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| Der Antragsteller begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung, einen seiner Vertreter zu einer an einer Schule geplanten Podiumsdiskussion entsenden zu dürfen. |
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| Der Antragsteller ist der baden-württembergische Landesverband der bundesweit organisierten Partei „...“, die zur Wahl zum 15. Landtag von Baden-Württemberg am 27.03.2011 zugelassen ist. |
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| Die Antragsgegnerin ist Trägerin des ...-Gymnasiums in ..., an der am 15.02.2011 eine Podiumsdiskussion mit Vertretern aller im Landtag vertretenen Parteien veranstaltet werden soll. |
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| Die Schulleiterin des ...-Gymnasiums lud mit Schreiben vom 17.01.2011, das im Briefkopf auf die Schulleitung hinweist, einen Vertreter der Partei „...“ zu der von den Neigungsfachkursen Gemeinschaftskunde geplanten Podiumsdiskussion ein. |
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| Im Januar 2011 erreichte die Schulleiterin eine amtliche Mitteilung des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg. In ihr erinnert es an einen früheren Erlass und bittet aus Anlass der anstehenden Landtagswahl, vor dieser eine achtwöchige Karenzzeit, beginnend am 30.01.2011, einzuhalten. Hiervon ausdrücklich ausgenommen sind pluralistisch besetzte Podiumsdiskussionen, die die Schülermitverwaltung (SMV) auch während der Karenzzeit veranstalten kann. Bedingung sei aber dann, dass Kandidaten von allen im Landtag vertretenen Parteien eingeladen würden. |
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| Ferner heißt es in der Mitteilung: |
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| „Es wird darauf hingewiesen, dass zu diesen Podiumsdiskussionen nur Kandidaten der im Landtag vertretenen Parteien eingeladen werden können. Die Schule verstößt gegen ihre Pflicht zur politischen Neutralität, wenn die SMV’en für eine schulische Veranstaltung in den Räumen der Schule Vertreter von Parteien, die nicht im Landtag vertreten sind, auswählen. |
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| Angesichts der Vielzahl der Parteien, die sich um Mandate bewerben, wäre eine Auswahl unumgänglich. Die Schule muss insoweit die Auswahl übernehmen, die der Souverän bereits getroffen hat.“ |
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| Der Antragsteller beantragt, |
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| gemäß § 123 Abs. 1 VwGO der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, einen Vertreter des Antragstellers zur Podiumsdiskussion des...-Gymnasiums ..., ..., am 15.02.2011 um 10:30 Uhr in den Räumen dieses Gymnasiums einzuladen. |
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| Die Antragsgegnerin stellt keinen ausdrücklichen Antrag, macht aber geltend, dass der Antrag nicht gegen sie, sondern gegen das Land Baden-Württemberg zu richten sei. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und Anlagen verwiesen, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ergibt. |
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| Der zulässige Antrag (1.) ist unbegründet (2.). |
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| 1. Der Antrag ist zulässig. |
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| 1.1 Er ist insbesondere statthaft, da der Antragsteller mit seinem Begehren (§§ 88, 122 Abs. 1 VwGO) ein tatsächliches Verwaltungshandeln erreichen möchte, das im Hauptsacheprozess mit der allgemeinen Leistungsklage durchzusetzen wäre. Nach der Auslegungsregel des § 123 Abs. 5 VwGO ist deshalb das Antragsverfahren nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO, hier in der Form der Regelungsanordnung, statthaft. |
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| 1.2 Im Ergebnis kann darüber hinaus dahinstehen, ob die Antragsgegnerin die erforderliche passive Prozessführungsbefugnis besitzt (§ 78 Abs. 1 S. 1 VwGO analog). |
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| Richtiger Klage- oder Antragsgegner im Sinne von § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist derjenige Rechtsträger, gegen den das Sachbegehren wirksam durchgesetzt werden kann (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 11.02.1999 - 2 C 28.98 -, NVwZ 2000, 329; OVG Münster, Beschl. v. 14.01.2011 – 19 B 14/11 -, BeckRS 2011, 45899; Brenner, in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 78 Rdn. 1 ff.). Das ist derjenige Rechtsträger, der nach dem anzuwendenden materiellen Recht Träger der vom Antragsteller geltend gemachten Verpflichtung sein kann oder dem gegenüber das Gericht die Sachentscheidung erlassen darf und der im Prozess die Verfügungsbefugnis über das streitbefangene Recht besitzt, also innerhalb des ihm nach den einschlägigen Rechtsvorschriften zugewiesenen Aufgaben- und Wirkungskreises die Rechtsmacht besitzt, dem Rechtsschutzziel (auch) durch Prozesshandlungen zu entsprechen. |
