gegen den Rechtsfolgenausspruch erhebt. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
47
a) Nach § 153a Abs. 2 oder § 154 Abs. 2 StPO eingestellte Taten bzw. Tatteile, von deren Ahndung nach § 154a StPO abgesehen wurde, dürfen lediglich dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn sie prozessordnungsgemäß festgestellt wurden und der Angeklagte darauf hingewiesen wurde (vgl. die Nachweise bei Fischer StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 46 f.).
48
b) Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben zu prüfen, ob die Taten einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung darstellen. Dies bestimmt sich vorliegend, soweit in diesem Zusammenhang auf die Höhe der hinterzogenen Steuern abgestellt wird, nach § 370 Abs. 3 AO aF. Insoweit müssten Steuern in „großem Ausmaß“ aus „groben Eigennutz“ hinterzogen worden sein.

49
c) Soweit die Höhe der Umsatzsteuer, die seitens der ursprünglichen Halter hinterzogen wurde, beziffert werden kann, ist dieser Hinterziehungsbetrag ebenfalls zu Ungunsten des Angeklagten als verschuldete Auswirkung der Tat mit in die Strafzumessung einzuziehen. Denn gerade auch, um dem ursprünglichen Halter diese eigenständige Hinterziehung zu ermöglichen, wurde das Gesamtsystem unter Mitwirkung des Angeklagten installiert. Der Umstand, dass insoweit für sich genommen eine eigenständige Beihilfe zur Steuerhinterziehung der ursprünglichen Halter gegeben ist, die als solche nicht angeklagt wurde, steht dem nicht entgegen (vgl. BGH NStZ 2003, 268). Wie dargelegt kann insoweit allerdings zur Ermittlung des Schwarzgeldanteils, auf dessen Grundlage die hinterzogene Umsatzsteuer zu berechnen wäre, nicht die Differenz zwischen dem Nettobetrag der Rechnungen, die die Erstankäufer den Zwischenhändlern ausstellten und dem Nettobetrag der Rechnungen der Halter an die Erstankäufer herangezogen werden. Soweit der Schwarzgeldanteil am Kaufpreis nicht anderweitig festgestellt werden kann, wäre insoweit der Schwarzgeldanteil für die einzelnen Geschäfte zu schätzen.
50
d) Für den Fall, dass die neu zu bemessende Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigen sollte, wäre auch § 56 Abs. 3 StGB in den Blick zu nehmen.
51
Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass bei Steuerhinterziehungen beträchtlichen Umfangs auch von Gewicht ist, die Rechtstreue der Bevölkerung, auch auf dem Gebiet des Steuerrechts zu erhalten. Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe kann sich daher zur Verteidigung der Rechtsordnung als notwendig erweisen, wenn die Tat Ausdruck einer verbreiteten Einstellung ist, die eine durch einen erheblichen Unrechtsgehalt ge- kennzeichnete Norm nicht ernst nimmt und von vornherein auf die Strafaussetzung vertraut (BGH NStZ 1985, 459; GA 1979, 59; Urt. vom 28. September 1983 - 3 StR 280/83). Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung ist insbesondere dann geboten, wenn eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalls für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte (vgl. BGHSt 24, 40, 46; BGHR StGB § 56 Abs. 3 - Verteidigung 15; BGH wistra 2000, 96, 97).
52
Besondere Umstände, die die Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe gebieten könnten, liegen nach den bisherigen Feststellungen hier vor. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass durch Umsatzsteuerhinterziehungen große Steuerausfälle verursacht werden (vgl. die Nachweise bei Muhler wistra 2009, 1). Zudem hat sich der Angeklagte an einem komplexen und aufwändigen Täuschungssystem beteiligt, das die systematische Verschleierung von Sachverhalten über einen längeren Zeitraum bezweckte (vgl. BGH NJW 2009, 533). Eine solche Vorgehensweise weist Merkmale einer organisierten Kriminalität (vgl. § 110a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StPO) auf. Andererseits liegen die Taten bereits einige Zeit zurück. Erforderlich ist eine dem Einzelfall gerecht werdende Abwägung, bei der Tat und Täter umfassend zu würdigen sind (BGHSt 24, 40, 46; BGHR StGB § 56 Abs. 3 - Verteidigung 5, 6 und 16; NStZ-RR 1998, 7, 8).
