Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Feb. 2014 - 3 ZB 12.2439

bei uns veröffentlicht am24.02.2014
vorgehend
Verwaltungsgericht Ansbach, 1 K 12.00595, 27.09.2012

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten) und des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen, die darauf gerichtet war, unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheids vom 10. November 2011 den Beklagten zu verurteilen, im Rahmen der Dienstunfallfürsorge die Heilbehandlung des Klägers aufgrund eines Bandscheibenvorfalls als Unfallfolge anzuerkennen und die Kosten für die Heilbehandlung zu übernehmen.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

Gemäß § 63 PfBesG finden die Vorschriften des § 31 BeamtVG Anwendung, da zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bandscheibenvorfalls im Jahr 2011 die Beklagte das Bayerische Beamtenversorgungsgesetz noch nicht für anwendbar erklärt hat.

Das Verwaltungsgericht stützt sich hinsichtlich der Klageabweisung auf das am 1. September 2012 erstellte fachorthopädische Gutachten von Herrn Privatdozent Dr. J. F. Im Beweisbeschluss vom 21. Mai 2012 hat das Verwaltungsgericht mit dem Gutachten Prof. Dr. R. F. beauftragt, der gemäß Nr. 3 des Beschlusses berechtigt war, das Gutachten durch PD Dr. J. F. erstellen zu lassen. Hierzu gab es kein Anschreiben des Gerichts, dass Prof. Dr. R. F. gebeten wurde, das Gutachten durchzusehen und mitzuzeichnen. Durch die Weitergabe des Gutachtensauftrags an PD Dr. J. F. war der ursprüngliche Gutachter nicht verpflichtet, dieses durchzusehen und mitzuzeichnen.

Das Verwaltungsgericht hat sich in seiner Entscheidung auf das Gutachten von PD Dr. J. F. bezogen, der auf S. 93/94 seines Gutachtens ausgeführt hat, dass es nach einem Trauma mit direkter oder indirekter Gewalteinwirkung auf die Lendenwirbelsäule zu einer Vorwölbung oder zum Vorfall von Bandscheibengewebe kommen kann. Findet die Verlagerung des Bandscheibengewebes nach dorsal (wie letztlich beim Kläger im Jahre 2011, fünf Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis, festgestellt) oder dorso-lateral statt, entstehen Krankheitserscheinungen mit Kreuzschmerzen und gegebenenfalls Wurzelreizerscheinungen. Bleiben die Symptome auf die lumbosakrale Region beschränkt, handelt es sich um ein posttraumatisches lokales Lumbalsyndrom. Wenn Nervenwurzeln irritiert werden, entsteht ein posttraumatisches Wurzelkompressionsyndrom. Zur Anamnese geben die Betroffenen in der Regel an, dass die typischen Rücken- und Beinbeschwerden unmittelbar nach dem Unfallereignis oder einer anderen Gewalteinwirkung auf die Wirbelsäule eingetreten sind. Traumabedingte Rückenschmerzen setzen sofort ein. Ausstrahlende Schmerzen ins Bein, als Zeichen einer Wurzelkompression, können entweder ebenfalls sofort einsetzen oder sich im Laufe der nächsten Tage nach dem verursachenden Ereignis entwickeln. Beschwerden, die erst Wochen oder Monate nach dem Unfallereignis auftreten, sind nach K. (Bandscheibenbedingte Erkrankungen, 2006) gutachtlich mit Skepsis zu betrachten. Zusammenfassend stellt K., dessen Meinung sich der Gutachter angeschlossen hat, fest, dass die Bedingungen für die Anerkennung eines Bandscheibenvorfalls als Unfallfolge aus folgenden Gesichtspunkten bestehen:

1. Adäquates Trauma (von außen kommende Gewalteinwirkung), unerwartete Kraftanstrengung mit dem Moment des Unerwarteten, nicht Vorausgesehenen, Unentrinnbaren.

2. Typische Beschwerden müssen sofort einsetzen und

3. der Patient muss unmittelbar vor dem Ereignis beschwerdefrei gewesen sein.

Der Gutachter hat dann festgestellt, dass bei dem Kläger diese drei Punkte nicht gegeben sind, da typische Beschwerden ausweislich der regelmäßigen, auch fachneurologischen Befunde, im zeitlichen Zusammenhang mit dem Dienstunfall vom 30. Mai 2006 nicht vorlagen.

Soweit der Kläger vorträgt, der Sachverständige ginge von unzutreffenden tatsächlichen Feststellungen aus, kann dem nicht gefolgt werden. Zunächst ist darauf abzustellen, dass ein adäquates Trauma vorliegen muss und dass typische Beschwerden sofort einsetzen müssen. Diese Voraussetzungen hat der Sachverständige verneint, ohne dass der Kläger im Zulassungsverfahren diese Annahme des Sachverständigen erschüttern konnte. Dabei ist entscheidend auf die ersten Tage nach dem Unfall abzustellen. Je weiter Feststellungen, die auf einen Bandscheibenunfall hindeuten können, vom Unfalltag entfernt sind, umso schwieriger ist ein Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Bandscheibenvorfall herzustellen, denn Bandscheibenvorfälle können jederzeit auch ohne ein adäquates Trauma auftreten. (Aussage Dr. J. F. in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts vom 27. September 2012).

Im Durchgangsarztbericht vom 2. Juni 2006 wird zwar berichtet, dass die HWS und BWS ebenfalls schmerzhaft sind. Schmerzen an der Lendenwirbelsäule sind jedoch nicht gesondert aufgeführt. Der Neurologe Dr. B. befundet zwar am 4. Juni 2006 ein Taubheitsgefühl am rechten Oberschenkel bis zum Knie. Der Sachverständige Dr. J. F. sieht jedoch bei der neurologischen Untersuchung vom 4. Juni 2006 keinen Hinweis auf das Vorliegen eines Bandscheibenvorfalls. Aus dem Befundbericht von Dr. V., E. Klinik F., vom 8. Juni 2006 ergibt sich, dass bei Angabe einer Hyposensibilität am lateralen Oberschenkel rechts zusätzlich eine neurologische Untersuchung insbesondere im Hinblick auf die diagnostizierte Commotio cerebri erfolgt ist. Nebenbefundlich wurde auch eine lumbale Fassettengelenkarthrose festgestellt. Es erfolgte am 8. Juni 2006 eine Infiltration dieser Fassetten, welche für die Missempfindungen im rechten Bein verantwortlich sein könnten. Aus diesem Bericht ergibt sich, dass die Klinik keinen Zusammenhang zwischen der Hyposensibilität am lateralen Oberschenkel rechts mit einem möglichen Bandscheibenvorfall gesehen hat. Im Entlassungsbericht wurde die Hypästhesie am rechten lateralen Oberschenkel als unverändert beschrieben. In dem Entlassungsbericht findet sich jedoch kein Hinweis als Ursache für einen möglichen Bandscheibenvorfall. In dem Gutachten des kirchlichen Vertrauensarztes Dr. S. vom 26. September 2006 fällt zwar bei der neurologischen Prüfung eine erstgradige Zehenheberschwäche rechts auf, wohl eher schmerzbedingt. Es werden etwas diffuse Sensibilitätsstörungen im Bereich des Oberschenkels rechts festgestellt, hier vor allem lateral, was sowohl einem Kompressionsyndrom der Nervenwurzel L 5 als auch eines sog. Meralgia parästhetica entsprechen könnte. Soweit der Kläger auf weitere Untersuchungen in den Jahren 2007 bis 2011 abstellt, hat der Sachverständige einen Zusammenhang nicht mehr gesehen, da typische Beschwerden nach einem adäquaten Trauma bei Anerkennung eines Bandscheibenvorfalls als Dienstunfallfolge vorkommen müssen. Diese Voraussetzungen erscheinen dadurch bedingt, da Bandscheibenvorfälle aufgrund vielerlei Ursachen entstehen können (Aussage des Dr. J. F. in der mündlichen Verhandlung, wonach Bandscheibenvorfälle selbstverständlich auch ohne vorheriges Unfallereignis auftreten könnten). Insoweit können die ab dem Jahr 2007 bis zum Jahr 2011 folgenden Untersuchungen keinen Zusammenhang mit einem durch den Dienstunfall erlittenen Bandscheibenvorfall begründen. Dr. P. zeigt zwar in seiner Stellungnahme vom 22. Januar 2012 fünf Gesichtspunkte auf, die für einen Bandscheibenvorfall infolge des Unfalls vom 30. Mai 2006 sprechen könnten. Diese Gesichtspunkte können zwar auf einen Bandscheibenvorfall im Zusammenhang mit dem Dienstunfall hindeuten, jedoch ist festzustellen, dass in den Untersuchungen nach dem Dienstunfall die jetzt angeführten Phänomene auf andere Ursachen gestützt wurden. Auch der Umstand, dass der sequestrierte Bandscheibenvorfall teilverkalkt ist, was auf ein mehrseitiges und auch länger zurückliegendes Ereignis deutet, ist nicht geeignet, einen Zusammenhang zwischen dem Bandscheibenvorfall und dem Dienstunfall zu begründen, da eine Bezugnahme auf den Dienstunfallzeitpunkt nicht möglich ist.

