Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2017 - 19 ZB 15.1731

bei uns veröffentlicht am09.10.2017

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 23. Juni 2015, durch das das Verwaltungsgericht die Klage auf Erteilung einer Aufnahmezusage entsprechend der Anordnung des Bundesministeriums des Innern gemäß § 23 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion mit Ausnahme der baltischen Staaten vom 24. Mai 2007 in der Fassung vom 21. Mai 2015 (Aufnahmeanordnung) abgewiesen und den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Februar 2015 bestätigt hat.

Die von den Klägerinnen vorgebrachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sowie Verfahrensmängel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO bestehen nicht.

Soweit die Klägerseite pauschal auf umfangreiche Schreiben des Herrn K., Vater der Klägerinnen zu 2 und 3, verweist, ohne den Vortrag im Einzelnen rechtlich zu würdigen, ist dieser Vortrag bereits deshalb ungeeignet, eine Zulassung der Berufung herbeizuführen, weil er wegen des beim Verwaltungsgerichtshof geltenden Vertretungszwangs nach § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO prozessual unbeachtlich ist. Das Gebot, sich vor dem Oberverwaltungsgericht durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule vertreten zu lassen, dient der Sachlichkeit des Verfahrens und dem rechtskundigen sowie konzentrierten Prozessieren und damit der Beschleunigung des Verfahrens. Deshalb kann nur solcher Vortrag berücksichtigt werden, der über die pauschale Bezugnahme hinaus erkennen lässt, dass der Streitstoff von dem Prozessbevollmächtigten rechtlich durchdrungen ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.2014 – 9 A 25.12 – ZUR 2014, 668). Eine pauschale Bezugnahme auf von Anderen erstellte rechtliche Überlegungen ohne erkennbare eigenständige Würdigung durch den Prozessvertreter genügt nicht den Anforderungen des Vertretungszwangs und ist prozessual unbeachtlich (vgl. Hartung in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 4/2015, § 67 Rn. 53 m.w.N.). Die pauschale Ausführung des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 28. August 2015, die Darlegungen eines Dritten würden zum Bestandteil des Antrags auf Zulassung der Berufung gemacht, genügt damit nicht den Anforderungen des Vertretungszwangs, zumal auch die Darlegungen des Herrn K. auf weitere 39 Anträge in erster Instanz verweisen. Relevantes Zulassungsvorbringen ist im Übrigen in den Ausführungen des Dritten nicht zu erkennen.

Im Übrigen machen die Klägerinnen geltend, Entscheidungen nach § 23 Abs. 2 AufenthG müssten nach rechtsstaatlichen Grundsätzen stets und uneingeschränkt überprüfbar sein, auch wenn es sich um politische Leitentscheidungen handle. Menschen- und Grundrechte genössen Vorrang vor Erwägungen der Staatsräson, die ebenfalls Recht und Gerechtigkeit unterworfen sei. Eine Auflösung dieses Grundsatzes stelle die Identität und Existenz Europas in Frage. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Festsetzungen und Bestimmungen im jüdisch-religiös-metaphysischen Gesetz der Halacha zur Abstammungslehre, die von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V. (ZWSt) bzw. der Union Progressiver Juden in Deutschland e.V. (UPJ) vorgenommen worden sei, nicht im Lichte der Grundrechte geprüft. Es bestünden erhebliche Zweifel an der alleinigen Befugnis dieser Vereinigungen und der Richtigkeit der Zugehörigkeitskriterien. Unter dem Aspekt der Religionsfreiheit müssten insbesondere die Klägerinnen zu 2 und 3 eine Differenzierung der Abstammung von einem jüdischen Vater oder einer jüdischen Mutter nicht hinnehmen. Die Abgrenzung nach patrilinearer oder matrilinearer Abstammung erscheine willkürlich. Das Verwaltungsgericht habe eine Differenzierung zwischen der Zugehörigkeit zu einer jüdischen Religionsgemeinschaft und der Zugehörigkeit zum jüdischen Volk nicht getroffen. Die Frage der Verwaltungspraxis hätte durch Beweiserhebung näher aufgeklärt werden müssen. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, da die vom Gericht akzeptierte jüdische Abstammungslehre Grund- und Menschenrechte verletze. Darüber hinaus sei der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil das Gericht auf die mit Schreiben vom 24. und 26. Juni 2015 weiter vorgetragenen Gesichtspunkte nicht mehr eingegangen sei.