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

5 StR 212/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 11. Dezember 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Dezember 2002

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 26. November 2001 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf nur folgendes: Die Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung hält im Schuldspruch sachlichrechtlicher Nachprüfung stand, weil der Angeklagte nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des landgerichtlichen Urteils in ein Gesamtsystem in der Art eines Umsatzsteuerkarussells integriert war. Dies wirkt sich, wenn der Angeklagte – wie hier – von den in der Lieferkette nachfolgenden Geschäften Kenntnis hatte, in der strafrechtlichen Beurteilung nicht nur auf die von ihm selbst abgegebenen Steuererklärungen aus. Vielmehr förderte er mit seinem eigenen Beitrag innerhalb der Lieferkette auch jeweils eine Umsatzsteuerhinterziehung der anderen Mitglieder, die an den auf Hinterziehung der Umsatzsteuer gerichteten Geschäften beteiligt waren.
Bedenken begegnet indes die Bestimmung des Schuldumfangs. Bei solchen Umsatzsteuerkarussellen ist kennzeichnend, daß in die Kette einzelne Personen eingebaut sind, die entweder keine Umsatzsteuer anmelden oder die geschuldete Umsatzsteuer nicht abführen. Hierdurch entsteht dann letztlich der durch das Gesamtsystem bewirkte Steuerschaden. Der Bundesgerichtshof hat deshalb entschieden, daß im Rahmen der Strafzumessung maßgeblich auf den insgesamt durch das Karussell bewirkten deliktischen Steuerschaden abzustellen ist, weil dieser der Tat ihr eigentliches Gepräge gibt (BGH NJW 2002, 3036, 3039).
Diesen Anforderungen wird das landgerichtliche Urteil nicht in vollem Umfang gerecht. Soweit es bei dem Angeklagten hinsichtlich der täterschaftlich begangenen Hinterziehungshandlungen statt des Gesamtschadens nur den unmittelbar durch seine Erklärungen bewirkten Steuerschaden zur Last legt, beschwert dies den Angeklagten nicht. Anders stellt sich der Fall freilich hinsichtlich der Verurteilung wegen Beihilfe an der durch W und B - begangenen Steuerhinterziehung dar. Diese beiden Personen folgten dem Angeklagten in der Kette nach. Der von dem Angeklagten schon verursachte Steuerschaden setzte sich in ihrem Verhalten nur fort und vergrößerte sich allenfalls. Dies bedeutet aber gleichzeitig, daß das Steueraufkommen nicht in der Summe der beiden Hinterziehungshandlungen gefährdet ist, sondern lediglich im Umfang des jeweils höheren Hinterziehungsbetrages. Diesen inneren Zusammenhang hätte das Landgericht bei der Strafzumessung bedenken müssen (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 Strafzumessung 14). Deshalb wird es regelmäßig angezeigt sein, das Verfahren allein auf die täterschaftlichen Steuerhinterziehungen zu beschränken und insoweit den steuerlichen Gesamtschaden als Gesichtspunkt in die Strafzumessung einzustellen. Damit erspart sich der Tatrichter nicht nur eine im Einzelfall schwierige Abschichtung des jeweils eigenständigen Schuldumfanges der miteinander verzahnten Taten, sondern auch zusätzliche Feststellungen zu den (häufig im Ausland abgegebenen) Steuererklärungen der übrigen Teilnehmer an den Umsatzsteuerkarussellen.
Das Urteil kann im vorliegenden Fall dennoch auch im Strafausspruch aufrechterhalten bleiben. Der Senat schließt aus, daß sich der aufgezeigte Fehler auf die Verhängung der Einzelstrafe wegen Beihilfe (ein Jahr Freiheitsstrafe ) oder gar auf die Gesamtstrafe ausgewirkt hat. Hierbei ist nämlich zu bedenken, daß sich die Beihilfehandlung insgesamt auf die gesamte Organisation der von W und B gesteuerten Absatzkette erstreckte. Mithin erlangt sie aus diesem Grunde erhebliches Gewicht. Schon dieser Gesichtspunkt läßt die Verhängung einer noch milderen Strafe fernliegend erscheinen.
Harms Gerhardt Raum Brause Schaal
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung: ja
1. Wird durch Abschluß eines Scheinvertrages eine Gehaltszahlung
verschleiert, so kann darin Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung
des Gehaltsempfängers liegen.
