Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 15. Juni 2015 - 21 ZB 15.933

bei uns veröffentlicht am15.06.2015
vorgehend
Verwaltungsgericht Würzburg, W 3 K 14.971, 26.02.2015

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung einer Rechtsanwältin für ein Berufungszulassungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Kläger ist Schafhalter und wendet sich gegen den teilweisen Widerruf eines Bewilligungsbescheids und die betreffende Rückforderung von ausbezahlten Fördermitteln nach dem Kulturlandschaftsprogramm KULAP-A (Maßnahme A 27 „Extensive Weidenutzung durch Schafe und Ziegen“) durch das zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Diese erfolgten, weil der Kläger wegen teilweiser Pachtrückgabe infolge Beendigung des Pachtvertrags und teilweiser Nichtübernahme der Verpflichtungen durch andere Bewirtschafter die entsprechenden Verpflichtungen im maßgeblichen Zeitraum insoweit nicht eingehalten hat.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den entsprechenden Bescheid vom 12. November 2012 sowie den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 12. November 2013 mit Urteil vom 26. Februar 2015 als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger sei die Fördervoraussetzung bekannt gewesen, dass ihm die entsprechenden Flächen für die Dauer des Verpflichtungszeitraums zur Verfügung stehen müssen. Eine erstmals in der mündlichen Verhandlung behauptete Existenzgefährdung sei jedenfalls nicht nachgewiesen worden.

Der Kläger hat für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung Prozesskostenhilfe beantragen lassen. Nach einem beigefügten Entwurf eines Berufungszulassungsantrags will er die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung einer Rechtsanwältin für den bisher nur beabsichtigten, aber noch nicht gestellten Berufungszulassungsantrag gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26. Februar 2015 (vgl. zu dieser prozessual als zulässig angesehenen Verfahrensweise BVerwG, U. v. 17.1.1980 - 5 C 32/79 - juris Rn. 11) ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung des Klägers im beabsichtigten Berufungszulassungsverfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten einer Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Ausgehend von dem dem Antrag auf Prozesskostenhilfe beigefügten Entwurf eines Berufungszulassungsantrags erscheint es als nicht wahrscheinlich, dass das dortige Vorbringen zur Zulassung der Berufung führt. Dabei ist auch in diesem Zusammenhang die gerichtliche Prüfung grundsätzlich auf die dargelegten Gründe beschränkt, vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind beim gebotenen Prüfungsmaßstab nicht hinreichend dargelegt bzw. liegen nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn gegen dessen Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt wird, dass sich die gesicherte Möglichkeit der Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 und B. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - jeweils juris).

Solche ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen der Klägerbevollmächtigten nicht. Diese meinen sinngemäß, die bescheidsmäßige Begleichung des Rückforderungsbetrags in Höhe von insgesamt 16.424,58 Euro, wobei Einwendungen gegen die Berechnung des Rückforderungsbetrags und auch hinsichtlich der festgesetzten Verzinsung im Klageverfahren und hiesigen Verfahren nicht erhoben wurden, führe zur Überschuldung seines Betriebs, den er deswegen aufgeben müsste, was das Verwaltungsgericht bei der Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung, aber auch prozessual nicht hinreichend beachtet habe. Damit werden Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht dargelegt.

Aus den von den Klägerbevollmächtigten im erstinstanzlichen Verfahren und im Zusammenhang mit der Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen des Prozesskostenhilfeantrags auch in hiesigem Verfahren eingereichten Unterlagen lässt sich mangels Vorlage von Einkommensteuerbescheiden, einer nachvollziehbaren Vermögensbewertung bzw. einer sachkundigen Stellungnahme die behauptete Existenzgefährdung oder gar -vernichtung des Betriebs des Klägers nicht substantiiert entnehmen.

Im Übrigen erscheint es als durchaus zweifelhaft, ob die behauptete Existenzgefährdung hier überhaupt zu berücksichtigen ist. Rechtsgrundlage für den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 12. November 2012 sind zwar die nationalen Vorschriften der Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 und Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG, weil maßgebliches Unionsrecht zwar die betreffende Rückzahlungspflicht des Beihilfeempfängers regelt, nicht jedoch eine Ermächtigung für einen Widerrufs- und Rückforderungsbescheid enthält (BVerwG, U. v. 1.10.2014 - 3 C 31/13 - juris Rn. 12, vgl. auch Nr. 8.9 der gemeinsamen Richtlinien von StMELF und StMUG zur Förderung von Agrarumweltmaßnahmen in Bayern in der hier maßgeblichen Fassung vom 18. November 2009). Dabei hat das nationale Recht aber vorrangiges materiell-rechtliches Unionsrecht zu beachten. Die Förderung von Agrarumweltmaßnahmen wie die streitgegenständliche Maßnahme A 27 nach KULAP-A richtete sich im maßgeblichen Förder- und Verpflichtungszeitraum u. a. nach der Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 und nach der Verordnung (EG) Nr. 1975/2006 der Kommission vom 7. Dezember 2006. Art. 2 der letztgenannten Verordnung verwies sinngemäß auf Art. 73 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004, der die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beträge regelte, seit dem 1. Januar 2010 aber durch die Regelung in Art. 80 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom 30. November 2009 ersetzt wurde. Bei zu Unrecht gezahlten Beträgen ist (also zwingend ohne Ermessensmöglichkeit) der Betriebsinhaber zur Rückzahlung dieser Beträge zuzüglich Zinsen verpflichtet. Nationale Vorschriften müssen daher der Verpflichtung der Mitgliedsstaaten Rechnung tragen, rechtswidrig gewährte Beihilfen der Europäischen Union in der Regel zurückzufordern (BVerwG, U. v. 24.7.2014 - 3 C 23/13 - juris Rn. 13). Die Rückforderung einer solchen zu Unrecht gewährten Beihilfe ist dann nach der ebenfalls nationalen Vorschrift des Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG, wonach im Fall des Widerrufs eines Verwaltungsakts bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind, bescheidsmäßig festzusetzen, da auch insoweit eine unionsrechtliche Regelung fehlt. Unionsrechtlich vorgesehen ist im Sinne einer Art Härtefallregelung zwar der Verzicht auf die Erstattung der zu Unrecht empfangenen Beihilfe unter den Voraussetzungen des Art. 44 Abs. 2 bzw. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 bzw. der Nr. 7.6.1 der genannten gemeinsamen Richtlinien. Im Gegensatz zu den dort (als Beispiel) genannten Härtefällen würde die geltend gemachte Existenzgefährdung wohl weder auf höherer Gewalt noch auf außergewöhnlichen Umständen beruhen, sondern letztlich allein darauf, dass der Kläger entgegen den eindeutigen Voraussetzungen eine Beihilfe für Maßnahmen beantragt hat, die einen Verpflichtungszeitraum von fünf Jahren betrafen, was er gewusst und durch ausdrückliche schriftliche Erklärung auch anerkannt hat. Einen Härtefall jenseits der behaupteten Existenzgefährdung hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt und eine solcher ist auch sonst nicht ersichtlich.

Das angefochtene Urteil kann also nicht deshalb beanstandet werden, weil dort die behauptete Existenzgefährdung des Betriebs des Klägers auch - als erkennbare Mehrfachbegründung im Urteil (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 61) - mit der Begründung abgelehnt wurde, dass sie nicht belegt und nachgewiesen worden war. Es trifft im Übrigen nicht zu, dass das Verwaltungsgericht die in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2015 vom Kläger insoweit gemachten Angaben insbesondere unter Bezugnahme auf die Prozesskostenhilfeunterlagen als verspätet unberücksichtigt gelassen hätte. Ausweislich der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wurden diese vielmehr überprüft, aber im Ergebnis als nicht ausreichend nachvollziehbar angesehen.

Weiter hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung, (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher nicht geklärt ist und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Dies ist hier nicht der Fall. Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen haben sich für die Vorinstanz schon nicht gestellt bzw. sind nicht klärungsbedürftig.

Die Frage, ob das zuständige Amt die Bewilligung von Subventionen für einen Zeitraum von fünf Jahren bei Kenntnis des Risikopachtvertrags überhaupt hätte vornehmen dürfen oder ob es hierfür nicht eines mindestens für die Dauer der Subventionsgewährung befristeten Pachtvertrags bedurft hätte, würde sich so in einem Berufungsverfahren nicht stellen. Sie betrifft die Rechtmäßigkeit des bestandskräftigen Bewilligungsbescheids (Grundbescheids) vom 5. August 2010 und der Auszahlungsmittelungen für 2010 und 2011. Dies wäre für das hiesige Verfahren aber ohne Bedeutung. Ist nämlich der Bewilligungsbescheid bestandskräftig, kommt es auf dessen Rechtmäßigkeit oder die Rechtmäßigkeit einer mit ihm verbundenen Auflage grundsätzlich nicht an (vgl. SächsOVG, B. v. 24.1.2013 - 1 A 147/10 - juris). Im Übrigen lag es im alleinigen Verantwortungsbereich des Klägers, Pachtflächen in die Förderung einzubeziehen, wobei ihm wie ausgeführt durch unterschriftliche Versicherung auf dem Förderantrag vom 21. Januar 2010 und ausdrückliche zusätzliche Erklärung vom selben Tag bekannt war, dass für diese Flächen für die Dauer des Verpflichtungszeitraums von fünf Jahren ein Nutzungsrecht/Pachtvertrag bestehen muss und Flächen, bei denen dies nicht zutrifft, im Flächen- und Nutzungsnachweis ausdrücklich mit A 03 zu kennzeichnen wären.

Die weitere Frage in diesem Zusammenhang, ob der Bescheid vom 5.8.2010 (deshalb) rechtmäßig ist oder nicht, wäre daher nicht entscheidungserheblich.

Schließlich wäre auch die Frage, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Subventionen für Truppenübungsplätze nicht geändert werden müssen dergestalt, dass bei Risikopachtverträgen eine Rückforderung ausgeschlossen sein muss, nicht klärungsfähig, da sie auf zukünftiges Handeln der Legislative und/oder Exekutive abzielt und kein derzeit anwendbares Recht betrifft.

Schließlich weist die Rechtssache auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Besondere rechtliche Schwierigkeiten sind gegeben, wenn die Rechtssache eine Qualität hat, bei der keine hinreichend sichere Erfolgsaussicht der Berufung prognostiziert werden kann (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124 Rn. 27 ff.). Dies ist nach den vorstehenden Ausführungen nicht der Fall.

Auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung einer Rechtsanwältin für das beabsichtigte Berufungszulassungsverfahren ist daher abzulehnen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

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(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

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Tenor Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Senats für Notarsachen des Kammergerichts in Berlin vom 25. September 2014 zuzulassen, wird abgelehnt.

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

2. ...

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, mit dem sein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil zurückgewiesen wurde. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte er eine Reduzierung der von ihm für das Jahr 2001 geforderten Abgaben für ein ärztliches Versorgungswerk angestrebt.

2

1. § 20 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Berliner Ärzteversorgung in der Fassung vom 1. April 2000 verpflichtet jedes Mitglied zur Leistung von Versorgungsabgaben, sofern Einkünfte aus ärztlicher Berufsausübung erzielt werden. Als allgemeine Versorgungsabgabe ist eine "Normalabgabe" zu zahlen, die gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung dem höchsten Pflichtbeitrag zur Angestelltenversicherung im gleichen Jahr entspricht. Als Mindestabgabe ist der 0,2-fache Betrag der Normalabgabe zu zahlen. In ständiger Verwaltungspraxis mussten im streitgegenständlichen Zeitraum Mitglieder, deren Einkommen 2.000 DM pro Monat unterschritt, nur einen reduzierten Versorgungsbeitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes der Rentenversicherung der Angestellten erbringen (im Folgenden: Härtefallregelung).

3

Im Jahr 2001 belief sich der höchste Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung der Angestellten auf 1.661,70 DM (849,61 €).

4

2. Der Beschwerdeführer ist Arzt und war aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Ärztekammer, der Beklagten des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagte) auch Mitglied der von ihr eingerichteten Ärzteversorgung.

5

Auf Grundlage eines Honorarvertrags war der Beschwerdeführer ab Juli 2000 als Bereitschaftsarzt für eine Privatklinik tätig. Da er zunächst weniger als 2.000 DM pro Monat verdiente, beantragte er bei der Beklagten eine Beitragsreduzierung auf Basis der Härtefallregelung, die diese mit Bescheid von Februar 2001 ab Januar 2000 gewährte. Für den Zeitraum ab Januar 2001 setzte die Beklagte gegenüber dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der Härtefallregelung einen monatlichen Beitrag von 81,20 DM fest. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Bereitschaftsarzt endete mit Ablauf des Monats Oktober 2001. Das letzte Honorar wurde im November 2001 ausgezahlt. Für den Rest des Jahres 2001 erzielte der Beschwerdeführer keine Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit mehr.

