Bundesfinanzhof Urteil, 13. Juli 2016 - VIII K 1/16


Gericht
Tenor
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Die Nichtigkeitsklage gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28. Juli 2015 VIII R 2/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) unterhielten im Streitjahr (2002) ein Depot bei der X-Bank, in welchem sich u.a. Anteile an sog. "schwarzen" Investmentfonds mit Sitz in den USA befanden.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte im Einkommensteuerbescheid des Streitjahres für diese Fonds Einkünfte der Kläger aus Kapitalvermögen nach § 18 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 des Gesetzes über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge in der im Streitjahr geltenden Fassung (AuslInvestmG) in Höhe von 10 % des Marktpreises der zum 31. Dezember 2002 im Depot befindlichen Fondsanteile (40.009,42 €) und Zwischengewinne nach § 18 Abs. 3 Satz 4 AuslInvestmG in Höhe von 20 % des Veräußerungspreises der im Streitjahr veräußerten Fondsanteile (140.320,42 €) an.
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Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg.
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Das dagegen beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen VIII R 2/09 geführte Revisionsverfahren der Kläger ist mit Einverständnis der Beteiligten durch Beschluss des erkennenden Senats vom 27. August 2014 im Hinblick auf das in einem Parallelverfahren des erkennenden Senats (Beschluss vom 6. August 2013 VIII R 39/12, BFHE 242, 324) erfolgte Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union --EuGH-- (Verfahren Wagner-Raith vom 21. Mai 2015 C-560/13) ausgesetzt worden.
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In diesem Verfahren sind dem EuGH folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt worden:
"1. Steht die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 73b EGV (ab 1. Mai 1999 Art. 56 EG) einer nationalen Regelung (hier: § 18 Abs. 3 AuslInvestmG), wonach für inländische Beteiligte an ausländischen Investmentfonds unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich zu den Ausschüttungen fiktive Einnahmen in Höhe von 90 v.H. der Differenz zwischen dem ersten und dem letzten Rücknahmepreis des Jahres, mindestens aber 10 v.H. des letzten Rücknahmepreises (oder des Börsen- oder Marktwerts) anzusetzen sind, bei Beteiligungen an Drittstaatenfonds deshalb nicht entgegen, weil die seit dem 31. Dezember 1993 im Wesentlichen unveränderte Regelung im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen im Sinne der Bestandsschutzregelung des Art. 73c Abs. 1 EGV (ab 1. Mai 1999 Art. 57 Abs. 1 EG) steht?
Sofern die Frage 1 nicht bejaht wird:2. Stellt die Beteiligung an einem solchen Investmentfonds mit Sitz in einem Drittland stets eine Direktinvestition i.S. des Art. 73c Abs. 1 EGV (ab 1. Mai 1999 Art. 57 Abs. 1 EG) dar oder ist die Antwort hierauf davon abhängig, ob die Beteiligung dem Anleger aufgrund von nationalen Vorschriften des Sitzstaates des Investmentfonds oder aus anderen Gründen die Möglichkeit gibt, sich effektiv an der Verwaltung oder der Kontrolle des Investmentfonds zu beteiligen?"
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Die Revision der Kläger ist nach Wiederaufnahme des Verfahrens --wegen Verzichts der Beteiligten-- ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Urteil vom 28. Juli 2015 unter dem Aktenzeichen VIII R 2/09 (BFHE 251, 162, BStBl II 2016, 447) vom Senat als unbegründet zurückgewiesen worden; die streitentscheidende Norm des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG sei nach dem EuGH-Urteil Wagner-Raith vom 21. Mai 2015 C-560/13 (EU:C:2015:347) wegen der Stand-still-Klausel des Art. 64 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) im Verhältnis zu Drittländern nicht an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen und sei auch mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar.
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Hiergegen richtet sich die Nichtigkeitsklage der Kläger vom 5. Januar 2016.