Auch aus diesem Vorbringen ergeben sich nicht die geltend gemachten Zulassungsgründe.

1. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (z.B. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/547 – juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2010 – 7 AV 4/03 – DVBl 2004, 838/839 – juris). Dies ist in Ansehung der Antragsbegründung nicht der Fall.

Das klägerische Vorbringen lässt eine hinreichende Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermissen und ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils darzutun.

Nach der Bestimmung des § 23 Abs. 2 Satz 1 AufenthG – die in einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren als parlamentarisches Gesetz erlassen wurde – kann das Bundesinnenministerium (im Benehmen mit den obersten Landesbehörden) zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass das Bundesamt aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Rechtscharakter und Inhalt einer solchen Anordnung des Bundesinnenministeriums handelt es sich dabei um eine politische Leitentscheidung, die keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2011 – 1 C 21.10; B.v. 16.6.2014 – 1 B 4/14 – juris Rn. 4, vgl. bereits U.v. 19.9.2000 – 1 C 19.99 – juris).

Das Bundesverwaltungsgericht führt in ständiger Rechtsprechung zu der inmitten stehenden Vorschrift des § 23 Abs. 2 AufenthG aus, Sinn und Zweck der Regelung bestünden darin, einen gesetzlichen Rahmen und das Verfahren zu schaffen, um bestimmten Gruppen von noch nicht eingereisten Ausländern zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Dabei stehe es im Ermessen des Bundesinnenministeriums, ob eine solche Anordnung erlassen werde, und es ergebe sich aus der Natur der Sache, dass es bei der Festlegung der Aufnahmekriterien weitgehend frei sei, allenfalls begrenzt durch das Rechtsstaatsgebot und das Willkürverbot. Es handle sich um eine politische Leitentscheidung, die grundsätzlich keiner gerichtlichen Überprüfung unterliege; sie diene nicht dem Schutz und der Verwirklichung von Grundrechten der hierdurch begünstigten Ausländer. Das Bundesinnenministerium könne im Rahmen eines Entschließungs- und Auswahlermessens den von einer Anordnung erfassten Personenkreis bestimmen und dabei positive Kriterien (Erteilungsvoraussetzungen) und negative Kriterien (Ausschlussgründe) aufstellen. Ein Anspruch des einzelnen Ausländers, von einer Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG erfasst zu werden, bestehe nicht. Die Anordnung unterliege auch nicht wie eine Rechtsnorm einer eigenständigen richterlichen Auslegung, vielmehr sei sie unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Erklärenden und ihrer tatsächlichen Handhabung, d. h. der vom Urheber gebilligten und geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis, auszulegen und anzuwenden. Eine Außenwirkung komme der Anordnung nur mittelbar zu über die Verpflichtung der Behörden zur Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG, soweit sich eine der Richtlinie entsprechende Behördenpraxis herausgebildet habe; den Gerichten obliege es nachzuprüfen, ob der Gleichheitssatz bei Anwendung der Anordnung durch das Bundesamt gewahrt sei.