6

a) Nachdem der Beschwerdeführer den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vorgelegt hatte, aus dem sich Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 20.291 DM (10.374,62 €) ergaben, setzte die Beklagte im Mai 2003 für das Jahr 2001 bezüglich der Monate Januar bis Oktober 2001, ausgehend vom 0,2-fachen der Normalabgabe, einen monatlichen Beitrag von jeweils 169,92 € fest. Unter Berücksichtigung bereits gezahlter Beiträge und vorhandener Guthaben forderte sie vom Beschwerdeführer zugleich eine Nachzahlung in Höhe von 1.206,79 €. Der gegen die Höhe der Abgabe gerichtete Widerspruch des Beschwerdeführers blieb erfolglos.

7

b) Mit seiner daraufhin erhobenen Klage verlangte der Beschwerdeführer eine Reduzierung des Nachzahlungsbetrags auf 485,52 €, weil er der Härtefallregelung unterfalle. Sein monatliches Einkommen unterschreite die Grenze von 2.000 DM, weil das erst im November 2001 ausgezahlte Honorar nicht mehr als Einkommen berücksichtigt werden dürfe.

8

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Beklagte habe die Versorgungsabgaben für 2001 in der zutreffenden Höhe festgesetzt. Die Härtefallregelung könnte nicht zugunsten des Beschwerdeführers angewendet werden, weil sein monatliches Einkommen mehr als 2.000 DM pro Monat betragen habe. Abzustellen sei auf das Einkommen, das sich aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebe. Weder habe der Beschwerdeführer belegen können, dass in den im Steuerbescheid ausgewiesenen Einkünften auch Einkommen aus dem Jahr 2000 enthalten sei, noch komme es für das von Januar bis Oktober 2001 erarbeitete Einkommen auf den Zeitpunkt des Zuflusses an. Da nur für die Dauer der ärztlichen Tätigkeit Abgaben zu leisten seien, habe die Beklagte den 2001 verdienten Betrag auch richtigerweise lediglich auf 10 statt auf 12 Monate verteilt.

9

c) Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beantragte der Beschwerdeführer die Zulassung der Berufung. Er berief sich hierbei ausdrücklich auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Verwaltungsgericht sei nicht befugt gewesen, das ihm erst im November zugeflossene Einkommen zu berücksichtigten, weil es auf den Zufluss des Entgelts während der Dauer der Beschäftigung ankomme. Weiter sei zu erwähnen, dass die Beklagte ihre Forderung auch bei Anwendung des Entstehungsprinzips nicht begründen könne; denn in diesem Fall müssten von seinen einkommensteuerrechtlich für das Jahr 2001 ermittelten Einkünften aus selbständiger Arbeit seine während der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschafteten Honorare in Höhe von 985,50 DM abgezogen werden, wodurch nur noch Jahreseinkünfte von 19.305 DM verblieben. Dies führe ebenfalls zur Anwendung der Härtefallregelung. Der Beschwerdeführer bezog sich dabei auf bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Unterlagen. Seinem Schriftsatz war darüber hinaus als Anlage ein von Januar 2010 datierendes Schreiben der Rechtsnachfolgerin der Klinik, für die er tätig gewesen war, beigefügt, aus dem sich ergab, dass der Beschwerdeführer im Monat Dezember 2000 am 2., 9., 25., 28. und 31. Dezember Dienste absolviert hatte.

10

d) Das Oberverwaltungsgericht wies den Zulassungsantrag zurück. Die Berufung sei nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zuzulassen, weil ein Divergenzfall nicht gegeben sei. Auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils in Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden nicht. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts sei sowohl mit Wortlaut als auch mit Sinn und Zweck der Satzung vereinbar. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, die sein Einkommen im Jahr 2001 beträfen, seien in Bezug auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht entscheidungserheblich. Nichts anderes ergebe sich, wenn man zu seinen Gunsten unterstelle, dass er insoweit ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung habe geltend machen wollen; denn in diesem Fall sei durch die bloße Vorlage eines Honorarvertrags nicht nachgewiesen, dass im Januar 2001 Honorare für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit gezahlt worden seien.

11

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.

12

a) Die Nichtzulassung der Berufung verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG, hilfsweise gegen Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG als allgemeines Prozessgrundrecht auf ein faires Gerichtsverfahren. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sei erfüllt, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Falsch sei schon, dass das Gericht auf das Entstehungsprinzip abgestellt habe, denn maßgebend sei das Zuflussprinzip. Das ihm erst im November 2001 zugegangene Honorar dürfe daher nicht mitberücksichtigt werden. Selbst bei Anwendung des Entstehungsprinzips müsse aber zu seinen Gunsten die Härtefallregelung eingreifen; auch dann liege sein durchschnittliches Monatseinkommen während des maßgeblichen Zeitraums unter der Grenze von 2.000 DM. Es müsse nämlich das Honorar, das in der zweiten Dezemberhälfte des Jahres 2000 von ihm erwirtschaftet worden sei, aus dem Einkommen, das sich aus dem Steuerbescheid 2001 ergebe, herausgerechnet werden.

13

b) Auch die Ablehnung der weiteren Zulassungsgründe verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Im Übrigen verletze die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Art. 3 Abs. 1 GG als Gleichbehandlungsgebot und Willkürverbot.

14

4. Der Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin und der Ärztekammer Berlin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

II.

15

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist zudem offensichtlich begründet.

16

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2010 verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG.

17

a) Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; stRspr). Die Vorschrift erfordert zwar keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 49, 329 <343>; 83, 24 <31>; 87, 48 <61>; 92, 365 <410>; 96, 27 <39>; stRspr); eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 65, 76 <90>; 96, 27 <39>; stRspr). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Sehen die prozessrechtlichen Vorschriften - wie §§ 124, 124a VwGO - die Möglichkeit vor, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, so verbietet Art. 19 Abs. 4 GG eine Auslegung und Anwendung dieser Rechtsnormen, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Vor diesem Hintergrund dürfen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthaltene Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils immer schon dann erfüllt, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris, Rn. 15).

18

b) Diese Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht verkannt und den Zugang des Beschwerdeführers zur Berufungsinstanz dadurch in unzumutbarer Weise verkürzt.

19

aa) Verfassungsrechtlich nicht haltbar ist schon der rechtliche Ausgangspunkt des Oberverwaltungsgerichts, eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO komme nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer nicht "nachgewiesen" habe, dass im Januar 2001 gezahltes Honorar auch Einkommen für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit enthalte. Des Nachweises einer solchen Behauptung durch den Antragsteller bedarf es im Berufungszulassungsverfahren gerade nicht. Schlüssige Gegenargumente liegen vielmehr bereits dann vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist. Ob tatsächliche Umstände, die ein Antragsteller schlüssig behauptet, auch wirklich gegeben sind, muss bei Unklarheiten nach Zulassung der Berufung während des sich anschließenden Berufungsverfahrens im Rahmen der Amtsermittlung geklärt werden. Es ist nicht zulässig, diese Prüfung ins Zulassungsverfahren vorzuverlagern und damit die eigentlich erforderliche Beweisaufnahme zu umgehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 2009 - 1 BvR 812/09 -, juris, Rn. 22).

20

bb) Der fehlerhafte rechtliche Ansatz des Oberverwaltungsgerichts führt auch zu einem verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Ergebnis. Das Gericht hätte die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zulassen müssen, weil der Beschwerdeführer im Berufungszulassungsverfahren eine das verwaltungsgerichtliche Urteil tragende Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat.

21

(1) Das Verwaltungsgericht geht, unter Zugrundelegung der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten, davon aus, dass ein Kammermitglied Anspruch auf einen (reduzierten) Beitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes zur Rentenversicherung der Angestellten hat, sofern es einen Monatsverdienst von weniger als 2.000 DM erzielt. Für den Beschwerdeführer verneint das Gericht dann einen solchen, die 2.000 DM-Grenze unterschreitenden Verdienst pro Monat, weil die von ihm im Jahr 2001 erzielten Einnahmen von 20.291 DM auf 10 Monate, nämlich den Zeitraum von Januar bis einschließlich Oktober 2001, zu verteilen seien. Denn die Einnahmen könnten nur auf die Monate verteilt werden, in denen sie erarbeitet worden seien; auf den Zeitpunkt des Zuflusses komme es nicht an. Für die Höhe der Einnahmen stützt sich das Verwaltungsgericht auf die aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebende Einkommenshöhe, unterstellt also, dass die sich aus dem Einkommensteuerbescheid ergebenden Einnahmen vom Beschwerdeführer in dem Zeitraum von Januar bis Oktober 2001 erarbeitet worden sind und stützt seine Entscheidung auf diese Annahme.

22

(2) Demgegenüber hat der Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung eingewandt, in den Einnahmen, die in dem Einkommensteuerbescheid 2001 ausgewiesen seien, seien auch Verdienste aus dem Jahr 2000 enthalten, und zwar Honorare in Höhe von 985,50 DM, die er durch seine ärztliche Tätigkeit in der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschaftet habe. Zum Beleg seiner Behauptung hat er das Schreiben von Januar 2010, wonach er im Dezember 2000 an fünf Tagen Dienste wahrgenommen hat, vorgelegt. Darüber hinaus hat er vorgetragen, aufgrund des klinikinternen Abrechnungsmodus sei das Honorar während seiner Tätigkeit immer jeweils von Monatsmitte zu Monatsmitte berechnet und anschließend ausgezahlt worden. Da hiernach für die Monate Januar bis Oktober 2001 nur noch ein Einkommen von 19.305 DM verbleibe - also weniger als 2.000 DM monatlich - sei die Härtefallklausel schon aus diesem Grunde auf ihn anzuwenden.

23

(3) Damit hat der Beschwerdeführer die Prämisse des Verwaltungsgerichts, in dem aus dem Steuerbescheid ergebenden Einkommen seien keine Einnahmen aus dem Jahre 2000 enthalten, mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Denn auf Grundlage der Behauptungen des Beschwerdeführers, die er zudem mit dem Schreiben von Januar 2010 belegt hat, erscheint es nicht lediglich als möglich, sondern sogar als nahe liegend, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts im Steuerbescheid des Jahres 2001 als Einkommen auch Honorar berücksichtigt war, das der Beschwerdeführer im Dezember 2000 erarbeitet hatte. Dafür spricht nicht nur das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sein Honorar in einem Abrechnungsmodus von Monatsmitte bis Monatsmitte berechnet und ausbezahlt wurde. Auch aus verwaltungspraktischen Gründen erscheint es wenig wahrscheinlich, dass insbesondere für eine ab dem 25. Dezember 2000, also während der Weihnachtsfeiertage und danach, geleistete Arbeit die Vergütung noch im selben Monat überwiesen werden konnte. Anhaltspunkte für eine Zahlung des Honorars im Voraus oder für Abschlagszahlungen gibt es nicht.

24

(4) Die Tatsachenfeststellungen, die der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen in Frage stellt, sind auch rechtlich erheblich. Denn das Verwaltungsgericht hätte, wären die Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffend, seiner Klage jedenfalls teilweise stattgeben müssen. In diesem Fall hätte sich nämlich für 2001 ein in diesem Jahr "erarbeitetes" Honorar von lediglich 19.305,50 DM ergeben, weil 985,50 DM als Honorar für Dienste im Dezember 2000 von dem im Steuerbescheid 2001 ausgewiesenen Einkommen von 20.291 DM abzuziehen gewesen wären. Für die zehnmonatige ärztliche Tätigkeit des Beschwerdeführers im Jahr 2001 hätte sein monatlicher Verdienst folglich nur noch 1.930,55 DM betragen und damit die 2.000 DM-Grenze unterschritten. Nach der vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsauffassung - die vom Oberverwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss auch nicht in Zweifel gezogen wird - wäre bei diesem geringen Einkommen die Härtefallregelung anzuwenden gewesen. Da sich die monatlichen Abgaben dementsprechend nur nach dem hälftigen Beitragssatz der Rentenversicherung für Angestellte, also der Hälfte von damals 19,1 %, errechnen würden, hätten sich diese nicht wie von der Beklagten festgesetzt auf - umgerechnet - 169,92 € belaufen, sondern lediglich auf 94,27 €. Auch die geltend gemachte Nachforderung würde sich entsprechend verringern.