2. Die Strafbarkeit eines unberechtigten Vorsteuerabzugs
aus einer Scheinrechnung entfällt nicht deswegen, weil
der Aussteller der Rechnung die dort gesondert ausgewiesene
Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt hat.
3. Zur Strafzumessung bei Lohnsteuerhinterziehung und
damit zusammenhängender Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung
des Gehaltsempfängers.
BGH, Beschl. vom 20. März 2002 – 5 StR 448/01
LG Frankfurt am
Main –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 20. März 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. März 2002

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15. Februar 2001 in den Strafaussprüchen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten K und H wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monaten bzw. von sieben Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten B hat es wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt. Die Vollstreckung der Strafen sind jeweils zur Bewährung ausgesetzt worden. Alle drei Angeklagte beanstanden mit ihren Revisionen das Verfahren und rügen die Verletzung materiellen Rechts. Die Revisionen führen auf die Sachrüge zur Aufhebung der jeweiligen Strafaussprüche; im übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Die Angeklagten K und H gehörten im Jahr 1993 dem ehrenamtlich tätigen Präsidium des Fußballvereins Eintracht Frankfurt an, bei dem auch der Lizenzfußballspieler Y beschäftigt war. Nachdem diesem mit Beginn der Bundesligasaison 1992/93 der Durchbruch zum “Topstürmer” der Fußballbundesliga gelungen war, fanden Anfang des Jahres 1993 Vertragsgespräche über eine Gehaltserhöhung statt, zumal da bereits andere Bundesligavereine Interesse an einer Verpflichtung von Y zeigten. Eintracht Frankfurt war daran gelegen, mit dem Spieler eine Vertragsverlängerung zu vereinbaren und eine im Arbeitsvertrag enthaltene Transferregelung zu beseitigen, nach der Y unter bestimmten Voraussetzungen eine vorzeitige Auflösung des Arbeitsvertrages verlangen konnte. Y wiederum stellte hohe Gehaltsforderungen. Nachdem die Vertragsverhandlungen zunächst ergebnislos abgebrochen worden waren, schaltete Y für die weiteren Verhandlungen den Angeklagten B ein, der eine Werbeagentur betrieb. Die Angeklagten einigten sich dann u.a. auf eine einmalige Zahlung von zwei Mio. DM zuzüglich Umsatzsteuer, die nicht direkt an Y , sondern zur Verschleierung der Zahlung über die Werbeagentur des Angeklagten B an Y weitergeleitet werden sollte. Um die anfallende Lohnsteuer nicht abführen zu müssen und um es Y zu ermöglichen, den Erhalt dieser Zahlung vor dem Finanzamt zu verheimlichen , beschlossen die Angeklagten, zum Schein einen Vertrag zwischen der Werbeagentur des Angeklagten B und Eintracht Frankfurt zu schließen , mit dem die Übertragung sämtlicher Vermarktungsrechte an der Person des Y an den Verein vorgetäuscht werden sollte. Im Juni 1993 wurden sodann mehrere den Fußballspieler Y betreffende Verträge unterzeichnet , die Gehaltsfragen regelten und die bisherige Transferregelung aufhoben. Dabei wurde die Vereinbarung zwischen Eintracht Frankfurt und
der Werbeagentur des Angeklagten B über die Übertragung der Vermarktungsrechte auf den 20. August 1993 vor- und die Verträge mit Y selbst auf den 5. März 1993 rückdatiert. Es sollte der Eindruck erweckt werden , der Vertrag über die Vermarktungsrechte sei erst ein halbes Jahr nach den übrigen Verträgen geschlossen worden. Von den von Eintracht Frankfurt gezahlten 2,3 Mio. DM behielt der Angeklagte B die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 300.000 DM, die er an das Finanzamt abführte, sowie eine Provision von 200.000 DM ein. Den restlichen Geldbetrag leitete er an eine Firma A Ltd. in Ghana weiter, deren wirtschaftlich Berechtigter Y war.
Eintracht Frankfurt gab in den beim Finanzamt eingereichten Lohnsteueranmeldungen die geleistete Zahlung nicht an und führte die darauf entfallende Lohnsteuer in Höhe von mehr als 1,2 Mio. DM nicht ab; dagegen machte der Verein die Umsatzsteuer aus der Rechnung des Angeklagten B als Vorsteuer geltend. Y wiederum erklärte den erhaltenen Geldbetrag nicht gegenüber dem Finanzamt und hinterzog die anfallende Einkommensteuer.