Soweit der Kläger bemängelt, dass der Sachverständige das Gutachten von Dr. S. vom 26. September 2006 falsch interpretiert habe, ist darauf hinzuweisen, dass Dr. S. feststellt, aus orthopädischer Sicht könne bisher kein Dauerschaden gesehen werden, eine diesbezügliche Begutachtung erscheine sechs Monate posttraumatisch sinnvoll, diesbezüglich im Vordergrund stünden aber sicherlich die nervenärztlichen Gesichtspunkte (S. 8 Gutachten Dr. S. Soweit der Kläger auf das Gutachten von Frau Dr. D. B. vom 29. März 2010 verweist, kommt es nach dem Sachverständigengutachten Dr. J. F. hierauf aufgrund des zeitlichen Zwischenraums von fünf Jahren nicht mehr an. Zwar beschreiben verschiedene Ärzte möglicherweise typische Symptome, die auf einen Bandscheibenvorfall hinweisen, daraus kann jedoch noch nicht geschlossen werden, dass dieser durch das Unfallereignis traumabedingt ist.

Der Kläger macht geltend, im Rahmen der Beweiserhebung seien auch Videoaufnahmen einer Detektei verwendet worden, die rechtswidrig erstellt worden seien und ihn in seinem Persönlichkeitsrecht verletzen. Diese könnten deshalb nicht verwertet werden.

Der Sachverständige Dr. J. F. hat sich in seinem Gutachten nicht auf die Film- und Fotoaufnahmen der Detektei ... gestützt, denn er hat auf entsprechende Frage des Gerichts ausgeführt, dass orthopädischerseits anhand der vorgelegten Foto- und Filmaufnahmen weder bestätigt noch ausgeschlossen werden könne, dass die beim Kläger in der Verwaltungsakte festgestellten und attestierten gesundheitlichen Beeinträchtigungen tatsächlich vorlägen. Auch könne weder bestätigt noch ausgeschlossen werden, dass der Kläger sich angesichts der festgestellten und attestierten gesundheitlichen Beeinträchtigungen so bewegen könne, wie es durch die Detektei beobachtet worden sei. Somit hat der Sachverständige, obwohl er den Bericht der Detektei in seinem Gutachten sehr ausführlich beschreibt, auf die Erkenntnisse dieser Beobachtungen nicht abgestellt, sondern hat sein Gutachten auf die medizinischen Befunde gestützt.

Soweit das Verwaltungsgericht ausführt, dass die vom Kläger herangezogene abweichende medizinische Bewertung durch Herrn Dr. L. im Attest vom 13. September 2011, der den Kläger bisher behandelt hatte, von ihm nicht mehr aufrechterhalten werde, kommt es auf die Zulässigkeit der Beweisverwertung der vom Kläger heimlich gemachten Aufnahmen durch die Detektei ... an. Dr. L. hat sich bei der Revision seiner bisherigen Beurteilungen auf den Bericht der Detektei ... bezogen und ausgeführt, dass er nach Durchsicht der Unterlagen sich in der Einschätzung des Zustands des Klägers extrem verunsichert fühle, um nicht zu sagen, durch diesen getäuscht. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass sich diese Aussage von Dr. L. nicht auf den Befund des Bandscheibenvorfalls selbst bezieht, den er auch nach Kenntnis des Dedekteiberichts nicht änderte. Jedoch geht es nicht um das Vorliegen eines Bandscheibenvorfalls - dieser ist unbestritten -, sondern um die Frage, ob der Bandscheibenvorfall auf den ca. fünf Jahre zurückliegenden Dienstunfall zurückzuführen ist. Hierzu hat Dr. L. in dem Schreiben vom 6. Dezember 2011 im Gegensatz zum Attest vom 13. September 2011 keine Aussage mehr gemacht. Dr. L. fühlte sich vom Kläger als seinem Patienten extrem verunsichert und um nicht zu sagen durch den Patienten getäuscht. Über die Frage, welche Folgerungen daraus hinsichtlich der Kausalität zwischen dem Bandscheibenvorfall und dem Dienstunfall zu sehen sind, hat sich Dr. L. danach nicht mehr geäußert. Insoweit ist den früheren Aussagen von Dr. L. hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen Bandscheibenvorfall und dem Dienstunfall keine Bedeutung mehr beizumessen.

Entgegen dem Vortrag des Klägers ist das Verwaltungsgericht nicht durch ein Beweiswertungsverbot gehindert, die von der Beklagten zum Beweis vorgelegten Videoaufnahmen zulasten des Klägers zu berücksichtigen.

Nach § 108 Abs. 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die heimliche Anfertigung von Fotos und Videoaufnahmen ist zwar ein Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers und seiner Ehefrau. Der Eingriff ist jedoch gerechtfertigt. Das durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht ist auch im Pfarrerverhältnis und damit auch im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zu beachten. Das Recht am eigenen Bild stellt eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Ebenso wie beim gesprochenen Wort gehört es zum Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen, darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen.

Das Persönlichkeitsrecht wird allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht können durch die Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Dienstherrn bei der Inanspruchnahme von Dienstunfallleistungen gerechtfertigt sein. Hat der Dienstherr durch einen Detektiv von einem Beamten (Pfarrer) heimlich Filmaufnahmen in einer Situation machen lassen, in der dieser jedenfalls nicht so schwerwiegend gesundheitlich beeinträchtigt erscheint, wie er behauptet, so kann das Gericht die Videoaufnahmen in einem Verfahren über die Anerkennung weiterer Dienstunfallfolgen bzw. von Unfallausgleich als Beweismittel verwerten. In einem solchen Fall muss das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Pfarrers hinter dem berechtigten Interesse des Dienstherrn an der Beweisführung hinsichtlich des tatsächlichen Gesundheitszustands zurücktreten (vgl. OLG Frankfurt U.v. 18.9.2007 - 8 U 127/03 - juris Rn. 49, 53 im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses). In solchen Fällen müssen das Grundrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und das berechtigte Interesse des Beklagten an einer hinreichenden Prozessführung abgewogen werden. Im konkreten Fall sind Zweifel am Gesundheitszustand des Klägers aufgetreten, so dass es gerechtfertigt war, diese auch durch Videoaufnahmen zu dokumentieren. Die Verhaltensauffälligkeiten des Klägers (vgl. z. B. das Gutachten von Dr. W. v. 6.10.2009, der u. a. von einem bizarren Verhalten des Klägers spricht) boten einen hinreichenden Anlass für die Beklagte, an der mehrfach aufgestellten Behauptung des Klägers, er sei wegen seines schlechten Gesundheitszustands auf begleitende Krankentransporte und Schriftdolmetscher angewiesen, zu zweifeln. Die von der Beklagten veranlassten Ermittlungen dienten damit auch der Klärung, ob der Kläger möglicherweise Straftaten zulasten des Vermögens der Beklagten begangen hat. Demgegenüber muss hier das Recht am eigenen Bild, das durch § 22 KUG geschützt wird, zurücktreten. §§ 22 KUG gewährt keinen Schutz gegen die Herstellung von Abbildungen, sondern nur gegen ihre unzulässige Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung. Verbreitung bedeutet eine einer Vielzahl von Menschen unmittelbar zugänglichen Weitergabe, die das Risiko einer nicht mehr kontrollierbaren Kenntnisnahme birgt. Ob die Weitergabe der Bilder zur Beweissicherung in einem Gerichtsverfahren an Beteiligte und Sachverständige darunter fällt, ist umstritten (verneinend VG Meiningen U.v. 13.3.2012 - 2 K 373/11 Me - juris). Sähe man in der Vorlage der Bilder an das Gericht ein Verbreiten im Sinne des § 22 KUG, ist dieses Verbreiten jedenfalls nicht rechtswidrig, weil es der Geltendmachung eigener Rechte im gerichtlichen Verfahren dient (LG Oldenburg U.v. 22.3.1990 - 5/0 3328/89 - JZ 1990, 1080).