25

cc) Dem Beschwerdeführer kann auch nicht entgegengehalten werden, er habe den Zulassungsgrund im Berufungszulassungsverfahren nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere ist es unschädlich, dass er in dem Zulassungsschriftsatz die von ihm vorgebrachten Argumente keinem beziehungsweise jedenfalls nicht dem zutreffenden Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugeordnet hat. Denn für eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung eines oder mehrerer Berufungszulassungsgründe ist es nicht notwendig, dass der Antragsteller ausdrücklich einen der in § 124 Abs. 2 VwGO normierten Zulassungsgründe oder die dort angeführten tatbestandlichen Voraussetzungen benennt. Ebenso ist es kein Hindernis, wenn der Antragsteller sein Vorbringen unter dem falschen Berufungszulassungsgrund erörtert oder verschiedene Gesichtspunkte, die bei unterschiedlichen Zulassungsgründen im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO relevant sein können, miteinander vermengt. Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet das den Zulassungsantrag prüfende Gericht nämlich dazu, den Vortrag des jeweiligen Antragstellers angemessen zu würdigen und durch sachgerechte Auslegung selbstständig zu ermitteln, welche Zulassungsgründe der Sache nach geltend gemacht werden und welche Einwände welchen Zulassungsgründen zuzuordnen sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010 - 1 BvR 2309/09 -, juris, Rn. 13; vgl. insoweit auch BVerfGK 5, 369 <375 f.>). Erst dann, wenn aus einer nicht auf einzelne Zulassungsgründe zugeschnittenen Begründung auch durch Auslegung nicht eindeutig ermittelt werden kann, auf welchen Zulassungsgrund der Antrag gestützt wird, stellt die Verwerfung des Antrags als unzulässig keine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zur Berufungsinstanz dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010, a.a.O., Rn. 13). Dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers ohne Schwierigkeiten dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuordnen lässt, folgt hier schon daraus, dass es vom Oberverwaltungsgericht unter diesem Gesichtspunkt geprüft wurde. Eine solche Zuordnung lag im Übrigen auch auf der Hand, weil die Ausführungen des Beschwerdeführers nur zu diesem Zulassungsgrund passen.

26

c) Die weiteren Argumente, die der Beschwerdeführer gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils vorgebracht hat, sind allerdings nicht geeignet, einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG zu begründen. Dass das Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf diese Einwände das Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verneint hat, lässt keine Grundrechtsverletzung erkennen. Der Beschwerdeführer hat schon nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Zufluss des Einkommens erst nach dem Ablauf des Zeitraums der Tätigkeit sei unschädlich - maßgeblich sei vielmehr der Zeitpunkt des Erarbeitens -, fehlerhaft sein sollte. Der Ansatz des Gerichts, allein an den Tätigkeitszeitraum anzuknüpfen und den Zuflusszeitpunkt als unerheblich anzusehen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

27

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) sei nicht gegeben, gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen könnte. Die Gründe, mit denen das Gericht das Vorliegen des Zulassungsgrundes ablehnt, sind gut nachvollziehbar. Dass sie den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG nicht genügen könnten, ist nicht zu erkennen.

28

Eine Berufung auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) scheitert schließlich unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität schon daran, dass sich der Beschwerdeführer auf diesen Grund im Berufungszulassungsverfahren weder ausdrücklich noch der Sache nach berufen hat.

29

2. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Ob der Beschluss auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verstößt, kann daher offenbleiben.

30

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rückforderung der Betriebsprämie 2006 als Sanktion einer vorsätzlichen Übererklärung.

2

Der Kläger ist Landwirt und bewirtschaftet eine Fläche von rund 92 ha, auf der er unter anderem Kartoffeln anbaut. In seinem Sammelantrag für das Jahr 2006 beantragte er die Betriebsprämie und die Beihilfe für den Anbau von Stärkekartoffeln (Stärkekartoffelprämie). In dem dazugehörigen Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis gab er an, auf einer Teilfläche von 18,21 ha Speisekartoffeln und auf einer weiteren Teilfläche von 0,8 ha Kartoffeln zur Stärkeherstellung anzubauen, für die er einen Anbauvertrag mit der Fa. ... beifügte. Darüber hinaus bestätigte er in dem Antragsformular, davon Kenntnis zu haben, dass die Anbaufläche von Stärkekartoffeln gleichzeitig für die Aktivierung von Zahlungsansprüchen im Rahmen der Betriebsprämie genutzt werden könne; er wisse, dass Kartoffeln nur der Verwendung zugeführt werden dürften, die für den jeweiligen Schlag angegeben sei.

3

Mit Bescheid vom 27. Dezember 2006 bewilligte die Beklagte eine Betriebsprämie in Höhe von 26 041,71 €. Dabei berücksichtigte sie die 0,8 ha große Teilfläche für Stärkekartoffeln. Für den Anbau von Speisekartoffeln erkannte sie 17,45 ha an, weil der Kläger nur in diesem Umfang über die hierfür erforderlichen OGS-Genehmigungen verfügte. Ferner bewilligte sie mit Bescheid vom 31. August 2007 einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 200 €. Eine Stärkekartoffelprämie wurde hingegen nicht gewährt, weil die Fa. ... mitgeteilt hatte, der Kläger habe keine Stärkekartoffeln geliefert.

4

Vor diesem Hintergrund wurde der Kläger mit Schreiben vom 21. September 2007 darauf hingewiesen, dass die Betriebsprämie für die zum Anbau von Stärkekartoffeln gemeldete Teilfläche zu Unrecht bewilligt worden sei, falls die dort angebauten Kartoffeln an einen Speisekartoffelverarbeitungsbetrieb geliefert worden seien. Beruhe die Differenz auf einer vorsätzlichen Unregelmäßigkeit, sei die gesamte Betriebsprämie zurückzufordern. Der Kläger räumte hierauf ein, er habe diese Kartoffeln nicht an die Fa. ..., sondern an die Fa. ... geliefert. Das habe er der Fa. ... mitgeteilt. Er habe jedoch versäumt, seinen Betriebsprämienantrag insoweit zurückzunehmen.

5

Die Beklagte prüfte, ob der Kläger vorsätzlich gehandelt habe und verneinte dies. Erst durch das Anhörungsschreiben sei ihm klar geworden, eine Mitteilung an die Bewilligungsstelle versäumt und insoweit zu Unrecht eine Betriebsprämie erhalten zu haben. Mit Teilrücknahmebescheid vom 26. Mai 2008 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 27. Dezember 2006 auf, soweit damit für die Anbaufläche für Stärkekartoffeln 124,96 € bewilligt worden waren.

6

Mit Schreiben vom 31. Juli 2009 hörte die Beklagte den Kläger auf Weisung des zuständigen Landesministeriums zur beabsichtigten vollständigen Versagung der Betriebsprämie an, weil er vorsätzlich Rechtsvorschriften verletzt habe. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2009 nahm die Beklagte die nach der Teilrücknahme noch bestehenden Bewilligungen zurück und forderte die verbliebenen 26 116,73 € zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe die für den Stärkehersteller angebauten Kartoffeln bewusst nicht als Stärkekartoffeln, sondern als Veredelungskartoffeln an die Fa. ... geliefert. Folglich müsse er gewusst haben, dass seine Nutzungsangaben falsch geworden seien. Ihm sei auch bekannt gewesen, dass er nachträgliche Nutzungsänderungen unverzüglich hätte mitteilen müssen. Das habe er unterlassen, so dass eine vorsätzliche Unregelmäßigkeit vorliege. Auf Vertrauensschutz könne er sich nicht berufen, da die Bewilligungen auf seine falschen Angaben zurückzuführen seien.

7

Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 28. Oktober 2009 aufgehoben, weil mangels Vorsatzes die Voraussetzungen der Sanktion nicht gegeben seien. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, mit dem Teilrücknahmebescheid vom 26. Mai 2008 sei nicht zugleich geregelt worden, dass der Kläger die Betriebsprämie im Übrigen behalten könne. Die Rücknahme der verbliebenen Bewilligungen sei rechtmäßig; denn die Betriebsprämie sei wegen einer vorsätzlichen Unregelmäßigkeit im Sinne einer Übererklärung gemäß Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 769/2004 zu Unrecht bewilligt worden. Die Angabe, eine bestimmte Fläche zum Anbau von Stärkekartoffeln zu nutzen, sei durch die davon abweichende Verwendung zu Speisezwecken falsch geworden. Der Kläger habe es vorsätzlich unterlassen, die Angabe zu berichtigen. Auf eine Betrugsabsicht oder einen Vorsatz in Bezug auf die Unrechtmäßigkeit der bewilligten Beihilfe komme es nicht an. Angesichts der in dem Sammelantragsformular enthaltenen Erklärungen sei regelmäßig von dem Wissen um die Verpflichtung auszugehen, Änderungen unverzüglich mitzuteilen. Der Kläger habe langjährig sowohl Speise- als auch Stärkekartoffeln angebaut und in seinem Antrag bewusst zwischen diesen unterschieden. Es müsse daher angenommen werden, dass er gewusst habe, Stärkekartoffeln nicht abweichend vermarkten zu dürfen. Spätestens bei der im November 2006 durchgeführten Vor-Ort-Kontrolle oder der Eigenkontrolle des Bescheides vom 27. Dezember 2006 müsse sich der Kläger der Korrekturbedürftigkeit bewusst gewesen sein. Die Sanktion der vollständigen Versagung der Betriebsprämie verletze auch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Aufhebung der daher rechtswidrigen Bewilligungsbescheide stehe Vertrauensschutz nicht entgegen, der unionsrechtlich abschließend durch Art. 73 VO (EG) Nr. 796/2004 geregelt sei. Der Kläger könne sich nicht gemäß Art. 73 Abs. 4 VO (EG) Nr. 796/2004 darauf berufen, dass die Zahlung auf einen Irrtum der Behörde zurückzuführen sei, den er billigerweise nicht habe erkennen können. Die Zahlung habe vielmehr auf den fehlerhaft gewordenen Angaben des Klägers beruht, was er auch gewusst habe. Die Vorschrift biete nach ihrem Wortlaut keine Grundlage für den Schutz des Vertrauens in einen Teilrücknahmebescheid, der in Kenntnis der für die Sanktion entscheidungserheblichen Tatsachen ergangen sei, und könne auch nicht analog angewandt werden.

8

Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass er vorsätzlich gehandelt habe. Der Vorsatz müsse sich auf die Erlangung eines rechtswidrigen Vorteils beziehen, weil es darum gehe, Betrugsfälle zu vermeiden. Er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass eine Fläche, deren Ernte nicht als Stärkekartoffeln abgeliefert werde, agrarförderrechtlich zu einer Speisekartoffelfläche werde. Überhaupt sei ihm nicht bewusst gewesen, dass es durch die Agrarreform im Rahmen der Betriebsprämie eine zusätzliche, sehr geringe Förderung gebe und er hier einen Fehler gemacht habe. Er habe ausschließlich an die Stärkekartoffelprämie gedacht. Die Sachverhaltswürdigung sei wertungswidersprüchlich, weil das Berufungsgericht einerseits die Komplexität des Bewilligungssystems anerkenne, andererseits davon ausgehe, dass er die hier einschlägigen Hinweise verstanden habe. Das Berufungsgericht verkenne, dass vom Verständnis eines durchschnittlichen Landwirts auszugehen sei. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er zusätzlich zu den Mitteilungen an die Stärkefabrik die Nutzungsänderung auch gegenüber der Beklagten habe anzeigen müssen. Die Sanktion verletze außerdem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Schließlich könne er sich nach den Bestimmungen des Art. 73 VO (EG) Nr. 796/2004 auf Vertrauensschutz berufen. Mit dem Teilrücknahmebescheid vom 26. Mai 2008 sei auch entschieden worden, ihm die nicht zurückgeforderten Beträge zu belassen. In Anbetracht der Kenntnisse der Beklagten habe er darauf vertrauen dürfen, von Sanktionen verschont zu bleiben.

9

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich der Vorsatz allein auf den Verstoß gegen eine für die Beihilfegewährung geltende Vorschrift beziehen müsse. Aus dem Teilrücknahmebescheid lasse sich schutzwürdiges Vertrauen nicht ableiten. Er habe keine Entscheidung über eine Kürzung der Betriebsprämie wegen einer vorsätzlichen Unregelmäßigkeit enthalten.

