Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2017 - AnwZ (Brfg) 45/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:030717UANWZ.BRFG.45.15.0
bei uns veröffentlicht am03.07.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

1. Der Kläger war seit 2004 Mitglied der Beklagten. Anfang des Jahres 2013 bat er die Beklagte um eine Beurteilung der berufsrechtlichen Zulässigkeit einer von ihm beabsichtigten und so bezeichneten "Schockwerbung" für seine Kanzlei. Der Kläger wollte zu Werbezwecken Kaffeetassen verbreiten, die- soweit hier noch von Interesse - mit drei verschiedenen Aufdrucken von Bildern, diesen beigestellten Textzeilen sowie den Kontaktdaten der Kanzlei des Klägers versehen sein sollten. Wegen der Einzelheiten dieser Aufdrucke, die auch Gegenstand der im vorliegenden Verfahren im Streit stehenden Werbemaßnahme sind, wird auf den Tatbestand des zwischen den Parteien ergangenen Senatsurteils vom 27. Oktober 2014 (AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72) sowie auf die Seite 2 der hiesigen Klageschrift und den Tatbestand des hier angegriffenen Urteils des Anwaltsgerichtshofs (Seite 4) Bezug genommen. Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin zwei belehrende Hinweise, in denen sie ihn aufforderte, die vorgenannte Werbung wegen Unvereinbarkeit mit dem anwaltlichen Berufsrecht und dem Wettbewerbsrecht zu unterlassen.

2

Die dagegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat der Senat mit dem vorerwähnten Urteil vom 27. Oktober 2014 zurückgewiesen. Der Senat hat die oben genannte Werbung als mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar angesehen, da sie aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise darauf abziele, gerade durch ihre reißerische und sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge, dass ein etwa vorhandener Informationswert in den Hintergrund gerückt werde oder gar nicht mehr erkennbar sei. Derartige Werbemethoden seien geeignet, die Rechtsanwaltschaft als seriöse Sachwalterin der Interessen Rechtsuchender zu beschädigen.

3

Die gegen das vorbezeichnete Senatsurteil gerichtete Verfassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 5. März 2015 (BVerfG, NJW 2015, 1438) nicht zur Entscheidung angenommen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierbei hervorgehoben, Schutzzweck des § 43b BRAO sei die Sicherung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege. Mit der Stellung des Rechtsanwalts sei im Interesse des rechtsuchenden Bürgers insbesondere eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stelle, mit der eigentlichen Leistung des Anwalts nichts mehr zu tun habe und sich nicht mit dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats vereinbaren lasse (BVerfG, aaO Rn. 24 mwN).

4

2. Mit Schreiben vom 21. März 2015 fragte die "Dr. R.     Rechtswissenschaftliche Dienstleistungen UG (haftungsbeschränkt)", deren Geschäftsführer der Kläger ist und die seit dem 3. November 2016 als "R.    Legal Services UG (haftungsbeschränkt)" firmiert, bei der Beklagten an, ob Bedenken gegen die Verwendung der oben genannten Bildmotive auf Kaffeetassen zu Werbezwecken unter Hinzufügung der Bezeichnung der erstgenannten Unternehmergesellschaft bestünden. Die Beklagte beantwortete diese Anfrage durch Schreiben vom 1. April 2015 im Wesentlichen wie folgt:

"Sollten Sie die von Ihnen nunmehr angekündigte Werbung über die Dr. R.    Rechtswissenschaftliche Dienstleistungen UG schaltenwollen, wäre die[s] für sie als Rechtsanwalt eindeutig ein Verstoß gegen § 6 Abs. 3 BORA.

Sie würden als Rechtsanwalt zulassen (in eigener Person), dass eine UG für sie eine höchstrichterlich untersagte Werbung betreibt.

Es ist auch im Wettbewerbsrecht ganz selbstverständlich, dass solche Umgehungsversuche eine unerlaubte wettbewerbswidrige Handlung darstellen. [...] dies [wäre] nicht nur ein wettbewerbswidriges Verhalten der UG [...], sondern auch ein berufsrechtlicher Verstoß des Rechtsanwalts Dr. M.   R.   .

Wenn Sie also gegenüber der Rechtsanwaltskammer K.  nicht erklären, dass Sie diese Werbung nicht schalten werden, wird die Abteilung III der Rechtsanwaltskammer K.  den Vorgang unmittelbar an die Generalstaatsanwaltschaft K.   zur Prüfung der Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Anschuldigungsverfahrens übersenden.

[...]

Wir dürfen Sie daher bitten, uns gegenüber bis zum 13.04.2015 zu erklären, dass Sie diese Werbung nicht vornehmen werden."

5

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Verwendung der oben genannten Bildmotive auf Kaffeetassen als Werbemedien durch die "Dr. R.    Rechtswissenschaftliche Dienstleistungen UG (haftungsbeschränkt)" keinen Verstoß durch ihn als deren Geschäftsführer gegen anwaltliches Berufsrecht darstelle. Hilfsweise erstrebt der Kläger die Aufhebung des von ihm als belehrenden Hinweis angesehenen Schreibens der Beklagten vom 1. April 2015, soweit darin die vorbezeichneten Bildmotive als Verstoß gegen anwaltliches Berufsrecht untersagt worden seien.

6

Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei sowohl hinsichtlich des Hauptantrags als auch des Hilfsantrags unzulässig. Die Unzulässigkeit der in erster Linie erhobenen Feststellungsklage ergebe sich unter Zugrundelegung des Rechtsstandpunkts des Klägers - wonach es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 1. April 2015 um einen belehrenden Hinweis und damit um einen Verwaltungsakt handele - bereits aus dem Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 2 VwGO). Denn für den Kläger bestünde in diesem Fall die Möglichkeit, eine Anfechtungsklage zu erheben (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO).

7

Bei dem Schreiben der Beklagten vom 1. April 2015 handele es sich aber nicht um einen belehrenden Hinweis im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; vielmehr gehe es über eine bloß präventive Auskunft ohne Regelungscharakter nicht hinaus. Zwar bringe dieses Schreiben zum Ausdruck, dass die Beklagte ein bestimmtes Verhalten des Klägers für berufsrechtswidrig erachte. In dem Schreiben werde allerdings weder in einer Entscheidungsformel festgestellt, dass ein bestimmtes Verhalten rechtswidrig sei, noch werde ein konkretes Verbot oder Unterlassungsgebot ausgesprochen. Auch wenn dieses Schreiben förmlich zugestellt worden sei, sei eine Rechtsmittelbelehrung nicht beigefügt gewesen. Vielmehr beschränke sich das Schreiben darauf, den Kläger über die rechtliche Einschätzung der Beklagten in Kenntnis zu setzen und die gegebenenfalls vorzunehmende Übersendung des Vorgangs an die Generalstaatsanwaltschaft K.  zur Prüfung der Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Anschuldigungsverfahrens anzukündigen. Damit folge aus dem Schreiben ohne Weiteres, dass die Beklagte gerade nicht die Erteilung eines belehrenden Hinweises beabsichtigt habe, sondern - sofern der Kläger an dem beabsichtigten Verhalten festhalte - ihrer Unterrichtungspflicht gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft (§ 120a BRAO) habe nachkommen wollen, um diese in die Lage zu versetzen, die vorbezeichnete Prüfung vorzunehmen. Damit habe die Beklagte zugleich zum Ausdruck gebracht, dass sie ein Rügeverfahren und erst recht einen belehrenden oder gar einfachen Hinweis nicht für ausreichend erachte. Damit enthalte das Schreiben lediglich einen präventiven Hinweis - ohne Regelungscharakter - auf das von der Beklagten beabsichtigte Verhalten.

8

Es handele sich bei dem Schreiben der Beklagten auch nicht um eine sonstige hoheitliche Maßnahme, die berufsrechtliche Rechte und Pflichten des Klägers zu beeinträchtigen geeignet wäre (§ 112b Satz 1 Halbs. 2 BRAO). Entgegen der Auffassung des Klägers könne eine Rechtsschutzmöglichkeit mittels Feststellungsklage daher auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines anders gelagerten Akts öffentlicher Gewalt mit belastender Außenwirkung angenommen werden.

9

Da das Schreiben der Beklagten lediglich den Hinweis auf die Absicht enthalte, nach Ablauf der dort genannten Frist die Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 120a BRAO unterrichten zu wollen, fehle für die Feststellungsklage jedenfalls das gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 Halbs. 2 VwGO erforderliche Interesse des Klägers an der baldigen Feststellung. Denn es sei Sache der Beklagten, im Rahmen einer Prognoseentscheidung zu entscheiden, ob Anhaltspunkte für den Verdacht einer schuldhaften Verletzung von Pflichten, die mit einer anwaltsgerichtlichen Maßnahme geahndet werden könne, bestünden, so dass die Unterrichtungspflicht nach § 120a BRAO ausgelöst werde. Wolle der Rechtsanwalt die im Vorfeld einer Unterrichtung nach § 120a BRAO geäußerte Rechtsauffassung der Rechtsanwaltskammer hinsichtlich des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung angreifen, so sehe das Gesetz dafür das Selbstreinigungsverfahren nach § 123 BRAO vor. Ein schützenswertes Interesse des Rechtsanwalts, die Rechtmäßigkeit des Verhaltens daneben auch mittels einer Feststellungsklage als verwaltungsrechtliche Anwaltssache gegenüber der Rechtsanwaltskammer geltend zu machen, sei nicht ersichtlich. Es sei dem Kläger ohne Weiteres zuzumuten, entweder die Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft abzuwarten oder das Selbstreinigungsverfahren zu betreiben, beziehungsweise dann, wenn die Beklagte sich zur Erteilung eines belehrenden Hinweises entschließen sollte, dagegen mit der Anfechtungsklage vorzugehen. Angesichts dieses Systems gesetzlich zur Verfügung gestellter Rechtsschutzmöglichkeiten bestehe kein Bedürfnis für eine zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeit mittels einer Feststellungsklage.

10

Die seitens des Klägers für den Fall der Unzulässigkeit der Feststellungsklage hilfsweise erhobene Anfechtungsklage sei ebenfalls unzulässig, da es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 1. April 2015 nicht um einen Verwaltungsakt handele.

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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen Berufung, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Urteils erstrebt und sein Klagebegehren weiterverfolgt. "Höchsthilfsweise" hat er sein Feststellungsbegehren in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit dem Antrag zu 3 beschränkt. Es sei festzustellen, dass es keinen Verstoß durch ihn als Geschäftsführer der Unternehmergesellschaft gegen anwaltliches Berufsrecht darstelle, wenn die Verteilung der oben genannten Kaffeetassen in einer auf jeweils 30 Exemplare pro Motiv limitierten Stückzahl an Autowerkstätten zum Zwecke einer sozialkritischen Diskussion erfolgen solle. Die Beklagte verteidigt das Urteil des Anwaltsgerichtshofs und hält den vorbezeichneten Antrag für unzulässig.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist nach § 112e Satz 1 BRAO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 2, 3 VwGO). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

I.

13

Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage mit Recht abgewiesen. Die Klage ist, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend angenommen hat, sowohl hinsichtlich des mit dem Hauptantrag verfolgten Feststellungsbegehrens als auch hinsichtlich der hilfsweise geltend gemachten Anfechtungsklage unzulässig.

14

1. Die Feststellungsklage, mit welcher der Kläger festgestellt wissen will, dass die Verwendung der im Tatbestand genannten Bildmotive auf Kaffeetassen zu Werbezwecken durch die "Dr. R.    Rechtswissenschaftliche Dienstleistungen UG (haftungsbeschränkt)" keinen Verstoß durch ihn als deren Geschäftsführer gegen anwaltliches Berufsrecht darstelle, ist wegen fehlender Statthaftigkeit unzulässig (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 VwGO).

15

a) Allerdings sind Feststellungsanträge im Verfahren der Anwaltsgerichtsbarkeit seit der Änderung des Verfahrensrechts zum 1. September 2009 und dem damit verbundenen Wegfall der Vorschriften der §§ 39 ff., 223 BRAO a.F. nicht mehr grundsätzlich unzulässig (Senatsbeschluss vom 24. Februar 2016 - AnwZ (Brfg) 62/15, juris Rn. 7 mwN; Senatsurteil vom 18. Juli 2016- AnwZ (Brfg) 46/13, NJW-RR 2016, 1459 Rn. 13).

16

b) Auch steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage, wovon der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgegangen ist, nicht bereits der gesetzliche Vorrang der Gestaltungsklage, hier in Form der Anfechtungsklage (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO), entgegen (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Denn bei dem verfahrensgegenständlichen Schreiben der Beklagten vom 1. April 2015 handelt es sich, anders als der Kläger meint, nicht um einen Verwaltungsakt (§ 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 35 Satz 1 VwVfG) in Gestalt eines belehrenden Hinweises beziehungsweise einer missbilligenden Belehrung, sondern vielmehr um eine einfache Belehrung beziehungsweise einen präventiven Hinweis.

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aa) Gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO obliegt es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer, die Kammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren. Gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO hat der Vorstand zudem die Erfüllung der den Mitgliedern der Kammer obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben.

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(1) In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass aus der Aufgabe der Beratung und Belehrung gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO zunächst das Recht des Vorstands der Rechtsanwaltskammer folgt, den Kammermitgliedern auf deren Anfrage oder von Amts wegen zur Beseitigung bestehender oder künftiger Zweifel die Auffassung der Rechtsanwaltskammer zu einer bestimmten berufsrechtlichen Frage mitzuteilen, ohne dies etwa mit einem Schuldvorwurf gegen den Rechtsanwalt zu verbinden. Solche einfachen Belehrungen beziehungsweise präventiven Hinweise sind in der Regel nicht geeignet, die Rechte des Rechtsanwalts zu beinträchtigen, und daher grundsätzlich auch nicht anwaltsgerichtlich anfechtbar (vgl. nur Senatsurteile vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 12; vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7 f.; Senatsbeschlüsse vom 13. August 2007 - AnwZ (B) 51/06, NJW 2007, 3349 Rn. 4; vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 14/12, juris Rn. 4; BVerfGE 50, 16, 27; BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 21; Weyland in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 73 BRAO Rn. 28 ff.; Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 73 BRAO Rn. 23 ff.; Hartung in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 73 BRAO Rn. 23 ff.).

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(2) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats besteht für die Kammervorstände insoweit aber auch die Möglichkeit, bei berufsrechtswidrigem Verhalten als hoheitliche Maßnahme zwischen der einfachen Belehrung beziehungsweise dem präventiven Hinweis einerseits und der Sanktion der (förmlichen) Rüge nach § 74 BRAO andererseits einen sogenannten belehrenden Hinweis beziehungsweise eine missbilligende Belehrung zu erteilen (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 14/12, aaO; vom 18. Dezember 2015 - AnwZ (Brfg) 19/15, juris Rn. 2; Senatsurteile vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, aaO; vom 18. Juli 2016 - AnwZ (Brfg) 22/15, juris Rn. 10; jeweils mwN; siehe ferner BVerfGE 50, 16, 26 ff., 31 f.; BVerfG, NJW 2015, aaO; BVerfG, AnwBl. 2016, 69 Rn. 8; AGH Celle, BRAK-Mitt. 2014, 31 Rn. 21; Weyland in Feuerich/Weyland, aaO § 74 BRAO Rn. 8a ff.; aA Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, aaO § 74 BRAO Rn. 8 f.; Hartung in Henssler/Prütting, aaO § 73 BRAO Rn. 24 und § 74 BRAO Rn. 10). Solche auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangenen belehrenden Hinweise beziehungsweise missbilligenden Belehrungen sind namentlich dann, wenn sie ein Handlungsverbot oder ein Handlungs- oder Unterlassungsgebot aussprechen, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angegriffen werden können (vgl. nur BGH, Urteile vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, aaO Rn. 7; vom 7. November 2016 - AnwZ (Brfg) 47/15, NJW 2017, 407 Rn. 10, 12; jeweils mwN; Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2015 - AnwZ (Brfg) 19/15, aaO).

20

Dabei hat der Senat zum vormals geltenden Verfahrensrecht mehrfach ausgesprochen, dass Auskünfte der Rechtsanwaltskammern über die Recht-mäßigkeit künftigen Verhaltens des Rechtsanwalts - um ein solches Verhalten geht es im vorliegenden Fall - grundsätzlich nicht anfechtbar sind, weil sie keine Schuld feststellen und nicht in dessen Rechte eingreifen (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 16. Juli 1962 - AnwZ (B) 10/62, BGHZ 37, 396, 401; vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 20/96, NJW-RR 1997, 759; vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 28/00, BRAK-Mitt. 2001, 188, 189; vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 38/05, NJW 2006, 2926 Rn. 2). Diese Rechtsprechung hat der Senat allerdings in seinem - ebenfalls die hier in Rede stehenden Bildmotive betreffenden - Urteil vom 27. Oktober 2014 (AnwZ (Brfg) 67/13, aaO Rn. 8) dahingehend fortentwickelt, dass eine andere Beurteilung geboten sein kann, wenn der Bescheid der Rechtsanwaltskammer nach seinem bei der Auslegung maßgebenden objektiven Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts über eine einfache Belehrung beziehungsweise einen präventiven Hinweis hinausgeht (ebenso Senatsurteil vom 7. November 2016 - AnwZ (Brfg) 47/15, aaO).

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Als Gesichtspunkte, die im Rahmen der insoweit vorzunehmenden Auslegung für das Vorliegen eines belehrenden Hinweises beziehungsweise einer missbilligenden Belehrung sprechen, hat der Senat insbesondere angesehen, dass der Bescheid der Rechtsanwaltskammer mit einer Entscheidungsformel versehen ist und in dieser - oder sonst im Bescheid - die Rechtswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens festgestellt und ein konkretes Verbot ausgesprochen wird und der Bescheid insgesamt erkennen lässt, dass die Rechtsanwaltskammer sich bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Fragen festgelegt hat. Darüber hinaus spricht es nach der Rechtsprechung des Senats für das Vorliegen eines Verwaltungsakts, wenn der Bescheid mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und dem Rechtsanwalt förmlich zugestellt worden ist (Senatsurteile vom 27. Oktober 2014 (AnwZ (Brfg) 67/13, aaO; vom 7. November 2016 - AnwZ (Brfg) 47/15, aaO Rn. 10; jeweils mwN).

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bb) Von diesen Grundsätzen ausgehend handelt es sich bei dem im vorliegenden Fall zu beurteilenden Schreiben der Beklagten vom 1. April 2015 nicht um einen belehrenden Hinweis beziehungsweise eine missbilligende Belehrung, sondern um eine einfache Belehrung beziehungsweise einen präventiven Hinweis. Damit fehlt es entgegen der Auffassung des Klägers hier an einem Verwaltungsakt.

23

(1) Zwar hat die Beklagte das genannte Schreiben dem Kläger förmlich zugestellt und in dem Schreiben eine eindeutige berufsrechtliche - und daneben auch eine wettbewerbsrechtliche - Bewertung des vom Kläger angekündigten künftigen Verhaltens vorgenommen. Eine solche eindeutige rechtliche Bewertung ist indessen auch notwendiger Inhalt einer einfachen Belehrung und vermag daher für sich alleine noch nicht einen Verwaltungsaktcharakter des Schreibens zu begründen. Denn die Rechtsanwaltskammer hat, wie oben dargestellt, im Rahmen des § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO die Aufgabe, dem Rechtsanwalt ihre Auffassung zu einer bestimmten berufsrechtlichen Frage mitzuteilen und dadurch bestehende oder künftige Zweifel zu beseitigen. Dieser Zweck erfordert es, dem um eine berufsrechtliche Beratung nachsuchenden Rechtsanwalt, (bereits) durch die einfache Belehrung nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO eine sichere Orientierungshilfe für sein Verhalten zu geben.

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(2) Für eine einfache Belehrung beziehungsweise einen präventiven Hinweis und gegen das Vorliegen eines Verwaltungsakts spricht hier insbesondere, dass die Beklagte in ihrem Schreiben vom 1. April 2015, anders als in den früheren Bescheiden, die dem Senatsurteil vom 27. Oktober 2014 (AnwZ (Brfg) 67/13) zugrunde lagen, weder in einer - hier nicht vorhandenen - Entscheidungsformel noch in der Begründung ein konkretes Handlungsverbot oder-gebot oder ein konkretes Unterlassungsgebot ausgesprochen hat. Einem solchen Ausspruch wird indes, wie bereits erwähnt, sowohl in der Rechtsprechung des Senats als auch in der Literatur ein starkes Gewicht für die rechtliche Einordnung der zu beurteilenden Maßnahme der Rechtsanwaltskammer beigemessen (vgl. nur Senatsurteile vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, aaO Rn. 7 f.; vom 7. November 2016 - AnwZ (Brfg) 47/15, aaO; Senatsbeschlüsse vom 21. Januar 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, juris Rn. 5; vom 18. Dezember 2015 - AnwZ (Brfg) 19/15, aaO; siehe ferner Senatsurteile vom 3. November 2014 - AnwZ (Brfg) 72/13, NJW-RR 2015, 186 Rn. 7; vom 26. Oktober 2015 - AnwZ (Brfg) 25/15, juris Rn. 9; jeweils mwN; BVerfGE 50, 16, 27; Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, aaO § 73 Rn. 27; Hartung in Henssler/Prütting, aaO § 73 BRAO Rn. 28). In dem Ausspruch eines konkreten Handlungsverbots oder -gebots oder eines konkreten Unterlassungsgebots liegt grundsätzlich der Kern einer über eine einfache Belehrung beziehungsweise einen präventiven Hinweis ohne Regelungscharakter hinausgehenden "verbindlichen Regelung der aufgeworfenen Fragen" im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des Senats, auf die sich die Rechtsanwaltskammer festgelegt haben muss, damit vom Vorliegen eines Verwaltungsakts ausgegangen werden kann. Die Beklagte hat dementsprechend hierzu in der Berufungserwiderung ausgeführt, ihre belehrenden Hinweise enthielten stets eine konkrete Aufforderung, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen.

25

Nach dem Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 1. April 2015 hingegen sollten die abschließende Entscheidung und damit die "Regelung" im vorgenannten Sinne der Generalstaatsanwaltschaft vorbehalten bleiben. Aus dem - nach Art einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung formulierten - Bescheid der Beklagten geht deutlich hervor, dass die Beklagte zwar eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Werbemaßnahme vornehmen, nicht jedoch selbst über die Unterlassungspflicht des Klägers befinden, sondern es zunächst diesem überlassen wollte, durch eine von ihr innerhalb einer bestimmten Frist geforderte Abgabe einer Unterlassungserklärung insoweit Klarheit zu schaffen. Bei Nichtabgabe der Unterlassungserklärung sollte der Vorgang an die Generalstaatsanwaltschaft zur Prüfung der Voraussetzungen eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens abgegeben werden. Mit diesem Absehen von einer eigenen Entscheidung über die Unterlassungspflicht hat die Beklagte zugleich zum Ausdruck gebracht, dass sie weder den Ausspruch eines belehrenden Hinweises beziehungsweise einer missbilligenden Belehrung noch ein Rügeverfahren nach § 74 BRAO als ausreichend ansieht, sondern eine Befassung der Generalstaatsanwaltschaft mit dem Ziel der Verhängung anwaltsgerichtlicher Maßnahmen für erforderlich hält (§ 120a BRAO).

26

Gegen das Vorliegen eines Verwaltungsakts spricht schließlich auch, dass das angegriffene Schreiben der Beklagten - wiederum im Gegensatz zu den Bescheiden der Beklagten, über die der Senat in seinem Urteil vom 27. Oktober 2014 (AnwZ (Brfg) 67/13) zu befinden hatte - keine Rechtsmittelbelehrung enthält. Der Senat hat bereits mehrfach die Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung als ein wichtiges Merkmal für das Vorliegen einer hoheitlichen Maßnahme in Gestalt eines belehrenden Hinweises beziehungsweise einer missbilligenden Belehrung hervorgehoben (vgl. nur Senatsurteile vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 12; vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, aaO Rn. 8; vom 7. November 2016 - AnwZ (Brfg) 47/15, aaO; Senatsbeschlüsse vom 25. Juli 2005 - AnwZ (B) 42/04, NJW 2005, 2692 unter II 1; vom 13. August 2007 - AnwZ (B) 51/06, NJW 2007, 3349 Rn. 4; vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; vom 21. Januar 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, juris Rn. 5).

27

c) Es kann dahingestellt bleiben, ob die mit dem Hauptantrag des Klägers verfolgte Feststellungsklage deshalb unstatthaft ist, weil es im hier gegebenen Fall einer durch die Rechtsanwaltskammer ausgesprochenen einfachen Belehrung beziehungsweise eines präventiven Hinweises bereits an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis der Parteien fehlt (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 VwGO), da bei dieser Art der Wahrnehmung der in § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO geregelten Aufgaben der Rechtsanwaltskammer der für die Statthaftigkeit einer Feststellungsklage erforderliche Grad der Konkretisierung beziehungsweise Verdichtung des Rechtsverhältnisses zwischen der Kammer und dem Rechtsanwalt nicht gegeben ist (so Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, aaO § 112c BRAO Rn. 65 [unter Hinweis darauf, dass anderenfalls die Rechtsanwaltskammer mit ihren Mitgliedern im Vorfeld der Festlegung auf eine verbindliche Regelung nicht in einen Meinungsaustausch über Rechtsfragen treten könne]).

28

Denn jedenfalls hat der Kläger ein Feststellungsinteresse nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 Halbs. 2 VwGO weder dargetan noch ist ein solches unter den hier gegebenen Umständen sonst ersichtlich. Durch Klage kann auch in Verfahren der Anwaltsgerichtsbarkeit (siehe oben I 1 a) die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 Halbs. 2 VwGO ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Senatsbeschluss vom 24. Februar 2016 - AnwZ (Brfg) 62/15, juris Rn. 7 mwN; Senatsurteil vom 18. Juli 2016 - AnwZ (Brfg) 46/13, NJW-RR 2016, 1459 Rn. 13). Ein solches Interesse schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein (Senatsbeschluss vom 24. Februar 2016 - AnwZ (Brfg) 62/15, aaO; BVerwG, NVwZ 2017, 56 Rn. 26; jeweils mwN; st. Rspr.).

29

Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf den Feststellungsantrag des Klägers nicht vor. Da es sich bei dem vom Kläger für unzutreffend erachteten Schreiben der Beklagten vom 1. April 2015, wie oben (unter I 1 b) im Einzelnen dargestellt, um eine einfache Belehrung beziehungsweise einen präventiven Hinweis handelt, in dem insbesondere kein konkretes Unterlassungsgebot hinsichtlich der vom Kläger beabsichtigten Werbemaßnahme ausgesprochen worden ist und die Beklagte sich nicht bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Fragen festgelegt hat, sondern vielmehr die abschließende rechtliche Beurteilung der Generalstaatsanwaltschaft vorbehalten worden ist, begehrt der Kläger mit seinem Feststellungsantrag der Sache nach einen vorbeugenden Rechtsschutz. Dieser zielt zum einen gegen die von der Beklagten für den Fall, dass der Kläger die von ihr geforderte Unterlassungserklärung nicht abgeben sollte, angekündigte Unterrichtung der Generalstaatsanwaltschaft (§ 120a BRAO) und die damit bezweckte Prüfung der Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens und zum anderen auf die vorbeugende Abwehr einer bei Durchführung der angekündigten Werbung möglichen weitergehenden (Verwaltungs-)Maßnahme der Beklagten - etwa in Gestalt eines belehrenden Hinweises beziehungsweise einer missbilligenden Belehrung oder einer Rüge nach § 74 BRAO.

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Da der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung jedoch grundsätzlich nicht vorbeugend, sondern nachgängig ausgestaltet ist (vgl. nur BVerwG, NVwZ 2015, 906 Rn. 17 mwN; NVwZ-RR 2016, 907 Rn. 19), ist eine vorbeugende Feststellungsklage - wie auch eine sonstige vorbeugende verwaltungsgerichtliche Klage - nur zulässig, wenn ein spezielles, besonders schützenswertes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Interesse besteht. Dieses ist (nur) gegeben, wenn der Betroffene nicht in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung verwiesen werden kann, wenn mit anderen Worten der Verweis auf den nachgängigen Rechtsschutz mit für den Kläger unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (st. Rspr.; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2013 - 7 C 13/12, juris Rn. 41; Beschluss vom 19. Mai 2015 - 3 B 6/14, juris Rn. 14; BVerwG, NVwZ 2015, 906 Rn. 17; NVwZ-RR 2016, 323 Rn. 6; jeweils mwN).

31

So liegt der Fall hier indes nicht. Ein schützenswertes rechtliches Interesse des Klägers, bereits im Vorfeld der von ihm beabsichtigten Werbemaßnahme eine gerichtliche Entscheidung über deren Zulässigkeit zu erhalten, ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht ersichtlich. Wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, ist es dem Kläger vielmehr, wenn er trotz der höchstrichterlich bereits erfolgten Klärung, wonach die oben genannten Aufdrucke mit dem berufsrechtlichen Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung unvereinbar und daher insoweit unzulässig sind, und trotz der von der Beklagten auf dieser rechtlichen Grundlage mit Schreiben vom 1. April 2015 ausgesprochenen (einfachen) Belehrung an seiner gegenteiligen Rechtsauffassung und an der geplanten Werbemaßnahme festhält, ohne Weiteres zuzumuten, insbesondere die Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft zur Frage einer möglichen anwaltsgerichtlichen Anschuldigung abzuwarten. Zudem besteht für den Kläger, worauf der Anwaltsgerichtshof ebenfalls zutreffend hingewiesen hat, die Möglichkeit, von sich aus bei der Generalstaatsanwaltschaft ein so genanntes Selbstreinigungsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 1 BRAO zu beantragen (vgl. hierzu BVerfGK 13, 58, 63).

32

d) Der Feststellungsklage wäre im Übrigen aber auch deshalb der Erfolg zu versagen, weil sie unbegründet ist. Die beabsichtigte Werbemaßnahme stellt entgegen der Auffassung des Klägers einen Verstoß durch ihn als Geschäftsführer der "Dr. R.   Rechtswissenschaftliche Dienstleistungen UG (haftungsbeschränkt)" gegen anwaltliches Berufsrecht dar. Vergeblich macht der Kläger demgegenüber geltend, diese Gesellschaft sei nicht Mitglied der Beklagten und unterstehe daher ebenso wenig wie er - hinsichtlich der im Nebenamt ausgeübten Tätigkeit als deren Geschäftsführer - der Berufsaufsicht der Beklagten.

33

Der Kläger verkennt hierbei, dass der Rechtsanwalt - worauf die Beklagte in ihrem Schreiben vom 1. April 2015 zutreffend hingewiesen hat - infolge des durch § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformten berufsrechtlichen Sachlichkeitsgebots (auch) nicht daran mitwirken darf, dass Dritte für ihn Werbung betreiben, die für ihn selbst verboten ist (§ 6 Abs. 3 BORA; vgl. hierzu im Einzelnen: v. Lewinski in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 6 BORA Rn. 200, 206 ff.; Prütting in Henssler/Prütting, aaO § 43b BRAO Rn. 45; Träger in Feuerich/Weyland, aaO § 6 BORA Rn. 39). Dies ist hier jedoch der Fall. Die vom Kläger beabsichtigte Werbung ist für ihn als Rechtsanwalt, wie der Senat bereits entschieden hat (Senatsurteil vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, aaO Rn. 15 ff.; siehe ferner BVerfG, NJW 2015, 1438) mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA; vgl. hierzu im Einzelnen Senatsurteile vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, aaO Rn. 12 ff.; vom 7. November 2016 - AnwZ (Brfg) 47/15, aaO Rn. 26 f. mwN) nicht vereinbar und daher unzulässig. Dem Kläger ist es deshalb gemäß § 6 Abs. 3 BORA in Verbindung mit § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA untersagt, dieses Verbot dadurch zu umgehen, dass er als Geschäftsführer der "Dr. R.     Rechtswissenschaftliche Dienstleistungen UG (haftungsbeschränkt)" darauf hinwirkt, die für ihn selbst unzulässige Werbung nun durch diese Gesellschaft vorzunehmen zu lassen.

34

2. Die vom Kläger hilfsweise für den - hier gegebenen - Fall der Unzulässigkeit der Feststellungsklage geltend gemachte Aufhebung des Schreibens der Beklagten vom 1. April 2015 bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend angenommen hat, ist die hierin zu sehende Anfechtungsklage nicht statthaft und daher unzulässig. Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn mit der Klage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt wird (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Um einen Verwaltungsakt handelt es sich, wie oben (unter I 1 b) im Einzelnen ausgeführt, bei dem Schreiben der Klägerin vom 1. April 2015 jedoch nicht.

35

3. Deshalb kommt es auch nicht auf die an das Vorliegen eines Verwaltungsakts anknüpfende Rüge des Klägers an, das von ihm angegriffene vorgenannte Schreiben der Beklagten sei nicht in einem ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen, da es - wovon er wegen der ihm seitens der Beklagten nicht gewährten Einsichtnahme in deren Verwaltungsvorgänge ausgehe - entgegen der im Schreiben enthaltenen Angabe nicht auf einem Beschluss der zuständigen Abteilung III der Beklagten beruhe.

36

Auch den hierauf bezogenen, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hilfsweise gestellten Beweisanträgen des Klägers war deshalb nicht zu entsprechen. Da die diesen Anträgen zugrunde liegende Annahme, es handele sich bei dem angegriffenen Schreiben der Klägerin um einen Verwaltungsakt, nicht zutrifft, sind die unter Beweis gestellten Tatsachen zum Zustandekommen dieses Schreibens nicht entscheidungserheblich.

37

4. Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zusätzlich und "höchsthilfsweise" gestellte oben genannte Antrag zu 3 ist unzulässig. Die in diesem Antrag bezeichnete Maßnahme war nicht Inhalt der Anfrage des Klägers vom 21. März 2015 bei der Beklagten und ist demgemäß auch nicht Gegenstand des hierauf erfolgten angegriffenen Schreibens der Beklagten vom 1. April 2015. Bereits aus diesem Grund fehlt es an einem Feststellungsinteresse des Klägers (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 Halbs. 2 VwGO).

II.

38

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser     

       

Bünger     

       

Remmert

       

Schäfer     

       

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. September 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen belehrende Hinweise der Beklagten vom 7. Januar 2013 und 15. Februar 2013. Diese waren auf seine Bitte ergangen, die berufsrechtliche Zulässigkeit von ihm ins Auge gefasster und so bezeichneter "Schockwerbung" für seine Kanzlei zu beurteilen. Zugrunde liegt, dass der Kläger zu Werbezwecken Kaffeetassen verbreiten will, die er mit verschiedenen Aufdrucken von Bildern, diesen beigestellten Textzeilen sowie den Kontaktdaten seiner Kanzlei versehen möchte.

2

In Streit stehen noch drei solcher Aufdrucke. Der erste Aufdruck enthält eine mit diagonal verlaufenden roten Linien durchgestrichene fotografische Abbildung. Sie zeigt eine Frau, die ein auf ihren Knien liegendes, ersichtlich schreiendes Mädchen mit einem Gegenstand auf das nackte Gesäß schlägt. Neben dem Bild ist aufgedruckt: "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1631 Abs. 2 BGB)". Der zweite - zeichnerische - Abbildungsabdruck stellt einen eine Pfeife rauchenden Mann dar, der einer auf seinen Knien liegenden erwachsenen Frau mit einem Gegenstand auf das entblößte Gesäß schlägt. Daneben findet sich der Text: "Wurden Sie Opfer einer Straftat?". Der dritte Aufdruck setzt sich zusammen aus einer fotografischen Abbildung einer jungen Frau, die sich erkennbar aus Verzweiflung den Mündungslauf einer Schusswaffe unter das Kinn hält, und der daneben angebrachten Textzeile "Nicht verzagen, R.    fragen".

3

In den genannten Bescheiden gab die Beklagte dem Kläger jeweils auf, die Werbung wegen Unvereinbarkeit mit dem anwaltlichen Berufsrecht sowie dem Wettbewerbsrecht zu unterlassen. Die dem Kläger förmlich zugestellten Bescheide enthielten eine Rechtsmittelbelehrung, wonach binnen eines Monats nach Zustellung Klage beim Anwaltsgerichtshof erhoben werden könne.

4

Die durch den Kläger gegen die Bescheide erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof als unzulässig abgewiesen, weil die belehrenden Hinweise zukünftiges Verhalten beträfen, weswegen ihnen keine Verwaltungsaktqualität zukomme. Der Senat hat die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 21. Januar 2014 zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

5

Die Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.

6

1. Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs ist die Klage allerdings als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

7

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie die angefochtenen Bescheide mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; Beschlüsse vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 62 f.; jeweils m.w.N.). Der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich die Bescheide nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des Klägers beziehen. Zwar hat der Senat zum vormals geltenden Verfahrensrecht mehrfach ausgesprochen, dass Auskünfte der Rechtsanwaltskammern über die Rechtmäßigkeit künftigen Verhaltens des Rechtsanwalts grundsätzlich nicht anfechtbar sind, weil sie keine Schuld feststellen und nicht in dessen Rechte eingreifen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 1962 - AnwZ (B) 10/62, BGHZ 37, 396, 401; vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 20/96, NJW-RR 1997, 759; vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 28/00, BRAK-Mitt 2001, 188, 189; vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 38/05, NJW 2006, 2926 Rn. 2).

8

Jedoch gehen die streitbefangenen Bescheide nach ihrem bei der Auslegung maßgebenden objektiven Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts (vgl. nur von Alemann/Scheffczyk in BeckOK VwVfG, Stand 1. Juli 2014, § 35 Rn. 46 m.w.N.) schon ausweislich der jeweils verwendeten Entscheidungsformel über solche präventive Auskünfte hinaus. Diese stellen fest, dass die Verwendung der verfahrensgegenständlichen Aufdrucke zu Werbezwecken rechtswidrig ist, und sprechen konkrete Verbote aus ("... ist nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht ... vereinbar und daher von Ihnen zu unterlassen"). Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. auch BayVGH, BayVBl 2006, 635; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 35 Rn. 83 m.w.N.). Die Bescheide lassen erkennen, dass sich die Beklagte im Vorgriff auf eine bei Zuwiderhandeln gegen die Verbote ohne Weiteres erfolgende Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Fragen festgelegt hat. Darüber hinaus sind sie mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für das Vorliegen von Verwaltungsakten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7 m.w.N.; BVerwGE 29, 310, 312 f.; 99, 101, 104; BVerwG, NVwZ-RR 2005, 343; Stelkens, aaO, § 35 Rn. 72 m.w.N.; von Alemann/Scheffczyk, aaO, § 35 Rn. 35 f.).

9

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

10

a) Die Beklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung der vorgelegten Aufdrucke in Form belehrender Hinweise nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO mitzuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwalt im Rahmen solcher Hinweise zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, aaO; Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, aaO; jeweils m.w.N.). Gründe, die zu einer anderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kläger aufgrund der Hinweise in keiner Weise gehindert ist, die Aufdrucke gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. zu verbotener Vorzensur BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 70. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 m.w.N.).

11

b) Der Senat teilt die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Meinung der Beklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar ist.

12

aa) Das in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), unter Umständen auch der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656, 2657). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36 und hierzu EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12, NJW 2014, 554 Rn. 18, 20 f.). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" BVerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993 S. 28; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/7656 S. 48) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail krit. - von Lewinski in Hartung, BORA/FAO, 5. Aufl., § 6 BORA Rn. 29; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 43b Rn. 30; Böhnlein in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 43b Rn. 20 f.; jeweils m.w.N.; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.; s. aber dort Rn. 269 m.w.N.).

13

Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienen dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern; mit der Stellung eines Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden Bürgers eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt und mit der eigentlichen Leistung des Anwalts sowie dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun hat (vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO). Verboten werden können danach unter anderem Werbemethoden, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind (BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO; 2001, 2620 m.w.N.).

14

Es ist einem Rechtsanwalt zwar nicht verwehrt, für seine Werbung Bilder oder Fotografien zu verwenden (vgl. Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 32; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 75), Gegenstände wie etwa Tassen als Werbeträger einzusetzen (Prütting, aaO, § 43b BRAO, Rn. 37; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 87) oder auch Ironie und Sprachwitz als Stilmittel zu gebrauchen (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324, 3325; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 26). Die Grenzen zulässiger Werbung sind jedoch überschritten, wenn die Werbung darauf abzielt, gerade durch ihre reißerische und/oder sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge, dass ein etwa vorhandener Informationswert in den Hintergrund gerückt wird oder gar nicht mehr erkennbar ist (vgl. auch BGH, Urteile vom 1. März 2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 76 und vom 21. Februar 2002 - I ZR 281/99, NJW 2002, 2642, 2644). Derartige Werbemethoden sind geeignet, die Rechtsanwaltschaft als seriöse Sachwalterin der Interessen Rechtsuchender zu beschädigen (vgl. auch BVerfG [Kammer], BRAK-Mitt. 2000, 137, 138; Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 38).

15

bb) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b BRAO) überschreiten aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324 m.w.N.) in der gebotenen Gesamtbetrachtung der Bilder und der ihnen jeweils beigestellten Textzeilen sämtliche streitbefangenen Aufdrucke.

16

(1) Diese Bewertung wird für den Aufdruck 1 nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Textzeile "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1626 Abs. 2 BGB)" für sich genommen einen gewissen Informationsgehalt aufweist und als solche in einer anwaltlichen Werbung nicht zu beanstanden wäre. Denn "Blickfang" für den Betrachter ist - vom Kläger auch so beabsichtigt - die realistische Darstellung des Verprügelns eines Kindes. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass das Kind am Unterleib nackt ist, wobei die Unterhose bis zu den Knien herabgezogen ist. Da Nacktheit fraglos kein essentielles Element der Darstellung einer Kindesmisshandlung ist, legt dies die Annahme nahe, dass bei einem Teil des Betrachterkreises auch sexuelles Interesse geweckt werden soll. Die mit dem Bild in Zusammenhang gestellte Tatsache, dass die körperliche Misshandlung von Kindern im Rahmen der Erziehung in Deutschland seit langem ausdrücklich verboten ist, gerät auf diese Weise zu bloßem Beiwerk und vermag deshalb auch nicht - was der Kläger zuletzt in den Vordergrund gerückt hat - einen Beitrag zu einer gesellschaftskritischen Auseinandersetzung zu leisten, zumal die Abbildung auf zu Werbezwecken verbreiteten, vom Kläger so genannten "Humpen" aufgedruckt ist. Auch der Umstand, dass der Aufdruck durchgestrichen ist, kann in Anbetracht der reißerischen und sexualisierenden Darstellung keinen Ausgleich schaffen. Die Beklagte hat mit Recht darauf hingewiesen, dass solche Werbung geeignet wäre, bei der rechtsuchenden Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, die Rechtsanwaltschaft habe Derartiges nötig, um Mandate zu erlangen, und damit das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt zu beeinträchtigen.

17

(2) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Textzeile gemäß Aufdruck 2 "Wurden Sie Opfer einer Straftat?" etwa deswegen noch eine hinreichend berufsbezogene Information enthält, weil möglichen Rechtsuchenden - hier dem freilich wohl eher vordergründig angesprochenen Adressatenkreis der Opfer häuslicher Gewalt - in der Zusammenschau mit der Berufsangabe des Klägers und seinen Kontaktdaten vermittelt wird, dass durch diesen eine Beratung beispielsweise über zivil-, straf- oder sozialrechtliche Verletztenrechte angeboten wird. Denn es dominiert der gestalterisch hergestellte Zusammenhang mit einer an eine Karikatur erinnernden Zeichnung, die sich in einer klischeehaften Entstellung forensisch bekannter Phänomene häuslicher Gewalt erschöpft. Hierdurch werden dieser Adressatenkreis sowie sein Rechtsschutzbedürfnis abgewertet sowie ins Lächerliche gezogen und für die "Werbebotschaft" instrumentalisiert. Die stark sexualisierende Darstellung mit einem in das Zentrum des Bildes gerückten entblößten Gesäß einer erwachsenen Frau, deren Unterhose bis zu den Oberschenkeln heruntergezogen ist, kommt hinzu. Solches erscheint in anwaltlicher Werbung nicht tragbar.

18

(3) Ebenfalls durch eine unangemessene Ironisierung geprägt ist angesichts des neben der Abbildung einer verzweifelten potentiellen Suizidentin angebrachten Reims "Nicht verzagen, R.    fragen" der Aufdruck 3. Zugleich ist er aufgrund der martialischen Darstellung einer Schusswaffe am Kinn eines Menschen abermals durch eine reißerische Aufmachung gekennzeichnet. Überdies vermittelt die Gesamtschau des Aufdrucks keinen spezifischen Hinweis auf das Berufsbild des Rechtsanwalts oder gar auf das konkrete Tätigkeitsfeld des Klägers. Durch die fotografisch dargestellte äußerste Verzweiflung eines Menschen in Verbindung mit dem genannten Reim wird vielmehr eine umfassende Hilfe in allen denkbaren Lebenslagen suggeriert, die der Kläger kaum zu leisten imstande wäre. Ein Zusammenhang mit anwaltlicher Betätigung kann allenfalls in loser Assoziation hergestellt werden und wäre in der Sache verzerrt.

II.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser                        König                         Remmert

                Martini                       Quaas

Werbung ist dem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.

(1) Soweit dieses Gesetz keine abweichenden Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren enthält, gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Der Anwaltsgerichtshof steht einem Oberverwaltungsgericht gleich; § 112e bleibt unberührt.

(2) Die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter sowie die §§ 35, 36 und 47 der Verwaltungsgerichtsordnung sind nicht anzuwenden. Die Fristen des § 116 Abs. 2 und des § 117 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung betragen jeweils fünf Wochen.

(3) Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage endet abweichend von § 80b der Verwaltungsgerichtsordnung mit der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Soweit dieses Gesetz keine abweichenden Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren enthält, gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Der Anwaltsgerichtshof steht einem Oberverwaltungsgericht gleich; § 112e bleibt unberührt.

(2) Die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter sowie die §§ 35, 36 und 47 der Verwaltungsgerichtsordnung sind nicht anzuwenden. Die Fristen des § 116 Abs. 2 und des § 117 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung betragen jeweils fünf Wochen.

(3) Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage endet abweichend von § 80b der Verwaltungsgerichtsordnung mit der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit dieses Gesetz keine abweichenden Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren enthält, gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Der Anwaltsgerichtshof steht einem Oberverwaltungsgericht gleich; § 112e bleibt unberührt.

(2) Die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter sowie die §§ 35, 36 und 47 der Verwaltungsgerichtsordnung sind nicht anzuwenden. Die Fristen des § 116 Abs. 2 und des § 117 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung betragen jeweils fünf Wochen.

(3) Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage endet abweichend von § 80b der Verwaltungsgerichtsordnung mit der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes.

(1) Das Mitglied der Rechtsanwaltskammer kann bei der Staatsanwaltschaft beantragen, das anwaltsgerichtliche Verfahren gegen sich einzuleiten, damit es sich von dem Verdacht einer Pflichtverletzung reinigen kann. Wegen eines Verhaltens, wegen dessen Zwangsgeld angedroht oder festgesetzt worden ist (§ 57) oder das der Vorstand der Rechtsanwaltskammer gerügt hat (§ 74), kann das Mitglied den Antrag nicht stellen.

(2) Gibt die Staatsanwaltschaft dem Antrag des Mitglieds keine Folge oder verfügt sie die Einstellung des Verfahrens, so hat sie ihre Entschließung dem Mitglied unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Das Mitglied kann beim Anwaltsgerichtshof die gerichtliche Entscheidung beantragen, wenn in den Gründen

1.
eine Pflichtverletzung nach § 113 Absatz 1 bis 3 festgestellt, das anwaltsgerichtliche Verfahren aber nicht eingeleitet wird oder
2.
offengelassen wird, ob eine Pflichtverletzung nach § 113 Absatz 1 bis 3 vorliegt.
Der Antrag ist binnen eines Monats nach der Bekanntmachung der Entschließung der Staatsanwaltschaft zu stellen.

(3) Auf das Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof ist § 173 Abs. 1 und 3 der Strafprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Der Anwaltsgerichtshof entscheidet durch Beschluss, ob eine Pflichtverletzung nach § 113 Absatz 1 bis 3 des Mitglieds der Rechtsanwaltskammer festzustellen ist. Der Beschluß ist mit Gründen zu versehen. Erachtet der Anwaltsgerichtshof das Mitglied einer anwaltsgerichtlich zu ahndenden Pflichtverletzung für hinreichend verdächtig, so beschließt er die Einleitung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens. Die Durchführung dieses Beschlusses obliegt der Staatsanwaltschaft.

(4) Erachtet der Anwaltsgerichtshof eine Pflichtverletzung nach § 113 Absatz 1 bis 3 nicht für gegeben, so kann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel wegen desselben Verhaltens ein Antrag auf Einleitung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens gestellt oder eine Rüge durch den Vorstand der Rechtsanwaltskammer erteilt werden.

Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile, Grundurteile und Zwischenurteile über die Zulässigkeit steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Anwaltsgerichtshof oder vom Bundesgerichtshof zugelassen wird. Für das Berufungsverfahren gilt der Zwölfte Abschnitt der Verwaltungsgerichtsordnung mit der Maßgabe, dass der Anwaltsgerichtshof an die Stelle des Verwaltungsgerichts und der Bundesgerichtshof an die Stelle des Oberverwaltungsgerichts tritt.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit dieses Gesetz keine abweichenden Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren enthält, gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Der Anwaltsgerichtshof steht einem Oberverwaltungsgericht gleich; § 112e bleibt unberührt.

(2) Die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter sowie die §§ 35, 36 und 47 der Verwaltungsgerichtsordnung sind nicht anzuwenden. Die Fristen des § 116 Abs. 2 und des § 117 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung betragen jeweils fünf Wochen.

(3) Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage endet abweichend von § 80b der Verwaltungsgerichtsordnung mit der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 2015 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 4.750 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beklagte forderte den Kläger nach Erhalt einer Mitteilung der A.      Versicherung AG mit Schreiben vom 23. Januar 2015 auf, durch Vorlage einer Bescheinigung seines Versicherers nachzuweisen, dass Versicherungsschutz gemäß § 51 BRAO bestehe. Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 bestätigte die A.      Versicherung AG, dass das Beitragskonto des Klägers ausgeglichen sei, jedoch für den Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 eine Versicherungslücke bestehe. Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger auf, bis zum 23. Februar 2015 den Nachweis zu erbringen, dass die vorgenannte Versicherungslücke geschlossen sei. Mit Schreiben vom 2. April 2015 bestätigte die A. Versicherung AG, dass die Versicherungslücke nicht mehr bestehe.

2

Die Generalstaatsanwaltschaft D.       leitete auf den Antrag der Beklagten vom 12. August 2015 ein anwaltsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts der Verletzung der Berufspflichten aus §§ 43, 51 BRAO ein.

3

Der Kläger hat gegen die Beklagte Klage erhoben, zuletzt mit dem Antrag festzustellen, dass für den Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 keine Lücke im Versicherungsschutz seiner anwaltlichen Berufshaftpflichtversicherung bestanden habe und kein Verstoß gegen § 51 BRAO vorliege. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage als unzulässig verworfen, da es an einem Feststellungsinteresse des Klägers fehle. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

4

Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

5

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

6

Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, NJW 2009, 3642; BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 3; vgl. ferner BVerwG, NVwZ-RR 2004, 542, 543; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 112e BRAO Rn. 77).

7

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht ein Feststellungsinteresse des Klägers verneint. Feststellungsanträge sind im Verfahren der Anwaltsgerichtsbarkeit nach Änderung des Verfahrensrechts zum 1. September 2009 und mit Wegfall der §§ 39 ff., 223 BRAO nicht mehr grundsätzlich unzulässig (vgl. zur früheren Rechtslage Senat, Beschluss vom 6. November 2000 - AnwZ (B) 3/00, NJW 2001, 1572, 1573 mwN). Die Zulässigkeit einer Feststellungsklage erfordert jedoch nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 VwGO, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung hat. Ein solches Interesse schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein (vgl. nur BVerwG, NJW 1996, 2046, 2048; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 43 Rn. 23).

8

Der Anwaltsgerichtshof hat ein Feststellungsinteresse des Klägers im Hinblick auf die Einleitung des Verfahrens durch die Generalstaatsanwaltschaft, in dem sich der Kläger einlassen und seine Rechte wahren könne, verneint. Demgegenüber vertritt der Kläger die Auffassung, das anwaltsrechtliche Ermittlungsverfahren sei nicht geeignet, eine erschöpfende Regelung zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens zu der streitigen Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer Versicherungslücke im Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 herbeizuführen. Es gebe auch keinen rechtskräftigen Bescheid, in dem diese Frage und damit die Frage des Verstoßes gegen § 51 BRAO bereits entschieden worden sei.

9

Damit hat der Kläger ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO nicht dargetan.

10

a) Die vorgenannte Versicherungslücke und der mit ihr einhergehende Verstoß gegen § 51 BRAO ist zwischen den Parteien ausschließlich im Rahmen der Wahrnehmung der dem Vorstand der Beklagten nach § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO obliegenden Aufgaben der Berufsaufsicht und der Handhabung des Rügerechts von Bedeutung. Dementsprechend könnte ein Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung allenfalls im Rahmen des von der Beklagten eingeleiteten Aufsichtsverfahrens bestehen. Zwar darf der Vorstand der Beklagten nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BRAO keine Rüge mehr erteilen, wenn das anwaltsgerichtliche Verfahren eingeleitet ist. Das Rügerecht erlischt durch diese Einleitung und lebt auch nicht mehr auf, wenn das anwaltsgerichtliche Verfahren eingestellt oder der Beschuldigte freigesprochen wird (Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 74 BRAO Rn. 20). Indes ist vorliegend noch nicht gemäß § 121 BRAO ein anwaltsgerichtliches Verfahren eingeleitet worden. Es ist vielmehr denkbar, dass die Generalstaatsanwaltschaft beim Anwaltsgericht keine Anschuldigungsschrift einreicht, sondern das Verfahren an den Vorstand der Beklagten zur Entscheidung zurückgibt (vgl. Lauda aaO Rn. 19). Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass das Aufsichtsverfahren von der Beklagten fortgeführt wird.

11

b) Ein berechtigtes Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung wird hierdurch jedoch nicht begründet. Denn er kann seine von dem Aufsichtsverfahren betroffenen Rechte in vollem Umfang innerhalb dieses Verfahrens wahren. Einer gesonderten Feststellung mit dem von ihm begehrten Inhalt bedarf es hierzu nicht. Zwar kann ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO im Hinblick auf zu erwartende Sanktionen gegeben sein (vgl. Deckenbrock in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 112c Rn. 12; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 43 Rn. 23 mwN; Pietzcker in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 43 [Stand: Oktober 2008] Rn. 34). Dies ist etwa anzunehmen, wenn es dem Betroffenen im Einzelfall nicht zuzumuten ist, sich auf sein Risiko berufsrechtlich relevant in einer bestimmten Weise zu verhalten und die Klärung der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens in einem ihm wegen dieses Verhaltens drohenden nachfolgenden Disziplinar- oder Strafverfahren abzuwarten (vgl. hierzu BVerwG, NJW 1976, 1224, 1226; BVerwG, Urteil vom 13. Januar 1969 - I C 86.64, juris Rn. 19; BVerwGE 89, 327, 331: "Damokles-Rechtsprechung").

12

Eine derartige Situation liegt jedoch nicht vor. Gegenstand des zwischen den Parteien bestehenden Streits ist die Frage, ob im Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 eine Versicherungslücke bestanden und der Kläger deshalb gegen § 51 BRAO verstoßen hat. Betroffen ist damit ausschließlich ein in der Vergangenheit liegender, abgeschlossener Sachverhalt. Der Kläger unterliegt nicht dem Risiko und der Unsicherheit, unter dem "Damokles-Schwert" der berufsrechtlichen Sanktionierung ein Verhalten zu beginnen oder fortzusetzen, das möglicherweise von der Beklagten als berufsrechtswidrig bewertet und gerügt werden wird. Er kann, da der berufsrechtlich relevante Sachverhalt bereits abgeschlossen ist, sein Verhalten auch nicht mehr an dem Ergebnis eines Feststellungsrechtsstreits ausrichten und damit eine - ihm gegebenenfalls nicht zumutbare - Verhaltensunsicherheit beseitigen. Vielmehr kann er seine Rechte in vollem Umfang in dem von der Beklagten eingeleiteten Aufsichtsverfahren beziehungsweise in einem gegen eine etwaige aufsichtsrechtliche Maßnahme der Beklagten geführten Anfechtungsprozess wahren. Ein Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung ist vor diesem Hintergrund nicht gegeben.