II.


Die Angeklagten wenden sich insbesondere dagegen, daû die Übertragung der Vermarktungsrechte an dem Bundesligafuûballspieler Y an Eintracht Frankfurt steuerlich als Scheingeschäft im Sinne von § 41 Abs. 2 AO behandelt worden ist. Sie machen geltend, daû es sich bei der gewählten Vereinbarung um eine zulässige und tatsächlich durchgeführte Vertragsgestaltung und nicht um die Verschleierung einer Gehaltszahlung an Y gehandelt habe.
1. Die erhobenen Verfahrensrügen zeigen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht auf. Der Erörterung bedarf lediglich folgendes:

Die von den Angeklagten K und H erhobene Rüge, das Landgericht habe gegen die ihm nach § 261 StPO obliegende Pflicht verstoûen, die erhobenen Beweise erschöpfend zu würdigen, weil es die Einlassung des früheren Mitangeklagten Y nicht mitgeteilt habe, obwohl seine Angaben mit den Urteilsfeststellungen im Widerspruch stünden, greift nicht durch.
Allerdings ist der Tatrichter grundsätzlich verpflichtet, alle wesentlichen Beweismittel der gesamten Hauptverhandlung im Rahmen seiner Beweiswürdigung heranzuziehen und die vorhandenen Beweise einer erschöpfenden Würdigung zu unterziehen (vgl. BGHR StPO § 261 Einlassung 5). Dies gilt auch für Sacheinlassungen, sofern sie nicht marginal sind (vgl. BGH, Beschl. vom 23. Februar 2000 – 5 StR 382/99). Der dem Tatrichter nach § 261 StPO eingeräumten Freiheit in der Überzeugungsbildung sind insoweit Grenzen gesetzt (vgl. BGH StV 1988, 138 m. Anm. Schlothauer; OLG Karlsruhe StV 2000, 658). Mit Recht stellt die Revision fest, daû grundsätzlich die Einlassung eines Mitangeklagten in der Hauptverhandlung bei der Beweiswürdigung auch dann Berücksichtigung finden muû, wenn das Verfahren gegen diesen Angeklagten – wie hier – später abgetrennt worden ist.
Eine vom Revisionsgericht auf eine entsprechende Verfahrensrüge nach § 261 StPO hin zu beachtende Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung kann sich nicht nur aus den Urteilsgründen selbst, sondern auch aus der aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ersichtlichen weiteren Beweisaufnahme ergeben, wenn diese in der Beweiswürdigung im Urteil keinen Niederschlag gefunden hat (vgl. hierzu BGH NStZ 2001, 440). Die Überprüfung kann jedoch nur auf die Beweisergebnisse erstreckt werden, die mit den Mitteln des Revisionsgerichts ohne weiteres feststellbar sind. Eine Rekonstruktion der
Hauptverhandlung zur Feststellung der Einlassung des früheren Mitangeklagten Y ist dem Senat damit grundsätzlich verwehrt.
Allerdings wird aus den in die Hauptverhandlung eingeführten ± und von den Revisionen entsprechend den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO mitgeteilten ± Schriftstücken deutlich, daû der frühere Mitangeklagte Y dieselben Sachverhalte zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich dargestellt hat, was seine Glaubwürdigkeit in Frage stellt. Eine nähere Auseinandersetzung mit den Angaben des Y und seiner Glaubwürdigkeit im Urteil war hier dennoch entbehrlich, weil ± wie dem Urteil mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist ± das Landgericht der Aussage des Y wegen erheblicher Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit keinen eigenständigen Beweiswert beigemessen hat. Das Landgericht ist den Angaben des Y mit äuûerster Zurückhaltung begegnet und hat seine Beweiswürdigung auf eine Vielzahl von Beweismitteln und Indizien gestützt. Die Angaben des Y hat das Landgericht dabei nie allein, sondern nur dann und nur zu einzelnen Punkten flankierend herangezogen, wenn die entsprechenden Beweistatsachen auch noch jeweils durch ein anderes Beweismittel belegt waren. Eine bloûe “Aussage gegen AussageKonstellation” , bei welcher der Bundesgerichtshof besondere Darstellungsund Begründungsanforderungen an das Urteil stellt, wenn der Tatrichter dem einzigen Belastungszeugen glaubt (vgl. BGHSt 44, 153, 158; 44, 256; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 23 m.w.N.), liegt hier nicht vor. Nähere Erörterungen zur Aussagekonstanz und zur Glaubwürdigkeit eines Aussagenden sind ansonsten regelmäûig nur dann geboten, wenn das Ergebnis der Beweiswürdigung davon abhängt. Dies war hier nicht der Fall. Das Landgericht hat seine Überzeugungsbildung auf eine Vielzahl von Beweismitteln gestützt und hat den Angaben des weitgehend für unglaubwürdig befundenen früheren Mitangeklagten Y keine maûgebliche Bedeutung beigemessen.