Soweit der Kläger die fehlende Eignung der Dokumentation als seriöse Grundlage für eine ärztliche Untersuchung bezweifelt, ist hierbei auf die ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen abzustellen. So hält der Sachverständige Dr. J. F. sie nur eingeschränkt geeignet, als Beweis zu dienen. Dr. J. F. hat auch - wie bereits ausgeführt - darauf nicht abgestellt. Der behandelnde Arzt Dr. L. hat aus der Dokumentation die bereits geschilderten Schlüsse gezogen. Diese sind auch nachvollziehbar, da er durch die laufende Behandlung des Klägers Eindrücke hatte, die er nicht mit der Dokumentation in Einklang bringen konnte.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zuzulassen. Voraussetzung für die Zulassung nach dieser Vorschrift ist, dass der Kläger mit seinen Angriffen gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Fragen aufwirft, die von solcher Schwierigkeit sind, dass sich die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels nicht im Zulassungsverfahren, sondern erst im Rechtsmittelverfahren selbst klären und entscheiden lassen. Allein daraus, dass zahlreiche medizinische Stellungnahmen vorliegen, ergeben sich noch keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten in diesem Sinne. Der Sachverhalt ist, soweit entscheidungserheblich, überschaubar. Die vorliegenden medizinischen Gutachten lassen sich eindeutig bewerten, soweit es um die Frage geht, ob der Bandscheibenvorfall auf den Dienstunfall zurückzuführen ist. Insoweit kommt es nicht auf die Auffassung des psychiatrischen Sachverständigen an. Ebenso sind auch die dargelegten rechtlichen Schwierigkeiten nicht entscheidungserheblich. Welche Anforderungen an den Nachweis einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu stellen sind, ist in der Rechtsprechung geklärt. (vergl. BVerwG v. 22.10.1981 - 2 C 17/81 - ZBR 1982, 307; v. 28.4.2011 -2 C 55/09 - ZBR 2012, 38; BayVGH v. 8.5.2012 - 3 B 09.2896 - juris).

Soweit die rechtlichen Schwierigkeiten mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Verwertbarkeit für Bildaufnahmen der Detektei in den ärztlichen Gutachten begründet werden, ist dies, wie sich aus Vorstehendem ergibt, in der Rechtsprechung geklärt. Allein aus der Tatsache, dass die Erkrankung des Klägers sehr kompliziert ist, lassen sich keine rechtlichen Schwierigkeiten begründen.

3. Ein Verfahrensmangel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO im Hinblick darauf, dass das Erstgericht den Beweisantrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2012 abgelehnt hat, liegt nicht vor. Auch musste sich dem Erstgericht aus seiner Sicht eine weitere Beweiserhebung nicht aufdrängen. Das Verwaltungsgericht konnte den Beweisantrag ablehnen, weil es die im gerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten ausreichend für seine eigene Überzeugungsbildung erachtet hat. Insbesondere bedurfte es keines Sachverständigengutachtens auf neurochirurgischem Gebiet. Die Nichteinholung eines weiteren Gutachtens ist in aller Regel nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn das bereits vorliegende Gutachten auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel aufweist, insbesondere von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare Widersprüche aufweist, ein Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen besteht, wenn ein anderer Sachverständiger über bessere Forschungsmittel verfügt oder wenn es sich um besonders schwierige medizinische Fragen handelt, die umstritten sind. (BVerwG v. 22.12.2011 - 2 B 87/11 - juris; v. 6.2.1995 - 8 C 15/84 -BverwGE 71.38). Hier trägt der Kläger vor, dass es eines neurochirugischen Gutachtens bedurft hätte, weil dieser Sachverständige hinsichtlich eines Bandscheibenvorfalls mehr Kompetenz hat. Bandscheibenvorfälle werden von Orthopäden und Neurochriurgen diagnostiziert und behandelt, so dass sich aus der Tatsache, dass ein Neurochirurg die Operation vorgenommen hat, keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das orthopädische Gutachten nicht ausreichend für die Überzeugungsbildung des Gerichts gewesen wäre. Der Gutachter Dr. J. F. hat auch in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er in seinem Gutachten darauf hingewiesen hätte, wenn er die Notwendigkeit einer zusätzlichen Begutachtung auf neurochirurgischen Gebiet gesehen hätte. Damit wird deutlich, dass er den Bandscheibenvorfall umfassend betrachtet hat.

Das Verwaltungsgericht hat auch das rechtliche Gehör nicht durch Verletzung von Verfahrensvorschriften verletzt. Es musste insbesondere nicht nach der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung dem Kläger noch eine Schriftsatzfrist gewähren. Die beantragte Schriftsatzfrist bezog sich auf das Verfahren AN 1 K 09.1923, nicht jedoch auf das hier streitige Verfahren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

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Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG | § 31 Dienstunfall


(1) Dienstunfall ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist. Zum Dienst gehören auch 1. Dienstreisen und die die

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Tenor I. Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens bezüglich der Anhörungsrüge zu tragen. Gründe I. Mit Schriftsatz vom 13. März 2014 hat der Kläger Anhö

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Dienstunfall ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist. Zum Dienst gehören auch

1.
Dienstreisen und die dienstliche Tätigkeit am Bestimmungsort,
2.
die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen und
3.
Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst oder in dem ihm gleichstehenden Dienst, zu deren Übernahme der Beamte gemäß § 98 des Bundesbeamtengesetzes verpflichtet ist, oder Nebentätigkeiten, deren Wahrnehmung von ihm im Zusammenhang mit den Dienstgeschäften erwartet wird, sofern der Beamte hierbei nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist (§ 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch).

(2) Als Dienst gilt auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges zu und von der Dienststelle. Hat der Beamte wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung vom Dienstort an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft, so gilt Satz 1 auch für den Weg zwischen der Familienwohnung und der Dienststelle. Der Zusammenhang mit dem Dienst gilt als nicht unterbrochen, wenn der Beamte

1.
von dem unmittelbaren Weg zwischen der Wohnung und der Dienststelle in vertretbarem Umfang abweicht,
a)
um ein eigenes Kind, für das ihm dem Grunde nach Kindergeld zusteht, wegen seiner eigenen Berufstätigkeit oder der Berufstätigkeit seines Ehegatten in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen oder
b)
weil er mit anderen berufstätigen oder in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen gemeinsam ein Fahrzeug für den Weg zu und von der Dienststelle benutzt, oder
2.
in seiner Wohnung Dienst leistet und Wege zurücklegt, um ein Kind im Sinne des Satzes 3 Nummer 1 Buchstabe a in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen.
Ein Unfall, den der Verletzte bei Durchführung des Heilverfahrens (§ 33) oder auf einem hierzu notwendigen Wege erleidet, gilt als Folge eines Dienstunfalles.

(3) Erkrankt ein Beamter, der wegen der Art seiner dienstlichen Verrichtungen der Gefahr der Erkrankung an einer bestimmten Krankheit besonders ausgesetzt ist, an dieser Krankheit, so gilt die Erkrankung als Dienstunfall, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Die Erkrankung gilt jedoch stets als Dienstunfall, wenn sie durch gesundheitsschädigende Verhältnisse verursacht worden ist, denen der Beamte am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war. Als Krankheiten im Sinne des Satzes 1 kommen die in Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheiten mit den dort bezeichneten Maßgaben in Betracht. Für die Feststellung einer Krankheit als Dienstunfall sind auch den Versicherungsschutz nach § 2, § 3 oder § 6 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch begründende Tätigkeiten zu berücksichtigen, wenn sie ihrer Art nach geeignet waren, die Krankheit zu verursachen, und die schädigende Einwirkung überwiegend durch dienstliche Verrichtungen nach Satz 1 verursacht worden ist.

(4) Dem durch Dienstunfall verursachten Körperschaden ist ein Körperschaden gleichzusetzen, den ein Beamter außerhalb seines Dienstes erleidet, wenn er im Hinblick auf sein pflichtgemäßes dienstliches Verhalten oder wegen seiner Eigenschaft als Beamter angegriffen wird. Gleichzuachten ist ferner ein Körperschaden, den ein Beamter im Ausland erleidet, wenn er bei Kriegshandlungen, Aufruhr oder Unruhen, denen er am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthaltes im Ausland besonders ausgesetzt war, angegriffen wird.

(5) Unfallfürsorge wie bei einem Dienstunfall kann auch gewährt werden, wenn ein Beamter, der zur Wahrnehmung einer Tätigkeit, die öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient, beurlaubt worden ist und in Ausübung dieser Tätigkeit einen Körperschaden erleidet.