13

2. Aus den vorgenannten Gründen hat die Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung noch weist sie besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2, 3 VwGO). Der Sachverhalt ist übersichtlich; die Rechtslage ist eindeutig und nicht klärungsbedürftig.

III.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert wird in Übereinstimmung mit der Festsetzung durch den Anwaltsgerichtshof und den Angaben des Klägers gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG auf 4.750 € festgesetzt.

Kayser                           Bünger                           Remmert

                  Quaas                            Schäfer

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 13. Mai 2013 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als der Hilfsantrag des Klägers abgewiesen worden ist.

Es wird festgestellt, dass es sich bei dem von der D.                    Gesellschaft für Aus- und Fortbildung sowie Serviceleistungen mbH am 22. Juni 2012 veranstalteten Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" um eine anwaltliche Fortbildungsveranstaltung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 der Fachanwaltsordnung für das Fachgebiet Verkehrsrecht handelt.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 7.500 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Seit dem 28. Juli 2011 darf er die Bezeichnung "Fachanwalt für Verkehrsrecht" führen. Am 22. Juni 2012 besuchte der Kläger ein sechsstündiges Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik". Unter dem 27. Juni 2012 reichte er die dieses Seminar betreffende Teilnahmebestätigung bei der Beklagten ein und bat um Bestätigung, dass er seiner Fortbildungsverpflichtung für das Jahr 2012 nachgekommen sei. Die Beklagte antwortete, es handele sich um ein allgemeines Seminar ohne besonderen Bezug zum Fachgebiet "Verkehrsrecht". Im folgenden Schriftverkehr stellte die Beklagte sich auf den Standpunkt, ihre Auskunft sei nicht rechtsbehelfsfähig. Ob der Kläger seine Fortbildungsverpflichtung erfüllt habe, werde abschließend erst im Verfahren über den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung wegen Verletzung der Fortbildungspflicht entschieden. Nachdem der Kläger anwaltlichen Beistand in Anspruch genommen und eine Klage, gegebenenfalls auch einen Antrag auf Eilrechtsschutz angekündigt hatte, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 ab, sich zu verpflichten, bis zum Abschluss des zu erwartenden Rechtsstreits von der Einleitung eines Verfahrens auf Rücknahme der Erlaubnis zur Führung des Fachanwaltstitels abzusehen; nach ständiger Übung der Kammer könne die versäumte Fortbildung jedoch ohne Angabe von Gründen bis zum 31. März 2013 nachgeholt werden. Unabhängig hiervon könnten die im Jahr 2013 absolvierten Fortbildungen vorläufig - bis zu einer gerichtlichen Entscheidung - auf die fehlenden sechs Fortbildungsstunden für das Jahr 2012 angerechnet werden. In einem weiteren Schreiben vom 24. Januar 2013 heißt es, die Fortbildungspflicht sei während des laufenden Rechtsstreits nicht suspendiert. Wenn der Kläger bis zum 30. November 2013 keine anerkennungsfähigen Fortbildungsnachweise einreichen werde, werde über einen Widerruf der Befugnis entschieden werden.

2

Der Kläger will erreichen, dass das Seminar, welches hinreichende Bezüge zum Fachgebiet "Verkehrsrecht" aufgewiesen habe, als Fortbildungsnachweis für das Jahr 2012 anerkannt wird. Er hat gemeint, Anspruch auf Anerkennung in Form eines Verwaltungsaktes zu haben, wobei sich die erforderliche Ermächtigungsgrundlage aus § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 1 FAO ergebe. Hilfsweise möge die Anerkennungsfähigkeit festgestellt werden. Das Feststellungsinteresse folge daraus, dass er sein künftiges Verhalten an der begehrten Feststellung ausrichten wolle. Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verpflichten, die von der D.                Gesellschaft für Aus- und Fortbildung sowie Serviceleistungen mbH ausgestellte Bestätigung über die Teilnahme des Klägers an dem Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" am 22. Juni 2012 als Fortbildungsnachweis im Sinne des § 15 Abs. 3 der Fachanwaltsordnung für das Fachgebiet Verkehrsrecht anzuerkennen;

2. hilfsweise festzustellen, dass es sich bei dem von der D.               Gesellschaft für Aus- und Fortbildung sowie Serviceleistungen mbH am 22. Juni 2012 veranstalteten Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" um eine anwaltliche Fortbildungsveranstaltung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 der Fachanwaltsordnung für das Fachgebiet Verkehrsrecht handelt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

3

Sie hat die Klage insgesamt für unzulässig gehalten, weil dem Kläger derzeit kein Widerruf der Erlaubnis zum Führen des Fachanwaltstitels drohe.

4

Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, außerhalb eines Widerrufsverfahrens durch selbständigen Verwaltungsakt über die Anerkennungsfähigkeit von Fortbildungsveranstaltungen und über die Erfüllung der Fortbildungspflicht zu entscheiden. Die Klage könne nicht in eine Anfechtungsklage umgedeutet werden, weil die von der Beklagten erteilte Auskunft kein Verwaltungsakt sei; sie stelle weder eine Belehrung noch eine Rüge dar. Der Hilfsantrag sei als Feststellungsantrag zulässig, aber nicht begründet. Ob ein allgemeiner Bezug zum Fachgebiet ausreiche oder ob sich die Fortbildung speziell auf ein Thema oder Gebiet des § 14d FAO beziehen müsse, könne offenbleiben. Ein Bezug zum Fachgebiet Verkehrsrecht, insbesondere zum Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht und zu den Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung im Verkehrsrecht könne durchaus hergestellt werden. Das Seminar habe jedoch nur Grundkenntnisse allgemeiner Art vermittelt.

5

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen und beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 13. Mai 2013, Az. BayAGH I – 28/12,

1. die Beklagte zu verpflichten, die von der D.               Gesellschaft für Aus- und Fortbildung sowie Serviceleistungen mbH ausgestellte Bestätigung über die Teilnahme des Klägers an dem Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" am 22. Juni 2012 als Fortbildungsnachweis im Sinne des § 15 Abs. 3 der Fachanwaltsordnung für das Fachgebiet Verkehrsrecht anzuerkennen;

2. hilfsweise festzustellen, dass es sich bei dem von der D.               Gesellschaft für Aus- und Fortbildung sowie Serviceleistungen mbH am 22. Juni 2012 veranstalteten Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" um eine anwaltliche Fortbildungsveranstaltung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 der Fachanwaltsordnung für das Fachgebiet Verkehrsrecht handelt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

6

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

7

Die Berufung führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Verurteilung der Beklagten nach dem Hilfsantrag des Klägers.

8

1. Der Hauptantrag bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes des Inhalts, dass die Bescheinigung des Anbieters des Seminars "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" am 22. Juni 2012 als Fortbildungsnachweis im Sinne des § 15 FAO für das Fachgebiet Verkehrsrecht anerkannt wird. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Gründe der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 112e Satz 2 BRAO, § 130b Satz 2 VwGO). Hinsichtlich des Berufungsvorbringens des Klägers ist ergänzend folgendes auszuführen:

9

a) Weder die Vorschrift des § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO noch diejenige des § 15 Satz 1 und 3 FAO in der hier anwendbaren Fassung vom 1. Juli 2009 ermächtigen die zuständige Rechtsanwaltskammer, im Wege des Verwaltungsaktes abschließend über die Eignung einer Fortbildungsveranstaltung zur Erfüllung der Fortbildungspflicht zu entscheiden. In beiden genannten Vorschriften ist von einer selbständigen Entscheidung über die Anerkennung nicht die Rede. Die Vorschrift des § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO ermächtigt die Kammer, nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen die Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung zu widerrufen, wenn die in der Fachanwaltsordnung vorgeschriebene Fortbildung unterblieben ist. § 15 FAO regelt die Anforderungen an die Fortbildung, die einem Fachanwalt obliegt. Das einzuhaltende Verfahren ergibt sich aus den §§ 17 ff., 25 FAO. Nach § 25 Abs. 2 und 3 FAO ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit Kenntnis des Vorstandes von den sie rechtfertigenden Tatsachen zulässig. Vor der Entscheidung ist der Rechtsanwalt zu hören. Der Widerrufsbescheid ist mit Gründen zu versehen und dem Rechtsanwalt zuzustellen. Danach wird die Kammer erstmals nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres mit der Frage des Widerrufs befasst und hat innerhalb dieses Folgejahres eine Entscheidung zu treffen. Damit wäre auch dem Interesse des Rechtsanwalts an Rechtsklarheit Genüge getan.

10

b) Nach gefestigter Senatsrechtsprechung hat die Kammer bei der Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens über die Widerrufsentscheidung allerdings gegebenenfalls auch nach Ablauf des maßgeblichen Kalenderjahres eingetretene Umstände zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 26. November 2012 - AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175 Rn. 8 f.; vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 10; Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, AnwBl. 2014, 755 Rn. 10). Da die Jahresfrist, innerhalb derer der Widerruf zu erfolgen hat, erst mit Kenntnis aller maßgebenden Umstände beginnt (§ 25 Abs. 2 FAO; vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 37/00, NJW 2001, 1945 f.), kann sich ein längerer Zeitraum der Unsicherheit ergeben. Das liegt jedoch an der Ausgestaltung der Widerrufsentscheidung als Ermessensentscheidung. Der Tatbestand der Erfüllung oder der Nichterfüllung steht nach wie vor mit Ablauf des Kalenderjahres fest (BGH, Urteil vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 10; Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, AnwBl. 2014, 755 Rn. 9). Der Satzungsgeber hat die zitierte, immerhin aus dem Jahr 2001 stammende Rechtsprechung nicht zum Anlass genommen, ein gesondertes, auf die Erfüllung oder Nichterfüllung der Fortbildungsobliegenheit bezogenes und dem Widerrufsverfahren vorgeschaltetes Feststellungsverfahren einzuführen. Erst recht hat er kein Verfahren vorgesehen, welches eine verbindliche Entscheidung über die Erfüllung oder Nichterfüllung der Fortbildungsobliegenheit bereits innerhalb des laufenden Kalenderjahres und damit so rechtzeitig ermöglicht, dass etwa nicht anerkannte Fortbildungen noch rechtzeitig nachgeholt werden können. Da die erstmalige Verletzung der Fortbildungspflicht nicht zwingend zu einem Widerruf führt und eine überobligationsmäßige Fortbildung im folgenden Jahr bei Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens ein Absehen vom Widerruf der Erlaubnis zur Folge haben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, AnwBl. 2014, 755 Rn. 10), ist eine derartige Regelung auch nicht zwingend zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen des Fachanwalts am Fortbestand der Erlaubnis erforderlich.

11

c) Entgegen der Ansicht der Berufung ist die Ermächtigungsgrundlage nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger den Erlass eines für ihn günstigen Verwaltungsaktes begehrt. Wenn die Kammer auf Antrag oder von Amts wegen über die Eignung einer Fortbildungsveranstaltung zu befinden hätte, könnte die Entscheidung positiv oder abschlägig ausfallen. Die Schreiben der Beklagten, in welchen diese eine Anerkennung der Fortbildungsanträge ablehnte, stellen nach Form und Inhalt keine Verwaltungsakte (§ 35 VwVfG) dar. Anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger zitierten Entscheidung BVerwGE 140, 256 Rn. 25. In dieser Entscheidung ging es um eine Vorschrift, die den Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes ausdrücklich vorsah. Das Bundesverwaltungsgericht hat also nicht angenommen, dass der feststellende Verwaltungsakt keiner rechtlichen Grundlage bedurfte, sondern umgekehrt ausgeführt, das angestrebte Ziel - die Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis - könne im Wege eines (in der Verordnung vorgesehenen) feststellenden Verwaltungsaktes oder aber im Wege der Feststellungsklage der gerichtlichen Feststellung erreicht werden. Im Fall, welcher der Entscheidung BVerwGE 117, 133, 134 zugrunde lag, war die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes immerhin dem Gesetz im Wege der Auslegung zu entnehmen.

12

2. Der hilfsweise geltend gemachte Feststellungsantrag hat demgegenüber Erfolg.

13

a) Der Antrag ist zulässig. Feststellungsanträge sind im Verfahren der Anwaltsgerichtsbarkeit seit der Änderung des Verfahrensrechts zum 1. September 2009 und dem damit verbundenen Wegfall der Vorschriften der §§ 39 ff., 223 BRAO a.F. nicht mehr grundsätzlich unzulässig (BGH, Beschluss vom 24. Februar 2016 - AnwZ (Brfg) 62/15, juris Rn. 7). Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 VwGO).

14

aa) Das erforderliche konkrete Rechtsverhältnis zwischen den Parteien folgt aus der bereits zitierten Vorschrift des § 15 FAO in der hier maßgeblichen Fassung vom 1. Juli 2009, nach welcher der Kläger sich im Jahr 2012 fortzubilden und die Fortbildung unaufgefordert der Beklagten nachzuweisen hatte.

15

bb) Auch ein Feststellungsinteresse kann nicht verneint werden. Die Frage, ob das vom Kläger im Jahre 2012 besuchte Seminar als Fortbildungsveranstaltung im Sinne von § 15 FAO für einen Fachanwalt für Verkehrsrecht anzusehen ist, ist zwar in erster Linie eine Vorfrage für die Entscheidung der Beklagten über die Frage des Widerrufs der Befugnis, den Titel eines Fachanwalts für Verkehrsrecht zu führen. Hätte die Beklagte - wie es möglicherweise der Absicht der Satzungsversammlung entsprach, nach deren Vorstellung wohl bereits die einmalige Nichterfüllung der Fortbildungs- und Nachweispflicht einen Widerruf der Fachanwaltserlaubnis nach sich ziehen sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 37/00, NJW 2001, 1945 mwN) - unverzüglich nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres eine gebundene Entscheidung über den Widerruf zu treffen, ließe sich ein schutzwürdiges Interesse an einer dem Streit über den Widerruf vorgelagerten verbindlichen Feststellung schwerlich bejahen.

16

Es handelt sich jedoch nicht um eine gebundene Entscheidung, sondern um eine Ermessensentscheidung. Bei der Ausübung des Ermessens kann auch eine nachträgliche überobligationsmäßige Fortbildung im folgenden Kalenderjahr zu berücksichtigen sein (BGH, Urteil vom 26. November 2012 - AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175 Rn. 8 f.; vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 10; Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, AnwBl. 2014, 755 Rn. 10). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat die Beklagte eigener Darstellung nach die in den Folgejahren vorgelegten Nachweise jeweils auf die älteste ihrer Ansicht nach noch offene Fortbildungsobliegenheit angerechnet. Solange der Kläger seiner Fortbildungsobliegenheit nachkommt, hat sie bei dieser Vorgehensweise keinen Anlass, ein Widerrufsverfahren im Hinblick auf das Jahr 2012 einzuleiten. Der Kläger könnte sich damit zufrieden geben und sich bis zum Ende seines Berufslebens nach Maßgabe des § 15 FAO fortbilden. Er liefe dann jedoch Gefahr, dass eine künftige Nichterfüllung der jährlichen Fortbildungsobliegenheit - sei sie auf Meinungsverschiedenheiten über die Eignung eines Seminars, sei sie auf unverschuldete Unmöglichkeit der Teilnahme an einem zweifelsfrei geeigneten Seminar zurückzuführen - als Wiederholungsfall eingestuft würde, was Auswirkungen auf die Ausübung des Ermessens im Widerrufsverfahren hätte. Gegebenenfalls würde die Eignung des Seminars vom 22. Juni 2012 viele Jahre später beurteilt werden müssen. Aufgrund dieser besonderen Vorgehensweise der Beklagten kennt der Kläger - der sich ja grundsätzlich rechtstreu verhalten will - auf Dauer den Umfang seiner Fortbildungsobliegenheit nicht. Darauf, dass die Fortbildung für das Jahr 2012 schon lange nicht mehr nachgeholt werden kann, kommt es nicht an. Der Streit über die Eignung des Seminars ist nicht nur im Hinblick auf künftige Ermessensentscheidungen von Bedeutung, was der Senat - allerdings unter der Geltung des alten Verfahrensrechts - nicht für ausreichend erachtet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 38/05, NJW 2006, 2926 f.). Diese andauernde Unsicherheit lässt sich für den Kläger nur durch die begehrte Feststellung beseitigen.

17

b) Der Antrag ist auch begründet. Das Seminar vom 22. Juni 2012 genügte den Anforderungen, die an eine anwaltliche Fortbildungsveranstaltung auf dem Fachgebiet "Verkehrsrecht" zu stellen sind.

18

aa) Die hier maßgebliche Vorschrift des § 15 Satz 1 FAO in der Fassung vom 1. Juli 2009 sah vor, dass der Fachanwalt an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung auf seinem Fachgebiet teilzunehmen hatte. Die Beifügung "auf diesem Gebiet" kann sprachlich auch allein auf die Fortbildungsform des wissenschaftlichen Publizierens bezogen werden. Zwingend ist dies jedoch nicht. In der ersten Fassung des § 15 FAO vom 1. September 1999 hieß es, der eine Fachanwaltsbezeichnung führende Rechtsanwalt müsse "auf diesem Fachgebiet" jährlich an einer Fortbildungsveranstaltung teilnehmen. Durch die Einfügung des wissenschaftlichen Publizierens als weitere Fortbildungsart durch § 15 FAO in der Fassung vom 1. Januar 2003, die zu der geschilderten sprachlichen Unklarheit geführt hat, sollten jedoch die Anforderungen an die "Fortbildungsveranstaltung" nicht verändert werden; jedenfalls gibt es hierfür keine Anhaltspunkte (vgl. Möller, NJW 2014, 2758, 2760). Die seit dem 1. Januar 2015 geltende Fassung des § 15 sieht dementsprechend vor, dass der Fachanwalt an "fachspezifischen der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen" hörend oder dozierend teilzunehmen habe. Dass die Fortbildungsveranstaltung i.S.v. § 15 FAO einen Bezug zum Fachgebiet des jeweiligen Fachanwalts aufweisen muss, wird von den Parteien auch nicht in Zweifel gezogen. Welche Bereiche zum Fachgebiet "Verkehrsrecht" gehörten, ist der Vorschrift des § 14d FAO zu entnehmen.

19

Weitere Anforderungen an eine den Anforderungen des § 15 FAO genügende Fortbildungsveranstaltung ergeben sich aus dem Zusammenspiel des § 15 FAO mit anderen Vorschriften der Fachanwaltsordnung und der Bundesrechtsanwaltsordnung. Auszugehen ist von § 43c Abs. 1 BRAO. Nach dieser Vorschrift wird die Befugnis, eine Fachanwaltsbezeichnung zu führen, nur einem solchen Rechtsanwalt verliehen, der besondere Kenntnisse und Erfahrungen in einem Rechtsgebiet erworben hat. Die satzungsrechtlichen Vorschriften, welche die Voraussetzungen der Verleihung der Fachanwaltsbezeichnungen betreffen (§§ 2 ff. FAO), nehmen diese Formulierung auf. Der Anwärter muss danach besondere theoretische Kenntnisse auf dem jeweiligen Gebiet nachweisen (§ 4 FAO) und besondere praktische Erfahrungen auf ihm gesammelt haben (§ 6 FAO).

20

An die Pflichtfortbildung können keine geringeren Anforderungen gestellt werden. Sie muss besondere Kenntnisse vermitteln. Es kann nicht darum gehen, den (erneuten) Erwerb von Grundlagenkenntnissen nachzuweisen, die bei jedem Anwalt vorausgesetzt werden können. Die Fortbildung nach § 15 FAO dient vielmehr dem Aufbau, der Vertiefung und der Aktualisierung der bereits vorhandenen besonderen Kenntnisse des Fachanwalts (vgl. Vossebürger in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 15 FAO Rn. 4a; Quaas in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 15 FAO Rn. 14). Nur diese Auslegung wird auch dem Ziel des § 15 FAO gerecht. Die Vorschrift soll erreichen, dass der Fachanwalt nicht nur bei Erwerb des Fachanwaltstitels über besondere theoretische Kenntnisse und praktischen Erfahrungen auf seinem Fachgebiet verfügt, sondern auch später und dauerhaft. Sie dient damit der Qualitätssicherung (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 37/00, NJW 2001, 1945, 1946). Dadurch wird das rechtsuchende Publikum geschützt, welches auf den Fachanwaltstitel vertraut, ohne zu wissen, wann dieser verliehen worden ist. Zugleich soll ein einheitlicher Qualitätsstandard aller Fachanwälte gesichert werden (Quaas in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 15 FAO Rn. 8).

21

bb) Das Seminar, welches der Kläger am 22. Juni 2012 besucht hat, entsprach diesen Anforderungen.

22

(1) Das Seminar kann den Bereichen "Verkehrszivilrecht" (§ 14d Nr. 1 FAO), "Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht" (§ 14d Nr. 3 FAO) und "Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung" (§ 14d Nr. 5 FAO) des Fachgebiets "Verkehrsrecht" zugeordnet werden. Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik können allerdings durchaus auch in anderen Fachgebieten von Bedeutung sein. Die Beklagte verweist zutreffend darauf, dass jeder forensisch tätige Rechtsanwalt vom Besuch eines derartigen Seminars profitieren könnte. Dieser Umstand allein schließt die Eignung des Seminars zur Pflichtfortbildung eines Fachanwalts jedoch nicht aus. Fachanwaltsfortbildungen dürfen mehr als ein Fachgebiet betreffen, wenn sie Fachwissen behandeln, welches auf mehr als einem Gebiet von Bedeutung ist (vgl. etwa Offermann-Burckart, Fachanwalt werden und bleiben, 3. Aufl. Rn. 1348; Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 5. Aufl., § 15 FAO Rn. 60). Die besondere Bedeutung der Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik für das Fachgebiet "Verkehrsrecht" erschließt sich ohne weiteres daraus, dass sich die Ereignisse, welchen den Fällen dieses Fachgebiets zugrunde liegen, durchweg in der Öffentlichkeit, nämlich im Straßenverkehr abspielen und überdurchschnittlich häufig von zunächst unbeteiligten Personen, die dann als Zeugen in Betracht kommen, wahrgenommen werden. In diesem Punkt unterscheidet sich das Verkehrsrecht von anderen Fachgebieten, etwa denjenigen, in denen es um Vertragsrecht geht; hier steht häufig eher die Auslegung der Verträge im Zentrum des Rechtsstreits. Einer der Schwerpunkte des fraglichen Seminars lag folgerichtig auf dem Gebiet des Verkehrsrechts. Der Referent hat in seiner als Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 14. August 2013 überreichten Stellungnahme erklärt, vor allem Fälle und Beispiele aus den Bereichen Straf-, Verkehrs-, Familien-, Versicherungs- und Baurecht behandelt zu haben. Insofern handelt es sich auch nicht um ein bloßes Querschnittsseminar ohne spezifischen Bezug zum Verkehrsrecht.

23

(2) Entgegen der Ansicht des Anwaltsgerichtshofs vermittelte das Seminar auch nicht nur Grundkenntnisse, die bei jedem forensisch tätigen Rechtsanwalt vorausgesetzt werden können. Die ausweislich der überreichten Unterlagen und der ergänzenden Stellungnahme des Referenten im Seminar vermittelten Grundlagen der Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik sind von den im Studium und Referendariat vermittelten juristischen Grundkenntnissen zu unterscheiden, welche eine Fachanwaltsbezeichnung nicht zu rechtfertigen vermögen. Die schriftlichen Unterlagen, welche der Anwaltsgerichtshof für unzulänglich hielt, enthielten den Angaben des Referenten zufolge zudem nur das Grundlagenwissen, welches im Seminar vorausgesetzt und auf welchem aufgebaut wurde. Dass ein Skript von 29 Seiten nicht ausreicht, um ein sechsstündiges Seminar zu bestreiten, liegt auf der Hand. Ein Rechtsanwalt, der die Grundlagen der Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik beherrscht, wird überdies den auf diesem Gebiet nicht besonders geschulten Rechtsanwälten regelmäßig überlegen sein. Dies rechtfertigt jedenfalls dann die (weitere) Führung einer Fachanwaltsbezeichnung, wenn es - wie hier - um einen Fachbereich geht, in denen die Sachverhaltsermittlung durch Zeugenbeweis typischerweise von besonderer Bedeutung ist. Dass die hier in Frage stehende Fortbildung nicht alle Bereiche des Fachgebiets "Verkehrsrecht" ausschöpft, steht ihrer Anerkennung nicht entgegen.

24

3. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 155 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert wurde nach § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 GKG festgesetzt.

Limperg                          Lohmann                              Remmert

                   Braeuer                                Merk

(1) Soweit dieses Gesetz keine abweichenden Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren enthält, gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Der Anwaltsgerichtshof steht einem Oberverwaltungsgericht gleich; § 112e bleibt unberührt.

(2) Die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter sowie die §§ 35, 36 und 47 der Verwaltungsgerichtsordnung sind nicht anzuwenden. Die Fristen des § 116 Abs. 2 und des § 117 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung betragen jeweils fünf Wochen.

(3) Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage endet abweichend von § 80b der Verwaltungsgerichtsordnung mit der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Der Vorstand hat die ihm durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Ihm obliegen auch die der Rechtsanwaltskammer in diesem Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse. Er hat die Belange der Kammer zu wahren und zu fördern.

(2) Dem Vorstand obliegt insbesondere,

1.
die Mitglieder der Kammer in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren;
2.
auf Antrag bei Streitigkeiten unter den Mitgliedern der Kammer zu vermitteln; dies umfasst die Befugnis, Schlichtungsvorschläge zu unterbreiten;
3.
auf Antrag bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern der Kammer und ihren Auftraggebern zu vermitteln; dies umfasst die Befugnis, Schlichtungsvorschläge zu unterbreiten;
4.
die Erfüllung der den Mitgliedern der Kammer obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben;
5.
Rechtsanwälte für die Ernennung zu Mitgliedern des Anwaltsgerichts und des Anwaltsgerichtshofes vorzuschlagen;
6.
Vorschläge gemäß §§ 107 und 166 der Bundesrechtsanwaltskammer vorzulegen;
7.
der Kammerversammlung über die Verwaltung des Vermögens jährlich Rechnung zu legen;
8.
Gutachten zu erstatten, die eine Landesjustizverwaltung, ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde des Landes anfordert;
9.
bei der Ausbildung und Prüfung der Studierenden und der Referendare mitzuwirken, insbesondere qualifizierte Arbeitsgemeinschaftsleiter und die anwaltlichen Mitglieder der juristischen Prüfungsausschüsse vorzuschlagen.

(3) In Beschwerdeverfahren setzt der Vorstand die Person, die die Beschwerde erhoben hatte von seiner Entscheidung in Kenntnis. Die Mitteilung erfolgt nach Abschluss des Verfahrens einschließlich des Einspruchsverfahrens und ist mit einer kurzen Darstellung der wesentlichen Gründe für die Entscheidung zu versehen. § 76 Absatz 1 bleibt unberührt. Die Mitteilung ist nicht anfechtbar.

(4) Der Vorstand kann die in Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Nr. 1 bis 3 und Absatz 3 bezeichneten Aufgaben einzelnen Mitgliedern des Vorstandes übertragen.

(5) Beantragt bei Streitigkeiten zwischen einem Mitglied der Rechtsanwaltskammer und seinem Auftraggeber der Auftraggeber ein Vermittlungsverfahren, so wird dieses eingeleitet, ohne dass es der Zustimmung des Mitglieds bedarf. Ein Schlichtungsvorschlag ist nur verbindlich, wenn er von beiden Seiten angenommen wird.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. September 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen belehrende Hinweise der Beklagten vom 7. Januar 2013 und 15. Februar 2013. Diese waren auf seine Bitte ergangen, die berufsrechtliche Zulässigkeit von ihm ins Auge gefasster und so bezeichneter "Schockwerbung" für seine Kanzlei zu beurteilen. Zugrunde liegt, dass der Kläger zu Werbezwecken Kaffeetassen verbreiten will, die er mit verschiedenen Aufdrucken von Bildern, diesen beigestellten Textzeilen sowie den Kontaktdaten seiner Kanzlei versehen möchte.

2

In Streit stehen noch drei solcher Aufdrucke. Der erste Aufdruck enthält eine mit diagonal verlaufenden roten Linien durchgestrichene fotografische Abbildung. Sie zeigt eine Frau, die ein auf ihren Knien liegendes, ersichtlich schreiendes Mädchen mit einem Gegenstand auf das nackte Gesäß schlägt. Neben dem Bild ist aufgedruckt: "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1631 Abs. 2 BGB)". Der zweite - zeichnerische - Abbildungsabdruck stellt einen eine Pfeife rauchenden Mann dar, der einer auf seinen Knien liegenden erwachsenen Frau mit einem Gegenstand auf das entblößte Gesäß schlägt. Daneben findet sich der Text: "Wurden Sie Opfer einer Straftat?". Der dritte Aufdruck setzt sich zusammen aus einer fotografischen Abbildung einer jungen Frau, die sich erkennbar aus Verzweiflung den Mündungslauf einer Schusswaffe unter das Kinn hält, und der daneben angebrachten Textzeile "Nicht verzagen, R.    fragen".

3

In den genannten Bescheiden gab die Beklagte dem Kläger jeweils auf, die Werbung wegen Unvereinbarkeit mit dem anwaltlichen Berufsrecht sowie dem Wettbewerbsrecht zu unterlassen. Die dem Kläger förmlich zugestellten Bescheide enthielten eine Rechtsmittelbelehrung, wonach binnen eines Monats nach Zustellung Klage beim Anwaltsgerichtshof erhoben werden könne.

4

Die durch den Kläger gegen die Bescheide erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof als unzulässig abgewiesen, weil die belehrenden Hinweise zukünftiges Verhalten beträfen, weswegen ihnen keine Verwaltungsaktqualität zukomme. Der Senat hat die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 21. Januar 2014 zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

5

Die Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.

6

1. Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs ist die Klage allerdings als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

7

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie die angefochtenen Bescheide mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; Beschlüsse vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 62 f.; jeweils m.w.N.). Der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich die Bescheide nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des Klägers beziehen. Zwar hat der Senat zum vormals geltenden Verfahrensrecht mehrfach ausgesprochen, dass Auskünfte der Rechtsanwaltskammern über die Rechtmäßigkeit künftigen Verhaltens des Rechtsanwalts grundsätzlich nicht anfechtbar sind, weil sie keine Schuld feststellen und nicht in dessen Rechte eingreifen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 1962 - AnwZ (B) 10/62, BGHZ 37, 396, 401; vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 20/96, NJW-RR 1997, 759; vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 28/00, BRAK-Mitt 2001, 188, 189; vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 38/05, NJW 2006, 2926 Rn. 2).

8

Jedoch gehen die streitbefangenen Bescheide nach ihrem bei der Auslegung maßgebenden objektiven Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts (vgl. nur von Alemann/Scheffczyk in BeckOK VwVfG, Stand 1. Juli 2014, § 35 Rn. 46 m.w.N.) schon ausweislich der jeweils verwendeten Entscheidungsformel über solche präventive Auskünfte hinaus. Diese stellen fest, dass die Verwendung der verfahrensgegenständlichen Aufdrucke zu Werbezwecken rechtswidrig ist, und sprechen konkrete Verbote aus ("... ist nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht ... vereinbar und daher von Ihnen zu unterlassen"). Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. auch BayVGH, BayVBl 2006, 635; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 35 Rn. 83 m.w.N.). Die Bescheide lassen erkennen, dass sich die Beklagte im Vorgriff auf eine bei Zuwiderhandeln gegen die Verbote ohne Weiteres erfolgende Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Fragen festgelegt hat. Darüber hinaus sind sie mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für das Vorliegen von Verwaltungsakten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7 m.w.N.; BVerwGE 29, 310, 312 f.; 99, 101, 104; BVerwG, NVwZ-RR 2005, 343; Stelkens, aaO, § 35 Rn. 72 m.w.N.; von Alemann/Scheffczyk, aaO, § 35 Rn. 35 f.).

9

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

10

a) Die Beklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung der vorgelegten Aufdrucke in Form belehrender Hinweise nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO mitzuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwalt im Rahmen solcher Hinweise zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, aaO; Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, aaO; jeweils m.w.N.). Gründe, die zu einer anderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kläger aufgrund der Hinweise in keiner Weise gehindert ist, die Aufdrucke gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. zu verbotener Vorzensur BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 70. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 m.w.N.).

11

b) Der Senat teilt die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Meinung der Beklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar ist.

12

aa) Das in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), unter Umständen auch der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656, 2657). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36 und hierzu EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12, NJW 2014, 554 Rn. 18, 20 f.). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" BVerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993 S. 28; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/7656 S. 48) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail krit. - von Lewinski in Hartung, BORA/FAO, 5. Aufl., § 6 BORA Rn. 29; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 43b Rn. 30; Böhnlein in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 43b Rn. 20 f.; jeweils m.w.N.; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.; s. aber dort Rn. 269 m.w.N.).

13

Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienen dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern; mit der Stellung eines Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden Bürgers eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt und mit der eigentlichen Leistung des Anwalts sowie dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun hat (vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO). Verboten werden können danach unter anderem Werbemethoden, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind (BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO; 2001, 2620 m.w.N.).

14

Es ist einem Rechtsanwalt zwar nicht verwehrt, für seine Werbung Bilder oder Fotografien zu verwenden (vgl. Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 32; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 75), Gegenstände wie etwa Tassen als Werbeträger einzusetzen (Prütting, aaO, § 43b BRAO, Rn. 37; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 87) oder auch Ironie und Sprachwitz als Stilmittel zu gebrauchen (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324, 3325; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 26). Die Grenzen zulässiger Werbung sind jedoch überschritten, wenn die Werbung darauf abzielt, gerade durch ihre reißerische und/oder sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge, dass ein etwa vorhandener Informationswert in den Hintergrund gerückt wird oder gar nicht mehr erkennbar ist (vgl. auch BGH, Urteile vom 1. März 2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 76 und vom 21. Februar 2002 - I ZR 281/99, NJW 2002, 2642, 2644). Derartige Werbemethoden sind geeignet, die Rechtsanwaltschaft als seriöse Sachwalterin der Interessen Rechtsuchender zu beschädigen (vgl. auch BVerfG [Kammer], BRAK-Mitt. 2000, 137, 138; Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 38).

15

bb) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b BRAO) überschreiten aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324 m.w.N.) in der gebotenen Gesamtbetrachtung der Bilder und der ihnen jeweils beigestellten Textzeilen sämtliche streitbefangenen Aufdrucke.

16

(1) Diese Bewertung wird für den Aufdruck 1 nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Textzeile "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1626 Abs. 2 BGB)" für sich genommen einen gewissen Informationsgehalt aufweist und als solche in einer anwaltlichen Werbung nicht zu beanstanden wäre. Denn "Blickfang" für den Betrachter ist - vom Kläger auch so beabsichtigt - die realistische Darstellung des Verprügelns eines Kindes. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass das Kind am Unterleib nackt ist, wobei die Unterhose bis zu den Knien herabgezogen ist. Da Nacktheit fraglos kein essentielles Element der Darstellung einer Kindesmisshandlung ist, legt dies die Annahme nahe, dass bei einem Teil des Betrachterkreises auch sexuelles Interesse geweckt werden soll. Die mit dem Bild in Zusammenhang gestellte Tatsache, dass die körperliche Misshandlung von Kindern im Rahmen der Erziehung in Deutschland seit langem ausdrücklich verboten ist, gerät auf diese Weise zu bloßem Beiwerk und vermag deshalb auch nicht - was der Kläger zuletzt in den Vordergrund gerückt hat - einen Beitrag zu einer gesellschaftskritischen Auseinandersetzung zu leisten, zumal die Abbildung auf zu Werbezwecken verbreiteten, vom Kläger so genannten "Humpen" aufgedruckt ist. Auch der Umstand, dass der Aufdruck durchgestrichen ist, kann in Anbetracht der reißerischen und sexualisierenden Darstellung keinen Ausgleich schaffen. Die Beklagte hat mit Recht darauf hingewiesen, dass solche Werbung geeignet wäre, bei der rechtsuchenden Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, die Rechtsanwaltschaft habe Derartiges nötig, um Mandate zu erlangen, und damit das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt zu beeinträchtigen.

17

(2) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Textzeile gemäß Aufdruck 2 "Wurden Sie Opfer einer Straftat?" etwa deswegen noch eine hinreichend berufsbezogene Information enthält, weil möglichen Rechtsuchenden - hier dem freilich wohl eher vordergründig angesprochenen Adressatenkreis der Opfer häuslicher Gewalt - in der Zusammenschau mit der Berufsangabe des Klägers und seinen Kontaktdaten vermittelt wird, dass durch diesen eine Beratung beispielsweise über zivil-, straf- oder sozialrechtliche Verletztenrechte angeboten wird. Denn es dominiert der gestalterisch hergestellte Zusammenhang mit einer an eine Karikatur erinnernden Zeichnung, die sich in einer klischeehaften Entstellung forensisch bekannter Phänomene häuslicher Gewalt erschöpft. Hierdurch werden dieser Adressatenkreis sowie sein Rechtsschutzbedürfnis abgewertet sowie ins Lächerliche gezogen und für die "Werbebotschaft" instrumentalisiert. Die stark sexualisierende Darstellung mit einem in das Zentrum des Bildes gerückten entblößten Gesäß einer erwachsenen Frau, deren Unterhose bis zu den Oberschenkeln heruntergezogen ist, kommt hinzu. Solches erscheint in anwaltlicher Werbung nicht tragbar.

18

(3) Ebenfalls durch eine unangemessene Ironisierung geprägt ist angesichts des neben der Abbildung einer verzweifelten potentiellen Suizidentin angebrachten Reims "Nicht verzagen, R.    fragen" der Aufdruck 3. Zugleich ist er aufgrund der martialischen Darstellung einer Schusswaffe am Kinn eines Menschen abermals durch eine reißerische Aufmachung gekennzeichnet. Überdies vermittelt die Gesamtschau des Aufdrucks keinen spezifischen Hinweis auf das Berufsbild des Rechtsanwalts oder gar auf das konkrete Tätigkeitsfeld des Klägers. Durch die fotografisch dargestellte äußerste Verzweiflung eines Menschen in Verbindung mit dem genannten Reim wird vielmehr eine umfassende Hilfe in allen denkbaren Lebenslagen suggeriert, die der Kläger kaum zu leisten imstande wäre. Ein Zusammenhang mit anwaltlicher Betätigung kann allenfalls in loser Assoziation hergestellt werden und wäre in der Sache verzerrt.

II.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser                        König                         Remmert

                Martini                       Quaas

(1) Der Vorstand kann das Verhalten eines Rechtsanwalts, durch das dieser ihm obliegende Pflichten verletzt hat, rügen, wenn die Schuld des Rechtsanwalts gering ist und ein Antrag auf Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich erscheint. § 113 Absatz 2 und 4, die §§ 115b und 118 Absatz 1 und 2 sowie die §§ 118a und 118b gelten entsprechend. Für die Verjährung und deren Ruhen gilt § 115 Absatz 1 Satz 1 und 3 sowie Absatz 2. Die erste Anhörung des Rechtsanwalts unterbricht die Verjährung ebenso wie die erste Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft im anwaltsgerichtlichen Verfahren.

(2) Eine Rüge darf nicht erteilt werden,

1.
wenn gegen den Rechtsanwalt ein anwaltsgerichtliches Verfahren eingeleitet wurde oder
2.
während ein Verfahren nach § 123 anhängig ist.

(3) Bevor die Rüge erteilt wird, ist der Rechtsanwalt zu hören.

(4) Der Bescheid des Vorstandes, durch den das Verhalten des Rechtsanwalts gerügt wird, ist zu begründen. Er ist dem Rechtsanwalt zuzustellen. Eine Abschrift des Bescheides ist der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht mitzuteilen.

(5) Gegen den Bescheid kann der Rechtsanwalt binnen eines Monats nach der Zustellung bei dem Vorstand Einspruch erheben. Über den Einspruch entscheidet der Vorstand; Absatz 4 ist entsprechend anzuwenden.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf zugelassene Berufsausübungsgesellschaften entsprechend anzuwenden, wenn in den Fällen des § 113 Absatz 3 die Bedeutung der Pflichtverletzung gering ist und ein Antrag auf Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich erscheint. § 113 Absatz 5, die §§ 113b und 118c Absatz 2 sowie die §§ 118d bis 118f sind entsprechend anzuwenden.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 26. Februar 2015 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger wendet sich gegen einen durch die Beklagte ausgesprochenen "belehrenden Hinweis" vom 22. Mai 2014. Darin wird die Gestaltung des Briefkopfs seiner Geschäftspapiere insoweit beanstandet, als dort neben dem Namen des Klägers unter anderem der Name einer Diplom-Wirtschaftsjuristin (FH) aufgeführt ist, ohne dass durch Zusätze klargestellt wird, dass kein Fall der gemeinschaftlichen Berufsausübung vorliegt. Die nach durchgeführtem Widerspruchsverfahren gegen die Beanstandung erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie der angefochtene Bescheid ein Handlungsgebot oder ein Handlungsverbot aussprechen, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angegriffen werden können (vgl. BGH, Urteile vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7; vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; jeweils mwN).

3

2. Ein Zulassungsgrund (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 VwGO) ist nicht gegeben.

4

a) Der durch den Kläger der Sache nach geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

5

aa) Entgegen der Auffassung des Klägers stellt die Verwendung eines gemeinsamen Briefkopfs ein werbendes Verhalten dar, das darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rechtsanwalts zu gewinnen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 18; Beschluss vom 23. September 2002 - AnwZ (B) 67/01, NJW 2003, 346; jeweils mwN). Sie unterliegt damit den anwaltliche Werbemaßnahmen einschränkenden Bestimmungen der §§ 43b, 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO i.V.m. §§ 8 ff. BORA, wobei im Lichte der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit im Einzelfall nicht die Gestattung der Anwaltswerbung, sondern deren Beschränkung einer besonderen Rechtfertigung bedarf (BGH, Urteile vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, aaO; vom 1. März 2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 74 f.).

6

bb) Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der Anwaltsgerichtshof die Ausgestaltung des durch den Kläger verwendeten Briefkopfes mit Recht als irreführend angesehen. Im angefochtenen Urteil wird maßgebend darauf abgestellt, dass durch den verwendeten Briefkopf der Eindruck erweckt wird, es bestehe zwischen dem Kläger und der Diplom-Wirtschaftsjuristin (FH) eine berufliche Zusammenarbeit in Form einer Sozietät. Dies trifft jedoch - was der Kläger auch im Zulassungsantrag nicht in Abrede stellt - gerade nicht zu. Es hätte ihm deshalb oblegen, einen klarstellenden Hinweis auf diesen Umstand aufzunehmen (§ 8 Satz 2 BORA).

7

b) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat der Kläger nicht ausreichend dargelegt (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

8

aa) Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2015 - AnwZ (Brfg) 31/15 Rn. 11 mwN). Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie zu ihrer Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihrer Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Berufungsgerichts erforderlich ist.

9

bb) Das Verlangen nach einem klarstellenden Hinweis auf die tatsächlichen Verhältnisse in der Kanzlei des Klägers findet seine Grundlage in der eindeutigen und insoweit keiner anderweitigen Interpretation zugänglichen Regelung des § 8 Satz 2 BORA. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anwendung der Vorschrift auf den vorliegenden Fall hegt der Senat nicht. Diese beruht auf der Ermächtigungsgrundlage des § 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO und wird von der Rechtsprechung sowie der herrschenden Kommentarliteratur der Rechtsanwendung zugrunde gelegt (vgl. Bormann in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 8 BORA/§ 59a BRAO Rn. 1, 5, 8 mwN). Sie dient dem Schutz der Rechtsuchenden vor Irreführung, mithin einem wichtigen Belang des Gemeinwohls, der die - überaus geringfügige - Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit des Klägers (Art. 12 Abs. 1 GG) rechtfertigt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. September 2015 - AnwZ (Brfg) 31/15 Rn. 12).

10

Der Hinweis des Klägers auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Mai 2013 (II ZB 7/11, NJW 2013, 2674) geht schon deswegen fehl, weil vorliegend nicht die verfassungsrechtliche Beurteilung des § 59a Abs. 1 BRAO, sondern die Notwendigkeit zutreffender Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse in Frage steht (vgl. auch Träger in Feuerich/Weyland, 9. Aufl., § 8 BORA Rn. 8; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 8 BORA Rn. 2). Zudem sind Gegenstand der genannten Entscheidung die Berufe des Arztes und des Apothekers, die sich in mehrfacher Hinsicht von dem des Diplom-Wirtschaftsjuristen (FH) unterscheiden (vgl. unter anderem zur strafbewehrten eigenständigen Schweigepflicht, zu den strafprozessualen Schutzvorschriften und zur Berufsaufsicht BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - II ZB 7/11, aaO Rn. 60, 66 ff.).

11

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Limperg                      König                    Remmert

                Braeuer                      Kau

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. September 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen belehrende Hinweise der Beklagten vom 7. Januar 2013 und 15. Februar 2013. Diese waren auf seine Bitte ergangen, die berufsrechtliche Zulässigkeit von ihm ins Auge gefasster und so bezeichneter "Schockwerbung" für seine Kanzlei zu beurteilen. Zugrunde liegt, dass der Kläger zu Werbezwecken Kaffeetassen verbreiten will, die er mit verschiedenen Aufdrucken von Bildern, diesen beigestellten Textzeilen sowie den Kontaktdaten seiner Kanzlei versehen möchte.

2

In Streit stehen noch drei solcher Aufdrucke. Der erste Aufdruck enthält eine mit diagonal verlaufenden roten Linien durchgestrichene fotografische Abbildung. Sie zeigt eine Frau, die ein auf ihren Knien liegendes, ersichtlich schreiendes Mädchen mit einem Gegenstand auf das nackte Gesäß schlägt. Neben dem Bild ist aufgedruckt: "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1631 Abs. 2 BGB)". Der zweite - zeichnerische - Abbildungsabdruck stellt einen eine Pfeife rauchenden Mann dar, der einer auf seinen Knien liegenden erwachsenen Frau mit einem Gegenstand auf das entblößte Gesäß schlägt. Daneben findet sich der Text: "Wurden Sie Opfer einer Straftat?". Der dritte Aufdruck setzt sich zusammen aus einer fotografischen Abbildung einer jungen Frau, die sich erkennbar aus Verzweiflung den Mündungslauf einer Schusswaffe unter das Kinn hält, und der daneben angebrachten Textzeile "Nicht verzagen, R.    fragen".

3

In den genannten Bescheiden gab die Beklagte dem Kläger jeweils auf, die Werbung wegen Unvereinbarkeit mit dem anwaltlichen Berufsrecht sowie dem Wettbewerbsrecht zu unterlassen. Die dem Kläger förmlich zugestellten Bescheide enthielten eine Rechtsmittelbelehrung, wonach binnen eines Monats nach Zustellung Klage beim Anwaltsgerichtshof erhoben werden könne.

4

Die durch den Kläger gegen die Bescheide erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof als unzulässig abgewiesen, weil die belehrenden Hinweise zukünftiges Verhalten beträfen, weswegen ihnen keine Verwaltungsaktqualität zukomme. Der Senat hat die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 21. Januar 2014 zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

5

Die Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.

6

1. Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs ist die Klage allerdings als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

7

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie die angefochtenen Bescheide mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; Beschlüsse vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 62 f.; jeweils m.w.N.). Der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich die Bescheide nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des Klägers beziehen. Zwar hat der Senat zum vormals geltenden Verfahrensrecht mehrfach ausgesprochen, dass Auskünfte der Rechtsanwaltskammern über die Rechtmäßigkeit künftigen Verhaltens des Rechtsanwalts grundsätzlich nicht anfechtbar sind, weil sie keine Schuld feststellen und nicht in dessen Rechte eingreifen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 1962 - AnwZ (B) 10/62, BGHZ 37, 396, 401; vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 20/96, NJW-RR 1997, 759; vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 28/00, BRAK-Mitt 2001, 188, 189; vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 38/05, NJW 2006, 2926 Rn. 2).

8

Jedoch gehen die streitbefangenen Bescheide nach ihrem bei der Auslegung maßgebenden objektiven Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts (vgl. nur von Alemann/Scheffczyk in BeckOK VwVfG, Stand 1. Juli 2014, § 35 Rn. 46 m.w.N.) schon ausweislich der jeweils verwendeten Entscheidungsformel über solche präventive Auskünfte hinaus. Diese stellen fest, dass die Verwendung der verfahrensgegenständlichen Aufdrucke zu Werbezwecken rechtswidrig ist, und sprechen konkrete Verbote aus ("... ist nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht ... vereinbar und daher von Ihnen zu unterlassen"). Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. auch BayVGH, BayVBl 2006, 635; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 35 Rn. 83 m.w.N.). Die Bescheide lassen erkennen, dass sich die Beklagte im Vorgriff auf eine bei Zuwiderhandeln gegen die Verbote ohne Weiteres erfolgende Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Fragen festgelegt hat. Darüber hinaus sind sie mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für das Vorliegen von Verwaltungsakten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7 m.w.N.; BVerwGE 29, 310, 312 f.; 99, 101, 104; BVerwG, NVwZ-RR 2005, 343; Stelkens, aaO, § 35 Rn. 72 m.w.N.; von Alemann/Scheffczyk, aaO, § 35 Rn. 35 f.).

9

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

10

a) Die Beklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung der vorgelegten Aufdrucke in Form belehrender Hinweise nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO mitzuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwalt im Rahmen solcher Hinweise zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, aaO; Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, aaO; jeweils m.w.N.). Gründe, die zu einer anderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kläger aufgrund der Hinweise in keiner Weise gehindert ist, die Aufdrucke gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. zu verbotener Vorzensur BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 70. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 m.w.N.).

11

b) Der Senat teilt die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Meinung der Beklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar ist.

12

aa) Das in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), unter Umständen auch der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656, 2657). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36 und hierzu EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12, NJW 2014, 554 Rn. 18, 20 f.). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" BVerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993 S. 28; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/7656 S. 48) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail krit. - von Lewinski in Hartung, BORA/FAO, 5. Aufl., § 6 BORA Rn. 29; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 43b Rn. 30; Böhnlein in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 43b Rn. 20 f.; jeweils m.w.N.; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.; s. aber dort Rn. 269 m.w.N.).

13

Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienen dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern; mit der Stellung eines Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden Bürgers eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt und mit der eigentlichen Leistung des Anwalts sowie dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun hat (vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO). Verboten werden können danach unter anderem Werbemethoden, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind (BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO; 2001, 2620 m.w.N.).

14

Es ist einem Rechtsanwalt zwar nicht verwehrt, für seine Werbung Bilder oder Fotografien zu verwenden (vgl. Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 32; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 75), Gegenstände wie etwa Tassen als Werbeträger einzusetzen (Prütting, aaO, § 43b BRAO, Rn. 37; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 87) oder auch Ironie und Sprachwitz als Stilmittel zu gebrauchen (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324, 3325; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 26). Die Grenzen zulässiger Werbung sind jedoch überschritten, wenn die Werbung darauf abzielt, gerade durch ihre reißerische und/oder sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge, dass ein etwa vorhandener Informationswert in den Hintergrund gerückt wird oder gar nicht mehr erkennbar ist (vgl. auch BGH, Urteile vom 1. März 2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 76 und vom 21. Februar 2002 - I ZR 281/99, NJW 2002, 2642, 2644). Derartige Werbemethoden sind geeignet, die Rechtsanwaltschaft als seriöse Sachwalterin der Interessen Rechtsuchender zu beschädigen (vgl. auch BVerfG [Kammer], BRAK-Mitt. 2000, 137, 138; Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 38).

15

bb) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b BRAO) überschreiten aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324 m.w.N.) in der gebotenen Gesamtbetrachtung der Bilder und der ihnen jeweils beigestellten Textzeilen sämtliche streitbefangenen Aufdrucke.

16

(1) Diese Bewertung wird für den Aufdruck 1 nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Textzeile "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1626 Abs. 2 BGB)" für sich genommen einen gewissen Informationsgehalt aufweist und als solche in einer anwaltlichen Werbung nicht zu beanstanden wäre. Denn "Blickfang" für den Betrachter ist - vom Kläger auch so beabsichtigt - die realistische Darstellung des Verprügelns eines Kindes. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass das Kind am Unterleib nackt ist, wobei die Unterhose bis zu den Knien herabgezogen ist. Da Nacktheit fraglos kein essentielles Element der Darstellung einer Kindesmisshandlung ist, legt dies die Annahme nahe, dass bei einem Teil des Betrachterkreises auch sexuelles Interesse geweckt werden soll. Die mit dem Bild in Zusammenhang gestellte Tatsache, dass die körperliche Misshandlung von Kindern im Rahmen der Erziehung in Deutschland seit langem ausdrücklich verboten ist, gerät auf diese Weise zu bloßem Beiwerk und vermag deshalb auch nicht - was der Kläger zuletzt in den Vordergrund gerückt hat - einen Beitrag zu einer gesellschaftskritischen Auseinandersetzung zu leisten, zumal die Abbildung auf zu Werbezwecken verbreiteten, vom Kläger so genannten "Humpen" aufgedruckt ist. Auch der Umstand, dass der Aufdruck durchgestrichen ist, kann in Anbetracht der reißerischen und sexualisierenden Darstellung keinen Ausgleich schaffen. Die Beklagte hat mit Recht darauf hingewiesen, dass solche Werbung geeignet wäre, bei der rechtsuchenden Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, die Rechtsanwaltschaft habe Derartiges nötig, um Mandate zu erlangen, und damit das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt zu beeinträchtigen.

17

(2) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Textzeile gemäß Aufdruck 2 "Wurden Sie Opfer einer Straftat?" etwa deswegen noch eine hinreichend berufsbezogene Information enthält, weil möglichen Rechtsuchenden - hier dem freilich wohl eher vordergründig angesprochenen Adressatenkreis der Opfer häuslicher Gewalt - in der Zusammenschau mit der Berufsangabe des Klägers und seinen Kontaktdaten vermittelt wird, dass durch diesen eine Beratung beispielsweise über zivil-, straf- oder sozialrechtliche Verletztenrechte angeboten wird. Denn es dominiert der gestalterisch hergestellte Zusammenhang mit einer an eine Karikatur erinnernden Zeichnung, die sich in einer klischeehaften Entstellung forensisch bekannter Phänomene häuslicher Gewalt erschöpft. Hierdurch werden dieser Adressatenkreis sowie sein Rechtsschutzbedürfnis abgewertet sowie ins Lächerliche gezogen und für die "Werbebotschaft" instrumentalisiert. Die stark sexualisierende Darstellung mit einem in das Zentrum des Bildes gerückten entblößten Gesäß einer erwachsenen Frau, deren Unterhose bis zu den Oberschenkeln heruntergezogen ist, kommt hinzu. Solches erscheint in anwaltlicher Werbung nicht tragbar.

18

(3) Ebenfalls durch eine unangemessene Ironisierung geprägt ist angesichts des neben der Abbildung einer verzweifelten potentiellen Suizidentin angebrachten Reims "Nicht verzagen, R.    fragen" der Aufdruck 3. Zugleich ist er aufgrund der martialischen Darstellung einer Schusswaffe am Kinn eines Menschen abermals durch eine reißerische Aufmachung gekennzeichnet. Überdies vermittelt die Gesamtschau des Aufdrucks keinen spezifischen Hinweis auf das Berufsbild des Rechtsanwalts oder gar auf das konkrete Tätigkeitsfeld des Klägers. Durch die fotografisch dargestellte äußerste Verzweiflung eines Menschen in Verbindung mit dem genannten Reim wird vielmehr eine umfassende Hilfe in allen denkbaren Lebenslagen suggeriert, die der Kläger kaum zu leisten imstande wäre. Ein Zusammenhang mit anwaltlicher Betätigung kann allenfalls in loser Assoziation hergestellt werden und wäre in der Sache verzerrt.

II.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser                        König                         Remmert

                Martini                       Quaas

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des 1. Senats des Sächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 27. Februar 2015 (AGH 3/14 (I)) abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 19. März 2014 (C/635/2013) wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine ihm durch die Beklagte mit Bescheid vom 19. März 2014 erteilte missbilligende Belehrung wegen eines Pflichtverstoßes gegen § 11 Abs. 2 BORA. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

2

Der Kläger wurde am 28. März 2012 von Frau G.   W.   mit der Vertretung in einer erbrechtlichen Angelegenheit mit vier Erben beauftragt. Mit Schreiben vom 21. März 2013 übersandte er Frau W.   einen Erbauseinandersetzungsvertrag, nachdem ein erstes, ebenfalls diesen Vertrag enthaltendes Schreiben des Klägers vom 17. Dezember 2012 Frau W.   nicht zugegangen war. Frau W.   reichte mit Schreiben vom 31. März 2013 vier, ihr vom Kläger übermittelte Vertragsexemplare unterschrieben zurück und bat den Kläger bei der Zusendung der Vertragsexemplare an die beteiligten Parteien um Erwähnung, dass ihr der Vertrag erstmals am 23. März 2013 zugegangen sei. Daraufhin übersandte der Kläger, ohne dieser Bitte nachzukommen, die Vertragsexemplare mit Schreiben vom 5. April 2013 an die Gegenseite mit der Bitte um Rückübersendung dreier gegengezeichneter Ausfertigungen. Frau W.   bat den Kläger mit ihm am 9. April 2013 zugegangenem Schreiben vom 8. April 2013 erneut, die Miterben über den Posteingang des Erbauseinandersetzungsvertrags am 23. März 2013 zu unterrichten. Weiterhin sei für sie die dreifache Ausfertigung des Vertrags als Rücksendung nicht verständlich. Sie bitte um Prüfung der Angelegenheiten. Der Kläger antwortete auf dieses Schreiben nicht. Am 21. April 2013 übersandte der neue Verfahrensbevollmächtigte von Frau W.   dem Kläger per Telefax ein Kündigungsschreiben vom 18. April 2013 betreffend das Mandatsverhältnis mit Frau W.   .