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Sie rügen die Verletzung ihres Anspruchs auf den gesetzlichen Richter nach §§ 578, 579 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO), § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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Der erkennende VIII. Senat hätte vor Erlass seiner Entscheidung beim I. Senat anfragen müssen, ob dieser an seiner im Urteil vom 25. August 2009 I R 88, 89/07 (BFHE 226, 296, BStBl II 2016, 438) vertretenen Auffassung festhalte und ggf. die Frage dem Großen Senat des BFH vorlegen müssen. Denn der I. Senat habe § 18 Abs. 3 AuslInvestmG nicht nur wegen eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit für nicht anwendbar gehalten, sondern auch wegen eines Verstoßes gegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
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Zudem hätte der erkennende Senat das Verfahren aussetzen und dem EuGH folgende Fragen zur Entscheidung vorlegen müssen:
"1. Ist der allgemein anerkannte europarechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Ausprägung des europarechtlichen Rechtsstaatsprinzips, wonach eine Maßnahme geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein muss, nur anzuwenden, wenn eine Norm (hier: § 18 Abs. 3 AuslInvestmG) gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt und nicht durch die Stillhalteklausel des Art. 64 AEUV gerechtfertigt ist (als Rechtfertigungsgrundsatz in Art. 65 Abs. 3 AEUV) oder kommt der europarechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch auf Steuervorschriften -wie hier § 18 Abs. 3 AuslInvestmG- zur Anwendung, die vor dem 1. Januar 1994 als nationales Gesetz mit erheblichen Verstößen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verabschiedet worden sind (insbesondere als eigenständiger Rechtsgrundsatz z.B. im Sinne einer speziellen Ausprägung des allgemeinen Diskriminierungsverbots und/oder des Willkürverbots als Ausprägung des europarechtlichen Rechtsstaatsprinzips)?
2.a) Für den Fall, dass Frage 1. im Sinne der 2. Alternative bejaht wird: Gibt es aufgrund der europarechtlichen Grundrechte der Gleichbehandlung und des Eigentumschutzes zwingende Vorgaben, wie die Verstöße gegen den europarechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für die Vergangenheit zu heilen sind (z.B. in Anlehnung an inländische weiße Investmentfonds) oder ist insoweit der Gesetzgeber oder die Finanzverwaltung innerhalb der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen (insbesondere Gleichmäßigkeit der Besteuerung, Willkürverbot und Eigentumsgarantie in der Fassung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit) in seiner Umsetzung frei?
2.b) Für den Fall, dass Frage 1. im Sinne der 1. Alternative entschieden wird: Sind die europarechtlichen Grundsätze der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, insbesondere des Willkürverbots und der Eigentumsgarantie in der Fassung der Ausprägung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit vorrangig oder nachrangig nach den vergleichbaren nationalstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen (hier: Art. 3 GG und Art. 14 GG) anzuwenden?
3. Steht der europäische Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einer nationalen Regelung (hier: § 18 Abs. 3 AuslInvestmG) entgegen, wonach für inländische Beteiligte an ausländischen Investmentfonds in Drittstaaten unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich zu den Ausschüttungen fiktive Einnahmen in Höhe von 90 v.H. der Differenz zwischen dem ersten und dem letzten Rücknahmepreis des Jahres, mindestens aber 10 v.H. des letzten Rücknahmepreises (oder des Börsen- oder Marktwerts) anzusetzen sind, ohne dass ein konkreter Nachweis der tatsächlich erzielten Erträge oder eine individuelle Schätzung der Erträge konkret vorgenommen werden kann?"
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Die Kläger beantragen,
das Senatsurteil in BFHE 251, 162, BStBl II 2016, 447 für nichtig zu erklären,
das Revisionsverfahren gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) München vom 16. Dezember 2008 10 K 4614/05 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 554) fortzuführen,
eine Vorabentscheidung des EuGH zu den aufgeworfenen oder sinngemäß formulierten Fragen einzuholen sowie
nach Vorlage der Vorabentscheidung des EuGH erneut über die Revision gegen das FG-Urteil in EFG 2009, 554 auf Basis der bisherigen Anträge zu entscheiden.
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Das FA beantragt,
die Nichtigkeitsklage als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Klage (§ 134 FGO i.V.m. §§ 578 ff. ZPO) ist als unbegründet zurückzuweisen, weil das Senatsurteil in BFHE 251, 162, BStBl II 2016, 447 nicht gegen das Gebot der Entscheidung durch den gesetzlichen Richter i.S. des § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verstößt.