(6) (weggefallen)

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung, einen seiner Vertreter zu einer an einer Schule geplanten Podiumsdiskussion entsenden zu dürfen.
Der Antragsteller ist der baden-württembergische Landesverband der bundesweit organisierten Partei „...“, die zur Wahl zum 15. Landtag von Baden-Württemberg am 27.03.2011 zugelassen ist.
Die Antragsgegnerin ist Trägerin des ...-Gymnasiums in ..., an der am 15.02.2011 eine Podiumsdiskussion mit Vertretern aller im Landtag vertretenen Parteien veranstaltet werden soll.
Die Schulleiterin des ...-Gymnasiums lud mit Schreiben vom 17.01.2011, das im Briefkopf auf die Schulleitung hinweist, einen Vertreter der Partei „...“ zu der von den Neigungsfachkursen Gemeinschaftskunde geplanten Podiumsdiskussion ein.
Im Januar 2011 erreichte die Schulleiterin eine amtliche Mitteilung des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg. In ihr erinnert es an einen früheren Erlass und bittet aus Anlass der anstehenden Landtagswahl, vor dieser eine achtwöchige Karenzzeit, beginnend am 30.01.2011, einzuhalten. Hiervon ausdrücklich ausgenommen sind pluralistisch besetzte Podiumsdiskussionen, die die Schülermitverwaltung (SMV) auch während der Karenzzeit veranstalten kann. Bedingung sei aber dann, dass Kandidaten von allen im Landtag vertretenen Parteien eingeladen würden.
Ferner heißt es in der Mitteilung:
„Es wird darauf hingewiesen, dass zu diesen Podiumsdiskussionen nur Kandidaten der im Landtag vertretenen Parteien eingeladen werden können. Die Schule verstößt gegen ihre Pflicht zur politischen Neutralität, wenn die SMV’en für eine schulische Veranstaltung in den Räumen der Schule Vertreter von Parteien, die nicht im Landtag vertreten sind, auswählen.
Angesichts der Vielzahl der Parteien, die sich um Mandate bewerben, wäre eine Auswahl unumgänglich. Die Schule muss insoweit die Auswahl übernehmen, die der Souverän bereits getroffen hat.“
Der Antragsteller beantragt,
10 
gemäß § 123 Abs. 1 VwGO der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, einen Vertreter des Antragstellers zur Podiumsdiskussion des...-Gymnasiums ..., ..., am 15.02.2011 um 10:30 Uhr in den Räumen dieses Gymnasiums einzuladen.
11 
Die Antragsgegnerin stellt keinen ausdrücklichen Antrag, macht aber geltend, dass der Antrag nicht gegen sie, sondern gegen das Land Baden-Württemberg zu richten sei.
12 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und Anlagen verwiesen, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ergibt.
II.
13 
Der zulässige Antrag (1.) ist unbegründet (2.).
14 
1. Der Antrag ist zulässig.
15 
1.1 Er ist insbesondere statthaft, da der Antragsteller mit seinem Begehren (§§ 88, 122 Abs. 1 VwGO) ein tatsächliches Verwaltungshandeln erreichen möchte, das im Hauptsacheprozess mit der allgemeinen Leistungsklage durchzusetzen wäre. Nach der Auslegungsregel des § 123 Abs. 5 VwGO ist deshalb das Antragsverfahren nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO, hier in der Form der Regelungsanordnung, statthaft.
16 
1.2 Im Ergebnis kann darüber hinaus dahinstehen, ob die Antragsgegnerin die erforderliche passive Prozessführungsbefugnis besitzt (§ 78 Abs. 1 S. 1 VwGO analog).
17 
Richtiger Klage- oder Antragsgegner im Sinne von § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist derjenige Rechtsträger, gegen den das Sachbegehren wirksam durchgesetzt werden kann (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 11.02.1999 - 2 C 28.98 -, NVwZ 2000, 329; OVG Münster, Beschl. v. 14.01.2011 – 19 B 14/11 -, BeckRS 2011, 45899; Brenner, in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 78 Rdn. 1 ff.). Das ist derjenige Rechtsträger, der nach dem anzuwendenden materiellen Recht Träger der vom Antragsteller geltend gemachten Verpflichtung sein kann oder dem gegenüber das Gericht die Sachentscheidung erlassen darf und der im Prozess die Verfügungsbefugnis über das streitbefangene Recht besitzt, also innerhalb des ihm nach den einschlägigen Rechtsvorschriften zugewiesenen Aufgaben- und Wirkungskreises die Rechtsmacht besitzt, dem Rechtsschutzziel (auch) durch Prozesshandlungen zu entsprechen.
18 
Die Antragsgegnerin ist als Schulträgerin zumindest ein denkbarer Rechtsträger und damit im Rahmen der passiven Prozessführungsbefugnis tauglicher Antragsgegner.
19 
2. Der Antrag ist aber unbegründet. Die in Anspruch genommene Antragsgegnerin ist nicht passivlegitimiert, kann also nicht den geltend gemachten Anordnungsanspruch erfüllen. Hierzu wäre vielmehr das Land-Baden-Württemberg als Rechtsträgerin der Schule berufen.
20 
Der Antragssteller begehrt eine Maßnahme, die nur die Schulleitung, nicht dagegen der Schulträger, erfüllen kann. Denn es handelt sich bei der begehrten Aussprache der Einladung um eine innere Schulangelegenheit.
21 
2.1 Nach § 1 Abs. 1 SchulG bestimmt sich der Auftrag der Schule aus der durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Landes Baden-Württemberg gesetzten Ordnung, insbesondere daraus, dass jeder junge Mensch ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechenden Erziehung und Ausbildung hat und dass er zur Wahrnehmung von Verantwortung, Rechten und Pflichten in Staat und Gesellschaft sowie in der ihn umgebenden Gemeinschaft vorbereitet werden muss. § 8 Abs. 1 SchulG konkretisiert diesen Bildungsauftrag für Gymnasien dahin, dass es Schülern mit entsprechenden Begabungen und Bildungsabsichten eine breite und vertiefte Allgemeinbildung vermittelt, die zur Studierfähigkeit führt. Es fördert insbesondere die Fähigkeiten, theoretische Erkenntnisse nachzuvollziehen, schwierige Sachverhalte geistig zu durchdringen sowie vielschichtige Zusammenhänge zu durchschauen, zu ordnen und verständlich vortragen und darstellen zu können.
22 
Angesichts dieses Bildungsauftrags handelt es sich bei der anstehenden Podiumsdiskussion, die den Zweck verfolgt, wahlberechtigte Schüler auf die erstmalige Ausübung ihres aktiven Wahlrechts vorzubereiten, um eine innere Schulangelegenheit. Die Aussprache der begehrten Einladung kann daher nur von der Schulleitung bzw. der SMV (dazu unten) erfüllt werden. Rechtsträger der Schule ist, soweit Maßnahmen der inneren Schulangelegenheiten betroffen sind, das Land Baden-Württemberg.
23 
Die in Anspruch genommene Antragsgegnerin ist dagegen der Schulträger. Als solcher nimmt er keine Aufgaben im Bereich der inneren Schulangelegenheiten war. Denn der Aufgabenkreis der Antragsgegnerin beschränkt sich im Wesentlichen darauf, öffentliche Schulen zu errichten, fortzuführen und aufzuheben (§§ 27 Abs. 2 u. 3, 30, 48 Abs. 2 SchulG) und die für einen ordnungsgemäßen Unterricht erforderlichen Schulanlagen, Gebäude, Einrichtungen und Lehrmittel bereitzustellen und zu unterhalten (§ 27 Abs. 3 SchulG). Die Antragsgegnerin trägt also – zusammengefasst gesagt – lediglich die sächlichen Kosten der Schule (§ 27 Abs. 1 SchulG).
24 
2.2 Die in Anspruch genommene Stadt erlangt ihre Passivlegitimation auch nicht deshalb, weil nach Auffassung des Antragstellers sich eine Verantwortlichkeit des Landes nur bei inneren Schulangelegenheiten und nur dort ergibt, soweit nach § 23 Abs. 3 SchulG die Schule als untere Sonderbehörde im Sinne des § 23 Abs. 4 LVG fingiert wird. Die Aussage des § 23 Abs. 3 SchulG erschöpft sich darin klarzustellen, dass die Schule, erlässt sie einen Verwaltungsakt, als Behörde im Sinne der §§ 1, 35 LVwVfG tätig wird. Denn die Schule ist zwar eine Lebensgemeinschaft, in der junge Menschen gebildet und erzogen werden. Zugleich trifft sie im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Schulverhältnisses für das Land handelnd Entscheidungen, die in die Rechte von Eltern und Schülern eingreifen. Insofern erfüllt die Schule eindeutig den Behördenbegriff. Wenn das Schulgesetz diesen Sachverhalt gleichwohl in Form einer juristischen Fiktion umschreibt, so betont es aus wohlerwogenen pädagogischen Gründen die fürsorgliche Leistung der Schule gegenüber den jungen Menschen und stellt den Behördencharakter, den die Schule auch hat, hintenan (Lambert/Müller/Sutor, Schulrecht Baden-Württemberg, zu § 23, S. 5, Ziff. 3).
25 
Handelt die Schule auf dem Gebiet der inneren Schulangelegenheiten dagegen nicht in der Form eines Verwaltungsakts, bleibt die Schule gleichwohl, mag dies das Schulgesetz so auch nicht explizit normieren, eine Behörde. Die gewählte Handlungsform entscheidet nicht darüber, welchem Rechtsträger die getroffene Maßnahme der Schule zuzurechnen ist. Vielmehr ist die Zuordnung der jeweiligen Maßnahmen nur anhand der betroffenen Aufgabenkreise zu treffen.
26 
2.3 Nichts anderes ergibt sich, möchte man das Begehren des Antragstellers als Antrag auf Erlass einer aufsichtsrechtlichen Maßnahme verstehen. Zu einer solchen Maßnahme ist nicht der Schulträger, sondern sind die Schulaufsichtsbehörden berufen.
27 
§ 32 Abs. 1 Nr. 2 SchulG stellt insoweit klar, dass die staatliche Schulaufsicht „das Bestimmungsrecht über die […] Erziehungsarbeit der öffentlichen Schulen und alle damit zusammenhängenden Angelegenheiten“ umfasst. Unter diesen weiten Begriff fällt auch die geplante Podiumsdiskussion als Teil des politischen Bildungsauftrags der Schule.
28 
Nach § 35 Abs. 2 SchulG ist die oberste Schulaufsichtsbehörde – also das Kultusministerium (§ 35 Abs. 1 SchulG) – für alle Angelegenheiten der Schulaufsicht zuständig, die nicht durch Gesetz anderen Behörden zugewiesen sind. So liegt der Fall hier, denn die untere Schulaufsichtsbehörde (§ 33 SchulG) führt die Fachaufsicht, die Dienstaufsicht über die Schulleiter und Lehrer und die Aufsicht über die Erfüllung der dem Schulträger obliegenden Angelegenheiten (§ 33 Abs. 2 SchulG), während den oberen Schulaufsichtsbehörden die Fachaufsicht über die Schulen, die Dienstaufsicht über die Schulleiter und Lehrer, die Aufsicht über die Erfüllung der dem Schulträger obliegenden Angelegenheiten, soweit nicht die untere Schulaufsichtsbehörde zuständig ist und die Dienst- und Fachaufsicht über die unteren Schulaufsichtsbehörden (§ 34 Abs. 2 SchulG) zugewiesen ist. Die staatliche Schulaufsicht über das Bestimmungsrecht über die Erziehungsarbeit der öffentlichen Schulen und aller damit zusammenhängenden Angelegenheiten (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 SchulG) bleibt damit dem Kultusministerium zugewiesen (§ 35 Abs. 2 SchulG), dessen Rechtsträger das Land Baden-Württemberg ist.
29 
Selbst wenn mit dem Antragssteller davon auszugehen wäre, dass angesichts der vom Kulturministerium angeregten und derzeit bereits laufenden Karenzzeit nur noch die Schülermitverantwortung (SMV) die Podiumsdiskussion als Veranstaltung, die die politischen Interessen der Schüler fördern soll (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 SMVV), ausrichten und demnach zu ihr einladen durfte, bestimmt § 14 Abs. 1 S. 1 SMVV derartige Veranstaltungen als solche, die der Schulaufsicht unterliegen. Anspruchsverpflichteter der begehrten Aufsichtsmaßnahme – Ausspruch der Einladung zur geplanten Podiumsdiskussion – ist damit auch bei diesem Verständnis der Rechtsträger der Schulaufsichtsbehörden, hier des Kultusministeriums (§ 35 Abs. 2 SchulG), also das Land Baden-Württemberg.
30 
3. Auch in Anlehnung an § 51 S. 1 und S. 2 SchulG – gegebenenfalls in Ergänzung mit § 10 Abs. 2 GemO – kann die Antragsgegnerin nicht in Anspruch genommen werden. Nach dieser Vorschrift dürfen Räume und Plätze öffentlicher Schulen nicht für Zwecke verwendet werden, die den Belangen der Schule widersprechen. Über die Verwendung für andere als schulische Zwecke entscheidet der Schulträger im Benehmen mit dem Schulleiter.
31 
Da die Podiumsdiskussion aber als innere Schulangelegenheit zu qualifizieren ist, ist der Anwendungsbereich der Norm bereits nicht eröffnet.
32 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Angesichts der mit dem Antrag verfolgten Vorwegnahme der Hauptsache erscheint es angemessen, den vollen Auffangstreitwert auch für das Eilrechtsschutzverfahren anzusetzen.

