Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 165/03
vom
27. April 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
wegen Betrugs u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. April 2004 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten R. , Dr. P. , Dr. St. und Dr. Sch. wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 3. Dezember 2002
a) mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es diese Angeklagten betrifft;
b) hinsichtlich der Mitangeklagten und Nichtrevidenten Dr. Ra. und Dr. K. im Schuldspruch dahin geändert, daß die Verurteilungen wegen tateinheitlich begangenen Betruges in den Fällen B. I. 2. Taten 1 - 8 (Dr. Ra. ) und B. II. 2. Taten 1 - 25 (Dr. K. ) des zweiten Abschnitts der Urteilsgründe jeweils entfallen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen Beihilfe zum Betrug in 66 Fällen sowie wegen Betrugs in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue in weiteren 108 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten Dr. P. hat es wegen Betrugs in elf Fällen sowie wegen Betrugs in Tateinheit mit Untreue in weiteren 22 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten sowie der Gesamtgeldstrafe von 330 Tagessätzen verurteilt. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die Angeklagten Dr. St. und Dr. Sch. wurden wegen Betrugs in Tateinheit mit Untreue in 26 Fällen (Dr. St. ) und 23 Fällen (Dr. Sch. ) jeweils zu Gesamtgeldstrafen von 600 Tagessätzen verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit der Sachrüge; die Angeklagten Dr. P. , Dr. R. und Dr. Sch. erheben zudem Formalrügen. Die Mitangeklagten Dr. Ra. und Dr. K. revidieren nicht.
Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, der teilweise auf die Mitangeklagten zu erstrecken ist (§ 357 StPO). Auf die Verfahrensrügen kommt es danach nicht mehr an.

I.


Nach den Urteilsfeststellungen lieferte der Angeklagte R. den Mitangeklagten - allesamt kassenärztlich zugelassene Augenärzte - Augenlinsen und Medikamente, die diese für die von ihnen ambulant durchgeführten Operationen zur Behandlung des Grauen Star benötigten. Um eine dauerhafte Geschäftsbeziehung zu den Mitangeklagten zu sichern, bot R. ihnen umsatzbezogene Rückvergütungen („kick-backs“) an, die von ihnen angenommen und in bar an sie ausgezahlt wurden. Die später für die verbrauchten Linsen und
Medikamente den „Kostenträgern (Kassenärztliche Vereinigungen, gesetzliche Krankenkassen)“ belasteten Beträge enthielten die jeweiligen Rabattanteile der Ärzte und waren insoweit überhöht. Das Landgericht hat dies im Tatkomplex „Augenlinsen“ als Betrug zum Nachteil der jeweiligen Kostenträger; im Tatkomplex „Medikamente“ - wegen der unterschiedlichen Abrechnungsweise - als Untreue in Tateinheit mit Betrug, jeweils begangen durch die Ärzte als Täter gewertet. Die Tatbeiträge R. s hat es im Tatkomplex „Augenlinsen“ als Beihilfe zum Betrug, im Tatkomplex „Medikamente“ als Mittäterschaft des Betrugs angesehen. Im Hinblick auf das Fehlen einer Vermögensbetreuungspflicht in seiner Person (§ 28 StGB) hat es hinsichtlich der tateinheitlich verwirklichten Untreue im Tatkomplex „Medikamente“ lediglich eine Gehilfenstellung R. s angenommen.

II.


Die von Amts wegen gebotene Überprüfung der Verfahrensvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Anklage (BGHR StPO § 200 Abs.1 Satz 1 Tat 1, 2, 3 und 18) deckt ein Verfahrenshindernis nicht auf. Mängel der Anklageschrift , die die Informationsfunktion betreffen, berühren deren Wirksamkeit nicht (vgl. Tolksdorf in KK 5. Aufl. § 200 Rdn. 34).

III.


Demgegenüber halten die Schuldsprüche rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Tatkomplex „Augenlinsen“ (Revidenten R. und Dr. P. ; Nichtrevidenten Dr. Ra. und Dr. K. )
Nach den Feststellungen bestellten die Augenärzte Dr. Ra. , Dr. K. und Dr.P. „bzw. deren Praxispersonal“, die von ihnen benötigten Augenlinsen bei Bedarf bei der R. oHG. Die Lieferungen erfolgten über den gutgläubigen Apotheker V. . Der vorher zwischen R. und den Augenärzten abgesprochene Preis orientierte sich an dem von den gesetzlichen Krankenkassen und kassenärztlichen Vereinigungen als marktüblich eingestuften Betrag. Diesen Betrag wies R. in der von ihm dem Apotheker V. gestellten Rechnung als anzusetzenden Verkaufspreis aus. V. berechnete diesen Betrag den Augenärzten weiter. Im Rahmen ihrer turnusmäßigen, einzelfall-, das heißt patientenbezogenen Abrechnungen gegenüber den „jeweiligen Kostenträgern“ ließen sich die Augenärzte diesen Betrag erstatten. Nach dem geltenden „Kostenerstattungsprinzip“ standen ihnen indessen nur die tatsächlich verauslagten Kosten zu.
Das Landgericht hat dies im Ansatz rechtlich zutreffend als Täuschungshandlung der Ärzte im Sinne des Betrugstatbestandes zum Nachteil „der Kostenträger“ bewertet, weil die Abrechnung des vollen Preises je Augenlinse die stillschweigende Erklärung enthielt, daß diese Kosten tatsächlich und endgültig angefallen waren. Diese Erklärung war falsch, weil sie die „kickback“ -Zahlungen unberücksichtigt ließ.