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Der Senat war entgegen der Auffassung der Kläger weder verpflichtet, den Großen Senat des BFH nach § 11 Abs. 2 und 3 FGO anzurufen, noch bestand eine Verpflichtung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV, hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 18 Abs. 3 AuslInvestmG mit dem Unionsrecht (erneut) den EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens anzurufen.
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1. Nach § 134 FGO i.V.m. §§ 578, 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird ein Verfahren auf Nichtigkeitsklage wieder aufgenommen, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war.
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Die Regelung des § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO stimmt mit dem absoluten Revisionsgrund des § 119 Nr. 1 FGO überein. Verletzt ein Gericht willkürlich seine Vorlagepflicht an ein anderes Gericht, so war das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt und es liegt ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vor (BFH-Beschluss vom 4. September 2009 IV K 1/09, BFH/NV 2010, 218, m.w.N.).
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2. Die Voraussetzungen für eine Anfrage beim I. Senat des BFH und für eine anschließende Anrufung des Großen Senats des BFH waren im Streitfall nicht gegeben.
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a) Wird der Entzug des gesetzlichen Richters gerügt, weil ein Senat des BFH entschieden habe, ohne zuvor den Großen Senat des BFH angerufen zu haben, liegt ein Wiederaufnahmegrund nach ständiger BFH-Rechtsprechung dann vor, wenn nicht nur die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 oder 3 FGO erfüllt sind, sondern in der Nichtanrufung oder Nichtvorlage ein willkürliches Verhalten des Gerichts liegt (BFH-Urteil vom 12. Januar 2011 I K 1/10, BFH/NV 2011, 1159; vgl. auch BFH-Beschluss vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252; BFH-Urteil vom 5. November 1993 VI K 2/92, BFH/NV 1994, 395).
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b) Entgegen der Behauptungen der Kläger waren schon die Voraussetzungen nach § 11 Abs. 2 und 3 FGO nicht erfüllt.
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aa) Danach entscheidet der Große Senat des BFH, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen will (§ 11 Abs. 2 FGO) und der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält (§ 11 Abs. 3 Satz 1 FGO).
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bb) Eine solche Abweichung der Entscheidung des erkennenden Senats vom Urteil des I. Senats des BFH in BFHE 226, 296, BStBl II 2016, 438 ist nicht gegeben.
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Wie der erkennende Senat bereits im angegriffenen Urteil ausgeführt hat, bedarf es einer solchen Anfrage bei dem anderen Senat und damit auch einer Entscheidung des Großen Senats des BFH nicht, wenn dieselbe Rechtsfrage zwischenzeitlich durch den EuGH entschieden worden ist und sich der später erkennende Senat --wie im Streitfall der erkennende VIII. Senat-- dieser Rechtsansicht anschließen will (vgl. Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 11 Rz 18, m.w.N.).
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cc) Entgegen der Behauptung der Kläger hat der I. Senat des BFH die Unionsrechtswidrigkeit von § 18 Abs. 3 AuslInvestmG nicht auf zwei selbständige rechtliche Grundlagen gestützt, von denen nur eine --der Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit-- durch die Entscheidung des EuGH überholt ist.
Der Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war kein daneben tretender Grund der Unionsrechtswidrigkeit, sondern vielmehr --wie es der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des BFH entspricht-- ein Prüfungspunkt im Rahmen einer möglichen Rechtfertigung einer zuvor festgestellten Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit.
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Diese Rechtfertigung hatte der I. Senat des BFH verneint, da die Regelung des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG unverhältnismäßig sei. Dies folgt unmittelbar und eindeutig aus dem Wortlaut und der Urteilsgliederung der Entscheidung des I. Senats des BFH in BFHE 226, 296, BStBl II 2016, 438.
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Da der EuGH jedoch entschieden hat, dass § 18 Abs. 3 AuslInvestmG im Verhältnis zu Drittstaaten nicht an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen ist, ist auch eine Rechtfertigung für einen Verstoß gegen dieselbe nicht erforderlich, so dass die Begründung des I. Senats des BFH in BFHE 226, 296, BStBl II 2016, 438 insgesamt durch die Entscheidung des EuGH überholt ist.