2. Die Schuldsprüche halten rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht hat sich die Überzeugung gebildet, daû der von den Angeklagten geschlossene Vertrag, mit dem die Übertragung der Vermarktungsrechte an dem Bundesligafuûballspieler Y vereinbart wurde, nicht ernstlich gewollt war und nur der Verschleierung einer Gehaltszahlung an Y diente. Die Beurteilung, ob ein Scheingeschäft vorliegt , obliegt grundsätzlich dem Tatrichter (vgl. Fischer in Hübschmann/ Hepp/Spitaler AO § 41 Rdn. 188). Das Urteil muû allerdings erkennen lassen , daû der Tatrichter die wesentlichen für und gegen ein Scheingeschäft sprechenden Umstände im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt und in eine Gesamtwürdigung einbezogen hat, so daû die vom Gericht gezogene Schluûfolgerung nicht nur eine Annahme ist oder sich als bloûe Vermutung erweist (vgl. BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 26). Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts gerecht.
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daû ein Lizenzfuûballspieler Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) bezieht, weil er sich auf eine längere Dauer verpflichtet und gegenüber dem Verein weisungsgebunden ist (vgl. § 1 LStDV; BFHE 170, 48, 50; Schmidt/Drenseck EStG 20. Aufl. § 19 Rdn. 15 “Sportler”; Jansen FR 1995, 461, 463; Lutz DStZ 1998, 279, 280; Pudell/Ernst SpuRt 1997, 185, 188). Es hat dabei bedacht, daû nicht sämtliche Leistungen des Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer Lohn im Sinne von § 19 EStG sein müssen. Erfolgreiche Sportler haben die Möglichkeit, aus ihrem Bekanntheitsgrad durch Werbeeinnahmen sogar noch höhere Entgelte zu erzielen als aus der sportlichen Betätigung (vgl. Lutz DStZ 1998, 279, 281). Dabei führen Einnahmen aus der Werbetätigkeit eines Sportlers nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BStBl II 1986, 424) regelmäûig zu (nicht lohnsteuerpflichtigen ) Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG), wenn der Sportler die Werbetätigkeit selbständig und nachhaltig mit Gewinnerzielungsabsicht
ausübt und sich die Tätigkeit als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt (vgl. auch BMF-Schreiben vom 25. August 1995 ± IV B 6 ± S 2331 ± 9/95, DStR 1995, 1508). Die Tatsache, daû der bei Eintracht Frankfurt als Arbeitnehmer beschäftigte Fuûballspieler Y über sein Festgehalt hinaus von seinem Arbeitgeber eine zusätzliche Einmalzahlung erhalten hat, qualifiziert diese damit noch nicht ohne weiteres als weitere Gehaltszahlung, schlieût eine solche aber auch nicht aus.
Ein Scheingeschäft im Sinne von § 41 Abs. 2 AO liegt indes dann vor, wenn die Parteien einverständlich lediglich den äuûeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen (vgl. BGH NJW 1982, 569; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO § 41 Rdn. 153). Entscheidend ist dabei, ob die Parteien zur Erreichung des erstrebten Erfolges ein Scheingeschäft für genügend oder ein ernstgemeintes Rechtsgeschäft für notwendig erachtet haben (vgl. BGHZ 36, 84, 88 m.w.N.). Dabei sind die Interessenlage und die verfolgten wirtschaftlichen Zwecke wie auch die Frage zu berücksichtigen, ob die Beteiligten ein durch ein Scheingeschäft verdecktes Geschäft wirklich gewollt haben (vgl. Fischer aaO Rdn. 153, 158).