a) Die weitergehenden Feststellungen sind jedoch nicht hinreichend individualisiert. Sie begegnen zudem hinsichtlich der Anzahl der Einzeltaten durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Auch bei einer Tatserie ist es erforderlich, die Einzelakte so konkret und individualisiert zu ermitteln und festzustellen, daß sich daraus die Verwirklichung des objektiven und subjektiven Tatbestands für jede Einzeltat ergibt (vgl. BGHSt 40, 374, 376; 36, 320, 321; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 9 und 11). Sind nicht alle Einzelakte konkret feststellbar, so sind jedenfalls Mindestfeststellungen zu treffen, die - bei Zugrundelegung des Zweifelssatzes - auch auf tragfähigen Schätzgrundlagen beruhen können (vgl. BGHSt 10, 208; BGHR StGB vor § 1/Serienstraftaten Betrug 1; BGH NStZ 1999, 581).
Handelt es sich um Serienstraftaten des Betruges, müssen die Urteilsgründe regelmäßig darlegen, wer die schädigende Verfügung getroffen hat und welche Vorstellungen er dabei hatte. Dabei kann die tatrichterliche Überzeugung von betriebsinternen Vorgängen, insbesondere bei arbeitsteilig tätigen Unternehmen oder Körperschaften, je nach den Umständen, auch durch Vernehmung etwa eines Abteilungsleiters gewonnen werden (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 14). Die pauschale Feststellung des Landgerichts (UA S. 27) „der/die Mitarbeiter(in) des jeweiligen Kostenträgers, dem/der die tatsächlichen Umstände verborgen blieb, veranlaßte irrtumsbedingt die Auszahlung der geltend gemachten Sachkosten an den Augenarzt“ genügt diesen Anforderungen hier nicht. Die Urteilsgründe lassen Ausführungen zum regelmäßigen internen Ablauf bei den „jeweiligen Kostenträgern“ vermissen, aus denen sich eine täuschungsbedingte Vermögensverfügung zugunsten der Ärzte ergeben könnte. Insoweit entbehren die Feststellungen auch einer ausreichenden Beweisgrundlage. Die Urteilsgründe ergeben nicht, aufgrund welcher Beweismittel die Kammer ihre Überzeugung von einer täuschungsbedingten Vermögensverfügung durch den „jeweiligen Mitarbeiter“ gewonnen hat. Soweit Mitar-
beiter von Leistungsträgern vernommen wurden, geschah dies ersichtlich zu anderen Beweisthemen (UA S. 54).
Die Urteilsgründe verhalten sich auch nicht dazu, welche Leistungsträger konkret geschädigt worden sind. So bleibt offen, ob der Schaden bei den kassenärztlichen Vereinigungen oder den gesetzlichen Krankenkassen eingetreten ist (UA S. 27). Soweit die gesetzlichen Krankenkassen Geschädigte sind, fehlt es an Feststellungen, um welche Krankenkassen es sich handelt. Es liegt auch nahe, daß mehrere (Ersatz-)Kassen betroffen sein können.

b) Hinsichtlich des Angeklagten Dr. P. stellt die Strafkammer - im Rahmen der Beweiswürdigung- zwar fest, dieser habe die Augenlinsen quartalsmäßig gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung Bayern abgerechnet (UA S. 50). An anderer Stelle geht die Kammer aber ersichtlich davon aus, daß die jeweiligen gesetzlichen Krankenkassen getäuscht und zur schädigenden Vermögensverfügung veranlaßt worden seien (UA S. 67 f.). Es bleibt somit unklar , ob insoweit die kassenärztliche Vereinigung Geschädigte war oder diese lediglich eine durch Dr. P. begangene Täuschung an die gesetzliche Krankenkasse vermittelte, die dann eine eigene schädigende Vermögensverfügung traf.
Es bleibt offen, ob jedenfalls Mindestfeststellungen zur Ermittlung der Geschädigten möglich waren. Die Kammer führt aus, daß hinsichtlich des Angeklagten Dr. Ra. und Prof. T. /Frau T. die jeweils geschädigte Krankenkasse nicht festgestellt werden konnte (UA S. 52). Ob dies auch für die durch die übrigen Angeklagten Geschädigten gilt, bleibt offen. Überdies bezieht sich die Kammer in diesem Zusammenhang auf Angaben des Zeugen
KHK E. über erfolglos gebliebene Durchsuchungen (UA S. 52). Alledem entnimmt der Senat, daß Erhebungen über den Schadensumfang bei den potentiell geschädigten Krankenkassen durchgeführt worden sind. Daß Feststellungen dazu von vorneherein aussichtslos gewesen wären, ist schon deshalb nicht ersichtlich, weil z.B. die AOK Bayern im Zusammenhang mit den Tatvorwürfen konkret bezifferte Schadensersatzansprüche (900.000 DM) gegenüber dem Angeklagten Dr. K. geltend macht (UA S. 14). Dem Urteil läßt sich auch nicht entnehmen, daß die unterbliebene Feststellung der einzelnen Geschädigten auf einer Anwendung des Zweifelssatzes beruht (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2004 - 3 StR 28/04). Soweit die Kammer auf eine turnusmäßige Abrechnung abstellt (UA S. 69), ist dies auch erst nach Ausschöpfung aller Feststellungsmöglichkeiten zulässig.
Darüber hinaus fehlen Feststellungen zum konkreten Geschäftsablauf innerhalb der Arztpraxen im Zusammenhang mit der Erstellung der turnusmäßigen (monatlichen oder quartalsmäßigen) Abrechnungen. So bleibt offen, ob der jeweilige Augenarzt die Abrechnungen selbst vornahm oder dies - näherliegend - nach allgemeiner Anweisung seinem Praxispersonal überließ, was Einfluß auf die Zahl der Einzeltaten haben kann.
Der Senat kann deshalb trotz des rechtsfehlerfrei festgestellten Gesamtschadens nicht ausschließen, daß der Angeklagte auch bei unverändertem Schuldumfang durch die unterbliebenen Feststellungen beschwert ist. Eine von den bisherigen Feststellungen abweichende (höhere) Anzahl von Einzeltaten kann sich auf die hierfür zu verhängenden Einzelstrafen auswirken. Da hieraus eine Gesamtstrafe zu bilden sein wird, kann der Strafausspruch nicht bestehen
bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 - 1 StR 232/01 - insoweit in NStZ 2002, 30 und StV 2002, 21 nicht abgedruckt).