10

Der Senat hat die Beteiligten auf die mit der Agrarreform 2014 einhergehende Änderung der Sanktion bei vorsätzlichen Übererklärungen und das Günstigkeitsprinzip des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 hingewiesen. Die Beklagte sieht darin keine nach dem Günstigkeitsprinzip anwendbare, weniger strenge Sanktion.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist begründet. Auf der Grundlage der am 27. Juni 2014 in Kraft getretenen Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 der Kommission vom 11. März 2014 (ABl L 181 S. 48) verletzt das angegriffene Urteil Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, weil nach den Sanktionsregelungen dieser Verordnung die vom Berufungsgericht festgestellte vorsätzliche Übererklärung in Anwendung des Günstigkeitsprinzips der Rahmenverordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl L 312 S. 1) ohne Sanktion bleibt.

12

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dem Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 28. Oktober 2009 als Rechtsgrundlage das Gesetz zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (Marktorganisationsgesetz - MOG) zugrunde zu legen ist, das hier in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juni 2005 (BGBI I S. 1847), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juli 2009 (BGBI I S. 2314) maßgeblich ist. Über die Rückforderung zu Unrecht gewährter Beihilfen ist nach nationalem Recht zu entscheiden, soweit es an unionsrechtlichen Regelungen fehlt. Zwar begründete Art. 73 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl L 141 S. 18) die materiell-rechtliche Pflicht des Betriebsinhabers, zu Unrecht gezahlte Betriebsprämien zurückzuzahlen. Die Vorschrift enthielt aber nicht zugleich auch die verfahrensrechtliche Ermächtigung der nationalen Behörden zur Aufhebung von Bewilligungsbescheiden und zum Erlass von Rückforderungsbescheiden; sie bestimmt sich daher nach nationalem Recht (vgl. Urteile vom 26. August 2009 - BVerwG 3 C 15.08 - Buchholz 424.3 Förderungsmaßnahmen Nr. 10 Rn. 30 und vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 3 C 22.02 - Buchholz 316 § 49 VwVfG Nr. 44 S. 14 f.).

13

Bei der Betriebsprämie handelt es sich um eine flächenbezogene Beihilfe und Direktzahlung im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. g und Nr. 2 MOG. Deren rechtswidrige, aber auch nachträglich rechtswidrig gewordene Bewilligung ist vorbehaltlich des zu beachtenden Vertrauensschutzes aufzuheben; der danach zu erstattende Betrag ist durch Bescheid festzusetzen (§ 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 MOG, § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG).

14

2. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die mit dem angefochtenen Bescheid aufgehobenen, nach dem Teilrücknahmebescheid fortbestehenden Bewilligungen rechtswidrig waren, weil die Betriebsprämie wegen einer vorsätzlichen Unregelmäßigkeit in Gestalt einer Übererklärung nach Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 insgesamt zu versagen gewesen sei.

15

Die verwaltungsrechtliche Sanktionierung einer Unregelmäßigkeit setzt nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 voraus, dass sie in einem - gültigen - Rechtsakt vor dem Zeitpunkt der Unregelmäßigkeit vorgesehen wurde, was dem strafrechtlichen Grundsatz nulla poena sine lege entspricht. Im Ausgangspunkt entscheidend sind daher die Sanktionsbestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 in ihrer ursprünglichen Fassung vom 21. April 2004; denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lag eine (vorsätzliche) Unregelmäßigkeit spätestens bei der Eigenkontrolle des Bewilligungsbescheides vom 27. Dezember 2006 vor. Die nachfolgende, Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 um eine Bagatellklausel ergänzende Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 380/2009 vom 8. Mai 2009 (ABl L 116 S. 9) ist hierfür ohne Bedeutung.

16

In nicht zu beanstandender Weise ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer vorsätzlichen Übererklärung gemäß Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 gegeben sind. Nach dieser Vorschrift war ein Betriebsinhaber von der Gewährung der Betriebsprämie des laufenden Jahres ausgeschlossen, wenn die von ihm in seinem Sammelantrag angegebene Fläche größer war als die den Voraussetzungen für die Beihilfegewährung genügende Fläche („ermittelte Fläche“), sofern die Differenz auf einer vorsätzlichen Unregelmäßigkeit beruht (Art. 53 Abs. 1 i.V.m. Art. 50 Abs. 3, Art. 49 Abs. 1 Buchst. a und Art. 2 Nr. 22 VO Nr. 796/2004).

17

Eine Differenz in diesem Sinne liegt hier vor, weil die im Sammelantrag des Klägers angegebene Fläche zum Anbau von Stärkekartoffeln nicht als ermittelte Fläche gilt. Diese Fläche war im Jahr 2006 nur unter der Voraussetzung beihilfefähig, dass die auf ihr angebauten Kartoffeln tatsächlich zur Stärkeherstellung verwandt wurden (Art. 51 Buchst. c VO Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003, ABl L 270 S. 1, in der Fassung der VO Nr. 864/2004, ABl L 206 S. 20). Der Kartoffelanbau zu anderen Zwecken (Speisekartoffel) war förderrechtlich nur erlaubt und damit beihilfefähig, wenn für die Fläche eine OGS-Genehmigung zur Verfügung stand (Art. 60 VO Nr. 1782/2003 o.g. Fassung). Ungeachtet seiner unzutreffenden Angabe stand dem Kläger für die Fläche keine OGS-Genehmigung zur Verfügung, nachdem seine OGS-Genehmigungen durch die übrigen, zutreffend angemeldeten Flächen bereits in Anspruch genommen waren.

18

Diese Differenz beruht auf einer Unregelmäßigkeit. Der Begriff der Unregelmäßigkeit wird allgemein und grundlegend in Art. 1 Abs. 2 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 sowie im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 durch dessen Art. 2 Nr. 10 definiert. Nach dieser sektoralen Definition ist eine Unregelmäßigkeit in jeder Missachtung der für die Gewährung der betreffenden Beihilfe geltenden Rechtsvorschriften zu sehen. Wie sich aus Erwägungsgrund 55 VO Nr. 796/2004 und auch aus der allgemeinen Definition des Art. 1 Abs. 2 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 ergibt, geht es dem Unionsgesetzgeber um den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft, mithin um Verstöße gegen Rechtsvorschriften, die zu ungerechtfertigten Ausgaben führen. Das sind die Vorschriften, deren Einhaltung Voraussetzung der Leistungsgewährung ist und die in diesem Sinne förderrelevant sind.

19

Der Kläger hat für die 0,8 ha große Teilfläche Zahlungsansprüche aktiviert unter der Angabe, das Land zum Anbau von Stärkekartoffeln zu nutzen. Er unterlag damit förderrechtlich dem Verbot, diese Fläche für andere als für die Herstellung von Kartoffelstärke bestimmte Kartoffeln zu nutzen. Folglich verletzte der Kläger bereits mit der zweckwidrigen Verwendung der Kartoffeln das Nutzungsverbot in förderrelevanter Weise und beging damit eine Unregelmäßigkeit. Damit verbunden ist eine weitere Unregelmäßigkeit, auf die sich das Berufungsgericht zu Recht stützt. Gemäß Art. 12 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 musste der Sammelantrag alle zur Feststellung der Beihilfefähigkeit erforderlichen Informationen enthalten, wozu hier gemäß vorstehend genannter Vorschriften auch die Nutzung des Kartoffelanbaus gehörte. Ausdrücklich bestimmte § 7 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und l InVeKoSV, dass die Nutzung von Flächen für den Anbau von Kartoffeln, unterschieden nach Stärkekartoffeln und anderen Kartoffeln, anzugeben war. Diese Angaben müssen nicht nur im Zeitpunkt der Erklärung zutreffen. Im Rahmen des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (Integriertes System) obliegt es einem Antragsteller, Beihilfeanträge nur für Flächen zu stellen, die die Bedingungen für die Gewährung der betreffenden Beihilfe erfüllen, und über jede nach Antragstellung eintretende Änderung der Sachlage zu informieren (EuGH, Urteil vom 28. November 2002 - Rs. C-417/00, Agrargenossenschaft Pretzsch - Slg. I-11070 Rn. 45 ff., 52). Das spiegelt auch Art. 68 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 wider, der bei rechtzeitiger Mitteilung, dass der Beihilfeantrag „seit Einreichung fehlerhaft geworden ist“, von Sanktionen befreit.

20

Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass jedenfalls Vorsatz in Gestalt sicheren Wissens (direkter Vorsatz) genügt, also eine absichtliche Begehung der Unregelmäßigkeit, und entsprechend auch eine betrugsspezifische Bereicherungsabsicht nicht vorliegen muss. Richtig ist auch, dass sich der Vorsatz auf die Unregelmäßigkeit bezieht und damit jedenfalls nicht unmittelbar auf die Unrechtmäßigkeit der bewilligten Beihilfe. Der Begriff der Unregelmäßigkeit knüpft jedoch an die Verletzung einer förderrelevanten Vorschrift an, die die Rechtswidrigkeit einer dennoch gewährten Beihilfe nach sich zieht, so dass die Fehlvorstellung, die verletzte Vorschrift habe keine Bedeutung für die beantragte Förderung, als ein den Vorsatz ausschließender Irrtum angesehen werden könnte. Das bedarf aber keiner Vertiefung, weil das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der von ihm festgestellten Unregelmäßigkeit eine solche Fehlvorstellung verneint hat.

21

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist von einer vorsätzlich begangenen Unregelmäßigkeit auszugehen. Eine solche Unregelmäßigkeit dürfte bereits darin bestehen, dass der Kläger mit der zweckwidrigen Verwendung der Kartoffeln wissentlich gegen das förderrechtliche Nutzungsverbot verstoßen hat, weil er - legt man diese Feststellungen zugrunde - das Fördersystem durchaus verstanden und demnach gewusst hat, dass er die Stärkekartoffeln nicht abweichend vermarkten durfte. Das Berufungsgericht hat die vorsätzliche Unregelmäßigkeit erst darin gesehen, dass der Kläger die von seinen Antragsangaben abweichende Verwendung von Stärkekartoffeln der Beklagten nicht (unverzüglich) mitgeteilt habe und ihm jedenfalls spätestens bei der Eigenkontrolle des Bewilligungsbescheids vom 27. Dezember 2006 die Korrekturbedürftigkeit der Angaben bewusst gewesen sein müsse. Davon ausgehend liegt die vorsätzliche Unregelmäßigkeit allerdings zeitlich nach Erlass der Betriebsprämienbewilligung vom 27. Dezember 2006, so dass diese (ursprünglich) nur insoweit rechtswidrig wäre, als für die 0,8 ha große Teilfläche eine Betriebsprämie bewilligt wurde. Das ist mit der Teilrücknahme erledigt. Die fortbestehende Bewilligung wurde hingegen erst nachträglich rechtswidrig. Das ist aber nicht weiter bedeutsam (§ 47 VwVfG), weil die verbliebene Bewilligung dann zwar nicht zurückzunehmen, aber mit den gleichen Rechtsfolgen gemäß § 10 Abs. 2 Halbs. 1 MOG zu widerrufen war.

22

Die die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts tragenden tatsächlichen Feststellungen zum Vorliegen einer vorsätzlichen Unregelmäßigkeit hat der Kläger nicht mit Verfahrensrügen angriffen (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO); sondern sich darauf beschränkt, ihnen seine eigene Sicht des tatsächlichen Geschehensablaufs entgegen zu halten; die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind daher grundsätzlich bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Revisionsgerichtlich ist nur zu prüfen, ob die tatsächlichen Feststellungen gegen allgemeine Beweiswürdigungsgrundsätze verstoßen, zu denen die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze gehören (vgl. Urteile vom 13. Juli 2006 - BVerwG 4 C 2.05 - BVerwGE 126, 233 Rn. 17 und vom 6. Juni 2002 - BVerwG 4 CN 6.01 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 111 S. 36 f.). Ein solcher Verstoß ist nicht ersichtlich. Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts lässt den geltend gemachten Wertungswiderspruch nicht erkennen. Das Gericht hat die Komplexität des Bewilligungssystems gewürdigt und hierauf aufbauend seine Feststellungen im Kern individuell begründet.

23

3. Gleichwohl kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; denn nach den Sanktionsregelungen der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 bleibt die vorsätzliche Übererklärung in Anwendung des Günstigkeitsprinzips des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 ohne Sanktion.