Diese Maûstäbe hat das Landgericht beachtet und sich aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung der für und gegen ein Scheingeschäft sprechenden Umstände die Überzeugung gebildet, daû die Angeklagten eine Veräuûerung der Vermarktungsrechte nicht ernstlich vorhatten, sondern den geschaffenen Schein eines solchen Vertrages zur Verschleierung der Lohnzahlung an Y ausnutzen wollten. Der Tatrichter hat dabei nicht verkannt, daû der Erwerb von Vermarktungsrechten dem Verein auch dann von erheblichem Nutzen hätte sein können, wenn sich eine solche Investition nicht unmittelbar wirtschaftlich ausgezahlt hätte. Auch hat er bedacht , daû die erfolgte Abführung von Umsatzsteuer für einen Vollzug des
Vertrages und damit für eine Ernstlichkeit des Vertragsschlusses sprechen kann. Auf der anderen Seite hat er ohne Rechtsfehler in die Gesamtabwägung eingestellt, daû Eintracht Frankfurt trotz angeblicher Exklusivrechte einerseits einem späteren, Y betreffenden Werbevertrag des Angeklagten B mit der Firma P nicht entgegengetreten ist, andererseits selbst keinerlei Versuche unternommen hat, den Spieler zu vermarkten und nicht einmal die naheliegende Möglichkeit genutzt hat, den Hauptsponsor des Vereins auf eine Vermarktung Y s anzusprechen. Dabei durfte auch berücksichtigt werden, daû etwaige Vermarktungsrechte beim Transfer des Y zum englischen Fuûballverein Leeds United keine Rolle gespielt haben. Ebenso durfte das Landgericht würdigen, daû die Angeklagten durch Rück- und Vordatieren der verschiedenen Verträge den Eindruck erweckt haben, der Vertrag über eine Gehaltserhöhung und derjenige über die Übertragung der Vermarktungsrechte seien im Abstand von einem halben Jahr geschlossen worden.

b) Die Verurteilungen der Angeklagten K und H wegen Lohnsteuerhinterziehung sind frei von Rechtsfehlern.
Bei der Zahlung von 2,3 Mio. DM an den Angeklagten B handelte es sich um eine verdeckte Gehaltszahlung an den Vereinsspieler Y . Der Verein war verpflichtet, für diese Lohnsteuer anzumelden (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) und an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführen (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, daû die Angeklagten K und H die Zahlung an B formal auf den Vertrag vom 20. August 1993 über die Veräuûerung der Vermarktungsrechte für Y geleistet haben; als Scheingeschäft ist dieser Vertrag für die Besteuerung unerheblich (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO). Maûgeblich ist vielmehr das verdeckte Geschäft einer Gehaltszahlung an den bei Eintracht Frankfurt beschäftigten Fuûballspieler Y (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 2 AO). Insoweit ist es unerheblich, daû die geleistete Zahlung nicht unmittelbar,
sondern über den Angeklagten B und die Firma A Ltd. dem Arbeitnehmer Y zugeflossen ist (vgl. Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz § 19 Rdn. B 342 m. N.).

c) Auch die Verurteilungen der drei Angeklagten wegen Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung des früheren Mitangeklagten Y haben Bestand.
Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges des Haupttäters objektiv fördert (vgl. BGHSt 42, 135, 136), ohne daû sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muû (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 46, 107, 109).
Die strafbare Hilfeleistung liegt hier in dem Abschluû des Scheinvertrages , bei den Angeklagten K und H zudem in der Nichtaufnahme der Zahlung von 2,3 Mio. DM in die Lohnsteuerbescheinigung für Y . Hierdurch wurde (auch gegenüber den Finanzbehörden) verschleiert, daû es sich bei der geleisteten Zahlung um lohnsteuerpflichtiges Gehalt handelte. Dies ermöglichte Y die Hinterziehung der auf diesen Einkünften lastenden Einkommensteuer (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).
Einer Strafbarkeit der Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung steht nicht entgegen, daû eine Gehaltszahlung des Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer eine objektiv “neutrale” Handlung ist (vgl. hierzu BGHSt 46, 107, 112; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 3, 20), die grundsätzlich keine Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung des Arbeitnehmers darstellt. Hier beschränkte sich das Verhalten der Angeklagten nicht auf eine bloûe Gehaltszahlung; die Angeklagten haben vielmehr die Zahlung an Y durch Abschluû eines Scheinvertrages mit dem Angeklagten B gezielt verschleiert. Unbeachtlich ist dabei, daû eine entgeltliche, zeitlich befristete Übertragung der Rechte des Y am eigenen Namen (§ 12 BGB)
und am eigenen Bild (§ 22 ff. KunstUrhG) an Eintracht Frankfurt für eine sogenannte Namens- oder Imagewerbung unter Einbindung einer Werbeagentur rechtlich zulässig gewesen wäre. Ein solcher Vertrag war nach den Urteilsfeststellungen von den Angeklagten gerade nicht ernsthaft gewollt.
Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daû die Angeklagten weder für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Y verantwortlich noch von ihm mit der Erfüllung dieser Pflichten betraut worden waren. Den Angeklagten war bewuût , daû die getroffenen Vereinbarungen für Y nur dann wirtschaftlich von Interesse waren, wenn er die ihm zuflieûende Zahlung in seiner Einkommensteuererklärung nicht angeben würde; durch Verschleierung der Gehaltszahlung sollte gerade dies ermöglicht werden.
Schlieûlich ist eine Strafbarkeit der Angeklagten auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil es Y bei den Vertragsverhandlungen nicht vorrangig darauf ankam, eine strafbare Steuerhinterziehung begehen zu können ; er wollte vielmehr vor allem deutlich höhere Einkünfte als bisher erzielen. Verfolgt der von einem Hilfeleistenden Unterstützte neben strafbaren auch legale Ziele, stehen diese zulässigen Ziele einer Strafbarkeit des Hilfeleistenden dann nicht entgegen, wenn sich der Hilfeleistende mit dem strafbaren Tun des Unterstützten solidarisiert, indem er sich gerade die Förderung der strafbaren Handlungen des Unterstützten angelegen sein läût. So verhielt es sich hier. Mit dem Abschluû eines Scheinvertrages zur Verschleierung der Gehaltszahlung (und der Nichtabführung von Lohnsteuer) haben die Angeklagten ihr Verhalten neben der Verfolgung eigener finanzieller Interessen von Eintracht Frankfurt auch dem wirtschaftlichen Bestreben des Y und damit seinen deliktischen Zielen einer Steuerhinterziehung angepaût.

d) Die Verurteilung der Angeklagten K und H wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer durch unberechtigten Vorsteuerabzug begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Die in der Rechnung über die angebliche Veräuûerung von Vermarktungsrechten ausgewiesene Umsatzsteuer durfte nicht als Vorsteuer abgezogen werden.
Ein Vorsteuerabzug gemäû § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ist nur für Steuern aus Rechnungen im Sinne des § 14 UStG zulässig, denen steuerpflichtige Lieferungen oder sonstige Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG zugrundeliegen. Dabei ist auf die tatsächliche Gestaltung eines Rechtsgeschäfts abzustellen; maûgeblich sind die tatsächlichen Leistungsbewegungen (vgl. BFH, BFH/NV 1987, 756; BGHR AO § 41 Abs. 1 Durchführung , tatsächliche 1; BGHR AO § 370 Abs. 1 Versuch 2). Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind für die Besteuerung unerheblich (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO).
Diese Regelung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) des Rates vom 17. Mai 1977 (ABl. EG 1977 Nr. L 145, 1), wonach ein Recht zum Vorsteuerabzug nur für solche Steuern besteht, die geschuldet werden, weil sie mit einem der Mehrwertsteuer unterworfenen Umsatz im Zusammenhang stehen , nicht aber für solche, die ausschlieûlich geschuldet werden, weil sie in einer Rechnung ausgewiesen worden sind (EuGH, Urt. vom 13. Dezember 1989 ± Rechtssache C-342/87 ± Genius Holding, Slg. 1989, 4227).
Anderes gilt auch dann nicht, wenn ± wie hier ± die über eine nicht ausgeführte Leistung gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer tatsächlich an das Finanzamt abgeführt wird. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer gilt zwar, daû zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer im Besteuerungsverfahren berichtigt werden kann, wenn die Gefährdung des Steueraufkom-
mens rechtzeitig und vollständig beseitigt worden ist (EuGH, Urt. vom 19. September 2000 ± Rechtssache C-454/98 ± Schmeink & Cofreth und Strobel , Slg. 2000 I S. 6973; vgl. hierzu auch BFHE 194, 506 und 517; BGHR AO § 370 Abs. 1 Versuch 2). Dies schlieût jedoch nicht aus, daû die Mitgliedstaaten an das Ausstellen und Verwenden von Scheinrechnungen strafrechtliche Folgen knüpfen (EuGH aaO S. 7008 Tz. 62). Ob das Steueraufkommen durch die Tat letztlich dauerhaft gefährdet wird oder ob dies nicht der Fall ist, weil der Aussteller der zum Vorsteuerabzug verwendeten Rechnung die gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge an das Finanzamt abgeführt hat, spielt für die Verwirklichung des Hinterziehungstatbestandes nach § 370 Abs. 1 AO demnach keine Rolle. Diese Frage erlangt aber bei der Strafzumessung im Rahmen der Berücksichtigung der verschuldeten Auswirkungen der Tat (vgl. § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB) Bedeutung. 3. Jedoch begegnet die Strafzumessung insgesamt durchgreifenden Bedenken.