c) Auch hinsichtlich des Angeklagten R. , der jeweils wegen Beihilfe zu den Betrugshandlungen der Angeklagten Dr. Ra. , Dr. K. und Dr. P. verurteilt worden ist, begegnet das Urteil durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Kammer hat die Tathandlungen R. s nicht ausreichend tragfähig festgestellt. Sie hat insoweit die Beihilfetaten R. s mit den Haupttaten der Mitangeklagten Dr. K. , Dr. Ra. und Dr. P. anzahlmäßig gleichgesetzt. Dabei hat sie nicht bedacht, daß bei mehreren Tätern oder Tatbeteiligten für jeden gesondert nach seinem eigenen Tatbeitrag zu beurteilen ist, durch wie viele Handlungen im Sinne von §§ 52, 53 StGB er die Tat gefördert oder begangen hat (st. Rspr. vgl. nur BGHR StGB § 52 Abs.1 in dubio pro reo 7; BGH, Urteil vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02; BGH, Beschluß vom 30. März 2004 - 1 StR 99/04). Die einzelnen Tatbeiträge R. s hat sie - von pauschalen Feststellungen zur allgemeinen Vorgehensweise und zum Tatplan abgesehen (vgl. dazu BGHR StGB § 266 Mindestfeststellungen 1) - nicht näher festgestellt. Daß die Tatbeiträge R. s anzahlmäßig den Tathandlungen der Augenärzte entsprechen, liegt schon deshalb fern, weil dieser mit den turnusmäßigen Abrechnungen, in denen die Kammer im Grundsatz rechtsfehlerfrei die Tathandlungen der Ärzte erblickt hat, nichts zu tun h atte. Die Tatbeiträge R. s bestanden demgegenüber in den Lieferungen der Augenlinsen, der Inrechnungstellung überhöhter Verkaufspreise und der Auszahlung der „kickbacks“ aufgrund des zuvor abgesprochenen Tatplans. In wie vielen Einzelakten dies geschah, ist nicht festgestellt. Ohne die überhöhten Rechnungen R. s hätten die Ärzte die Täuschung nicht durchführen können. Ob diese Tatbeiträ-
ge als Mittäterschaft, Anstiftung oder Beihilfe zu bewerten sind, wird deshalb ebenfalls einer erneuten Überprüfung unterliegen.
2. Tatkomplex „Medikamente“

a) Nach den dazu getroffenen Feststellungen bestellten die Augenärzte die von ihnen benötigten Medikamente bei R. im Wege kassenärztlicher Verordnung. Die Auslieferung erfolgte über den Apotheker V. , bei dem das Rezept verblieb. Anschließend reichteV. die Rezepte mit den von R. vorgegebenen überhöhten Preisen einmal monatlich bei der Verrechnungsstelle für Apotheker in München ein, die eine Aufteilung auf die jeweils betroffenen Krankenkassen vornahm. Diese überwiesen den fälligen Betrag an die Verrechnungsstelle , die ihn wiederum an V. auszahlte.

b) Die Strafkammer hat dies im Grundsatz zutreffend als Untreue der angeklagten Ärzte zum Nachteil der jeweiligen Krankenkassen gewertet. Das ergibt sich aus ihrer besonderen Stellung als Vertragsärzte der gesetzlichen Krankenkassen. Die Kassenärzte treten bei der Verordnung von Arzneimitteln als Vertreter der Krankenkasse auf und geben mit Wirkung für und gegen die Krankenkasse Willenserklärungen zum Abschluß eines Kaufvertrages über die verordneten Medikamente ab (vgl. BGH, Beschluß vom 25. November 2003 - 4 StR 239/03 - zum Abdruck in BGHSt vorgesehen = NJW 2004, 454 = NStZ 2004, 276 = wistra 2004, 143).
Der Tatbestand der Untreue ist danach hier durch Mißbrauch der Vertretungsmacht erfüllt. Die einzelnen Mißbrauchstaten wurden nach dem festgestellten Grundkonzept von den Augenärzten im Zusammenwirken mit dem An-
geklagten R. dadurch begangen, daß sie die Verordnungen über den Praxisbedarf ausstellten und dem Apotheker V. mit übersetzten Preisangaben durch R. zuleiten ließen. Dadurch verpflichteten sie die Krankenkassen, zu deren Lasten die Verordnungen ausgestellt wurden, die übersetzten Preise an V. zu zahlen und fügten ihnen durch Mißbrauch ihrer Vertretungsmacht Nachteile im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB in Form der schadensgleichen Vermögensgefährdung zu. Da die Vorlage der Verordnung mit den Preisvorgaben in Kenntnis oder Erwartung der Rückvergütungen erfolgte, lag darin jeweils ein Verstoß gegen die Vermögensbetreuungspflicht, weil die verordneten Medikamente - wie die Ärzte wußten - um die Rabattanteile überteuert waren (vgl. BGHSt 47, 295, 298 f.).
Der von der Strafkammer angenommene, jeweils tateinheitlich begangene Betrug zum Nachteil des Apothekers V. , liegt demgegenüber nicht vor. Es fehlt an einer schadensgleichen Vermögensgefährdung gegenüber dem Apotheker. Der Apotheker, der sich an die ärztliche Verordnung hält, ist in seinem Vertrauen auf Bezahlung des Kaufpreises durch die Krankenkasse geschützt (vgl. BSG SozR 3-2500 § 132a Nr.3). Von - hier nicht in Betracht kommenden - Ausnahmefällen abgesehen, ist er nicht verpflichtet, zu überprüfen, ob die ärztliche Verordnung sachlich richtig ist. Die jeweilige Krankenkasse kann dem Apotheker Einwendungen, die die ärztliche Verordnung betreffen, regelmäßig nicht entgegenhalten; ihr steht insoweit kein Leistungsverweigerungsrecht zu (BSGE 77, 194, 206). Zu einer anderen rechtlichen Bewertung geben die bisher von der Kammer getroffenen Feststellungen zu den vertraglichen Beziehungen zwischen Landesapothekerverein und Ortskrankenkasse Baden-Württemberg (vgl. UA S. 54) keinen Anlaß. Die Verordnungen waren
formal ordnungsgemäß ausgestellt. Auch handelte es sich nicht um Fälschungen.
Da der Kaufvertrag zwischen dem ApothekerV. und der jeweiligen Krankenkasse unter Einschaltung des Vertragsarztes als Vertreter und Zuleitung des Rezeptes über R. mit überhöhten Preisen zustandekam, kann dahinstehen, ob die zeitlich nachfolgende Vorlage des Rezeptes durch den Apotheker als Tatmittler den Betrugstatbestand, sei es zum Nachteil der Krankenkassen oder der Apothekerverrechnungsstelle, erfüllt. Ein solcher Betrug wäre unter den hier vorliegenden Umständen jedenfalls mitbestrafte Nachtat der vorangegangen Untreue (vgl. BGHSt 6, 67; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 10). Sollte der neue Tatrichter insoweit ein betrügerisches Verhalten der Ärzte feststellen, das in deren Person als mitbestraft e Nachtat der Untreue anzusehen ist, so bleibt eine strafbare Tatbeteiligung R. s an dieser Nachtat - auch in Form der Mittäterschaft - grundsätzlich möglich (vgl. Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. Vorbem. §§ 52 ff. Rdn. 118).