Tatbestand

1

Der 1940 geborene Kläger war von 1970 bis 1992 als Radarmechanikermeister bei der Bundeswehr beschäftigt, seit 1972 im Beamtenverhältnis. Von 1970 bis 1985 wurde er für Reparaturen und Wartungstätigkeiten am Radarsystem NASARR eingesetzt. Die Arbeiten wurden in einer Werkstatt und im Wesentlichen mit geöffnetem, in Betrieb befindlichem Gerät bei einer Sendeleistung von zwischen 10% und 100% durchgeführt. Dabei traten in erheblichem Umfang sowohl nicht ionisierende Hochfrequenzfelder als auch ionisierende Röntgenstrahlung auf. Schutzmaßnahmen wurden erst ab 1981 in gewissem Umfang ergriffen. Von 1986 bis 1992 arbeitete der Kläger an mehreren Radarkomponenten des Waffensystems Tornado; auch hier war er Hochfrequenz- und Röntgenstrahlung ausgesetzt.

2

Seit 1973 leidet der Kläger unter einem vom Berufungsgericht als elektromagnetische Hypersensibilität eingestuften Komplex unterschiedlicher Krankheitssymptome wie Entzündungen, Infektionskrankheiten, Herzrhythmusstörungen, Immunschwäche, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen sowie Allergien. Im Mai 1993 zeigte er seine gesundheitlichen Störungen erstmals bei der Beklagten als Dienstunfall an und führte sie auf eine "langjährige Exposition von Hochfrequenzstrahlung bei Instandsetzung und Überprüfung von Radar-Anlagen" sowie auf eine "Schädigung durch Röntgenstrahlung im Zusammenhang mit der Arbeit am Radar" zurück. Mit Ablauf des Monats September 1994 wurde er wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.

3

Die Beklagte lehnte die Anerkennung der Beschwerden des Klägers als Dienstunfall mit der Begründung ab, eine Verursachung durch ionisierende Strahlung sei wegen der kurzen Dauer der jeweiligen Exposition und der geringen Intensität der Strahlung nicht anzunehmen. Eine Verursachung des Krankheitsbildes durch Hochfrequenzstrahlung sei nicht relevant, weil diese nicht zum abschließenden Katalog der Berufskrankheiten gehöre. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, die Erkrankung des Klägers als Dienstunfall anzuerkennen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte nach umfangreicher Beweisaufnahme verpflichtet, die elektromagnetische Hypersensibilität des Klägers als Dienstunfall wegen Berufskrankheit anzuerkennen und ab Mai 1993 mit einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 % zu bewerten. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

5

Der Kläger sei zwischen 1970 und 1992 ionisierender Strahlung in nicht mehr zu ermittelnder Höhe ausgesetzt gewesen; dabei habe es Verstöße gegen geltende Schutzvorschriften gegeben. Er sei spätestens 1976 erkrankt. Es könne jedoch nicht geklärt werden, ob seine Erkrankung mit Wahrscheinlichkeit durch ionisierende Strahlen verursacht worden sei. Ein kausaler Zusammenhang zwischen ionisierenden Strahlen und einer elektromagnetischen Hypersensibilität stehe nicht fest. Die sich widersprechenden Sachverständigengutachten seien gleichermaßen überzeugend; weitere Beweismittel seien nicht erkennbar. Diese nicht aufzuklärende Ungewissheit stehe einer Anerkennung der Erkrankung des Klägers als - einem Dienstunfall gleichgestellte - Berufskrankheit nicht entgegen. Zwar kämen dem Kläger weder eine Umkehr der Beweislast noch Beweiserleichterungen zugute. Jedoch falle eine einzelfallbezogene Folgenabwägung zu seinen Gunsten aus. Die Folgen einer zu Unrecht zu Lasten des Klägers getroffenen Entscheidung seien gravierender als die Folgen einer zu Unrecht zu Lasten der Beklagten getroffenen Entscheidung. Die gesetzliche Frist für die Anzeige des Dienstunfalls sei gewahrt, da der Kläger bis Ende April 1993 an einer rechtzeitigen Anzeige gehindert gewesen sei; erst zu diesem Zeitpunkt seien ihm die Ergebnisse von Strahlungsmessungen des Jahres 1981 mitgeteilt worden.

6

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.

7

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. August 2008 und des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 19. März 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren; er hält das Berufungsurteil für fehlerhaft.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist mit der Maßgabe begründet, dass das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das Berufungsurteil verletzt § 31 Abs. 3 Satz 1 des Beamtenversorgungsgesetzes in der hier maßgeblichen - zur Zeit des Dienstunfalls geltenden - Fassung vom 24. August 1976 (BGBl I S. 2485 - BeamtVG a.F. -, vgl. Beschluss vom 23. Februar 1999 - BVerwG 2 B 88.98 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 11). Mit dieser Vorschrift unvereinbar ist die tragende Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, bei Unerweislichkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen sei die materielle Beweislast im vorliegenden Fall nach dem Grundsatz der Folgenabwägung zu verteilen (dazu 1.). Ob sich das Urteil aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts nicht entscheiden (unten 2.).