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3. Es liegt auch keine willkürliche Nichtvorlage an den EuGH zwecks Klärung der von den Klägern für bedeutsam erachteten Rechtsfragen vor.
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a) Der EuGH ist allerdings gesetzlicher Richter i.S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Unter den Voraussetzungen des Art. 267 AEUV sind die nationalen Gerichte daher von Amts wegen gehalten, den EuGH anzurufen. Kommt ein letztinstanzliches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nicht nach, kann dem Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsrechtsstreits der gesetzliche Richter entzogen sein.
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Eine Gerichtsentscheidung, in der eine mögliche Vorlage an den EuGH abgelehnt wird, verstößt allerdings nur dann gegen das Gebot des gesetzlichen Richters, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 218; vom 14. Januar 2014 III B 89/13, BFH/NV 2014, 521; Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 25. Februar 2010 1 BvR 230/09, BVerfGK 17, 108; vom 15. Dezember 2011 2 BvR 148/11, BVerfGK 19, 265).
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b) Dies kommt in Betracht, wenn ein letztinstanzliches Hauptsachegericht trotz --seiner Auffassung nach-- bestehender Entscheidungserheblichkeit einer gemeinschaftsrechtlichen Frage eine Vorlage überhaupt nicht in Erwägung zieht (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht), bewusst von der EuGH-Rechtsprechung abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft) und schließlich den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum in Fällen überschritten hat, in denen eine einschlägige EuGH-Rechtsprechung noch nicht oder noch nicht erschöpfend vorliegt oder ihre Fortentwicklung nicht ganz fernliegend ist (Unvollständigkeit der Rechtsprechung).
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Der Beurteilungsspielraum ist dabei überschritten, wenn die Fachgerichte das Vorliegen eines "acte clair" oder eines "acte éclairé" willkürlich bejahen.
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Das Gericht muss sich daher hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen. Etwaige einschlägige Rechtsprechung des EuGH muss es auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren. Auf dieser Grundlage muss sich das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig ("acte clair") oder durch die Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offen lässt ("acte éclairé").
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Unvertretbar gehandhabt wird Art. 267 AEUV im Falle der Unvollständigkeit der Rechtsprechung insbesondere dann, wenn das Fachgericht ohne sachlich einleuchtende Begründung eine von vornherein eindeutige oder zweifelsfrei geklärte Rechtslage bejaht, etwa wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts gegenüber der vom Gericht zugrunde gelegten Meinung eindeutig vorzuziehen sind (BVerfG-Beschlüsse vom 8. April 2015 2 BvR 35/12, juris; vom 7. Oktober 2015 2 BvR 413/15, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2016, 56; BFH-Beschlüsse vom 11. Mai 2007 V S 6/07, BFHE 217, 230, BStBl II 2007, 653, und vom 2. April 2008 I S 5/08, Zeitschrift für Steuern und Recht --ZSteu-- 2008, R 747; vom 14. November 2008 II S 9/08, BFH/NV 2009, 211).
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c) Nach diesen Maßstäben war eine Vorlage an den EuGH nicht geboten.
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aa) Eine grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht sowie ein bewusstes Abweichen von der Rechtsprechung des EuGH liegen bereits deswegen nicht vor, weil sich das Urteil mit der Judikatur des EuGH und den einschlägigen unionsrechtlichen Fragen, soweit der Senat sie für entscheidungserheblich gehalten hat, auseinandergesetzt und der Rechtsprechung des EuGH --insbesondere den Urteilen Wagner-Raith (EU:C:2015:347) und van Caster und van Caster vom 9. Oktober 2014 C-326/12 (EU:C:2014:2269)-- gefolgt ist.
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So wurde das Revisionsverfahren mit Einverständnis der Beteiligten aufgrund des Vorlagebeschlusses des Senats in BFHE 242, 324 an den EuGH im Verfahren VIII R 39/12 ausgesetzt und nach Ergehen der Entscheidung des EuGH unter Berücksichtigung des dort ergangenen Urteils Wagner-Raith (EU:C:2015:347) fortgesetzt. In den Urteilsgründen wird eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) und deren Unbeachtlichkeit wegen Eingreifens der Stand-still-Klausel (Art. 64 AEUV) unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des EuGH dargelegt.