c) Die der Verurteilung zugrundeliegende Anzahl der einzelnen Untreuehandlungen hat indessen keinen Bestand. Sie begegnet den gleichen rechtlichen Bedenken, die gegenüber den Feststellungen zur Anzahl der Einzeltaten im Tatkomplex „Augenlinsen“ bestehen. Im Ansatz zutreffend geht die Kammer davon aus, daß jede einzelne, dem Apotheker V. zugeleitete Verordnung eine Tat darstellt. Da sich zu der genauen Anzahl der Verordnungen jedoch keine Feststellungen mehr treffen ließen, hat die Kammer - insoweit ebenfalls im Ansatz rechtsfehlerfrei - die Anzahl der Einzeltaten nach dem jeweiligen Abrechnungsturnus bestimmt und eingeschränkt. Die Kammer hat
aber auch insoweit keine Feststellungen dazu getroffen, zu Lasten welcher „Kostenträger“ die Verordnungen erfolgten.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß ergänzende Feststellungen möglich sind und diese zu einer höheren Anzahl von Einzeltaten führen können.

d) Hinsichtlich des Angeklagten R. hat das Urteil keinen Bestand, weil die Kammer auch insoweit die Einzeltaten nicht nach dessen Tatbeiträgen festgestellt hat. Da das Angebot der Rückvergütungen von ihm ausging (UA S. 24 und 25) liegt eine Tatbeteiligung als Anstifter zur Untreue nahe.

e) Der Wegfall des Betrugstatbestandes zum Nachteil des Apothekers V. wirkt sich auch auf die Verurteilung der nicht revidierenden Mitangeklagten Dr. Ra. und Dr. K. aus (§ 357 StPO). Die Erstreckung erfolgt nur insoweit , als die Kammer eine fehlerhafte Rechtsanwendung (Verwirklichung des Betrugstatbestandes) auf den festgestellten Sachverhalt vorgenommen hat. Die bezüglich der Nichtrevidenten durch das Landgericht getroffenen Feststellungen sind für das Revisionsgericht, auch im Hinblick auf die Zahl der Einzeltaten , bindend.
Die Änderung der Schuldsprüche führt hier nicht zur Aufh ebung der Strafaussprüche hinsichtlich der Nichtrevidenten. Der Senat schließt aus, daß die Strafkammer bei im übrigen unverändertem Schuldumfang auf geringere Einzel- und Gesamtstrafen erkannt hätte. Die tateinheitliche Verwirklichung von zwei Straftatbeständen (Betrug und Untreue) wurde von ihr nicht strafschärfend
berücksichtigt.
3. Die Sache bedarf nach alledem im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung:
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

a) Das Verschlechterungsverbot steht einer etwaigen Verurteilung R. als s Mittäter oder Anstifter im Tatkomplex „Augenlinsen“ oder als Anstifter zur Untreue im Tatkomplex „Medikamente“ durch den neuen Tatrichter nicht entgegen. Die bisherigen Feststellungen legen eine solche Verschärfung des Schuldspruchs eher nahe, nachdem R. durch die Auszahlung der „kickbacks“ aufgrund des von ihm initiierten Tatplans in allen Fällen einen unverzichtbaren Tatbeitrag leistete.

b) Sollte die neue Hauptverhandlung zur Feststellung einer abweichenden Anzahl von Einzeltaten mit geändertem Unrechtsgehalt führen, steht das Verschlechterungsverbot der Verhängung von höheren als den bisherigen Einzelstrafen nicht entgegen. Der Unrechtsgehalt von dann gegebenenfalls zur Tateinheit verbundenen Taten ist erhöht. Das Verschlechterungsverbot gebietet bei dieser Sachlage nur, daß die Summe der jeweils betroffenen (bisherigen ) Einzelstrafen bei der Bemessung der jeweils neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird. Überdies darf auch die neue Gesamtstrafe nicht höher als die frühere ausfallen (BGH, Urteil vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02).

c) Sollte der bisherige Schuldumfang bestehen bleiben, wäre der neue Tatrichter angesichts der äußerst milden Strafen auch im Hinblick auf die bis-
herige Verfahrensdauer nicht gehindert, auf Gesamtstrafen in gleicher Höhe zu erkennen.
Nack Boetticher Kolz Elf Graf

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Strafgesetzbuch - StGB | § 266 Untreue


(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder ein

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

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(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Bew

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(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen.