3

Mit Schreiben vom 2. September 2013 beschwerte sich Frau W.   bei der Beklagten über den Kläger. Nach Anhörung des Klägers belehrte ihn die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 19. März 2014 darüber, dass jede Anfrage eines Mandanten unverzüglich zu beantworten sei, unabhängig davon, ob diese als unwichtig angesehen werde. Sie warf ihm vor, gegen § 11 Abs. 2 BORA verstoßen zu haben, indem er auf das Schreiben der Frau W.   vom 8. April 2013 nicht geantwortet habe, obwohl diese um Erläuterung der Übersendung der dreifachen Ausfertigung des Vertrags gebeten habe.

4

Gegen die ihm am 22. März 2014 zugestellte Belehrung vom 19. März 2014 hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen.

5

Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung begehrt der Kläger weiterhin die Aufhebung des Bescheides vom 19. März 2014. Er ist der Auffassung, in dem Mandantenschreiben vom 8. April 2013 sei keine Anfrage gestellt worden, die zu beantworten gewesen sei. Auch die Ausführungen des Anwaltsgerichtshofs zur Unverzüglichkeit der Beantwortung einer Anfrage seien unzutreffend. Insofern sei von einer Mindestfrist von zwei Wochen auszugehen. Er habe sich vom 15.-17. April 2013 einem stationären Krankenhausaufenthalt unterziehen müssen. Daher habe er selbst unter Zugrundelegung der vom Anwaltsgerichtshof errechneten Frist von zehn Tagen nicht rechtzeitig reagieren können. Soweit der Anwaltsgerichtshof darauf abhebe, er, der Kläger, habe ohnehin nicht beabsichtigt, auf das Schreiben vom 8. April 2013 zu reagieren, führe dies zu einer Art "Gesinnungsstrafrecht", das in § 11 Abs. 2 BORA keinen Niederschlag finde.

6

Der Anwaltsgerichtshof könne seine Entscheidung nicht auf den Vorwurf stützen, der Kläger habe des Weiteren gegen § 11 Abs. 2 BORA verstoßen, weil er seiner Mandantin nicht erläutert habe, warum er ihrer Bitte, die Gegenseite vom verspäteten Zugang des Erbauseinandersetzungsvertrags in Kenntnis zu setzen, nicht nachgekommen sei. Denn dieser Vorwurf sei nicht Gegenstand der in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten ausgesprochenen Missbilligung gewesen. Zudem handele es sich auch insoweit um keine Anfrage der Mandantin.

7

Die Beklagte vertritt die Auffassung, der Anwaltsgerichtshof habe das Schreiben der Mandantin des Klägers vom 8. April 2013 zutreffend als Anfrage im Sinne von § 11 Abs. 2 BORA gewertet. Die Mandantin habe sowohl eine Erläuterung erwartet, warum der Kläger die Gegenseite um Rücksendung nur von drei unterzeichneten Ausfertigungen gebeten habe, als auch eine Begründung, warum er ihrer Bitte nicht nachgekommen sei, die Gegenseite über die erstmalige Zustellung des Erbauseinandersetzungsvertrags am 23. März 2013 zu informieren.

8

Der Anwaltsgerichtshof sei auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger seine Pflicht zur unverzüglichen Beantwortung gemäß § 11 Abs. 2 BORA verletzt habe. Unverzüglich in diesem Sinne sei eine Beantwortung nur, wenn sie innerhalb einer Woche, spätestens innerhalb von zehn Tagen erfolge. Die vom Kläger vorgelegte Bestätigung des J.   Krankenhauses B.   über eine stationäre Behandlung vom 15.-17. April 2013 führe zu keiner anderen Sichtweise. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger vorgetragen habe, dass er eine Beantwortung der Anfrage seiner Mandantin nicht für erforderlich gehalten habe und die Anfrage nicht beantwortet hätte. Dabei handele es sich nicht um einen hypothetischen, sondern um einen tatsächlich festgestellten Verstoß gegen § 11 Abs. 2 BORA. Dies gelte auch, weil die Pflicht zur Beantwortung der im Rahmen des laufenden Mandats erfolgten Anfrage durch die Mandatskündigung nicht erledigt sei, sondern fortbestehe.

Entscheidungsgründe

9

Die Berufung ist nach § 112e Satz 1 BRAO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 2, 3 VwGO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.

I.

10

Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 VwGO) statthaft. Nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO obliegt es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer, die Kammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren. Gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO hat er die Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben. Stellt der Vorstand einer Rechtsanwaltskammer in Wahrnehmung seiner Aufgaben fest, dass sich ein Rechtsanwalt berufswidrig verhalten hat, so kann er diesen auf die Rechtsauffassung der Kammer hinweisen und über den Inhalt seiner Berufspflichten belehren. Erteilt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer einem Kammermitglied eine derartige missbilligende Belehrung, so stellt diese eine hoheitliche Maßnahme dar, die geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen; als solche ist sie anfechtbar (BGH, Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 62 f.; BGH, Urteile vom 26. Oktober 2015 - AnwZ (Brfg) 25/15, juris Rn. 9; vom 6. Juli 2015 - AnwZ (Brfg) 24/14, juris Rn. 11 und vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, AnwBl. 2012, 769 Rn. 5).

II.

11

Das im Bescheid der Beklagten vom 19. März 2014 beschriebene Verhalten des Klägers verstieß nicht gegen § 11 Abs. 2 BORA.

12

1. Nach § 11 Abs. 2 BORA sind Anfragen des Mandanten unverzüglich zu beantworten. In dem angefochtenen Bescheid wirft die Beklagte dem Kläger vor, gegen § 11 Abs. 2 BORA verstoßen zu haben, indem er auf das Schreiben der Frau W.   vom 8. April 2013 nicht geantwortet habe, obwohl diese um Erläuterung der Übersendung der dreifachen Ausfertigung des (Erbauseinandersetzungs-)Vertrags gebeten habe. Dieser Vorwurf ist nicht gerechtfertigt:

13

a) Allerdings ist der Anwaltsgerichtshof zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Mandantenschreiben vom 8. April 2013 um eine Anfrage im Sinne von § 11 Abs. 2 BORA handelt. Das darin geäußerte Unverständnis der dreifachen Vertragsausfertigung als Rücksendung und die hiermit verbundene Bitte um Prüfung der Angelegenheit ließen unmissverständlich erkennen, dass die Mandantin des Klägers von ihm nicht nur eine Prüfung, sondern anschließend auch eine Erklärung der Rücksendung von drei Vertragsausfertigungen und mithin eine Antwort erwartete. Eine besondere Satzstellung und die Verwendung eines Fragezeichens sind - entgegen der Auffassung des Klägers - zur Annahme einer "Anfrage" im Sinne von § 11 Abs. 2 BORA nicht erforderlich. Vielmehr ist es ausreichend, wenn - wie vorliegend - aus der Äußerung des Mandanten deutlich wird, dass dieser eine Antwort des Rechtsanwalts erwartet.

14

b) Dem Kläger ist jedoch nicht vorzuwerfen, die Anfrage seiner Mandantin vom 8. April 2013 nicht unverzüglich im Sinne von § 11 Abs. 2 BORA beantwortet zu haben.

15

Die Anfrage eines Mandanten wird unverzüglich beantwortet, wenn die Antwort ohne schuldhaftes Zögern erfolgt (§ 11 Abs. 2 BORA in Verbindung mit § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), d.h. nach Ablauf einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungsfrist (Zuck in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 43 BRAO/§ 11 BORA Rn. 18, 34; Schwärzer in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 11 BORA Rn. 5, 8; vgl. zu § 121 BGB: BGH, Beschluss vom 15. März 2005 - VI ZB 74/04, NJW 2005, 1869; Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., § 121 Rn. 3).

16

aa) Vorliegend ist der Zeitraum vom 9. April 2013 (Dienstag; Zugang des Mandantenschreibens vom 8. April 2013) bis zum 21. April 2013 (Sonntag; Zugang der Mandatskündigung) zu betrachten.

17

Jedenfalls aufgrund der konkreten Umstände des vorliegenden Falls hatte sich die an den Kläger zur dreifachen Vertragsausfertigung gestellte Anfrage der Mandantin mit der Beendigung des Mandats am 21. April 2013 erledigt (zur Frage, ob § 11 Abs. 2 BORA auch für nach Mandatsbeendigung erfolgende Anfragen von Mandanten gilt, vgl. Zuck aaO Rn. 32; Römermann/Günther in BeckOKBORA, § 11 Rn. 15 [01.01.2015]). Die Mandantin hatte bereits einen anderen Rechtsanwalt mandatiert und dürfte, nachdem der andere Rechtsanwalt nicht seinerseits die Anfrage aufgriff, vom Kläger keine Auskunft mehr erwartet haben, zumal die Erbsache - ausweislich ihres an die Beklagte gerichteten Schreibens vom 2. September 2013 - nach dem Anwaltswechsel innerhalb von drei bis vier Tagen abgeschlossen wurde.

18

Ein hypothetisches Verhalten des Klägers in Gestalt einer von ihm von Anfang an beabsichtigten Nichtbeantwortung der Mandantenanfrage hat außer Betracht zu bleiben. Denn nur ein tatsächlich erfolgter objektiver Verstoß gegen die Pflicht aus  § 11 Abs. 2 BORA, nicht hingegen ein lediglich subjektiv beabsichtigter, indes bis zur Erledigung der Pflicht mangels Zeitablaufs nicht begangener Verstoß vermag eine missbilligende Belehrung zu begründen.

19

bb) Die Anfrage vom 8. April 2013 betreffend die Rücksendung von drei Vertragsausfertigungen war - entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs - nicht von besonderer Eilbedürftigkeit und Bedeutung. Zwar war, wie aus dem Schreiben vom 8. April 2013 erkennbar wird, die Information der anderen Erben über den erst späten Posteingang des Erbauseinandersetzungsvertrags bei der Mandantin des Klägers für letztere wichtig. Dies gilt indes nicht für die anlässlich des vorgenannten Anliegens eher beiläufig erfolgende Äußerung der Mandantin, "weiterhin" sei die dreifache Vertragsausfertigung als Rücksendung nicht verständlich. Der Kläger durfte diese Anfrage dahin verstehen, dass ihre Beantwortung nicht umgehend erwartet wurde.

20

cc) Ob, wie die Beklagte meint, eine im Zeitraum vom 9.-21. April 2013 nicht erfolgte Antwort auf die Anfrage eines Mandanten als schuldhaft verzögert im Sinne von § 11 Abs. 2 BORA in Verbindung mit § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen ist, kann offen bleiben. Denn eine nicht unverzüglich erfolgte Antwort ist vorliegend jedenfalls angesichts des Krankenhausaufenthalts des Klägers vom 15.-17. April 2013 zu verneinen. Der Kläger hat mit der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung die Ablichtung eines Schreibens des J.   Krankenhauses B.   vom 17. April 2013 vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass er sich dort vom 15.-17. April 2013 in stationärer Behandlung befand. Sein insoweit neuer Vortrag ist gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 128 Satz 2 VwGO zu berücksichtigen und dem Berufungsverfahren zugrunde zu legen.

21

Angesichts der durch den Krankenhausaufenthalt bedingten Abwesenheit des Klägers ergibt sich im Hinblick auf seine Pflicht nach § 11 Abs. 2 BORA Folgendes:

22

Die Beantwortung der - nicht besonders eilbedürftigen - Anfrage vom 8. April 2013 hatte, um das Erfordernis der Unverzüglichkeit im Sinne von § 11 Abs. 2 BORA zu wahren, noch nicht bis zum Beginn des Krankenhausaufenthalts des Klägers am 15. April 2013, d.h. innerhalb von vier Tagen nach Eingang der Anfrage am 9. April 2013 bis Sonntag, den 14. April 2013, zu erfolgen.

23

Ein schuldhaftes Zögern kann auch nicht darin gesehen werden, dass der Kläger nach Rückkehr aus dem Krankenhaus und Wiederaufnahme seiner Tätigkeit am 18. April 2013 (Donnerstag) nicht an diesem Tag und den folgenden zwei Tagen bis zum Zugang der Kündigung des Mandatsverhältnisses am Sonntag, dem 21. April 2013, die Anfrage seiner Mandantin beantwortet hat. Vielmehr wäre in Anbetracht des zu diesem Zeitpunkt seit dem Zugang der Anfrage verstrichenen Zeitraums von insgesamt sieben Tagen (unter Abzug der Dauer des Krankenhausaufenthalts), seiner Unterbrechung durch den Krankenhausaufenthalt und der fehlenden besonderen Eilbedürftigkeit der Anfrage zumindest eine Beantwortung am ersten Werktag der Folgewoche, d.h. am 22. April 2013, noch unverzüglich im Sinne von § 11 Abs. 2 BORA gewesen. Ab diesem Tag war indes - wie ausgeführt - eine Beantwortung der Anfrage angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Beendigung des Mandats und der Neumandatierung eines anderen Rechtsanwalts nicht mehr erforderlich.

24

2. Soweit der Anwaltsgerichtshof dem Kläger vorwirft, er habe gegenüber seiner Mandantin auch nicht erläutert, warum er ihrer Bitte nicht entsprochen habe, die Gegenseite darauf hinzuweisen, dass ihr der Erbauseinandersetzungsvertrag erstmals per Post am 23. März 2013 zugegangen sei, ist bereits fraglich, ob es sich bei der Bitte der Mandantin überhaupt um eine Anfrage im Sinne von § 11 Abs. 2 BORA handelte und nicht um eine schlichte Handlungsanweisung. Der vorgenannte Vorwurf ist darüber hinaus nicht Gegenstand der missbilligenden Belehrung der Beklagten vom 19. März 2014. Er durfte daher vom Anwaltsgerichtshof im Rahmen der Prüfung der Begründetheit der missbilligenden Belehrung nicht herangezogen werden. Denn durch einen andernfalls erfolgenden Austausch der Begründung des angefochtenen Bescheids durch das Gericht erhielte der - an einen bestimmten Sachverhalt anknüpfende - Bescheid einen anderen Regelungsgehalt und würde in seinem Wesen verändert (vgl. zum unzulässigen Nachschieben von Gründen durch die (belehrende) Rechtsanwaltskammer: Senat, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, AnwBl. 2012, 769 Rn. 16 f. mwN). Die mit einem nicht zutreffenden Verhaltensvorwurf begründete missbilligende Belehrung würde mit einem gänzlich neuen Verhaltensvorwurf aufrechterhalten. Ein solches Nachschieben von Gründen ist bereits nicht zulässig, wenn es seitens der Rechtsanwaltskammer erfolgt (Senat, Urteil vom 23. April 2012 aaO). Es ist erst recht nicht zulässig, wenn es im Anfechtungsprozess seitens des Gerichts vorgenommen wird (zu den Grenzen der "selbständigen Rechtsanwendung durch das Gericht" vgl. Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, VwGO Stand Mai 1997, § 113 Rn. 21, Fn. 112 mwN; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 113 Rn. 60).

III.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Limperg                        Bünger                        Remmert

                 Braeuer                         Merk

(1) Der Vorstand kann das Verhalten eines Rechtsanwalts, durch das dieser ihm obliegende Pflichten verletzt hat, rügen, wenn die Schuld des Rechtsanwalts gering ist und ein Antrag auf Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich erscheint. § 113 Absatz 2 und 4, die §§ 115b und 118 Absatz 1 und 2 sowie die §§ 118a und 118b gelten entsprechend. Für die Verjährung und deren Ruhen gilt § 115 Absatz 1 Satz 1 und 3 sowie Absatz 2. Die erste Anhörung des Rechtsanwalts unterbricht die Verjährung ebenso wie die erste Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft im anwaltsgerichtlichen Verfahren.

(2) Eine Rüge darf nicht erteilt werden,

1.
wenn gegen den Rechtsanwalt ein anwaltsgerichtliches Verfahren eingeleitet wurde oder
2.
während ein Verfahren nach § 123 anhängig ist.

(3) Bevor die Rüge erteilt wird, ist der Rechtsanwalt zu hören.

(4) Der Bescheid des Vorstandes, durch den das Verhalten des Rechtsanwalts gerügt wird, ist zu begründen. Er ist dem Rechtsanwalt zuzustellen. Eine Abschrift des Bescheides ist der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht mitzuteilen.

(5) Gegen den Bescheid kann der Rechtsanwalt binnen eines Monats nach der Zustellung bei dem Vorstand Einspruch erheben. Über den Einspruch entscheidet der Vorstand; Absatz 4 ist entsprechend anzuwenden.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf zugelassene Berufsausübungsgesellschaften entsprechend anzuwenden, wenn in den Fällen des § 113 Absatz 3 die Bedeutung der Pflichtverletzung gering ist und ein Antrag auf Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich erscheint. § 113 Absatz 5, die §§ 113b und 118c Absatz 2 sowie die §§ 118d bis 118f sind entsprechend anzuwenden.

(1) Der Vorstand hat die ihm durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Ihm obliegen auch die der Rechtsanwaltskammer in diesem Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse. Er hat die Belange der Kammer zu wahren und zu fördern.

(2) Dem Vorstand obliegt insbesondere,

1.
die Mitglieder der Kammer in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren;
2.
auf Antrag bei Streitigkeiten unter den Mitgliedern der Kammer zu vermitteln; dies umfasst die Befugnis, Schlichtungsvorschläge zu unterbreiten;
3.
auf Antrag bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern der Kammer und ihren Auftraggebern zu vermitteln; dies umfasst die Befugnis, Schlichtungsvorschläge zu unterbreiten;
4.
die Erfüllung der den Mitgliedern der Kammer obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben;
5.
Rechtsanwälte für die Ernennung zu Mitgliedern des Anwaltsgerichts und des Anwaltsgerichtshofes vorzuschlagen;
6.
Vorschläge gemäß §§ 107 und 166 der Bundesrechtsanwaltskammer vorzulegen;
7.
der Kammerversammlung über die Verwaltung des Vermögens jährlich Rechnung zu legen;
8.
Gutachten zu erstatten, die eine Landesjustizverwaltung, ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde des Landes anfordert;
9.
bei der Ausbildung und Prüfung der Studierenden und der Referendare mitzuwirken, insbesondere qualifizierte Arbeitsgemeinschaftsleiter und die anwaltlichen Mitglieder der juristischen Prüfungsausschüsse vorzuschlagen.

(3) In Beschwerdeverfahren setzt der Vorstand die Person, die die Beschwerde erhoben hatte von seiner Entscheidung in Kenntnis. Die Mitteilung erfolgt nach Abschluss des Verfahrens einschließlich des Einspruchsverfahrens und ist mit einer kurzen Darstellung der wesentlichen Gründe für die Entscheidung zu versehen. § 76 Absatz 1 bleibt unberührt. Die Mitteilung ist nicht anfechtbar.

(4) Der Vorstand kann die in Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Nr. 1 bis 3 und Absatz 3 bezeichneten Aufgaben einzelnen Mitgliedern des Vorstandes übertragen.

(5) Beantragt bei Streitigkeiten zwischen einem Mitglied der Rechtsanwaltskammer und seinem Auftraggeber der Auftraggeber ein Vermittlungsverfahren, so wird dieses eingeleitet, ohne dass es der Zustimmung des Mitglieds bedarf. Ein Schlichtungsvorschlag ist nur verbindlich, wenn er von beiden Seiten angenommen wird.

(1) Der Vorstand kann das Verhalten eines Rechtsanwalts, durch das dieser ihm obliegende Pflichten verletzt hat, rügen, wenn die Schuld des Rechtsanwalts gering ist und ein Antrag auf Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich erscheint. § 113 Absatz 2 und 4, die §§ 115b und 118 Absatz 1 und 2 sowie die §§ 118a und 118b gelten entsprechend. Für die Verjährung und deren Ruhen gilt § 115 Absatz 1 Satz 1 und 3 sowie Absatz 2. Die erste Anhörung des Rechtsanwalts unterbricht die Verjährung ebenso wie die erste Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft im anwaltsgerichtlichen Verfahren.

(2) Eine Rüge darf nicht erteilt werden,

1.
wenn gegen den Rechtsanwalt ein anwaltsgerichtliches Verfahren eingeleitet wurde oder
2.
während ein Verfahren nach § 123 anhängig ist.

(3) Bevor die Rüge erteilt wird, ist der Rechtsanwalt zu hören.

(4) Der Bescheid des Vorstandes, durch den das Verhalten des Rechtsanwalts gerügt wird, ist zu begründen. Er ist dem Rechtsanwalt zuzustellen. Eine Abschrift des Bescheides ist der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht mitzuteilen.

(5) Gegen den Bescheid kann der Rechtsanwalt binnen eines Monats nach der Zustellung bei dem Vorstand Einspruch erheben. Über den Einspruch entscheidet der Vorstand; Absatz 4 ist entsprechend anzuwenden.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf zugelassene Berufsausübungsgesellschaften entsprechend anzuwenden, wenn in den Fällen des § 113 Absatz 3 die Bedeutung der Pflichtverletzung gering ist und ein Antrag auf Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich erscheint. § 113 Absatz 5, die §§ 113b und 118c Absatz 2 sowie die §§ 118d bis 118f sind entsprechend anzuwenden.

(1) Der Vorstand hat die ihm durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Ihm obliegen auch die der Rechtsanwaltskammer in diesem Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse. Er hat die Belange der Kammer zu wahren und zu fördern.

(2) Dem Vorstand obliegt insbesondere,

1.
die Mitglieder der Kammer in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren;
2.
auf Antrag bei Streitigkeiten unter den Mitgliedern der Kammer zu vermitteln; dies umfasst die Befugnis, Schlichtungsvorschläge zu unterbreiten;
3.
auf Antrag bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern der Kammer und ihren Auftraggebern zu vermitteln; dies umfasst die Befugnis, Schlichtungsvorschläge zu unterbreiten;
4.
die Erfüllung der den Mitgliedern der Kammer obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben;
5.
Rechtsanwälte für die Ernennung zu Mitgliedern des Anwaltsgerichts und des Anwaltsgerichtshofes vorzuschlagen;
6.
Vorschläge gemäß §§ 107 und 166 der Bundesrechtsanwaltskammer vorzulegen;
7.
der Kammerversammlung über die Verwaltung des Vermögens jährlich Rechnung zu legen;
8.
Gutachten zu erstatten, die eine Landesjustizverwaltung, ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde des Landes anfordert;
9.
bei der Ausbildung und Prüfung der Studierenden und der Referendare mitzuwirken, insbesondere qualifizierte Arbeitsgemeinschaftsleiter und die anwaltlichen Mitglieder der juristischen Prüfungsausschüsse vorzuschlagen.

(3) In Beschwerdeverfahren setzt der Vorstand die Person, die die Beschwerde erhoben hatte von seiner Entscheidung in Kenntnis. Die Mitteilung erfolgt nach Abschluss des Verfahrens einschließlich des Einspruchsverfahrens und ist mit einer kurzen Darstellung der wesentlichen Gründe für die Entscheidung zu versehen. § 76 Absatz 1 bleibt unberührt. Die Mitteilung ist nicht anfechtbar.

(4) Der Vorstand kann die in Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Nr. 1 bis 3 und Absatz 3 bezeichneten Aufgaben einzelnen Mitgliedern des Vorstandes übertragen.

(5) Beantragt bei Streitigkeiten zwischen einem Mitglied der Rechtsanwaltskammer und seinem Auftraggeber der Auftraggeber ein Vermittlungsverfahren, so wird dieses eingeleitet, ohne dass es der Zustimmung des Mitglieds bedarf. Ein Schlichtungsvorschlag ist nur verbindlich, wenn er von beiden Seiten angenommen wird.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. September 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen belehrende Hinweise der Beklagten vom 7. Januar 2013 und 15. Februar 2013. Diese waren auf seine Bitte ergangen, die berufsrechtliche Zulässigkeit von ihm ins Auge gefasster und so bezeichneter "Schockwerbung" für seine Kanzlei zu beurteilen. Zugrunde liegt, dass der Kläger zu Werbezwecken Kaffeetassen verbreiten will, die er mit verschiedenen Aufdrucken von Bildern, diesen beigestellten Textzeilen sowie den Kontaktdaten seiner Kanzlei versehen möchte.

2

In Streit stehen noch drei solcher Aufdrucke. Der erste Aufdruck enthält eine mit diagonal verlaufenden roten Linien durchgestrichene fotografische Abbildung. Sie zeigt eine Frau, die ein auf ihren Knien liegendes, ersichtlich schreiendes Mädchen mit einem Gegenstand auf das nackte Gesäß schlägt. Neben dem Bild ist aufgedruckt: "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1631 Abs. 2 BGB)". Der zweite - zeichnerische - Abbildungsabdruck stellt einen eine Pfeife rauchenden Mann dar, der einer auf seinen Knien liegenden erwachsenen Frau mit einem Gegenstand auf das entblößte Gesäß schlägt. Daneben findet sich der Text: "Wurden Sie Opfer einer Straftat?". Der dritte Aufdruck setzt sich zusammen aus einer fotografischen Abbildung einer jungen Frau, die sich erkennbar aus Verzweiflung den Mündungslauf einer Schusswaffe unter das Kinn hält, und der daneben angebrachten Textzeile "Nicht verzagen, R.    fragen".

3

In den genannten Bescheiden gab die Beklagte dem Kläger jeweils auf, die Werbung wegen Unvereinbarkeit mit dem anwaltlichen Berufsrecht sowie dem Wettbewerbsrecht zu unterlassen. Die dem Kläger förmlich zugestellten Bescheide enthielten eine Rechtsmittelbelehrung, wonach binnen eines Monats nach Zustellung Klage beim Anwaltsgerichtshof erhoben werden könne.

4

Die durch den Kläger gegen die Bescheide erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof als unzulässig abgewiesen, weil die belehrenden Hinweise zukünftiges Verhalten beträfen, weswegen ihnen keine Verwaltungsaktqualität zukomme. Der Senat hat die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 21. Januar 2014 zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

5

Die Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.

6

1. Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs ist die Klage allerdings als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

7

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie die angefochtenen Bescheide mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; Beschlüsse vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 62 f.; jeweils m.w.N.). Der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich die Bescheide nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des Klägers beziehen. Zwar hat der Senat zum vormals geltenden Verfahrensrecht mehrfach ausgesprochen, dass Auskünfte der Rechtsanwaltskammern über die Rechtmäßigkeit künftigen Verhaltens des Rechtsanwalts grundsätzlich nicht anfechtbar sind, weil sie keine Schuld feststellen und nicht in dessen Rechte eingreifen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 1962 - AnwZ (B) 10/62, BGHZ 37, 396, 401; vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 20/96, NJW-RR 1997, 759; vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 28/00, BRAK-Mitt 2001, 188, 189; vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 38/05, NJW 2006, 2926 Rn. 2).

8

Jedoch gehen die streitbefangenen Bescheide nach ihrem bei der Auslegung maßgebenden objektiven Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts (vgl. nur von Alemann/Scheffczyk in BeckOK VwVfG, Stand 1. Juli 2014, § 35 Rn. 46 m.w.N.) schon ausweislich der jeweils verwendeten Entscheidungsformel über solche präventive Auskünfte hinaus. Diese stellen fest, dass die Verwendung der verfahrensgegenständlichen Aufdrucke zu Werbezwecken rechtswidrig ist, und sprechen konkrete Verbote aus ("... ist nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht ... vereinbar und daher von Ihnen zu unterlassen"). Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. auch BayVGH, BayVBl 2006, 635; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 35 Rn. 83 m.w.N.). Die Bescheide lassen erkennen, dass sich die Beklagte im Vorgriff auf eine bei Zuwiderhandeln gegen die Verbote ohne Weiteres erfolgende Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Fragen festgelegt hat. Darüber hinaus sind sie mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für das Vorliegen von Verwaltungsakten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7 m.w.N.; BVerwGE 29, 310, 312 f.; 99, 101, 104; BVerwG, NVwZ-RR 2005, 343; Stelkens, aaO, § 35 Rn. 72 m.w.N.; von Alemann/Scheffczyk, aaO, § 35 Rn. 35 f.).

9

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

10

a) Die Beklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung der vorgelegten Aufdrucke in Form belehrender Hinweise nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO mitzuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwalt im Rahmen solcher Hinweise zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, aaO; Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, aaO; jeweils m.w.N.). Gründe, die zu einer anderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kläger aufgrund der Hinweise in keiner Weise gehindert ist, die Aufdrucke gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. zu verbotener Vorzensur BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 70. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 m.w.N.).

11

b) Der Senat teilt die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Meinung der Beklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar ist.

12

aa) Das in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), unter Umständen auch der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656, 2657). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36 und hierzu EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12, NJW 2014, 554 Rn. 18, 20 f.). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" BVerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993 S. 28; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/7656 S. 48) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail krit. - von Lewinski in Hartung, BORA/FAO, 5. Aufl., § 6 BORA Rn. 29; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 43b Rn. 30; Böhnlein in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 43b Rn. 20 f.; jeweils m.w.N.; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.; s. aber dort Rn. 269 m.w.N.).

13

Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienen dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern; mit der Stellung eines Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden Bürgers eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt und mit der eigentlichen Leistung des Anwalts sowie dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun hat (vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO). Verboten werden können danach unter anderem Werbemethoden, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind (BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO; 2001, 2620 m.w.N.).

14

Es ist einem Rechtsanwalt zwar nicht verwehrt, für seine Werbung Bilder oder Fotografien zu verwenden (vgl. Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 32; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 75), Gegenstände wie etwa Tassen als Werbeträger einzusetzen (Prütting, aaO, § 43b BRAO, Rn. 37; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 87) oder auch Ironie und Sprachwitz als Stilmittel zu gebrauchen (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324, 3325; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 26). Die Grenzen zulässiger Werbung sind jedoch überschritten, wenn die Werbung darauf abzielt, gerade durch ihre reißerische und/oder sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge, dass ein etwa vorhandener Informationswert in den Hintergrund gerückt wird oder gar nicht mehr erkennbar ist (vgl. auch BGH, Urteile vom 1. März 2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 76 und vom 21. Februar 2002 - I ZR 281/99, NJW 2002, 2642, 2644). Derartige Werbemethoden sind geeignet, die Rechtsanwaltschaft als seriöse Sachwalterin der Interessen Rechtsuchender zu beschädigen (vgl. auch BVerfG [Kammer], BRAK-Mitt. 2000, 137, 138; Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 38).

15

bb) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b BRAO) überschreiten aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324 m.w.N.) in der gebotenen Gesamtbetrachtung der Bilder und der ihnen jeweils beigestellten Textzeilen sämtliche streitbefangenen Aufdrucke.

16

(1) Diese Bewertung wird für den Aufdruck 1 nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Textzeile "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1626 Abs. 2 BGB)" für sich genommen einen gewissen Informationsgehalt aufweist und als solche in einer anwaltlichen Werbung nicht zu beanstanden wäre. Denn "Blickfang" für den Betrachter ist - vom Kläger auch so beabsichtigt - die realistische Darstellung des Verprügelns eines Kindes. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass das Kind am Unterleib nackt ist, wobei die Unterhose bis zu den Knien herabgezogen ist. Da Nacktheit fraglos kein essentielles Element der Darstellung einer Kindesmisshandlung ist, legt dies die Annahme nahe, dass bei einem Teil des Betrachterkreises auch sexuelles Interesse geweckt werden soll. Die mit dem Bild in Zusammenhang gestellte Tatsache, dass die körperliche Misshandlung von Kindern im Rahmen der Erziehung in Deutschland seit langem ausdrücklich verboten ist, gerät auf diese Weise zu bloßem Beiwerk und vermag deshalb auch nicht - was der Kläger zuletzt in den Vordergrund gerückt hat - einen Beitrag zu einer gesellschaftskritischen Auseinandersetzung zu leisten, zumal die Abbildung auf zu Werbezwecken verbreiteten, vom Kläger so genannten "Humpen" aufgedruckt ist. Auch der Umstand, dass der Aufdruck durchgestrichen ist, kann in Anbetracht der reißerischen und sexualisierenden Darstellung keinen Ausgleich schaffen. Die Beklagte hat mit Recht darauf hingewiesen, dass solche Werbung geeignet wäre, bei der rechtsuchenden Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, die Rechtsanwaltschaft habe Derartiges nötig, um Mandate zu erlangen, und damit das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt zu beeinträchtigen.

17

(2) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Textzeile gemäß Aufdruck 2 "Wurden Sie Opfer einer Straftat?" etwa deswegen noch eine hinreichend berufsbezogene Information enthält, weil möglichen Rechtsuchenden - hier dem freilich wohl eher vordergründig angesprochenen Adressatenkreis der Opfer häuslicher Gewalt - in der Zusammenschau mit der Berufsangabe des Klägers und seinen Kontaktdaten vermittelt wird, dass durch diesen eine Beratung beispielsweise über zivil-, straf- oder sozialrechtliche Verletztenrechte angeboten wird. Denn es dominiert der gestalterisch hergestellte Zusammenhang mit einer an eine Karikatur erinnernden Zeichnung, die sich in einer klischeehaften Entstellung forensisch bekannter Phänomene häuslicher Gewalt erschöpft. Hierdurch werden dieser Adressatenkreis sowie sein Rechtsschutzbedürfnis abgewertet sowie ins Lächerliche gezogen und für die "Werbebotschaft" instrumentalisiert. Die stark sexualisierende Darstellung mit einem in das Zentrum des Bildes gerückten entblößten Gesäß einer erwachsenen Frau, deren Unterhose bis zu den Oberschenkeln heruntergezogen ist, kommt hinzu. Solches erscheint in anwaltlicher Werbung nicht tragbar.

18

(3) Ebenfalls durch eine unangemessene Ironisierung geprägt ist angesichts des neben der Abbildung einer verzweifelten potentiellen Suizidentin angebrachten Reims "Nicht verzagen, R.    fragen" der Aufdruck 3. Zugleich ist er aufgrund der martialischen Darstellung einer Schusswaffe am Kinn eines Menschen abermals durch eine reißerische Aufmachung gekennzeichnet. Überdies vermittelt die Gesamtschau des Aufdrucks keinen spezifischen Hinweis auf das Berufsbild des Rechtsanwalts oder gar auf das konkrete Tätigkeitsfeld des Klägers. Durch die fotografisch dargestellte äußerste Verzweiflung eines Menschen in Verbindung mit dem genannten Reim wird vielmehr eine umfassende Hilfe in allen denkbaren Lebenslagen suggeriert, die der Kläger kaum zu leisten imstande wäre. Ein Zusammenhang mit anwaltlicher Betätigung kann allenfalls in loser Assoziation hergestellt werden und wäre in der Sache verzerrt.

II.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser                        König                         Remmert

                Martini                       Quaas

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen einen belehrenden Hinweis der Beklagten vom 26. Mai 2015. Dieser war auf seine Bitte ergangen, ihn über die berufsrechtliche Zulässigkeit eines von ihm ins Auge gefassten Aufdrucks beziehungsweise einer Bestickung seiner Anwaltsrobe auf deren oberen Rückenbereich mit den Worten "Dr. R.      " und der Internetadresse "www.dr-r.  .de" zu belehren.

2

In dem - dem Kläger zugestellten und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen - Bescheid belehrte die Beklagte den Kläger dahingehend, dass das Tragen der Anwaltsrobe mit dem vorgenannten Aufdruck nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht vereinbar und daher von ihm künftig zu unterlassen sei. Mit der geplanten Verwendung der Robe verstoße er gegen § 43b BRAO, § 6 Abs. 1, § 20 BORA. Es handele sich um ein werbliches Auftreten nach außen, das dazu diene, in den Gerichtssälen bewusst Zuhörer und andere auf sich aufmerksam zu machen, um hierdurch für neue Mandate zu werben. Diese Werbung sei unsachlich, weil ein Gerichtssaal der falsche Ort für Werbung insgesamt sei. Außerdem verstoße er durch das Tragen der Robe gegen § 20 BORA, da von der üblichen Berufstracht abgewichen werde.

3

Der Anwaltsgerichtshof hat die vom Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2015 erhobene Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.

4

Der Kläger beantragt nunmehr das Urteil des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Az. 1 AGH 16/15, vom 29. Mai 2015, sowie den Bescheid der Beklagten, Az. III. Abt. 275/2014, vom 26. Mai 2015 aufzuheben.

5

hilfsweise,

6

das Urteil des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Az. 1 AGH 16/15, vom 29. Mai 2015, sowie den Bescheid der Beklagten, Az. III. Abt. 275/2014, vom 26. Mai 2015 insoweit aufzuheben, als dem Kläger darin auch untersagt wird,

- die verfahrensgegenständliche Robe vor Gerichten zu tragen, vor denen Robenzwang für Rechtsanwälte nicht besteht, sowie

- die verfahrensgegenständliche Robe auch dann zu tragen, selbst wenn die Vorsitzende Richterin/der Vorsitzende Richter deren Tragen im Rahmen der Sitzungspolizei zugelassen hat.

7

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

8

Die Berufung hat keinen Erfolg.

9

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

10

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie der angefochtene Bescheid mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. nur BGH, Urteile vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7 und vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; jeweils mwN). Der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich der Bescheid nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des Klägers bezieht. Er geht schon ausweislich der Entscheidungsformel über eine lediglich präventive Auskunft hinaus, da er feststellt, dass die Verwendung des verfahrensgegenständlichen Robenaufdrucks rechtswidrig ist, und ein konkretes Verbot ausspricht. Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO mwN). Darüber hinaus ist der Bescheid mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für das Vorliegen eines Verwaltungsakts (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO; Beschluss vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; jeweils mwN).

11

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

12

a) Die Beklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung des beabsichtigten Robenaufdrucks in Form eines belehrenden Hinweises nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO mitzuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwalt im Rahmen eines solchen Hinweises zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. Senat, Urteile vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 10 und vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11 aaO; jeweils mwN). Gründe, die zu einer anderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kläger aufgrund des Hinweises in keiner Weise gehindert ist, den Aufdruck gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 32; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO; zu verbotener Vorzensur vgl. BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 68. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 mwN).

13

b) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat der Anwaltsgerichtshof in dem Tragen einer nach dem Muster des Klägers bestickten oder bedruckten Robe vor Gericht einen Verstoß gegen § 20 BORA gesehen. Diese - auf der Grundlage von § 59b Abs. 2 Nr. 6c BRAO erlassene - berufsrechtliche Vorschrift steht jeglicher Werbung auf einer Robe im Gerichtssaal entgegen (nachfolgend aa). Bei dem Aufdruck auf der Robe des Klägers handelt es sich um eine solche unzulässige Werbung (nachfolgend bb).

14

aa) Nach § 20 BORA trägt der Rechtsanwalt vor Gericht als Berufstracht die Robe, soweit dies üblich ist. Eine Berufspflicht zum Erscheinen in Robe besteht beim Amtsgericht in Zivilsachen nicht.

15

(1) Die in § 20 BORA bestimmte Pflicht zum Tragen einer Robe setzt voraus, dass die Robe nicht mit Werbeaufdrucken oder ähnlichen werbenden Aufbringungen versehen ist (Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 20 BORA Rn. 41; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 20 BORA Rn. 5; Brüggemann in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 20 BORA Rn. 3). Dies ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, aus Sinn und Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe. Es besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit daran, dass Gerichtsverhandlungen in guter Ordnung und angemessener Form durchgeführt werden können. Diesem Zweck dient es, wenn auch die an der Verhandlung beteiligten Rechtsanwälte eine Amtstracht tragen (BVerfGE 28, 21, 31 f.). Sie werden dadurch aus dem Kreis der übrigen Teilnehmer an der Verhandlung herausgehoben; ihre Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) wird sichtbar gemacht (BVerfG aaO; Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 16, 41; Wolf in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 1 BRAO Rn. 91). Darin liegt auch ein zumindest mittelbarer Nutzen für die Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess; denn die Übersichtlichkeit der Situation im Verhandlungsraum wird gefördert und zugleich ein Beitrag zur Schaffung der Atmosphäre der Ausgeglichenheit und Objektivität geleistet, in der allein Rechtsprechung sich in angemessener Form darstellen kann (BVerfG aaO). Durch das Anlegen der Robe tritt der Rechtsanwalt mithin als Person hinter seiner Funktion als Prozessbeteiligter zurück (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128).

16

Dieser Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe steht jeglichem Werbeaufdruck auf der Robe entgegen. Letztere verkörpert - im Unterschied zu anderen Berufskleidungen und zu anderen Kleidungsstücken des Rechtsanwalts - für alle Anwesenden erkennbar die Organstellung des Rechtsanwalts und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität sowie der Verallgemeinerungsfähigkeit der Rechtsanwendung geprägt ist (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128). Ein Werbeaufdruck stört - unabhängig von seinem Inhalt - diese Funktion, Aussage und Wirkung der Robe. Anwaltliche Werbung ist ein Verhalten, das darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rechtsanwalts zu gewinnen (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2015 - AnwZ (Brfg) 19/15, BRAK-Mitt. 2016, 72 Rn. 5; Urteil vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 18 und Beschluss vom 23. September 2002 - AnwZ (Brfg) 67/01, NJW 2003, 346). Durch ihre Aufbringung auf die vor Gericht getragene Robe wird letztere zweckentfremdet und werden ihre eigentlichen, vorstehend dargestellten Zwecke wesentlich beeinträchtigt. Der Rechtsanwalt tritt mittels der Robe als "Werbeträger" hervor und mindert auf diese Weise die vorgenannte Funktion und Wirkung der Robe.

17

Soweit der Kläger meint, durch die namentliche Kennzeichnung werde der Sinn des Robetragens verstärkt, wenn sich nicht nur die Anwaltseigenschaft, sondern auch die konkrete Person des Anwalts erkennen lasse, missversteht er Sinn und Zweck der Robe. Durch sie soll der Rechtsanwalt gerade nicht als konkrete Person, sondern als unabhängiges Organ der Rechtspflege aus dem übrigen Teilnehmerkreis hervorgehoben werden. Eine namentliche Kennzeichnung auf der Robe dient diesem Zweck nicht.

18

(2) Das Gebot der Werbefreiheit von Roben gilt, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend erkannt hat, auch für Roben, die von Rechtsanwälten in Gerichtsverhandlungen getragen werden, für die nach § 20 BORA eine Robenpflicht nicht besteht. Die Funktion der Robe ist nicht abhängig von der Pflicht zu ihrer Verwendung. Wird sie von einem Rechtsanwalt vor Gericht ohne Verpflichtung aus freien Stücken getragen, verliert sie hierdurch nicht ihren Zweck und wird nicht zu einem normalen Kleidungsstück. Nach dem maßgeblichen objektivierten Horizont des Betrachters weist der Rechtsanwalt vielmehr auch in Gerichtsverhandlungen ohne Robenpflicht mit dem Anlegen der Robe auf den vorstehend dargestellten Zweck der Robe hin und macht ihn sich zu Eigen. Mit diesem Zweck ist - wie ausgeführt - eine auf der Robe aufgebrachte Werbung nicht zu vereinbaren.

19

(3) Der somit aus § 20 BORA folgenden Werbefreiheit von vor Gericht getragenen Roben stehen nicht § 43b BRAO und § 6 BORA entgegen. Denn auch nach diesen Vorschriften ist eine solche Werbung nicht erlaubt (siehe nachfolgend zu c).

20

(4) Das aus § 20 BORA folgende Verbot von Werbung auf vor Gericht getragenen Roben ist im Hinblick auf die hiermit verbundene Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG; vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 16 ff. mwN zum Schutzbereich von Berufsausübungs- und Meinungsfreiheit im Falle anwaltlicher Werbung), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Einschränkung beider Grundrechte lässt sich mit sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls rechtfertigen. Letztere sind in dem vorstehend unter (1) näher ausgeführten Sinn und Zweck einer vor Gericht getragenen Anwaltsrobe begründet. In Abwägung dieser Belange des Gemeinwohls mit der geringen, mit einem Werbeverbot auf vor Gericht getragenen Roben verbundenen Grundrechtseinschränkung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

21

Eine entsprechende Beschränkung anwaltlicher Werbung ist auch im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36, und hierzu EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 12; BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12, BGHZ 199, 43 Rn. 18, 20 f.).

22

(5) Das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Bestimmtheitsgebot ist gewahrt. Danach ist erforderlich, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. BVerfGE 78, 205, 212; 84, 133, 149; 87, 234, 263; 102, 254, 337). Dies ist schon dann anzunehmen, wenn sich der Regelungsgehalt der Norm im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden feststellen lässt (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 102, 254 aaO; 110, 33, 56 f.; 117, 71, 111 f.; 131, 88, 118 f.; jeweils mwN). Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot wird eingehalten, wenn sich aus der gesetzlichen Regelung und ihrer Zielsetzung richtungsweisende Gesichtspunkte für die - den Gerichten und Verwaltungsbehörden übertragene - Auslegung der in der Norm verwendeten Begriffe ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 1988 - 1 BvR 900/88, juris Rn. 8).

23

Diesen Anforderungen entspricht vorliegend eine Auslegung von § 20 BORA im Sinne eines Verbots von Werbung auf vor Gericht getragenen Anwaltsroben. Der entsprechende Regelungsgehalt lässt sich - wie gezeigt - im Wege der Heranziehung von Sinn und Zweck der Robe feststellen. Aus ihnen ergeben sich richtungsweisende Gesichtspunkte für eine Auslegung der Vorschrift im vorgenannten Sinn.

24

bb) Bei dem Aufdruck auf der Robe des Klägers handelt es sich um Werbung. Insbesondere die Verwendung des Domain-Namens der Homepage des Klägers als Robenaufdruck ist, wie der Anwaltsgerichtshof in dem angefochtenen Urteil und die Beklagte in dem Bescheid vom 26. Mai 2015 zutreffend ausgeführt haben, Werbung. Denn sie zielt darauf ab, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Klägers zu gewinnen (vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 28 mwN; zur Verwendung von Domain-Namen als Werbung vgl. Senat, Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 8/02, NJW 2003, 504; Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 68 f.; Saenger/Riße, MDR 2005, 1381 f.). Keineswegs handelt es sich um die bloße Kenntlichmachung des Klägers im Gerichtssaal. Diese ist schon nicht geboten. Vor allem aber geht die Angabe des Domain-Namens der Homepage des Klägers auf seiner Robe weit über dessen Kenntlichmachung hinaus. Sie verweist auf die Homepage selbst und die dort vorhandenen, selbstdarstellenden Inhalte. Aus der maßgeblichen Sicht des im Gerichtssaal anwesenden Publikums, zu dessen Kenntnisnahme der Aufdruck bestimmt ist, dient die Angabe einer "Internetadresse" als Aufdruck auf einer Robe daher vorrangig nicht der - auch anders zu bewirkenden - Identifizierbarkeit des Trägers der Robe, sondern der Werbung für dessen auf seiner Homepage näher beschriebenen Leistungen. Der Umstand, dass durch den Domain-Namen unter anderem auch die Identifizierung des Trägers der Robe ermöglicht wird, steht dieser Einordnung des Aufdrucks als vorrangig werbend nicht entgegen.

25

c) Der Senat teilt zudem die in dem angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung der Beklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar ist.

26

aa) Das in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; BVerfG, NJW 2004, 2656, 2657; 2015, 1438 Rn. 16 ff.). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (siehe oben b aa (4) zu Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" BVerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993 S. 28; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/7656 S. 48; zum Verbot einer reißerischen und/oder sexualisierenden Werbung auf Tassen durch einen Rechtsanwalt vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail kritisch - von Lewinski in Hartung/Scharmer aaO § 6 BORA Rn. 29; Prütting in Henssler/Prütting aaO § 43b Rn. 30; jeweils mwN; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.).

27

bb) Anwaltliche Werbung ist nicht auf eine bestimmte Form und ein bestimmtes Mittel beschränkt (von Lewinski aaO Rn. 44). Ein vom Rechtsanwalt zur Selbstdarstellung gewähltes Medium kann daher für sich betrachtet nicht die Unzulässigkeit der Werbung begründen (BVerfG, NJW 2003, 3470 mwN; Prütting aaO Rn. 31). Indes ist nach § 43b Abs. 1 BRAO dem Rechtsanwalt nur solche Werbung erlaubt, die nach Form und Inhalt sachlich unterrichtet. Das Sachlichkeitsgebot betrifft nach dem Willen des Gesetzgebers mithin nicht nur den Inhalt der Werbung, sondern auch ihre Methoden (BT-Drucks. 12/4993 und 12/7656, jeweils aaO). Ob es durch eine konkrete Werbung gewahrt wird, lässt sich daher nur aufgrund einer Gesamtschau bewerten, die Inhalt, Ort und Medium der Werbung einbezieht.

28

cc) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b BRAO) werden durch das Tragen einer Robe nach dem Muster des Klägers aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG, NJW 2001, 3324 mwN) in der gebotenen Gesamtbetrachtung des Aufdrucks, seines Trägermediums (Robe) und des Verwendungsortes überschritten. Die entsprechende Beurteilung in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Die im Gerichtssaal getragene Robe ist kein zulässiges Mittel anwaltlicher Werbung (so auch von Lewinski aaO Rn. 44, 69a).

29

Die Angabe des Namens des Klägers und des Domain-Namens seiner Homepage stellt für sich genommen inhaltlich zwar keine unsachliche Werbung dar. Ihre Aufbringung auf einer vor Gericht getragenen Robe verletzt jedoch das Sachlichkeitsgebot der § 43b Abs. 1, § 6 Abs. 1 BORA. Die Robe verkörpert - wie bereits ausgeführt - für alle im Gerichtssaal Anwesenden erkennbar die Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität geprägt ist. Sie dient damit mittelbar auch der Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess und mithin der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienen ebenfalls dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern (vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; BVerfG, NJW 2004, 2656 aaO; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 13; Prütting aaO Rn. 10). Sie sind daher, soweit Werbung auf Roben betroffen ist, auch vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der anwaltlichen Robe auszulegen. Ein Werbeaufdruck stört aber - unabhängig von seinem Inhalt - die Funktion und Wirkung der Robe. In Folge seiner Aufbringung entsteht ein für alle Betrachter ins Auge springendes, nicht auflösbares Spannungsverhältnis zwischen dem Zweck der Robe und den durch sie verkörperten Inhalten und Zielen einerseits und dem Werbezweck des Aufdrucks andererseits. Die Robe verliert in Folge dieser - durch den Aufdruck herbeigeführten - Widersprüchlichkeit ihres Erscheinungsbildes maßgeblich ihre Funktion. Diese zweckentfremdende Wirkung des Werbeaufdrucks begründet einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot der § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA.

30

d) Die berufsrechtliche Unzulässigkeit einer im Gerichtssaal mit Werbeaufdruck getragenen Robe würde durch eine hierauf bezogene sitzungspolizeiliche Gestattung des Vorsitzenden nicht berührt.

II.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Limperg                         Lohmann                         Remmert

                  Schäfer                                Lauer

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 26. Februar 2015 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger wendet sich gegen einen durch die Beklagte ausgesprochenen "belehrenden Hinweis" vom 22. Mai 2014. Darin wird die Gestaltung des Briefkopfs seiner Geschäftspapiere insoweit beanstandet, als dort neben dem Namen des Klägers unter anderem der Name einer Diplom-Wirtschaftsjuristin (FH) aufgeführt ist, ohne dass durch Zusätze klargestellt wird, dass kein Fall der gemeinschaftlichen Berufsausübung vorliegt. Die nach durchgeführtem Widerspruchsverfahren gegen die Beanstandung erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie der angefochtene Bescheid ein Handlungsgebot oder ein Handlungsverbot aussprechen, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angegriffen werden können (vgl. BGH, Urteile vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7; vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; jeweils mwN).

3

2. Ein Zulassungsgrund (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 VwGO) ist nicht gegeben.

4

a) Der durch den Kläger der Sache nach geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

5

aa) Entgegen der Auffassung des Klägers stellt die Verwendung eines gemeinsamen Briefkopfs ein werbendes Verhalten dar, das darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rechtsanwalts zu gewinnen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 18; Beschluss vom 23. September 2002 - AnwZ (B) 67/01, NJW 2003, 346; jeweils mwN). Sie unterliegt damit den anwaltliche Werbemaßnahmen einschränkenden Bestimmungen der §§ 43b, 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO i.V.m. §§ 8 ff. BORA, wobei im Lichte der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit im Einzelfall nicht die Gestattung der Anwaltswerbung, sondern deren Beschränkung einer besonderen Rechtfertigung bedarf (BGH, Urteile vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, aaO; vom 1. März 2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 74 f.).

6

bb) Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der Anwaltsgerichtshof die Ausgestaltung des durch den Kläger verwendeten Briefkopfes mit Recht als irreführend angesehen. Im angefochtenen Urteil wird maßgebend darauf abgestellt, dass durch den verwendeten Briefkopf der Eindruck erweckt wird, es bestehe zwischen dem Kläger und der Diplom-Wirtschaftsjuristin (FH) eine berufliche Zusammenarbeit in Form einer Sozietät. Dies trifft jedoch - was der Kläger auch im Zulassungsantrag nicht in Abrede stellt - gerade nicht zu. Es hätte ihm deshalb oblegen, einen klarstellenden Hinweis auf diesen Umstand aufzunehmen (§ 8 Satz 2 BORA).

7

b) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat der Kläger nicht ausreichend dargelegt (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

8

aa) Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2015 - AnwZ (Brfg) 31/15 Rn. 11 mwN). Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie zu ihrer Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihrer Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Berufungsgerichts erforderlich ist.

9

bb) Das Verlangen nach einem klarstellenden Hinweis auf die tatsächlichen Verhältnisse in der Kanzlei des Klägers findet seine Grundlage in der eindeutigen und insoweit keiner anderweitigen Interpretation zugänglichen Regelung des § 8 Satz 2 BORA. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anwendung der Vorschrift auf den vorliegenden Fall hegt der Senat nicht. Diese beruht auf der Ermächtigungsgrundlage des § 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO und wird von der Rechtsprechung sowie der herrschenden Kommentarliteratur der Rechtsanwendung zugrunde gelegt (vgl. Bormann in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 8 BORA/§ 59a BRAO Rn. 1, 5, 8 mwN). Sie dient dem Schutz der Rechtsuchenden vor Irreführung, mithin einem wichtigen Belang des Gemeinwohls, der die - überaus geringfügige - Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit des Klägers (Art. 12 Abs. 1 GG) rechtfertigt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. September 2015 - AnwZ (Brfg) 31/15 Rn. 12).

10

Der Hinweis des Klägers auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Mai 2013 (II ZB 7/11, NJW 2013, 2674) geht schon deswegen fehl, weil vorliegend nicht die verfassungsrechtliche Beurteilung des § 59a Abs. 1 BRAO, sondern die Notwendigkeit zutreffender Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse in Frage steht (vgl. auch Träger in Feuerich/Weyland, 9. Aufl., § 8 BORA Rn. 8; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 8 BORA Rn. 2). Zudem sind Gegenstand der genannten Entscheidung die Berufe des Arztes und des Apothekers, die sich in mehrfacher Hinsicht von dem des Diplom-Wirtschaftsjuristen (FH) unterscheiden (vgl. unter anderem zur strafbewehrten eigenständigen Schweigepflicht, zu den strafprozessualen Schutzvorschriften und zur Berufsaufsicht BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - II ZB 7/11, aaO Rn. 60, 66 ff.).

11

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Limperg                      König                    Remmert

                Braeuer                      Kau

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. September 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen belehrende Hinweise der Beklagten vom 7. Januar 2013 und 15. Februar 2013. Diese waren auf seine Bitte ergangen, die berufsrechtliche Zulässigkeit von ihm ins Auge gefasster und so bezeichneter "Schockwerbung" für seine Kanzlei zu beurteilen. Zugrunde liegt, dass der Kläger zu Werbezwecken Kaffeetassen verbreiten will, die er mit verschiedenen Aufdrucken von Bildern, diesen beigestellten Textzeilen sowie den Kontaktdaten seiner Kanzlei versehen möchte.