a) Das Landgericht hat die Angeklagten K und H sowohl wegen Lohnsteuerhinterziehung als auch wegen Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung des Y verurteilt. Im Rahmen der Strafzumessung hat es dabei jeweils die Höhe der Hinterziehungsbeträge strafschärfend berücksichtigt. Bei Anwendung dieses an sich zutreffenden Strafzumessungsgrundes ist allerdings zu besorgen, daû das Landgericht das Verhältnis von Lohn- und Einkommensteuer nicht hinreichend bedacht hat. Die Lohnsteuer ist die Einkommensteuer der Arbeitnehmer für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die gemäû § 38 Abs. 1 EStG durch Steuerabzug vom Lohn erhoben wird (vgl. hierzu Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht § 370 AO Rdn. 202). Da es sich bei der Lohnsteuer somit lediglich um eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer handelt, ist die vom Arbeitgeber abgeführte Lohnsteuer beim Arbeitnehmer auf dessen veranlagte Einkommensteuer anzurechnen (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG). Dies hat zur Folge, daû die Zahllast des Steuerpflichtigen stets um den durch Lohn-
steuerabzug bereits erhobenen Steuerbetrag niedriger als die festgesetzte Einkommensteuer ist. Zugleich bedeutet dies, daû das Steueraufkommen bei Hinterziehung sowohl der Lohnsteuer als auch der Einkommensteuer nicht in Höhe der Summe der beiden hinterzogenen Steuern gefährdet ist. Diesen Umstand hat das Landgericht bei der Strafzumessung wegen Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung des Y nicht erkennbar zugunsten der Angeklagten K und H berücksichtigt. Dies führt insoweit zur Aufhebung des Strafausspruchs. Aus demselben Grund ist auch der Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten B aufzuheben, den das Landgericht wegen Beihilfe sowohl zur Lohnsteuerhinterziehung als auch zur Einkommensteuerhinterziehung des Y verurteilt hat. Der Senat kann darüber hinaus nicht ausschlieûen, daû sich der Rechtsfehler auf die Strafzumessung wegen Hinterziehung von Lohnsteuer ausgewirkt hat, und hebt daher auch die hierfür verhängten Einzelstrafen auf.
b) Auch soweit die Angeklagten wegen Umsatzsteuerhinterziehung bzw. Beihilfe hierzu verurteilt worden sind, hält die Strafzumessung rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte B als Aussteller einer Scheinrechnung über die angebliche Übertragung von Vermarktungsrechten die in dieser Rechnung gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt, welche die Angeklagten K und H gegenüber dem Finanzamt als Vorsteuer geltend gemacht haben. Zwar hat die Tatsache, daû der Aussteller einer Scheinrechnung die dort gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt hat, für die Strafbarkeit des Rechnungsempfängers, der die Vorsteuer aus dieser Rechnung geltend gemacht hat, auûer Betracht zu bleiben (vgl. oben II.2.d.). Jedoch hat der Umstand, daû der Rechnungsaussteller eine solche Abführung von Anfang an vorhatte und der Rechnungsempfänger dies wuûte, für die Strafzumessung Bedeutung. In diesem Fall ist die Tat nicht auf eine dauerhafte Gefährdung des Steueraufkommens gerichtet, sofern die Verwendung von Scheinrechnungen nicht ± wie es etwa bei einem
Umsatzsteuerkarussell der Fall sein kann ± an anderer Stelle zu Steuerverkürzungen führen soll. Dies hat das Landgericht nicht bedacht.

c) Die erforderliche Neufestsetzung der Einzelstrafen bedingt die Aufhebung der gegen die Angeklagten K und H festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafen.
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(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.