Nach Nr. I.2. lit. ader Aufnahmeanordnung können als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden, die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität sind oder von mindestens einem jüdischen Elternteil oder Großelternteil abstammen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beruht der dabei verwendete Begriff der „jüdischen Nationalität“ auf einer Besonderheit in der ehemaligen Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten. Diese unterscheiden zwischen der Staatsangehörigkeit und der Nationalität; das Judentum wurde der Nationalität zugerechnet, die in staatlichen Personenstandsurkunden angegeben ist. Nach der vom Wissen und Wollen des Bundesinnenministeriums getragenen einheitlichen Verwaltungspraxis des Bundesamtes kann der Nachweis der Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil dagegen nicht nach der jüdischen Abstammungslehre (Halacha) erbracht werden (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2011, a.a.O., juris Rn. 20).

Gemäß Nr. I.2. lit. eder Aufnahmeanordnung können als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden, für die der Nachweis erbracht wird, dass die Möglichkeit zu einer Aufnahme in einer jüdischen Gemeinde im Bundesgebiet besteht. Der Nachweis erfolgt durch gutachterliche Stellungnahme der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden e.V. (ZWSt); die Union Progressiver Juden e.V. (UPJ) wird in dieses Verfahren eingebunden und kann im Rahmen dieses Verfahrens eine Stellungnahme abgeben. Ausweislich des Merkblatts des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zum Aufnahmeverfahren für jüdische Zuwanderer (Stand 6/2015) kann das Bundesamt keine Aufnahmezusage erteilen, wenn die Empfehlung der Zentralwohlfahrtsstelle bzw. der Union progressiver Juden negativ ausfällt.

Das Verwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (grundlegend: BVerwG, U.v. 15.11.2011 – 1 C 21/10) zutreffend betont, dass es sich bei den Aufnahmeregelungen um eine der gerichtlichen Überprüfung entzogene politische Leitentscheidung handelt. Sie vermitteln dem Betroffenen keinen Rechtsanspruch auf Aufnahme, sondern lediglich einen Anspruch auf Gleichbehandlung nach Maßgabe der vom Bundesministerium des Innern gebilligten tatsächlichen Anwendung durch das Bundesamt. Es liegt somit allein im weitgehend freien und weiten Entschließungs- und Auswahlermessen des Bundesinnenministeriums, von der jüdischen Abstammungslehre unabhängige Aufnahmekriterien aufzustellen. Die Aufnahmeanordnung, die den begünstigten Personenkreis detailliert regelt, unterliegt nicht der unmittelbaren gerichtlichen Kontrolle.

Es verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung (d.h. der Verteilung der Staatsgewalt auf verschiedene Staatsorgane), wenn der Gesetzgeber die Exekutive in Gestalt des Bundesministeriums des Innern zur Erteilung von Aufnahmezusagen ermächtigt, die in der Ausgestaltung der Aufnahmevoraussetzungen gerichtlicher Kontrolle entzogen sind. Eine Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze im Sinne von Art. 20 GG ist darin unter Berücksichtigung des Rechtscharakters der Aufnahmeanordnung als innerdienstliche Richtlinie und politische Leitentscheidung nicht ersichtlich. Im Hinblick auf die Wahrung besonders gelagerter Interessen der Bundesrepublik Deutschland kann es nicht Aufgabe der Gerichte sein, mit ihrer Einschätzung an die Stelle der dazu berufenen politischen Organe zu treten. Der politische Charakter einer nach § 23 Abs. 2 AufenthG erlassenen Anordnung verbietet eine Auslegung, die ihr entgegen der Intention ihres Urhebers und der tatsächlichen Verwaltungspraxis unter Verhältnismäßigkeitserwägungen einen weitergehenden Anwendungsbereich zuweist. Eine Außenwirkung kommt der Anordnung nur mittelbar über die Verpflichtung der Behörden zur Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG zu, soweit sich eine der Richtlinie entsprechende Behördenpraxis herausgebildet hat; dem Gericht obliegt es lediglich nachzuprüfen, ob der Gleichheitssatz bei Anwendung der Anordnung durch das Bundesamt gewahrt ist (vgl. BayVGH, B.v. 19.9.2014 – 19 ZB 12.1010 – juris Rn. 19). Das Zulassungsvorbringen, Entscheidungen nach § 23 Abs. 2 AufenthG müssten nach rechtsstaatlichen Grundsätzen uneingeschränkt gerichtlich nachprüfbar sein, vermag im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts somit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen.