24

Die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 enthält eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten, die mit ihren allgemeinen, horizontal geltenden Vorschriften alle Bereiche der Unionspolitik erfasst und grundsätzlich von allen sektorbezogenen Verordnungen zu beachten ist (vgl. EuGH, Urteil vom 11. März 2008 - Rs. C-420/06, Jager - Slg. I-1315 Rn. 61 m.w.N.). Ihr Art. 2 Abs. 2 Satz 2 bestimmt, dass bei einer späteren Änderung der in einer Gemeinschaftsregelung enthaltenen Bestimmungen über verwaltungsrechtliche Sanktionen die weniger strengen Bestimmungen rückwirkend gelten. Das damit auf verwaltungsrechtliche Sanktionen anzuwendende Günstigkeitsprinzip ist Ausdruck des Grundsatzes der rückwirkenden Anwendung des milderen Strafgesetzes, der zu den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten gehört und als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen ist (EuGH, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O. Rn. 59 m.w.N.). Entsprechend ist das Günstigkeitsprinzip auch mit Blick auf Rechtsänderungen zu beachten, die im Rechtsmittelverfahren - hier im Revisionsverfahren - vorgenommen werden (vgl. EuGH, Urteile vom 1. Juli 2004 - Rs. C-295/02, Gerken - Slg. I-6382 Rn. 14 - 20 und vom 11. März 2008 a.a.O. Rn. 40 f., 84).

25

Die Regelung der Sanktion der in einer vorsätzlichen Übererklärung liegenden Unregelmäßigkeit nach Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 wurde zunächst durch die Änderungsverordnung (EG) Nr. 380/2009 durch eine Bagatellregelung abgemildert, die jedoch den vorliegenden Sachverhalt nicht erfasst. Die Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 nachfolgende, für Beihilfeanträge ab 2010 geltende Sanktionsregelung übernahm die zuvor geltende Vorschrift unverändert (Art. 60 Abs. 1 VO Nr. 1122/2009). Mit Art. 19 VO (EU) Nr. 640/2014 wurde jedoch eine neue, nicht mehr den Grad des Verschuldens berücksichtigende einheitliche Regelung der „Verwaltungssanktionen bei Übererklärungen“ geschaffen. Sie differenziert nicht mehr zwischen vorsätzlichen und anderen Übererklärungen. Die Sanktion wird vielmehr abhängig von der Flächendifferenz bezogen auf die für die jeweilige Beihilferegelung relevante Kulturgruppe gestuft und entfällt, wenn eine Bagatellgrenze nicht überschritten wird. Diese Grenze liegt bei einer Flächendifferenz von 3% oder 2 ha und wurde im Fall des Klägers nicht überschritten. Die neue Sanktionsregelung entspricht der bislang nur für nicht vorsätzliche Übererklärungen geltenden Sanktion des Art. 51 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 (= Art. 58 Abs. 1 VO Nr. 1122/2009 der Kommission vom 30. November 2009, ABl L 316 S. 65) und ist gegenüber der bisherigen Rechtslage eine mildere Sanktion der Fälle von vorsätzlichen Übererklärungen.

26

Der Anwendung dieser milderen Sanktionsregelung stehen die Vorschriften zur Aufhebung der mit ihr abgelösten Verordnung (EG) Nr. 1122/2009, zum In-Kraft-Treten und zum Geltungsbeginn der Verordnung (EU) Nr. 640/2014 nicht entgegen.

27

In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass die im Regelungsbereich der Gemeinsamen Agrarpolitik üblichen Übergangsregelungen, wie sie sich in Art. 53 und 54 VO (EG) Nr. 2419/2001 (ABl L 327 S. 11) finden, die Anwendung des Günstigkeitsprinzips nicht ausschließen. Soweit sich aus dem jeweiligen Rechtsakt kein anderer Hinweis ergibt, lassen sie das mit der Rahmenregelung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 allgemein eingeführte Günstigkeitsprinzip unberührt (EuGH, Urteil vom 1. Juli 2004 a.a.O. Rn. 53 - 58).

28

Nach den hier zu beachtenden Übergangsvorschriften bleiben die bisherigen Beihilfevorschriften für Beihilfeanträge früherer Zeiträume und für Zahlungsanträge des Jahres 2014 anwendbar (Art. 43 Satz 1 und 2 Buchst. a und b VO Nr. 640/2014). Spiegelbildlich wurde - jenseits des In-Kraft-Tretens der Verordnung am 27. Juni 2014 - geregelt, dass die neuen Bestimmungen für Anträge gelten, die sich auf Zeiträume ab 1. Januar 2015 beziehen. Das entspricht den üblichen Übergangsregelungen. Ein Hinweis darauf, dass mit ihnen zugleich die Anwendung des Günstigkeitsprinzips hätte ausgeschlossen werden sollen, lässt sich diesen Vorschriften nicht entnehmen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Übergangsvorschriften im Zusammenhang mit der Ablösung der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 durch die Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 oder aus den allein für das Jahr 2014 bedeutsamen Übergangsregelungen, die in vorliegendem Zusammenhang wegen des Auslaufens der Förderperiode 2007 bis 2013 notwendig wurden (VO Nr. 1310/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013, ABl L 347 S. 865).

29

Die Neuregelung der Sanktion bei Übererklärungen stellt sich auch nicht als gänzliche Neustrukturierung der Sanktionsvorschriften dar, die einer Anpassung an die Änderungen des Beihilfesystems, hier der Fortentwicklung der Betriebsprämie, geschuldet wäre und damit keine gewandelte gesetzgeberische Wertung in Bezug auf die Sanktionierung von Übererklärungen zum Ausdruck bringen würde.

30

Einen solchen, die Anwendung des Günstigkeitsprinzips ausschließenden Systemwechsel hat der Europäische Gerichtshof im Zuge des mit der Agrarreform 2003 verbundenen Wechsels vom System produktionsbezogener Direktzahlungen zur - weitgehend - von der Produktion entkoppelten Betriebsprämie für die Sanktion einer Verletzung der Registrierungspflicht für Tiere angenommen (EuGH, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O. Rn. 67 ff.). Während eine qualifizierte Verletzung der Registrierungspflicht vor der Reform zu einem zwölfmonatigen Ausschluss der Mutterkuhprämie führte, war die Registrierungspflicht im Rahmen der Betriebsprämie als sogenannte anderweitige Verpflichtung (Cross-Compliance) zu beachten, deren Verletzung zu einer prozentualen Kürzung der Betriebsprämie führte, für die unter anderem eine individuelle Bewertung aller Verstöße von Bedeutung war. Die Einhaltung der Registrierungspflicht war damit in einen ganz anderen Regelungszusammenhang gestellt worden, der eine Anpassung des Sanktionssystems erforderlich machte, um Unstimmigkeiten zu vermeiden. Im Zusammenhang mit dem veränderten Bezugsrahmen traten veränderte Parameter an die Stelle der bisherigen, um die Sanktion an den neuen Regelungszusammenhang anzupassen (vgl. im Einzelnen EuGH, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O. insb. Rn. 73 ff.).

31

Ein vergleichbarer, die Anwendung des Günstigkeitsprinzips ausschließender Wechsel des Sanktionssystems liegt hier nicht vor. Mit der Sanktionsregelung des Art. 19 VO (EU) Nr. 640/2014 werden im Anwendungsbereich der Verordnung alle Übererklärungen im Zusammenhang flächenbezogener Beihilferegelungen erfasst. Einbezogen sind damit auch die verschiedenen, an die Größe der gemeldeten Fläche anknüpfenden Stützungsregelungen zur Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), deren Sanktionen zuvor in der Verordnung (EU) Nr. 65/2011 der Kommission vom 27. Januar 2011 (ABl L 25 S. 8) normiert wurde. Die dort für vorsätzliche Übererklärungen vorgesehene Sanktion (Art. 16 Abs. 6 VO Nr. 65/2011) ist identisch mit der Sanktion der Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 in seiner zuletzt geltenden Fassung und Art. 60 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1122/2009. Das macht deutlich, dass der Unionsgesetzgeber ungeachtet der zwischen den verschiedenen flächenbezogenen Beihilferegelungen bestehenden Unterschiede nach wie vor ein einheitliches Sanktionsregime vorsieht, das mit der Aufgabe der besonderen Sanktionierung vorsätzlicher Übererklärungen abgemildert wurde. Dementsprechend lässt sich auch mit Blick auf die Fortentwicklung des Betriebsprämiensystems ein Systemwechsel nicht erkennen.

32

Die bisherige Betriebsprämie kehrt künftig in der mit ihr vergleichbaren Basisprämie und „damit verbundenen Zahlungen“ wieder (vgl. Titel III VO Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013, ABl L 347 S. 608 - „flächenbezogene Beihilferegelungen“ gemäß Art. 2 Nr. 20 VO Nr. 640/2014). Die Basisprämie ist dabei - auch ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nach - das Kernelement der Direktzahlungen. Sie wird wie die Betriebsprämie auf der Grundlage von Zahlungsansprüchen für beihilfefähige Flächen gewährt (Art. 21, 32 f. VO Nr. 1307/2013). Fakultativ - und so in Deutschland umgesetzt - wird es eine Umverteilungsprämie geben, die auch als Zuschlag für - der Fläche nach - kleinere und mittlere Betriebe oder als Zusatzprämien für die ersten Hektare bezeichnet wird (Art. 41 VO Nr. 1307/2013). Zudem ist eine besondere „Zahlung für dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden“ vorgesehen, die auch als Greeningprämie oder Ökologisierungszuschlag bezeichnet wird (Art. 43 ff. VO Nr. 1307/2013). Vorgesehen sind darüber hinaus „Zahlungen für Junglandwirte“ (Art. 50 VO Nr. 1307/2013), die ebenfalls an die Basisprämie anknüpfen (Art. 49 VO Nr. 639/2014), und - fakultativ - zusätzliche „Zahlungen für Gebiete mit naturbedingten Benachteiligungen“ (Art. 48 f. VO Nr. 1307/2013). Jenseits der daraus ersichtlichen Verfeinerung des bisherigen Betriebsprämiensystems bleibt das Hauptmerkmal (vgl. EuGH, Schlussanträge vom 27. November 2007 - Rs. C-420/06, Jager - Slg. I-1315 Rn. 71) der von den Sanktionsregelungen erfassten Fälle, das Zugrundeliegen einer flächenbezogenen Beihilferegelung, unverändert.

33

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass Übererklärungen im spezifischen Zusammenhang mit dem Anbau von Kartoffeln nicht mehr möglich sind, weil bereits zum Jahr 2008 das bisherige Nutzungsverbot aufgehoben wurde. Die Sanktionsregelungen haben weder auf diese Sonderkonstellation abgestellt noch hat der Unionsgesetzgeber den Fortfall dieser an die Produktion gekoppelt gebliebenen Sonderregelungen nachfolgend zum Anlass einer Änderung der Sanktionsregelungen genommen. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung kann die lediglich fortentwickelte, bereits mit der Agrarreform 2003 weitgehend verwirklichte Entkoppelung der Agrarbeihilfen von der Produktion dementsprechend auch nicht als Systemwechsel betrachtet werden, der im Kontext der hier in Rede stehenden Sanktionsregelung der Anwendung des Günstigkeitsprinzips entgegensteht. Vielmehr ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Neuregelung der Verwaltungssanktionen bei Übererklärungen sich aus der Fortentwicklung des Beihilfensystems erklärt und damit nicht Ausdruck einer gewandelten gesetzgeberischen Wertung der Sanktionierung von Übererklärungen ist.

34

4. Danach kommt es nicht darauf an, ob die bei Begehung der vorsätzlichen Unregelmäßigkeit geltende Sanktionsregelung des Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 in ihrer ursprünglichen, noch nicht durch eine Bagatellklausel abgemilderten Fassung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unvereinbar war und ob dies wegen der Geltung des Grundsatzes nulla poena sine lege (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 2988/95) zur Rechtswidrigkeit der Sanktion führen würde. Dabei wäre allerdings zu beachten, dass der Europäische Gerichtshof dem Unionsgesetzgeber im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik ein weites Gestaltungsermessen einräumt und seine Kontrolle darauf beschränkt, ob die betreffende Maßnahme zur Zielerreichung offensichtlich ungeeignet ist (EuGH, Urteile vom 16. März 2006 - Rs. C-94/05, Emsland Stärke - Slg. I-2619 Rn. 53 f., vom 24. Mai 2007 - Rs. C-45/05, Maatschap Schonewille-Prins - Slg. I-3997 Rn. 45, vom 17. Januar 2008 - Rs. C-37/06 und C-58/06, Viamex Agrar Handel und ZVK - Slg. I-69 Rn. 33 ff. und vom 21. Juli 2011 - Rs. C-150/10, Beneo Orafti - Slg. I-6843, Rn. 75 - 77).