2

In Streit stehen noch drei solcher Aufdrucke. Der erste Aufdruck enthält eine mit diagonal verlaufenden roten Linien durchgestrichene fotografische Abbildung. Sie zeigt eine Frau, die ein auf ihren Knien liegendes, ersichtlich schreiendes Mädchen mit einem Gegenstand auf das nackte Gesäß schlägt. Neben dem Bild ist aufgedruckt: "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1631 Abs. 2 BGB)". Der zweite - zeichnerische - Abbildungsabdruck stellt einen eine Pfeife rauchenden Mann dar, der einer auf seinen Knien liegenden erwachsenen Frau mit einem Gegenstand auf das entblößte Gesäß schlägt. Daneben findet sich der Text: "Wurden Sie Opfer einer Straftat?". Der dritte Aufdruck setzt sich zusammen aus einer fotografischen Abbildung einer jungen Frau, die sich erkennbar aus Verzweiflung den Mündungslauf einer Schusswaffe unter das Kinn hält, und der daneben angebrachten Textzeile "Nicht verzagen, R.    fragen".

3

In den genannten Bescheiden gab die Beklagte dem Kläger jeweils auf, die Werbung wegen Unvereinbarkeit mit dem anwaltlichen Berufsrecht sowie dem Wettbewerbsrecht zu unterlassen. Die dem Kläger förmlich zugestellten Bescheide enthielten eine Rechtsmittelbelehrung, wonach binnen eines Monats nach Zustellung Klage beim Anwaltsgerichtshof erhoben werden könne.

4

Die durch den Kläger gegen die Bescheide erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof als unzulässig abgewiesen, weil die belehrenden Hinweise zukünftiges Verhalten beträfen, weswegen ihnen keine Verwaltungsaktqualität zukomme. Der Senat hat die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 21. Januar 2014 zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

5

Die Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.

6

1. Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs ist die Klage allerdings als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

7

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie die angefochtenen Bescheide mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; Beschlüsse vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 62 f.; jeweils m.w.N.). Der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich die Bescheide nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des Klägers beziehen. Zwar hat der Senat zum vormals geltenden Verfahrensrecht mehrfach ausgesprochen, dass Auskünfte der Rechtsanwaltskammern über die Rechtmäßigkeit künftigen Verhaltens des Rechtsanwalts grundsätzlich nicht anfechtbar sind, weil sie keine Schuld feststellen und nicht in dessen Rechte eingreifen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 1962 - AnwZ (B) 10/62, BGHZ 37, 396, 401; vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 20/96, NJW-RR 1997, 759; vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 28/00, BRAK-Mitt 2001, 188, 189; vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 38/05, NJW 2006, 2926 Rn. 2).

8

Jedoch gehen die streitbefangenen Bescheide nach ihrem bei der Auslegung maßgebenden objektiven Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts (vgl. nur von Alemann/Scheffczyk in BeckOK VwVfG, Stand 1. Juli 2014, § 35 Rn. 46 m.w.N.) schon ausweislich der jeweils verwendeten Entscheidungsformel über solche präventive Auskünfte hinaus. Diese stellen fest, dass die Verwendung der verfahrensgegenständlichen Aufdrucke zu Werbezwecken rechtswidrig ist, und sprechen konkrete Verbote aus ("... ist nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht ... vereinbar und daher von Ihnen zu unterlassen"). Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. auch BayVGH, BayVBl 2006, 635; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 35 Rn. 83 m.w.N.). Die Bescheide lassen erkennen, dass sich die Beklagte im Vorgriff auf eine bei Zuwiderhandeln gegen die Verbote ohne Weiteres erfolgende Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Fragen festgelegt hat. Darüber hinaus sind sie mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für das Vorliegen von Verwaltungsakten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7 m.w.N.; BVerwGE 29, 310, 312 f.; 99, 101, 104; BVerwG, NVwZ-RR 2005, 343; Stelkens, aaO, § 35 Rn. 72 m.w.N.; von Alemann/Scheffczyk, aaO, § 35 Rn. 35 f.).

9

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

10

a) Die Beklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung der vorgelegten Aufdrucke in Form belehrender Hinweise nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO mitzuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwalt im Rahmen solcher Hinweise zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, aaO; Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, aaO; jeweils m.w.N.). Gründe, die zu einer anderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kläger aufgrund der Hinweise in keiner Weise gehindert ist, die Aufdrucke gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. zu verbotener Vorzensur BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 70. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 m.w.N.).

11

b) Der Senat teilt die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Meinung der Beklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar ist.

12

aa) Das in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), unter Umständen auch der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656, 2657). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36 und hierzu EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12, NJW 2014, 554 Rn. 18, 20 f.). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" BVerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993 S. 28; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/7656 S. 48) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail krit. - von Lewinski in Hartung, BORA/FAO, 5. Aufl., § 6 BORA Rn. 29; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 43b Rn. 30; Böhnlein in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 43b Rn. 20 f.; jeweils m.w.N.; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.; s. aber dort Rn. 269 m.w.N.).

13

Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienen dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern; mit der Stellung eines Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden Bürgers eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt und mit der eigentlichen Leistung des Anwalts sowie dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun hat (vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO). Verboten werden können danach unter anderem Werbemethoden, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind (BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO; 2001, 2620 m.w.N.).

14

Es ist einem Rechtsanwalt zwar nicht verwehrt, für seine Werbung Bilder oder Fotografien zu verwenden (vgl. Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 32; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 75), Gegenstände wie etwa Tassen als Werbeträger einzusetzen (Prütting, aaO, § 43b BRAO, Rn. 37; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 87) oder auch Ironie und Sprachwitz als Stilmittel zu gebrauchen (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324, 3325; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 26). Die Grenzen zulässiger Werbung sind jedoch überschritten, wenn die Werbung darauf abzielt, gerade durch ihre reißerische und/oder sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge, dass ein etwa vorhandener Informationswert in den Hintergrund gerückt wird oder gar nicht mehr erkennbar ist (vgl. auch BGH, Urteile vom 1. März 2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 76 und vom 21. Februar 2002 - I ZR 281/99, NJW 2002, 2642, 2644). Derartige Werbemethoden sind geeignet, die Rechtsanwaltschaft als seriöse Sachwalterin der Interessen Rechtsuchender zu beschädigen (vgl. auch BVerfG [Kammer], BRAK-Mitt. 2000, 137, 138; Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 38).

15

bb) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b BRAO) überschreiten aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324 m.w.N.) in der gebotenen Gesamtbetrachtung der Bilder und der ihnen jeweils beigestellten Textzeilen sämtliche streitbefangenen Aufdrucke.

16

(1) Diese Bewertung wird für den Aufdruck 1 nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Textzeile "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1626 Abs. 2 BGB)" für sich genommen einen gewissen Informationsgehalt aufweist und als solche in einer anwaltlichen Werbung nicht zu beanstanden wäre. Denn "Blickfang" für den Betrachter ist - vom Kläger auch so beabsichtigt - die realistische Darstellung des Verprügelns eines Kindes. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass das Kind am Unterleib nackt ist, wobei die Unterhose bis zu den Knien herabgezogen ist. Da Nacktheit fraglos kein essentielles Element der Darstellung einer Kindesmisshandlung ist, legt dies die Annahme nahe, dass bei einem Teil des Betrachterkreises auch sexuelles Interesse geweckt werden soll. Die mit dem Bild in Zusammenhang gestellte Tatsache, dass die körperliche Misshandlung von Kindern im Rahmen der Erziehung in Deutschland seit langem ausdrücklich verboten ist, gerät auf diese Weise zu bloßem Beiwerk und vermag deshalb auch nicht - was der Kläger zuletzt in den Vordergrund gerückt hat - einen Beitrag zu einer gesellschaftskritischen Auseinandersetzung zu leisten, zumal die Abbildung auf zu Werbezwecken verbreiteten, vom Kläger so genannten "Humpen" aufgedruckt ist. Auch der Umstand, dass der Aufdruck durchgestrichen ist, kann in Anbetracht der reißerischen und sexualisierenden Darstellung keinen Ausgleich schaffen. Die Beklagte hat mit Recht darauf hingewiesen, dass solche Werbung geeignet wäre, bei der rechtsuchenden Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, die Rechtsanwaltschaft habe Derartiges nötig, um Mandate zu erlangen, und damit das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt zu beeinträchtigen.

17

(2) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Textzeile gemäß Aufdruck 2 "Wurden Sie Opfer einer Straftat?" etwa deswegen noch eine hinreichend berufsbezogene Information enthält, weil möglichen Rechtsuchenden - hier dem freilich wohl eher vordergründig angesprochenen Adressatenkreis der Opfer häuslicher Gewalt - in der Zusammenschau mit der Berufsangabe des Klägers und seinen Kontaktdaten vermittelt wird, dass durch diesen eine Beratung beispielsweise über zivil-, straf- oder sozialrechtliche Verletztenrechte angeboten wird. Denn es dominiert der gestalterisch hergestellte Zusammenhang mit einer an eine Karikatur erinnernden Zeichnung, die sich in einer klischeehaften Entstellung forensisch bekannter Phänomene häuslicher Gewalt erschöpft. Hierdurch werden dieser Adressatenkreis sowie sein Rechtsschutzbedürfnis abgewertet sowie ins Lächerliche gezogen und für die "Werbebotschaft" instrumentalisiert. Die stark sexualisierende Darstellung mit einem in das Zentrum des Bildes gerückten entblößten Gesäß einer erwachsenen Frau, deren Unterhose bis zu den Oberschenkeln heruntergezogen ist, kommt hinzu. Solches erscheint in anwaltlicher Werbung nicht tragbar.

18

(3) Ebenfalls durch eine unangemessene Ironisierung geprägt ist angesichts des neben der Abbildung einer verzweifelten potentiellen Suizidentin angebrachten Reims "Nicht verzagen, R.    fragen" der Aufdruck 3. Zugleich ist er aufgrund der martialischen Darstellung einer Schusswaffe am Kinn eines Menschen abermals durch eine reißerische Aufmachung gekennzeichnet. Überdies vermittelt die Gesamtschau des Aufdrucks keinen spezifischen Hinweis auf das Berufsbild des Rechtsanwalts oder gar auf das konkrete Tätigkeitsfeld des Klägers. Durch die fotografisch dargestellte äußerste Verzweiflung eines Menschen in Verbindung mit dem genannten Reim wird vielmehr eine umfassende Hilfe in allen denkbaren Lebenslagen suggeriert, die der Kläger kaum zu leisten imstande wäre. Ein Zusammenhang mit anwaltlicher Betätigung kann allenfalls in loser Assoziation hergestellt werden und wäre in der Sache verzerrt.

II.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser                        König                         Remmert

                Martini                       Quaas

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen einen belehrenden Hinweis der Beklagten vom 26. Mai 2015. Dieser war auf seine Bitte ergangen, ihn über die berufsrechtliche Zulässigkeit eines von ihm ins Auge gefassten Aufdrucks beziehungsweise einer Bestickung seiner Anwaltsrobe auf deren oberen Rückenbereich mit den Worten "Dr. R.      " und der Internetadresse "www.dr-r.  .de" zu belehren.

2

In dem - dem Kläger zugestellten und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen - Bescheid belehrte die Beklagte den Kläger dahingehend, dass das Tragen der Anwaltsrobe mit dem vorgenannten Aufdruck nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht vereinbar und daher von ihm künftig zu unterlassen sei. Mit der geplanten Verwendung der Robe verstoße er gegen § 43b BRAO, § 6 Abs. 1, § 20 BORA. Es handele sich um ein werbliches Auftreten nach außen, das dazu diene, in den Gerichtssälen bewusst Zuhörer und andere auf sich aufmerksam zu machen, um hierdurch für neue Mandate zu werben. Diese Werbung sei unsachlich, weil ein Gerichtssaal der falsche Ort für Werbung insgesamt sei. Außerdem verstoße er durch das Tragen der Robe gegen § 20 BORA, da von der üblichen Berufstracht abgewichen werde.

3

Der Anwaltsgerichtshof hat die vom Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2015 erhobene Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.

4

Der Kläger beantragt nunmehr das Urteil des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Az. 1 AGH 16/15, vom 29. Mai 2015, sowie den Bescheid der Beklagten, Az. III. Abt. 275/2014, vom 26. Mai 2015 aufzuheben.

5

hilfsweise,

6

das Urteil des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Az. 1 AGH 16/15, vom 29. Mai 2015, sowie den Bescheid der Beklagten, Az. III. Abt. 275/2014, vom 26. Mai 2015 insoweit aufzuheben, als dem Kläger darin auch untersagt wird,

- die verfahrensgegenständliche Robe vor Gerichten zu tragen, vor denen Robenzwang für Rechtsanwälte nicht besteht, sowie

- die verfahrensgegenständliche Robe auch dann zu tragen, selbst wenn die Vorsitzende Richterin/der Vorsitzende Richter deren Tragen im Rahmen der Sitzungspolizei zugelassen hat.

7

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

8

Die Berufung hat keinen Erfolg.

9

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

10

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie der angefochtene Bescheid mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. nur BGH, Urteile vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7 und vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; jeweils mwN). Der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich der Bescheid nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des Klägers bezieht. Er geht schon ausweislich der Entscheidungsformel über eine lediglich präventive Auskunft hinaus, da er feststellt, dass die Verwendung des verfahrensgegenständlichen Robenaufdrucks rechtswidrig ist, und ein konkretes Verbot ausspricht. Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO mwN). Darüber hinaus ist der Bescheid mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für das Vorliegen eines Verwaltungsakts (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO; Beschluss vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; jeweils mwN).

11

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

12

a) Die Beklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung des beabsichtigten Robenaufdrucks in Form eines belehrenden Hinweises nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO mitzuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwalt im Rahmen eines solchen Hinweises zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. Senat, Urteile vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 10 und vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11 aaO; jeweils mwN). Gründe, die zu einer anderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kläger aufgrund des Hinweises in keiner Weise gehindert ist, den Aufdruck gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 32; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO; zu verbotener Vorzensur vgl. BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 68. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 mwN).

13

b) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat der Anwaltsgerichtshof in dem Tragen einer nach dem Muster des Klägers bestickten oder bedruckten Robe vor Gericht einen Verstoß gegen § 20 BORA gesehen. Diese - auf der Grundlage von § 59b Abs. 2 Nr. 6c BRAO erlassene - berufsrechtliche Vorschrift steht jeglicher Werbung auf einer Robe im Gerichtssaal entgegen (nachfolgend aa). Bei dem Aufdruck auf der Robe des Klägers handelt es sich um eine solche unzulässige Werbung (nachfolgend bb).

14

aa) Nach § 20 BORA trägt der Rechtsanwalt vor Gericht als Berufstracht die Robe, soweit dies üblich ist. Eine Berufspflicht zum Erscheinen in Robe besteht beim Amtsgericht in Zivilsachen nicht.

15

(1) Die in § 20 BORA bestimmte Pflicht zum Tragen einer Robe setzt voraus, dass die Robe nicht mit Werbeaufdrucken oder ähnlichen werbenden Aufbringungen versehen ist (Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 20 BORA Rn. 41; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 20 BORA Rn. 5; Brüggemann in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 20 BORA Rn. 3). Dies ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, aus Sinn und Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe. Es besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit daran, dass Gerichtsverhandlungen in guter Ordnung und angemessener Form durchgeführt werden können. Diesem Zweck dient es, wenn auch die an der Verhandlung beteiligten Rechtsanwälte eine Amtstracht tragen (BVerfGE 28, 21, 31 f.). Sie werden dadurch aus dem Kreis der übrigen Teilnehmer an der Verhandlung herausgehoben; ihre Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) wird sichtbar gemacht (BVerfG aaO; Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 16, 41; Wolf in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 1 BRAO Rn. 91). Darin liegt auch ein zumindest mittelbarer Nutzen für die Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess; denn die Übersichtlichkeit der Situation im Verhandlungsraum wird gefördert und zugleich ein Beitrag zur Schaffung der Atmosphäre der Ausgeglichenheit und Objektivität geleistet, in der allein Rechtsprechung sich in angemessener Form darstellen kann (BVerfG aaO). Durch das Anlegen der Robe tritt der Rechtsanwalt mithin als Person hinter seiner Funktion als Prozessbeteiligter zurück (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128).

16

Dieser Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe steht jeglichem Werbeaufdruck auf der Robe entgegen. Letztere verkörpert - im Unterschied zu anderen Berufskleidungen und zu anderen Kleidungsstücken des Rechtsanwalts - für alle Anwesenden erkennbar die Organstellung des Rechtsanwalts und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität sowie der Verallgemeinerungsfähigkeit der Rechtsanwendung geprägt ist (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128). Ein Werbeaufdruck stört - unabhängig von seinem Inhalt - diese Funktion, Aussage und Wirkung der Robe. Anwaltliche Werbung ist ein Verhalten, das darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rechtsanwalts zu gewinnen (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2015 - AnwZ (Brfg) 19/15, BRAK-Mitt. 2016, 72 Rn. 5; Urteil vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 18 und Beschluss vom 23. September 2002 - AnwZ (Brfg) 67/01, NJW 2003, 346). Durch ihre Aufbringung auf die vor Gericht getragene Robe wird letztere zweckentfremdet und werden ihre eigentlichen, vorstehend dargestellten Zwecke wesentlich beeinträchtigt. Der Rechtsanwalt tritt mittels der Robe als "Werbeträger" hervor und mindert auf diese Weise die vorgenannte Funktion und Wirkung der Robe.

17

Soweit der Kläger meint, durch die namentliche Kennzeichnung werde der Sinn des Robetragens verstärkt, wenn sich nicht nur die Anwaltseigenschaft, sondern auch die konkrete Person des Anwalts erkennen lasse, missversteht er Sinn und Zweck der Robe. Durch sie soll der Rechtsanwalt gerade nicht als konkrete Person, sondern als unabhängiges Organ der Rechtspflege aus dem übrigen Teilnehmerkreis hervorgehoben werden. Eine namentliche Kennzeichnung auf der Robe dient diesem Zweck nicht.

18

(2) Das Gebot der Werbefreiheit von Roben gilt, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend erkannt hat, auch für Roben, die von Rechtsanwälten in Gerichtsverhandlungen getragen werden, für die nach § 20 BORA eine Robenpflicht nicht besteht. Die Funktion der Robe ist nicht abhängig von der Pflicht zu ihrer Verwendung. Wird sie von einem Rechtsanwalt vor Gericht ohne Verpflichtung aus freien Stücken getragen, verliert sie hierdurch nicht ihren Zweck und wird nicht zu einem normalen Kleidungsstück. Nach dem maßgeblichen objektivierten Horizont des Betrachters weist der Rechtsanwalt vielmehr auch in Gerichtsverhandlungen ohne Robenpflicht mit dem Anlegen der Robe auf den vorstehend dargestellten Zweck der Robe hin und macht ihn sich zu Eigen. Mit diesem Zweck ist - wie ausgeführt - eine auf der Robe aufgebrachte Werbung nicht zu vereinbaren.

19

(3) Der somit aus § 20 BORA folgenden Werbefreiheit von vor Gericht getragenen Roben stehen nicht § 43b BRAO und § 6 BORA entgegen. Denn auch nach diesen Vorschriften ist eine solche Werbung nicht erlaubt (siehe nachfolgend zu c).

20

(4) Das aus § 20 BORA folgende Verbot von Werbung auf vor Gericht getragenen Roben ist im Hinblick auf die hiermit verbundene Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG; vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 16 ff. mwN zum Schutzbereich von Berufsausübungs- und Meinungsfreiheit im Falle anwaltlicher Werbung), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Einschränkung beider Grundrechte lässt sich mit sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls rechtfertigen. Letztere sind in dem vorstehend unter (1) näher ausgeführten Sinn und Zweck einer vor Gericht getragenen Anwaltsrobe begründet. In Abwägung dieser Belange des Gemeinwohls mit der geringen, mit einem Werbeverbot auf vor Gericht getragenen Roben verbundenen Grundrechtseinschränkung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

21

Eine entsprechende Beschränkung anwaltlicher Werbung ist auch im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36, und hierzu EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 12; BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12, BGHZ 199, 43 Rn. 18, 20 f.).

22

(5) Das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Bestimmtheitsgebot ist gewahrt. Danach ist erforderlich, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. BVerfGE 78, 205, 212; 84, 133, 149; 87, 234, 263; 102, 254, 337). Dies ist schon dann anzunehmen, wenn sich der Regelungsgehalt der Norm im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden feststellen lässt (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 102, 254 aaO; 110, 33, 56 f.; 117, 71, 111 f.; 131, 88, 118 f.; jeweils mwN). Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot wird eingehalten, wenn sich aus der gesetzlichen Regelung und ihrer Zielsetzung richtungsweisende Gesichtspunkte für die - den Gerichten und Verwaltungsbehörden übertragene - Auslegung der in der Norm verwendeten Begriffe ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 1988 - 1 BvR 900/88, juris Rn. 8).

23

Diesen Anforderungen entspricht vorliegend eine Auslegung von § 20 BORA im Sinne eines Verbots von Werbung auf vor Gericht getragenen Anwaltsroben. Der entsprechende Regelungsgehalt lässt sich - wie gezeigt - im Wege der Heranziehung von Sinn und Zweck der Robe feststellen. Aus ihnen ergeben sich richtungsweisende Gesichtspunkte für eine Auslegung der Vorschrift im vorgenannten Sinn.

24

bb) Bei dem Aufdruck auf der Robe des Klägers handelt es sich um Werbung. Insbesondere die Verwendung des Domain-Namens der Homepage des Klägers als Robenaufdruck ist, wie der Anwaltsgerichtshof in dem angefochtenen Urteil und die Beklagte in dem Bescheid vom 26. Mai 2015 zutreffend ausgeführt haben, Werbung. Denn sie zielt darauf ab, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Klägers zu gewinnen (vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 28 mwN; zur Verwendung von Domain-Namen als Werbung vgl. Senat, Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 8/02, NJW 2003, 504; Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 68 f.; Saenger/Riße, MDR 2005, 1381 f.). Keineswegs handelt es sich um die bloße Kenntlichmachung des Klägers im Gerichtssaal. Diese ist schon nicht geboten. Vor allem aber geht die Angabe des Domain-Namens der Homepage des Klägers auf seiner Robe weit über dessen Kenntlichmachung hinaus. Sie verweist auf die Homepage selbst und die dort vorhandenen, selbstdarstellenden Inhalte. Aus der maßgeblichen Sicht des im Gerichtssaal anwesenden Publikums, zu dessen Kenntnisnahme der Aufdruck bestimmt ist, dient die Angabe einer "Internetadresse" als Aufdruck auf einer Robe daher vorrangig nicht der - auch anders zu bewirkenden - Identifizierbarkeit des Trägers der Robe, sondern der Werbung für dessen auf seiner Homepage näher beschriebenen Leistungen. Der Umstand, dass durch den Domain-Namen unter anderem auch die Identifizierung des Trägers der Robe ermöglicht wird, steht dieser Einordnung des Aufdrucks als vorrangig werbend nicht entgegen.

25

c) Der Senat teilt zudem die in dem angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung der Beklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar ist.

26

aa) Das in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; BVerfG, NJW 2004, 2656, 2657; 2015, 1438 Rn. 16 ff.). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (siehe oben b aa (4) zu Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" BVerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993 S. 28; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/7656 S. 48; zum Verbot einer reißerischen und/oder sexualisierenden Werbung auf Tassen durch einen Rechtsanwalt vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail kritisch - von Lewinski in Hartung/Scharmer aaO § 6 BORA Rn. 29; Prütting in Henssler/Prütting aaO § 43b Rn. 30; jeweils mwN; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.).

27

bb) Anwaltliche Werbung ist nicht auf eine bestimmte Form und ein bestimmtes Mittel beschränkt (von Lewinski aaO Rn. 44). Ein vom Rechtsanwalt zur Selbstdarstellung gewähltes Medium kann daher für sich betrachtet nicht die Unzulässigkeit der Werbung begründen (BVerfG, NJW 2003, 3470 mwN; Prütting aaO Rn. 31). Indes ist nach § 43b Abs. 1 BRAO dem Rechtsanwalt nur solche Werbung erlaubt, die nach Form und Inhalt sachlich unterrichtet. Das Sachlichkeitsgebot betrifft nach dem Willen des Gesetzgebers mithin nicht nur den Inhalt der Werbung, sondern auch ihre Methoden (BT-Drucks. 12/4993 und 12/7656, jeweils aaO). Ob es durch eine konkrete Werbung gewahrt wird, lässt sich daher nur aufgrund einer Gesamtschau bewerten, die Inhalt, Ort und Medium der Werbung einbezieht.

28

cc) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b BRAO) werden durch das Tragen einer Robe nach dem Muster des Klägers aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG, NJW 2001, 3324 mwN) in der gebotenen Gesamtbetrachtung des Aufdrucks, seines Trägermediums (Robe) und des Verwendungsortes überschritten. Die entsprechende Beurteilung in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Die im Gerichtssaal getragene Robe ist kein zulässiges Mittel anwaltlicher Werbung (so auch von Lewinski aaO Rn. 44, 69a).

29

Die Angabe des Namens des Klägers und des Domain-Namens seiner Homepage stellt für sich genommen inhaltlich zwar keine unsachliche Werbung dar. Ihre Aufbringung auf einer vor Gericht getragenen Robe verletzt jedoch das Sachlichkeitsgebot der § 43b Abs. 1, § 6 Abs. 1 BORA. Die Robe verkörpert - wie bereits ausgeführt - für alle im Gerichtssaal Anwesenden erkennbar die Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität geprägt ist. Sie dient damit mittelbar auch der Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess und mithin der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienen ebenfalls dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern (vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; BVerfG, NJW 2004, 2656 aaO; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 13; Prütting aaO Rn. 10). Sie sind daher, soweit Werbung auf Roben betroffen ist, auch vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der anwaltlichen Robe auszulegen. Ein Werbeaufdruck stört aber - unabhängig von seinem Inhalt - die Funktion und Wirkung der Robe. In Folge seiner Aufbringung entsteht ein für alle Betrachter ins Auge springendes, nicht auflösbares Spannungsverhältnis zwischen dem Zweck der Robe und den durch sie verkörperten Inhalten und Zielen einerseits und dem Werbezweck des Aufdrucks andererseits. Die Robe verliert in Folge dieser - durch den Aufdruck herbeigeführten - Widersprüchlichkeit ihres Erscheinungsbildes maßgeblich ihre Funktion. Diese zweckentfremdende Wirkung des Werbeaufdrucks begründet einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot der § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA.

30

d) Die berufsrechtliche Unzulässigkeit einer im Gerichtssaal mit Werbeaufdruck getragenen Robe würde durch eine hierauf bezogene sitzungspolizeiliche Gestattung des Vorsitzenden nicht berührt.

II.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Limperg                         Lohmann                         Remmert

                  Schäfer                                Lauer

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. September 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen belehrende Hinweise der Beklagten vom 7. Januar 2013 und 15. Februar 2013. Diese waren auf seine Bitte ergangen, die berufsrechtliche Zulässigkeit von ihm ins Auge gefasster und so bezeichneter "Schockwerbung" für seine Kanzlei zu beurteilen. Zugrunde liegt, dass der Kläger zu Werbezwecken Kaffeetassen verbreiten will, die er mit verschiedenen Aufdrucken von Bildern, diesen beigestellten Textzeilen sowie den Kontaktdaten seiner Kanzlei versehen möchte.

2

In Streit stehen noch drei solcher Aufdrucke. Der erste Aufdruck enthält eine mit diagonal verlaufenden roten Linien durchgestrichene fotografische Abbildung. Sie zeigt eine Frau, die ein auf ihren Knien liegendes, ersichtlich schreiendes Mädchen mit einem Gegenstand auf das nackte Gesäß schlägt. Neben dem Bild ist aufgedruckt: "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1631 Abs. 2 BGB)". Der zweite - zeichnerische - Abbildungsabdruck stellt einen eine Pfeife rauchenden Mann dar, der einer auf seinen Knien liegenden erwachsenen Frau mit einem Gegenstand auf das entblößte Gesäß schlägt. Daneben findet sich der Text: "Wurden Sie Opfer einer Straftat?". Der dritte Aufdruck setzt sich zusammen aus einer fotografischen Abbildung einer jungen Frau, die sich erkennbar aus Verzweiflung den Mündungslauf einer Schusswaffe unter das Kinn hält, und der daneben angebrachten Textzeile "Nicht verzagen, R.    fragen".

3

In den genannten Bescheiden gab die Beklagte dem Kläger jeweils auf, die Werbung wegen Unvereinbarkeit mit dem anwaltlichen Berufsrecht sowie dem Wettbewerbsrecht zu unterlassen. Die dem Kläger förmlich zugestellten Bescheide enthielten eine Rechtsmittelbelehrung, wonach binnen eines Monats nach Zustellung Klage beim Anwaltsgerichtshof erhoben werden könne.

4

Die durch den Kläger gegen die Bescheide erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof als unzulässig abgewiesen, weil die belehrenden Hinweise zukünftiges Verhalten beträfen, weswegen ihnen keine Verwaltungsaktqualität zukomme. Der Senat hat die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 21. Januar 2014 zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

5

Die Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.

6

1. Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs ist die Klage allerdings als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

7

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie die angefochtenen Bescheide mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; Beschlüsse vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 62 f.; jeweils m.w.N.). Der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich die Bescheide nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des Klägers beziehen. Zwar hat der Senat zum vormals geltenden Verfahrensrecht mehrfach ausgesprochen, dass Auskünfte der Rechtsanwaltskammern über die Rechtmäßigkeit künftigen Verhaltens des Rechtsanwalts grundsätzlich nicht anfechtbar sind, weil sie keine Schuld feststellen und nicht in dessen Rechte eingreifen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 1962 - AnwZ (B) 10/62, BGHZ 37, 396, 401; vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 20/96, NJW-RR 1997, 759; vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 28/00, BRAK-Mitt 2001, 188, 189; vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 38/05, NJW 2006, 2926 Rn. 2).

8

Jedoch gehen die streitbefangenen Bescheide nach ihrem bei der Auslegung maßgebenden objektiven Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts (vgl. nur von Alemann/Scheffczyk in BeckOK VwVfG, Stand 1. Juli 2014, § 35 Rn. 46 m.w.N.) schon ausweislich der jeweils verwendeten Entscheidungsformel über solche präventive Auskünfte hinaus. Diese stellen fest, dass die Verwendung der verfahrensgegenständlichen Aufdrucke zu Werbezwecken rechtswidrig ist, und sprechen konkrete Verbote aus ("... ist nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht ... vereinbar und daher von Ihnen zu unterlassen"). Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. auch BayVGH, BayVBl 2006, 635; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 35 Rn. 83 m.w.N.). Die Bescheide lassen erkennen, dass sich die Beklagte im Vorgriff auf eine bei Zuwiderhandeln gegen die Verbote ohne Weiteres erfolgende Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Fragen festgelegt hat. Darüber hinaus sind sie mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für das Vorliegen von Verwaltungsakten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7 m.w.N.; BVerwGE 29, 310, 312 f.; 99, 101, 104; BVerwG, NVwZ-RR 2005, 343; Stelkens, aaO, § 35 Rn. 72 m.w.N.; von Alemann/Scheffczyk, aaO, § 35 Rn. 35 f.).

9

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

10

a) Die Beklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung der vorgelegten Aufdrucke in Form belehrender Hinweise nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO mitzuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwalt im Rahmen solcher Hinweise zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, aaO; Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, aaO; jeweils m.w.N.). Gründe, die zu einer anderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kläger aufgrund der Hinweise in keiner Weise gehindert ist, die Aufdrucke gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. zu verbotener Vorzensur BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 70. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 m.w.N.).

11

b) Der Senat teilt die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Meinung der Beklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar ist.

12

aa) Das in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), unter Umständen auch der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656, 2657). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36 und hierzu EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12, NJW 2014, 554 Rn. 18, 20 f.). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" BVerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993 S. 28; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/7656 S. 48) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail krit. - von Lewinski in Hartung, BORA/FAO, 5. Aufl., § 6 BORA Rn. 29; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 43b Rn. 30; Böhnlein in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 43b Rn. 20 f.; jeweils m.w.N.; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.; s. aber dort Rn. 269 m.w.N.).

13

Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienen dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern; mit der Stellung eines Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden Bürgers eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt und mit der eigentlichen Leistung des Anwalts sowie dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun hat (vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO). Verboten werden können danach unter anderem Werbemethoden, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind (BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO; 2001, 2620 m.w.N.).

14

Es ist einem Rechtsanwalt zwar nicht verwehrt, für seine Werbung Bilder oder Fotografien zu verwenden (vgl. Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 32; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 75), Gegenstände wie etwa Tassen als Werbeträger einzusetzen (Prütting, aaO, § 43b BRAO, Rn. 37; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 87) oder auch Ironie und Sprachwitz als Stilmittel zu gebrauchen (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324, 3325; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 26). Die Grenzen zulässiger Werbung sind jedoch überschritten, wenn die Werbung darauf abzielt, gerade durch ihre reißerische und/oder sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge, dass ein etwa vorhandener Informationswert in den Hintergrund gerückt wird oder gar nicht mehr erkennbar ist (vgl. auch BGH, Urteile vom 1. März 2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 76 und vom 21. Februar 2002 - I ZR 281/99, NJW 2002, 2642, 2644). Derartige Werbemethoden sind geeignet, die Rechtsanwaltschaft als seriöse Sachwalterin der Interessen Rechtsuchender zu beschädigen (vgl. auch BVerfG [Kammer], BRAK-Mitt. 2000, 137, 138; Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 38).

15

bb) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b BRAO) überschreiten aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324 m.w.N.) in der gebotenen Gesamtbetrachtung der Bilder und der ihnen jeweils beigestellten Textzeilen sämtliche streitbefangenen Aufdrucke.

16

(1) Diese Bewertung wird für den Aufdruck 1 nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Textzeile "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1626 Abs. 2 BGB)" für sich genommen einen gewissen Informationsgehalt aufweist und als solche in einer anwaltlichen Werbung nicht zu beanstanden wäre. Denn "Blickfang" für den Betrachter ist - vom Kläger auch so beabsichtigt - die realistische Darstellung des Verprügelns eines Kindes. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass das Kind am Unterleib nackt ist, wobei die Unterhose bis zu den Knien herabgezogen ist. Da Nacktheit fraglos kein essentielles Element der Darstellung einer Kindesmisshandlung ist, legt dies die Annahme nahe, dass bei einem Teil des Betrachterkreises auch sexuelles Interesse geweckt werden soll. Die mit dem Bild in Zusammenhang gestellte Tatsache, dass die körperliche Misshandlung von Kindern im Rahmen der Erziehung in Deutschland seit langem ausdrücklich verboten ist, gerät auf diese Weise zu bloßem Beiwerk und vermag deshalb auch nicht - was der Kläger zuletzt in den Vordergrund gerückt hat - einen Beitrag zu einer gesellschaftskritischen Auseinandersetzung zu leisten, zumal die Abbildung auf zu Werbezwecken verbreiteten, vom Kläger so genannten "Humpen" aufgedruckt ist. Auch der Umstand, dass der Aufdruck durchgestrichen ist, kann in Anbetracht der reißerischen und sexualisierenden Darstellung keinen Ausgleich schaffen. Die Beklagte hat mit Recht darauf hingewiesen, dass solche Werbung geeignet wäre, bei der rechtsuchenden Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, die Rechtsanwaltschaft habe Derartiges nötig, um Mandate zu erlangen, und damit das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt zu beeinträchtigen.

17

(2) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Textzeile gemäß Aufdruck 2 "Wurden Sie Opfer einer Straftat?" etwa deswegen noch eine hinreichend berufsbezogene Information enthält, weil möglichen Rechtsuchenden - hier dem freilich wohl eher vordergründig angesprochenen Adressatenkreis der Opfer häuslicher Gewalt - in der Zusammenschau mit der Berufsangabe des Klägers und seinen Kontaktdaten vermittelt wird, dass durch diesen eine Beratung beispielsweise über zivil-, straf- oder sozialrechtliche Verletztenrechte angeboten wird. Denn es dominiert der gestalterisch hergestellte Zusammenhang mit einer an eine Karikatur erinnernden Zeichnung, die sich in einer klischeehaften Entstellung forensisch bekannter Phänomene häuslicher Gewalt erschöpft. Hierdurch werden dieser Adressatenkreis sowie sein Rechtsschutzbedürfnis abgewertet sowie ins Lächerliche gezogen und für die "Werbebotschaft" instrumentalisiert. Die stark sexualisierende Darstellung mit einem in das Zentrum des Bildes gerückten entblößten Gesäß einer erwachsenen Frau, deren Unterhose bis zu den Oberschenkeln heruntergezogen ist, kommt hinzu. Solches erscheint in anwaltlicher Werbung nicht tragbar.

18

(3) Ebenfalls durch eine unangemessene Ironisierung geprägt ist angesichts des neben der Abbildung einer verzweifelten potentiellen Suizidentin angebrachten Reims "Nicht verzagen, R.    fragen" der Aufdruck 3. Zugleich ist er aufgrund der martialischen Darstellung einer Schusswaffe am Kinn eines Menschen abermals durch eine reißerische Aufmachung gekennzeichnet. Überdies vermittelt die Gesamtschau des Aufdrucks keinen spezifischen Hinweis auf das Berufsbild des Rechtsanwalts oder gar auf das konkrete Tätigkeitsfeld des Klägers. Durch die fotografisch dargestellte äußerste Verzweiflung eines Menschen in Verbindung mit dem genannten Reim wird vielmehr eine umfassende Hilfe in allen denkbaren Lebenslagen suggeriert, die der Kläger kaum zu leisten imstande wäre. Ein Zusammenhang mit anwaltlicher Betätigung kann allenfalls in loser Assoziation hergestellt werden und wäre in der Sache verzerrt.

II.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser                        König                         Remmert

                Martini                       Quaas

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen einen belehrenden Hinweis der Beklagten vom 26. Mai 2015. Dieser war auf seine Bitte ergangen, ihn über die berufsrechtliche Zulässigkeit eines von ihm ins Auge gefassten Aufdrucks beziehungsweise einer Bestickung seiner Anwaltsrobe auf deren oberen Rückenbereich mit den Worten "Dr. R.      " und der Internetadresse "www.dr-r.  .de" zu belehren.

2

In dem - dem Kläger zugestellten und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen - Bescheid belehrte die Beklagte den Kläger dahingehend, dass das Tragen der Anwaltsrobe mit dem vorgenannten Aufdruck nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht vereinbar und daher von ihm künftig zu unterlassen sei. Mit der geplanten Verwendung der Robe verstoße er gegen § 43b BRAO, § 6 Abs. 1, § 20 BORA. Es handele sich um ein werbliches Auftreten nach außen, das dazu diene, in den Gerichtssälen bewusst Zuhörer und andere auf sich aufmerksam zu machen, um hierdurch für neue Mandate zu werben. Diese Werbung sei unsachlich, weil ein Gerichtssaal der falsche Ort für Werbung insgesamt sei. Außerdem verstoße er durch das Tragen der Robe gegen § 20 BORA, da von der üblichen Berufstracht abgewichen werde.

3

Der Anwaltsgerichtshof hat die vom Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2015 erhobene Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.

4

Der Kläger beantragt nunmehr das Urteil des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Az. 1 AGH 16/15, vom 29. Mai 2015, sowie den Bescheid der Beklagten, Az. III. Abt. 275/2014, vom 26. Mai 2015 aufzuheben.

5

hilfsweise,

6

das Urteil des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Az. 1 AGH 16/15, vom 29. Mai 2015, sowie den Bescheid der Beklagten, Az. III. Abt. 275/2014, vom 26. Mai 2015 insoweit aufzuheben, als dem Kläger darin auch untersagt wird,

- die verfahrensgegenständliche Robe vor Gerichten zu tragen, vor denen Robenzwang für Rechtsanwälte nicht besteht, sowie

- die verfahrensgegenständliche Robe auch dann zu tragen, selbst wenn die Vorsitzende Richterin/der Vorsitzende Richter deren Tragen im Rahmen der Sitzungspolizei zugelassen hat.

7

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

8

Die Berufung hat keinen Erfolg.

9

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

10

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie der angefochtene Bescheid mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. nur BGH, Urteile vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7 und vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; jeweils mwN). Der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich der Bescheid nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des Klägers bezieht. Er geht schon ausweislich der Entscheidungsformel über eine lediglich präventive Auskunft hinaus, da er feststellt, dass die Verwendung des verfahrensgegenständlichen Robenaufdrucks rechtswidrig ist, und ein konkretes Verbot ausspricht. Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO mwN). Darüber hinaus ist der Bescheid mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für das Vorliegen eines Verwaltungsakts (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO; Beschluss vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; jeweils mwN).

11

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

12

a) Die Beklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung des beabsichtigten Robenaufdrucks in Form eines belehrenden Hinweises nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO mitzuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwalt im Rahmen eines solchen Hinweises zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. Senat, Urteile vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 10 und vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11 aaO; jeweils mwN). Gründe, die zu einer anderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kläger aufgrund des Hinweises in keiner Weise gehindert ist, den Aufdruck gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 32; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO; zu verbotener Vorzensur vgl. BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 68. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 mwN).

13

b) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat der Anwaltsgerichtshof in dem Tragen einer nach dem Muster des Klägers bestickten oder bedruckten Robe vor Gericht einen Verstoß gegen § 20 BORA gesehen. Diese - auf der Grundlage von § 59b Abs. 2 Nr. 6c BRAO erlassene - berufsrechtliche Vorschrift steht jeglicher Werbung auf einer Robe im Gerichtssaal entgegen (nachfolgend aa). Bei dem Aufdruck auf der Robe des Klägers handelt es sich um eine solche unzulässige Werbung (nachfolgend bb).

14

aa) Nach § 20 BORA trägt der Rechtsanwalt vor Gericht als Berufstracht die Robe, soweit dies üblich ist. Eine Berufspflicht zum Erscheinen in Robe besteht beim Amtsgericht in Zivilsachen nicht.

15

(1) Die in § 20 BORA bestimmte Pflicht zum Tragen einer Robe setzt voraus, dass die Robe nicht mit Werbeaufdrucken oder ähnlichen werbenden Aufbringungen versehen ist (Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 20 BORA Rn. 41; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 20 BORA Rn. 5; Brüggemann in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 20 BORA Rn. 3). Dies ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, aus Sinn und Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe. Es besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit daran, dass Gerichtsverhandlungen in guter Ordnung und angemessener Form durchgeführt werden können. Diesem Zweck dient es, wenn auch die an der Verhandlung beteiligten Rechtsanwälte eine Amtstracht tragen (BVerfGE 28, 21, 31 f.). Sie werden dadurch aus dem Kreis der übrigen Teilnehmer an der Verhandlung herausgehoben; ihre Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) wird sichtbar gemacht (BVerfG aaO; Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 16, 41; Wolf in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 1 BRAO Rn. 91). Darin liegt auch ein zumindest mittelbarer Nutzen für die Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess; denn die Übersichtlichkeit der Situation im Verhandlungsraum wird gefördert und zugleich ein Beitrag zur Schaffung der Atmosphäre der Ausgeglichenheit und Objektivität geleistet, in der allein Rechtsprechung sich in angemessener Form darstellen kann (BVerfG aaO). Durch das Anlegen der Robe tritt der Rechtsanwalt mithin als Person hinter seiner Funktion als Prozessbeteiligter zurück (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128).

16

Dieser Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe steht jeglichem Werbeaufdruck auf der Robe entgegen. Letztere verkörpert - im Unterschied zu anderen Berufskleidungen und zu anderen Kleidungsstücken des Rechtsanwalts - für alle Anwesenden erkennbar die Organstellung des Rechtsanwalts und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität sowie der Verallgemeinerungsfähigkeit der Rechtsanwendung geprägt ist (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128). Ein Werbeaufdruck stört - unabhängig von seinem Inhalt - diese Funktion, Aussage und Wirkung der Robe. Anwaltliche Werbung ist ein Verhalten, das darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rechtsanwalts zu gewinnen (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2015 - AnwZ (Brfg) 19/15, BRAK-Mitt. 2016, 72 Rn. 5; Urteil vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 18 und Beschluss vom 23. September 2002 - AnwZ (Brfg) 67/01, NJW 2003, 346). Durch ihre Aufbringung auf die vor Gericht getragene Robe wird letztere zweckentfremdet und werden ihre eigentlichen, vorstehend dargestellten Zwecke wesentlich beeinträchtigt. Der Rechtsanwalt tritt mittels der Robe als "Werbeträger" hervor und mindert auf diese Weise die vorgenannte Funktion und Wirkung der Robe.

17

Soweit der Kläger meint, durch die namentliche Kennzeichnung werde der Sinn des Robetragens verstärkt, wenn sich nicht nur die Anwaltseigenschaft, sondern auch die konkrete Person des Anwalts erkennen lasse, missversteht er Sinn und Zweck der Robe. Durch sie soll der Rechtsanwalt gerade nicht als konkrete Person, sondern als unabhängiges Organ der Rechtspflege aus dem übrigen Teilnehmerkreis hervorgehoben werden. Eine namentliche Kennzeichnung auf der Robe dient diesem Zweck nicht.

18

(2) Das Gebot der Werbefreiheit von Roben gilt, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend erkannt hat, auch für Roben, die von Rechtsanwälten in Gerichtsverhandlungen getragen werden, für die nach § 20 BORA eine Robenpflicht nicht besteht. Die Funktion der Robe ist nicht abhängig von der Pflicht zu ihrer Verwendung. Wird sie von einem Rechtsanwalt vor Gericht ohne Verpflichtung aus freien Stücken getragen, verliert sie hierdurch nicht ihren Zweck und wird nicht zu einem normalen Kleidungsstück. Nach dem maßgeblichen objektivierten Horizont des Betrachters weist der Rechtsanwalt vielmehr auch in Gerichtsverhandlungen ohne Robenpflicht mit dem Anlegen der Robe auf den vorstehend dargestellten Zweck der Robe hin und macht ihn sich zu Eigen. Mit diesem Zweck ist - wie ausgeführt - eine auf der Robe aufgebrachte Werbung nicht zu vereinbaren.

19

(3) Der somit aus § 20 BORA folgenden Werbefreiheit von vor Gericht getragenen Roben stehen nicht § 43b BRAO und § 6 BORA entgegen. Denn auch nach diesen Vorschriften ist eine solche Werbung nicht erlaubt (siehe nachfolgend zu c).

20

(4) Das aus § 20 BORA folgende Verbot von Werbung auf vor Gericht getragenen Roben ist im Hinblick auf die hiermit verbundene Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG; vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 16 ff. mwN zum Schutzbereich von Berufsausübungs- und Meinungsfreiheit im Falle anwaltlicher Werbung), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Einschränkung beider Grundrechte lässt sich mit sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls rechtfertigen. Letztere sind in dem vorstehend unter (1) näher ausgeführten Sinn und Zweck einer vor Gericht getragenen Anwaltsrobe begründet. In Abwägung dieser Belange des Gemeinwohls mit der geringen, mit einem Werbeverbot auf vor Gericht getragenen Roben verbundenen Grundrechtseinschränkung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

21

Eine entsprechende Beschränkung anwaltlicher Werbung ist auch im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36, und hierzu EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 12; BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12, BGHZ 199, 43 Rn. 18, 20 f.).

22

(5) Das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Bestimmtheitsgebot ist gewahrt. Danach ist erforderlich, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. BVerfGE 78, 205, 212; 84, 133, 149; 87, 234, 263; 102, 254, 337). Dies ist schon dann anzunehmen, wenn sich der Regelungsgehalt der Norm im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden feststellen lässt (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 102, 254 aaO; 110, 33, 56 f.; 117, 71, 111 f.; 131, 88, 118 f.; jeweils mwN). Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot wird eingehalten, wenn sich aus der gesetzlichen Regelung und ihrer Zielsetzung richtungsweisende Gesichtspunkte für die - den Gerichten und Verwaltungsbehörden übertragene - Auslegung der in der Norm verwendeten Begriffe ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 1988 - 1 BvR 900/88, juris Rn. 8).

23

Diesen Anforderungen entspricht vorliegend eine Auslegung von § 20 BORA im Sinne eines Verbots von Werbung auf vor Gericht getragenen Anwaltsroben. Der entsprechende Regelungsgehalt lässt sich - wie gezeigt - im Wege der Heranziehung von Sinn und Zweck der Robe feststellen. Aus ihnen ergeben sich richtungsweisende Gesichtspunkte für eine Auslegung der Vorschrift im vorgenannten Sinn.

24

bb) Bei dem Aufdruck auf der Robe des Klägers handelt es sich um Werbung. Insbesondere die Verwendung des Domain-Namens der Homepage des Klägers als Robenaufdruck ist, wie der Anwaltsgerichtshof in dem angefochtenen Urteil und die Beklagte in dem Bescheid vom 26. Mai 2015 zutreffend ausgeführt haben, Werbung. Denn sie zielt darauf ab, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Klägers zu gewinnen (vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 28 mwN; zur Verwendung von Domain-Namen als Werbung vgl. Senat, Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 8/02, NJW 2003, 504; Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 68 f.; Saenger/Riße, MDR 2005, 1381 f.). Keineswegs handelt es sich um die bloße Kenntlichmachung des Klägers im Gerichtssaal. Diese ist schon nicht geboten. Vor allem aber geht die Angabe des Domain-Namens der Homepage des Klägers auf seiner Robe weit über dessen Kenntlichmachung hinaus. Sie verweist auf die Homepage selbst und die dort vorhandenen, selbstdarstellenden Inhalte. Aus der maßgeblichen Sicht des im Gerichtssaal anwesenden Publikums, zu dessen Kenntnisnahme der Aufdruck bestimmt ist, dient die Angabe einer "Internetadresse" als Aufdruck auf einer Robe daher vorrangig nicht der - auch anders zu bewirkenden - Identifizierbarkeit des Trägers der Robe, sondern der Werbung für dessen auf seiner Homepage näher beschriebenen Leistungen. Der Umstand, dass durch den Domain-Namen unter anderem auch die Identifizierung des Trägers der Robe ermöglicht wird, steht dieser Einordnung des Aufdrucks als vorrangig werbend nicht entgegen.

25

c) Der Senat teilt zudem die in dem angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung der Beklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar ist.

26

aa) Das in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; BVerfG, NJW 2004, 2656, 2657; 2015, 1438 Rn. 16 ff.). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (siehe oben b aa (4) zu Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" BVerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993 S. 28; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/7656 S. 48; zum Verbot einer reißerischen und/oder sexualisierenden Werbung auf Tassen durch einen Rechtsanwalt vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail kritisch - von Lewinski in Hartung/Scharmer aaO § 6 BORA Rn. 29; Prütting in Henssler/Prütting aaO § 43b Rn. 30; jeweils mwN; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.).

27

bb) Anwaltliche Werbung ist nicht auf eine bestimmte Form und ein bestimmtes Mittel beschränkt (von Lewinski aaO Rn. 44). Ein vom Rechtsanwalt zur Selbstdarstellung gewähltes Medium kann daher für sich betrachtet nicht die Unzulässigkeit der Werbung begründen (BVerfG, NJW 2003, 3470 mwN; Prütting aaO Rn. 31). Indes ist nach § 43b Abs. 1 BRAO dem Rechtsanwalt nur solche Werbung erlaubt, die nach Form und Inhalt sachlich unterrichtet. Das Sachlichkeitsgebot betrifft nach dem Willen des Gesetzgebers mithin nicht nur den Inhalt der Werbung, sondern auch ihre Methoden (BT-Drucks. 12/4993 und 12/7656, jeweils aaO). Ob es durch eine konkrete Werbung gewahrt wird, lässt sich daher nur aufgrund einer Gesamtschau bewerten, die Inhalt, Ort und Medium der Werbung einbezieht.

28

cc) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b BRAO) werden durch das Tragen einer Robe nach dem Muster des Klägers aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG, NJW 2001, 3324 mwN) in der gebotenen Gesamtbetrachtung des Aufdrucks, seines Trägermediums (Robe) und des Verwendungsortes überschritten. Die entsprechende Beurteilung in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Die im Gerichtssaal getragene Robe ist kein zulässiges Mittel anwaltlicher Werbung (so auch von Lewinski aaO Rn. 44, 69a).

29

Die Angabe des Namens des Klägers und des Domain-Namens seiner Homepage stellt für sich genommen inhaltlich zwar keine unsachliche Werbung dar. Ihre Aufbringung auf einer vor Gericht getragenen Robe verletzt jedoch das Sachlichkeitsgebot der § 43b Abs. 1, § 6 Abs. 1 BORA. Die Robe verkörpert - wie bereits ausgeführt - für alle im Gerichtssaal Anwesenden erkennbar die Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität geprägt ist. Sie dient damit mittelbar auch der Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess und mithin der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienen ebenfalls dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern (vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; BVerfG, NJW 2004, 2656 aaO; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 13; Prütting aaO Rn. 10). Sie sind daher, soweit Werbung auf Roben betroffen ist, auch vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der anwaltlichen Robe auszulegen. Ein Werbeaufdruck stört aber - unabhängig von seinem Inhalt - die Funktion und Wirkung der Robe. In Folge seiner Aufbringung entsteht ein für alle Betrachter ins Auge springendes, nicht auflösbares Spannungsverhältnis zwischen dem Zweck der Robe und den durch sie verkörperten Inhalten und Zielen einerseits und dem Werbezweck des Aufdrucks andererseits. Die Robe verliert in Folge dieser - durch den Aufdruck herbeigeführten - Widersprüchlichkeit ihres Erscheinungsbildes maßgeblich ihre Funktion. Diese zweckentfremdende Wirkung des Werbeaufdrucks begründet einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot der § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA.

30

d) Die berufsrechtliche Unzulässigkeit einer im Gerichtssaal mit Werbeaufdruck getragenen Robe würde durch eine hierauf bezogene sitzungspolizeiliche Gestattung des Vorsitzenden nicht berührt.

II.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Limperg                         Lohmann                         Remmert

                  Schäfer                                Lauer

(1) Der Vorstand hat die ihm durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Ihm obliegen auch die der Rechtsanwaltskammer in diesem Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse. Er hat die Belange der Kammer zu wahren und zu fördern.

(2) Dem Vorstand obliegt insbesondere,

1.
die Mitglieder der Kammer in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren;
2.
auf Antrag bei Streitigkeiten unter den Mitgliedern der Kammer zu vermitteln; dies umfasst die Befugnis, Schlichtungsvorschläge zu unterbreiten;
3.
auf Antrag bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern der Kammer und ihren Auftraggebern zu vermitteln; dies umfasst die Befugnis, Schlichtungsvorschläge zu unterbreiten;
4.
die Erfüllung der den Mitgliedern der Kammer obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben;
5.
Rechtsanwälte für die Ernennung zu Mitgliedern des Anwaltsgerichts und des Anwaltsgerichtshofes vorzuschlagen;
6.
Vorschläge gemäß §§ 107 und 166 der Bundesrechtsanwaltskammer vorzulegen;
7.
der Kammerversammlung über die Verwaltung des Vermögens jährlich Rechnung zu legen;
8.
Gutachten zu erstatten, die eine Landesjustizverwaltung, ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde des Landes anfordert;
9.
bei der Ausbildung und Prüfung der Studierenden und der Referendare mitzuwirken, insbesondere qualifizierte Arbeitsgemeinschaftsleiter und die anwaltlichen Mitglieder der juristischen Prüfungsausschüsse vorzuschlagen.

(3) In Beschwerdeverfahren setzt der Vorstand die Person, die die Beschwerde erhoben hatte von seiner Entscheidung in Kenntnis. Die Mitteilung erfolgt nach Abschluss des Verfahrens einschließlich des Einspruchsverfahrens und ist mit einer kurzen Darstellung der wesentlichen Gründe für die Entscheidung zu versehen. § 76 Absatz 1 bleibt unberührt. Die Mitteilung ist nicht anfechtbar.

(4) Der Vorstand kann die in Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Nr. 1 bis 3 und Absatz 3 bezeichneten Aufgaben einzelnen Mitgliedern des Vorstandes übertragen.

(5) Beantragt bei Streitigkeiten zwischen einem Mitglied der Rechtsanwaltskammer und seinem Auftraggeber der Auftraggeber ein Vermittlungsverfahren, so wird dieses eingeleitet, ohne dass es der Zustimmung des Mitglieds bedarf. Ein Schlichtungsvorschlag ist nur verbindlich, wenn er von beiden Seiten angenommen wird.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. September 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen belehrende Hinweise der Beklagten vom 7. Januar 2013 und 15. Februar 2013. Diese waren auf seine Bitte ergangen, die berufsrechtliche Zulässigkeit von ihm ins Auge gefasster und so bezeichneter "Schockwerbung" für seine Kanzlei zu beurteilen. Zugrunde liegt, dass der Kläger zu Werbezwecken Kaffeetassen verbreiten will, die er mit verschiedenen Aufdrucken von Bildern, diesen beigestellten Textzeilen sowie den Kontaktdaten seiner Kanzlei versehen möchte.