Nach diesen Maßstäben ist es dem Gericht entgegen dem Zulassungsvorbringen auch verwehrt, die jüdische Abstammungslehre sowie die Differenzierung nach matri- oder patrilinearer Abstammung inhaltlich zu hinterfragen oder zwischen jüdischer Religionszugehörigkeit und jüdischer Volkszugehörigkeit zu differenzieren. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht ausgeführt, dass sich unter dem Aspekt der Religionsfreiheit eine Wertung der jüdischen Abstammungslehre sowie der Differenzierung zwischen matrilinearer und patrilinearer Abstammung verbietet. Der Nachweis der Abstammung kann nicht nach der jüdischen Abstammungslehre (Halacha) erbracht werden. Vielmehr geht das Bundesamt in ständiger, vom Bundesinnenministerium gebilligter Praxis bei der Entscheidung über Anträge auf Aufnahmezusage für jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion davon aus, dass die jüdische Nationalität eines Elternteils oder Großelternteils nachgewiesen werden muss (Nr. I.2. lit. ader Aufnahmeanordnung). Der dabei verwendete Begriff der „jüdischen Nationalität“ beruht entsprechend der angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf einer Besonderheit in der ehemaligen Sowjetunion und ihrer Nachfolgestaaten, wonach zwischen der Staatsangehörigkeit und der Nationalität unterschieden wird; das Judentum wird der Nationalität zugerechnet, die in staatlichen Personenstandsurkunden des Herkunftsgebietes angegeben ist. Auf die im Zulassungsvorbringen geforderte Differenzierung zwischen jüdischer Religionszugehörigkeit und jüdischer Volkszugehörigkeit kommt es insoweit nicht an.

Diese Aufnahmevoraussetzung entspricht dem Rechtsstaatsgebot und verstößt nicht gegen das Willkürverbot (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2014 – 19 ZB 12.1008). Es ist nicht sachwidrig, wenn die Exekutive, dem primären Zweck der Aufnahmeregelung entsprechend, das Leben der jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland zu stärken, die Aufnahmeberechtigung auf Personen beschränkt, die selbst oder zumindest deren Eltern oder Großeltern sich vor 1990 – seinerzeit eventuell auch unter Hinnahme von Nachteilen – zu ihrer jüdischen Glaubenszugehörigkeit in Form der Angabe einer jüdischen Nationalität in staatlichen Personenstandsurkunden bekannt haben. Damit wurde für das Aufnahmeverfahren ein klares, leicht feststellbares Kriterium gewählt, das seitens des Gerichts nicht weiter inhaltlich hinterfragt werden kann.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend auch darauf hingewiesen, dass die Klägerinnen die Anforderungen nach Nr. I 2 lit. eder Verfahrensordnung nicht erfüllen. Nr. I 2. lit. eder Aufnahmeanordnung regelt unmissverständlich, dass die Möglichkeit einer Aufnahme in einer jüdischen Gemeinde im Bundesgebiet nachzuweisen ist und dass der Nachweis durch eine gutachterliche Stellungnahme der Zentralwohlfahrtsstelle unter Beteiligung der Union Progressiver Juden erfolgt. Diese Aufnahmevoraussetzung entspricht dem Rechtsstaatsgebot und verstößt nicht gegen das Willkürverbot. Die nach der Aufnahmeanordnung erforderlichen Stellungnahmen liegen mit den Schreiben der Zentralwohlfahrtsstelle vom 16. Februar 2015 und mit Stellungnahmen der Union Progressiver Juden mit Schreiben vom 12. Februar 2015 und vom 8. Juni 2015 für die Klägerinnen vor und sie enthalten die eindeutige Aussage, dass eine Aufnahmemöglichkeit in einer jüdischen Gemeinde nicht besteht. Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorgelegte Bestätigung der jüdischen Gemeinde in der Stadt P., wonach die Klägerinnen zu 2 und 3 als assoziierte Mitglieder Aufnahme finden könnten, vermag die Aufnahmevoraussetzungen nach Nr. I.2. lit eder Aufnahmeanordnung nicht zu erfüllen. Die Aufnahmeanordnung kennt weder die Möglichkeit einer Ersetzung der gutachterlichen Stellungnahme der Zentralverbände noch einer inhaltlichen Korrektur. Das Zulassungsvorbringen, an der Befugnis der in der Aufnahmeanordnung genannten Vereine und an der Richtigkeit und Vernünftigkeit der von ihnen zugrunde gelegten Zugehörigkeitskriterien bestünden erhebliche Zweifel, vermag damit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu begründen.