35

Unerheblich bleibt auch, ob sich der Kläger auf schutzwürdiges Vertrauen hätte berufen können. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der bei der Aufhebung der Bewilligungen und bei der Rückforderung zu Unrecht gewährter Betriebsprämien zu beachtende Vertrauensschutz abschließend durch Art. 73 VO (EG) Nr. 796/2004 geregelt ist (vgl. zur Vorgängervorschrift Urteil vom 26. August 2009 - BVerwG 3 C 15.08 - a.a.O. Rn. 30 und Beschluss vom 20. Dezember 2012 - BVerwG 3 B 20.12 - Buchholz 451.505 Einzelne Stützungsregelungen Nr. 6 Rn. 12). Stand allerdings entsprechend den Ausführungen des Berufungsgerichts in dem zur Teilrücknahme der Betriebsprämienbewilligung führenden Verfahren die Frage einer vollständigen Rücknahme im Vordergrund des Interesses, so lässt sich eine Auslegung dahin, dass die Teilrücknahme als abschließende Regelung zu verstehen war und in ihr ein Verzicht auf weitergehende Rückforderungen lag, nicht deshalb verneinen, weil es zu einer solchen Regelung keinen Anlass gegeben hätte. Anders als in der in Bezug genommen Entscheidung (Urteil vom 2. September 1999 - BVerwG 2 C 22.98 - BVerwGE 109, 283) bestand hier nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont durchaus Anlass zu einer Entscheidung darüber, ob die Bewilligung nur teilweise oder ganz zurückgenommen wird. Ungeachtet dessen hätte sich der Kläger jedoch nicht auf Vertrauensschutz berufen können. Die hier näher in Betracht zu ziehende Regelung des Art. 73 Abs. 4 Unterabs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 schützt das Vertrauen in den Fortbestand einer Betriebsprämienzahlung nur, wenn die Zahlung auf einem Irrtum im Verantwortungsbereich der Behörde beruht. Hier beruht die Betriebsprämienzahlung jedoch auf einer Unregelmäßigkeit des Klägers. Daran ändert nichts, dass sich die Beklagte zunächst auf eine Teilrückforderung beschränkt hat, weil sie - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts fehlerhaft - eine vorsätzliche Unregelmäßigkeit verneint hat.

36

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Landhandelsgesellschaft, wendet sich gegen die Rückforderung von Ausgleichszahlungen für Erzeuger von zur Stärkeherstellung bestimmten Kartoffeln im Wirtschaftsjahr 1995/96.

2

Die Klägerin schloss für die Wirtschaftsjahre 1995/96,1996/97 und 1997/98 Anbau- und Lieferverträge für Stärkekartoffeln mit der Kyritzer Stärke GmbH oder deren Muttergesellschaft, der Emsland Stärke GmbH. Diese Verträge verpflichteten die Klägerin als Erzeugerin jeweils zum Anbau von Stärkekartoffeln auf einer der Größe nach bestimmten Fläche und zu deren Lieferung. Im Gegenzug verpflichtete sich der Stärkehersteller zur Abnahme und zur Zahlung des Erzeugermindestpreises. Daneben schloss die Klägerin mit mehreren Landwirten ebenfalls Anbau- und Lieferverträge für Stärkekartoffeln. In diesen Verträgen verpflichteten sich die Landwirte, auf gleichfalls der Größe nach bestimmten Flächen für die Klägerin Stärkekartoffeln anzubauen und sie an die Klägerin zu liefern. Im Gegenzug verpflichtete sich die Klägerin, die Kartoffeln abzunehmen, an die Kyritzer Stärke GmbH zu liefern und den Erzeugermindestpreis zu zahlen.

3

Entsprechend den für das Wirtschaftsjahr 1995/96 von der Kyritzer Stärke GmbH gestellten Anträgen bewilligte das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Brandenburg in mehreren an die Kyritzer Stärke GmbH adressierten Bescheiden Ausgleichszahlungen für die Stärkekartoffelerzeuger. Die ihr ausgezahlten Ausgleichsbeträge leitete die Kyritzer Stärke GmbH anteilig an die Klägerin weiter.

4

Bei Vor-Ort-Kontrollen wurde festgestellt, dass die Klägerin im Wirtschaftsjahr 1995/96 die gesamte gelieferte Stärkekartoffelmenge nicht selbst erzeugt hatte, sondern durch Inhaber von Unterverträgen hatte erzeugen und liefern lassen. In einem Prüfbericht wird darüber hinaus ausgeführt, nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 97/95 habe der zuständige Prüfer veranlasst, dass zwischen den Händlern und den tatsächlichen Erzeugern Unterverträge abgeschlossen worden seien, um so eine Erzeugervereinigung zu schaffen. Bis zur Kenntnis von der gegenteiligen Auffassung der Europäischen Union im Sommer 1998 sei die Konstruktion Stärkefabrik - Händler - Erzeuger in Verbindung mit einer Bestätigung des Händlers, die Erzeuger ausbezahlt zu haben, als subventionsunschädlich angesehen worden.

5

Mit Bescheid vom 4. September 2000 nahm die Bezirksregierung Weser-Ems die Bewilligungsbescheide für das Wirtschaftsjahr 1995/96 gegenüber der Klägerin zurück, soweit damit Ausgleichszahlungen für die von der Klägerin bezogenen, von ihr aber nicht erzeugten Stärkekartoffeln bewilligt worden waren, und forderte 16 894,54 DM (= 8 638,04 €) zurück. Mit einem weiteren Bescheid forderte die Bezirksregierung in gleicher Weise die Ausgleichszahlungen für die beiden folgenden Wirtschaftsjahre zurück.

6

Mit ihren Widersprüchen machte die Klägerin unter anderem geltend, sie sei nicht Adressatin der Bewilligungsbescheide, weshalb die Rückforderungsbescheide nicht ihr gegenüber hätten ergehen dürfen. Sie sei zu keinem Zeitpunkt als Erzeugerin von Stärkekartoffeln aufgetreten und habe lediglich Anbauverträge zwischen den Landwirten und den Stärkeunternehmen vermittelt. Nicht sie, sondern die einzelnen Landwirte, an die sie die Ausgleichszahlungen weitergeleitet habe, seien die richtigen Rückforderungsadressaten. Da das Verfahren der Beantragung und Weiterleitung der Ausgleichszahlungen mit den zuständigen brandenburgischen Behörden abgestimmt gewesen sei, genieße sie Vertrauensschutz.

7

Die Beklagte wies die Widersprüche der Klägerin zurück. Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 11. September 2007 abgewiesen.

8

Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise geändert. Soweit es das Wirtschaftsjahr 1995/96 betrifft, hat es den Bescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 4. September 2000 und den diesbezüglichen Widerspruchsbescheid vom 22. September 2006 hinsichtlich der darin dem Grunde nach für das Jahr 1995 festgesetzten Zinsen aufgehoben, im Übrigen aber die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei Regelungsadressatin der Bewilligungsbescheide; denn sie sei durch die Kyritzer Stärke GmbH wirksam vertreten worden. Die Klägerin habe zwar deren wirksame Bevollmächtigung zuletzt bestritten. Das sei jedoch nicht glaubhaft. Sie habe die Vertretungsbefugnis erst in Abrede gestellt, nachdem sie von der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts Kenntnis gehabt habe, dass gemäß § 4a Abs. 1 Satz 5 der Kartoffelstärkeprämienverordnung eine schriftliche Vollmacht erforderlich sei. Zuvor habe sie sich selbst darauf berufen, von der Kyritzer Stärke GmbH vertreten worden zu sein. Daran müsse sie sich festhalten lassen. Den ihr gegenüber ausgesprochenen Rücknahmeentscheidungen stehe auch nicht entgegen, dass die Bewilligungsbescheide nicht erkennen ließen, mit wem das Rechtsverhältnis seinerzeit begründet worden sei. Nach Inhalt und Begleitumständen der Bewilligungen sei die Klägerin Adressatin der Ausgleichszahlungen, deren Höhe ebenfalls jeweils bestimmt sei. Die Bewilligungen seien rechtswidrig, weil die Ausgleichszahlungen einen Anbauvertrag mit einem Erzeuger voraussetzten. Die Klägerin sei jedoch keine Erzeugerin, weil sie selbst keine Kartoffeln angebaut und die Voraussetzungen einer Erzeugervereinigung nicht erfüllt habe. Sie könne sich gegenüber der Rücknahme auch nicht auf Vertrauensschutz berufen; denn sie habe die Bewilligungen durch unrichtige Angaben erwirkt. Sie habe sich in dem zugrundeliegenden Anbauvertrag mit der Kyritzer Stärke GmbH unzutreffend als Erzeugerin bezeichnet. Das sei jedenfalls mitursächlich für die rechtswidrigen Bewilligungen gewesen und der Klägerin zuzurechnen, weil sie bei der Antragstellung von der Kyritzer Stärke GmbH wirksam vertreten worden sei. Vor diesem Hintergrund könne sie sich nicht darauf berufen, dass die Art und Weise der Antragstellung mit der Bewilligungsbehörde abgestimmt gewesen sei. Auch die Rückforderung der Ausgleichszahlungen sei danach rechtmäßig. Die Klägerin könne nicht den Wegfall der Bereicherung geltend machen, denn sie habe die Umstände gekannt, nach denen sie nicht Erzeugerin im Sinne der einschlägigen Vorschriften gewesen sei.

9

Auf die Beschwerde der Klägerin hat der Senat die Revision zugelassen, soweit mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts die Klage gegen den das Wirtschaftsjahr 1995/96 betreffenden Bescheid vom 4. September 2000 abgewiesen worden ist.

10

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, sie sei nicht Adressatin der Bewilligungsbescheide und könne damit auch nicht Adressatin der Rücknahme sein, weil sich die Bewilligungen ihr nicht zuordnen ließen. Das Oberverwaltungsgericht sei verfahrensfehlerhaft über ihr Vorbringen hinweggegangen, dass sie die Kyritzer Stärke GmbH nicht schriftlich bevollmächtigt habe. Die Anträge seien nicht wirksam für sie gestellt worden; denn die nach der Kartoffelstärkeprämienverordnung erforderliche schriftliche Vollmacht habe nicht vorgelegen. Selbst wenn eine formlose Vollmacht genüge, sei sie nicht Begünstigte der Bewilligungen, weil sie lediglich für die Erzeuger der Kartoffeln als Vermittlerin gehandelt habe. Das habe die Kyritzer Stärke GmbH gewusst. Auch die Bewilligungsbehörde habe die Erzeuger der Kartoffeln gekannt; die Vertragsverhältnisse seien mit ihr abgestimmt gewesen. Der Behörde sei daher bewusst gewesen, dass die Kyritzer Stärke GmbH die tatsächlichen Kartoffelerzeuger vertrete. Dementsprechend sei sie, die Klägerin, nicht in das Bewilligungsverfahren einbezogen worden. Das formale Vertragsverhältnis zwischen ihr und der Kyritzer Stärke GmbH rechtfertige es nicht, sie gleichwohl als Begünstigte der Bewilligungsbescheide zu betrachten. Der Anbau- und Liefervertrag mit der Kyritzer Stärke GmbH ergänze einen Vertrag aus dem Jahr 1992 und stelle klar, dass er die beigefügten Einzelverträge mit den Erzeugern zusammenfasse. Dass sie, die Klägerin, in diesem als Erzeugerin bezeichnet werde, sei eine unschädliche Falschbezeichnung. Da von einem einheitlichen Vertrag auszugehen sei, seien die beteiligten Erzeuger als Erzeugervereinigung zu betrachten. Diese Konstruktion sei unionsrechtlich zulässig gewesen; denn es sei nicht vorgeschrieben, den Anbauvertrag in einem einzigen Dokument zu verkörpern. Vor diesem Hintergrund seien die Bewilligungen rechtmäßig und eine Rücknahme schon deshalb ausgeschlossen. Die erforderlichen Anbauverträge hätten vorgelegen und die Ausgleichszahlungen seien unstreitig vollständig an die Erzeuger ausgekehrt worden. Darüber hinaus könne sie sich auf Vertrauensschutz berufen, da sie keine falschen oder unrichtigen Angaben gemacht habe; der Bewilligungsbehörde seien die tatsächlichen Verhältnisse bekannt gewesen. Wenn sie im Antragsverfahren als Erzeugerin bezeichnet worden sei, sei ihr dies mangels formwirksamer Vollmacht nicht zuzurechnen. Abgesehen davon hätten die Ausgleichszahlungen auch bei Kenntnis der richtigen Angaben bewilligt werden müssen. Schließlich habe sie keinen Vorteil erlangt.