2

In Streit stehen noch drei solcher Aufdrucke. Der erste Aufdruck enthält eine mit diagonal verlaufenden roten Linien durchgestrichene fotografische Abbildung. Sie zeigt eine Frau, die ein auf ihren Knien liegendes, ersichtlich schreiendes Mädchen mit einem Gegenstand auf das nackte Gesäß schlägt. Neben dem Bild ist aufgedruckt: "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1631 Abs. 2 BGB)". Der zweite - zeichnerische - Abbildungsabdruck stellt einen eine Pfeife rauchenden Mann dar, der einer auf seinen Knien liegenden erwachsenen Frau mit einem Gegenstand auf das entblößte Gesäß schlägt. Daneben findet sich der Text: "Wurden Sie Opfer einer Straftat?". Der dritte Aufdruck setzt sich zusammen aus einer fotografischen Abbildung einer jungen Frau, die sich erkennbar aus Verzweiflung den Mündungslauf einer Schusswaffe unter das Kinn hält, und der daneben angebrachten Textzeile "Nicht verzagen, R.    fragen".

3

In den genannten Bescheiden gab die Beklagte dem Kläger jeweils auf, die Werbung wegen Unvereinbarkeit mit dem anwaltlichen Berufsrecht sowie dem Wettbewerbsrecht zu unterlassen. Die dem Kläger förmlich zugestellten Bescheide enthielten eine Rechtsmittelbelehrung, wonach binnen eines Monats nach Zustellung Klage beim Anwaltsgerichtshof erhoben werden könne.

4

Die durch den Kläger gegen die Bescheide erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof als unzulässig abgewiesen, weil die belehrenden Hinweise zukünftiges Verhalten beträfen, weswegen ihnen keine Verwaltungsaktqualität zukomme. Der Senat hat die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 21. Januar 2014 zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

5

Die Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.

6

1. Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs ist die Klage allerdings als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

7

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie die angefochtenen Bescheide mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; Beschlüsse vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 62 f.; jeweils m.w.N.). Der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich die Bescheide nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des Klägers beziehen. Zwar hat der Senat zum vormals geltenden Verfahrensrecht mehrfach ausgesprochen, dass Auskünfte der Rechtsanwaltskammern über die Rechtmäßigkeit künftigen Verhaltens des Rechtsanwalts grundsätzlich nicht anfechtbar sind, weil sie keine Schuld feststellen und nicht in dessen Rechte eingreifen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 1962 - AnwZ (B) 10/62, BGHZ 37, 396, 401; vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 20/96, NJW-RR 1997, 759; vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 28/00, BRAK-Mitt 2001, 188, 189; vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 38/05, NJW 2006, 2926 Rn. 2).

8

Jedoch gehen die streitbefangenen Bescheide nach ihrem bei der Auslegung maßgebenden objektiven Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts (vgl. nur von Alemann/Scheffczyk in BeckOK VwVfG, Stand 1. Juli 2014, § 35 Rn. 46 m.w.N.) schon ausweislich der jeweils verwendeten Entscheidungsformel über solche präventive Auskünfte hinaus. Diese stellen fest, dass die Verwendung der verfahrensgegenständlichen Aufdrucke zu Werbezwecken rechtswidrig ist, und sprechen konkrete Verbote aus ("... ist nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht ... vereinbar und daher von Ihnen zu unterlassen"). Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. auch BayVGH, BayVBl 2006, 635; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 35 Rn. 83 m.w.N.). Die Bescheide lassen erkennen, dass sich die Beklagte im Vorgriff auf eine bei Zuwiderhandeln gegen die Verbote ohne Weiteres erfolgende Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Fragen festgelegt hat. Darüber hinaus sind sie mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für das Vorliegen von Verwaltungsakten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7 m.w.N.; BVerwGE 29, 310, 312 f.; 99, 101, 104; BVerwG, NVwZ-RR 2005, 343; Stelkens, aaO, § 35 Rn. 72 m.w.N.; von Alemann/Scheffczyk, aaO, § 35 Rn. 35 f.).

9

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

10

a) Die Beklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung der vorgelegten Aufdrucke in Form belehrender Hinweise nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO mitzuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwalt im Rahmen solcher Hinweise zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, aaO; Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, aaO; jeweils m.w.N.). Gründe, die zu einer anderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kläger aufgrund der Hinweise in keiner Weise gehindert ist, die Aufdrucke gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. zu verbotener Vorzensur BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 70. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 m.w.N.).

11

b) Der Senat teilt die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Meinung der Beklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar ist.

12

aa) Das in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), unter Umständen auch der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656, 2657). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36 und hierzu EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12, NJW 2014, 554 Rn. 18, 20 f.). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" BVerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993 S. 28; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/7656 S. 48) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail krit. - von Lewinski in Hartung, BORA/FAO, 5. Aufl., § 6 BORA Rn. 29; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 43b Rn. 30; Böhnlein in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 43b Rn. 20 f.; jeweils m.w.N.; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.; s. aber dort Rn. 269 m.w.N.).

13

Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienen dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern; mit der Stellung eines Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden Bürgers eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt und mit der eigentlichen Leistung des Anwalts sowie dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun hat (vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO). Verboten werden können danach unter anderem Werbemethoden, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind (BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO; 2001, 2620 m.w.N.).

14

Es ist einem Rechtsanwalt zwar nicht verwehrt, für seine Werbung Bilder oder Fotografien zu verwenden (vgl. Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 32; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 75), Gegenstände wie etwa Tassen als Werbeträger einzusetzen (Prütting, aaO, § 43b BRAO, Rn. 37; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 87) oder auch Ironie und Sprachwitz als Stilmittel zu gebrauchen (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324, 3325; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 26). Die Grenzen zulässiger Werbung sind jedoch überschritten, wenn die Werbung darauf abzielt, gerade durch ihre reißerische und/oder sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge, dass ein etwa vorhandener Informationswert in den Hintergrund gerückt wird oder gar nicht mehr erkennbar ist (vgl. auch BGH, Urteile vom 1. März 2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 76 und vom 21. Februar 2002 - I ZR 281/99, NJW 2002, 2642, 2644). Derartige Werbemethoden sind geeignet, die Rechtsanwaltschaft als seriöse Sachwalterin der Interessen Rechtsuchender zu beschädigen (vgl. auch BVerfG [Kammer], BRAK-Mitt. 2000, 137, 138; Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 38).

15

bb) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b BRAO) überschreiten aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324 m.w.N.) in der gebotenen Gesamtbetrachtung der Bilder und der ihnen jeweils beigestellten Textzeilen sämtliche streitbefangenen Aufdrucke.

16

(1) Diese Bewertung wird für den Aufdruck 1 nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Textzeile "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1626 Abs. 2 BGB)" für sich genommen einen gewissen Informationsgehalt aufweist und als solche in einer anwaltlichen Werbung nicht zu beanstanden wäre. Denn "Blickfang" für den Betrachter ist - vom Kläger auch so beabsichtigt - die realistische Darstellung des Verprügelns eines Kindes. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass das Kind am Unterleib nackt ist, wobei die Unterhose bis zu den Knien herabgezogen ist. Da Nacktheit fraglos kein essentielles Element der Darstellung einer Kindesmisshandlung ist, legt dies die Annahme nahe, dass bei einem Teil des Betrachterkreises auch sexuelles Interesse geweckt werden soll. Die mit dem Bild in Zusammenhang gestellte Tatsache, dass die körperliche Misshandlung von Kindern im Rahmen der Erziehung in Deutschland seit langem ausdrücklich verboten ist, gerät auf diese Weise zu bloßem Beiwerk und vermag deshalb auch nicht - was der Kläger zuletzt in den Vordergrund gerückt hat - einen Beitrag zu einer gesellschaftskritischen Auseinandersetzung zu leisten, zumal die Abbildung auf zu Werbezwecken verbreiteten, vom Kläger so genannten "Humpen" aufgedruckt ist. Auch der Umstand, dass der Aufdruck durchgestrichen ist, kann in Anbetracht der reißerischen und sexualisierenden Darstellung keinen Ausgleich schaffen. Die Beklagte hat mit Recht darauf hingewiesen, dass solche Werbung geeignet wäre, bei der rechtsuchenden Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, die Rechtsanwaltschaft habe Derartiges nötig, um Mandate zu erlangen, und damit das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt zu beeinträchtigen.

17

(2) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Textzeile gemäß Aufdruck 2 "Wurden Sie Opfer einer Straftat?" etwa deswegen noch eine hinreichend berufsbezogene Information enthält, weil möglichen Rechtsuchenden - hier dem freilich wohl eher vordergründig angesprochenen Adressatenkreis der Opfer häuslicher Gewalt - in der Zusammenschau mit der Berufsangabe des Klägers und seinen Kontaktdaten vermittelt wird, dass durch diesen eine Beratung beispielsweise über zivil-, straf- oder sozialrechtliche Verletztenrechte angeboten wird. Denn es dominiert der gestalterisch hergestellte Zusammenhang mit einer an eine Karikatur erinnernden Zeichnung, die sich in einer klischeehaften Entstellung forensisch bekannter Phänomene häuslicher Gewalt erschöpft. Hierdurch werden dieser Adressatenkreis sowie sein Rechtsschutzbedürfnis abgewertet sowie ins Lächerliche gezogen und für die "Werbebotschaft" instrumentalisiert. Die stark sexualisierende Darstellung mit einem in das Zentrum des Bildes gerückten entblößten Gesäß einer erwachsenen Frau, deren Unterhose bis zu den Oberschenkeln heruntergezogen ist, kommt hinzu. Solches erscheint in anwaltlicher Werbung nicht tragbar.

18

(3) Ebenfalls durch eine unangemessene Ironisierung geprägt ist angesichts des neben der Abbildung einer verzweifelten potentiellen Suizidentin angebrachten Reims "Nicht verzagen, R.    fragen" der Aufdruck 3. Zugleich ist er aufgrund der martialischen Darstellung einer Schusswaffe am Kinn eines Menschen abermals durch eine reißerische Aufmachung gekennzeichnet. Überdies vermittelt die Gesamtschau des Aufdrucks keinen spezifischen Hinweis auf das Berufsbild des Rechtsanwalts oder gar auf das konkrete Tätigkeitsfeld des Klägers. Durch die fotografisch dargestellte äußerste Verzweiflung eines Menschen in Verbindung mit dem genannten Reim wird vielmehr eine umfassende Hilfe in allen denkbaren Lebenslagen suggeriert, die der Kläger kaum zu leisten imstande wäre. Ein Zusammenhang mit anwaltlicher Betätigung kann allenfalls in loser Assoziation hergestellt werden und wäre in der Sache verzerrt.

II.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser                        König                         Remmert

                Martini                       Quaas

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen einen belehrenden Hinweis der Beklagten vom 26. Mai 2015. Dieser war auf seine Bitte ergangen, ihn über die berufsrechtliche Zulässigkeit eines von ihm ins Auge gefassten Aufdrucks beziehungsweise einer Bestickung seiner Anwaltsrobe auf deren oberen Rückenbereich mit den Worten "Dr. R.      " und der Internetadresse "www.dr-r.  .de" zu belehren.

2

In dem - dem Kläger zugestellten und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen - Bescheid belehrte die Beklagte den Kläger dahingehend, dass das Tragen der Anwaltsrobe mit dem vorgenannten Aufdruck nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht vereinbar und daher von ihm künftig zu unterlassen sei. Mit der geplanten Verwendung der Robe verstoße er gegen § 43b BRAO, § 6 Abs. 1, § 20 BORA. Es handele sich um ein werbliches Auftreten nach außen, das dazu diene, in den Gerichtssälen bewusst Zuhörer und andere auf sich aufmerksam zu machen, um hierdurch für neue Mandate zu werben. Diese Werbung sei unsachlich, weil ein Gerichtssaal der falsche Ort für Werbung insgesamt sei. Außerdem verstoße er durch das Tragen der Robe gegen § 20 BORA, da von der üblichen Berufstracht abgewichen werde.

3

Der Anwaltsgerichtshof hat die vom Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2015 erhobene Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.

4

Der Kläger beantragt nunmehr das Urteil des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Az. 1 AGH 16/15, vom 29. Mai 2015, sowie den Bescheid der Beklagten, Az. III. Abt. 275/2014, vom 26. Mai 2015 aufzuheben.

5

hilfsweise,

6

das Urteil des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Az. 1 AGH 16/15, vom 29. Mai 2015, sowie den Bescheid der Beklagten, Az. III. Abt. 275/2014, vom 26. Mai 2015 insoweit aufzuheben, als dem Kläger darin auch untersagt wird,

- die verfahrensgegenständliche Robe vor Gerichten zu tragen, vor denen Robenzwang für Rechtsanwälte nicht besteht, sowie

- die verfahrensgegenständliche Robe auch dann zu tragen, selbst wenn die Vorsitzende Richterin/der Vorsitzende Richter deren Tragen im Rahmen der Sitzungspolizei zugelassen hat.

7

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

8

Die Berufung hat keinen Erfolg.

9

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

10

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie der angefochtene Bescheid mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. nur BGH, Urteile vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7 und vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; jeweils mwN). Der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich der Bescheid nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des Klägers bezieht. Er geht schon ausweislich der Entscheidungsformel über eine lediglich präventive Auskunft hinaus, da er feststellt, dass die Verwendung des verfahrensgegenständlichen Robenaufdrucks rechtswidrig ist, und ein konkretes Verbot ausspricht. Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO mwN). Darüber hinaus ist der Bescheid mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für das Vorliegen eines Verwaltungsakts (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO; Beschluss vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; jeweils mwN).

11

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

12

a) Die Beklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung des beabsichtigten Robenaufdrucks in Form eines belehrenden Hinweises nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO mitzuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwalt im Rahmen eines solchen Hinweises zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. Senat, Urteile vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 10 und vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11 aaO; jeweils mwN). Gründe, die zu einer anderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kläger aufgrund des Hinweises in keiner Weise gehindert ist, den Aufdruck gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 32; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO; zu verbotener Vorzensur vgl. BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 68. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 mwN).

13

b) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat der Anwaltsgerichtshof in dem Tragen einer nach dem Muster des Klägers bestickten oder bedruckten Robe vor Gericht einen Verstoß gegen § 20 BORA gesehen. Diese - auf der Grundlage von § 59b Abs. 2 Nr. 6c BRAO erlassene - berufsrechtliche Vorschrift steht jeglicher Werbung auf einer Robe im Gerichtssaal entgegen (nachfolgend aa). Bei dem Aufdruck auf der Robe des Klägers handelt es sich um eine solche unzulässige Werbung (nachfolgend bb).

14

aa) Nach § 20 BORA trägt der Rechtsanwalt vor Gericht als Berufstracht die Robe, soweit dies üblich ist. Eine Berufspflicht zum Erscheinen in Robe besteht beim Amtsgericht in Zivilsachen nicht.

15

(1) Die in § 20 BORA bestimmte Pflicht zum Tragen einer Robe setzt voraus, dass die Robe nicht mit Werbeaufdrucken oder ähnlichen werbenden Aufbringungen versehen ist (Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 20 BORA Rn. 41; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 20 BORA Rn. 5; Brüggemann in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 20 BORA Rn. 3). Dies ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, aus Sinn und Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe. Es besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit daran, dass Gerichtsverhandlungen in guter Ordnung und angemessener Form durchgeführt werden können. Diesem Zweck dient es, wenn auch die an der Verhandlung beteiligten Rechtsanwälte eine Amtstracht tragen (BVerfGE 28, 21, 31 f.). Sie werden dadurch aus dem Kreis der übrigen Teilnehmer an der Verhandlung herausgehoben; ihre Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) wird sichtbar gemacht (BVerfG aaO; Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 16, 41; Wolf in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 1 BRAO Rn. 91). Darin liegt auch ein zumindest mittelbarer Nutzen für die Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess; denn die Übersichtlichkeit der Situation im Verhandlungsraum wird gefördert und zugleich ein Beitrag zur Schaffung der Atmosphäre der Ausgeglichenheit und Objektivität geleistet, in der allein Rechtsprechung sich in angemessener Form darstellen kann (BVerfG aaO). Durch das Anlegen der Robe tritt der Rechtsanwalt mithin als Person hinter seiner Funktion als Prozessbeteiligter zurück (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128).

16

Dieser Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe steht jeglichem Werbeaufdruck auf der Robe entgegen. Letztere verkörpert - im Unterschied zu anderen Berufskleidungen und zu anderen Kleidungsstücken des Rechtsanwalts - für alle Anwesenden erkennbar die Organstellung des Rechtsanwalts und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität sowie der Verallgemeinerungsfähigkeit der Rechtsanwendung geprägt ist (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128). Ein Werbeaufdruck stört - unabhängig von seinem Inhalt - diese Funktion, Aussage und Wirkung der Robe. Anwaltliche Werbung ist ein Verhalten, das darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rechtsanwalts zu gewinnen (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2015 - AnwZ (Brfg) 19/15, BRAK-Mitt. 2016, 72 Rn. 5; Urteil vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 18 und Beschluss vom 23. September 2002 - AnwZ (Brfg) 67/01, NJW 2003, 346). Durch ihre Aufbringung auf die vor Gericht getragene Robe wird letztere zweckentfremdet und werden ihre eigentlichen, vorstehend dargestellten Zwecke wesentlich beeinträchtigt. Der Rechtsanwalt tritt mittels der Robe als "Werbeträger" hervor und mindert auf diese Weise die vorgenannte Funktion und Wirkung der Robe.

17

Soweit der Kläger meint, durch die namentliche Kennzeichnung werde der Sinn des Robetragens verstärkt, wenn sich nicht nur die Anwaltseigenschaft, sondern auch die konkrete Person des Anwalts erkennen lasse, missversteht er Sinn und Zweck der Robe. Durch sie soll der Rechtsanwalt gerade nicht als konkrete Person, sondern als unabhängiges Organ der Rechtspflege aus dem übrigen Teilnehmerkreis hervorgehoben werden. Eine namentliche Kennzeichnung auf der Robe dient diesem Zweck nicht.

18

(2) Das Gebot der Werbefreiheit von Roben gilt, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend erkannt hat, auch für Roben, die von Rechtsanwälten in Gerichtsverhandlungen getragen werden, für die nach § 20 BORA eine Robenpflicht nicht besteht. Die Funktion der Robe ist nicht abhängig von der Pflicht zu ihrer Verwendung. Wird sie von einem Rechtsanwalt vor Gericht ohne Verpflichtung aus freien Stücken getragen, verliert sie hierdurch nicht ihren Zweck und wird nicht zu einem normalen Kleidungsstück. Nach dem maßgeblichen objektivierten Horizont des Betrachters weist der Rechtsanwalt vielmehr auch in Gerichtsverhandlungen ohne Robenpflicht mit dem Anlegen der Robe auf den vorstehend dargestellten Zweck der Robe hin und macht ihn sich zu Eigen. Mit diesem Zweck ist - wie ausgeführt - eine auf der Robe aufgebrachte Werbung nicht zu vereinbaren.

19

(3) Der somit aus § 20 BORA folgenden Werbefreiheit von vor Gericht getragenen Roben stehen nicht § 43b BRAO und § 6 BORA entgegen. Denn auch nach diesen Vorschriften ist eine solche Werbung nicht erlaubt (siehe nachfolgend zu c).

20

(4) Das aus § 20 BORA folgende Verbot von Werbung auf vor Gericht getragenen Roben ist im Hinblick auf die hiermit verbundene Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG; vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 16 ff. mwN zum Schutzbereich von Berufsausübungs- und Meinungsfreiheit im Falle anwaltlicher Werbung), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Einschränkung beider Grundrechte lässt sich mit sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls rechtfertigen. Letztere sind in dem vorstehend unter (1) näher ausgeführten Sinn und Zweck einer vor Gericht getragenen Anwaltsrobe begründet. In Abwägung dieser Belange des Gemeinwohls mit der geringen, mit einem Werbeverbot auf vor Gericht getragenen Roben verbundenen Grundrechtseinschränkung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

21

Eine entsprechende Beschränkung anwaltlicher Werbung ist auch im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36, und hierzu EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 12; BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12, BGHZ 199, 43 Rn. 18, 20 f.).

22

(5) Das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Bestimmtheitsgebot ist gewahrt. Danach ist erforderlich, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. BVerfGE 78, 205, 212; 84, 133, 149; 87, 234, 263; 102, 254, 337). Dies ist schon dann anzunehmen, wenn sich der Regelungsgehalt der Norm im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden feststellen lässt (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 102, 254 aaO; 110, 33, 56 f.; 117, 71, 111 f.; 131, 88, 118 f.; jeweils mwN). Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot wird eingehalten, wenn sich aus der gesetzlichen Regelung und ihrer Zielsetzung richtungsweisende Gesichtspunkte für die - den Gerichten und Verwaltungsbehörden übertragene - Auslegung der in der Norm verwendeten Begriffe ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 1988 - 1 BvR 900/88, juris Rn. 8).

23

Diesen Anforderungen entspricht vorliegend eine Auslegung von § 20 BORA im Sinne eines Verbots von Werbung auf vor Gericht getragenen Anwaltsroben. Der entsprechende Regelungsgehalt lässt sich - wie gezeigt - im Wege der Heranziehung von Sinn und Zweck der Robe feststellen. Aus ihnen ergeben sich richtungsweisende Gesichtspunkte für eine Auslegung der Vorschrift im vorgenannten Sinn.

24

bb) Bei dem Aufdruck auf der Robe des Klägers handelt es sich um Werbung. Insbesondere die Verwendung des Domain-Namens der Homepage des Klägers als Robenaufdruck ist, wie der Anwaltsgerichtshof in dem angefochtenen Urteil und die Beklagte in dem Bescheid vom 26. Mai 2015 zutreffend ausgeführt haben, Werbung. Denn sie zielt darauf ab, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Klägers zu gewinnen (vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 28 mwN; zur Verwendung von Domain-Namen als Werbung vgl. Senat, Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 8/02, NJW 2003, 504; Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 68 f.; Saenger/Riße, MDR 2005, 1381 f.). Keineswegs handelt es sich um die bloße Kenntlichmachung des Klägers im Gerichtssaal. Diese ist schon nicht geboten. Vor allem aber geht die Angabe des Domain-Namens der Homepage des Klägers auf seiner Robe weit über dessen Kenntlichmachung hinaus. Sie verweist auf die Homepage selbst und die dort vorhandenen, selbstdarstellenden Inhalte. Aus der maßgeblichen Sicht des im Gerichtssaal anwesenden Publikums, zu dessen Kenntnisnahme der Aufdruck bestimmt ist, dient die Angabe einer "Internetadresse" als Aufdruck auf einer Robe daher vorrangig nicht der - auch anders zu bewirkenden - Identifizierbarkeit des Trägers der Robe, sondern der Werbung für dessen auf seiner Homepage näher beschriebenen Leistungen. Der Umstand, dass durch den Domain-Namen unter anderem auch die Identifizierung des Trägers der Robe ermöglicht wird, steht dieser Einordnung des Aufdrucks als vorrangig werbend nicht entgegen.

25

c) Der Senat teilt zudem die in dem angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung der Beklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar ist.

26

aa) Das in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; BVerfG, NJW 2004, 2656, 2657; 2015, 1438 Rn. 16 ff.). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (siehe oben b aa (4) zu Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" BVerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993 S. 28; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/7656 S. 48; zum Verbot einer reißerischen und/oder sexualisierenden Werbung auf Tassen durch einen Rechtsanwalt vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail kritisch - von Lewinski in Hartung/Scharmer aaO § 6 BORA Rn. 29; Prütting in Henssler/Prütting aaO § 43b Rn. 30; jeweils mwN; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.).

27

bb) Anwaltliche Werbung ist nicht auf eine bestimmte Form und ein bestimmtes Mittel beschränkt (von Lewinski aaO Rn. 44). Ein vom Rechtsanwalt zur Selbstdarstellung gewähltes Medium kann daher für sich betrachtet nicht die Unzulässigkeit der Werbung begründen (BVerfG, NJW 2003, 3470 mwN; Prütting aaO Rn. 31). Indes ist nach § 43b Abs. 1 BRAO dem Rechtsanwalt nur solche Werbung erlaubt, die nach Form und Inhalt sachlich unterrichtet. Das Sachlichkeitsgebot betrifft nach dem Willen des Gesetzgebers mithin nicht nur den Inhalt der Werbung, sondern auch ihre Methoden (BT-Drucks. 12/4993 und 12/7656, jeweils aaO). Ob es durch eine konkrete Werbung gewahrt wird, lässt sich daher nur aufgrund einer Gesamtschau bewerten, die Inhalt, Ort und Medium der Werbung einbezieht.

28

cc) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b BRAO) werden durch das Tragen einer Robe nach dem Muster des Klägers aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG, NJW 2001, 3324 mwN) in der gebotenen Gesamtbetrachtung des Aufdrucks, seines Trägermediums (Robe) und des Verwendungsortes überschritten. Die entsprechende Beurteilung in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Die im Gerichtssaal getragene Robe ist kein zulässiges Mittel anwaltlicher Werbung (so auch von Lewinski aaO Rn. 44, 69a).

29

Die Angabe des Namens des Klägers und des Domain-Namens seiner Homepage stellt für sich genommen inhaltlich zwar keine unsachliche Werbung dar. Ihre Aufbringung auf einer vor Gericht getragenen Robe verletzt jedoch das Sachlichkeitsgebot der § 43b Abs. 1, § 6 Abs. 1 BORA. Die Robe verkörpert - wie bereits ausgeführt - für alle im Gerichtssaal Anwesenden erkennbar die Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität geprägt ist. Sie dient damit mittelbar auch der Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess und mithin der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienen ebenfalls dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern (vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; BVerfG, NJW 2004, 2656 aaO; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 13; Prütting aaO Rn. 10). Sie sind daher, soweit Werbung auf Roben betroffen ist, auch vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der anwaltlichen Robe auszulegen. Ein Werbeaufdruck stört aber - unabhängig von seinem Inhalt - die Funktion und Wirkung der Robe. In Folge seiner Aufbringung entsteht ein für alle Betrachter ins Auge springendes, nicht auflösbares Spannungsverhältnis zwischen dem Zweck der Robe und den durch sie verkörperten Inhalten und Zielen einerseits und dem Werbezweck des Aufdrucks andererseits. Die Robe verliert in Folge dieser - durch den Aufdruck herbeigeführten - Widersprüchlichkeit ihres Erscheinungsbildes maßgeblich ihre Funktion. Diese zweckentfremdende Wirkung des Werbeaufdrucks begründet einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot der § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA.

30

d) Die berufsrechtliche Unzulässigkeit einer im Gerichtssaal mit Werbeaufdruck getragenen Robe würde durch eine hierauf bezogene sitzungspolizeiliche Gestattung des Vorsitzenden nicht berührt.

II.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Limperg                         Lohmann                         Remmert

                  Schäfer                                Lauer

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 26. Februar 2015 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger wendet sich gegen einen durch die Beklagte ausgesprochenen "belehrenden Hinweis" vom 22. Mai 2014. Darin wird die Gestaltung des Briefkopfs seiner Geschäftspapiere insoweit beanstandet, als dort neben dem Namen des Klägers unter anderem der Name einer Diplom-Wirtschaftsjuristin (FH) aufgeführt ist, ohne dass durch Zusätze klargestellt wird, dass kein Fall der gemeinschaftlichen Berufsausübung vorliegt. Die nach durchgeführtem Widerspruchsverfahren gegen die Beanstandung erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie der angefochtene Bescheid ein Handlungsgebot oder ein Handlungsverbot aussprechen, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angegriffen werden können (vgl. BGH, Urteile vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7; vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; jeweils mwN).

3

2. Ein Zulassungsgrund (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 VwGO) ist nicht gegeben.

4

a) Der durch den Kläger der Sache nach geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

5

aa) Entgegen der Auffassung des Klägers stellt die Verwendung eines gemeinsamen Briefkopfs ein werbendes Verhalten dar, das darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rechtsanwalts zu gewinnen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 18; Beschluss vom 23. September 2002 - AnwZ (B) 67/01, NJW 2003, 346; jeweils mwN). Sie unterliegt damit den anwaltliche Werbemaßnahmen einschränkenden Bestimmungen der §§ 43b, 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO i.V.m. §§ 8 ff. BORA, wobei im Lichte der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit im Einzelfall nicht die Gestattung der Anwaltswerbung, sondern deren Beschränkung einer besonderen Rechtfertigung bedarf (BGH, Urteile vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, aaO; vom 1. März 2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 74 f.).

6

bb) Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der Anwaltsgerichtshof die Ausgestaltung des durch den Kläger verwendeten Briefkopfes mit Recht als irreführend angesehen. Im angefochtenen Urteil wird maßgebend darauf abgestellt, dass durch den verwendeten Briefkopf der Eindruck erweckt wird, es bestehe zwischen dem Kläger und der Diplom-Wirtschaftsjuristin (FH) eine berufliche Zusammenarbeit in Form einer Sozietät. Dies trifft jedoch - was der Kläger auch im Zulassungsantrag nicht in Abrede stellt - gerade nicht zu. Es hätte ihm deshalb oblegen, einen klarstellenden Hinweis auf diesen Umstand aufzunehmen (§ 8 Satz 2 BORA).

7

b) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat der Kläger nicht ausreichend dargelegt (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

8

aa) Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2015 - AnwZ (Brfg) 31/15 Rn. 11 mwN). Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie zu ihrer Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihrer Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Berufungsgerichts erforderlich ist.

9

bb) Das Verlangen nach einem klarstellenden Hinweis auf die tatsächlichen Verhältnisse in der Kanzlei des Klägers findet seine Grundlage in der eindeutigen und insoweit keiner anderweitigen Interpretation zugänglichen Regelung des § 8 Satz 2 BORA. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anwendung der Vorschrift auf den vorliegenden Fall hegt der Senat nicht. Diese beruht auf der Ermächtigungsgrundlage des § 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO und wird von der Rechtsprechung sowie der herrschenden Kommentarliteratur der Rechtsanwendung zugrunde gelegt (vgl. Bormann in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 8 BORA/§ 59a BRAO Rn. 1, 5, 8 mwN). Sie dient dem Schutz der Rechtsuchenden vor Irreführung, mithin einem wichtigen Belang des Gemeinwohls, der die - überaus geringfügige - Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit des Klägers (Art. 12 Abs. 1 GG) rechtfertigt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. September 2015 - AnwZ (Brfg) 31/15 Rn. 12).

10

Der Hinweis des Klägers auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Mai 2013 (II ZB 7/11, NJW 2013, 2674) geht schon deswegen fehl, weil vorliegend nicht die verfassungsrechtliche Beurteilung des § 59a Abs. 1 BRAO, sondern die Notwendigkeit zutreffender Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse in Frage steht (vgl. auch Träger in Feuerich/Weyland, 9. Aufl., § 8 BORA Rn. 8; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 8 BORA Rn. 2). Zudem sind Gegenstand der genannten Entscheidung die Berufe des Arztes und des Apothekers, die sich in mehrfacher Hinsicht von dem des Diplom-Wirtschaftsjuristen (FH) unterscheiden (vgl. unter anderem zur strafbewehrten eigenständigen Schweigepflicht, zu den strafprozessualen Schutzvorschriften und zur Berufsaufsicht BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - II ZB 7/11, aaO Rn. 60, 66 ff.).

11

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Limperg                      König                    Remmert

                Braeuer                      Kau

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 24. Juni 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zugelassener Rechtsanwalt. Am 4. Dezember 2012 erteilte die Beklagte dem Kläger eine missbilligende Belehrung wegen nicht erfolgter Herausgabe von Handakten. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

2

Der Kläger wurde Anfang 2012 von U.    B.     mit der Wahrnehmung von dessen Interessen gegenüber einem Pächter beauftragt. Nachdem der Pächter Anfang Mai 2012 Klage gegen B.     erhoben hatte, beauftragte dieser den Rechtsanwalt S.     mit seiner Vertretung im Klageverfahren. Rechtsanwalt S.     trat mit Schreiben vom 8. Mai 2012 an den Kläger heran und teilte ihm mit, dass B.     das Mandatsverhältnis zum Kläger beendet und die Kanzlei W.   & S.    beauftragt habe. Gleichzeitig bat er darum, die dem Kläger von B.     teilweise im Original überlassenen Unterlagen, u.a. den Pachtvertrag, zur Verfügung zu stellen. In Telefonaten vom 14. Mai 2012 und vom 29. Mai 2012 bat er erneut um Überlassung der Unterlagen. Der Kläger erwiderte, B.     habe das Honorar noch nicht gezahlt, dennoch würden die Unterlagen kurzfristig übersandt werden. Mit Schreiben vom 21. Juni 2012 überreichte er seine Kostenrechnung an die Kanzlei W.   & S.    und bat um Ausgleich durch B.     oder Übernahme der persönlichen Haftung durch die Kollegen. Die Kanzlei W.   & S.    lehnte die Entgegennahme der Vergütungsrechnung für B.     und die Übernahme der persönlichen Haftung ab. Mit Schreiben vom 25. Juni 2012 wandte sich Rechtsanwalt S.     an die Beklagte.

3

Der Kläger übersandte B.     am 28. Juni 2012 seine Kostenrechnung sowie in Kopie die in seinem Besitz befindlichen persönlichen Unterlagen des B.    . Er kündigte an, die Originalunterlagen nach Rechnungsausgleich herauszugeben.

4

Nach Anhörung des Klägers zu der Beschwerde des Rechtsanwalts S.     erteilte die Beklagte dem Kläger am 4. Dezember 2012 eine missbilligende Belehrung, die folgende Beanstandung enthält:

"Die missbilligende Belehrung findet ihre Ursache darin, dass Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege P.    , bis zu Ihrem Schreiben vom 28.06.2012 ein Zurückbehaltungsrecht nicht zustand. Aus Ihrem Schreiben vom 28.06.2012 folgt, dass Sie unter dem Datum vom 28.06.2012 erstmals Ihre Vergütungsberechnung dem Mandanten bzw. den Rechtsanwälten W.   & S.    übermittelt haben.

[...]

Rechnet ein Anwalt nicht ab, macht er aber ein Zurückbehaltungsrecht geltend, liegt eine Pflichtwidrigkeit vor (Böhnlein a. a. O.)."

5

Gegen diese mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene und förmlich zugestellte Belehrung hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen (BRAK-Mitt. 2014, 31). Mit seiner vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen Berufung will der Kläger weiterhin die Aufhebung des Bescheides vom 4. Dezember 2012 erreichen. Der Kläger ist der Ansicht, dass schon die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Herausgabepflicht nicht vorgelegen hätten, weil sich Rechtsanwalt S.     mit einer Vollmacht "B.     /Sch.   , Zahlungsklage vom 27.04.2012" ihm gegenüber nicht zur Herausforderung der Unterlagen habe legitimieren können. Des Weiteren sei Rechtsanwalt S.     nicht wirksam bevollmächtigt gewesen, berufsrechtliche Beschwerde zu erheben, denn er habe keine schriftliche Vollmacht vorgelegt. Schließlich sei die Verpflichtung zur Herausgabe der Handakten keine Berufspflicht.

Entscheidungsgründe

6

Die Berufung ist nach § 112e Satz 1 BRAO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 2, 3 VwGO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

I.

7

Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 VwGO) statthaft. Nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO obliegt es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer, die Kammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren. Gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO hat er die Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben. Stellt der Vorstand einer Rechtsanwaltskammer in Wahrnehmung seiner Aufgaben fest, dass sich ein Rechtsanwalt berufswidrig verhalten hat, so kann er diesen auf die Rechtsauffassung der Kammer hinweisen und über den Inhalt seiner Berufspflichten belehren; er kann ihm auch aufgeben, das beanstandete Verhalten zu unterlassen. Erteilt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer einem Kammermitglied eine derartige missbilligende Belehrung, so stellt diese eine hoheitliche Maßnahme dar, die geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen; als solche ist sie anfechtbar (BGH, Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 62 f.; BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039).

II.

8

Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage mit zutreffenden Gründen abgewiesen. Das Vorbringen des Klägers greift demgegenüber nicht durch.

9

1. Die tatsächlichen Erwägungen, mit denen der Kläger eine Herausgabepflicht verneint, greifen nicht durch. Zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof Rechtsanwalt S.     schon allein wegen der Beauftragung durch B.     in dem gerichtlichen Verfahren für bevollmächtigt gehalten, die Herausgabe der überlassenen Urkunden zu fordern. Aus dem Anschreiben des Rechtsanwalts S.     vom 8. Mai 2012 und der übersandten Vollmacht war für den Kläger unschwer erkennbar, um welche Zahlungsklage es ging. Mit der Anhängigkeit der Zahlungsklage war die außergerichtliche Auseinandersetzung, für die der Kläger die Unterlagen erhalten hatte, ersichtlich erledigt.

10

2. Desgleichen hat der Anwaltsgerichtshof die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht des B.     bei Einlegung der Beschwerde bei der Beklagten schon deshalb richtigerweise nicht für erforderlich gehalten, weil der Vorstand der Beklagten etwaigen Pflichtverletzungen von Amts wegen nachzugehen hat (vgl. Hartung in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 73 Rn. 36). Da der angefochtene Bescheid nicht von einer wirksamen Beschwerde abhängig war, kommt es nicht darauf an, ob für die gleichwohl eingelegte Beschwerde eine Vollmacht bestanden hat.

11

3. Das im Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2012 beschriebene Verhalten des Klägers verstieß gegen § 43, § 50 Abs. 3 BRAO, § 17 BORA. Es besteht eine Berufspflicht zur Herausgabe der Handakten. Diese ist zwar nicht ausdrücklich in § 50 BRAO geregelt, ist aber aus der Generalklausel des § 43 BRAO in Verbindung mit §§ 675, 667 BGB und inzidenter auch der Vorschrift des § 50 BRAO zu entnehmen.

12

a) In der Literatur ist umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen § 43 BRAO - gegen dessen Verfassungsmäßigkeit keine Bedenken bestehen (vgl. BVerfG, NJW 1990, 2122, 2123; 2001, 3325, 3326) - anwendbar ist, wenn spezielle berufsrechtliche Normen fehlen. Während Hartung (BORA/FAO, 5. Aufl., § 43 BRAO Rn. 11; ders., AnwBl. 2008, 782) die Ableitung einer Berufspflicht aus § 43 BRAO für unzulässig hält, ist nach anderer Auffassung § 43 BRAO ein subsidiärer Auffangtatbestand, aus dem bei Lücken im Gesetz oder in der Berufsordnung Berufspflichten unmittelbar abgeleitet werden können (Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufl., § 43 Rn. 7, 15). Nach wiederum anderer Ansicht kommt § 43 als "Transportnorm" bei in der Bundesrechtsanwaltsordnung nicht besonders geregelten Pflichten mit berufsbezogenem Inhalt zur Anwendung (Feuerich in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 43 Rn. 3, 12 f.; Prütting in Henssler/Prütting, aaO § 43 Rn. 21), regelmäßig allerdings nicht bei Verletzung rein zivilrechtlicher Pflichten (Feuerich, aaO Rn. 23; Prütting, aaO Rn. 29).

13

Der Senat lässt dahingestellt, ob sich eine berufsrechtliche Herausgabepflicht unmittelbar aus § 43 BRAO ergibt (so Kleine-Cosack, aaO Rn. 15); sie ist jedenfalls § 43 BRAO in Verbindung mit §§ 675, 667 BGB zu entnehmen. Zivilrechtliche Pflichten, die den Rechtsanwalt im Rahmen seiner Berufsausübung treffen, können in Verbindung mit § 43 BRAO eine Berufspflicht sein, wenn es sich um grobe Verstöße handelt, welche die äußere Seite der Anwaltstätigkeit betreffen und mit gewissenhafter Berufsausübung und mit der Stellung des Rechtsanwalts nicht mehr vereinbar sind (Feuerich, aaO Rn. 24). Das ist bei der Verweigerung der Herausgabe der Handakten ohne rechtfertigenden Grund der Fall. Ein Rechtsanwalt, der - wie im vorliegenden Fall - die Herausgabe von Unterlagen des Mandanten verweigert, die dieser zur Prozessführung benötigt, gefährdet in erheblichem Maße die Achtung und das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Integrität des Berufsstandes.

14

b) Dass es eine Berufspflichtverletzung darstellt, die Herausgabe der Handakten ungerechtfertigt zu verweigern, ergibt sich auch aus § 50 BRAO. § 50 Abs. 3 BRAO gewährt dem Rechtsanwalt in bestimmten Fällen ein Zurückbehaltungsrecht.

15

aa) Die Regelung eines Zurückbehaltungsrechts in der Bundesrechtsanwaltsordnung macht überhaupt nur dann Sinn, wenn man gleichzeitig für den Normalfall von einer berufsrechtlichen Herausgabepflicht ausgeht (Offermann-Burckart in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 50 Rn. 36; Offermann-Burckart, KammerMitteilungen, RAK Düsseldorf 2008, 282, 284 f.). Dass in der Bundesrechtsanwaltsordnung ein besonderes Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem zivilrechtlichen Herausgabeanspruch aus § 667 BGB (dazu BGH, Urteil vom 30. November 1989 - III ZR 112/88, BGHZ 109, 260, 264) geregelt worden ist, erscheint eher fernliegend, auch wenn es weitergehend ausgestaltet ist als das zivilrechtliche Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1997 - IX ZR 244/96, NJW 1997, 2944, 2945 m. Bespr. Borgmann, AnwBl. 1998, 95). Der Standort der Regelung in der Bundesrechtsanwaltsordnung im dritten Teil "Die Rechte und Pflichten des Rechtsanwalts und die berufliche Zusammenarbeit der Rechtsanwälte" spricht vielmehr entscheidend dafür, dass das Zurückbehaltungsrecht als Ausnahme von einer vorausgesetzten berufsrechtlichen Verpflichtung zur Herausgabe der Handakten ausgestaltet worden ist. Dazu passt auch die Begriffsbestimmung der Handakten "im Sinne der Absätze 2 und 3 dieser Bestimmung" in § 50 Abs. 4 BRAO. Diese Regelung hat ersichtlich den Zweck, den Umfang der berufsrechtlichen Herausgabepflicht zu konkretisieren. Schließlich spricht auch die Regelung der Aufbewahrungsdauer für Handakten in § 50 Abs. 2 BRAO für eine berufsrechtliche Herausgabepflicht. Vor einer Vernichtung der Handakten hat der Rechtsanwalt dem (früheren) Mandanten Gelegenheit zu geben, die Handakten in Empfang zu nehmen.

16

bb) Dass auch der Gesetzgeber von diesem Verständnis des § 50 BRAO ausgegangen ist, ergibt sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs einer Bundesrechtsanwaltsordnung zu § 62 E, der inhaltlich § 50 BRAO entspricht. Hier heißt es (BT-Drucks. 3/120, Seite 79):

"Das Zurückbehaltungsrecht erlischt, sobald der Anspruch auf Zahlung der Gebühren und Auslagen befriedigt ist. Für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts können sich aus den Berufspflichten des Rechtsanwalts im Einzelfall Beschränkungen ergeben. So kann die rücksichtslose Geltendmachung des Zurückbe-haltungsrechts für geringfügige Rückstände sich als eine Verletzung der allgemeinen Berufspflicht (§ 55) darstellen und zu einer ehrengerichtlichen Bestrafung führen. [...]

Ist der Rechtsanwalt wegen der Gebühren und Auslagen befriedigt, so hat er die Handakten dem Auftraggeber herauszugeben. Die Herausgabepflicht erstreckt sich, wie aus Absatz 3 Satz 2 hervorgeht, nicht auf den Briefwechsel zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber und auf die Schriftstücke, die der Auftraggeber bereits in Urschrift oder Abschrift erhalten hat. [. ]"

17

Der Gesetzgeber hat für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts auf die Berufspflichten des Rechtsanwalts abgestellt, nach denen mithin eine Herausgabepflicht besteht. Dafür spricht auch, dass der Gesetzgeber schon die rücksichtslose Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts für geringfügige Rückstände als Verletzung der allgemeinen Berufspflicht ansieht, die zu einer ehrengerichtlichen Bestrafung führe. Erst Recht muss dann eine vollständig unberechtigte Verweigerung der Herausgabe der Handakten eine Berufspflichtverletzung darstellen. Auch der weitere Satz in den Materialien "Ist der Rechtsanwalt wegen der Gebühren und Auslagen befriedigt, so hat er die Handakten dem Auftraggeber herauszugeben." spricht dafür, dass der Gesetzgeber eine berufsrechtliche Herausgabepflicht bejaht hat. Dass damit lediglich die zivilrechtliche Herausgabepflicht gemeint sein sollte, liegt angesichts des Regelungsgegenstands des Gesetzes fern (so auch Offermann-Burckart in Henssler/Prütting, aaO Rn. 40; Offermann-Burckart, aaO S. 285).

18

cc) Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. November 1989 - III ZR 112/88 (BGHZ 109, 260) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat in jener Entscheidung eine Herausgabepflicht aus § 667 BGB in Verbindung mit § 50 BRAO hergeleitet. Soweit es dort heißt "Zu den nach § 667 BGB herauszugebenden Unterlagen gehören [. ] auch die Handakten des Rechtsanwalts [...]. Diese Herausgabepflicht wird auch in § 50 BRAO vorausgesetzt" wird damit nicht eine berufsrechtliche Herausgabepflicht verneint. Zu der Frage, ob eine spezifische berufsrechtliche Herausgabepflicht besteht, verhält sich das Urteil nicht; dazu bestand angesichts der zivilrechtlichen Herausgabeklage keine Veranlassung.

III.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser                        Roggenbuck                       Seiters

               Braeuer                              Schäfer

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 1. Senats des Sächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 27. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein im Bezirk der Beklagten zugelassener Rechtsanwalt. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2013 erteilte die Beklagte dem Kläger einen belehrenden Hinweis wegen eines Pflichtverstoßes gegen § 12 BORA. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

2

Die Kanzlei des Klägers wurde im Winter 2012/2013 von den Eheleuten A.    mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen bezüglich eines Mietverhältnisses mit der S.           GmbH beauftragt. Für letztere hatte sich Rechtsanwalt Dr. Sch.    als anwaltlicher Vertreter angezeigt. Die Korrespondenz zwischen den anwaltlichen Vertretern beider Parteien erfolgte bis Ende 2012 / Anfang 2013.

3

Zwischen den Eheleuten A.    und der S.          GmbH wurden weitere Gespräche geführt. Mit Schreiben vom 22. März 2013 wurden die Eheleute A.    von der S.          GmbH wegen eines zwischenzeitlich aufgelaufenen Mietrückstands gemahnt und zur Zahlung des Fehlbetrags aufgefordert. Zudem wurde ihnen mitgeteilt, dass ab dem 1. April 2013 eine Miete von nunmehr 332 € von ihrem Konto abgebucht werde. Dem wurde von der Kanzlei des Klägers in einem direkt an die S.          GmbH gesandten Schreiben vom 28. März 2013 widersprochen. Das Schreiben wurde von Rechtsanwältin M.     unterzeichnet. Des Weiteren wurde ein Faksimile Stempel mit der Unterschrift des Klägers aufgebracht. Zugleich wurde ein Schreiben an Rechtsanwalt Dr. Sch.    versandt, mit dem auf den bisherigen Sach- und Streitstand eingegangen wurde. Das direkt an die S.          GmbH versandte Schreiben vom 28. März 2013 wurde nicht erwähnt.

4

Daraufhin rügte Rechtsanwalt Dr. Sch.     gegenüber der Beklagten das Verhalten der Kanzlei des Klägers. Nach Anhörung des Klägers belehrte die Beklagte den Kläger mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 7. Oktober 2013, dass jede Kontaktaufnahme mit dem in einem Verfahren anwaltlich vertretenen gegnerischen Mandanten zu unterbleiben habe und eine unmittelbare Kontaktaufnahme nur dann gerechtfertigt sei, wenn dem eigenen Mandanten wesentliche wirtschaftliche Nachteile drohten. Dies gelte auch dann, wenn eine inhaltliche Bearbeitung des Mandates durch den Mitunterzeichner nicht erfolgt sei.

5

Gegen die ihm am 8. Oktober 2013 zugestellte Belehrung vom 7. Oktober 2013 hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen (AnwBl. 2015, 525). Mit seiner vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen Berufung begehrt der Kläger weiterhin die Aufhebung des Bescheides vom 7. Oktober 2013. Er ist der Auffassung, ein Verstoß gegen § 12 BORA könne nur bei vorsätzlicher Verletzung des Umgehungsverbots geahndet werden. Ihm sei weder das konkrete Mandat noch die Existenz des streitgegenständlichen Schreibens bekannt gewesen. Er habe somit auch nicht gewusst, dass der Gegner von einem Anwalt vertreten werde. Eine etwaige Pflichtwidrigkeit von Rechtsanwältin M.     sei für ihn nicht vorhersehbar gewesen.

6

Ein schuldhaftes Handeln könne auch nicht aus seinem per Faksimile-Stempel aufgebrachten Schriftzug hergeleitet werden. Es sei an alle Mitarbeiter der Kanzlei eine ausdrückliche Vorgabe zur Handhabung des Stempels erfolgt. Alle Mitarbeiter seien über das Umgehungsverbot gemäß § 12 BORA belehrt worden. Damit habe er dem Missbrauch vorgebeugt. Ein Fehlverhalten des sachbearbeitenden Anwalts sei ihm nicht vorwerfbar. Allein das Inverkehrbringen des Faksimile-Stempels stelle keine Fahrlässigkeit dar. Da ein solcher Stempel weder den Formerfordernissen des § 130 Nr. 6 ZPO noch denen einer persönlichen Unterzeichnung genüge, sei seine missbräuchliche Anwendung faktisch ausgeschlossen. Zur Wahrung der Schriftform würden alle Schreiben vom sachbearbeitenden Rechtsanwalt unterzeichnet. Der Faksimile-Stempel werde nur zusätzlich aufgebracht.

7

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Frage der Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher oder prozessualer Erklärungen sei nicht entscheidend. Sanktioniert werde jede Art der Kontaktaufnahme unter Umgehung des Gegenanwalts. Es komme nicht darauf an, ob der Kläger über den Verfahrensablauf informiert gewesen sei. Durch das Zur-Verfügung-Stellen des Faksimile-Stempels habe er die Möglichkeit für einen Verstoß gegen das Umgehungsverbot geschaffen und dies zumindest stillschweigend gebilligt. Ein Berufsrechtsverstoß könne auch fahrlässig begangen werden. Der Faksimile-Stempel solle den Eindruck höchstpersönlicher Bearbeitung durch den Kläger erwecken. Dieser habe im Einzelfall Sorge dafür zu tragen, dass die mit seinem Faksimile-Stempel versehenen Schreiben den berufsrechtlichen Vorschriften entsprächen. Ein Delegieren auf Dritte, auch unter Verwendung von Handlungsanweisungen, verbiete sich. Geschehe dies trotzdem, habe sich der Rechtsanwalt deren Handeln wie eigenes zurechnen zu lassen.

Entscheidungsgründe

8

Die Berufung ist nach § 112e Satz 1 BRAO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 2, 3 VwGO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

I.

9

Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 VwGO) statthaft. Nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO obliegt es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer, die Kammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren. Gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO hat er die Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben. Stellt der Vorstand einer Rechtsanwaltskammer in Wahrnehmung seiner Aufgaben fest, dass sich ein Rechtsanwalt berufswidrig verhalten hat, so kann er diesen auf die Rechtsauffassung der Kammer hinweisen und über den Inhalt seiner Berufspflichten belehren; er kann ihm auch aufgeben, das beanstandete Verhalten zu unterlassen. Erteilt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer einem Kammermitglied eine derartige missbilligende Belehrung, so stellt diese eine hoheitliche Maßnahme dar, die geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen; als solche ist sie anfechtbar (BGH, Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 62 f.; BGH, Urteile vom 6. Juli 2015 - AnwZ (Brfg) 24/14, juris Rn. 11 und vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5).

10

Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage mit zutreffenden Gründen abgewiesen. Das im Bescheid der Beklagten vom 7. Oktober 2013 beschriebene Verhalten des Klägers verstieß gegen § 12 Abs. 1 BORA.

11

1. Der Anwaltsgerichtshof ist zu Recht davon ausgegangen, dass mit dem an die S.          GmbH gerichteten Schreiben der Kanzlei des Klägers vom 28. März 2013 unter Verstoß gegen § 12 Abs. 1 BORA unmittelbar mit einem Beteiligten im Sinne der vorgenannten Vorschrift Verbindung aufgenommen wurde. Hiergegen wendet sich der Kläger nicht.

12

2. Das Schreiben vom 28. März 2013 ist, wie der Anwaltsgerichtshof ebenfalls zutreffend erkannt hat, als unmittelbare Kontaktaufnahme (auch) durch den Kläger anzusehen, d.h. ihm als eine solche Kontaktaufnahme zuzurechnen.

13

Zur Beantwortung der Frage, ob einem Rechtsanwalt ein bestimmtes, unmittelbar an die Gegenpartei gerichtetes Anwaltsschreiben zuzurechnen ist, ist der Schutzzweck des § 12 BORA heranzuziehen. Das Umgehungsverbot dient vorrangig dem Schutz des gegnerischen Mandanten. Hat dieser zur Wahrung seiner Rechte die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig erachtet, so soll er davor geschützt sein, bei direkter Kontaktaufnahme durch den Rechtsanwalt der Gegenseite wegen fehlender eigener Rechtskenntnisse und mangels rechtlicher Beratung übervorteilt zu werden. Mit diesem Schutz vor Überrumpelung dient die Regelung einem fairen Verfahren und damit dem Gemeinwohlinteresse an einer geordneten Rechtspflege (BVerfG, NJW 2009, 829 Rn. 48; NJW 2001, 3325, 3326; BGH, Urteile vom 6. Juli 2015 aaO Rn. 15 und vom 8. Februar 2011 - VI ZR 311/09, NJW 2011, 1005 Rn. 6; Thümmel, NJW 2011, 1850, 1851; Böhnlein in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 12 BORA Rn. 1 mwN).

14

Der vorrangig dem Schutz des gegnerischen Mandanten dienende Zweck des Umgehungsverbots nach § 12 BORA gebietet es, bei der Zurechnung eines gegen § 12 BORA verstoßenden Anwaltsschreibens maßgeblich auf den Empfängerhorizont der - im Augenblick der Kenntnisnahme nicht anwaltlich beratenen - Gegenpartei abzustellen. Nicht maßgebend ist dagegen, ob das Anwaltsschreiben den Formerfordernissen des § 130 Nr. 6 ZPO oder den Voraussetzungen einer persönlichen Unterzeichnung genügt. Entscheidend ist vielmehr, ob aus Sicht der Gegenpartei das unter Verstoß gegen § 12 BORA an sie gerichtete Anwaltsschreiben einem bestimmten Rechtsanwalt zugerechnet werden kann. Hierzu genügte vorliegend, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, die Anbringung eines Faksimile-Stempels, der die Unterschrift des Klägers nachbildete. Denn für die S.        GmbH als Adressatin des Schreibens vom 28. März 2013 war nicht erkennbar, dass der Kläger an der Bearbeitung nicht beteiligt war. Sie musste im Gegenteil aufgrund des Faksimile-Stempels davon ausgehen, dass der Kläger der (Mit-)Verfasser des Schreibens war und dieses ihr mit seinem Einverständnis übermittelt wurde.

15

3. Der Kläger hat auch schuldhaft gegen § 12 BORA verstoßen.

16

a) Ein Verstoß gegen § 12 BORA kann fahrlässig begangen werden (AnwG Köln, AnwBl. 2010, 134, 136; Böhnlein in Feuerich/Weyland aaO § 12 BORA Rn. 10; Kleine-Cosack, BRAO, 7. Aufl., § 12 BORA Rn. 13; a.A. Hartung in Hartung, BORA/FAO, 5. Aufl., § 12 Rn. 27). Die Verletzung des Umgehungsverbots des § 12 BORA stellt einen wesentlichen Verstoß gegen anwaltliches Berufsrecht dar (Zuck in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 12 BORA Rn. 30; Hartung aaO Rn. 28; AnwG Köln aaO). Es ist kein Grund ersichtlich, den Schuldvorwurf auf vorsätzliches Handeln zu beschränken. Vielmehr genügt - wie bei der Verletzung anderer Berufspflichten - jedes schuldhafte Handeln und damit auch Fahrlässigkeit.