11

1. Ein Beamter hat Anspruch auf Dienstunfallfürsorge auch dann, wenn er sich eine Krankheit zuzieht und dies einem Dienstunfall gleichzustellen ist (§ 31 Abs. 3 BeamtVG). Es muss sich um eine Krankheit handeln, die in der Berufskrankheiten-Verordnung in der im Zeitpunkt der Erkrankung geltenden Fassung aufgeführt ist (§ 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG a.F. i.V.m. der Verordnung zur Durchführung des § 31 BeamtVG vom 20. Juni 1977, BGBl I S. 1004). Der Beamte muss nach der Art seines Dienstes einer besonderen Erkrankungsgefahr ausgesetzt sein, und es muss ausgeschlossen sein, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Schließlich setzt ein Anspruch auf Dienstunfallfürsorge voraus, dass der Beamte den Dienstunfall bzw. seine Erkrankung dem Dienstherrn rechtzeitig angezeigt hat (§ 45 BeamtVG).

12

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gelten im Dienstunfallrecht die allgemeinen Beweisgrundsätze bei Unaufklärbarkeit einer entscheidungserheblichen Tatsache. Danach ist auf die im Einzelfall relevante materielle Norm abzustellen. Danach ergibt sich die Verteilung der materiellen Beweislast aus der im Einzelfall relevanten materiellen Norm. Derjenige, der aus einer Norm eine ihm günstige Rechtsfolge ableitet, trägt die materielle Beweislast, wenn das Gericht in Erfüllung seiner Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen zu seiner vollen Überzeugungsgewissheit ("mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit") weder feststellen noch ausschließen kann - "non liquet" - und wenn sich aus der materiellen Anspruchsnorm nichts Abweichendes ergibt (Urteile vom 23. Mai 1962 - BVerwG 6 C 39.60 - BVerwGE 14, 181 <186 f.> = Buchholz 232 § 135 BBG Nr. 5 S. 19 f., vom 22. Oktober 1981 - BVerwG 2 C 17.81 - Buchholz 232 § 46 BBG Nr. 3 S. 3 und vom 28. Januar 1993 - BVerwG 2 C 22.90 - Schütz, BeamtR ES/C II 3.1 Nr. 49).

13

Für einen auf § 31 Abs. 3 BeamtVG gestützten Anspruch folgt daraus, dass der Beamte, der die Dienstunfallfürsorge wegen einer Krankheit erreichen will, für das Vorliegen einer Erkrankung im Sinne des § 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG, für die besondere Erkrankungsgefahr im Sinne von Satz 1 der Vorschrift und die rechtzeitige Meldung der Erkrankung die materielle Beweislast trägt, wenn das Gericht die erforderliche, d.h. vernünftige Zweifel ausschließende Überzeugungsgewissheit nicht gewinnen kann. In diesem Rahmen können dem Beamten auch allgemein anerkannte Beweiserleichterungen wie der Beweis des ersten Anscheins oder eine Umkehr der Beweislast zugute kommen, wenn die hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen gegeben sind (Beschluss vom 11. März 1997 - BVerwG 2 B 127.96 - juris). Lässt sich bei Vorliegen der beiden erstgenannten Voraussetzungen hingegen lediglich nicht klären, ob sich der Beamte die Erkrankung innerhalb oder außerhalb des Dienstes zugezogen hat, so trägt das Risiko der Unaufklärbarkeit hinsichtlich dieser Voraussetzung der Dienstherr (Urteil vom 11. Juni 1964 - BVerwG 2 C 188.61 - Buchholz 232 § 139 BBG Nr. 3 S. 13).

14

Andere Beweiserleichterungen lassen sich der Vorschrift nicht entnehmen.

15

Der Gesetzgeber hat mit § 31 Abs. 3 Satz 1 letzter Satzteil ("es sei denn,...") eine Regelung der Beweislast für eine von drei Tatbestandsvoraussetzungen geschaffen und damit zum Ausdruck gebracht, im Übrigen solle es bei der materiellen Beweislast des Beamten für die anspruchsbegründenden Tatsachen bleiben (ebenso zur Vorgängervorschrift des § 135 Abs. 3 BBG Urteil vom 23. Mai 1962 a.a.O. S. 187 bzw. S. 20). Deshalb ist für andere Erwägungen, wie etwa den vom Berufungsgericht herangezogenen Gedanken der Folgenabwägung kein Raum. Sie führen zudem zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Ist die Entstehung einer Krankheit in der medizinischen Wissenschaft noch nicht hinreichend geklärt, so ist den sich daraus ergebenden Beweisschwierigkeiten allein durch erhöhte Anforderungen an die Beweiserhebung und Beweiswürdigung Rechnung zu tragen. Geboten ist insbesondere eine sorgfältige Auswahl und Überwachung von Sachverständigen sowie die kritische Prüfung ihrer fachlichen Kompetenz bei der Würdigung der vorgelegten Gutachten. Lässt sich der Sachverhalt jedoch auch unter Beachtung dieser Anforderungen nicht aufklären, vermag der Umstand, dass der Ursachenzusammenhang zwischen Dienst und Krankheit nach dem Stand der Wissenschaft noch nicht zur Überzeugung des Gerichts benannt werden kann, die zu treffende Beweislastentscheidung für sich genommen nicht zu beeinflussen.

16

2. Der Senat kann auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen, nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst zu entscheiden oder die Revision nach § 144 Abs. 4 VwGO zurückzuweisen. Denn die nach dem Rechtsstandpunkt des Senats für eine abschließende Entscheidung erforderlichen Tatsachen sind - auch unter Berücksichtigung des § 137 Abs. 2 VwGO - unter Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 und § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO teilweise unzureichend gewürdigt, teilweise noch nicht im erforderlichen Umfang festgestellt worden.

17

Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht zwar davon ausgegangen, dass andere als in der Berufskrankheiten-Verordnung (hier: vom 8. Dezember 1976 - BKVO -) genannte Krankheiten einen Anspruch nach § 31 Abs. 3 BeamtVG nicht begründen. Denn die Vorschrift soll nicht die Folgen jeglicher Krankheit abmildern, die sich der Beamte im Dienst zuzieht, sondern nur besonderen Gefährdungen Rechnung tragen, denen ein Beamter im Vergleich zur Beamtenschaft insgesamt ausgesetzt ist (Urteil vom 9. November 1960 - BVerwG 6 C 144.58 - BVerwGE 11, 229 <232> = Buchholz 232 § 135 BBG Nr. 4 S. 13; Beschlüsse vom 13. Januar 1978 - BVerwG 6 B 57.77 - Buchholz 232 § 135 BBG Nr. 59 S. 9 und vom 12. September 1995 - BVerwG 2 B 61.95 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 10).

18

Ohne Verstoß gegen revisibles Recht hat das Oberverwaltungsgericht auch angenommen, dass dem Kläger für den Umstand, dass es sich bei der elektromagnetischen Hypersensibilität um eine auf der Wirkung ionisierender Strahlung beruhende Krankheit handelt, die Beweiserleichterungen des Anscheinsbeweises nicht zugute kommen können. Denn ein Anscheinsbeweis greift nur bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist. Typizität bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nur, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (BGH, Urteil vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09 - NJW 2010, 1072). An einer derartigen Typizität fehlt es bei neuen, noch nicht vollständig erforschten Krankheiten aber gerade.

19

Schließlich scheidet auch eine Umkehr der Beweislast im vorliegenden Fall aus. Sie käme zwar hinsichtlich der Behauptung des Klägers in Betracht, er sei über viele Jahre ionisierender Strahlung in erheblichem Maße ausgesetzt gewesen, und wohl auch für seine Behauptung, er sei im Dienst besonderen Gefährdungen ausgesetzt gewesen. Denn die Beklagte hat dem Gericht die Sachverhaltsaufklärung jedenfalls dadurch erschwert, dass der Kläger jahrelang über relevante Messergebnisse im Unklaren gelassen und auf diese Weise daran gehindert wurde, zeitnah Aufklärung über seine Arbeitsbedingungen zu verlangen; außerdem sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Schutzvorschriften missachtet worden. Selbst wenn der Kläger durch die Einwirkungen der ionisierenden Strahlung einer besonderen Gefährdung ausgesetzt gewesen wäre, rechtfertigte dies jedoch nicht den Schluss, diese Strahlung stelle die wesentliche Ursache für seine Erkrankungen dar. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, es könne nicht festgestellt werden, ob die beim Kläger bestehende Krankheit durch ionisierende Strahlung hervorgerufen worden sei, beruht auf einer mit revisiblem Recht nicht vereinbaren Würdigung der Ergebnisse der Beweisaufnahme. Der Senat ist als Revisionsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO zwar an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden, soweit gegen sie nicht durchgreifende Verfahrens- oder Gegenrügen erhoben worden sind. Er ist jedoch nicht gehindert, die dem materiellen Recht zuzurechnende Beweiswürdigung des Berufungsgerichts am Maßstab des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch unabhängig von derartigen Rügen zu überprüfen (Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.> = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 174 S. 27).