11

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Entgegen dem Revisionsvorbringen sei die Klägerin nicht lediglich als Gehilfin der Kartoffelerzeuger tätig geworden. Vielmehr habe eine eigenständige Vertragsbeziehung zwischen ihr und der Kyritzer Stärke GmbH bestanden. Unzutreffend sei auch die Annahme, es habe sich um eine zulässige Erzeugervereinigung gehandelt. Im Übrigen sei mehrfach bestritten worden, dass die Klägerin unentgeltlich vermittelt habe. Es sei davon auszugehen, dass sie ihre Dienstleistung nicht selbstlos erbracht habe.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Zwar verletzt das Berufungsurteil revisibles Recht im Sinne von § 137 Abs. 1 VwGO; es stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

13

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 4. September 2000 seine Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (MOG) findet, das hier in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juni 2005 (BGBI I S. 1847), geändert durch Gesetz vom 13. April 2006 (BGBI I S. 855), anzuwenden ist. Diese Bestimmungen tragen der Verpflichtung der Mitgliedstaaten Rechnung, rechtswidrig gewährte Beihilfen der Europäischen Union in der Regel und - erforderlichenfalls - aufgrund nationaler Rechtsvorschriften zurückzufordern (Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften und - für den Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik - Art. 9 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik; vgl. auch EuGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - Rs. C-366/95, Steff-Houlberg - Slg. I-2661, Rn. 15 m.w.N.).

14

1. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8 MOG zurückzunehmen; § 48 Abs. 2 bis 4 und § 49a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) sind anzuwenden.

15

a) Bei den Ausgleichszahlungen, deren Bewilligungen zurückgenommen wurden, handelt es sich um unionsrechtlich im Sinne von § 1 Abs. 2 MOG geregelte Fälle einer produktbezogenen Beihilfe für Marktordnungswaren gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g MOG (vgl. Teilurteil vom 9. Dezember 2004 - BVerwG 3 C 37.03 - Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 198 S. 61). Sie beruhen auf Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1766/92 des Rates vom 30. Juni 1992 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide (ABI Nr. L 181 S. 21 - im Folgenden: VO Nr. 1766/92), der für das Wirtschaftsjahr 1995/96 in seiner zuletzt mit Verordnung (EG) Nr. 1863/95 des Rates vom 17. Juli 1995 (ABI Nr. L 179 S. 1) geänderten Fassung maßgeblich war.

16

b) Im Ergebnis ist das Berufungsgericht auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Bescheide für das Wirtschaftsjahr 1995/96, soweit damit Ausgleichszahlungen für die von der Klägerin bezogenen, von ihr aber nicht erzeugten Stärkekartoffeln gewährt worden waren, gegenüber der Klägerin zurückzunehmen waren. Dabei hat es zutreffend zugrunde gelegt, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt gegenüber demjenigen zurückzunehmen ist, mit dem das durch den Verwaltungsakt begründete Rechtsverhältnis besteht, also gegenüber dem Regelungsadressaten oder dessen Rechtsnachfolger (Teilurteil vom 9. Dezember 2004 a.a.O. S. 62 m.w.N.). Das setzt zugleich voraus, dass der Verwaltungsakt gegenüber seinem Regelungsadressaten wirksam geworden ist. Beides ist in Bezug auf die Klägerin der Fall.

17

aa) Das Berufungsgericht hat die Bewilligungsbescheide dahin ausgelegt, dass die Klägerin Regelungsadressatin der auch der Höhe nach bestimmten Ausgleichszahlungen gewesen sei. Diese Auslegung ist wegen der Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) nicht in vollem Umfang revisibel. Was den tatrichterlich ermittelten Erklärungsinhalt der Bewilligungsbescheide betrifft, bedarf es grundsätzlich einer Verfahrensrüge, um die vorinstanzliche Auslegung einer revisionsgerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen. Der Revision unterliegt allerdings die Frage, ob die Auslegung des Tatsachengerichts die Auslegungsregeln beachtet und im Einklang mit allgemeinen Erfahrungssätzen und Denkgesetzen steht. Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass die Auslegung einer Willenserklärung ebenso wie die eines Verwaltungsakts kein ausschließlicher Akt der Tatsachenfeststellung, sondern ein Ineinander von tatsächlichen Feststellungen und Rechtsanwendungen ist (Urteil vom 31. Mai 2012 - BVerwG 3 C 12.11 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 113 Rn. 15, vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 137 Rn. 164 ff.).

18

Für die Auslegung eines Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Abzustellen ist auf den Inhalt des Bescheides, aber auch auf die bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Begleitumstände. Dazu gehören insbesondere die einer Bewilligung vorausgehenden Anträge und die zugrundeliegenden Rechtsnormen. Der Bekanntgabeadressat ist nicht notwendig auch Regelungsadressat (vgl. Urteil vom 4. Dezember 2001 - BVerwG 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274 <279> und Teilurteil vom 9. Dezember 2004 a.a.O. S. 62).

19

Das Berufungsgericht ist ersichtlich von diesem materiell-rechtlichen Verständnis ausgegangen. Vor dem Hintergrund des in § 4a der Kartoffelstärkeprämienverordnung geregelten Verfahrens der Beantragung und Bewilligung von Ausgleichszahlungen über einen Stärkehersteller hat es festgestellt, dass die Kyritzer Stärke GmbH hinsichtlich der Ausgleichszahlungen lediglich Bekanntgabeadressatin der Bescheide war, während Regelungsadressaten die als Erzeuger von Stärkekartoffeln in den Blick genommenen Personen gewesen seien. Es hat diese Annahme zudem darauf gestützt, dass die Ausgleichszahlungen "zur Auszahlung an die anspruchsbeteiligten Stärkekartoffelerzeuger" gewährt wurden. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats (Teilurteil vom 9. Dezember 2004 a.a.O. S. 62 f.).

20

Hinsichtlich der mit den Bewilligungsbescheiden begünstigten Personen und der Höhe der ihnen zuzuordnenden Ausgleichszahlungen hat das Berufungsgericht auf die in den Bewilligungsbescheiden jeweils in Bezug genommenen Abrechnungsläufe und die Antragsunterlagen abgestellt. Aus den nach Unionsrecht vorzulegenden Unterlagen und den in den vorgelegten Behördenakten dokumentierten Vorgängen ergebe sich, dass die zurückgeforderten Ausgleichszahlungen zum Anbau- und Liefervertrag zwischen der Kyritzer Stärke GmbH und der Klägerin und damit zu Gunsten der Klägerin erbracht worden seien.

21

Die Klägerin hat gegen diese tatsächlichen Feststellungen keine Verfahrensrügen erhoben. Auch rechtlich ist die Auslegung nicht zu beanstanden. Zwar wurden die Ausgleichszahlungen damit entgegen den Vorgaben des materiellen Rechts jemandem bewilligt, der selbst keine Stärkekartoffeln angebaut hat. Die Auslegung ist aber deshalb folgerichtig, weil die Klägerin in dem für die Bewilligung erforderlichen Anbauvertrag (Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 1766/92) zwischen ihr und dem Stärkeunternehmen Kyritzer Stärke GmbH als Erzeugerin benannt wurde und sich die Bewilligungen nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts auf diesen Vertrag beziehen. Der Einwand der Klägerin, sie habe den Vertrag mit der Kyritzer Stärke GmbH als Vertreterin der Stärkekartoffelerzeuger geschlossen, ist angesichts des Vertragsinhalts nicht berechtigt. Ein Anbauvertrag, wie er in Art. 1 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 97/95 der Kommission vom 17. Januar 1995 (ABl Nr. L 16 S. 3) definiert war und dessen Mindestangaben Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 97/95 regelte, musste unter anderem den Namen und die Anschrift des Erzeugers oder der Erzeugervereinigung und die Größe der Anbaufläche enthalten. Der Vertrag, auf den die Bewilligungen bezogen wurden, benennt als Erzeugerin ausdrücklich die Klägerin und enthält die Aussage, sie baue auf einer Fläche von 30 ha Stärkekartoffeln an. Er enthält keinen Hinweis auf ein Vertretungsverhältnis. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vertrag vom 15. Dezember 1992, der als Grundlage des Anbauvertrages genannt wird. Mit ihm erwarb die Klägerin von der Kyritzer Stärke GmbH entgeltlich ein "Lieferrecht" für Stärkekartoffeln "aus eigenem Anbau". Die Benennung der Klägerin als Erzeugerin ist auch keine unschädliche Falschbezeichnung. Die Klägerin knüpft mit dieser Überlegung an den zivilrechtlichen Grundsatz an, dass für den Vertragsinhalt ungeachtet des objektiven Erklärungsinhalts der Willenserklärungen der subjektive Wille der Parteien maßgeblich ist, wenn dieser übereinstimmt (falsa demonstratio non nocet). Auf den Anbauvertrag als Bewilligungsvoraussetzung der Ausgleichszahlung ist dieser Grundsatz jedoch unter den hier gegebenen Umständen nicht anwendbar; denn mit dem Vertrag sollte gegenüber der Bewilligungsbehörde der Nachweis der Bewilligungsvoraussetzungen geführt und deren Kontrolle ermöglicht werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1985 - KZR 4/85 - NJW-RR 1986, 724 <726> m.w.N.). Dementsprechend lassen sich die Verträge zwischen der Klägerin und der Kyritzer Stärke GmbH sowie zwischen der Klägerin und den einzelnen Stärkekartoffelherstellern auch nicht als einheitliches Vertragsverhältnis deuten, in dem die Klägerin nicht Vertragspartei sondern lediglich Vermittlerin gewesen wäre.

22

bb) Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin im Antragsverfahren wirksam durch die Kyritzer Stärke GmbH vertreten worden ist und sich deshalb deren Wissen um die Umstände, die vom Berufungsgericht bei seiner Auslegung berücksichtigt worden sind, zurechnen lassen muss (§ 166 Abs. 1 BGB analog).

23

Anders als das Berufungsgericht an anderer Stelle des Urteils entscheidungstragend darlegt (so seine Ausführungen zu dem Wirtschaftsjahr 1996/97 - UA S. 19 f.) und damit denknotwendig auch für das hier betroffene Wirtschaftsjahr voraussetzt, war dafür allerdings eine schriftliche Vollmacht nicht erforderlich. Deshalb greift die der Sache nach berechtigte Verfahrensrüge der Klägerin, sie habe niemals behauptet, der Kyritzer Stärke GmbH eine schriftliche Vollmacht erteilt zu haben, so dass ihr das Berufungsgericht nicht vorhalten dürfe, sich mit dem Bestreiten einer wirksamen Bevollmächtigung in Widerspruch zu ihrem bisherigen Vortrag zu setzen, im Ergebnis nicht durch.

24

Gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 der zwischenzeitlich außer Kraft getretenen Kartoffelstärkeprämienverordnung vom 25. August 1976 (BGBl I S. 2585) in der für das Wirtschaftsjahr 1995/96 geltenden Fassung vom 8. Dezember 1993 (BGBl I S. 2005) konnte sich ein Kartoffelerzeuger bei dem Antrag auf Gewährung der Ausgleichszahlung durch den Stärkehersteller, mit dem er einen Anbau- und Liefervertrag über zur Stärkeherstellung bestimmte Kartoffeln geschlossen hatte, vertreten lassen. Diese einseitig in der Rechtsmacht des Erzeugers stehende Möglichkeit verpflichtete den Stärkehersteller, den Antrag auf Gewährung von Ausgleichszahlungen im Namen des Erzeugers gleichzeitig mit seinem eigenen Prämienantrag nach § 4 der Verordnung schriftlich zu stellen, wobei seine Vertretungsbefugnis "durch schriftliche Vollmacht nachzuweisen" war (§ 4a Abs. 1 Satz 4 und 5 der Kartoffelstärkeprämienverordnung).

25

Das Berufungsgericht hat aus dem Wortlaut gefolgert, eine Vollmacht bedürfe "nicht nur" schriftlicher Form, sondern sei "zudem" in dieser Form nachzuweisen. Es hat damit im Ansatz zutreffend zwischen der Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung und als (bloßes) Nachweiserfordernis unterschieden. Der Wortlaut der Vorschrift beschränkt sich jedoch auf die Aussage, dass ein Nachweis zu führen und dieser durch eine schriftliche Vollmacht zu erbringen ist.