Vor diesem Hintergrund ist ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG weder dargelegt noch ersichtlich. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass in sämtlichen Fällen, in denen die Stellungnahmen der Zentralwohlfahrtsstelle bzw. der Union Progressiver Juden negativ ausfielen, die Aufnahmezusage nicht erteilt worden ist. Von der Klägerseite wurde nicht substantiiert dargelegt, dass nach der Verwaltungspraxis des Bundesamtes – mit Billigung des Bundesinnenministeriums – entgegen der in Nr. I.2. lit. eder Aufnahmeanordnung geforderten Stellungnahmen der ZWSt oder der UPJ Aufnahmezusagen erteilt worden wären. Die Klägerseite hat die Angabe des Beklagtenvertreters nicht bestritten. Auch ist dem Senat eine von der Aufnahmeanordnung insoweit abweichende Verwaltungspraxis nicht bekannt. Eine Beweiserhebung über die Verwaltungspraxis des Bundesamts in diesem Punkt hat sich bei dieser Sachlage nicht aufgedrängt. Sie wäre sozusagen „ins Blaue hinein“ erfolgt.

Da die durch § 23 Abs. 2 AufenthG als Parlamentsgesetz eingeräumte Befugnis des Bundesinnenministeriums, Anordnungen zur Aufnahme von Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen zu treffen, ausdrücklich der Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient und grundsätzlich nicht dem Schutz und der Verwirklichung von Grundrechten der hierdurch begünstigten Ausländer (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2010, a.a.O. Rn. 16), verstößt die Ablehnung einer Aufnahmezusage auch nicht gegen den grundrechtlichen Schutz der Familie aus Art. 6 GG (vgl. BayVGH, U.v. 22.1.2014 – 19 BV 13.1447 – juris Rn. 37).

2. Die Berufung ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Insoweit fehlt es bereits an der nach § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderlichen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung. Dazu muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- und Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Die von der Klägerseite erhobenen Zweifel an der Vereinbarkeit der jüdischen Abstammungslehre mit Grund- und Menschenrechten stellen sich nicht als eine entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage dar. Mit diesem Vorbringen wird verkannt, dass es im Aufnahmeverfahren nicht um eine (nach klägerischen Vorstellungen definierte) jüdische Abstammung, sondern um die jüdische Nationalität in der ehemaligen Sowjetunion und in ihren Nachfolgestaaten und um die diesbezüglichen Nachweise geht. Auch hinsichtlich der Aufnahmevoraussetzung des Nachweises einer möglichen Aufnahme in einer jüdischen Gemeinde im Bundesgebiet durch Stellungnahme der Zentralwohlfahrtsstelle oder der Union Progressiver Juden nach Nr. I.2. lit. eder Aufnahmeanordnung ist dem Bundesamt und dem Gericht eine inhaltliche Überprüfung der jüdischen Abstammungslehre verwehrt. Die mit der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung der Aufnahmevoraussetzungen im Einzelnen zusammenhängenden Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes – wie ausgeführt – hinlänglich geklärt (BVerwG, U.v. 15.11.2011 – 1 C 21/10 – juris).

3. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einem Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.

Die Klägerinnen machen eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) geltend, die aber nicht vorliegt.

Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (BVerfG, B.v. 1.2.1978 – 1 BvR 426/77 – BVerfGE 47, 182 <187>; BVerwG, U.v. 29.11.1985 – 9 C 49.85 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 177). Die Gerichte dürfen ein Vorbringen außer Betracht lassen, das nach ihrem Rechtsstandpunkt unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert ist.

Mit Übermittlung der Urteilsformel an die Geschäftsstelle nach § 116 Abs. 2 VwGO wird ein Urteil wirksam im Sinne einer Unabänderbarkeit durch das Gericht (vgl. BVerwG, B.v. 27.4.2005 – 5 B 107/04 – juris). Bis zu diesem Zeitpunkt kann und muss das Gericht entscheidungserhebliches neues Vorbringen noch berücksichtigen (vgl. Clausing/Kimmel in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand 10/2016 § 116 Rn. 10).

Nachdem die klägerischen Schreiben vom 24. und 26. Juni 2015 nach der Niederlegung des Urteilstenors am 23. Juni 2015 eingingen, ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden, im Hinblick auf die Unabänderbarkeit des Urteils sei auf das weitere Vorbringen nicht mehr näher einzugehen, zumal eine inhaltliche Würdigung durch das Verwaltungsgericht bereits im Rahmen des berücksichtigungsfähigen Vorbringens erfolgte.

Eine Verletzung des in § 86 Abs. 1 VwGO enthaltenen Untersuchungsgrundsatzes kann grundsätzlich dann nicht geltend gemacht werden, wenn ein sachkundig vertretener Verfahrensbeteiligter in der mündlichen Verhandlung Beweiserhebungen nicht in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form beantragt hat (vgl. BVerwG, B.v. 25.1.2005 – 9 B 38.04 – juris, Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 124 Rn. 13). So liegt es hier. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2015 hat der Vertreter der Klägerinnen keinen Beweisantrag gestellt. Abgesehen davon hat sich mangels substantiierter Anhaltspunkte hinsichtlich einer Abweichung des Bundesamtes von seiner Verwaltungspraxis im Rahmen der Aufnahmevoraussetzung nach Nr. I.2. lit. eder Aufnahmeanordnung eine diesbezügliche Beweiserhebung nicht aufgedrängt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 3, Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

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(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 23 Aufenthaltsgewährung durch die obersten Landesbehörden; Aufnahme bei besonders gelagerten politischen Interessen; Neuansiedlung von Schutzsuchenden


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergrup

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(1) Das Urteil wird, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der Regel in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, in besonderen Fällen in einem sofort anzuberaumenden Termin, der nicht über zwei Wochen

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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Anordnung kann unter der Maßgabe erfolgen, dass eine Verpflichtungserklärung nach § 68 abgegeben wird. Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf die Anordnung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; die Anordnung kann vorsehen, dass die zu erteilende Aufenthaltserlaubnis die Erwerbstätigkeit erlaubt oder diese nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden kann.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet nicht statt. Den betroffenen Ausländern ist entsprechend der Aufnahmezusage eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Die Niederlassungserlaubnis kann mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage versehen werden.

(3) Die Anordnung kann vorsehen, dass § 24 ganz oder teilweise entsprechende Anwendung findet.

(4) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann im Rahmen der Neuansiedlung von Schutzsuchenden im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bestimmten, für eine Neuansiedlung ausgewählten Schutzsuchenden (Resettlement-Flüchtlinge) eine Aufnahmezusage erteilt. Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 24 Absatz 3 bis 5 gelten entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Anordnung kann unter der Maßgabe erfolgen, dass eine Verpflichtungserklärung nach § 68 abgegeben wird. Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf die Anordnung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; die Anordnung kann vorsehen, dass die zu erteilende Aufenthaltserlaubnis die Erwerbstätigkeit erlaubt oder diese nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden kann.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet nicht statt. Den betroffenen Ausländern ist entsprechend der Aufnahmezusage eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Die Niederlassungserlaubnis kann mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage versehen werden.