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bb) Der Senat hat auch nicht den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum dadurch überschritten, dass er das Revisionsverfahren nicht erneut ausgesetzt und die von den Klägern erstmals mit der Nichtigkeitsklage vorgetragenen unionsrechtlichen Fragestellungen nach einer isolierten Geltung und Reichweite des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Bezug auf eine nationale Steuerrechtsnorm in einem nicht durch Richtlinien oder EU-Verordnungen harmonisierten Bereich des Ertragsteuerrechts, die zudem noch einen Drittstaatensachverhalt betrifft, auf den die --allein in Betracht kommende-- Kapitalverkehrsfreiheit nicht anwendbar ist, dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt hat.
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Der Senat durfte vielmehr davon ausgehen, dass mit dem Urteil Wagner-Raith (EU:C:2015:347) die Rechtslage in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offen lässt ("acte éclairé").
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Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass Gegenstand des Vorlageersuchens zwar nur die sinngemäße Frage war, ob die Regelung des Art. 18 Abs. 3 AuslInvestmG in den sachlichen Anwendungsbereich der Stand-still-Klausel des Art. 64 AEUV fällt und damit im Verhältnis zu Drittstaaten nicht an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen ist. Der vorlegende Senat hat jedoch in seinem Vorlagebeschluss in BFHE 242, 324 nicht nur die Art und Weise und die Höhe der Besteuerung von "schwarzen" Fonds dargestellt. Er hat sogar explizit ausgeführt, dass er von einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch § 18 Abs. 3 AuslInvestmG ausgeht (Rz 98 bis 101), die nicht durch Art. 65 AEUV gerechtfertigt werden kann (Rz 103 bis 107) und die auch nicht durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist (Rz 108 bis 112), weil sie unverhältnismäßig ist (Rz 113).
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Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH hindert der Umstand, dass das vorlegende Gericht eine Vorlagefrage unter Bezugnahme nur auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, den EuGH nicht daran, diesem Gericht unabhängig davon, worauf es in seinen Fragen Bezug genommen hat, alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache von Nutzen sein können. Der EuGH hat insoweit aus dem gesamten von dem einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (EuGH-Urteil Impresa Edilux srl und SICEF vom 22. Oktober 2015 C-425/14, EU:C:2015:721, Rz 20, m.w.N.).
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Hiervon hat der EuGH keinen Gebrauch gemacht, obwohl auch der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 18. Dezember 2014 C-560/13 (EU:C:2014:2476, Rz 19 ff.) auf diese grundsätzlich bestehende Möglichkeit hingewiesen, sie jedoch im Streitfall nicht befürwortet hat, weil er die Einschätzung des vorlegenden Gerichts, dass die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit --insbesondere nach Ergehen des Urteils in der Sache van Caster und van Caster (EU:C:2014:2269)-- einen "acte claire" darstellt, geteilt (Rz 33 ff.) und sich daher für eine Beschränkung auf die vorgelegte Frage ausgesprochen hat.
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Auch die von den Klägern zitierten Literaturmeinungen (Roth, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht 2015, 349; Patzner/Nagler, Internationales Steuerrecht 2015, 511) enthalten keinen Hinweis darauf, dass nach Ergehen des EuGH-Urteils Wagner-Raith (EU:C:2015:347) nunmehr § 18 Abs. 3 AuslInvestmG wegen eines Verstoßes gegen den unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht anzuwenden sei. Die zitierten Aufsätze gehen vielmehr vom Gegenteil aus - nämlich, dass nunmehr geklärt sei, dass § 18 Abs. 3 AuslInvestmG nicht gegen Unionsrecht verstößt.