26

Die aus Anlass der Einführung der Ausgleichszahlungen mit Eilverordnung vom 23. August 1993 (BGBl I S. 1512) eingefügte, nachfolgend mit Zustimmung des Bundesrates durch Änderungsverordnung vom 8. Dezember 1993 (BGBl I S. 2005) entfristete Regelung sollte das neben die Prämien für die Hersteller von Kartoffelstärke hinzutretende Bewilligungsverfahren für Ausgleichszahlungen vereinfachen und den zusätzlichen Verwaltungsaufwand gering halten (BRDrucks 747/93 S. 3). Mit dem schriftlichen Antrag und dem Nachweis in Schriftform gemäß § 4a Abs. 1 Satz 4 und 5 der Kartoffelstärkeprämienverordnung hat der Gesetzgeber das in § 4 der Kartoffelstärkeprämienverordnung für die Herstellerprämie enthaltene Prinzip des schriftlichen Verfahrens übernommen. Das diente einem möglichst einfachen und zugleich effektiven Verwaltungsverfahren, lässt aber nicht erkennen, dass die Erzeuger von Stärkekartoffeln durch ein Schriftformerfordernis hätten geschützt werden sollen. Dies bestätigt auch § 14 VwVfG. Ließ sich ein Kartoffelerzeuger nicht vom Stärkehersteller vertreten - was praktisch fern liegen mochte, aber möglich war - so war ihm nicht verwehrt, seinen Antrag von einem bevollmächtigten Dritten stellen zu lassen. Für die auf diesen Fall anwendbare allgemeine Regelung des § 14 VwVfG ist aber anerkannt, dass mit ihr eine bestimmte Form für die Erteilung einer Vollmacht nicht vorgegeben, sondern nur eine Nachweisregelung getroffen ist (vgl. Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 14 Rn. 14; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 14 Rn. 17). Die Vorschriften unterscheiden sich lediglich darin, dass der Nachweis im Falle der Kartoffelstärkeprämienverordnung stets, im Falle des Verwaltungsverfahrensgesetzes nur auf Verlangen zu erbringen war. Schließlich führt auch der Gedanke des Berufungsgerichts nicht weiter, dass im Falle eines fehlenden Nachweises gemäß § 4a Abs. 1 Satz 5 der Kartoffelstärkeprämienverordnung nach den Grundsätzen einer Duldungsvollmacht ein schutzwürdiges Vertrauen der Bewilligungsbehörde in den Bestand einer Vollmacht nicht bestehe. Für die Frage, ob eine Vollmacht wirksam nur schriftlich oder aber auch formlos erteilt werden konnte, ist das nicht weiter bedeutsam. Entscheidend ist insoweit allenfalls die Schutzbedürftigkeit des Vertretenen, gegen den sich die Wirkungen der Vollmacht richten.

27

Vor diesem Hintergrund erweist sich das Urteil trotz des zu Recht gerügten Verfahrensmangels als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil die Klägerin im Bewilligungsverfahren ungeachtet einer fehlenden schriftlichen Vollmacht wirksam von der Kyritzer Stärke GmbH vertreten wurde. Die Klägerin hat im Revisionsverfahren übereinstimmend mit ihrem früheren Vorbringen geltend gemacht, sie habe im Berufungsverfahren eine schriftliche Bevollmächtigung der Kyritzer Stärke GmbH bestritten, wobei die Betonung auf dem Fehlen der Schriftform gelegen habe. Hingegen habe sie nicht in Abkehr von ihrem bisherigen Vorbringen behauptet, die Kyritzer Stärke GmbH habe nicht als ihre Vertreterin gehandelt. Die Aktivität der Kyritzer Stärke GmbH im Rahmen des Antragsverfahrens auf Ausgleichszahlungen sei mit ihrem Wissen und ihrem Einverständnis erfolgt; die Handlungen seien abgestimmt gewesen. Dies geht über eine bloße Duldung hinaus und schließt die Annahme aus, die Kyritzer Stärke GmbH könnte als vollmachtlose Vertreterin gehandelt haben.

28

Der Annahme eines mit der Klägerin begründeten Rechtsverhältnisses lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass sie ihrerseits als Vertreterin der Kartoffelerzeuger gehandelt habe. Die Klägerin stützt sich dazu auf die von ihr mit den Erzeugern geschlossenen Verträge, die den Auftrag und die Vollmacht enthalten hätten, die Ausgleichszahlungen für die Erzeuger zu vermitteln. Das trifft so jedoch nicht zu. Die diesbezüglichen Anbau- und Lieferverträge des Wirtschaftsjahres 1995/96, die sich allein in einer vom 8. März 1995 datierenden Fassung in den Behördenakten finden, verweisen zunächst auf eine Vertragsmenge, über die die Klägerin verfüge (§ 1). Sämtliche Verpflichtungen sind so gefasst, dass sie zwischen der Klägerin und den Kartoffelerzeugern bestehen. Entgegen der Ansicht der Klägerin enthält § 6 dieser Verträge keine Bevollmächtigung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Vertrag vom 4. April 1995. Nach dessen § 6 "verfügte" der Erzeuger lediglich, dass die Ausgleichszahlungen an die Klägerin ausgezahlt werden sollten. Dem lässt sich aber nicht entnehmen, dass die Klägerin die Kyritzer Stärke GmbH nicht selbst, sondern im Namen der Erzeuger bevollmächtigt hat. Dies bestätigt im Übrigen auch die Praxis der Folgejahre. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bevollmächtigte die Klägerin die Kyritzer Stärke GmbH in den zwischen ihnen für die Wirtschaftsjahre 1996/97 und 1997/98 geschlossenen Anbau- und Lieferverträgen. Ist damit aber der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervorgetreten, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht (§ 164 Abs. 2 BGB analog).

29

cc) War danach die Kyritzer Stärke GmbH von der Klägerin bevollmächtigt, sie im Verfahren der Bewilligung der Ausgleichszahlungen zu vertreten, so wurden die an die Klägerin gerichteten Bewilligungsbescheide mit ihrer Bekanntgabe gegenüber der Kyritzer Stärke GmbH wirksam (§ 1 Abs. 1 NVwVfG, § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) und war das damit gegenüber der Klägerin begründete Rechtsverhältnis auch ihr gegenüber zurückzunehmen.

30

c) Mit der Beschränkung der Rücknahme der Bewilligungsbescheide auf Ausgleichszahlungen für von der Klägerin bezogene, von ihr aber nicht erzeugte Stärkekartoffeln, ist zugleich der Grund ihrer Rechtswidrigkeit aufgezeigt; denn gemäß Art. 8 Abs. 2 Buchst. a VO (EWG) Nr. 1766/92 konnten nur Erzeuger von zur Stärkeherstellung bestimmten Kartoffeln Ausgleichszahlungen erhalten. Erzeuger in diesem Sinne war nach der Begriffsdefinition des Art. 1 Buchst. d VO (EG) Nr. 97/95 jede natürliche oder juristische Person oder Vereinigung dieser Personen, die selbst oder von ihren Mitgliedern erzeugte Kartoffeln in ihrem Namen und für ihre Rechnung im Rahmen eines von ihr oder in ihrem Namen geschlossenen Anbauvertrags an ein Stärkeunternehmen lieferte. Dass die Klägerin damals keine Stärkekartoffeln erzeugt hat und damit nicht als Erzeugerin angesehen werden kann, ist unstreitig und bindend festgestellt. Sie war auch keine Erzeugervereinigung, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat.

31

d) Der Rücknahme der Bewilligungsbescheide steht Vertrauensschutz nicht entgegen. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG bestimmt sich dieser nach § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG. Die Bewilligung darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf ihren Bestand vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Darauf kann sich allerdings von vornherein nicht berufen, wer die Bewilligung durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG).

32

Diese Bestimmungen sind hier mangels spezieller unionsrechtlicher Vertrauensschutzregelungen maßgeblich. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass insbesondere die Vertrauensschutzregelungen des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems keine Anwendung finden. Dem danach anzuwendenden nationalen Recht sind allerdings durch das Unionsrecht (auch) bei der Rückforderung von unionsrechtlichen Beihilfen Grenzen gezogen; den Interessen der Europäischen Union ist bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen in vollem Umfang Rechnung zu tragen (EuGH, Urteile vom 21. September 1983 - Rs. C-205 bis 215/82, Deutsche Milchkontor - Slg. 2633 Rn. 30 ff., vom 12. Mai 1998 - Rs. C-366/95, Steff-Houlberg - Slg. I-2661 Rn. 15 und vom 16. Juli 1998 - Rs. C-298/96, Oehlmühle - Slg. I-4767 Rn. 24).

33

Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin die Bewilligungen durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig waren, indem sie in dem Vertrag mit der Kyritzer Stärke GmbH unzutreffend den Eindruck erweckt habe, dass sie als Erzeugerin Stärkekartoffeln auf einer Fläche von 30 ha anbaue. Diese von der Klägerin mit Verfahrensrügen nicht angegriffene Feststellung ist für den Senat bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Das Berufungsgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass der Ausschlusstatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG nicht bereits dann unanwendbar ist, wenn die Bewilligungsbehörde eine Mitverantwortung trifft (Urteil vom 14. August 1986 - BVerwG 3 C 9.85 - BVerwGE 74, 357 <363 f.>; vgl. auch Urteil vom 20. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 255.86 - BVerwGE 78, 139 <142 f.>). Allerdings hat der Senat eine Ausnahme in Erwägung gezogen, wenn ein Begünstigter bei seinen objektiv unrichtigen Angaben ein Höchstmaß an Sorgfalt habe walten lassen, beispielsweise durch eine Erkundigung bei der zuständigen Behörde, sodass der Fehler nicht mehr seiner Verantwortungssphäre zugerechnet werden könne (Urteil vom 13. November 1997 - BVerwG 3 C 33.96 - RdL 1998, 102 <104> insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 105, 354). Vergleichbar hat auch der Europäische Gerichtshof einem Unternehmen Vertrauensschutz gewährt, das sich auf Angaben eines Dritten verlassen hatte, die es nur mit unverhältnismäßigem Aufwand hätte kontrollieren können und auf die es berechtigt vertraut hat (EuGH, Urteile vom 12. Mai 1998 a.a.O. Rn. 21 ff. und vom 16. Juli 1998 a.a.O. Rn. 29 f.). In eine ähnliche Richtung weist - im hier nicht gegebenen Anwendungsbereich des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems - Art. 73 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 vom 21. April 2004 (ABl Nr. L 141 S.18), wonach eine Rückzahlungsverpflichtung dann nicht besteht, wenn die Zahlung auf einen Fehler im Verantwortungsbereich der Behörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber billigerweise nicht erkannt werden konnte (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 2012 - BVerwG 3 B 20.12 - Buchholz 451.505 Einzelne Stützungsregelungen Nr. 6 Rn. 10 f.). Hier verhält es sich jedoch so, dass die Vertragsangaben der Klägerin ersichtlich falsch waren. Ihrer Verantwortung dafür ist die Klägerin nicht schon wegen der Abstimmung mit der Bewilligungsbehörde und deren unzutreffender Auslegung des Unionsrechts enthoben. Der Europäische Gerichtshof hat in dem gleich gelagerten Verfahren der Emsland Stärke GmbH entschieden, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht gegen eine klare gemeinschaftsrechtliche Regelung - die Regelungen zur Erzeugereigenschaft und zum Anbauvertrag - angeführt werden kann und dass das rechtswidrige Verhalten der zuständigen nationalen Behörde kein berechtigtes Vertrauen begründet (EuGH, Urteil vom 16. März 2006 - Rs. C-94/05, Emsland Stärke GmbH - Slg. I-2622 Rn. 30-32). Darüber hinaus hat der Gerichtshof deutlich gemacht, dass es unerheblich ist, ob das materielle Ziel, dessen Erreichen durch Bewilligungsvoraussetzungen gewährleistet werden soll, tatsächlich erreicht wurde. Ausreichend sei, dass das Erreichen des Ziels - die Auszahlung des Mindestpreises an den tatsächlichen Erzeuger - gefährdet werde (EuGH, Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 36-38). Schließlich hat der Gerichtshof betont, dass bereits die Bewilligung von Prämien für Kartoffellieferungen, die nicht ordnungsgemäß durch einen Anbauvertrag mit einem Erzeuger gebunden sind, einen Schaden für den Haushalt der Union bewirke (EuGH, Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 52). Nichts anderes gilt für die Ausgleichszahlungen, weshalb unerheblich bleibt, ob die der Klägerin bewilligten Ausgleichszahlungen die Erzeuger der von ihr bezogenen Kartoffeln tatsächlich ungeschmälert erreicht haben. Für Vertrauensschutz der Klägerin bleibt danach kein Raum.

34

2. Vor diesem Hintergrund ist die Rückforderung der Ausgleichszahlungen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG und § 49a Abs. 1 VwVfG zwingende Rechtsfolge der Rücknahme der Bewilligungen. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sich die Klägerin nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann, da sie die tatsächlichen Umstände kannte, die die Rechtswidrigkeit bewirkt haben (§ 49a Abs. 2 VwVfG).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.