20

Das Oberverwaltungsgericht ist den Anforderungen an die Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht gerecht geworden, die sich aus dem Umstand ergeben, dass es sich bei der in Rede stehenden Erkrankung um eine so genannte offene Berufskrankheit und um eine von der medizinischen Wissenschaft noch nicht hinreichend erforschte Krankheit handelt. Derartige Krankheiten, die in der Berufskrankheiten-Verordnung allein durch eine die Krankheit verursachende Einwirkung - etwa durch ionisierende Strahlung (Anlage I Ziffer 24.02 BKVO) - bezeichnet werden, weisen die Besonderheit auf, dass der Kreis der erfassten Krankheitserscheinungen nicht abschließend benannt ist, sondern sich im Laufe der Zeit und mit dem Fortschreiten des medizinischen Erkenntnisstandes erweitern kann. Dies ändert zwar nichts daran, dass die Berufskrankheiten-Verordnung in dem Sinne abschließend ist, dass im Bereich der Anlage I Ziffer 24.02 ausschließlich Krankheiten erfasst sind, die durch ionisierende Strahlung verursacht werden. Welche Krankheiten hier in Frage kommen, ist allerdings nicht statisch festgelegt, sondern unterliegt, abhängig vom jeweiligen Forschungsstand, der Fortentwicklung. Dies entspricht dem Zweck der Norm, mit der die ionisierende Strahlung als für Arbeitnehmer besonders gefährlich in allen denkbaren Auswirkungen erfasst sein soll (vgl. BSG, Urteil vom 18. August 2004 - B 8 KN 1/03 U R - BSGE 93, 149 Rn. 15 m.w.N.).

21

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es hat alle relevanten Tatsachen und Beweisergebnisse zur Kenntnis zu nehmen und in Betracht zu ziehen. Auf dieser Grundlage gewinnt es seine Überzeugung in einem subjektiven, inneren Wertungsvorgang der an einer Entscheidung beteiligten Richter, der grundsätzlich frei von festen Regeln der Würdigung verläuft und insoweit nicht überprüfbar ist (Urteile vom 31. Januar 1989 - BVerwG 9 C 54.88 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 213 S. 57 und vom 8. Februar 2005 - BVerwG 1 C 29.03 - BVerwGE 122, 376 <384> = Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 1 S. 9). Die Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung ist dennoch nicht grenzenlos, sondern unterliegt einer Bindung u.a. an allgemeine Erfahrungssätze, allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze und an die Gesetze der Logik. Zudem muss die richterliche Überzeugungsbildung dem Gebot der Rationalität genügen. Nur eine nachprüfbare und nachvollziehbare Beweiswürdigung wird dem rechtsstaatlichen Gebot willkürfreier, rationaler und plausibler richterlicher Entscheidungsfindung gerecht (Urteile vom 20. November 1990 - BVerwG 9 C 75.90 - juris Rn. 15, insoweit in Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 138 nicht abgedruckt; sowie vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16, ebenso zum Wehrdisziplinarrecht Beschluss vom 13. Januar 2009 - BVerwG 2 WD 5.08 - Buchholz 450.2 § 91 WDO 2002 Nr. 4 Rn. 18 f.).

22

Bedient sich der Richter bei der Feststellung des relevanten Sachverhalts des Sachverständigenbeweises, so erstreckt sich dieses Gebot auch auf die Würdigung der vorgelegten Gutachten. Denn die Aufgabe des Sachverständigen besteht darin, das Wissen des Richters über die für die Entscheidung relevanten Tatsachen und Zusammenhänge zu erweitern. Der Sachverständige soll die Beweiswürdigung vorbereiten und ggf. durch Ermittlung des vollständigen und zutreffenden Sachverhalts erst möglich machen, aber nicht sie an Stelle des Richters vornehmen (vgl. § 98 VwGO sowie §§ 404, 404a und 407a ZPO).

23

Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn wissenschaftlich noch nicht abschließend erforschte Wirkungszusammenhänge für die Entscheidung relevant sind und durch sachverständige Hilfe aufgeklärt werden müssen. In einem derartigen Fall - etwa wenn es, wie hier, um eine noch nicht hinreichend erforschte Erkrankung geht - muss das Gericht sein besonderes Augenmerk darauf legen, Sachverständige auszuwählen, die für die Beschäftigung mit der Beweisfrage auf dem Boden neuester Forschungsergebnisse kompetent sind. Eine dem Rationalitätsgebot der richterlichen Beweiswürdigung genügende Auseinandersetzung mit sich widersprechenden Gutachten erfordert zudem, die Gutachten einem kritischen Vergleich unter den genannten Kriterien zu unterziehen und die daraus gewonnene Überzeugung nachvollziehbar zu begründen.

24

Diese Anforderungen hat das Oberverwaltungsgericht nicht in vollem Umfang erfüllt. Es hat zwar die Gutachter in seinen Beweisbeschlüssen vom 23. November 2004 und 6. August 2007 auf ihre Verpflichtungen aus § 407a ZPO und auf die besondere Komplexität der Fragestellung hingewiesen. Es hat sich jedoch zur Begründung seiner Beweiswürdigung im Wesentlichen auf die Einschätzung beschränkt, die sich in erheblichem Maße widersprechenden Gutachten seien gleichermaßen "überzeugend" und "eindrucksvoll", ohne die Gutachter auf dem Boden des durch sie vermittelten Sachverstands auf ihre fachliche Kompetenz für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nachvollziehbar zu überprüfen. Daneben hat es die wesentlichen Ergebnisse einiger vorgelegter Gutachten lediglich referiert, nicht aber auf mögliche Gründe für die zwischen ihnen bestehenden extremen Abweichungen in den inhaltlichen Aussagen hinterfragt. Dies genügt dem Gebot der Rationalität nicht. Denn allein der Umstand, dass mehrere Gutachter unterschiedliche Antworten auf die vom Gericht gestellten Fragen geben, lässt den Schluss, der Sachverhalt sei unaufklärbar, nicht zu. Ein solcher Schluss kann etwa erst dann gezogen werden, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass alle Gutachter über die spezifische wissenschaftliche Sachkunde verfügen, dass aber die Aufklärung der fallrelevanten Tatsachen und Wirkungszusammenhänge aus anderen Gründen, etwa weil der Prozess der wissenschaftlichen Erkenntnis noch nicht abgeschlossen ist, unabhängig von der Kompetenz der Gutachter nicht mehr möglich ist.

25

Folge einer in dieser Weise fehlerhaften Beweiswürdigung ist es, dass die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auf einer unzureichenden Beweiswürdigung beruht. Das Berufungsgericht hat vorschnell angenommen, die Frage der Kausalität ionisierender Strahlung für die Erkrankungen des Klägers sei wissenschaftlich nicht klärungsfähig. Denn es hat sich mit den Gründen für die sich widersprechenden Bewertungen der Gutachter nicht befasst. Die Gutachter haben, je für sich, entweder die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, die Krankheit des Klägers beruhe nicht auf ionisierender Strahlung, oder die gegenteilige Überzeugung, ein derartiger Kausalzusammenhang liege vor. Allein dieser Widerspruch begründet nicht die Annahme, keinem der herangezogenen Gutachter sei beizutreten. Vielmehr wäre es für die rationale Begründung eines "non liquet" erforderlich gewesen, in detaillierter Auseinandersetzung mit den divergierenden Gutachten darzulegen, dass sich zu der Gutachtenfrage unterschiedliche, aber gleichermaßen fundierte wissenschaftliche Positionen vertretbar gegenüberstehen. Im Übrigen sind die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Beweiswürdigung nicht ohne Widerspruch, wenn es einerseits ausführt, es sei durchaus möglich, dass es sich bei den Symptomen des Klägers um anlagebedingte Leiden handle (S. 23 der Entscheidungsgründe), andererseits aber feststellt, es gebe "anamnesetechnisch" keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger vor Dienstantritt erkrankt war oder es sich um anlagebedingte Leiden handle (S. 28 der Entscheidungsgründe).

26

Ob ein Anspruch des Klägers nach § 31 Abs. 3 BeamtVG a.F. besteht, hängt weiter davon ab, dass der Kläger den Dienstunfall bzw. das einem Dienstunfall gleichzustellende Ereignis seinem Dienstherrn rechtzeitig gemeldet hat. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, kann der Senat nicht entscheiden, da es an den hierfür erforderlichen Tatsachenfeststellungen fehlt. Das Berufungsgericht hat sich zwar mit der Zweijahresfrist des § 45 Abs. 1 BeamtVG auseinandergesetzt, nicht aber mit der in § 45 Abs. 2 BeamtVG geregelten Ausschlussfrist von zehn Jahren.

27

Nach § 45 Abs. 1 BeamtVG a.F. sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche entstehen können, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls zu melden. Diese Frist kann dann überschritten werden, wenn Unfallfolgen erst später bemerkbar werden oder wenn der betroffene Beamte durch außerhalb seines Willens liegende Umstände an einer Einhaltung der Frist gehindert ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BeamtVG a.F.). In jedem Fall aber muss die Unfallmeldung innerhalb von zehn Jahren seit dem Unfall erstattet werden (§ 45 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BeamtVG a.F.).