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| Die Antragsgegnerin ist als Schulträgerin zumindest ein denkbarer Rechtsträger und damit im Rahmen der passiven Prozessführungsbefugnis tauglicher Antragsgegner. |
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| 2. Der Antrag ist aber unbegründet. Die in Anspruch genommene Antragsgegnerin ist nicht passivlegitimiert, kann also nicht den geltend gemachten Anordnungsanspruch erfüllen. Hierzu wäre vielmehr das Land-Baden-Württemberg als Rechtsträgerin der Schule berufen. |
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| Der Antragssteller begehrt eine Maßnahme, die nur die Schulleitung, nicht dagegen der Schulträger, erfüllen kann. Denn es handelt sich bei der begehrten Aussprache der Einladung um eine innere Schulangelegenheit. |
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| 2.1 Nach § 1 Abs. 1 SchulG bestimmt sich der Auftrag der Schule aus der durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Landes Baden-Württemberg gesetzten Ordnung, insbesondere daraus, dass jeder junge Mensch ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechenden Erziehung und Ausbildung hat und dass er zur Wahrnehmung von Verantwortung, Rechten und Pflichten in Staat und Gesellschaft sowie in der ihn umgebenden Gemeinschaft vorbereitet werden muss. § 8 Abs. 1 SchulG konkretisiert diesen Bildungsauftrag für Gymnasien dahin, dass es Schülern mit entsprechenden Begabungen und Bildungsabsichten eine breite und vertiefte Allgemeinbildung vermittelt, die zur Studierfähigkeit führt. Es fördert insbesondere die Fähigkeiten, theoretische Erkenntnisse nachzuvollziehen, schwierige Sachverhalte geistig zu durchdringen sowie vielschichtige Zusammenhänge zu durchschauen, zu ordnen und verständlich vortragen und darstellen zu können. |
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| Angesichts dieses Bildungsauftrags handelt es sich bei der anstehenden Podiumsdiskussion, die den Zweck verfolgt, wahlberechtigte Schüler auf die erstmalige Ausübung ihres aktiven Wahlrechts vorzubereiten, um eine innere Schulangelegenheit. Die Aussprache der begehrten Einladung kann daher nur von der Schulleitung bzw. der SMV (dazu unten) erfüllt werden. Rechtsträger der Schule ist, soweit Maßnahmen der inneren Schulangelegenheiten betroffen sind, das Land Baden-Württemberg. |
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| Die in Anspruch genommene Antragsgegnerin ist dagegen der Schulträger. Als solcher nimmt er keine Aufgaben im Bereich der inneren Schulangelegenheiten war. Denn der Aufgabenkreis der Antragsgegnerin beschränkt sich im Wesentlichen darauf, öffentliche Schulen zu errichten, fortzuführen und aufzuheben (§§ 27 Abs. 2 u. 3, 30, 48 Abs. 2 SchulG) und die für einen ordnungsgemäßen Unterricht erforderlichen Schulanlagen, Gebäude, Einrichtungen und Lehrmittel bereitzustellen und zu unterhalten (§ 27 Abs. 3 SchulG). Die Antragsgegnerin trägt also – zusammengefasst gesagt – lediglich die sächlichen Kosten der Schule (§ 27 Abs. 1 SchulG). |
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| 2.2 Die in Anspruch genommene Stadt erlangt ihre Passivlegitimation auch nicht deshalb, weil nach Auffassung des Antragstellers sich eine Verantwortlichkeit des Landes nur bei inneren Schulangelegenheiten und nur dort ergibt, soweit nach § 23 Abs. 3 SchulG die Schule als untere Sonderbehörde im Sinne des § 23 Abs. 4 LVG fingiert wird. Die Aussage des § 23 Abs. 3 SchulG erschöpft sich darin klarzustellen, dass die Schule, erlässt sie einen Verwaltungsakt, als Behörde im Sinne der §§ 1, 35 LVwVfG tätig wird. Denn die Schule ist zwar eine Lebensgemeinschaft, in der junge Menschen gebildet und erzogen werden. Zugleich trifft sie im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Schulverhältnisses für das Land handelnd Entscheidungen, die in die Rechte von Eltern und Schülern eingreifen. Insofern erfüllt die Schule eindeutig den Behördenbegriff. Wenn das Schulgesetz diesen Sachverhalt gleichwohl in Form einer juristischen Fiktion umschreibt, so betont es aus wohlerwogenen pädagogischen Gründen die fürsorgliche Leistung der Schule gegenüber den jungen Menschen und stellt den Behördencharakter, den die Schule auch hat, hintenan (Lambert/Müller/Sutor, Schulrecht Baden-Württemberg, zu § 23, S. 5, Ziff. 3). |