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cc) Soweit sich die Willkür nach Auffassung der Kläger daraus ergibt, dass der BFH --auch der erkennende Senat-- in früherer "acte claire" Rechtsprechung § 18 Abs. 3 AuslInvestmG ohne Vorlage an den EuGH selbst als unverhältnismäßig angesehen und daher wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht nicht angewandt habe (BFH-Urteile vom 21. April 2009 VII R 24/07, BFHE 225, 464; in BFHE 226, 296, BStBl II 2016, 438, und der Vorlagebeschluss des Senats in BFHE 242, 324), beruhte dies lediglich auf der früheren Annahme des BFH, die Vorschrift verstoße gegen die Kapitalverkehrsfreiheit; diese Rechtsprechung ist indessen, wie bereits ausgeführt, durch das EuGH-Urteil Wagner-Raith (EU:C:2015:347) überholt, weil der Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten wegen der Stand-still-Klausel unbeachtlich ist. Denn die Notwendigkeit einer Verhältnismäßigkeitsprüfung stellt sich nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH bei der Prüfung von Verletzungen unionsrechtlicher Grundfreiheiten --entgegen der Auffassung der Kläger in der mündlichen Verhandlung-- als unselbständiger Prüfungsgegenstand nur dann, wenn eine der Grundfreiheiten durch eine nationale Regelung betroffen ist und (nur) deshalb Rechtfertigungsgründe für eine Verletzung der Grundfreiheit festzustellen sind (vgl. EuGH-Urteil avoir-fiscal vom 28. Januar 1986 270/83, EU:C:1986:37, NJW 1987, 569).
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4. Die Kläger haben des Weiteren nicht überzeugend dargelegt, inwieweit der von ihnen ebenfalls gerügte Verstoß von § 18 Abs. 3 AuslInvestmG gegen Art. 6, Art. 1 ZP 1 und Art. 14 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten einen Nichtigkeitsgrund i.S. des § 579 Abs. 1 ZPO darstellen könnte.
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Ein Entzug des gesetzlichen Richters i.S. von § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird damit jedenfalls nicht dargelegt. Eine Art. 267 AEUV entsprechende Vorlagepflicht oder Vorlagemöglichkeit eines nationalen Gerichts enthält das Verfahrensrecht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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Annotations
(1) Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens kann durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen.
(2) Werden beide Klagen von derselben Partei oder von verschiedenen Parteien erhoben, so ist die Verhandlung und Entscheidung über die Restitutionsklage bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage auszusetzen.
(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; - 2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist; - 3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; - 4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.
(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozessordnung wiederaufgenommen werden.
(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; - 2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist; - 3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; - 4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.
(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.
(1) Bei dem Bundesfinanzhof wird ein Großer Senat gebildet.
(2) Der Große Senat entscheidet, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will.
(3) Eine Vorlage an den Großen Senat ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befasst werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, nunmehr zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluss in der für Urteile erforderlichen Besetzung.
(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
(5) Der Große Senat besteht aus dem Präsidenten und je einem Richter der Senate, in denen der Präsident nicht den Vorsitz führt. Bei einer Verhinderung des Präsidenten tritt ein Richter aus dem Senat, dem er angehört, an seine Stelle.
(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Den Vorsitz im Großen Senat führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.
(7) Der Große Senat entscheidet nur über die Rechtsfrage. Er kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Seine Entscheidung ist in der vorliegenden Sache für den erkennenden Senat bindend.
Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozessordnung wiederaufgenommen werden.
(1) Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens kann durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen.
(2) Werden beide Klagen von derselben Partei oder von verschiedenen Parteien erhoben, so ist die Verhandlung und Entscheidung über die Restitutionsklage bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage auszusetzen.
(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; - 2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist; - 3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; - 4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.
(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.
Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn
- 1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, - 2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, - 3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, - 4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, - 5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder - 6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.
(1) Bei dem Bundesfinanzhof wird ein Großer Senat gebildet.
(2) Der Große Senat entscheidet, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will.
(3) Eine Vorlage an den Großen Senat ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befasst werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, nunmehr zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluss in der für Urteile erforderlichen Besetzung.
(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
(5) Der Große Senat besteht aus dem Präsidenten und je einem Richter der Senate, in denen der Präsident nicht den Vorsitz führt. Bei einer Verhinderung des Präsidenten tritt ein Richter aus dem Senat, dem er angehört, an seine Stelle.
(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Den Vorsitz im Großen Senat führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.
(7) Der Große Senat entscheidet nur über die Rechtsfrage. Er kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Seine Entscheidung ist in der vorliegenden Sache für den erkennenden Senat bindend.
(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; - 2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist; - 3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; - 4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.
(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.