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 28/04
vom
22. April 2004
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. April
2004, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Winkler
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Becker,
Hubert
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 18. August 2003 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit ihrer - zum Nachteil des Angeklagten eingelegten - Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie beanstandet namentlich, das Landgericht habe nicht geprüft, ob der Angeklagte wegen bandenmäßigen Betäubungsmittelhandels zu verurteilen sei, die verhängten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe seien in rechtsfehlerhafter Weise zu milde bemessen worden und das Landgericht habe es unzutreffend abgelehnt, hinsichtlich der Erlöse aus Betäubungsmittelgeschäften den Verfall von Wertersatz anzuordnen.
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg. Einer Erörterung der verfahrensrechtlichen Beanstandungen bedarf es daher nicht. 1. Die fragmentarischen Urteilsfeststellungen erlauben dem Senat nicht die Prüfung, ob das Landgericht rechtsfehlerfrei davon abgesehen hat, den Angeklagten des bandenmäßigen Betäubungsmittelhandels (§ 30 Abs. 1 Nr. 1, § 30 a Abs. 1 BtMG) bzw. der Beihilfe hierzu (§ 27 StGB) schuldig zu sprechen.
a) Danach hatte der Angeklagte zunächst den anderweitig verfolgten B. begleitet, als dieser im Zeitraum August bis Mitte November 2002 an 15 kurz aufeinander folgenden Tagen den gesondert verfolgten Ba. und Be. jeweils 20 g Kokain zum gewinnbringenden Weiterverkauf übergab. Seine Anwesenheit diente dem Zweck, B. abzusichern und sich darauf vorzubereiten , bei späterer Abwesenheit B. s die Kokainlieferungen zu übernehmen. Als sich B. im Ausland aufhielt, übergab dementsprechend der Angeklagte selbst von Mitte November bis 2. Dezember 2002 an fünf Tagen jeweils 20 g Kokain an Ba. und Be. . In neun weiteren Fällen lieferte der Angeklagte zwischen dem 5. und 23. Dezember 2002 je 20 g Kokain an Ba. und in einem weiteren Fall eine nicht mehr feststellbare Menge Kokain an den anderweitig verfolgten C. . Das Kokain war stets zum Weiterverkauf bestimmt bzw. in einem Fall von Ba. "für eine Party benötigt(e)". Es wies jeweils einen Wirkstoffgehalt von 30 % auf. Am 27./28. Dezember 2002 organisierte der Angeklagte im Auftrag B. s die Beschaffung von 998,7 g Kokain (Wirkstoffgehalt 90,5 %) in Rotterdam und deren Transport nach Hannover. Er weihte den gesondert verfolgten I. in den Tatplan ein, warb Ba. und Be. als Kuriere an, übergab I. das Kaufgeld von 26.200 € für den Erwerb des Betäubungsmittels, erteilte Anweisungen für die Abwicklung des Geschäfts sowie des Transports und überwach-
te die anschließende Kurierfahrt nach Deutschland durch Kontrollanrufe. Letztlich lagerte der Angeklagte in zwei von ihm genutzten Wohnungen 45,28 g (Wirkstoffgehalt 73,1 %) bzw. 5,19 g (Wirkstoffgehalt 75,4 %) Kokain, die bereits zum gewinnbringenden Weiterverkauf portioniert waren. Außerdem verwahrte er in einer der Wohnungen 6.400 €, die bei vorangegangenen Kokaingeschäften erlöst worden waren.
b) Diese Feststellungen deuten darauf hin, daß sich zumindest der Angeklagte , B. , Ba. und Be. mit dem Willen zusammengeschlossen haben könnten, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im einzelnen noch ungewisse Taten des Betäubungsmittelhandels zu begehen (vgl. BGHSt 46, 321, 325). Das Landgericht hätte daher die naheliegende Möglichkeit prüfen müssen, ob sich der Angeklagte des mehrfachen bandenmäßigen Betäubungsmittelhandels (in nicht geringer Menge) bzw. - so nicht auch bei den Taten 1 bis 15 tatsächlich Täterschaft des Angeklagten vorliegt - der Beihilfe hierzu schuldig gemacht hat (vgl. BGHSt 47, 214; BGHR BtMG § 30 a Bande 10). Für das Vorliegen von Bandenhandel ist hier insbesondere maßgeblich, ob Ba. und Be. in die Absatzorganisation B. s und des Angeklagten auf untergeordneter Ebene eingebunden waren oder ob sie diesen allein als Betäubungsmittelkäufer auf der Abnehmerseite gegenüberstanden. Dies beurteilt sich wesentlich danach, ob Ba. und Be. die einzelnen Kokainlieferungen unmittelbar bezahlten und anschließend deren weiteren Absatz auf eigene Rechnung, auf eigenes Risiko und zum eigenen Gewinn selbständig abwickelten , oder ob B. und der Angeklagte am weiteren Risiko und am Gewinn des weiteren Absatzes partizipierten, etwa weil erst die Erlöse aus den Weiterverkäufen - ggf. nach Abzug einer Entlohnung Ba. s und Be. s - an
B. und den Angeklagten abgeführt wurden (vgl. BGHSt 42, 255, 257 ff.; allerdings noch unter Anknüpfung an ein Tätigwerden im übergeordneten Bandeninteresse und an die Verwirklichung eines festen Bandenwillens und damit an Merkmale, die nach neuerer Rechtsprechung - BGHSt 46, 321 - nicht mehr konstituierend für den Begriff der Bande sind). Zu den Geldflüssen im Rahmen der abgeurteilten Betäubungsmittelgeschäfte verhält sich das angefochtene Urteil (abgesehen von Tat 31) indessen nicht. Daß hierzu Feststellungen nicht möglich waren und das Absehen von einer Verurteilung des Angeklagten wegen bandenmäßigen Betäubungsmittelhandels daher letztlich auf einer Anwendung des Zweifelssatzes beruht, läßt sich dem Urteil ebenfalls nicht entnehmen. Dies liegt im Hinblick auf das "unumwundene Geständnis" des Angeklagten und den Umfang der weiteren Beweisaufnahme - deren näheres Ergebnis in den Urteilsgründen allerdings weitgehend verschwiegen wird - auch eher fern. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. 2. Da bereits der aufgezeigte Rechtsfehler zur umfassenden Aufhebung des angefochtenen Urteils führt, weist der Senat für das weitere Verfahren lediglich ergänzend auf folgendes hin:
a) Der Schuldspruch zu Tat 31 lediglich wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hätte auch deswegen keinen Bestand haben können, weil sich der Angeklagte an der Betäubungsmitteleinfuhr (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) nach den Feststellungen - naheliegend - als Mittäter, zumindest aber als Anstifter oder Gehilfe beteiligt hat.
b) Der Angeklagte und B. übergaben Ba. und Be. in kurzen zeitlichen Abständen je 20 g Kokain. Es liegt nach den Gesamtumständen eher
fern, daß sie diese kleineren Einzelmengen zuvor jeweils gesondert erworben hatten. Vielmehr deutet die Menge des aus den Niederlanden eingeführten (Tat 31) und des vom Angeklagten vorrätig gehaltenen (Tat 32) Kokains darauf hin, daß mehrere Lieferungen an Ba. und Be. aus jeweils größeren Erwerbsmengen des Angeklagten bzw. B. s stammten. Es wird daher - unter Beachtung des Zweifelssatzes - zu prüfen sein, inwieweit Einzellieferungen an Ba. und Be. aufgrund ihrer Herkunft aus einer einheitlichen Erwerbsmenge rechtlich zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen sind (vgl. BGH NJW 2002, 1810).
c) Zur hier rechtlich bedenklichen strafmildernden Berücksichtigung der Untersuchungshaft, drohender Ausweisung oder Abschiebung und besonderer Härten des Strafvollzugs für den Angeklagten als Ausländer wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 27. Januar 2004 verwiesen.
d) Bei der erneuten Entscheidung über die Anordnung des Verfalls (§ 73 StGB), des Wertersatzverfalls (§ 73 a StGB) oder des erweiterten Verfalls (§ 33 Abs. 1 BtMG, § 73 d StGB) wird zunächst zu berücksichtigen sein, daß in der Wohnung des Angeklagten 6.400 € gefunden wurden, die nach den bisherigen Feststellungen aus vorangegangenen Betäubungsmittelgeschäften stammten. Es lagen damit insoweit zumindest die Voraussetzungen des erweiterten Verfalls vor. Warum dieser nicht angeordnet wurde, läßt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Bezüglich - im einzelnen festzustellender - weiterer Erlöse aus Betäubungsmittelgeschäften hindert allein der Umstand, daß sie wertmäßig nicht mehr im Vermögen des Angeklagten vorhanden sind, nicht die Anordnung von Wertersatzverfall. Dies kann es allenfalls rechtfertigen, von der Härteregelung des § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB Gebrauch zu machen. Hierbei
handelt es sich indessen um eine Ermessensvorschrift, deren Anwendung näherer Begründung bedarf. Eine solche läßt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen.
e) Die seitenweise Wiedergabe von Protokollen abgehörter Telefongespräche vermag eine eigenständige Beweiswürdigung des Tatrichters nicht zu ersetzen. Für deren revisionsrechtliche Prüfung sind sie ohne Belang, insbesondere wenn - wie hier - in keinem der Telefonate ein konkretes Betäubungsmittelgeschäft offen angesprochen wird. Es bedarf vielmehr der Darlegung des Tatrichters, welche beweiswürdigenden Schlußfolgerungen er aus dem Inhalt der Telefonate zieht. Winkler Pfister von Lienen Becker Hubert