28

Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei diesen Fristen um echte Ausschlussfristen handelt (Urteil vom 6. Juli 1966 - BVerwG 6 C 124.63 - BVerwGE 24, 289 <291> = Buchholz 232 § 150 BBG Nr. 4 S. 11) und dass sie nicht nur auf Dienstunfälle im Sinne von § 31 Abs. 1 BeamtVG, sondern auch auf gleichgestellte Ereignisse im Sinne von § 31 Abs. 3 BeamtVG anzuwenden sind. Denn der Dienstherr muss in beiden Fallkonstellationen gleichermaßen ein Interesse daran haben, die tatsächlichen Umstände der Schädigung seines Beamten zeitnah aufzuklären und ggf. präventive Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Schäden bei diesem oder bei anderen Betroffenen zu ergreifen (vgl. Beschluss vom 1. August 1985 - BVerwG 2 B 34.84 - Buchholz 232.5 § 45 BeamtVG Nr. 1 S. 1 m.w.N.). Dies gilt für Berufskrankheiten sowohl dann, wenn sie auf ein zeitlich eingrenzbares Ereignis, etwa eine Infektion, zurückzuführen sind, als auch dann, wenn es sich um Krankheiten handelt, die durch kumulativ wirkende schädliche Einwirkungen hervorgerufen und allmählich oder in Schüben erkennbar werden. Denn auch in dem letztgenannten Fall sollen die Ausschlussfristen den Nachweis der Kausalität und - erst recht - die präventive Wirkung einer zeitnahen Klärung des Sachverhalts sicherstellen.

29

Für Beginn und Ablauf der Fristen gilt Folgendes: Beide Fristen beginnen nach dem Wortlaut der Vorschrift mit dem "Unfall" bzw. dem "Eintritt des Unfalls" zu laufen. Diese für einen Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 1 BeamtVG als einem plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren Ereignis einleuchtende Festlegung gilt entsprechend auch für Berufskrankheiten. Bei Infektionskrankheiten ist danach der Infektionszeitpunkt maßgeblich, weil der Beamte in diesem Zeitpunkt einen Gesundheitsschaden erleidet, mag sich der Schaden später durch Ausbruch der Krankheit auch noch ausweiten (vgl. für einen Zeckenbiss im Hinblick auf die Infektion mit Borreliose: Beschluss vom 19. Januar 2006 - BVerwG 2 B 46.05 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 17 Rn. 6; Urteil vom 25. Februar 2010 - BVerwG 2 C 81.08 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 23 Rn. 15 f.). Bei Krankheiten, die infolge fortlaufender kumulativer schädlicher Einwirkung auf den Beamten ausgelöst werden, ist demnach der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Zustand des Beamten Krankheitswert erreicht, in dem also die Krankheit sicher diagnostiziert werden kann. Denn vorher ist der Beamte zwar gefährdet, aber noch nicht krank. Den hiermit regelmäßig verbundenen tatsächlichen Schwierigkeiten, den maßgeblichen Zeitpunkt zutreffend zu erfassen, kann nur durch eine besonders sorgfältige Sachverhaltsaufklärung begegnet werden. Für den Fristablauf gilt: Der Ablauf der Zweijahresfrist (§ 45 Abs. 1 BeamtVG) kann hinausgeschoben werden, solange eine Erkrankung noch nicht als Folge eines Dienstunfalls bemerkbar ist - solange also der Beamte die Ursächlichkeit der schädigenden Einwirkung nicht erkennen kann -, während die Zehnjahresfrist (§ 45 Abs. 2 BeamtVG) unabhängig davon abläuft, ob der Betroffene erkannt hat, dass er sich eine Berufskrankheit zugezogen hat (Urteile vom 21. September 2000 - BVerwG 2 C 22.99 - Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 4 S. 2 und vom 28. Februar 2002 - BVerwG 2 C 5.01 - Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 5 S. 4 f.; Beschluss vom 15. September 1995 - BVerwG 2 B 46.95 - Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 3 S. 1).

30

Das Oberverwaltungsgericht hat die danach im Rahmen des § 45 BeamtVG a.F. relevanten Tatsachen noch nicht im erforderlichen Umfang festgestellt. Es hat zwar an einer Stelle ausgeführt, der Kläger sei "seit spätestens 1976" (S. 19 der Entscheidungsgründe) erkrankt, und dies habe 1992 zur Dienstunfähigkeit geführt. Diese nicht näher belegten Ausführungen beziehen sich jedoch nicht auf § 45 BeamtVG. Ihnen ist insbesondere nicht die erforderliche Feststellung zu entnehmen, wann die Krankheit sicher diagnostizierbar bzw. ausgeprägt vorhanden war und damit die Ausschlussfrist von zehn Jahren auslösen konnte. Hierzu hätte das Berufungsgericht festlegen müssen, wie viele und welche Symptome der elektromagnetischen Hypersensibilität vorliegen müssen, um von diesem Symptomenkomplex als Krankheit im Sinne des Dienstunfallrechts sprechen zu können. Es hätte sich zudem mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass offenbar erst in den Jahren vor der Dienstunfallanzeige die Anzahl der Krankheitstage bei dem Kläger stark zugenommen hat, was für einen späteren maßgeblichen Zeitpunkt als 1976 sprechen könnte. Damit kann die Frage, wann die Zehnjahresfrist zu laufen begonnen hat, auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht beantwortet werden.

31

3. Das Oberverwaltungsgericht wird bei der erneuten Entscheidung über die Sache zu berücksichtigen haben, dass die Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs vorliegen, bisher noch nicht beantwortet ist. Vorab wird es der Frage nachzugehen haben, ob und ggf. in welchem Maße der Kläger zwischen 1970 und 1993 ionisierender Strahlung ausgesetzt war; hier wird ggf. auch die Rechtsfrage zu klären sein, ob dem Kläger insoweit eine Umkehr der Beweislast oder andere Beweiserleichterungen zugutekommen müssen. Sodann wird es die Frage zu beantworten haben, ob ionisierende Strahlung generell geeignet ist, Erkrankungen wie diejenige des Klägers auszulösen oder zu verschlimmern und ob dies im konkreten Fall geschehen ist. In diesem Zusammenhang wird ggf. auch zu prüfen sein, ob die Einstufung der Erkrankung des Klägers als elektromagnetische Hypersensibilität bzw. Hypersensitivität zutrifft, oder ob der Kläger möglicherweise eine davon zu unterscheidende atypische Frühform von Strahlenschäden ausgeprägt hat, ohne an den typischen Spätschäden zu erkranken.

32

Zur Klärung dieser Fragen wird das Berufungsgericht die bisher eingeholten Gutachten und gutachtlichen Stellungnahmen darauf zu untersuchen haben, ob die Gutachter für ihre Aufgabe hinreichend qualifiziert waren, ob sie dem Gutachtenauftrag gerecht geworden sind und wie vor diesem Hintergrund ihre Aussagen zu bewerten und im Vergleich untereinander zu gewichten sind. Sollten die bisher eingeholten Gutachten auch nach einer derartigen, in die Tiefe gehenden Bewertung ihres Gewichts und Aussagegehalts die aufgeworfene Frage nicht beantworten, wird zu prüfen sein, ob eine weitere Sachverhaltsaufklärung Erfolg versprechen könnte oder ob insoweit nach Beweislastgrundsätzen zu entscheiden ist. Dasselbe gilt für die Frage, ob der Kläger bei seinen dienstlichen Verrichtungen in besonderer Weise gefährdet war, sich die von ihm ausgeprägte Krankheit zuzuziehen und ob eine außerdienstliche Verursachung in Betracht kommt. Schließlich wird im Hinblick auf § 45 BeamtVG zu prüfen sein, wann der Kläger sich seine Erkrankung zugezogen hat; Voraussetzung hierfür ist eine Klärung der Frage, welche Symptome kumulativ vorliegen müssen, um vom Bestehen einer elektromagnetischen Hypersensibilität ausgehen zu können.

33

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, weil über die Kosten des Revisionsverfahrens erst nach Zurückverweisung zu befinden ist.

Beschluss

34

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 13 879,20 € festgesetzt.

Gründe:

35

Das wirtschaftliche Interesse des Klägers an dem Verfahren ist nach der Rechtsprechung des Senats mit dem zweifachen Jahresbetrag des Unfallausgleichs in Höhe einer monatlichen Grundrente in Höhe des vom Berufungsgericht geschätzten Durchschnittsbetrags von 578,30 € zu bemessen. Der Umstand, dass der Kläger auch die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit mit einem Satz von wenigstens 90 vom Hundert erstreiten will, führt nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts. Denn dieser Teil seines Begehrens dient lediglich der Klärung einer Rechtsfrage, ohne dass damit bereits ein Zahlungsanspruch benannt und ggf. von der Rechtskraftwirkung des Urteils erfasst wäre.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.