17

b) Der Kläger hat, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend erkannt hat, fahrlässig gehandelt, indem er eine Anweisung dahingehend erteilt beziehungsweise es bewusst zugelassen hat, dass auf eine große Anzahl von ausgehenden Schreiben ein seinen Unterschriftenzug tragender Faksimile-Stempel aufgebracht wurde, ohne dass er selbst diese Schreiben zur Kenntnis nahm und auf die Einhaltung des Umgehungsverbots nach § 12 BORA überprüfte. Die von ihm ergriffenen Maßnahmen genügen nicht den Anforderungen, die an die von ihm zur Vermeidung eines Verstoßes gegen § 12 BORA zu beobachtende Sorgfalt zu stellen sind.

18

Die Sorgfalt, die im Hinblick auf die Vermeidung eines anwaltlichen Pflichtverstoßes anzuwenden ist, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und insbesondere danach, ob durch ein vorangegangenes Verhalten des Rechtsanwalts eine gewisse Wahrscheinlichkeit oder Gefahr eines solchen Pflichtverstoßes begründet worden ist. Vorliegend ist durch die Anweisung beziehungsweise das Einverständnis des Klägers betreffend die Anbringung des Faksimile-Stempels auf einer sehr großen Anzahl von ausgehenden Schreiben die Wahrscheinlichkeit maßgeblich erhöht worden, dass Verstöße gegen das Umgehungsverbot nach § 12 BORA (auch) ihm zuzurechnen sind. Die vom Kläger getroffenen organisatorischen Anweisungen entlasten ihn nicht.

19

aa) Dies gilt zunächst insoweit, als allen Mitarbeitern der Kanzlei vorgegeben wurde, dass kein Schreiben ausschließlich mit einem Faksimile-Stempel versehen werden darf und jedes Schreiben rechts neben dem Faksimile-Stempel des Klägers die Unterschrift des sachbearbeitenden Rechtsanwalts zu tragen hat. Der Senat verkennt nicht, dass hierdurch der sachbearbeitende Rechtsanwalt der Pflicht zur (Mit-)Prüfung unterworfen wird, ob die gegnerische Partei anwaltlich vertreten wird und das Umgehungsverbot des § 12 BORA zu beachten ist. Die Einrichtung einer solchen zweifachen "Unterschrift" in der Kanzlei des Klägers ist von einer - allerdings kaum vorstellbaren - Kanzleiorganisation zu unterscheiden, die den Versand von ausschließlich mit einer Faksimile-Unterschrift versehenen, durch keinen Rechtsanwalt abschließend geprüften Schreiben zulässt und hierdurch eine besonders hohe Gefahr von Verstößen gegen berufsrechtliche Pflichten hervorruft.

20

Es ist indes gerade das vom Kläger eingerichtete beziehungsweise mit seinem Einverständnis eingerichtete System der - scheinbar - zweifachen anwaltlichen Unterzeichnung ausgehender Schreiben, das die ihn persönlich treffende Pflicht zur Prüfung von Verstößen gegen das Umgehungsverbot nach § 12 BORA begründet. Mit der Unterzeichnung - mit Ausnahme einfacher Mahnschreiben - aller ausgehenden Schreiben durch zwei Rechtsanwälte einschließlich des Klägers als Namensgeber der Rechtsanwaltskanzlei wird gegenüber den Adressaten der Schreiben der Eindruck einer persönlichen Bearbeitung durch beide Rechtsanwälte und damit der Eindruck einer mit erhöhter fachlicher Kompetenz erfolgten Bearbeitung hervorgerufen. Mag die Anbringung eines Faksimile-Stempels auch nicht - wie ausgeführt - den Formerfordernissen des § 130 Nr. 6 ZPO oder den Voraussetzungen einer persönlichen Unterzeichnung genügen, so übernimmt der Kläger damit doch die (Mit-)Verantwortung für derart gestempelte Schreiben und für die Einhaltung der mit ihnen einher gehenden berufsrechtlichen Pflichten. Der durch den Faksimile-Stempel gesetzte Schein einer persönlichen Bearbeitung und Prüfung ist mit einer völligen Verantwortungs- und Pflichtenfreiheit des Klägers für das betreffende Schreiben unvereinbar. Vielmehr begründet der auf Anweisung oder mit Einverständnis des Klägers angebrachte Faksimile-Stempel grundsätzlich die Pflicht des Klägers zur persönlichen Prüfung der Einhaltung aller mit dem entsprechenden Schreiben in Zusammenhang stehenden berufsrechtlichen Pflichten.

21

bb) Auch hat der Kläger nicht dadurch den ihn treffenden Sorgfaltspflichten genügt, dass alle Mitarbeiter über das Umgehungsverbot gemäß § 12 BORA belehrt und angewiesen wurden sicherzustellen, dass gegnerische Rechtsanwälte in die bestehenden Dateisysteme aufgenommen werden, und dass Sorge dafür zu tragen ist, dass die weitere Kommunikation mit der Gegenseite ausschließlich über den gegnerischen Rechtsanwalt ausgeführt wird. In Folge der Anbringung des Faksimile-Stempels auf seine Anweisung oder mit seinem Einverständnis übernahm der Kläger die (Mit-)Verantwortung für die gestempelten Schreiben. Ihn traf in Bezug auf diese Schreiben daher die persönliche, nicht delegierbare Pflicht der Einhaltung des berufsrechtlichen Umgehungsverbots nach § 12 BORA und zur entsprechenden Prüfung der Schreiben.

III.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1, 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Limperg                       König                      Remmert

                 Martini                       Kau

(1) Der Vorstand hat die ihm durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Ihm obliegen auch die der Rechtsanwaltskammer in diesem Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse. Er hat die Belange der Kammer zu wahren und zu fördern.

(2) Dem Vorstand obliegt insbesondere,

1.
die Mitglieder der Kammer in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren;
2.
auf Antrag bei Streitigkeiten unter den Mitgliedern der Kammer zu vermitteln; dies umfasst die Befugnis, Schlichtungsvorschläge zu unterbreiten;
3.
auf Antrag bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern der Kammer und ihren Auftraggebern zu vermitteln; dies umfasst die Befugnis, Schlichtungsvorschläge zu unterbreiten;
4.
die Erfüllung der den Mitgliedern der Kammer obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben;
5.
Rechtsanwälte für die Ernennung zu Mitgliedern des Anwaltsgerichts und des Anwaltsgerichtshofes vorzuschlagen;
6.
Vorschläge gemäß §§ 107 und 166 der Bundesrechtsanwaltskammer vorzulegen;
7.
der Kammerversammlung über die Verwaltung des Vermögens jährlich Rechnung zu legen;
8.
Gutachten zu erstatten, die eine Landesjustizverwaltung, ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde des Landes anfordert;
9.
bei der Ausbildung und Prüfung der Studierenden und der Referendare mitzuwirken, insbesondere qualifizierte Arbeitsgemeinschaftsleiter und die anwaltlichen Mitglieder der juristischen Prüfungsausschüsse vorzuschlagen.

(3) In Beschwerdeverfahren setzt der Vorstand die Person, die die Beschwerde erhoben hatte von seiner Entscheidung in Kenntnis. Die Mitteilung erfolgt nach Abschluss des Verfahrens einschließlich des Einspruchsverfahrens und ist mit einer kurzen Darstellung der wesentlichen Gründe für die Entscheidung zu versehen. § 76 Absatz 1 bleibt unberührt. Die Mitteilung ist nicht anfechtbar.

(4) Der Vorstand kann die in Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Nr. 1 bis 3 und Absatz 3 bezeichneten Aufgaben einzelnen Mitgliedern des Vorstandes übertragen.

(5) Beantragt bei Streitigkeiten zwischen einem Mitglied der Rechtsanwaltskammer und seinem Auftraggeber der Auftraggeber ein Vermittlungsverfahren, so wird dieses eingeleitet, ohne dass es der Zustimmung des Mitglieds bedarf. Ein Schlichtungsvorschlag ist nur verbindlich, wenn er von beiden Seiten angenommen wird.

(1) Der Vorstand kann das Verhalten eines Rechtsanwalts, durch das dieser ihm obliegende Pflichten verletzt hat, rügen, wenn die Schuld des Rechtsanwalts gering ist und ein Antrag auf Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich erscheint. § 113 Absatz 2 und 4, die §§ 115b und 118 Absatz 1 und 2 sowie die §§ 118a und 118b gelten entsprechend. Für die Verjährung und deren Ruhen gilt § 115 Absatz 1 Satz 1 und 3 sowie Absatz 2. Die erste Anhörung des Rechtsanwalts unterbricht die Verjährung ebenso wie die erste Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft im anwaltsgerichtlichen Verfahren.

(2) Eine Rüge darf nicht erteilt werden,

1.
wenn gegen den Rechtsanwalt ein anwaltsgerichtliches Verfahren eingeleitet wurde oder
2.
während ein Verfahren nach § 123 anhängig ist.

(3) Bevor die Rüge erteilt wird, ist der Rechtsanwalt zu hören.

(4) Der Bescheid des Vorstandes, durch den das Verhalten des Rechtsanwalts gerügt wird, ist zu begründen. Er ist dem Rechtsanwalt zuzustellen. Eine Abschrift des Bescheides ist der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht mitzuteilen.

(5) Gegen den Bescheid kann der Rechtsanwalt binnen eines Monats nach der Zustellung bei dem Vorstand Einspruch erheben. Über den Einspruch entscheidet der Vorstand; Absatz 4 ist entsprechend anzuwenden.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf zugelassene Berufsausübungsgesellschaften entsprechend anzuwenden, wenn in den Fällen des § 113 Absatz 3 die Bedeutung der Pflichtverletzung gering ist und ein Antrag auf Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich erscheint. § 113 Absatz 5, die §§ 113b und 118c Absatz 2 sowie die §§ 118d bis 118f sind entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. September 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen belehrende Hinweise der Beklagten vom 7. Januar 2013 und 15. Februar 2013. Diese waren auf seine Bitte ergangen, die berufsrechtliche Zulässigkeit von ihm ins Auge gefasster und so bezeichneter "Schockwerbung" für seine Kanzlei zu beurteilen. Zugrunde liegt, dass der Kläger zu Werbezwecken Kaffeetassen verbreiten will, die er mit verschiedenen Aufdrucken von Bildern, diesen beigestellten Textzeilen sowie den Kontaktdaten seiner Kanzlei versehen möchte.

2

In Streit stehen noch drei solcher Aufdrucke. Der erste Aufdruck enthält eine mit diagonal verlaufenden roten Linien durchgestrichene fotografische Abbildung. Sie zeigt eine Frau, die ein auf ihren Knien liegendes, ersichtlich schreiendes Mädchen mit einem Gegenstand auf das nackte Gesäß schlägt. Neben dem Bild ist aufgedruckt: "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1631 Abs. 2 BGB)". Der zweite - zeichnerische - Abbildungsabdruck stellt einen eine Pfeife rauchenden Mann dar, der einer auf seinen Knien liegenden erwachsenen Frau mit einem Gegenstand auf das entblößte Gesäß schlägt. Daneben findet sich der Text: "Wurden Sie Opfer einer Straftat?". Der dritte Aufdruck setzt sich zusammen aus einer fotografischen Abbildung einer jungen Frau, die sich erkennbar aus Verzweiflung den Mündungslauf einer Schusswaffe unter das Kinn hält, und der daneben angebrachten Textzeile "Nicht verzagen, R.    fragen".

3

In den genannten Bescheiden gab die Beklagte dem Kläger jeweils auf, die Werbung wegen Unvereinbarkeit mit dem anwaltlichen Berufsrecht sowie dem Wettbewerbsrecht zu unterlassen. Die dem Kläger förmlich zugestellten Bescheide enthielten eine Rechtsmittelbelehrung, wonach binnen eines Monats nach Zustellung Klage beim Anwaltsgerichtshof erhoben werden könne.

4

Die durch den Kläger gegen die Bescheide erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof als unzulässig abgewiesen, weil die belehrenden Hinweise zukünftiges Verhalten beträfen, weswegen ihnen keine Verwaltungsaktqualität zukomme. Der Senat hat die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 21. Januar 2014 zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

5

Die Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.

6

1. Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs ist die Klage allerdings als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

7

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie die angefochtenen Bescheide mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; Beschlüsse vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 62 f.; jeweils m.w.N.). Der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich die Bescheide nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des Klägers beziehen. Zwar hat der Senat zum vormals geltenden Verfahrensrecht mehrfach ausgesprochen, dass Auskünfte der Rechtsanwaltskammern über die Rechtmäßigkeit künftigen Verhaltens des Rechtsanwalts grundsätzlich nicht anfechtbar sind, weil sie keine Schuld feststellen und nicht in dessen Rechte eingreifen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 1962 - AnwZ (B) 10/62, BGHZ 37, 396, 401; vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 20/96, NJW-RR 1997, 759; vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 28/00, BRAK-Mitt 2001, 188, 189; vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 38/05, NJW 2006, 2926 Rn. 2).

8

Jedoch gehen die streitbefangenen Bescheide nach ihrem bei der Auslegung maßgebenden objektiven Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts (vgl. nur von Alemann/Scheffczyk in BeckOK VwVfG, Stand 1. Juli 2014, § 35 Rn. 46 m.w.N.) schon ausweislich der jeweils verwendeten Entscheidungsformel über solche präventive Auskünfte hinaus. Diese stellen fest, dass die Verwendung der verfahrensgegenständlichen Aufdrucke zu Werbezwecken rechtswidrig ist, und sprechen konkrete Verbote aus ("... ist nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht ... vereinbar und daher von Ihnen zu unterlassen"). Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. auch BayVGH, BayVBl 2006, 635; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 35 Rn. 83 m.w.N.). Die Bescheide lassen erkennen, dass sich die Beklagte im Vorgriff auf eine bei Zuwiderhandeln gegen die Verbote ohne Weiteres erfolgende Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Fragen festgelegt hat. Darüber hinaus sind sie mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für das Vorliegen von Verwaltungsakten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7 m.w.N.; BVerwGE 29, 310, 312 f.; 99, 101, 104; BVerwG, NVwZ-RR 2005, 343; Stelkens, aaO, § 35 Rn. 72 m.w.N.; von Alemann/Scheffczyk, aaO, § 35 Rn. 35 f.).

9

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

10

a) Die Beklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung der vorgelegten Aufdrucke in Form belehrender Hinweise nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO mitzuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwalt im Rahmen solcher Hinweise zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, aaO; Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, aaO; jeweils m.w.N.). Gründe, die zu einer anderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kläger aufgrund der Hinweise in keiner Weise gehindert ist, die Aufdrucke gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. zu verbotener Vorzensur BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 70. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 m.w.N.).

11

b) Der Senat teilt die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Meinung der Beklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar ist.

12

aa) Das in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), unter Umständen auch der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656, 2657). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36 und hierzu EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12, NJW 2014, 554 Rn. 18, 20 f.). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" BVerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993 S. 28; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/7656 S. 48) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail krit. - von Lewinski in Hartung, BORA/FAO, 5. Aufl., § 6 BORA Rn. 29; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 43b Rn. 30; Böhnlein in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 43b Rn. 20 f.; jeweils m.w.N.; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.; s. aber dort Rn. 269 m.w.N.).

13

Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienen dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern; mit der Stellung eines Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden Bürgers eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt und mit der eigentlichen Leistung des Anwalts sowie dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun hat (vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO). Verboten werden können danach unter anderem Werbemethoden, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind (BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO; 2001, 2620 m.w.N.).

14

Es ist einem Rechtsanwalt zwar nicht verwehrt, für seine Werbung Bilder oder Fotografien zu verwenden (vgl. Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 32; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 75), Gegenstände wie etwa Tassen als Werbeträger einzusetzen (Prütting, aaO, § 43b BRAO, Rn. 37; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 87) oder auch Ironie und Sprachwitz als Stilmittel zu gebrauchen (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324, 3325; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 26). Die Grenzen zulässiger Werbung sind jedoch überschritten, wenn die Werbung darauf abzielt, gerade durch ihre reißerische und/oder sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge, dass ein etwa vorhandener Informationswert in den Hintergrund gerückt wird oder gar nicht mehr erkennbar ist (vgl. auch BGH, Urteile vom 1. März 2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 76 und vom 21. Februar 2002 - I ZR 281/99, NJW 2002, 2642, 2644). Derartige Werbemethoden sind geeignet, die Rechtsanwaltschaft als seriöse Sachwalterin der Interessen Rechtsuchender zu beschädigen (vgl. auch BVerfG [Kammer], BRAK-Mitt. 2000, 137, 138; Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 38).

15

bb) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b BRAO) überschreiten aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324 m.w.N.) in der gebotenen Gesamtbetrachtung der Bilder und der ihnen jeweils beigestellten Textzeilen sämtliche streitbefangenen Aufdrucke.

16

(1) Diese Bewertung wird für den Aufdruck 1 nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Textzeile "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1626 Abs. 2 BGB)" für sich genommen einen gewissen Informationsgehalt aufweist und als solche in einer anwaltlichen Werbung nicht zu beanstanden wäre. Denn "Blickfang" für den Betrachter ist - vom Kläger auch so beabsichtigt - die realistische Darstellung des Verprügelns eines Kindes. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass das Kind am Unterleib nackt ist, wobei die Unterhose bis zu den Knien herabgezogen ist. Da Nacktheit fraglos kein essentielles Element der Darstellung einer Kindesmisshandlung ist, legt dies die Annahme nahe, dass bei einem Teil des Betrachterkreises auch sexuelles Interesse geweckt werden soll. Die mit dem Bild in Zusammenhang gestellte Tatsache, dass die körperliche Misshandlung von Kindern im Rahmen der Erziehung in Deutschland seit langem ausdrücklich verboten ist, gerät auf diese Weise zu bloßem Beiwerk und vermag deshalb auch nicht - was der Kläger zuletzt in den Vordergrund gerückt hat - einen Beitrag zu einer gesellschaftskritischen Auseinandersetzung zu leisten, zumal die Abbildung auf zu Werbezwecken verbreiteten, vom Kläger so genannten "Humpen" aufgedruckt ist. Auch der Umstand, dass der Aufdruck durchgestrichen ist, kann in Anbetracht der reißerischen und sexualisierenden Darstellung keinen Ausgleich schaffen. Die Beklagte hat mit Recht darauf hingewiesen, dass solche Werbung geeignet wäre, bei der rechtsuchenden Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, die Rechtsanwaltschaft habe Derartiges nötig, um Mandate zu erlangen, und damit das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt zu beeinträchtigen.

17

(2) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Textzeile gemäß Aufdruck 2 "Wurden Sie Opfer einer Straftat?" etwa deswegen noch eine hinreichend berufsbezogene Information enthält, weil möglichen Rechtsuchenden - hier dem freilich wohl eher vordergründig angesprochenen Adressatenkreis der Opfer häuslicher Gewalt - in der Zusammenschau mit der Berufsangabe des Klägers und seinen Kontaktdaten vermittelt wird, dass durch diesen eine Beratung beispielsweise über zivil-, straf- oder sozialrechtliche Verletztenrechte angeboten wird. Denn es dominiert der gestalterisch hergestellte Zusammenhang mit einer an eine Karikatur erinnernden Zeichnung, die sich in einer klischeehaften Entstellung forensisch bekannter Phänomene häuslicher Gewalt erschöpft. Hierdurch werden dieser Adressatenkreis sowie sein Rechtsschutzbedürfnis abgewertet sowie ins Lächerliche gezogen und für die "Werbebotschaft" instrumentalisiert. Die stark sexualisierende Darstellung mit einem in das Zentrum des Bildes gerückten entblößten Gesäß einer erwachsenen Frau, deren Unterhose bis zu den Oberschenkeln heruntergezogen ist, kommt hinzu. Solches erscheint in anwaltlicher Werbung nicht tragbar.

18

(3) Ebenfalls durch eine unangemessene Ironisierung geprägt ist angesichts des neben der Abbildung einer verzweifelten potentiellen Suizidentin angebrachten Reims "Nicht verzagen, R.    fragen" der Aufdruck 3. Zugleich ist er aufgrund der martialischen Darstellung einer Schusswaffe am Kinn eines Menschen abermals durch eine reißerische Aufmachung gekennzeichnet. Überdies vermittelt die Gesamtschau des Aufdrucks keinen spezifischen Hinweis auf das Berufsbild des Rechtsanwalts oder gar auf das konkrete Tätigkeitsfeld des Klägers. Durch die fotografisch dargestellte äußerste Verzweiflung eines Menschen in Verbindung mit dem genannten Reim wird vielmehr eine umfassende Hilfe in allen denkbaren Lebenslagen suggeriert, die der Kläger kaum zu leisten imstande wäre. Ein Zusammenhang mit anwaltlicher Betätigung kann allenfalls in loser Assoziation hergestellt werden und wäre in der Sache verzerrt.

II.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser                        König                         Remmert

                Martini                       Quaas

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen einen belehrenden Hinweis der Beklagten vom 26. Mai 2015. Dieser war auf seine Bitte ergangen, ihn über die berufsrechtliche Zulässigkeit eines von ihm ins Auge gefassten Aufdrucks beziehungsweise einer Bestickung seiner Anwaltsrobe auf deren oberen Rückenbereich mit den Worten "Dr. R.      " und der Internetadresse "www.dr-r.  .de" zu belehren.

2

In dem - dem Kläger zugestellten und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen - Bescheid belehrte die Beklagte den Kläger dahingehend, dass das Tragen der Anwaltsrobe mit dem vorgenannten Aufdruck nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht vereinbar und daher von ihm künftig zu unterlassen sei. Mit der geplanten Verwendung der Robe verstoße er gegen § 43b BRAO, § 6 Abs. 1, § 20 BORA. Es handele sich um ein werbliches Auftreten nach außen, das dazu diene, in den Gerichtssälen bewusst Zuhörer und andere auf sich aufmerksam zu machen, um hierdurch für neue Mandate zu werben. Diese Werbung sei unsachlich, weil ein Gerichtssaal der falsche Ort für Werbung insgesamt sei. Außerdem verstoße er durch das Tragen der Robe gegen § 20 BORA, da von der üblichen Berufstracht abgewichen werde.

3

Der Anwaltsgerichtshof hat die vom Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2015 erhobene Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.

4

Der Kläger beantragt nunmehr das Urteil des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Az. 1 AGH 16/15, vom 29. Mai 2015, sowie den Bescheid der Beklagten, Az. III. Abt. 275/2014, vom 26. Mai 2015 aufzuheben.

5

hilfsweise,

6

das Urteil des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Az. 1 AGH 16/15, vom 29. Mai 2015, sowie den Bescheid der Beklagten, Az. III. Abt. 275/2014, vom 26. Mai 2015 insoweit aufzuheben, als dem Kläger darin auch untersagt wird,

- die verfahrensgegenständliche Robe vor Gerichten zu tragen, vor denen Robenzwang für Rechtsanwälte nicht besteht, sowie

- die verfahrensgegenständliche Robe auch dann zu tragen, selbst wenn die Vorsitzende Richterin/der Vorsitzende Richter deren Tragen im Rahmen der Sitzungspolizei zugelassen hat.

7

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

8

Die Berufung hat keinen Erfolg.

9

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

10

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie der angefochtene Bescheid mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. nur BGH, Urteile vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7 und vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; jeweils mwN). Der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich der Bescheid nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des Klägers bezieht. Er geht schon ausweislich der Entscheidungsformel über eine lediglich präventive Auskunft hinaus, da er feststellt, dass die Verwendung des verfahrensgegenständlichen Robenaufdrucks rechtswidrig ist, und ein konkretes Verbot ausspricht. Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO mwN). Darüber hinaus ist der Bescheid mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für das Vorliegen eines Verwaltungsakts (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO; Beschluss vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; jeweils mwN).

11

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

12

a) Die Beklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung des beabsichtigten Robenaufdrucks in Form eines belehrenden Hinweises nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO mitzuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwalt im Rahmen eines solchen Hinweises zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. Senat, Urteile vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 10 und vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11 aaO; jeweils mwN). Gründe, die zu einer anderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kläger aufgrund des Hinweises in keiner Weise gehindert ist, den Aufdruck gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 32; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO; zu verbotener Vorzensur vgl. BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 68. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 mwN).

13

b) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat der Anwaltsgerichtshof in dem Tragen einer nach dem Muster des Klägers bestickten oder bedruckten Robe vor Gericht einen Verstoß gegen § 20 BORA gesehen. Diese - auf der Grundlage von § 59b Abs. 2 Nr. 6c BRAO erlassene - berufsrechtliche Vorschrift steht jeglicher Werbung auf einer Robe im Gerichtssaal entgegen (nachfolgend aa). Bei dem Aufdruck auf der Robe des Klägers handelt es sich um eine solche unzulässige Werbung (nachfolgend bb).

14

aa) Nach § 20 BORA trägt der Rechtsanwalt vor Gericht als Berufstracht die Robe, soweit dies üblich ist. Eine Berufspflicht zum Erscheinen in Robe besteht beim Amtsgericht in Zivilsachen nicht.

15

(1) Die in § 20 BORA bestimmte Pflicht zum Tragen einer Robe setzt voraus, dass die Robe nicht mit Werbeaufdrucken oder ähnlichen werbenden Aufbringungen versehen ist (Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 20 BORA Rn. 41; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 20 BORA Rn. 5; Brüggemann in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 20 BORA Rn. 3). Dies ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, aus Sinn und Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe. Es besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit daran, dass Gerichtsverhandlungen in guter Ordnung und angemessener Form durchgeführt werden können. Diesem Zweck dient es, wenn auch die an der Verhandlung beteiligten Rechtsanwälte eine Amtstracht tragen (BVerfGE 28, 21, 31 f.). Sie werden dadurch aus dem Kreis der übrigen Teilnehmer an der Verhandlung herausgehoben; ihre Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) wird sichtbar gemacht (BVerfG aaO; Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 16, 41; Wolf in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 1 BRAO Rn. 91). Darin liegt auch ein zumindest mittelbarer Nutzen für die Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess; denn die Übersichtlichkeit der Situation im Verhandlungsraum wird gefördert und zugleich ein Beitrag zur Schaffung der Atmosphäre der Ausgeglichenheit und Objektivität geleistet, in der allein Rechtsprechung sich in angemessener Form darstellen kann (BVerfG aaO). Durch das Anlegen der Robe tritt der Rechtsanwalt mithin als Person hinter seiner Funktion als Prozessbeteiligter zurück (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128).

16

Dieser Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe steht jeglichem Werbeaufdruck auf der Robe entgegen. Letztere verkörpert - im Unterschied zu anderen Berufskleidungen und zu anderen Kleidungsstücken des Rechtsanwalts - für alle Anwesenden erkennbar die Organstellung des Rechtsanwalts und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität sowie der Verallgemeinerungsfähigkeit der Rechtsanwendung geprägt ist (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128). Ein Werbeaufdruck stört - unabhängig von seinem Inhalt - diese Funktion, Aussage und Wirkung der Robe. Anwaltliche Werbung ist ein Verhalten, das darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rechtsanwalts zu gewinnen (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2015 - AnwZ (Brfg) 19/15, BRAK-Mitt. 2016, 72 Rn. 5; Urteil vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 18 und Beschluss vom 23. September 2002 - AnwZ (Brfg) 67/01, NJW 2003, 346). Durch ihre Aufbringung auf die vor Gericht getragene Robe wird letztere zweckentfremdet und werden ihre eigentlichen, vorstehend dargestellten Zwecke wesentlich beeinträchtigt. Der Rechtsanwalt tritt mittels der Robe als "Werbeträger" hervor und mindert auf diese Weise die vorgenannte Funktion und Wirkung der Robe.

17

Soweit der Kläger meint, durch die namentliche Kennzeichnung werde der Sinn des Robetragens verstärkt, wenn sich nicht nur die Anwaltseigenschaft, sondern auch die konkrete Person des Anwalts erkennen lasse, missversteht er Sinn und Zweck der Robe. Durch sie soll der Rechtsanwalt gerade nicht als konkrete Person, sondern als unabhängiges Organ der Rechtspflege aus dem übrigen Teilnehmerkreis hervorgehoben werden. Eine namentliche Kennzeichnung auf der Robe dient diesem Zweck nicht.

18

(2) Das Gebot der Werbefreiheit von Roben gilt, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend erkannt hat, auch für Roben, die von Rechtsanwälten in Gerichtsverhandlungen getragen werden, für die nach § 20 BORA eine Robenpflicht nicht besteht. Die Funktion der Robe ist nicht abhängig von der Pflicht zu ihrer Verwendung. Wird sie von einem Rechtsanwalt vor Gericht ohne Verpflichtung aus freien Stücken getragen, verliert sie hierdurch nicht ihren Zweck und wird nicht zu einem normalen Kleidungsstück. Nach dem maßgeblichen objektivierten Horizont des Betrachters weist der Rechtsanwalt vielmehr auch in Gerichtsverhandlungen ohne Robenpflicht mit dem Anlegen der Robe auf den vorstehend dargestellten Zweck der Robe hin und macht ihn sich zu Eigen. Mit diesem Zweck ist - wie ausgeführt - eine auf der Robe aufgebrachte Werbung nicht zu vereinbaren.

19

(3) Der somit aus § 20 BORA folgenden Werbefreiheit von vor Gericht getragenen Roben stehen nicht § 43b BRAO und § 6 BORA entgegen. Denn auch nach diesen Vorschriften ist eine solche Werbung nicht erlaubt (siehe nachfolgend zu c).

20

(4) Das aus § 20 BORA folgende Verbot von Werbung auf vor Gericht getragenen Roben ist im Hinblick auf die hiermit verbundene Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG; vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 16 ff. mwN zum Schutzbereich von Berufsausübungs- und Meinungsfreiheit im Falle anwaltlicher Werbung), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Einschränkung beider Grundrechte lässt sich mit sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls rechtfertigen. Letztere sind in dem vorstehend unter (1) näher ausgeführten Sinn und Zweck einer vor Gericht getragenen Anwaltsrobe begründet. In Abwägung dieser Belange des Gemeinwohls mit der geringen, mit einem Werbeverbot auf vor Gericht getragenen Roben verbundenen Grundrechtseinschränkung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

21

Eine entsprechende Beschränkung anwaltlicher Werbung ist auch im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36, und hierzu EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 12; BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12, BGHZ 199, 43 Rn. 18, 20 f.).

22

(5) Das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Bestimmtheitsgebot ist gewahrt. Danach ist erforderlich, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. BVerfGE 78, 205, 212; 84, 133, 149; 87, 234, 263; 102, 254, 337). Dies ist schon dann anzunehmen, wenn sich der Regelungsgehalt der Norm im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden feststellen lässt (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 102, 254 aaO; 110, 33, 56 f.; 117, 71, 111 f.; 131, 88, 118 f.; jeweils mwN). Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot wird eingehalten, wenn sich aus der gesetzlichen Regelung und ihrer Zielsetzung richtungsweisende Gesichtspunkte für die - den Gerichten und Verwaltungsbehörden übertragene - Auslegung der in der Norm verwendeten Begriffe ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 1988 - 1 BvR 900/88, juris Rn. 8).

23

Diesen Anforderungen entspricht vorliegend eine Auslegung von § 20 BORA im Sinne eines Verbots von Werbung auf vor Gericht getragenen Anwaltsroben. Der entsprechende Regelungsgehalt lässt sich - wie gezeigt - im Wege der Heranziehung von Sinn und Zweck der Robe feststellen. Aus ihnen ergeben sich richtungsweisende Gesichtspunkte für eine Auslegung der Vorschrift im vorgenannten Sinn.

24

bb) Bei dem Aufdruck auf der Robe des Klägers handelt es sich um Werbung. Insbesondere die Verwendung des Domain-Namens der Homepage des Klägers als Robenaufdruck ist, wie der Anwaltsgerichtshof in dem angefochtenen Urteil und die Beklagte in dem Bescheid vom 26. Mai 2015 zutreffend ausgeführt haben, Werbung. Denn sie zielt darauf ab, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Klägers zu gewinnen (vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 28 mwN; zur Verwendung von Domain-Namen als Werbung vgl. Senat, Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 8/02, NJW 2003, 504; Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 68 f.; Saenger/Riße, MDR 2005, 1381 f.). Keineswegs handelt es sich um die bloße Kenntlichmachung des Klägers im Gerichtssaal. Diese ist schon nicht geboten. Vor allem aber geht die Angabe des Domain-Namens der Homepage des Klägers auf seiner Robe weit über dessen Kenntlichmachung hinaus. Sie verweist auf die Homepage selbst und die dort vorhandenen, selbstdarstellenden Inhalte. Aus der maßgeblichen Sicht des im Gerichtssaal anwesenden Publikums, zu dessen Kenntnisnahme der Aufdruck bestimmt ist, dient die Angabe einer "Internetadresse" als Aufdruck auf einer Robe daher vorrangig nicht der - auch anders zu bewirkenden - Identifizierbarkeit des Trägers der Robe, sondern der Werbung für dessen auf seiner Homepage näher beschriebenen Leistungen. Der Umstand, dass durch den Domain-Namen unter anderem auch die Identifizierung des Trägers der Robe ermöglicht wird, steht dieser Einordnung des Aufdrucks als vorrangig werbend nicht entgegen.

25

c) Der Senat teilt zudem die in dem angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung der Beklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar ist.

26

aa) Das in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; BVerfG, NJW 2004, 2656, 2657; 2015, 1438 Rn. 16 ff.). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (siehe oben b aa (4) zu Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" BVerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993 S. 28; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/7656 S. 48; zum Verbot einer reißerischen und/oder sexualisierenden Werbung auf Tassen durch einen Rechtsanwalt vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail kritisch - von Lewinski in Hartung/Scharmer aaO § 6 BORA Rn. 29; Prütting in Henssler/Prütting aaO § 43b Rn. 30; jeweils mwN; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.).

27

bb) Anwaltliche Werbung ist nicht auf eine bestimmte Form und ein bestimmtes Mittel beschränkt (von Lewinski aaO Rn. 44). Ein vom Rechtsanwalt zur Selbstdarstellung gewähltes Medium kann daher für sich betrachtet nicht die Unzulässigkeit der Werbung begründen (BVerfG, NJW 2003, 3470 mwN; Prütting aaO Rn. 31). Indes ist nach § 43b Abs. 1 BRAO dem Rechtsanwalt nur solche Werbung erlaubt, die nach Form und Inhalt sachlich unterrichtet. Das Sachlichkeitsgebot betrifft nach dem Willen des Gesetzgebers mithin nicht nur den Inhalt der Werbung, sondern auch ihre Methoden (BT-Drucks. 12/4993 und 12/7656, jeweils aaO). Ob es durch eine konkrete Werbung gewahrt wird, lässt sich daher nur aufgrund einer Gesamtschau bewerten, die Inhalt, Ort und Medium der Werbung einbezieht.

28

cc) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b BRAO) werden durch das Tragen einer Robe nach dem Muster des Klägers aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG, NJW 2001, 3324 mwN) in der gebotenen Gesamtbetrachtung des Aufdrucks, seines Trägermediums (Robe) und des Verwendungsortes überschritten. Die entsprechende Beurteilung in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Die im Gerichtssaal getragene Robe ist kein zulässiges Mittel anwaltlicher Werbung (so auch von Lewinski aaO Rn. 44, 69a).

29

Die Angabe des Namens des Klägers und des Domain-Namens seiner Homepage stellt für sich genommen inhaltlich zwar keine unsachliche Werbung dar. Ihre Aufbringung auf einer vor Gericht getragenen Robe verletzt jedoch das Sachlichkeitsgebot der § 43b Abs. 1, § 6 Abs. 1 BORA. Die Robe verkörpert - wie bereits ausgeführt - für alle im Gerichtssaal Anwesenden erkennbar die Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität geprägt ist. Sie dient damit mittelbar auch der Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess und mithin der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienen ebenfalls dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern (vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; BVerfG, NJW 2004, 2656 aaO; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 13; Prütting aaO Rn. 10). Sie sind daher, soweit Werbung auf Roben betroffen ist, auch vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der anwaltlichen Robe auszulegen. Ein Werbeaufdruck stört aber - unabhängig von seinem Inhalt - die Funktion und Wirkung der Robe. In Folge seiner Aufbringung entsteht ein für alle Betrachter ins Auge springendes, nicht auflösbares Spannungsverhältnis zwischen dem Zweck der Robe und den durch sie verkörperten Inhalten und Zielen einerseits und dem Werbezweck des Aufdrucks andererseits. Die Robe verliert in Folge dieser - durch den Aufdruck herbeigeführten - Widersprüchlichkeit ihres Erscheinungsbildes maßgeblich ihre Funktion. Diese zweckentfremdende Wirkung des Werbeaufdrucks begründet einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot der § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA.

30

d) Die berufsrechtliche Unzulässigkeit einer im Gerichtssaal mit Werbeaufdruck getragenen Robe würde durch eine hierauf bezogene sitzungspolizeiliche Gestattung des Vorsitzenden nicht berührt.

II.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Limperg                         Lohmann                         Remmert

                  Schäfer                                Lauer

(1) Soweit dieses Gesetz keine abweichenden Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren enthält, gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Der Anwaltsgerichtshof steht einem Oberverwaltungsgericht gleich; § 112e bleibt unberührt.

(2) Die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter sowie die §§ 35, 36 und 47 der Verwaltungsgerichtsordnung sind nicht anzuwenden. Die Fristen des § 116 Abs. 2 und des § 117 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung betragen jeweils fünf Wochen.

(3) Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage endet abweichend von § 80b der Verwaltungsgerichtsordnung mit der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Der Vorstand hat die ihm durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Ihm obliegen auch die der Rechtsanwaltskammer in diesem Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse. Er hat die Belange der Kammer zu wahren und zu fördern.

(2) Dem Vorstand obliegt insbesondere,

1.
die Mitglieder der Kammer in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren;
2.
auf Antrag bei Streitigkeiten unter den Mitgliedern der Kammer zu vermitteln; dies umfasst die Befugnis, Schlichtungsvorschläge zu unterbreiten;
3.
auf Antrag bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern der Kammer und ihren Auftraggebern zu vermitteln; dies umfasst die Befugnis, Schlichtungsvorschläge zu unterbreiten;
4.
die Erfüllung der den Mitgliedern der Kammer obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben;
5.
Rechtsanwälte für die Ernennung zu Mitgliedern des Anwaltsgerichts und des Anwaltsgerichtshofes vorzuschlagen;
6.
Vorschläge gemäß §§ 107 und 166 der Bundesrechtsanwaltskammer vorzulegen;
7.
der Kammerversammlung über die Verwaltung des Vermögens jährlich Rechnung zu legen;
8.
Gutachten zu erstatten, die eine Landesjustizverwaltung, ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde des Landes anfordert;
9.
bei der Ausbildung und Prüfung der Studierenden und der Referendare mitzuwirken, insbesondere qualifizierte Arbeitsgemeinschaftsleiter und die anwaltlichen Mitglieder der juristischen Prüfungsausschüsse vorzuschlagen.

(3) In Beschwerdeverfahren setzt der Vorstand die Person, die die Beschwerde erhoben hatte von seiner Entscheidung in Kenntnis. Die Mitteilung erfolgt nach Abschluss des Verfahrens einschließlich des Einspruchsverfahrens und ist mit einer kurzen Darstellung der wesentlichen Gründe für die Entscheidung zu versehen. § 76 Absatz 1 bleibt unberührt. Die Mitteilung ist nicht anfechtbar.

(4) Der Vorstand kann die in Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Nr. 1 bis 3 und Absatz 3 bezeichneten Aufgaben einzelnen Mitgliedern des Vorstandes übertragen.

(5) Beantragt bei Streitigkeiten zwischen einem Mitglied der Rechtsanwaltskammer und seinem Auftraggeber der Auftraggeber ein Vermittlungsverfahren, so wird dieses eingeleitet, ohne dass es der Zustimmung des Mitglieds bedarf. Ein Schlichtungsvorschlag ist nur verbindlich, wenn er von beiden Seiten angenommen wird.

(1) Soweit dieses Gesetz keine abweichenden Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren enthält, gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Der Anwaltsgerichtshof steht einem Oberverwaltungsgericht gleich; § 112e bleibt unberührt.

(2) Die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter sowie die §§ 35, 36 und 47 der Verwaltungsgerichtsordnung sind nicht anzuwenden. Die Fristen des § 116 Abs. 2 und des § 117 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung betragen jeweils fünf Wochen.

(3) Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage endet abweichend von § 80b der Verwaltungsgerichtsordnung mit der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 2015 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 4.750 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beklagte forderte den Kläger nach Erhalt einer Mitteilung der A.      Versicherung AG mit Schreiben vom 23. Januar 2015 auf, durch Vorlage einer Bescheinigung seines Versicherers nachzuweisen, dass Versicherungsschutz gemäß § 51 BRAO bestehe. Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 bestätigte die A.      Versicherung AG, dass das Beitragskonto des Klägers ausgeglichen sei, jedoch für den Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 eine Versicherungslücke bestehe. Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger auf, bis zum 23. Februar 2015 den Nachweis zu erbringen, dass die vorgenannte Versicherungslücke geschlossen sei. Mit Schreiben vom 2. April 2015 bestätigte die A. Versicherung AG, dass die Versicherungslücke nicht mehr bestehe.

2

Die Generalstaatsanwaltschaft D.       leitete auf den Antrag der Beklagten vom 12. August 2015 ein anwaltsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts der Verletzung der Berufspflichten aus §§ 43, 51 BRAO ein.

3

Der Kläger hat gegen die Beklagte Klage erhoben, zuletzt mit dem Antrag festzustellen, dass für den Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 keine Lücke im Versicherungsschutz seiner anwaltlichen Berufshaftpflichtversicherung bestanden habe und kein Verstoß gegen § 51 BRAO vorliege. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage als unzulässig verworfen, da es an einem Feststellungsinteresse des Klägers fehle. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

4

Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

5

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

6

Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, NJW 2009, 3642; BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 3; vgl. ferner BVerwG, NVwZ-RR 2004, 542, 543; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 112e BRAO Rn. 77).

7

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht ein Feststellungsinteresse des Klägers verneint. Feststellungsanträge sind im Verfahren der Anwaltsgerichtsbarkeit nach Änderung des Verfahrensrechts zum 1. September 2009 und mit Wegfall der §§ 39 ff., 223 BRAO nicht mehr grundsätzlich unzulässig (vgl. zur früheren Rechtslage Senat, Beschluss vom 6. November 2000 - AnwZ (B) 3/00, NJW 2001, 1572, 1573 mwN). Die Zulässigkeit einer Feststellungsklage erfordert jedoch nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 VwGO, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung hat. Ein solches Interesse schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein (vgl. nur BVerwG, NJW 1996, 2046, 2048; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 43 Rn. 23).

8

Der Anwaltsgerichtshof hat ein Feststellungsinteresse des Klägers im Hinblick auf die Einleitung des Verfahrens durch die Generalstaatsanwaltschaft, in dem sich der Kläger einlassen und seine Rechte wahren könne, verneint. Demgegenüber vertritt der Kläger die Auffassung, das anwaltsrechtliche Ermittlungsverfahren sei nicht geeignet, eine erschöpfende Regelung zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens zu der streitigen Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer Versicherungslücke im Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 herbeizuführen. Es gebe auch keinen rechtskräftigen Bescheid, in dem diese Frage und damit die Frage des Verstoßes gegen § 51 BRAO bereits entschieden worden sei.

9

Damit hat der Kläger ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO nicht dargetan.

10

a) Die vorgenannte Versicherungslücke und der mit ihr einhergehende Verstoß gegen § 51 BRAO ist zwischen den Parteien ausschließlich im Rahmen der Wahrnehmung der dem Vorstand der Beklagten nach § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO obliegenden Aufgaben der Berufsaufsicht und der Handhabung des Rügerechts von Bedeutung. Dementsprechend könnte ein Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung allenfalls im Rahmen des von der Beklagten eingeleiteten Aufsichtsverfahrens bestehen. Zwar darf der Vorstand der Beklagten nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BRAO keine Rüge mehr erteilen, wenn das anwaltsgerichtliche Verfahren eingeleitet ist. Das Rügerecht erlischt durch diese Einleitung und lebt auch nicht mehr auf, wenn das anwaltsgerichtliche Verfahren eingestellt oder der Beschuldigte freigesprochen wird (Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 74 BRAO Rn. 20). Indes ist vorliegend noch nicht gemäß § 121 BRAO ein anwaltsgerichtliches Verfahren eingeleitet worden. Es ist vielmehr denkbar, dass die Generalstaatsanwaltschaft beim Anwaltsgericht keine Anschuldigungsschrift einreicht, sondern das Verfahren an den Vorstand der Beklagten zur Entscheidung zurückgibt (vgl. Lauda aaO Rn. 19). Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass das Aufsichtsverfahren von der Beklagten fortgeführt wird.

11

b) Ein berechtigtes Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung wird hierdurch jedoch nicht begründet. Denn er kann seine von dem Aufsichtsverfahren betroffenen Rechte in vollem Umfang innerhalb dieses Verfahrens wahren. Einer gesonderten Feststellung mit dem von ihm begehrten Inhalt bedarf es hierzu nicht. Zwar kann ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO im Hinblick auf zu erwartende Sanktionen gegeben sein (vgl. Deckenbrock in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 112c Rn. 12; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 43 Rn. 23 mwN; Pietzcker in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 43 [Stand: Oktober 2008] Rn. 34). Dies ist etwa anzunehmen, wenn es dem Betroffenen im Einzelfall nicht zuzumuten ist, sich auf sein Risiko berufsrechtlich relevant in einer bestimmten Weise zu verhalten und die Klärung der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens in einem ihm wegen dieses Verhaltens drohenden nachfolgenden Disziplinar- oder Strafverfahren abzuwarten (vgl. hierzu BVerwG, NJW 1976, 1224, 1226; BVerwG, Urteil vom 13. Januar 1969 - I C 86.64, juris Rn. 19; BVerwGE 89, 327, 331: "Damokles-Rechtsprechung").

12

Eine derartige Situation liegt jedoch nicht vor. Gegenstand des zwischen den Parteien bestehenden Streits ist die Frage, ob im Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 eine Versicherungslücke bestanden und der Kläger deshalb gegen § 51 BRAO verstoßen hat. Betroffen ist damit ausschließlich ein in der Vergangenheit liegender, abgeschlossener Sachverhalt. Der Kläger unterliegt nicht dem Risiko und der Unsicherheit, unter dem "Damokles-Schwert" der berufsrechtlichen Sanktionierung ein Verhalten zu beginnen oder fortzusetzen, das möglicherweise von der Beklagten als berufsrechtswidrig bewertet und gerügt werden wird. Er kann, da der berufsrechtlich relevante Sachverhalt bereits abgeschlossen ist, sein Verhalten auch nicht mehr an dem Ergebnis eines Feststellungsrechtsstreits ausrichten und damit eine - ihm gegebenenfalls nicht zumutbare - Verhaltensunsicherheit beseitigen. Vielmehr kann er seine Rechte in vollem Umfang in dem von der Beklagten eingeleiteten Aufsichtsverfahren beziehungsweise in einem gegen eine etwaige aufsichtsrechtliche Maßnahme der Beklagten geführten Anfechtungsprozess wahren. Ein Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung ist vor diesem Hintergrund nicht gegeben.

13

2. Aus den vorgenannten Gründen hat die Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung noch weist sie besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2, 3 VwGO). Der Sachverhalt ist übersichtlich; die Rechtslage ist eindeutig und nicht klärungsbedürftig.

III.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert wird in Übereinstimmung mit der Festsetzung durch den Anwaltsgerichtshof und den Angaben des Klägers gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG auf 4.750 € festgesetzt.

Kayser                           Bünger                           Remmert

                  Quaas                            Schäfer

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 13. Mai 2013 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als der Hilfsantrag des Klägers abgewiesen worden ist.

Es wird festgestellt, dass es sich bei dem von der D.                    Gesellschaft für Aus- und Fortbildung sowie Serviceleistungen mbH am 22. Juni 2012 veranstalteten Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" um eine anwaltliche Fortbildungsveranstaltung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 der Fachanwaltsordnung für das Fachgebiet Verkehrsrecht handelt.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 7.500 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Seit dem 28. Juli 2011 darf er die Bezeichnung "Fachanwalt für Verkehrsrecht" führen. Am 22. Juni 2012 besuchte der Kläger ein sechsstündiges Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik". Unter dem 27. Juni 2012 reichte er die dieses Seminar betreffende Teilnahmebestätigung bei der Beklagten ein und bat um Bestätigung, dass er seiner Fortbildungsverpflichtung für das Jahr 2012 nachgekommen sei. Die Beklagte antwortete, es handele sich um ein allgemeines Seminar ohne besonderen Bezug zum Fachgebiet "Verkehrsrecht". Im folgenden Schriftverkehr stellte die Beklagte sich auf den Standpunkt, ihre Auskunft sei nicht rechtsbehelfsfähig. Ob der Kläger seine Fortbildungsverpflichtung erfüllt habe, werde abschließend erst im Verfahren über den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung wegen Verletzung der Fortbildungspflicht entschieden. Nachdem der Kläger anwaltlichen Beistand in Anspruch genommen und eine Klage, gegebenenfalls auch einen Antrag auf Eilrechtsschutz angekündigt hatte, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 ab, sich zu verpflichten, bis zum Abschluss des zu erwartenden Rechtsstreits von der Einleitung eines Verfahrens auf Rücknahme der Erlaubnis zur Führung des Fachanwaltstitels abzusehen; nach ständiger Übung der Kammer könne die versäumte Fortbildung jedoch ohne Angabe von Gründen bis zum 31. März 2013 nachgeholt werden. Unabhängig hiervon könnten die im Jahr 2013 absolvierten Fortbildungen vorläufig - bis zu einer gerichtlichen Entscheidung - auf die fehlenden sechs Fortbildungsstunden für das Jahr 2012 angerechnet werden. In einem weiteren Schreiben vom 24. Januar 2013 heißt es, die Fortbildungspflicht sei während des laufenden Rechtsstreits nicht suspendiert. Wenn der Kläger bis zum 30. November 2013 keine anerkennungsfähigen Fortbildungsnachweise einreichen werde, werde über einen Widerruf der Befugnis entschieden werden.

2

Der Kläger will erreichen, dass das Seminar, welches hinreichende Bezüge zum Fachgebiet "Verkehrsrecht" aufgewiesen habe, als Fortbildungsnachweis für das Jahr 2012 anerkannt wird. Er hat gemeint, Anspruch auf Anerkennung in Form eines Verwaltungsaktes zu haben, wobei sich die erforderliche Ermächtigungsgrundlage aus § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 1 FAO ergebe. Hilfsweise möge die Anerkennungsfähigkeit festgestellt werden. Das Feststellungsinteresse folge daraus, dass er sein künftiges Verhalten an der begehrten Feststellung ausrichten wolle. Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verpflichten, die von der D.                Gesellschaft für Aus- und Fortbildung sowie Serviceleistungen mbH ausgestellte Bestätigung über die Teilnahme des Klägers an dem Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" am 22. Juni 2012 als Fortbildungsnachweis im Sinne des § 15 Abs. 3 der Fachanwaltsordnung für das Fachgebiet Verkehrsrecht anzuerkennen;

2. hilfsweise festzustellen, dass es sich bei dem von der D.               Gesellschaft für Aus- und Fortbildung sowie Serviceleistungen mbH am 22. Juni 2012 veranstalteten Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" um eine anwaltliche Fortbildungsveranstaltung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 der Fachanwaltsordnung für das Fachgebiet Verkehrsrecht handelt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

3

Sie hat die Klage insgesamt für unzulässig gehalten, weil dem Kläger derzeit kein Widerruf der Erlaubnis zum Führen des Fachanwaltstitels drohe.

4

Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, außerhalb eines Widerrufsverfahrens durch selbständigen Verwaltungsakt über die Anerkennungsfähigkeit von Fortbildungsveranstaltungen und über die Erfüllung der Fortbildungspflicht zu entscheiden. Die Klage könne nicht in eine Anfechtungsklage umgedeutet werden, weil die von der Beklagten erteilte Auskunft kein Verwaltungsakt sei; sie stelle weder eine Belehrung noch eine Rüge dar. Der Hilfsantrag sei als Feststellungsantrag zulässig, aber nicht begründet. Ob ein allgemeiner Bezug zum Fachgebiet ausreiche oder ob sich die Fortbildung speziell auf ein Thema oder Gebiet des § 14d FAO beziehen müsse, könne offenbleiben. Ein Bezug zum Fachgebiet Verkehrsrecht, insbesondere zum Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht und zu den Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung im Verkehrsrecht könne durchaus hergestellt werden. Das Seminar habe jedoch nur Grundkenntnisse allgemeiner Art vermittelt.

5

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen und beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 13. Mai 2013, Az. BayAGH I – 28/12,

1. die Beklagte zu verpflichten, die von der D.               Gesellschaft für Aus- und Fortbildung sowie Serviceleistungen mbH ausgestellte Bestätigung über die Teilnahme des Klägers an dem Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" am 22. Juni 2012 als Fortbildungsnachweis im Sinne des § 15 Abs. 3 der Fachanwaltsordnung für das Fachgebiet Verkehrsrecht anzuerkennen;

2. hilfsweise festzustellen, dass es sich bei dem von der D.               Gesellschaft für Aus- und Fortbildung sowie Serviceleistungen mbH am 22. Juni 2012 veranstalteten Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" um eine anwaltliche Fortbildungsveranstaltung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 der Fachanwaltsordnung für das Fachgebiet Verkehrsrecht handelt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

6

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

7

Die Berufung führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Verurteilung der Beklagten nach dem Hilfsantrag des Klägers.

8

1. Der Hauptantrag bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes des Inhalts, dass die Bescheinigung des Anbieters des Seminars "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" am 22. Juni 2012 als Fortbildungsnachweis im Sinne des § 15 FAO für das Fachgebiet Verkehrsrecht anerkannt wird. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Gründe der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 112e Satz 2 BRAO, § 130b Satz 2 VwGO). Hinsichtlich des Berufungsvorbringens des Klägers ist ergänzend folgendes auszuführen:

9

a) Weder die Vorschrift des § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO noch diejenige des § 15 Satz 1 und 3 FAO in der hier anwendbaren Fassung vom 1. Juli 2009 ermächtigen die zuständige Rechtsanwaltskammer, im Wege des Verwaltungsaktes abschließend über die Eignung einer Fortbildungsveranstaltung zur Erfüllung der Fortbildungspflicht zu entscheiden. In beiden genannten Vorschriften ist von einer selbständigen Entscheidung über die Anerkennung nicht die Rede. Die Vorschrift des § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO ermächtigt die Kammer, nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen die Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung zu widerrufen, wenn die in der Fachanwaltsordnung vorgeschriebene Fortbildung unterblieben ist. § 15 FAO regelt die Anforderungen an die Fortbildung, die einem Fachanwalt obliegt. Das einzuhaltende Verfahren ergibt sich aus den §§ 17 ff., 25 FAO. Nach § 25 Abs. 2 und 3 FAO ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit Kenntnis des Vorstandes von den sie rechtfertigenden Tatsachen zulässig. Vor der Entscheidung ist der Rechtsanwalt zu hören. Der Widerrufsbescheid ist mit Gründen zu versehen und dem Rechtsanwalt zuzustellen. Danach wird die Kammer erstmals nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres mit der Frage des Widerrufs befasst und hat innerhalb dieses Folgejahres eine Entscheidung zu treffen. Damit wäre auch dem Interesse des Rechtsanwalts an Rechtsklarheit Genüge getan.

10

b) Nach gefestigter Senatsrechtsprechung hat die Kammer bei der Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens über die Widerrufsentscheidung allerdings gegebenenfalls auch nach Ablauf des maßgeblichen Kalenderjahres eingetretene Umstände zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 26. November 2012 - AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175 Rn. 8 f.; vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 10; Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, AnwBl. 2014, 755 Rn. 10). Da die Jahresfrist, innerhalb derer der Widerruf zu erfolgen hat, erst mit Kenntnis aller maßgebenden Umstände beginnt (§ 25 Abs. 2 FAO; vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 37/00, NJW 2001, 1945 f.), kann sich ein längerer Zeitraum der Unsicherheit ergeben. Das liegt jedoch an der Ausgestaltung der Widerrufsentscheidung als Ermessensentscheidung. Der Tatbestand der Erfüllung oder der Nichterfüllung steht nach wie vor mit Ablauf des Kalenderjahres fest (BGH, Urteil vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 10; Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, AnwBl. 2014, 755 Rn. 9). Der Satzungsgeber hat die zitierte, immerhin aus dem Jahr 2001 stammende Rechtsprechung nicht zum Anlass genommen, ein gesondertes, auf die Erfüllung oder Nichterfüllung der Fortbildungsobliegenheit bezogenes und dem Widerrufsverfahren vorgeschaltetes Feststellungsverfahren einzuführen. Erst recht hat er kein Verfahren vorgesehen, welches eine verbindliche Entscheidung über die Erfüllung oder Nichterfüllung der Fortbildungsobliegenheit bereits innerhalb des laufenden Kalenderjahres und damit so rechtzeitig ermöglicht, dass etwa nicht anerkannte Fortbildungen noch rechtzeitig nachgeholt werden können. Da die erstmalige Verletzung der Fortbildungspflicht nicht zwingend zu einem Widerruf führt und eine überobligationsmäßige Fortbildung im folgenden Jahr bei Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens ein Absehen vom Widerruf der Erlaubnis zur Folge haben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, AnwBl. 2014, 755 Rn. 10), ist eine derartige Regelung auch nicht zwingend zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen des Fachanwalts am Fortbestand der Erlaubnis erforderlich.