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 232/01
vom
4. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September
2001, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 25. Januar 2001
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, daß aa) die Verurteilungen wegen Bedrohung entfallen; bb) sämtliche unter B. B. der Urteilsgründe abgeurteilten Taten im Verhältnis von Tateinheit stehen;
b) im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung von Sicherungsverwahrung abgesehen wurde, sowie im gesamten Strafausspruch. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an ein andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1. Die Strafkammer hat festgestellt:
a) Am 2. März 2000 hatte der Angeklagte dem B. angeboten , mit ihm und K. in seiner Wohnung über die Rückgabe B. gehörender Möbel zu sprechen, die sich noch bei K. befanden. Ohne daß B. hierfür einen nachvollziehbaren Grund gegeben hätte, kündigte der Angeklagte dort alsbald an, ihm den "Kopf weg(zu)pusten", und hinderte B. mit Ohrfeigen und einem Faustschlag am Verlassen der Wohnung. In den nächsten Stunden wurdeB. von ihm vielfältig mißhandelt , gequält und gedemütigt. Er bedrohte ihn ständig mit dem Tod ("killen"; "häuten") und gravierenden Verletzungen ("Eier abreißen"), "probierte" Karateschläge an ihm aus und würgte ihn, bis er seinen Geldbeutel herausgab, dem der Angeklagte einen Geldschein entnahm, der dann verbrannt wurde. B. mußte die Schuhevon K. küssen und er bekam vom Angeklagten seinen Ausweis in den Mund geschoben.
b) Am 13. April 2000 hielt sich der Nebenkläger R. in der Wohnung des Angeklagten auf, weil ihm dieser einen Arbeitsplatz versprochen hatte. Als sich nichts ergab und R. wieder gehen wollte, war die Tür verschlossen und der Angeklagte bedrohte R. mit einer von diesem für echt gehaltenen Pistolenattrappe und einem Messer, beschimpfte ihn und kündigte ihm an, "er sei bald tot". Damit begann ein mehrtägiges, von der Strafkammer im einzelnen geschildertes Martyrium R. s. In dessen Verlauf mußte R. nicht nur Haus- und Küchenarbeiten verrichten und nackt in eine Badewanne mit kaltem Wasser steigen, sondern auch nackt herumkriechen,
Schuhe und Fuûboden ablecken, Zigarettenkippen schlucken und den Urin des Angeklagten trinken. Bei alledem wurde er nicht nur ständig mit dem Tod bedroht , sondern auch körperlich schwer miûhandelt. Der Angeklagte drückte unmittelbar über der Nase R. s eine brennende Zigarette aus - nach etwa zehn Tagen war noch eine gerötete Narbe festzustellen -, schlug auf den nackt herumkriechenden R. mit Holzprügeln ein und schoû jeweils aus der Nähe mit einem Luftgewehr in seinen rechten Zeh und seine linke Hand und mit einem Gasrevolver in seine Genitalien. 2. Nach weitgehender Verfahrensbeschränkung hat die Strafkammer das Geschehen zum Nachteil B. als Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Bedrohung und jeweils zwei Fällen der Nötigung und der vorsätzlichen Körperverletzung bewertet und hierfür eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt. Das Geschehen zum Nachteil R. hat die Strafkammer als Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Bedrohung und Nötigung in sieben Fällen angesehen sowie als gefährliche Körperverletzung in fünf Fällen, die hierzu jeweils in Tatmehrheit stehen, weil sie auf Spontanentschlüsse zurückgingen. Für die Freiheitsberaubung und die damit in Tateinheit stehenden Delikte hat sie vier Jahre Freiheitsstrafe verhängt. Für die gefährlichen Körperverletzungen wurden festgesetzt: Zehn Monate wegen der Schläge mit den Holzprügeln, ein Jahr und drei Monate für das Brennen mit der Zigarette, ein Jahr und sechs Monate für den Schuû in den Zeh, zwei Jahre für den Schuû in die Hand und drei Jahre für den Schuû in die Genitalien. Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren gebildet. Von Sicherungsverwahrung hat die Strafkammer abgesehen.
3. Gegen dieses Urteil richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Die uneingeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten führt zu zwei Änderungen des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf die Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung beschränkt und hat Erfolg. Zugleich führt sie zur Aufhebung des Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten.

II.