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| Handelt die Schule auf dem Gebiet der inneren Schulangelegenheiten dagegen nicht in der Form eines Verwaltungsakts, bleibt die Schule gleichwohl, mag dies das Schulgesetz so auch nicht explizit normieren, eine Behörde. Die gewählte Handlungsform entscheidet nicht darüber, welchem Rechtsträger die getroffene Maßnahme der Schule zuzurechnen ist. Vielmehr ist die Zuordnung der jeweiligen Maßnahmen nur anhand der betroffenen Aufgabenkreise zu treffen. |
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| 2.3 Nichts anderes ergibt sich, möchte man das Begehren des Antragstellers als Antrag auf Erlass einer aufsichtsrechtlichen Maßnahme verstehen. Zu einer solchen Maßnahme ist nicht der Schulträger, sondern sind die Schulaufsichtsbehörden berufen. |
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| § 32 Abs. 1 Nr. 2 SchulG stellt insoweit klar, dass die staatliche Schulaufsicht „das Bestimmungsrecht über die […] Erziehungsarbeit der öffentlichen Schulen und alle damit zusammenhängenden Angelegenheiten“ umfasst. Unter diesen weiten Begriff fällt auch die geplante Podiumsdiskussion als Teil des politischen Bildungsauftrags der Schule. |
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| Nach § 35 Abs. 2 SchulG ist die oberste Schulaufsichtsbehörde – also das Kultusministerium (§ 35 Abs. 1 SchulG) – für alle Angelegenheiten der Schulaufsicht zuständig, die nicht durch Gesetz anderen Behörden zugewiesen sind. So liegt der Fall hier, denn die untere Schulaufsichtsbehörde (§ 33 SchulG) führt die Fachaufsicht, die Dienstaufsicht über die Schulleiter und Lehrer und die Aufsicht über die Erfüllung der dem Schulträger obliegenden Angelegenheiten (§ 33 Abs. 2 SchulG), während den oberen Schulaufsichtsbehörden die Fachaufsicht über die Schulen, die Dienstaufsicht über die Schulleiter und Lehrer, die Aufsicht über die Erfüllung der dem Schulträger obliegenden Angelegenheiten, soweit nicht die untere Schulaufsichtsbehörde zuständig ist und die Dienst- und Fachaufsicht über die unteren Schulaufsichtsbehörden (§ 34 Abs. 2 SchulG) zugewiesen ist. Die staatliche Schulaufsicht über das Bestimmungsrecht über die Erziehungsarbeit der öffentlichen Schulen und aller damit zusammenhängenden Angelegenheiten (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 SchulG) bleibt damit dem Kultusministerium zugewiesen (§ 35 Abs. 2 SchulG), dessen Rechtsträger das Land Baden-Württemberg ist. |
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| Selbst wenn mit dem Antragssteller davon auszugehen wäre, dass angesichts der vom Kulturministerium angeregten und derzeit bereits laufenden Karenzzeit nur noch die Schülermitverantwortung (SMV) die Podiumsdiskussion als Veranstaltung, die die politischen Interessen der Schüler fördern soll (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 SMVV), ausrichten und demnach zu ihr einladen durfte, bestimmt § 14 Abs. 1 S. 1 SMVV derartige Veranstaltungen als solche, die der Schulaufsicht unterliegen. Anspruchsverpflichteter der begehrten Aufsichtsmaßnahme – Ausspruch der Einladung zur geplanten Podiumsdiskussion – ist damit auch bei diesem Verständnis der Rechtsträger der Schulaufsichtsbehörden, hier des Kultusministeriums (§ 35 Abs. 2 SchulG), also das Land Baden-Württemberg. |
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| 3. Auch in Anlehnung an § 51 S. 1 und S. 2 SchulG – gegebenenfalls in Ergänzung mit § 10 Abs. 2 GemO – kann die Antragsgegnerin nicht in Anspruch genommen werden. Nach dieser Vorschrift dürfen Räume und Plätze öffentlicher Schulen nicht für Zwecke verwendet werden, die den Belangen der Schule widersprechen. Über die Verwendung für andere als schulische Zwecke entscheidet der Schulträger im Benehmen mit dem Schulleiter. |
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| Da die Podiumsdiskussion aber als innere Schulangelegenheit zu qualifizieren ist, ist der Anwendungsbereich der Norm bereits nicht eröffnet. |
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| 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Angesichts der mit dem Antrag verfolgten Vorwegnahme der Hauptsache erscheint es angemessen, den vollen Auffangstreitwert auch für das Eilrechtsschutzverfahren anzusetzen. |
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