11

c) Entgegen der Ansicht der Berufung ist die Ermächtigungsgrundlage nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger den Erlass eines für ihn günstigen Verwaltungsaktes begehrt. Wenn die Kammer auf Antrag oder von Amts wegen über die Eignung einer Fortbildungsveranstaltung zu befinden hätte, könnte die Entscheidung positiv oder abschlägig ausfallen. Die Schreiben der Beklagten, in welchen diese eine Anerkennung der Fortbildungsanträge ablehnte, stellen nach Form und Inhalt keine Verwaltungsakte (§ 35 VwVfG) dar. Anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger zitierten Entscheidung BVerwGE 140, 256 Rn. 25. In dieser Entscheidung ging es um eine Vorschrift, die den Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes ausdrücklich vorsah. Das Bundesverwaltungsgericht hat also nicht angenommen, dass der feststellende Verwaltungsakt keiner rechtlichen Grundlage bedurfte, sondern umgekehrt ausgeführt, das angestrebte Ziel - die Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis - könne im Wege eines (in der Verordnung vorgesehenen) feststellenden Verwaltungsaktes oder aber im Wege der Feststellungsklage der gerichtlichen Feststellung erreicht werden. Im Fall, welcher der Entscheidung BVerwGE 117, 133, 134 zugrunde lag, war die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes immerhin dem Gesetz im Wege der Auslegung zu entnehmen.

12

2. Der hilfsweise geltend gemachte Feststellungsantrag hat demgegenüber Erfolg.

13

a) Der Antrag ist zulässig. Feststellungsanträge sind im Verfahren der Anwaltsgerichtsbarkeit seit der Änderung des Verfahrensrechts zum 1. September 2009 und dem damit verbundenen Wegfall der Vorschriften der §§ 39 ff., 223 BRAO a.F. nicht mehr grundsätzlich unzulässig (BGH, Beschluss vom 24. Februar 2016 - AnwZ (Brfg) 62/15, juris Rn. 7). Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 VwGO).

14

aa) Das erforderliche konkrete Rechtsverhältnis zwischen den Parteien folgt aus der bereits zitierten Vorschrift des § 15 FAO in der hier maßgeblichen Fassung vom 1. Juli 2009, nach welcher der Kläger sich im Jahr 2012 fortzubilden und die Fortbildung unaufgefordert der Beklagten nachzuweisen hatte.

15

bb) Auch ein Feststellungsinteresse kann nicht verneint werden. Die Frage, ob das vom Kläger im Jahre 2012 besuchte Seminar als Fortbildungsveranstaltung im Sinne von § 15 FAO für einen Fachanwalt für Verkehrsrecht anzusehen ist, ist zwar in erster Linie eine Vorfrage für die Entscheidung der Beklagten über die Frage des Widerrufs der Befugnis, den Titel eines Fachanwalts für Verkehrsrecht zu führen. Hätte die Beklagte - wie es möglicherweise der Absicht der Satzungsversammlung entsprach, nach deren Vorstellung wohl bereits die einmalige Nichterfüllung der Fortbildungs- und Nachweispflicht einen Widerruf der Fachanwaltserlaubnis nach sich ziehen sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 37/00, NJW 2001, 1945 mwN) - unverzüglich nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres eine gebundene Entscheidung über den Widerruf zu treffen, ließe sich ein schutzwürdiges Interesse an einer dem Streit über den Widerruf vorgelagerten verbindlichen Feststellung schwerlich bejahen.

16

Es handelt sich jedoch nicht um eine gebundene Entscheidung, sondern um eine Ermessensentscheidung. Bei der Ausübung des Ermessens kann auch eine nachträgliche überobligationsmäßige Fortbildung im folgenden Kalenderjahr zu berücksichtigen sein (BGH, Urteil vom 26. November 2012 - AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175 Rn. 8 f.; vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 10; Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, AnwBl. 2014, 755 Rn. 10). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat die Beklagte eigener Darstellung nach die in den Folgejahren vorgelegten Nachweise jeweils auf die älteste ihrer Ansicht nach noch offene Fortbildungsobliegenheit angerechnet. Solange der Kläger seiner Fortbildungsobliegenheit nachkommt, hat sie bei dieser Vorgehensweise keinen Anlass, ein Widerrufsverfahren im Hinblick auf das Jahr 2012 einzuleiten. Der Kläger könnte sich damit zufrieden geben und sich bis zum Ende seines Berufslebens nach Maßgabe des § 15 FAO fortbilden. Er liefe dann jedoch Gefahr, dass eine künftige Nichterfüllung der jährlichen Fortbildungsobliegenheit - sei sie auf Meinungsverschiedenheiten über die Eignung eines Seminars, sei sie auf unverschuldete Unmöglichkeit der Teilnahme an einem zweifelsfrei geeigneten Seminar zurückzuführen - als Wiederholungsfall eingestuft würde, was Auswirkungen auf die Ausübung des Ermessens im Widerrufsverfahren hätte. Gegebenenfalls würde die Eignung des Seminars vom 22. Juni 2012 viele Jahre später beurteilt werden müssen. Aufgrund dieser besonderen Vorgehensweise der Beklagten kennt der Kläger - der sich ja grundsätzlich rechtstreu verhalten will - auf Dauer den Umfang seiner Fortbildungsobliegenheit nicht. Darauf, dass die Fortbildung für das Jahr 2012 schon lange nicht mehr nachgeholt werden kann, kommt es nicht an. Der Streit über die Eignung des Seminars ist nicht nur im Hinblick auf künftige Ermessensentscheidungen von Bedeutung, was der Senat - allerdings unter der Geltung des alten Verfahrensrechts - nicht für ausreichend erachtet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 38/05, NJW 2006, 2926 f.). Diese andauernde Unsicherheit lässt sich für den Kläger nur durch die begehrte Feststellung beseitigen.

17

b) Der Antrag ist auch begründet. Das Seminar vom 22. Juni 2012 genügte den Anforderungen, die an eine anwaltliche Fortbildungsveranstaltung auf dem Fachgebiet "Verkehrsrecht" zu stellen sind.

18

aa) Die hier maßgebliche Vorschrift des § 15 Satz 1 FAO in der Fassung vom 1. Juli 2009 sah vor, dass der Fachanwalt an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung auf seinem Fachgebiet teilzunehmen hatte. Die Beifügung "auf diesem Gebiet" kann sprachlich auch allein auf die Fortbildungsform des wissenschaftlichen Publizierens bezogen werden. Zwingend ist dies jedoch nicht. In der ersten Fassung des § 15 FAO vom 1. September 1999 hieß es, der eine Fachanwaltsbezeichnung führende Rechtsanwalt müsse "auf diesem Fachgebiet" jährlich an einer Fortbildungsveranstaltung teilnehmen. Durch die Einfügung des wissenschaftlichen Publizierens als weitere Fortbildungsart durch § 15 FAO in der Fassung vom 1. Januar 2003, die zu der geschilderten sprachlichen Unklarheit geführt hat, sollten jedoch die Anforderungen an die "Fortbildungsveranstaltung" nicht verändert werden; jedenfalls gibt es hierfür keine Anhaltspunkte (vgl. Möller, NJW 2014, 2758, 2760). Die seit dem 1. Januar 2015 geltende Fassung des § 15 sieht dementsprechend vor, dass der Fachanwalt an "fachspezifischen der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen" hörend oder dozierend teilzunehmen habe. Dass die Fortbildungsveranstaltung i.S.v. § 15 FAO einen Bezug zum Fachgebiet des jeweiligen Fachanwalts aufweisen muss, wird von den Parteien auch nicht in Zweifel gezogen. Welche Bereiche zum Fachgebiet "Verkehrsrecht" gehörten, ist der Vorschrift des § 14d FAO zu entnehmen.

19

Weitere Anforderungen an eine den Anforderungen des § 15 FAO genügende Fortbildungsveranstaltung ergeben sich aus dem Zusammenspiel des § 15 FAO mit anderen Vorschriften der Fachanwaltsordnung und der Bundesrechtsanwaltsordnung. Auszugehen ist von § 43c Abs. 1 BRAO. Nach dieser Vorschrift wird die Befugnis, eine Fachanwaltsbezeichnung zu führen, nur einem solchen Rechtsanwalt verliehen, der besondere Kenntnisse und Erfahrungen in einem Rechtsgebiet erworben hat. Die satzungsrechtlichen Vorschriften, welche die Voraussetzungen der Verleihung der Fachanwaltsbezeichnungen betreffen (§§ 2 ff. FAO), nehmen diese Formulierung auf. Der Anwärter muss danach besondere theoretische Kenntnisse auf dem jeweiligen Gebiet nachweisen (§ 4 FAO) und besondere praktische Erfahrungen auf ihm gesammelt haben (§ 6 FAO).

20

An die Pflichtfortbildung können keine geringeren Anforderungen gestellt werden. Sie muss besondere Kenntnisse vermitteln. Es kann nicht darum gehen, den (erneuten) Erwerb von Grundlagenkenntnissen nachzuweisen, die bei jedem Anwalt vorausgesetzt werden können. Die Fortbildung nach § 15 FAO dient vielmehr dem Aufbau, der Vertiefung und der Aktualisierung der bereits vorhandenen besonderen Kenntnisse des Fachanwalts (vgl. Vossebürger in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 15 FAO Rn. 4a; Quaas in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 15 FAO Rn. 14). Nur diese Auslegung wird auch dem Ziel des § 15 FAO gerecht. Die Vorschrift soll erreichen, dass der Fachanwalt nicht nur bei Erwerb des Fachanwaltstitels über besondere theoretische Kenntnisse und praktischen Erfahrungen auf seinem Fachgebiet verfügt, sondern auch später und dauerhaft. Sie dient damit der Qualitätssicherung (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 37/00, NJW 2001, 1945, 1946). Dadurch wird das rechtsuchende Publikum geschützt, welches auf den Fachanwaltstitel vertraut, ohne zu wissen, wann dieser verliehen worden ist. Zugleich soll ein einheitlicher Qualitätsstandard aller Fachanwälte gesichert werden (Quaas in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 15 FAO Rn. 8).

21

bb) Das Seminar, welches der Kläger am 22. Juni 2012 besucht hat, entsprach diesen Anforderungen.

22

(1) Das Seminar kann den Bereichen "Verkehrszivilrecht" (§ 14d Nr. 1 FAO), "Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht" (§ 14d Nr. 3 FAO) und "Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung" (§ 14d Nr. 5 FAO) des Fachgebiets "Verkehrsrecht" zugeordnet werden. Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik können allerdings durchaus auch in anderen Fachgebieten von Bedeutung sein. Die Beklagte verweist zutreffend darauf, dass jeder forensisch tätige Rechtsanwalt vom Besuch eines derartigen Seminars profitieren könnte. Dieser Umstand allein schließt die Eignung des Seminars zur Pflichtfortbildung eines Fachanwalts jedoch nicht aus. Fachanwaltsfortbildungen dürfen mehr als ein Fachgebiet betreffen, wenn sie Fachwissen behandeln, welches auf mehr als einem Gebiet von Bedeutung ist (vgl. etwa Offermann-Burckart, Fachanwalt werden und bleiben, 3. Aufl. Rn. 1348; Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 5. Aufl., § 15 FAO Rn. 60). Die besondere Bedeutung der Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik für das Fachgebiet "Verkehrsrecht" erschließt sich ohne weiteres daraus, dass sich die Ereignisse, welchen den Fällen dieses Fachgebiets zugrunde liegen, durchweg in der Öffentlichkeit, nämlich im Straßenverkehr abspielen und überdurchschnittlich häufig von zunächst unbeteiligten Personen, die dann als Zeugen in Betracht kommen, wahrgenommen werden. In diesem Punkt unterscheidet sich das Verkehrsrecht von anderen Fachgebieten, etwa denjenigen, in denen es um Vertragsrecht geht; hier steht häufig eher die Auslegung der Verträge im Zentrum des Rechtsstreits. Einer der Schwerpunkte des fraglichen Seminars lag folgerichtig auf dem Gebiet des Verkehrsrechts. Der Referent hat in seiner als Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 14. August 2013 überreichten Stellungnahme erklärt, vor allem Fälle und Beispiele aus den Bereichen Straf-, Verkehrs-, Familien-, Versicherungs- und Baurecht behandelt zu haben. Insofern handelt es sich auch nicht um ein bloßes Querschnittsseminar ohne spezifischen Bezug zum Verkehrsrecht.

23

(2) Entgegen der Ansicht des Anwaltsgerichtshofs vermittelte das Seminar auch nicht nur Grundkenntnisse, die bei jedem forensisch tätigen Rechtsanwalt vorausgesetzt werden können. Die ausweislich der überreichten Unterlagen und der ergänzenden Stellungnahme des Referenten im Seminar vermittelten Grundlagen der Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik sind von den im Studium und Referendariat vermittelten juristischen Grundkenntnissen zu unterscheiden, welche eine Fachanwaltsbezeichnung nicht zu rechtfertigen vermögen. Die schriftlichen Unterlagen, welche der Anwaltsgerichtshof für unzulänglich hielt, enthielten den Angaben des Referenten zufolge zudem nur das Grundlagenwissen, welches im Seminar vorausgesetzt und auf welchem aufgebaut wurde. Dass ein Skript von 29 Seiten nicht ausreicht, um ein sechsstündiges Seminar zu bestreiten, liegt auf der Hand. Ein Rechtsanwalt, der die Grundlagen der Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik beherrscht, wird überdies den auf diesem Gebiet nicht besonders geschulten Rechtsanwälten regelmäßig überlegen sein. Dies rechtfertigt jedenfalls dann die (weitere) Führung einer Fachanwaltsbezeichnung, wenn es - wie hier - um einen Fachbereich geht, in denen die Sachverhaltsermittlung durch Zeugenbeweis typischerweise von besonderer Bedeutung ist. Dass die hier in Frage stehende Fortbildung nicht alle Bereiche des Fachgebiets "Verkehrsrecht" ausschöpft, steht ihrer Anerkennung nicht entgegen.

24

3. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 155 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert wurde nach § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 GKG festgesetzt.

Limperg                          Lohmann                              Remmert

                   Braeuer                                Merk

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 2015 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 4.750 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beklagte forderte den Kläger nach Erhalt einer Mitteilung der A.      Versicherung AG mit Schreiben vom 23. Januar 2015 auf, durch Vorlage einer Bescheinigung seines Versicherers nachzuweisen, dass Versicherungsschutz gemäß § 51 BRAO bestehe. Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 bestätigte die A.      Versicherung AG, dass das Beitragskonto des Klägers ausgeglichen sei, jedoch für den Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 eine Versicherungslücke bestehe. Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger auf, bis zum 23. Februar 2015 den Nachweis zu erbringen, dass die vorgenannte Versicherungslücke geschlossen sei. Mit Schreiben vom 2. April 2015 bestätigte die A. Versicherung AG, dass die Versicherungslücke nicht mehr bestehe.

2

Die Generalstaatsanwaltschaft D.       leitete auf den Antrag der Beklagten vom 12. August 2015 ein anwaltsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts der Verletzung der Berufspflichten aus §§ 43, 51 BRAO ein.

3

Der Kläger hat gegen die Beklagte Klage erhoben, zuletzt mit dem Antrag festzustellen, dass für den Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 keine Lücke im Versicherungsschutz seiner anwaltlichen Berufshaftpflichtversicherung bestanden habe und kein Verstoß gegen § 51 BRAO vorliege. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage als unzulässig verworfen, da es an einem Feststellungsinteresse des Klägers fehle. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

4

Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

5

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

6

Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, NJW 2009, 3642; BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 3; vgl. ferner BVerwG, NVwZ-RR 2004, 542, 543; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 112e BRAO Rn. 77).

7

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht ein Feststellungsinteresse des Klägers verneint. Feststellungsanträge sind im Verfahren der Anwaltsgerichtsbarkeit nach Änderung des Verfahrensrechts zum 1. September 2009 und mit Wegfall der §§ 39 ff., 223 BRAO nicht mehr grundsätzlich unzulässig (vgl. zur früheren Rechtslage Senat, Beschluss vom 6. November 2000 - AnwZ (B) 3/00, NJW 2001, 1572, 1573 mwN). Die Zulässigkeit einer Feststellungsklage erfordert jedoch nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 VwGO, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung hat. Ein solches Interesse schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein (vgl. nur BVerwG, NJW 1996, 2046, 2048; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 43 Rn. 23).

8

Der Anwaltsgerichtshof hat ein Feststellungsinteresse des Klägers im Hinblick auf die Einleitung des Verfahrens durch die Generalstaatsanwaltschaft, in dem sich der Kläger einlassen und seine Rechte wahren könne, verneint. Demgegenüber vertritt der Kläger die Auffassung, das anwaltsrechtliche Ermittlungsverfahren sei nicht geeignet, eine erschöpfende Regelung zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens zu der streitigen Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer Versicherungslücke im Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 herbeizuführen. Es gebe auch keinen rechtskräftigen Bescheid, in dem diese Frage und damit die Frage des Verstoßes gegen § 51 BRAO bereits entschieden worden sei.

9

Damit hat der Kläger ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO nicht dargetan.

10

a) Die vorgenannte Versicherungslücke und der mit ihr einhergehende Verstoß gegen § 51 BRAO ist zwischen den Parteien ausschließlich im Rahmen der Wahrnehmung der dem Vorstand der Beklagten nach § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO obliegenden Aufgaben der Berufsaufsicht und der Handhabung des Rügerechts von Bedeutung. Dementsprechend könnte ein Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung allenfalls im Rahmen des von der Beklagten eingeleiteten Aufsichtsverfahrens bestehen. Zwar darf der Vorstand der Beklagten nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BRAO keine Rüge mehr erteilen, wenn das anwaltsgerichtliche Verfahren eingeleitet ist. Das Rügerecht erlischt durch diese Einleitung und lebt auch nicht mehr auf, wenn das anwaltsgerichtliche Verfahren eingestellt oder der Beschuldigte freigesprochen wird (Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 74 BRAO Rn. 20). Indes ist vorliegend noch nicht gemäß § 121 BRAO ein anwaltsgerichtliches Verfahren eingeleitet worden. Es ist vielmehr denkbar, dass die Generalstaatsanwaltschaft beim Anwaltsgericht keine Anschuldigungsschrift einreicht, sondern das Verfahren an den Vorstand der Beklagten zur Entscheidung zurückgibt (vgl. Lauda aaO Rn. 19). Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass das Aufsichtsverfahren von der Beklagten fortgeführt wird.

11

b) Ein berechtigtes Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung wird hierdurch jedoch nicht begründet. Denn er kann seine von dem Aufsichtsverfahren betroffenen Rechte in vollem Umfang innerhalb dieses Verfahrens wahren. Einer gesonderten Feststellung mit dem von ihm begehrten Inhalt bedarf es hierzu nicht. Zwar kann ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO im Hinblick auf zu erwartende Sanktionen gegeben sein (vgl. Deckenbrock in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 112c Rn. 12; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 43 Rn. 23 mwN; Pietzcker in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 43 [Stand: Oktober 2008] Rn. 34). Dies ist etwa anzunehmen, wenn es dem Betroffenen im Einzelfall nicht zuzumuten ist, sich auf sein Risiko berufsrechtlich relevant in einer bestimmten Weise zu verhalten und die Klärung der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens in einem ihm wegen dieses Verhaltens drohenden nachfolgenden Disziplinar- oder Strafverfahren abzuwarten (vgl. hierzu BVerwG, NJW 1976, 1224, 1226; BVerwG, Urteil vom 13. Januar 1969 - I C 86.64, juris Rn. 19; BVerwGE 89, 327, 331: "Damokles-Rechtsprechung").

12

Eine derartige Situation liegt jedoch nicht vor. Gegenstand des zwischen den Parteien bestehenden Streits ist die Frage, ob im Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 eine Versicherungslücke bestanden und der Kläger deshalb gegen § 51 BRAO verstoßen hat. Betroffen ist damit ausschließlich ein in der Vergangenheit liegender, abgeschlossener Sachverhalt. Der Kläger unterliegt nicht dem Risiko und der Unsicherheit, unter dem "Damokles-Schwert" der berufsrechtlichen Sanktionierung ein Verhalten zu beginnen oder fortzusetzen, das möglicherweise von der Beklagten als berufsrechtswidrig bewertet und gerügt werden wird. Er kann, da der berufsrechtlich relevante Sachverhalt bereits abgeschlossen ist, sein Verhalten auch nicht mehr an dem Ergebnis eines Feststellungsrechtsstreits ausrichten und damit eine - ihm gegebenenfalls nicht zumutbare - Verhaltensunsicherheit beseitigen. Vielmehr kann er seine Rechte in vollem Umfang in dem von der Beklagten eingeleiteten Aufsichtsverfahren beziehungsweise in einem gegen eine etwaige aufsichtsrechtliche Maßnahme der Beklagten geführten Anfechtungsprozess wahren. Ein Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung ist vor diesem Hintergrund nicht gegeben.

13

2. Aus den vorgenannten Gründen hat die Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung noch weist sie besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2, 3 VwGO). Der Sachverhalt ist übersichtlich; die Rechtslage ist eindeutig und nicht klärungsbedürftig.

III.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert wird in Übereinstimmung mit der Festsetzung durch den Anwaltsgerichtshof und den Angaben des Klägers gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG auf 4.750 € festgesetzt.

Kayser                           Bünger                           Remmert

                  Quaas                            Schäfer

(1) Der Vorstand kann das Verhalten eines Rechtsanwalts, durch das dieser ihm obliegende Pflichten verletzt hat, rügen, wenn die Schuld des Rechtsanwalts gering ist und ein Antrag auf Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich erscheint. § 113 Absatz 2 und 4, die §§ 115b und 118 Absatz 1 und 2 sowie die §§ 118a und 118b gelten entsprechend. Für die Verjährung und deren Ruhen gilt § 115 Absatz 1 Satz 1 und 3 sowie Absatz 2. Die erste Anhörung des Rechtsanwalts unterbricht die Verjährung ebenso wie die erste Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft im anwaltsgerichtlichen Verfahren.

(2) Eine Rüge darf nicht erteilt werden,

1.
wenn gegen den Rechtsanwalt ein anwaltsgerichtliches Verfahren eingeleitet wurde oder
2.
während ein Verfahren nach § 123 anhängig ist.

(3) Bevor die Rüge erteilt wird, ist der Rechtsanwalt zu hören.

(4) Der Bescheid des Vorstandes, durch den das Verhalten des Rechtsanwalts gerügt wird, ist zu begründen. Er ist dem Rechtsanwalt zuzustellen. Eine Abschrift des Bescheides ist der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht mitzuteilen.

(5) Gegen den Bescheid kann der Rechtsanwalt binnen eines Monats nach der Zustellung bei dem Vorstand Einspruch erheben. Über den Einspruch entscheidet der Vorstand; Absatz 4 ist entsprechend anzuwenden.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf zugelassene Berufsausübungsgesellschaften entsprechend anzuwenden, wenn in den Fällen des § 113 Absatz 3 die Bedeutung der Pflichtverletzung gering ist und ein Antrag auf Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich erscheint. § 113 Absatz 5, die §§ 113b und 118c Absatz 2 sowie die §§ 118d bis 118f sind entsprechend anzuwenden.

Tatbestand

1

Die Kläger sind Imker; sie wollen geklärt wissen, unter welchen Bedingungen gentechnisch veränderter Mais bei Berücksichtigung ihres Interesses an gentechnikfreiem Honig und als Nahrungsergänzungsmittel verwendetem Pollen angebaut werden darf.

2

Der Beklagte ist Eigentümer von Grundstücken der Gemarkung K., auf denen die Landesanstalt für Landwirtschaft des Beklagten in den Jahren 2005 bis 2008 zu Forschungszwecken gentechnisch veränderten Mais der Linie MON 810 angebaut hat; dieser Mais produziert aufgrund des Gens eines Bodenbakteriums einen Giftstoff, der die Raupen des Maiszünslers, eines Pflanzenschädlings, abtötet. Die Beigeladene zu 3 verfügt über eine vom französischen Landwirtschaftsminister aufgrund einer Entscheidung der Europäischen Kommission erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Maises. Sie bezieht sich auf Saatgut und auf bestimmte aus Mais hergestellte Lebensmittel wie Maismehl, Maisgrieß und Maisstärke, nicht aber auf Pollen. Mit Bescheid vom 17. April 2009 hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit auf der Grundlage des § 20 Abs. 2 GenTG das Ruhen dieser Genehmigung angeordnet. Die Beigeladene zu 1 ist Inhaberin einer saatgutrechtlichen Sortenzulassung. Die Beigeladene zu 2 ist für den Vertrieb des betreffenden Saatguts in Deutschland zuständig.

3

Der Kläger zu 1 betreibt eine nachhaltige Liebhaber-Imkerei; er stellt Honig für den Eigenbedarf und zum Verkauf her. Bis zum Jahr 2005 produzierte er darüber hinaus Pollen zum Verkauf als Nahrungsergänzungsmittel. Sein Bienenhaus, in dem er zahlreiche Bienenvölker hält, ist ca. 1,5 bis 2 km von den Anbauflächen entfernt. In den Jahren 2005 und 2008 wurden im Pollen und im Honig des Klägers zu 1 Spuren des Maises der Linie MON 810 festgestellt.

4

Die Kläger zu 3 bis 5 sind ebenfalls Liebhaber-Imker in K., deren Bienenhäuser zwischen 1 und 3 km von den Anbauflächen des Beklagten entfernt sind. Der Kläger zu 2 ist im Laufe des Gerichtsverfahrens von K., wo er seine Imkerei betrieben hatte, nach Oberfranken verzogen.

5

Nachdem der Kläger zu 1 sich beim Beklagten erfolglos um Maßnahmen zum Schutze seiner Imkereiprodukte vor Verunreinigungen infolge des Maisanbaus gewandt hatte, erhob er im März 2007 Klage. Mit Urteil vom 30. Mai 2008 stellte das Verwaltungsgericht fest, dass Imkereiprodukte, die nachweislich Bestandteile von Pollen des Maises der Linie MON 810 enthielten, nicht verkehrsfähige Lebensmittel und deswegen wesentlich beeinträchtigt seien. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen: Der Kläger zu 1 habe keinen Anspruch auf Schutzmaßnahmen; es sei ihm zumutbar, die Bienen während der kurzen Zeit der Maisblüte an andere Orte zu verbringen und die entstehenden Aufwendungen dem Beklagten in Rechnung zu stellen.

6

Gegen das Urteil legten alle Beteiligten Berufung ein; die Kläger zu 2 bis 5 sind dem Kläger zu 1 beigetreten.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 26. Oktober 2009 dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften vorgelegt. Mit Urteil vom 6. September 2011 - Rs. C-442/09, Bablok - Slg. 2011, I-7419, hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Pollen rechtlich nicht Bestandteil, sondern eine Zutat des Honigs ist. Da sich die gentechnikrechtliche Zulassung des Maises der Linie MON 810 nicht auf den Pollen erstreckt, ist Honig, der solchen Pollen enthält, nicht verkehrsfähig. Daraufhin haben der Beklagte und die Beigeladenen zu 1 und 2 ihre Berufungen zurückgenommen.

8

Mit Urteil vom 27. März 2012 hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt:

Das Rechtsschutzbegehren des Klägers zu 1 sei so zu verstehen, dass er nur noch Schutzmaßnahmen erstrebe, die sich aus der Vorsorgepflicht nach § 16b Abs. 1 GenTG ergäben; Einwände gegen den Bestand der Inverkehrbringensgenehmigung erhebe er nicht mehr. Die vorbeugende Feststellungsklage sei unzulässig, soweit der Kläger zu 1 eine Verpflichtung des Beklagten auf Einschreiten im Falle eines künftigen Anbaus von Mais der Linie MON 810 durch Dritte geltend mache. Insoweit fehle es an einem hinreichend konkretisierten Rechtsverhältnis. Die Klage sei zulässig, soweit sie sich auf einen künftigen Maisanbau zu Forschungszwecken durch den Beklagten beziehe. Es liege ein hinreichend konkretisiertes Rechtsverhältnis vor. Der Kläger zu 1 könne sich auch auf ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse berufen. Bei einem schlicht-hoheitlichen Handeln, das unmittelbar zu einer Rechtsverletzung führe, seien nur geringe Anforderungen an die Darlegung einer Wiederholungsgefahr zu stellen. Nach Angaben des Beklagten gebe es zwar keine Planungen dahingehend, gentechnisch veränderten Mais auf dem Versuchsgut wieder anzubauen. Er habe sich aber den Rechtsstandpunkt des Klägers zu 1 nicht zu eigen gemacht und auch nicht zugesichert, dass weiterhin kein Maisanbau erfolge. Vielmehr wolle er sich alle Optionen offenhalten. Es könne auch nicht mit der nötigen Sicherheit angenommen werden, dass sich im Fall eines neuerlichen Anbaus die rechtlichen Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt des bereits erfolgten Maisanbaus geändert haben würden.

9

Die Klage des Klägers zu 1 sei unbegründet. Er habe keinen Anspruch auf die Feststellung, dass der Beklagte im Falle eines Anbaus des Maises der Linie MON 810 bei Beachtung der Vorsorgepflicht nach § 16b GenTG einen Mindestabstand von 3 km zum Bienenhaus des Klägers zu 1 einhalten sowie weitere Schutzmaßnahmen ergreifen müsse. Aufgrund der rechtskräftigen Feststellung im Urteil des Verwaltungsgerichts stehe fest, dass eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG vorliege, soweit die Imkereiprodukte nachweislich Bestandteile von Pollen des gentechnisch veränderten Maises enthielten. Die Anforderungen, die sich deswegen aus der Vorsorgepflicht ergäben, seien einzelfallbezogen sicherzustellen. Abstrakt-generelle Grundsätze für eine insoweit maßgebliche gute fachliche Praxis im Verhältnis zwischen dem Anbauer von gentechnisch verändertem Mais und benachbarten Imkern hätten sich bislang weder in Bezug auf Sicherheitsabstände - abgesehen von einem Mindestabstand zu Bienenstöcken von 500 m - noch in Bezug auf sonstige Vorsorgemaßnahmen gebildet. § 16b GenTG verlange keine Vorkehrungen, die - wie etwa ein Sicherheitsabstand von ca. 10 km - mit absoluter Sicherheit Risiken für die Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG ausschlössen. Eine Ausbreitung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) solle vielmehr durch einen verantwortungsvollen Umgang nur so weit wie möglich vermieden und bei Unvermeidbarkeit auf ein Mindestmaß reduziert werden. Danach müsse der Beklagte keine Sicherheitsabstände einhalten, die über die tatsächlich eingehaltenen Abstände hinausgingen. Aufgrund der Entfernung zwischen den Bienenstöcken und den Maisfeldern, der örtlichen Verhältnisse und der Landschaftsstruktur sei es nicht besonders naheliegend, dass die Bienen des Klägers zu 1 die Maisanbauflächen anflögen. Zwar habe der Kläger zu 1 aufgrund einzelner negativer Beprobungen des Honigs eines Erntejahres keine Gewähr, dass sein Honig insgesamt ohne Eintrag von GVO sei. Im Hinblick auf den gesetzlich festgeschriebenen Koexistenzgedanken müsse der Kläger zu 1 diese Unsicherheit aber hinnehmen und gegebenenfalls mit seinen Bienenvölkern während der Blütezeit des Maises ausweichen oder sich mit Entschädigungsansprüchen begnügen. Das Fehlen einer Zulassung als Lebensmittel gebiete keine andere rechtliche Bewertung. Denn der Koexistenzgedanke gelte auch für Saatgut, das nur als Futtermittel zugelassen sei. Sonstige Vorsorgemaßnahmen seien umso eher erforderlich und zumutbar, je geringer die Entfernung zwischen den Anbauflächen und den Bienenstöcken sei. Auch dürfe der Forschungszweck nicht wesentlich erschwert oder gar völlig vereitelt werden. Hinreichend erprobte verhältnismäßige Vorsorgemaßnahmen seien hier nicht ersichtlich. Soweit der Kläger Ausweichstandorte für seine Bienenstöcke oder hinreichend sichere Analyseverfahren für seine Imkereiprodukte auf Kosten des Beklagten fordere, handele es sich nicht um Vorsorgemaßnahmen am Ort des Anbaus. Solche Maßnahmen könnten zwar einem sinnvollen Interessenausgleich auf freiwilliger Basis zwischen Anbauern und Imkern dienen, sie könnten aber nach derzeitiger Gesetzeslage nicht als Vorsorgepflicht eingefordert werden. Dieses Ergebnis sei auch verfassungsgemäß. Der Kläger zu 1 habe zwar keinen nachbarrechtlichen Abwehranspruch, er habe jedoch einen Ausgleichsanspruch in Geld, wobei Einträge ab der Nachweisgrenze zu einer wesentlichen Beeinträchtigung und zur verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Haftung führten. Dass der Kläger keinen Kostenersatzanspruch habe, wenn nach Beprobung ein GVO-Eintrag tatsächlich nicht nachgewiesen werde, entspreche allgemeinen Grundsätzen.

10

Ob der Antrag auf Feststellung der Rechtwidrigkeit des bisherigen Anbaus zulässig sei, könne dahinstehen; er sei aus den genannten Gründen jedenfalls unbegründet.

11

Der weitere Feststellungsantrag (Nr. 3 b), dass Herstellung und Verkauf von Imkereiprodukten durch den Kläger zu 1 und die Benutzung seines Bienenhauses durch den Anbau von Mais im Flugradius von 3 km der Bienen wesentlich beeinträchtigt würden, sei unzulässig. Denn er ziele auf die Klärung von Vorfragen eines Entschädigungsanspruches; darin liegt kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis.

12

Der Parteibeitritt der Kläger zu 2 bis 5 sei unzulässig, da die Voraussetzungen einer subjektiven Klageänderung nicht vorlägen. Der Beklagte habe dem Parteibeitritt ausdrücklich widersprochen. Die Klageänderung sei auch nicht sachdienlich. Der Streitstoff würde sich erheblich ausweiten, weil jeweils eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Beurteilung der Verhältnisse erforderlich sei. Bei den Klägern zu 2 bis 5 lägen größtenteils andere Sachverhalte vor. Die Bienenstöcke stünden in anderen Entfernungen zu den Anbauflächen. Die Kläger zu 3 bis 5 stellten Honig nur zum Eigenbedarf her. Darüber hinaus hätten sich die Kläger zu 2 bis 5 vor Klageerhebung nie an den Beklagten in seiner Eigenschaft als Anbauer gewandt, so dass es insoweit an einem konkreten streitigen Rechtsverhältnis fehle.

13

Mit ihrer vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision, mit der der Antrag Nr. 3 b) nicht mehr weiterverfolgt wird, rügen die Kläger Verfahrensfehler und die Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor: Der Verwaltungsgerichtshof habe hinsichtlich der begehrten Feststellung, dass die Überwachungsbehörden zum Einschreiten verpflichtet gewesen seien, ihre Anträge nicht erschöpfend verbeschieden. Er sei unzutreffend und unter Verstoß gegen seine Hinweispflichten davon ausgegangen, dass sie an ihrem Vortrag nicht mehr festhielten, es liege keine gültige Inverkehrbringensgenehmigung vor. Stattdessen hätte er prüfen müssen, ob die Überwachungsbehörden bei Fehlen einer solchen Genehmigung zum Einschreiten verpflichtet seien. Was den Anbau als solchen angehe, seien die Überwachungsbehörden des Beklagten bei einem Verstoß gegen die Vorsorgepflicht nicht nur zum Einschreiten gegen private Dritte, sondern auch gegenüber anderen Behörden verpflichtet. Auch das habe der Verwaltungsgerichtshof nicht geprüft. Zu Recht habe er im Übrigen ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen der Wiederholungsgefahr bejaht. Bei der vorbeugenden Unterlassungsklage spreche eine Vermutung für die Wiederholungsgefahr. Es komme nicht darauf an, ob die befürchtete Beeinträchtigung in allen Einzelheiten mit der bereits geschehenen identisch sei. Deswegen sei es unbeachtlich, ob genau die gleichen gentechnisch veränderten Pflanzen ohne eine Zulassung für Honig angebaut würden. Die Auslegung der Vorsorgepflicht betreffe auch GVO mit umfassender Zulassung. Im Übrigen werde ungeachtet des neuen Antrags der Beigeladenen die Zulassungslücke beim Mais der Linie MON 810 fortbestehen. Auch eine Änderung der Honig-Richtlinie, die eine Änderung der rechtlichen Beurteilung erfordern könnte, sei nicht wahrscheinlich. Im Übrigen stehe auch der Anbau im Wege einer Freisetzungsgenehmigung zu Versuchszwecken im Raum.

14

Die angefochtene Entscheidung werde der Vorsorgepflicht nach § 16b GenTG nicht gerecht. Danach solle im Sinne der Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes die Ausbreitung von GVO möglichst vermieden werden. Der daraus folgende Abwehranspruch hänge nicht vom Nachweis der Verunreinigung ab. Demgegenüber fordere der Verwaltungsgerichtshof lediglich die Vermeidung besonders naheliegender Beeinträchtigungen. Der Maßstab für die Konkretisierung der guten fachlichen Praxis im Einzelfall sei nicht strenger als für die Konkretisierung durch Rechtsverordnung. Die gesetzliche Vorsorgepflicht sei durch eine gute fachliche Praxis nicht begrenzt, soweit diese bei einer neuen Technik wie hier noch gar nicht vorhanden sei. Eine Orientierung an einer außergesetzlichen Praxis verbiete sich.

15

Hinsichtlich des bisherigen Anbaus könnten sie sich auf ein Feststellungsinteresse wegen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen für den Mehraufwand, nämlich die Kosten des Abwanderns und Ausweichens zur Vermeidung von Polleneinträgen, berufen.

16

Der Parteibeitritt der Kläger zu 2 bis 5 sei zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof habe seinen Spielraum für die Beurteilung der Sachdienlichkeit der Klageänderung überschritten.

17

Die Kläger beantragen:

1. Die Urteile des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. Mai 2008 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. März 2012 werden aufgehoben, soweit darin die Klage abgewiesen und die Berufungen zurückgewiesen wurden.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte seit Inkrafttreten des § 16b GenTG im Falle eines Anbaus von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) des Maises MON 810 im Umkreis von mindestens 3 km um Bienenhäuser und -standplätze der Kläger verpflichtet war und ist, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um wesentliche Beeinträchtigungen gemäß § 36a Abs. 1 i.V.m. § 16b Abs. 1 GenTG der für die Verwendung als Lebensmittel vorgesehenen Imkereiprodukte der Kläger zu verhindern; solange für diesen Mais keine Zulassung vorliegt, die die uneingeschränkte Verwendung dieser Imkereiprodukte als Lebensmittel einschließt, müssen die Maßnahmen jegliche Einträge von Pollen dieses Maises in die Imkereiprodukte wirksam ausschließen.

Als geeignete Maßnahmen kommen beispielsweise in Betracht:

a) Maßnahmen gegen das Inverkehrbringen von Saatgut des Maises MON 810 durch die hierfür zuständige Behörde des Beklagten,

b) Unterlassen des Anbaus von genetisch verändertem Mais der Linie MON 810 im Flugkreis der Bienen der Kläger durch die Landesanstalt für Landwirtschaft des Beklagten,

c) Maßnahmen zur Sicherstellung, dass beim Anbau von Mais MON 810 im Flugkreis der Bienen der Kläger kein Pollen dieses Maises von den Bienen aufgenommen und in die Imkereiprodukte der Kläger gelangen kann, z.B. den Mais vor der Blüte zu ernten oder die Pollenfahnen der Maispflanzen während der Blütezeit einzutüten oder mehrfach so abzuschneiden, dass kein Maispollen von den Bienen aufgenommen werden kann,

d) soweit (ergänzend) erforderlich oder hilfsweise: die Durchführung eines Analyseprogramms auf Kosten des Beklagten, wobei das Analyseprogramm geeignet und hinreichend repräsentativ sein muss, um sicherzustellen, dass die von den Klägern erzeugten Imkereiprodukte nachweisbar keine Bestandteile von Pollen des Maises MON 810 enthalten,

e) hilfsweise: im Falle eines künftigen Anbaus die Kläger rechtzeitig, spätestens 3 Monate vor der Aussaat oder Anpflanzung das Grundstück des Anbaus, die Größe der Anbaufläche sowie unverzüglich jede Änderung mitzuteilen und ihnen im Falle einer möglichen Betroffenheit geeignete Ausweichstandorte für ihre Bienen zur Verfügung zu stellen.

Dabei bleibt es im Ermessen des Gerichts, die zum Schutz der Kläger notwendigen Maßnahmen entweder selbst festzulegen oder der pflichtgemäßen Beurteilung des Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu überlassen.

Der Antrag schließt ein festzustellen, dass der Beklagte nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet ist, durch seine zuständigen Überwachungsbehörden im Falle eines künftigen Anbaus von MON 810 durch den Beklagten oder Dritte im Flugkreis der Bienen der Kläger entsprechende geeignete Maßnahmen zum Schutz der Kläger zu ergreifen (Verpflichtung zum ordnungsbehördlichen Einschreiten).

18

Der Beklagte beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

19

Er betont, dass auf dem Versuchsgut in K. derzeit kein Mais der streitgegenständlichen Sorte angebaut werde. Es sei auch - unabhängig von dem derzeitigen Ruhen der Zulassung in Deutschland - nicht geplant, dort in Zukunft solchen Mais anzubauen. Der Fall sei nur rückblickend von Bedeutung. Im Übrigen verteidigt der Beklagte das angefochtene Urteil.

20

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

die Revisionen zurückzuweisen.

21

Sie nehmen Bezug auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs und nehmen ergänzend zum Vorsorgeprinzip des § 16b GenTG Stellung.

22

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Er weist zum einen darauf hin, dass es fraglich sei, ob die streitgegenständliche Konstellation angesichts der anstehenden Beratungen und Entscheidungen auf EU-Ebene noch einmal relevant werde. Eine eingeschränkte Lebensmittelzulassung wie beim Mais der Linie MON 810 sei ein Sonderfall. Die derzeit anhängigen Anträge auf Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen für den Anbau richteten sich auf die uneingeschränkte Zulassung als Lebensmittel. Auch die Beigeladene zu 3 habe im März 2012 einen entsprechenden (ergänzenden) Antrag gestellt. Mit einer Entscheidung sei noch im Jahr 2013 zu rechnen. Zum anderen habe die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Honig-Richtlinie vorgelegt. Er ziele darauf ab festzulegen, dass es sich beim Pollen um einen natürlichen Bestandteil von Honig handele, was Auswirkungen auf die Kennzeichnungspflicht habe.

Entscheidungsgründe

23

Die zulässigen Revisionen sind nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Im Ergebnis zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Klägers zu 1 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, zurückgewiesen und die von den Klägern zu 2 bis 5 im Berufungsverfahren erhobenen Klagen - durch eine insoweit erstinstanzliche Entscheidung (Urteil vom 7. Februar 1974 - BVerwG 5 C 14.73 - FEVS 23, 7 <9>) - abgewiesen. Die Kläger können die begehrten Feststellungen nicht beanspruchen. Denn die Klagen sind bereits unzulässig. Dies gilt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht nur für die Klagen der Kläger zu 2 bis 5, sondern auch für die Klage des Klägers zu 1.

24

Ohne Erfolg wenden sich die Kläger zu 2 bis 5 gegen die Verneinung der Zulässigkeit des im Berufungsrechtszug erklärten Parteibeitritts (1.). Die Unzulässigkeit der Klage des Klägers zu 1 hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen (2.); sie steht einer Überprüfung des angefochtenen Urteils in der Sache entgegen (Urteile vom 27. März 1963 - BVerwG 5 C 96.62 - BVerwGE 16, 23 <25> = Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 1 S. 2, vom 14. Dezember 1978 - BVerwG 5 C 1.78 - BVerwGE 57, 204 <209 f.> = Buchholz 436.36 § 12 BaföG Nr. 6 S. 22 und vom 28. Februar 1985 - BVerwG 2 C 14.84 - BVerwGE 71, 73 <74> = Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 126 S. 10).

25

1. Revisionsgerichtlich ist nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof die subjektive Klageänderung durch den Parteibeitritt der Kläger zu 2 bis 5 nicht als sachdienlich im Sinne von § 91 Abs. 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 VwGO angesehen hat. Die Entscheidung, ob eine Klageänderung sachdienlich ist, liegt im Ermessen der darüber entscheidenden Instanz. Das Revisionsgericht hat lediglich zu prüfen, ob das Tatsachengericht den Rechtsbegriff der Sachdienlichkeit verkannt und damit die Grenzen seines Ermessens überschritten hat (vgl. Urteil vom 18. August 2005 - BVerwG 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <136> = Buchholz 406.11 § 5 BauGB Nr. 12 Rn. 22). Das ist hier nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt, dass der Streitstoff durch den Parteibeitritt ausgeweitet werde, da größtenteils andere Sachverhalte in örtlicher und auch in persönlicher Hinsicht gegeben seien. Mit dieser Erwägung bewegt der Verwaltungsgerichtshof sich innerhalb des ihm eingeräumten Entscheidungsspielraums. Auch wenn - was sich von selbst versteht - inhaltliche Berührungspunkte zwischen der Beurteilung von Abwehransprüchen der verschiedenen Kläger bestehen, so kommt es doch nach der insoweit maßgeblichen Sichtweise des Verwaltungsgerichtshofs auf die Umstände des konkreten Einzelfalls an, wobei gerade die Bewertung anhand der örtlichen Gegebenheiten unterschiedlich ausfallen kann.

26

2. Die Klage des Klägers zu 1 ist in dem für das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts unzulässig.

27

a) Die Zulässigkeitsprüfung ist an den in der Revisionsschrift formulierten Klageanträgen auszurichten. Denn der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag enthält eine in der Revisionsinstanz gemäß § 142 Abs. 1 VwGO unzulässige Klageänderung.

28

Eine Klageänderung ist die Veränderung des Streitgegenstandes durch Disposition des Klägers. Der Streitgegenstand wird bestimmt durch Klageanspruch und Klagegrund, also durch den geltend gemachten materiellrechtlichen Anspruch und durch den ihm zugrunde liegenden, d.h. zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalt (stRspr, vgl. etwa Urteile vom 26. Oktober 2006 - BVerwG 10 C 12.05 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 83 Rn. 19 und vom 10. Mai 1994 - BVerwG 9 C 501.93 - BVerwGE 96, 24 <25> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 68 S. 2). Eine Klageänderung liegt demzufolge grundsätzlich dann vor, wenn der Klageanspruch, der Klagegrund oder beides verändert wird.

29

aa) Mit dem in den Vorinstanzen gestellten und insoweit im Revisionsschriftsatz wiederholten Antrag hat der Kläger Rechtsschutz gegen die Folgen des Anbaus von Mais der Linie MON 810 vor dem Hintergrund des bislang geregelten Zulassungsstatus begehrt. Der Eintrag von Maispollen, der danach von der gentechnikrechtlichen Zulassung als Lebensmittel nicht umfasst ist, führt, wie sich aus dem auf den Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichtshofs ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. September 2011 - Rs. C-442/09 - Slg. 2011, I-7419 ergibt, zum Verlust der Verkehrsfähigkeit der davon betroffenen Imkereiprodukte.

30

Über die darin liegende wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 16b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG hinausgehend ist der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag auch auf die Abwehr wesentlicher Beeinträchtigungen im Sinne von § 16b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG gerichtet. Diese Modifizierung des Klagebegehrens wird nicht von der Regelung des § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO erfasst. Danach ist eine Erweiterung des Klageantrags nur dann nicht als Klageänderung anzusehen, wenn der Klagegrund unverändert bleibt. Eine Veränderung des für die rechtliche Bewertung des erweiterten Klageantrags maßgeblichen Sachverhalts ist aber schon deswegen gegeben, weil damit eine vom jetzigen Zustand abweichende, auch auf den Pollen bezogene Zulassung als Lebensmittel vorausgesetzt wird. Damit sind mit beiden neu zur Entscheidung gestellten Varianten wesentlicher Beeinträchtigungen weitere tatsächliche Umstände verbunden, zu denen das Berufungsgericht mangels Entscheidungserheblichkeit für den ursprünglichen Klageantrag noch keine Feststellungen getroffen hat. Auf dieser Grundlage kommt eine revisionsgerichtliche Entscheidung über die Antragserweiterung nicht in Betracht (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 142 Rn. 3).

31

Die wesentliche Beeinträchtigung nach § 36a Abs. 1 Nr. 2 GenTG ist auf die Kennzeichnungspflicht bezogen. Die Erzeugnisse sind als "gentechnisch verändert" bzw. als "aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt" zu kennzeichnen, wenn der Anteil an gentechnisch verändertem Material den Schwellenwert von 0,9 Prozent der einzelnen Lebensmittelzutaten bzw. des Lebensmittels nach § 17b Abs. 3 GenTG bzw. Art. 12 f. der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl EG Nr. L 268 S. 1) überschreitet. Die Vorsorgepflicht, die auf die Abwehr solcher Beeinträchtigungen zielt, ist demnach nicht am Grundsatz der Nulltoleranz ausgerichtet. Wegen der insoweit anderen rechtlichen Prämissen fehlt es im angefochtenen Berufungsurteil an jeglichen hierauf bezogenen Feststellungen, die zur Konkretisierung der Vorsorgepflicht in dieser Fallkonstellation dienen können.

32

Der Schwellenwert ist allerdings unbeachtlich, soweit der Kläger zu 1 auf eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 36a Abs. 1 Nr. 3 GenTG verweist. Danach ist eine wesentliche Beeinträchtigung auch dann gegeben, wenn wegen des Eintrags gentechnisch veränderter Organismen Erzeugnisse nicht mit einer Kennzeichnung in den Verkehr gebracht werden dürfen, die nach den für die Produktionsweise jeweils geltenden Rechtsvorschriften möglich gewesen wäre. Nach § 3a des Gesetzes zur Durchführung der Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union auf dem Gebiet der Gentechnik und über die Kennzeichnung ohne Anwendung gentechnischer Verfahren hergestellter Lebensmittel - EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz - (vom 22. Juni 2004, BGBl I S. 1244) darf ein Lebensmittel mit einer Angabe, die auf die Herstellung des Lebensmittels ohne Anwendung gentechnischer Verfahren hindeutet, nur in den Verkehr gebracht oder beworben werden, wenn dabei keine nach Art. 12 und 13 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 kennzeichnungspflichtigen Lebensmittel und Lebensmittelzutaten verwendet werden, wobei es auf die Ausnahme von der Kennzeichnungsvorschrift wegen Nichterreichens des Schwellenwerts nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung nicht ankommt.

33

Ausweislich der Antragstellung geht der Kläger zu 1 zwar davon aus, dass die Vorsorgepflicht insoweit nicht eine strenge Nulltoleranz anstreben müsse; vielmehr seien bei Beeinträchtigungen im Sinne von § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG weitergehende Maßnahmen zu ergreifen (Ziffer 2 Satz 1 Halbs. 2 des Antrags). Aber auch dann, wenn die Ausführungen im angefochtenen Berufungsurteil auf einen bei wesentlichen Beeinträchtigungen im Sinne von § 36a Abs. 1 Nr. 3 GenTG gleichermaßen heranzuziehenden rechtlichen Maßstab (der Nulltoleranz) bezogen sein sollten, fehlt es an weiteren tatsächlichen Feststellungen zu den dann vorausgesetzten Vermarktungsmodalitäten. Denn der Kläger zu 1 führt im Schriftsatz vom 23. Oktober 2013 lediglich aus, dass er die Umstellung seiner Produktion so plane, dass er Honig und andere Erzeugnisse in Bioqualität und ohne Gentechnik erzeugen und entsprechend kennzeichnen könne.

34

bb) Zur Begründung der Klage hat der Kläger zu 1 auch auf die Möglichkeit eines Anbaus von gentechnisch verändertem Mais auf der Grundlage einer Freisetzungsgenehmigung zu Versuchszwecken verwiesen. Einen hierauf bezogenen Klageantrag hat er indessen nicht formuliert. Dabei handelte es sich jedenfalls um eine Klageänderung. Denn diese Annahme baut auf einem gänzlich neuen Sachverhalt auf, der, wie § 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG zeigt, ganz neue Überlegungen zu den dann gebotenen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der benachbarten Landwirtschaft erforderte.

35

cc) Des Weiteren spricht viel dafür, dass auch der in der Revisionsschrift formulierte Antrag bereits unzulässige Klageänderungen enthält.

36

Der Kläger zu 1 begehrt nunmehr unter Ziffer 2 Abs. 4 des Antrags ausdrücklich ein Einschreiten der zuständigen Überwachungsbehörden nicht nur gegen Dritte, sondern auch gegen den Beklagten. Es liegt indessen jedenfalls nicht nahe, dass der Verwaltungsgerichtshof das in der Berufungsinstanz begehrte ordnungsbehördliche Einschreiten gegen Dritte bei sachdienlicher, die spezifische Funktionsweise einer hierarchisch gegliederten Behördenorganisation berücksichtigender Auslegung des Klageantrags im nunmehr eindeutig formulierten Sinne verstehen musste.

37

Soweit der Kläger zu 1 unter Ziffer 2 Abs. 2 Buchst. a des Klageantrags Maßnahmen gegen das Inverkehrbringen von Saatgut des Maises der Linie MON 810 fordert, ist das jedenfalls so zu verstehen, dass der Beklagte von vornherein vom Anbau des Maises absehen müsse, der nach der vom Kläger zu 1 vertretenen Auffassung von einer gentechnikrechtlichen Inverkehrbringensgenehmigung nicht (mehr) gedeckt ist. Vor dem Verwaltungsgerichtshof hat der Kläger zu 1 demgegenüber Maßnahmen "im Falle eines Anbaus" beantragt. Wenn der Verwaltungsgerichtshof sich demnach auf die Prüfung von Schutzmaßnahmen bei erfolgtem Anbau beschränkt hat, erscheint dies als eine jedenfalls gut vertretbare und deswegen für die revisionsgerichtliche Prüfung maßgebliche Auslegung des damals gestellten Antrags.

38

Ob der Kläger zu 1 auch mit diesen Anträgen über das in der Vorinstanz zur Entscheidung gestellte Klagebegehren hinausgeht und die Klage in unzulässiger Weise erweitert, bedarf allerdings keiner abschließenden Entscheidung. Denn die Klage ist jedenfalls aus anderen Gründen insgesamt unzulässig.

39

b) aa) Der Kläger zu 1 möchte in erster Linie für die Zukunft erreichen, dass seine Imkereiprodukte nicht durch Pollen von gentechnisch verändertem Mais verunreinigt werden. Dieses Rechtsschutzbegehren verfolgt er, wie bereits im Berufungsverfahren, mit einer - vorbeugenden - Feststellungsklage. Deren Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen nicht vor.

40

(1) Die beantragte Feststellung bezieht sich zwar auf ein feststellungsfähiges konkretes Rechtsverhältnis. Die behaupteten Verpflichtungen des Beklagten als Träger des Versuchsguts, auf dem bereits gentechnisch veränderter Mais angebaut worden ist, gegenüber dem Kläger zu 1 als von Einträgen von GVO betroffenem Imker sind Teil der zwischen ihnen bestehenden nachbarrechtlichen Beziehungen. Dieses Nachbarrechtsverhältnis wird inhaltlich der Sache nach durch die in §§ 906, 1004 BGB i.V.m. §§ 16b, 36a GenTG enthaltenen Regelungen ausgeformt. Es ist, da die Landesanstalt für Landwirtschaft als Forschungs- und Untersuchungsanstalt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft - LfLV - vom 12. November 2002, GVBl S. 652) hier nicht fiskalisch, sondern schlicht-hoheitlich handelt, öffentlich-rechtlich eingekleidet (siehe zur Frage des unmittelbaren Anwendungsbereichs des § 36a GenTG BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - BVerfGE 128, 1 <70> = juris Rn. 253). Es fehlt aber an dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten berechtigten Interesse an der baldigen Feststellung.