Die Revision des Angeklagten: 1. Die Revision meint, eine brennende Zigarette sei "mangels Eignung der Hervorrufung erheblicher Verletzungen" kein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Sie verweist auf die Auffassung des Oberlandesgerichts Köln, wonach die Möglichkeit erheblicher Verletzungen nicht naheliegt, wenn mit Zigarettenglut eine Brandverletzung auf der Wade herbeigeführt wird (StV 1994, 244, 246; Zweifel hieran bei Tröndle/Fischer StGB, 50. Aufl. § 224 Rdn. 9). Diese Bewertung von Brandverletzungen widerspricht schon im Ansatz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die gefährliche Körperverletzung bei "Zufügung von Brandwunden durch glimmende Zigaretten" ohne weiteres bejaht hat (Beschl. vom 25. April 2001 - 3 StR 7/01 [mitgeteilt in dem Urteil, das gegen einen an diesem Tatkomplex nicht beteiligten Mittäter in jener Sache am selben Tag ergangen ist]). Damit vergleichbar wurde gefährliche Körperverletzung ebenfalls ohne weiteres in einem Fall bejaht, in dem ein brennendes Feuerzeug einige Sekunden unter vier Finger der Hand eines Kindes gehalten
wurde, was zu schmerzhaften Verletzungen mit Blasen und Narben führte (BGHR StGB § 170d [aF] Fürsorgepflichtiger 1). Der Senat sieht keinen Anlaû, von dieser Rechtsprechung abzuweichen: Ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist ein Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH NStZ 1999, 616). Es kommt also nicht allein auf die letztlich eingetretene Verletzung an, es genügt vielmehr schon die potentielle Gefährlichkeit des Werkzeugs im konkreten Fall (Tröndle/Fischer aaO). Eine brennende Zigarette, die auf der Haut ausgedrückt wird, führt regelmäûig zu schmerzhaften Brandverletzungen, die vielfach mit Narbenbildung - hier war die Narbe des Geschädigten nach zehn Tagen noch gerötet (I 1 b) - verbunden sind; auch darüber noch hinausgehende Komplikationen sind niemals auszuschlieûen. Im konkreten Fall kommt im übrigen [zusätzlich] noch hinzu, daû die Zigarette unmittelbar über der Nase ausgedrückt wurde, so daû wegen der [nicht] auszuschlieûenden Möglichkeit schmerzbedingt unkontrollierter Bewegungen sogar die Gefahr einer Augenverletzung bestand. 2. Wie die Revision und der Generalbundesanwalt im einzelnen ausgeführt haben, stehen sämtliche Taten zum Nachteil R. in Tateinheit. Er befand sich auf Grund des Verhaltens des Angeklagten in einer Zwangslage und konnte sich nicht frei bewegen, was der Angeklagte bei den Verletzungshandlungen ausgenutzt hat. Auch wenn diese Handlungen auf Spontanentschlüsse zurückgehen sollten, ist daher das gesamte Geschehen tateinheitlich verbunden (vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 16 m.w.Nachw.). Schon weil auch die unverändert zugelassene Anklage von Tateinheit zwi-
schen allen Delikten (auch) in diesem Tatkomplex ausgegangen ist, ändert der Senat den Schuldspruch selbst. 3. Im übrigen enthält der Schuldspruch nur noch insoweit einen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler, als Bedrohung (§ 241 StGB) hinter Nötigung (§ 240 StGB) zurücktritt, da die Bedrohungen - jedenfalls auch - Nötigungsmittel waren (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 240 Abs. 3 Konkurrenzen 2; w. Nachw. bei Tröndle/Fischer aaO § 240 Rdn. 63). Auch insoweit war der Schuldspruch daher zu ändern. 4. Zwar hat weder der Wegfall der Verurteilungen wegen Bedrohung hier für den Strafausspruch Bedeutung, noch gefährdet eine unzutreffende Bestimmung der Konkurrenzverhältnisse bei - wie hier - unverändertem Schuldumfang im Ergebnis ohne weiteres den Strafausspruch (vgl. nur BGHSt 41, 368, 373 f.). Voraussetzung hierfür ist jedoch, daû eine aus mehreren Einzelstrafen gebildete Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen bleiben kann. Dies ist hier nicht der Fall, weil aus der im Fall R. noch zu bildenden Einzelstrafe und der Strafe im Fall B. eine Gesamtstrafe zu bilden ist. Daher ist der Senat an einer Bestätigung des Strafausspruchs gehindert (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 7), so daû der Strafausspruch aufzuheben war, wobei der Senat im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Taten auch die Strafe im Fall B. aufgehoben hat (vgl. hierzu BGH wistra 1998, 106, 108 m.w.Nachw.).

III.

Die Revision der Staatsanwaltschaft: Die Strafkammer hat die formellen und materiellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB bejaht, von Sicherungsverwahrung aber gleichwohl abgesehen.
1. Der Angeklagte ist schon wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Nötigung und einem Waffendelikt, wegen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt worden:
a) Am 4. Oktober 1988 hatte er den H. ohne nachvollziehbaren Grund schwer miûhandelt. Er hatte ihn vielfach mit einem Baseballschläger und einem Schlagstock auf Arme und Beine geschlagen, ihn etwa eine Viertelstunde in den Bauch getreten und ihm mit einem Messer zwei Stichverletzungen an den Armen zugefügt, wobei er dann in eine Wunde Salz gerieben hatte, um H. weitere Schmerzen zu bereiten (Strafe: zwei Jahre und sechs Monate

).


b) Am 7. Oktober 1988 hatte er den ihm bekannten Tankwart S. ebenfalls aus nichtigem Anlaû im Kassenraum der Tankstelle mit der Faust niedergeschlagen, ihn in sadistischer Weise ("Auge ausstechen"; "Schwanz abschneiden") bedroht, ihn getreten und sich schlieûlich auch noch den Kasseninhalt angeeignet (Strafe: vier Jahre und sechs Monate).
c) Am 10. Oktober 1988 drang der Angeklagte nachts in die Wohnung seines früheren Karateschülers Kö. ein, bedrohte ihn mit einer Pistole und forderte Auskunft über anonyme Anrufe im Zusammenhang mit seiner Karateschule. Als sich Kö. weigerte, schoû er ihm in den Hals. Anschlieûend quälte er ihn "über das Ziel der Informationserlangung hinaus". Er schlug ihn etwa mit der Pistole heftig in das Gesicht, trat ihm in die Genitalien und kündigte ihm "zynisch" seinen nahen Tod an. Der lebensgefährlich verletzte Kö. behielt Dauerschäden wie eine Armlähmung und eine Stimmbehinderung wegen der schuûbedingten Kehlkopfverdrehung (Strafe: zwölf Jahre).
Der Angeklagte war in dieser Sache vom 15. Oktober 1988 bis 1. März 1998 inhaftiert; der Strafrest wurde zur Bewährung ausgesetzt. Damit liegen die formellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB vor, ohne daû sich daran durch die vom Senat vorgenommene Schuldspruchänderung (II 2) etwas ändern würde (vgl. hierzu im einzelnen Tröndle/Fischer aaO § 66 Rdn. 9, 10 m.w.Nachw.). 2. Darüber hinaus hat die Strafkammer auch die Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nach sachverständiger Beratung bejaht, da der Angeklagte einen Hang zu Straftaten hat, durch die die Opfer körperlich und seelisch schwer geschädigt werden und er daher für die Allgemeinheit gefährlich ist. Im einzelnen ist ausgeführt, daû Aggressivität für ihn etwas "Normales" ist und daû er persönlichkeitsbedingt weder zu Schuld- und Unrechtsbewuûtsein in der Lage ist - die der Vorverurteilung zu Grunde liegenden Taten hat er "bagatellisiert" -, noch aus Erfahrungen lernen kann. Auûerdem sind im einzelnen näher beschriebene Persönlichkeitsmerkmale des Angeklagten "Indikatoren" für einen kriminellen Rückfall. 3. Die Strafkammer hält Sicherungsverwahrung für "derzeit noch unverhältnismäûig im Sinne des § 62 StGB". Unter Beachtung dieser Bestimmung sei nämlich im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäû § 66 Abs. 2 StGB zu berücksichtigen, daû der Angeklagte im Hinblick auf den anstehenden Strafvollzug und den zu erwartenden Bewährungswiderruf mehr als zehn Jahre von der Allgemeinheit ferngehalten und voraussichtlich erst mit 55 Jahren wieder in Freiheit gelangen werde. Da er auch während der früheren Haft offenbar nicht nachteilig in Erscheinung getreten sei und bei vollständiger Verbüûung der jetzt verhängten Strafe unter Führungsaufsicht stehen werde (§ 68f StGB), die ein "besonderes Augenmerk" auf ihn zu werfen haben werde, sei es "noch
vertretbar" ihm die Möglichkeit eines straffreien Lebens jenseits der Lebensmitte einzuräumen. 4. Gegen diese Erwägungen wendet sich das auch vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft mit Recht.
a) Dabei versteht der Senat die allerdings nicht sehr klaren Ausführungen zu § 62 StGB nicht dahin, daû die Strafkammer der - offensichtlich hier auch nicht vertretbaren - Auffassung wäre, schon wegen der Bedeutung der vom Angeklagten begangenen und zu erwartenden Taten sowie des Grades der von ihm ausgehenden Gefahr komme Sicherungsverwahrung nicht in Betracht. Vielmehr stützt die Strafkammer ihre Entscheidung im wesentlichen auf die Dauer der anstehenden Freiheitsentziehung und das Lebensalter zum Zeitpunkt der voraussichtlichen Haftentlassung.
b) Bei einer Ermessensentscheidung gemäû § 66 Abs. 2 StGB können allerdings die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäû eintretenden Haltungsänderungen Gewicht gewinnen (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ-RR 1999, 301 m.w.Nachw.). Es kommt dabei jedoch nicht auf die (mutmaûliche) Dauer des Strafvollzugs als solche an. Entscheidend ist vielmehr, ob zu erwarten ist, daû sie eine präventive Warnwirkung auf den Angeklagten haben und damit zu einer Haltungsänderung bei ihm führen wird (BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 3, 5, 6 m.w.Nachw.). Diese Annahme ist jedoch schon im Hinblick auf die früheren Taten und die deswegen vollzogene langjährige Strafhaft - unbeschadet des Verhaltens des Angeklagten in dieser Zeit - sehr fernliegend und darüber hinaus mit der ausdrücklich festgestellten Unfähigkeit des Angeklagten, aus Erfahrungen zu lernen, unvereinbar.
Das mutmaûliche Lebensalter des Angeklagten zum Zeitpunkt seiner Haftentlassung kann an alledem nichts ändern. Anders wäre es nur, wenn unter Berücksichtigung der Art der in Frage stehenden Delikte für diesen Zeitpunkt eine positive Prognose gestellt werden könnte (BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 3). Wie der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der damit vergleichbaren Frage der Gefährlichkeitsbeurteilung gemäû § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB wiederholt ausgesprochen hat, ist allein ein Alter von etwa 55 Jahren bei der Haftentlassung als solches dabei nicht aussagekräftig (Urt. vom 7. November 2000 - 1 StR 377/00; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Nr. 3 Gefährlichkeit 5). Auch im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäû § 66 Abs. 2 StGB kann insoweit nichts anderes gelten. Gründe, die speziell beim Angeklagten eine andere Bewertung dieses Alters rechtfertigen könnten, sind schon im Hinblick auf seine Unfähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen, nicht ersichtlich. Auch die Art der in Rede stehenden Delikte spricht nicht für eine andere Beurteilung. "In grausamer und sadistischer Weise" vorgenommenen Miûhandlungen steht auch ein Alter "jenseits der Lebensmitte" nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. vom 30. August 1994 - 1 StR 271/94). Schon deshalb, weil der Angeklagte die hier abgeurteilten Taten unter Bewährungsbruch begangen hat, obwohl er einem Bewährungshelfer unterstanden ist - für eine Ausnahme vom Grundsatz des § 57 Abs. 3 Satz 2 StGB ist nichts ersichtlich - können schlieûlich auch die Erwägungen der Strafkammer zur Führungsaufsicht kein Gewicht gewinnen.
c) Nach alledem muû über die Anordnung von Sicherungsverwahrung daher neu befunden werden.
5. Die Aufhebung eines Urteils wegen unterbliebener Sicherungsverwahrung kann im Einzelfall auch zur Aufhebung des Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten führen, wenn möglicherweise die Strafe bei Androhung von Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre (BGH StV 2000, 615, 617 m.w.Nachw.). Da die Strafkammer hier ausdrücklich einen Bezug zwischen der Höhe der Strafe und der Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung hergestellt hat, hebt der Senat den Strafausspruch auf. Nack Wahl Schluckebier Kolz Schaal

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.