41

Die vorbeugende Feststellungsklage erfordert ein spezielles, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse, das dann gegeben ist, wenn der Betroffene nicht in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung verwiesen werden kann. Inwieweit diese Voraussetzungen hier gegeben sind, kann dahinstehen. Jedenfalls ist die befürchtete Maßnahme, d.h. der nochmalige Anbau des gentechnisch veränderten Maises, nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Die erforderliche Wiederholungsgefahr ist zu verneinen.

42

(2) Die rechtlichen Maßstäbe für die Annahme einer Wiederholungsgefahr sind dabei dem der Sache nach geltend gemachten Unterlassungsanspruch zu entnehmen. Der Umstand, dass der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) sowohl allgemein im Verhältnis zur Unterlassungsklage als auch bei Klagen gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts Einschränkungen erfährt (vgl. Urteile vom 15. Februar 1991 - BVerwG 8 C 85.88 - juris Rn. 11, insoweit in Buchholz 401.0 § 231 AO Nr. 2 nicht abgedruckt, und vom 12. Juli 2000 - BVerwG 7 C 3.00 - BVerwGE 111, 306 <311> = Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 133 S. 12) und das Prozessrecht folglich zwei als gleichwertig erachtete Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stellt, kann eine Abweichung in den entscheidungstragenden rechtlichen Vorgaben nicht rechtfertigen.

43

Ein Unterlassungsanspruch setzt materiellrechtlich voraus, dass die abzuwehrende Rechtsverletzung konkret droht (BGH, Urteil vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12 - NJW 2013, 1681 Rn. 31; BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 - BVerwG 6 C 9.11 - BVerwGE 141, 329 Rn. 21 = Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 92 Rn. 21 und vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 7 C 20.04 - Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 78 Rn. 34). Die erforderliche Gefahr einer Rechtsverletzung ist dann gegeben, wenn sie greifbar bevorsteht. Hat bereits eine Beeinträchtigung stattgefunden, wird eine Wiederholungsgefahr grundsätzlich vermutet (siehe etwa BGH, Urteil vom 30. Oktober 1998 - V ZR 64/98 - BGHZ 140, 1 Rn. 19 sowie BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 a.a.O. Rn. 21).

44

Diese Vermutung ist nicht nur dann entkräftet, wenn die Behörde sich den Rechtsstandpunkt des Klägers zu eigen macht (vgl. dazu Urteil vom 25. Januar 2012 a.a.O. Rn. 21). Sie entfällt auch dann, wenn sich die Verhältnisse bereits geändert haben oder eine Veränderung zu erwarten ist, und deswegen noch unsicher ist, ob und wenn ja, unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen potentielle Verletzungshandlung ergehen würden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12 - NJW 2013, 1681 Rn. 34). Davon ist hier auszugehen.

45

(3) Wie bereits im Berufungsverfahren hat der Beklagte im Revisionsverfahren wiederum schriftsätzlich erklärt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekräftigt, dass ein Anbau von gentechnisch verändertem Mais im Versuchsgut K. nicht geplant sei. Diese Äußerung wäre nur von geringem Gewicht und nicht geeignet, die Annahme einer Wiederholungsgefahr zu erschüttern, wenn sie lediglich als Ausdruck derzeitiger politischer Opportunität zu verstehen wäre, mit der der Beklagte sich, wie der Verwaltungsgerichtshof formuliert, alle Optionen offenhalten wollte. Bei Würdigung des derzeitigen Stands des Regelungsumfeldes kommt ihr eine andere Bedeutung zu; denn sie spiegelt jedenfalls auch Änderungen und Entwicklungen der maßgeblichen Rechtsgrundlagen wieder. Gentechnisch veränderter Mais der streitigen Linie kann derzeit aus Rechtsgründen nicht angebaut werden. Es spricht auch viel dafür, dass bei einem Wegfall dieser Sperre der Umfang der gentechnikrechtlichen Zulassung als Lebensmittel abweichend vom heutigen Rechtszustand geregelt sein wird.

46

Der Anbau von Mais der Linie MON 810 ist zur Zeit wegen der unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit erlassenen Ruhensanordnung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 17. April 2009 nicht zulässig. Diese Anordnung ist zwar wegen der Klage der Beigeladenen nicht bestandskräftig. Nach negativem Abschluss des Eilverfahrens (VG Braunschweig, Beschluss vom 4. Mai 2009 - 2 B 111/09 - ZUR 2009, 446; OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. Mai 2009 - 13 ME 76/09 - NuR 2009, 566) ruht aber das Verfahren in der Hauptsache. Eine Absicht der Beigeladenen, das Verfahren wieder aufzurufen, ist deren Prozessbevollmächtigtem nicht bekannt. Seitens der Behörden sind, soweit ersichtlich, keine Änderungen geplant. Sie halten an der Anordnung fest. So hat die Bundeslandwirtschaftsministerin nach der Aufhebung einer entsprechenden Ruhensanordnung französischer Behörden vom 16. März 2012 durch den Conseil d'Etat (Urteil vom 1. August 2013, No. 358103; vorherige Anordnungen aus den Jahren 2007 und 2008 waren vom CE mit Urteil vom 28. November 2011, No. 313605, 312921 im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 8. September 2011 - Rs. C-58/10 u.a., Monsanto - Slg. 2011, I-7763, aufgehoben worden) umgehend betont, dass sich an der rechtlichen Bewertung der deutschen Anordnung nichts verändere (Reuters, Agenturmeldung vom 5. August 2013).

47

Die Ruhensanordnung ist mittlerweile Ausdruck eines Moratoriums, das sich ersichtlich an der anstehenden Entscheidung über den von der Beigeladenen - auf der Rechtsgrundlage der Art. 8 Abs. 4, Art. 20 Abs. 4 VO(EG)Nr. 1829/2003 - gestellten Antrag auf Erneuerung der im Anschluss an die Entscheidung der Kommission vom 22. April 1998 (98/294/EG; ABl L 131 S. 32) erteilten Inverkehrbringensgenehmigung ausrichtet. Dieser Antrag ist im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. September 2011 - Rs. C-442/09, Bablok - (Slg. 2011, I-7419) um einen Antrag auf Erweiterung der Zulassung auf den Maispollen als Lebensmittel ergänzt worden. In beiden Verfahren liegt seit geraumer Zeit eine positive Gefahreneinschätzung durch die EFSA - Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit - vor (vom 6./11. Dezember 2012, EFSA-Q-2012-00711, und vom 6./18. Dezember 2012, EFSA-Q-2012-00408; EFSA Journal 2012;10(12):3017 <98 pp.>; 10(12):3022 <9 pp.>). Auch weitere Verfahrensschritte sind bereits durchlaufen worden. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass den Anträgen stattgegeben wird. Dann erledigt sich die Ruhensanordnung, und zugleich umfasst die erneuerte Inverkehrbringensgenehmigung eine unbeschränkte Zulassung des gentechnisch veränderten Maises MON 810 als Lebensmittel. Ein Anbau unter den bisherigen rechtlichen Verhältnissen ist nicht mehr zu erwarten. Die Wiederholungsgefahr ist demnach zu verneinen mit der Folge, dass die zukunftsgerichtete Feststellungsklage unzulässig ist.

48

bb) Die Klage ist gleichfalls unzulässig, soweit der Kläger zu 1 festgestellt wissen will, dass der Beklagte beim Anbau von gentechnisch verändertem Mais in der Vergangenheit gegen die Vorsorgepflicht verstoßen hat.

49

(1) Ein Feststellungsinteresse leitet der Kläger zu 1 in erster Linie daraus her, dass er den ihm durch den Maisanbau entstandenen Schaden und die dadurch verursachten Aufwendungen gegenüber dem Beklagten gerichtlich geltend machen wolle und die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit insoweit Präjudizwirkung entfalte. Zur Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen eines Staatshaftungsprozesses muss der Verwaltungsprozess aber dann nicht fortgeführt werden, wenn der Kläger hieraus deswegen keinen Nutzen ziehen könnte, weil es auf die begehrte Klärung der Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns offenkundig nicht ankommt (vgl. zuletzt Urteil vom 16. Mai 2013 - BVerwG 8 C 14.12 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 284 Rn. 44 m.w.N.).

50

Ein Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 Satz 1 GG i.V.m. mit § 839 BGB setzt voraus, dass ein Schaden durch das schuldhaft rechtswidrige Handeln eines Amtsträgers verursacht wurde. Einem Amtswalter ist jedoch auch bei fehlerhafter Rechtsanwendung regelmäßig kein Verschulden im Sinne des § 839 BGB vorzuwerfen, wenn seine Tätigkeit durch ein mit mehreren kundigen Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung als objektiv rechtmäßig angesehen worden ist (Urteil vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <105 ff.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 S. 31 f.; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 76 ff. m.w.N.). Eine andere Einschätzung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Entscheidung des Kollegialgerichts von einer schon im Ansatz völlig verfehlten rechtlichen Betrachtung ausgegangen ist. Davon kann aber in Bezug auf die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, die den Streitstoff gründlich aufgearbeitet hat, nicht die Rede sein.

51

Neben verschuldensabhängigen Ansprüchen verweist der Kläger auch auf verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlagen. Er erwähnt neben dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Ansprüche wegen enteignenden bzw. enteignungsgleichen Eingriffs. Auch insoweit ist die Klärung der Frage, welche Anforderungen die Vorsorgepflicht an den Anbau von gentechnisch verändertem Mais stellt, nicht erforderlich.

52

Der verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gewährt dem - hier nach Maßgabe des § 16b GenTG, d.h. bei Einhaltung der guten fachlichen Praxis durch denjenigen, der gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut - duldungspflichtigen Nachbarn einen Ausgleich für wesentliche Beeinträchtigungen, die er bei der Nutzung seines Grundstücks erleidet. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Imker anspruchsberechtigt ist, wenn die Bienen durch Immissionen auf sein Grundstück zu Schaden kommen (BGH, Urteil vom 28. Februar 1955 - III ZR 136/54 - BGHZ 16, 366 ). Das gleiche muss dann für die Imkereiprodukte gelten. Der Umstand, dass die Pollen als schädigende "ähnliche Einwirkungen" im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht durch den Wind, sondern durch die Sammeltätigkeit der Bienen auf das benachbarte Grundstück gelangen, ist unbeachtlich. Denn auch beim Bienenflug, den der Nachbar dulden muss, handelt es sich um ein vergleichbares natürliches Phänomen. Die Vorschrift des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte analog auf den Fall der sogenannten faktischen Duldungspflicht anzuwenden. Der Nachbar hat demnach auch dann einen Ausgleichsanspruch, wenn er rechtlich die Beeinträchtigung zwar nicht hinnehmen musste, Abwehrmaßnahmen aber entweder mangels rechtzeitiger Kenntnis der schädlichen Einwirkungen überhaupt nicht möglich waren oder bei Kenntnis nicht durchgesetzt werden konnten (siehe Neutze, AUR 2008, 193 <195>, Wagner, VersR 2007, 1017 <1020> sowie Staudinger/Roth, Neubearb. 2009, § 906 Rn. 66 f. sowie 68 ff., jeweils m.w.N.; in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 36a GenTG wird ebenfalls hierauf verwiesen, BTDrucks 15/3088 S. 30). Werden beide Konstellationen gleichbehandelt, so kommt es auf die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung nicht an. Über den Umfang des Ausgleichsanspruchs, so etwa über die Frage der Ersatzfähigkeit von Analysekosten (siehe dazu Wagner, VersR 2007, 1017 <1026 f.>), ist dann unabhängig hiervon zu entscheiden.

53

Auch die Berufung auf öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen kann ein Feststellungsinteresse nicht begründen. Beim enteignungsgleichen Eingriff handelt es sich um eine verschuldensunabhängige Rechtwidrigkeitshaftung des Staates für unmittelbare Eigentumsbeeinträchtigungen, während der Anspruch aus enteignendem Eingriff dem Ausgleich unzumutbarer, regelmäßig atypischer und unvorhergesehener Nebenfolgen eines an sich rechtmäßigen Eigentumseingriffs dient. Beide einfachgesetzlichen Rechtsinstitute beruhen auf richterlicher Rechtsfortbildung und gründen jeweils im allgemeinen Aufopferungsgedanken.

54

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass es sich beim Anspruch aus enteignendem Eingriff um das öffentlich-rechtliche Gegenstück zum Anspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB handelt (BGH, Urteil vom 11. März 2004 - III ZR 274/03 - BGHZ 158, 263 ). Dann mag es naheliegen, dass im Falle der hier gegebenen typischen nachbarrechtlichen Konstellation bei rechtswidrigem staatlichen Handeln und Fehlen einer Duldungspflicht ein entsprechender Anspruch gleichfalls anerkannt wird, der einen subsidiären Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff verdrängt.

55

Jedenfalls fehlt es aber für einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff an einer entschädigungsfähigen Rechtsposition. Der Kläger macht neben den Sachschäden für nachweisbar nicht verkehrsfähigen Honig, der nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf jeden Fall zu entschädigen ist, insbesondere in Gestalt von Analysekosten und Ausweichaufwendungen reine Vermögensschäden geltend. Einen Vermögensschutz gewährt das Rechtsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs nur beim Schutzgut des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. dazu Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 175 ff.; Staudinger/Hager, BGB, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. D 2). Auch wenn der damit gewährleistete Schutz des Unternehmens mittlerweile über den Gewerbebetrieb im handelsrechtlichen Sinn hinausreicht (BGH, Urteil vom 15. Mai 2012 - VI ZR 117/11 - BGHZ 193, 227 Rn. 19; Spindler, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 823 Rn. 105), muss eine Betätigung, die vom Anwendungsbereich dieses Rechts erfasst wird, nicht nur die Merkmale der Selbstständigkeit, Entgeltlichkeit, Nachhaltigkeit und des Auftretens nach außen erfüllen (Staudinger/Hager, a.a.O., § 823 Rn. D 6), sondern zugleich auf die Erzielung eines Nebenerwerbs gerichtet sein. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs betreibt der Kläger zu 1 aber lediglich eine Liebhaber-Imkerei. Der gelegentliche Verkauf von Honig macht daraus kein Unternehmen, das in den Anwendungsbereich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb fällt.

56

(2) Ein Feststellungsinteresse ergibt sich schließlich auch nicht aus der Überlegung, dass sich der nachbarliche Konflikt zwischen verschiedenen landwirtschaftlichen Nutzungen typischerweise kurzfristig erledige und deswegen regelmäßig einer gerichtlichen Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren nicht zugeführt werden könne und deswegen die Gewährung von Rechtsschutz durch Art. 19 Abs. 4 GG geboten sei (siehe dazu zuletzt Urteil vom 16. Mai 2013 - BVerwG 8 C 14.12 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 284 Rn. 31 ff. m.w.N.). Die Unverträglichkeit von Imkerei und benachbartem Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen - bzw. noch enger gefasst, deren Blüte - zeigt sich zwar jeweils in einem engen zeitlichen Korridor. Dass sie typischerweise jeweils nur auf eine Wachstumsperiode beschränkt ist, in der Rechtsschutz in der Hauptsache in aller Regel nicht zu erreichen sein wird, kann so aber nicht angenommen werden. Denn über den in der Natur der Sache liegenden Umstand, dass das zu bewältigende Sachproblem jeweils periodisch, aber gleichwohl immer wieder, auftritt, hilft in aller Regel die vom Kläger auch erhobene vorbeugende Unterlassungsklage bzw. Feststellungsklage hinweg.

(1) Das Mitglied der Rechtsanwaltskammer kann bei der Staatsanwaltschaft beantragen, das anwaltsgerichtliche Verfahren gegen sich einzuleiten, damit es sich von dem Verdacht einer Pflichtverletzung reinigen kann. Wegen eines Verhaltens, wegen dessen Zwangsgeld angedroht oder festgesetzt worden ist (§ 57) oder das der Vorstand der Rechtsanwaltskammer gerügt hat (§ 74), kann das Mitglied den Antrag nicht stellen.

(2) Gibt die Staatsanwaltschaft dem Antrag des Mitglieds keine Folge oder verfügt sie die Einstellung des Verfahrens, so hat sie ihre Entschließung dem Mitglied unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Das Mitglied kann beim Anwaltsgerichtshof die gerichtliche Entscheidung beantragen, wenn in den Gründen

1.
eine Pflichtverletzung nach § 113 Absatz 1 bis 3 festgestellt, das anwaltsgerichtliche Verfahren aber nicht eingeleitet wird oder
2.
offengelassen wird, ob eine Pflichtverletzung nach § 113 Absatz 1 bis 3 vorliegt.
Der Antrag ist binnen eines Monats nach der Bekanntmachung der Entschließung der Staatsanwaltschaft zu stellen.

(3) Auf das Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof ist § 173 Abs. 1 und 3 der Strafprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Der Anwaltsgerichtshof entscheidet durch Beschluss, ob eine Pflichtverletzung nach § 113 Absatz 1 bis 3 des Mitglieds der Rechtsanwaltskammer festzustellen ist. Der Beschluß ist mit Gründen zu versehen. Erachtet der Anwaltsgerichtshof das Mitglied einer anwaltsgerichtlich zu ahndenden Pflichtverletzung für hinreichend verdächtig, so beschließt er die Einleitung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens. Die Durchführung dieses Beschlusses obliegt der Staatsanwaltschaft.

(4) Erachtet der Anwaltsgerichtshof eine Pflichtverletzung nach § 113 Absatz 1 bis 3 nicht für gegeben, so kann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel wegen desselben Verhaltens ein Antrag auf Einleitung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens gestellt oder eine Rüge durch den Vorstand der Rechtsanwaltskammer erteilt werden.

Werbung ist dem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. September 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen belehrende Hinweise der Beklagten vom 7. Januar 2013 und 15. Februar 2013. Diese waren auf seine Bitte ergangen, die berufsrechtliche Zulässigkeit von ihm ins Auge gefasster und so bezeichneter "Schockwerbung" für seine Kanzlei zu beurteilen. Zugrunde liegt, dass der Kläger zu Werbezwecken Kaffeetassen verbreiten will, die er mit verschiedenen Aufdrucken von Bildern, diesen beigestellten Textzeilen sowie den Kontaktdaten seiner Kanzlei versehen möchte.

2

In Streit stehen noch drei solcher Aufdrucke. Der erste Aufdruck enthält eine mit diagonal verlaufenden roten Linien durchgestrichene fotografische Abbildung. Sie zeigt eine Frau, die ein auf ihren Knien liegendes, ersichtlich schreiendes Mädchen mit einem Gegenstand auf das nackte Gesäß schlägt. Neben dem Bild ist aufgedruckt: "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1631 Abs. 2 BGB)". Der zweite - zeichnerische - Abbildungsabdruck stellt einen eine Pfeife rauchenden Mann dar, der einer auf seinen Knien liegenden erwachsenen Frau mit einem Gegenstand auf das entblößte Gesäß schlägt. Daneben findet sich der Text: "Wurden Sie Opfer einer Straftat?". Der dritte Aufdruck setzt sich zusammen aus einer fotografischen Abbildung einer jungen Frau, die sich erkennbar aus Verzweiflung den Mündungslauf einer Schusswaffe unter das Kinn hält, und der daneben angebrachten Textzeile "Nicht verzagen, R.    fragen".

3

In den genannten Bescheiden gab die Beklagte dem Kläger jeweils auf, die Werbung wegen Unvereinbarkeit mit dem anwaltlichen Berufsrecht sowie dem Wettbewerbsrecht zu unterlassen. Die dem Kläger förmlich zugestellten Bescheide enthielten eine Rechtsmittelbelehrung, wonach binnen eines Monats nach Zustellung Klage beim Anwaltsgerichtshof erhoben werden könne.

4

Die durch den Kläger gegen die Bescheide erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof als unzulässig abgewiesen, weil die belehrenden Hinweise zukünftiges Verhalten beträfen, weswegen ihnen keine Verwaltungsaktqualität zukomme. Der Senat hat die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 21. Januar 2014 zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

5

Die Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.

6

1. Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs ist die Klage allerdings als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

7

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie die angefochtenen Bescheide mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; Beschlüsse vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 62 f.; jeweils m.w.N.). Der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich die Bescheide nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des Klägers beziehen. Zwar hat der Senat zum vormals geltenden Verfahrensrecht mehrfach ausgesprochen, dass Auskünfte der Rechtsanwaltskammern über die Rechtmäßigkeit künftigen Verhaltens des Rechtsanwalts grundsätzlich nicht anfechtbar sind, weil sie keine Schuld feststellen und nicht in dessen Rechte eingreifen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 1962 - AnwZ (B) 10/62, BGHZ 37, 396, 401; vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 20/96, NJW-RR 1997, 759; vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 28/00, BRAK-Mitt 2001, 188, 189; vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 38/05, NJW 2006, 2926 Rn. 2).

8

Jedoch gehen die streitbefangenen Bescheide nach ihrem bei der Auslegung maßgebenden objektiven Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts (vgl. nur von Alemann/Scheffczyk in BeckOK VwVfG, Stand 1. Juli 2014, § 35 Rn. 46 m.w.N.) schon ausweislich der jeweils verwendeten Entscheidungsformel über solche präventive Auskünfte hinaus. Diese stellen fest, dass die Verwendung der verfahrensgegenständlichen Aufdrucke zu Werbezwecken rechtswidrig ist, und sprechen konkrete Verbote aus ("... ist nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht ... vereinbar und daher von Ihnen zu unterlassen"). Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. auch BayVGH, BayVBl 2006, 635; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 35 Rn. 83 m.w.N.). Die Bescheide lassen erkennen, dass sich die Beklagte im Vorgriff auf eine bei Zuwiderhandeln gegen die Verbote ohne Weiteres erfolgende Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Fragen festgelegt hat. Darüber hinaus sind sie mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für das Vorliegen von Verwaltungsakten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7 m.w.N.; BVerwGE 29, 310, 312 f.; 99, 101, 104; BVerwG, NVwZ-RR 2005, 343; Stelkens, aaO, § 35 Rn. 72 m.w.N.; von Alemann/Scheffczyk, aaO, § 35 Rn. 35 f.).

9

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

10

a) Die Beklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung der vorgelegten Aufdrucke in Form belehrender Hinweise nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO mitzuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwalt im Rahmen solcher Hinweise zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, aaO; Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, aaO; jeweils m.w.N.). Gründe, die zu einer anderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kläger aufgrund der Hinweise in keiner Weise gehindert ist, die Aufdrucke gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. zu verbotener Vorzensur BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 70. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 m.w.N.).

11

b) Der Senat teilt die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Meinung der Beklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar ist.

12

aa) Das in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), unter Umständen auch der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656, 2657). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36 und hierzu EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12, NJW 2014, 554 Rn. 18, 20 f.). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" BVerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993 S. 28; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/7656 S. 48) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail krit. - von Lewinski in Hartung, BORA/FAO, 5. Aufl., § 6 BORA Rn. 29; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 43b Rn. 30; Böhnlein in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 43b Rn. 20 f.; jeweils m.w.N.; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.; s. aber dort Rn. 269 m.w.N.).

13

Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienen dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern; mit der Stellung eines Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden Bürgers eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt und mit der eigentlichen Leistung des Anwalts sowie dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun hat (vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO). Verboten werden können danach unter anderem Werbemethoden, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind (BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO; 2001, 2620 m.w.N.).

14

Es ist einem Rechtsanwalt zwar nicht verwehrt, für seine Werbung Bilder oder Fotografien zu verwenden (vgl. Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 32; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 75), Gegenstände wie etwa Tassen als Werbeträger einzusetzen (Prütting, aaO, § 43b BRAO, Rn. 37; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 87) oder auch Ironie und Sprachwitz als Stilmittel zu gebrauchen (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324, 3325; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 26). Die Grenzen zulässiger Werbung sind jedoch überschritten, wenn die Werbung darauf abzielt, gerade durch ihre reißerische und/oder sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge, dass ein etwa vorhandener Informationswert in den Hintergrund gerückt wird oder gar nicht mehr erkennbar ist (vgl. auch BGH, Urteile vom 1. März 2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 76 und vom 21. Februar 2002 - I ZR 281/99, NJW 2002, 2642, 2644). Derartige Werbemethoden sind geeignet, die Rechtsanwaltschaft als seriöse Sachwalterin der Interessen Rechtsuchender zu beschädigen (vgl. auch BVerfG [Kammer], BRAK-Mitt. 2000, 137, 138; Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 38).

15

bb) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b BRAO) überschreiten aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324 m.w.N.) in der gebotenen Gesamtbetrachtung der Bilder und der ihnen jeweils beigestellten Textzeilen sämtliche streitbefangenen Aufdrucke.

16

(1) Diese Bewertung wird für den Aufdruck 1 nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Textzeile "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1626 Abs. 2 BGB)" für sich genommen einen gewissen Informationsgehalt aufweist und als solche in einer anwaltlichen Werbung nicht zu beanstanden wäre. Denn "Blickfang" für den Betrachter ist - vom Kläger auch so beabsichtigt - die realistische Darstellung des Verprügelns eines Kindes. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass das Kind am Unterleib nackt ist, wobei die Unterhose bis zu den Knien herabgezogen ist. Da Nacktheit fraglos kein essentielles Element der Darstellung einer Kindesmisshandlung ist, legt dies die Annahme nahe, dass bei einem Teil des Betrachterkreises auch sexuelles Interesse geweckt werden soll. Die mit dem Bild in Zusammenhang gestellte Tatsache, dass die körperliche Misshandlung von Kindern im Rahmen der Erziehung in Deutschland seit langem ausdrücklich verboten ist, gerät auf diese Weise zu bloßem Beiwerk und vermag deshalb auch nicht - was der Kläger zuletzt in den Vordergrund gerückt hat - einen Beitrag zu einer gesellschaftskritischen Auseinandersetzung zu leisten, zumal die Abbildung auf zu Werbezwecken verbreiteten, vom Kläger so genannten "Humpen" aufgedruckt ist. Auch der Umstand, dass der Aufdruck durchgestrichen ist, kann in Anbetracht der reißerischen und sexualisierenden Darstellung keinen Ausgleich schaffen. Die Beklagte hat mit Recht darauf hingewiesen, dass solche Werbung geeignet wäre, bei der rechtsuchenden Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, die Rechtsanwaltschaft habe Derartiges nötig, um Mandate zu erlangen, und damit das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt zu beeinträchtigen.

17

(2) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Textzeile gemäß Aufdruck 2 "Wurden Sie Opfer einer Straftat?" etwa deswegen noch eine hinreichend berufsbezogene Information enthält, weil möglichen Rechtsuchenden - hier dem freilich wohl eher vordergründig angesprochenen Adressatenkreis der Opfer häuslicher Gewalt - in der Zusammenschau mit der Berufsangabe des Klägers und seinen Kontaktdaten vermittelt wird, dass durch diesen eine Beratung beispielsweise über zivil-, straf- oder sozialrechtliche Verletztenrechte angeboten wird. Denn es dominiert der gestalterisch hergestellte Zusammenhang mit einer an eine Karikatur erinnernden Zeichnung, die sich in einer klischeehaften Entstellung forensisch bekannter Phänomene häuslicher Gewalt erschöpft. Hierdurch werden dieser Adressatenkreis sowie sein Rechtsschutzbedürfnis abgewertet sowie ins Lächerliche gezogen und für die "Werbebotschaft" instrumentalisiert. Die stark sexualisierende Darstellung mit einem in das Zentrum des Bildes gerückten entblößten Gesäß einer erwachsenen Frau, deren Unterhose bis zu den Oberschenkeln heruntergezogen ist, kommt hinzu. Solches erscheint in anwaltlicher Werbung nicht tragbar.

18

(3) Ebenfalls durch eine unangemessene Ironisierung geprägt ist angesichts des neben der Abbildung einer verzweifelten potentiellen Suizidentin angebrachten Reims "Nicht verzagen, R.    fragen" der Aufdruck 3. Zugleich ist er aufgrund der martialischen Darstellung einer Schusswaffe am Kinn eines Menschen abermals durch eine reißerische Aufmachung gekennzeichnet. Überdies vermittelt die Gesamtschau des Aufdrucks keinen spezifischen Hinweis auf das Berufsbild des Rechtsanwalts oder gar auf das konkrete Tätigkeitsfeld des Klägers. Durch die fotografisch dargestellte äußerste Verzweiflung eines Menschen in Verbindung mit dem genannten Reim wird vielmehr eine umfassende Hilfe in allen denkbaren Lebenslagen suggeriert, die der Kläger kaum zu leisten imstande wäre. Ein Zusammenhang mit anwaltlicher Betätigung kann allenfalls in loser Assoziation hergestellt werden und wäre in der Sache verzerrt.

II.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser                        König                         Remmert

                Martini                       Quaas

Werbung ist dem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. September 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen belehrende Hinweise der Beklagten vom 7. Januar 2013 und 15. Februar 2013. Diese waren auf seine Bitte ergangen, die berufsrechtliche Zulässigkeit von ihm ins Auge gefasster und so bezeichneter "Schockwerbung" für seine Kanzlei zu beurteilen. Zugrunde liegt, dass der Kläger zu Werbezwecken Kaffeetassen verbreiten will, die er mit verschiedenen Aufdrucken von Bildern, diesen beigestellten Textzeilen sowie den Kontaktdaten seiner Kanzlei versehen möchte.

2

In Streit stehen noch drei solcher Aufdrucke. Der erste Aufdruck enthält eine mit diagonal verlaufenden roten Linien durchgestrichene fotografische Abbildung. Sie zeigt eine Frau, die ein auf ihren Knien liegendes, ersichtlich schreiendes Mädchen mit einem Gegenstand auf das nackte Gesäß schlägt. Neben dem Bild ist aufgedruckt: "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1631 Abs. 2 BGB)". Der zweite - zeichnerische - Abbildungsabdruck stellt einen eine Pfeife rauchenden Mann dar, der einer auf seinen Knien liegenden erwachsenen Frau mit einem Gegenstand auf das entblößte Gesäß schlägt. Daneben findet sich der Text: "Wurden Sie Opfer einer Straftat?". Der dritte Aufdruck setzt sich zusammen aus einer fotografischen Abbildung einer jungen Frau, die sich erkennbar aus Verzweiflung den Mündungslauf einer Schusswaffe unter das Kinn hält, und der daneben angebrachten Textzeile "Nicht verzagen, R.    fragen".

3

In den genannten Bescheiden gab die Beklagte dem Kläger jeweils auf, die Werbung wegen Unvereinbarkeit mit dem anwaltlichen Berufsrecht sowie dem Wettbewerbsrecht zu unterlassen. Die dem Kläger förmlich zugestellten Bescheide enthielten eine Rechtsmittelbelehrung, wonach binnen eines Monats nach Zustellung Klage beim Anwaltsgerichtshof erhoben werden könne.

4

Die durch den Kläger gegen die Bescheide erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof als unzulässig abgewiesen, weil die belehrenden Hinweise zukünftiges Verhalten beträfen, weswegen ihnen keine Verwaltungsaktqualität zukomme. Der Senat hat die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 21. Januar 2014 zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

5

Die Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.

6

1. Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs ist die Klage allerdings als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

7

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie die angefochtenen Bescheide mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; Beschlüsse vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 62 f.; jeweils m.w.N.). Der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich die Bescheide nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des Klägers beziehen. Zwar hat der Senat zum vormals geltenden Verfahrensrecht mehrfach ausgesprochen, dass Auskünfte der Rechtsanwaltskammern über die Rechtmäßigkeit künftigen Verhaltens des Rechtsanwalts grundsätzlich nicht anfechtbar sind, weil sie keine Schuld feststellen und nicht in dessen Rechte eingreifen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 1962 - AnwZ (B) 10/62, BGHZ 37, 396, 401; vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 20/96, NJW-RR 1997, 759; vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 28/00, BRAK-Mitt 2001, 188, 189; vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 38/05, NJW 2006, 2926 Rn. 2).

8

Jedoch gehen die streitbefangenen Bescheide nach ihrem bei der Auslegung maßgebenden objektiven Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts (vgl. nur von Alemann/Scheffczyk in BeckOK VwVfG, Stand 1. Juli 2014, § 35 Rn. 46 m.w.N.) schon ausweislich der jeweils verwendeten Entscheidungsformel über solche präventive Auskünfte hinaus. Diese stellen fest, dass die Verwendung der verfahrensgegenständlichen Aufdrucke zu Werbezwecken rechtswidrig ist, und sprechen konkrete Verbote aus ("... ist nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht ... vereinbar und daher von Ihnen zu unterlassen"). Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. auch BayVGH, BayVBl 2006, 635; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 35 Rn. 83 m.w.N.). Die Bescheide lassen erkennen, dass sich die Beklagte im Vorgriff auf eine bei Zuwiderhandeln gegen die Verbote ohne Weiteres erfolgende Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Fragen festgelegt hat. Darüber hinaus sind sie mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für das Vorliegen von Verwaltungsakten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7 m.w.N.; BVerwGE 29, 310, 312 f.; 99, 101, 104; BVerwG, NVwZ-RR 2005, 343; Stelkens, aaO, § 35 Rn. 72 m.w.N.; von Alemann/Scheffczyk, aaO, § 35 Rn. 35 f.).

9

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

10

a) Die Beklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung der vorgelegten Aufdrucke in Form belehrender Hinweise nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO mitzuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwalt im Rahmen solcher Hinweise zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, aaO; Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, aaO; jeweils m.w.N.). Gründe, die zu einer anderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kläger aufgrund der Hinweise in keiner Weise gehindert ist, die Aufdrucke gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. zu verbotener Vorzensur BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 70. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 m.w.N.).

11

b) Der Senat teilt die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Meinung der Beklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar ist.

12

aa) Das in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), unter Umständen auch der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656, 2657). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36 und hierzu EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12, NJW 2014, 554 Rn. 18, 20 f.). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" BVerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993 S. 28; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/7656 S. 48) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail krit. - von Lewinski in Hartung, BORA/FAO, 5. Aufl., § 6 BORA Rn. 29; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 43b Rn. 30; Böhnlein in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 43b Rn. 20 f.; jeweils m.w.N.; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.; s. aber dort Rn. 269 m.w.N.).

13

Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienen dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern; mit der Stellung eines Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden Bürgers eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt und mit der eigentlichen Leistung des Anwalts sowie dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun hat (vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO). Verboten werden können danach unter anderem Werbemethoden, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind (BVerfG [Kammer], NJW 2004, 2656 aaO; 2001, 2620 m.w.N.).

14

Es ist einem Rechtsanwalt zwar nicht verwehrt, für seine Werbung Bilder oder Fotografien zu verwenden (vgl. Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 32; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 75), Gegenstände wie etwa Tassen als Werbeträger einzusetzen (Prütting, aaO, § 43b BRAO, Rn. 37; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 87) oder auch Ironie und Sprachwitz als Stilmittel zu gebrauchen (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324, 3325; von Lewinski, aaO, § 6 BORA Rn. 26). Die Grenzen zulässiger Werbung sind jedoch überschritten, wenn die Werbung darauf abzielt, gerade durch ihre reißerische und/oder sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge, dass ein etwa vorhandener Informationswert in den Hintergrund gerückt wird oder gar nicht mehr erkennbar ist (vgl. auch BGH, Urteile vom 1. März 2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 76 und vom 21. Februar 2002 - I ZR 281/99, NJW 2002, 2642, 2644). Derartige Werbemethoden sind geeignet, die Rechtsanwaltschaft als seriöse Sachwalterin der Interessen Rechtsuchender zu beschädigen (vgl. auch BVerfG [Kammer], BRAK-Mitt. 2000, 137, 138; Prütting, aaO, § 43b BRAO Rn. 38).

15

bb) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b BRAO) überschreiten aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2001, 3324 m.w.N.) in der gebotenen Gesamtbetrachtung der Bilder und der ihnen jeweils beigestellten Textzeilen sämtliche streitbefangenen Aufdrucke.

16

(1) Diese Bewertung wird für den Aufdruck 1 nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Textzeile "Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1626 Abs. 2 BGB)" für sich genommen einen gewissen Informationsgehalt aufweist und als solche in einer anwaltlichen Werbung nicht zu beanstanden wäre. Denn "Blickfang" für den Betrachter ist - vom Kläger auch so beabsichtigt - die realistische Darstellung des Verprügelns eines Kindes. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass das Kind am Unterleib nackt ist, wobei die Unterhose bis zu den Knien herabgezogen ist. Da Nacktheit fraglos kein essentielles Element der Darstellung einer Kindesmisshandlung ist, legt dies die Annahme nahe, dass bei einem Teil des Betrachterkreises auch sexuelles Interesse geweckt werden soll. Die mit dem Bild in Zusammenhang gestellte Tatsache, dass die körperliche Misshandlung von Kindern im Rahmen der Erziehung in Deutschland seit langem ausdrücklich verboten ist, gerät auf diese Weise zu bloßem Beiwerk und vermag deshalb auch nicht - was der Kläger zuletzt in den Vordergrund gerückt hat - einen Beitrag zu einer gesellschaftskritischen Auseinandersetzung zu leisten, zumal die Abbildung auf zu Werbezwecken verbreiteten, vom Kläger so genannten "Humpen" aufgedruckt ist. Auch der Umstand, dass der Aufdruck durchgestrichen ist, kann in Anbetracht der reißerischen und sexualisierenden Darstellung keinen Ausgleich schaffen. Die Beklagte hat mit Recht darauf hingewiesen, dass solche Werbung geeignet wäre, bei der rechtsuchenden Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, die Rechtsanwaltschaft habe Derartiges nötig, um Mandate zu erlangen, und damit das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt zu beeinträchtigen.

17

(2) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Textzeile gemäß Aufdruck 2 "Wurden Sie Opfer einer Straftat?" etwa deswegen noch eine hinreichend berufsbezogene Information enthält, weil möglichen Rechtsuchenden - hier dem freilich wohl eher vordergründig angesprochenen Adressatenkreis der Opfer häuslicher Gewalt - in der Zusammenschau mit der Berufsangabe des Klägers und seinen Kontaktdaten vermittelt wird, dass durch diesen eine Beratung beispielsweise über zivil-, straf- oder sozialrechtliche Verletztenrechte angeboten wird. Denn es dominiert der gestalterisch hergestellte Zusammenhang mit einer an eine Karikatur erinnernden Zeichnung, die sich in einer klischeehaften Entstellung forensisch bekannter Phänomene häuslicher Gewalt erschöpft. Hierdurch werden dieser Adressatenkreis sowie sein Rechtsschutzbedürfnis abgewertet sowie ins Lächerliche gezogen und für die "Werbebotschaft" instrumentalisiert. Die stark sexualisierende Darstellung mit einem in das Zentrum des Bildes gerückten entblößten Gesäß einer erwachsenen Frau, deren Unterhose bis zu den Oberschenkeln heruntergezogen ist, kommt hinzu. Solches erscheint in anwaltlicher Werbung nicht tragbar.

18

(3) Ebenfalls durch eine unangemessene Ironisierung geprägt ist angesichts des neben der Abbildung einer verzweifelten potentiellen Suizidentin angebrachten Reims "Nicht verzagen, R.    fragen" der Aufdruck 3. Zugleich ist er aufgrund der martialischen Darstellung einer Schusswaffe am Kinn eines Menschen abermals durch eine reißerische Aufmachung gekennzeichnet. Überdies vermittelt die Gesamtschau des Aufdrucks keinen spezifischen Hinweis auf das Berufsbild des Rechtsanwalts oder gar auf das konkrete Tätigkeitsfeld des Klägers. Durch die fotografisch dargestellte äußerste Verzweiflung eines Menschen in Verbindung mit dem genannten Reim wird vielmehr eine umfassende Hilfe in allen denkbaren Lebenslagen suggeriert, die der Kläger kaum zu leisten imstande wäre. Ein Zusammenhang mit anwaltlicher Betätigung kann allenfalls in loser Assoziation hergestellt werden und wäre in der Sache verzerrt.

II.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser                        König                         Remmert

                Martini                       Quaas

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen einen belehrenden Hinweis der Beklagten vom 26. Mai 2015. Dieser war auf seine Bitte ergangen, ihn über die berufsrechtliche Zulässigkeit eines von ihm ins Auge gefassten Aufdrucks beziehungsweise einer Bestickung seiner Anwaltsrobe auf deren oberen Rückenbereich mit den Worten "Dr. R.      " und der Internetadresse "www.dr-r.  .de" zu belehren.

2

In dem - dem Kläger zugestellten und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen - Bescheid belehrte die Beklagte den Kläger dahingehend, dass das Tragen der Anwaltsrobe mit dem vorgenannten Aufdruck nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht vereinbar und daher von ihm künftig zu unterlassen sei. Mit der geplanten Verwendung der Robe verstoße er gegen § 43b BRAO, § 6 Abs. 1, § 20 BORA. Es handele sich um ein werbliches Auftreten nach außen, das dazu diene, in den Gerichtssälen bewusst Zuhörer und andere auf sich aufmerksam zu machen, um hierdurch für neue Mandate zu werben. Diese Werbung sei unsachlich, weil ein Gerichtssaal der falsche Ort für Werbung insgesamt sei. Außerdem verstoße er durch das Tragen der Robe gegen § 20 BORA, da von der üblichen Berufstracht abgewichen werde.

3

Der Anwaltsgerichtshof hat die vom Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2015 erhobene Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.

4

Der Kläger beantragt nunmehr das Urteil des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Az. 1 AGH 16/15, vom 29. Mai 2015, sowie den Bescheid der Beklagten, Az. III. Abt. 275/2014, vom 26. Mai 2015 aufzuheben.

5

hilfsweise,

6

das Urteil des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Az. 1 AGH 16/15, vom 29. Mai 2015, sowie den Bescheid der Beklagten, Az. III. Abt. 275/2014, vom 26. Mai 2015 insoweit aufzuheben, als dem Kläger darin auch untersagt wird,

- die verfahrensgegenständliche Robe vor Gerichten zu tragen, vor denen Robenzwang für Rechtsanwälte nicht besteht, sowie

- die verfahrensgegenständliche Robe auch dann zu tragen, selbst wenn die Vorsitzende Richterin/der Vorsitzende Richter deren Tragen im Rahmen der Sitzungspolizei zugelassen hat.

7

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

8

Die Berufung hat keinen Erfolg.

9

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

10

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie der angefochtene Bescheid mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. nur BGH, Urteile vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7 und vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; jeweils mwN). Der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich der Bescheid nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des Klägers bezieht. Er geht schon ausweislich der Entscheidungsformel über eine lediglich präventive Auskunft hinaus, da er feststellt, dass die Verwendung des verfahrensgegenständlichen Robenaufdrucks rechtswidrig ist, und ein konkretes Verbot ausspricht. Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO mwN). Darüber hinaus ist der Bescheid mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für das Vorliegen eines Verwaltungsakts (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO; Beschluss vom 30. November 2009 - AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7; jeweils mwN).

11

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

12

a) Die Beklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung des beabsichtigten Robenaufdrucks in Form eines belehrenden Hinweises nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO mitzuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwalt im Rahmen eines solchen Hinweises zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. Senat, Urteile vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 10 und vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11 aaO; jeweils mwN). Gründe, die zu einer anderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kläger aufgrund des Hinweises in keiner Weise gehindert ist, den Aufdruck gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 32; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO; zu verbotener Vorzensur vgl. BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 68. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 mwN).

13

b) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat der Anwaltsgerichtshof in dem Tragen einer nach dem Muster des Klägers bestickten oder bedruckten Robe vor Gericht einen Verstoß gegen § 20 BORA gesehen. Diese - auf der Grundlage von § 59b Abs. 2 Nr. 6c BRAO erlassene - berufsrechtliche Vorschrift steht jeglicher Werbung auf einer Robe im Gerichtssaal entgegen (nachfolgend aa). Bei dem Aufdruck auf der Robe des Klägers handelt es sich um eine solche unzulässige Werbung (nachfolgend bb).

14

aa) Nach § 20 BORA trägt der Rechtsanwalt vor Gericht als Berufstracht die Robe, soweit dies üblich ist. Eine Berufspflicht zum Erscheinen in Robe besteht beim Amtsgericht in Zivilsachen nicht.

15

(1) Die in § 20 BORA bestimmte Pflicht zum Tragen einer Robe setzt voraus, dass die Robe nicht mit Werbeaufdrucken oder ähnlichen werbenden Aufbringungen versehen ist (Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 20 BORA Rn. 41; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 20 BORA Rn. 5; Brüggemann in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 20 BORA Rn. 3). Dies ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, aus Sinn und Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe. Es besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit daran, dass Gerichtsverhandlungen in guter Ordnung und angemessener Form durchgeführt werden können. Diesem Zweck dient es, wenn auch die an der Verhandlung beteiligten Rechtsanwälte eine Amtstracht tragen (BVerfGE 28, 21, 31 f.). Sie werden dadurch aus dem Kreis der übrigen Teilnehmer an der Verhandlung herausgehoben; ihre Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) wird sichtbar gemacht (BVerfG aaO; Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 16, 41; Wolf in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 1 BRAO Rn. 91). Darin liegt auch ein zumindest mittelbarer Nutzen für die Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess; denn die Übersichtlichkeit der Situation im Verhandlungsraum wird gefördert und zugleich ein Beitrag zur Schaffung der Atmosphäre der Ausgeglichenheit und Objektivität geleistet, in der allein Rechtsprechung sich in angemessener Form darstellen kann (BVerfG aaO). Durch das Anlegen der Robe tritt der Rechtsanwalt mithin als Person hinter seiner Funktion als Prozessbeteiligter zurück (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128).

16

Dieser Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe steht jeglichem Werbeaufdruck auf der Robe entgegen. Letztere verkörpert - im Unterschied zu anderen Berufskleidungen und zu anderen Kleidungsstücken des Rechtsanwalts - für alle Anwesenden erkennbar die Organstellung des Rechtsanwalts und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität sowie der Verallgemeinerungsfähigkeit der Rechtsanwendung geprägt ist (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128). Ein Werbeaufdruck stört - unabhängig von seinem Inhalt - diese Funktion, Aussage und Wirkung der Robe. Anwaltliche Werbung ist ein Verhalten, das darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rechtsanwalts zu gewinnen (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2015 - AnwZ (Brfg) 19/15, BRAK-Mitt. 2016, 72 Rn. 5; Urteil vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 18 und Beschluss vom 23. September 2002 - AnwZ (Brfg) 67/01, NJW 2003, 346). Durch ihre Aufbringung auf die vor Gericht getragene Robe wird letztere zweckentfremdet und werden ihre eigentlichen, vorstehend dargestellten Zwecke wesentlich beeinträchtigt. Der Rechtsanwalt tritt mittels der Robe als "Werbeträger" hervor und mindert auf diese Weise die vorgenannte Funktion und Wirkung der Robe.

17

Soweit der Kläger meint, durch die namentliche Kennzeichnung werde der Sinn des Robetragens verstärkt, wenn sich nicht nur die Anwaltseigenschaft, sondern auch die konkrete Person des Anwalts erkennen lasse, missversteht er Sinn und Zweck der Robe. Durch sie soll der Rechtsanwalt gerade nicht als konkrete Person, sondern als unabhängiges Organ der Rechtspflege aus dem übrigen Teilnehmerkreis hervorgehoben werden. Eine namentliche Kennzeichnung auf der Robe dient diesem Zweck nicht.

18

(2) Das Gebot der Werbefreiheit von Roben gilt, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend erkannt hat, auch für Roben, die von Rechtsanwälten in Gerichtsverhandlungen getragen werden, für die nach § 20 BORA eine Robenpflicht nicht besteht. Die Funktion der Robe ist nicht abhängig von der Pflicht zu ihrer Verwendung. Wird sie von einem Rechtsanwalt vor Gericht ohne Verpflichtung aus freien Stücken getragen, verliert sie hierdurch nicht ihren Zweck und wird nicht zu einem normalen Kleidungsstück. Nach dem maßgeblichen objektivierten Horizont des Betrachters weist der Rechtsanwalt vielmehr auch in Gerichtsverhandlungen ohne Robenpflicht mit dem Anlegen der Robe auf den vorstehend dargestellten Zweck der Robe hin und macht ihn sich zu Eigen. Mit diesem Zweck ist - wie ausgeführt - eine auf der Robe aufgebrachte Werbung nicht zu vereinbaren.

19

(3) Der somit aus § 20 BORA folgenden Werbefreiheit von vor Gericht getragenen Roben stehen nicht § 43b BRAO und § 6 BORA entgegen. Denn auch nach diesen Vorschriften ist eine solche Werbung nicht erlaubt (siehe nachfolgend zu c).

20

(4) Das aus § 20 BORA folgende Verbot von Werbung auf vor Gericht getragenen Roben ist im Hinblick auf die hiermit verbundene Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG; vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 16 ff. mwN zum Schutzbereich von Berufsausübungs- und Meinungsfreiheit im Falle anwaltlicher Werbung), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Einschränkung beider Grundrechte lässt sich mit sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls rechtfertigen. Letztere sind in dem vorstehend unter (1) näher ausgeführten Sinn und Zweck einer vor Gericht getragenen Anwaltsrobe begründet. In Abwägung dieser Belange des Gemeinwohls mit der geringen, mit einem Werbeverbot auf vor Gericht getragenen Roben verbundenen Grundrechtseinschränkung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

21

Eine entsprechende Beschränkung anwaltlicher Werbung ist auch im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36, und hierzu EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 12; BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12, BGHZ 199, 43 Rn. 18, 20 f.).

22

(5) Das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Bestimmtheitsgebot ist gewahrt. Danach ist erforderlich, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. BVerfGE 78, 205, 212; 84, 133, 149; 87, 234, 263; 102, 254, 337). Dies ist schon dann anzunehmen, wenn sich der Regelungsgehalt der Norm im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden feststellen lässt (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 102, 254 aaO; 110, 33, 56 f.; 117, 71, 111 f.; 131, 88, 118 f.; jeweils mwN). Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot wird eingehalten, wenn sich aus der gesetzlichen Regelung und ihrer Zielsetzung richtungsweisende Gesichtspunkte für die - den Gerichten und Verwaltungsbehörden übertragene - Auslegung der in der Norm verwendeten Begriffe ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 1988 - 1 BvR 900/88, juris Rn. 8).

23

Diesen Anforderungen entspricht vorliegend eine Auslegung von § 20 BORA im Sinne eines Verbots von Werbung auf vor Gericht getragenen Anwaltsroben. Der entsprechende Regelungsgehalt lässt sich - wie gezeigt - im Wege der Heranziehung von Sinn und Zweck der Robe feststellen. Aus ihnen ergeben sich richtungsweisende Gesichtspunkte für eine Auslegung der Vorschrift im vorgenannten Sinn.

24

bb) Bei dem Aufdruck auf der Robe des Klägers handelt es sich um Werbung. Insbesondere die Verwendung des Domain-Namens der Homepage des Klägers als Robenaufdruck ist, wie der Anwaltsgerichtshof in dem angefochtenen Urteil und die Beklagte in dem Bescheid vom 26. Mai 2015 zutreffend ausgeführt haben, Werbung. Denn sie zielt darauf ab, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Klägers zu gewinnen (vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 28 mwN; zur Verwendung von Domain-Namen als Werbung vgl. Senat, Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 8/02, NJW 2003, 504; Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 68 f.; Saenger/Riße, MDR 2005, 1381 f.). Keineswegs handelt es sich um die bloße Kenntlichmachung des Klägers im Gerichtssaal. Diese ist schon nicht geboten. Vor allem aber geht die Angabe des Domain-Namens der Homepage des Klägers auf seiner Robe weit über dessen Kenntlichmachung hinaus. Sie verweist auf die Homepage selbst und die dort vorhandenen, selbstdarstellenden Inhalte. Aus der maßgeblichen Sicht des im Gerichtssaal anwesenden Publikums, zu dessen Kenntnisnahme der Aufdruck bestimmt ist, dient die Angabe einer "Internetadresse" als Aufdruck auf einer Robe daher vorrangig nicht der - auch anders zu bewirkenden - Identifizierbarkeit des Trägers der Robe, sondern der Werbung für dessen auf seiner Homepage näher beschriebenen Leistungen. Der Umstand, dass durch den Domain-Namen unter anderem auch die Identifizierung des Trägers der Robe ermöglicht wird, steht dieser Einordnung des Aufdrucks als vorrangig werbend nicht entgegen.

25

c) Der Senat teilt zudem die in dem angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung der Beklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) nicht vereinbar ist.

26

aa) Das in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; BVerfG, NJW 2004, 2656, 2657; 2015, 1438 Rn. 16 ff.). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (siehe oben b aa (4) zu Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 S. 36). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" BVerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993 S. 28; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/7656 S. 48; zum Verbot einer reißerischen und/oder sexualisierenden Werbung auf Tassen durch einen Rechtsanwalt vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail kritisch - von Lewinski in Hartung/Scharmer aaO § 6 BORA Rn. 29; Prütting in Henssler/Prütting aaO § 43b Rn. 30; jeweils mwN; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.).

27

bb) Anwaltliche Werbung ist nicht auf eine bestimmte Form und ein bestimmtes Mittel beschränkt (von Lewinski aaO Rn. 44). Ein vom Rechtsanwalt zur Selbstdarstellung gewähltes Medium kann daher für sich betrachtet nicht die Unzulässigkeit der Werbung begründen (BVerfG, NJW 2003, 3470 mwN; Prütting aaO Rn. 31). Indes ist nach § 43b Abs. 1 BRAO dem Rechtsanwalt nur solche Werbung erlaubt, die nach Form und Inhalt sachlich unterrichtet. Das Sachlichkeitsgebot betrifft nach dem Willen des Gesetzgebers mithin nicht nur den Inhalt der Werbung, sondern auch ihre Methoden (BT-Drucks. 12/4993 und 12/7656, jeweils aaO). Ob es durch eine konkrete Werbung gewahrt wird, lässt sich daher nur aufgrund einer Gesamtschau bewerten, die Inhalt, Ort und Medium der Werbung einbezieht.

28

cc) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b BRAO) werden durch das Tragen einer Robe nach dem Muster des Klägers aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG, NJW 2001, 3324 mwN) in der gebotenen Gesamtbetrachtung des Aufdrucks, seines Trägermediums (Robe) und des Verwendungsortes überschritten. Die entsprechende Beurteilung in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Die im Gerichtssaal getragene Robe ist kein zulässiges Mittel anwaltlicher Werbung (so auch von Lewinski aaO Rn. 44, 69a).

29

Die Angabe des Namens des Klägers und des Domain-Namens seiner Homepage stellt für sich genommen inhaltlich zwar keine unsachliche Werbung dar. Ihre Aufbringung auf einer vor Gericht getragenen Robe verletzt jedoch das Sachlichkeitsgebot der § 43b Abs. 1, § 6 Abs. 1 BORA. Die Robe verkörpert - wie bereits ausgeführt - für alle im Gerichtssaal Anwesenden erkennbar die Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität geprägt ist. Sie dient damit mittelbar auch der Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess und mithin der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienen ebenfalls dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern (vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; BVerfG, NJW 2004, 2656 aaO; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 13; Prütting aaO Rn. 10). Sie sind daher, soweit Werbung auf Roben betroffen ist, auch vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der anwaltlichen Robe auszulegen. Ein Werbeaufdruck stört aber - unabhängig von seinem Inhalt - die Funktion und Wirkung der Robe. In Folge seiner Aufbringung entsteht ein für alle Betrachter ins Auge springendes, nicht auflösbares Spannungsverhältnis zwischen dem Zweck der Robe und den durch sie verkörperten Inhalten und Zielen einerseits und dem Werbezweck des Aufdrucks andererseits. Die Robe verliert in Folge dieser - durch den Aufdruck herbeigeführten - Widersprüchlichkeit ihres Erscheinungsbildes maßgeblich ihre Funktion. Diese zweckentfremdende Wirkung des Werbeaufdrucks begründet einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot der § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA.

30

d) Die berufsrechtliche Unzulässigkeit einer im Gerichtssaal mit Werbeaufdruck getragenen Robe würde durch eine hierauf bezogene sitzungspolizeiliche Gestattung des Vorsitzenden nicht berührt.

II.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Limperg                         Lohmann                         Remmert

                  Schäfer                                Lauer

Werbung ist dem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.

(1) Soweit dieses Gesetz keine abweichenden Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren enthält, gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Der Anwaltsgerichtshof steht einem Oberverwaltungsgericht gleich; § 112e bleibt unberührt.

(2) Die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter sowie die §§ 35, 36 und 47 der Verwaltungsgerichtsordnung sind nicht anzuwenden. Die Fristen des § 116 Abs. 2 und des § 117 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung betragen jeweils fünf Wochen.

(3) Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage endet abweichend von § 80b der Verwaltungsgerichtsordnung mit der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Der Streitwert bestimmt sich nach § 52 des Gerichtskostengesetzes. Er wird von Amts wegen festgesetzt.

(2) In Verfahren, die Klagen auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder deren Rücknahme oder Widerruf betreffen, ist ein Streitwert von 50 000 Euro anzunehmen. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Klägers, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.

(3) Die Festsetzung ist unanfechtbar; § 63 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.