(3) Die Anordnung kann vorsehen, dass § 24 ganz oder teilweise entsprechende Anwendung findet.

(4) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann im Rahmen der Neuansiedlung von Schutzsuchenden im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bestimmten, für eine Neuansiedlung ausgewählten Schutzsuchenden (Resettlement-Flüchtlinge) eine Aufnahmezusage erteilt. Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 24 Absatz 3 bis 5 gelten entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

2. ...

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, mit dem sein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil zurückgewiesen wurde. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte er eine Reduzierung der von ihm für das Jahr 2001 geforderten Abgaben für ein ärztliches Versorgungswerk angestrebt.

2

1. § 20 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Berliner Ärzteversorgung in der Fassung vom 1. April 2000 verpflichtet jedes Mitglied zur Leistung von Versorgungsabgaben, sofern Einkünfte aus ärztlicher Berufsausübung erzielt werden. Als allgemeine Versorgungsabgabe ist eine "Normalabgabe" zu zahlen, die gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung dem höchsten Pflichtbeitrag zur Angestelltenversicherung im gleichen Jahr entspricht. Als Mindestabgabe ist der 0,2-fache Betrag der Normalabgabe zu zahlen. In ständiger Verwaltungspraxis mussten im streitgegenständlichen Zeitraum Mitglieder, deren Einkommen 2.000 DM pro Monat unterschritt, nur einen reduzierten Versorgungsbeitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes der Rentenversicherung der Angestellten erbringen (im Folgenden: Härtefallregelung).

3

Im Jahr 2001 belief sich der höchste Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung der Angestellten auf 1.661,70 DM (849,61 €).

4

2. Der Beschwerdeführer ist Arzt und war aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Ärztekammer, der Beklagten des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagte) auch Mitglied der von ihr eingerichteten Ärzteversorgung.

5

Auf Grundlage eines Honorarvertrags war der Beschwerdeführer ab Juli 2000 als Bereitschaftsarzt für eine Privatklinik tätig. Da er zunächst weniger als 2.000 DM pro Monat verdiente, beantragte er bei der Beklagten eine Beitragsreduzierung auf Basis der Härtefallregelung, die diese mit Bescheid von Februar 2001 ab Januar 2000 gewährte. Für den Zeitraum ab Januar 2001 setzte die Beklagte gegenüber dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der Härtefallregelung einen monatlichen Beitrag von 81,20 DM fest. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Bereitschaftsarzt endete mit Ablauf des Monats Oktober 2001. Das letzte Honorar wurde im November 2001 ausgezahlt. Für den Rest des Jahres 2001 erzielte der Beschwerdeführer keine Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit mehr.

6

a) Nachdem der Beschwerdeführer den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vorgelegt hatte, aus dem sich Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 20.291 DM (10.374,62 €) ergaben, setzte die Beklagte im Mai 2003 für das Jahr 2001 bezüglich der Monate Januar bis Oktober 2001, ausgehend vom 0,2-fachen der Normalabgabe, einen monatlichen Beitrag von jeweils 169,92 € fest. Unter Berücksichtigung bereits gezahlter Beiträge und vorhandener Guthaben forderte sie vom Beschwerdeführer zugleich eine Nachzahlung in Höhe von 1.206,79 €. Der gegen die Höhe der Abgabe gerichtete Widerspruch des Beschwerdeführers blieb erfolglos.

7

b) Mit seiner daraufhin erhobenen Klage verlangte der Beschwerdeführer eine Reduzierung des Nachzahlungsbetrags auf 485,52 €, weil er der Härtefallregelung unterfalle. Sein monatliches Einkommen unterschreite die Grenze von 2.000 DM, weil das erst im November 2001 ausgezahlte Honorar nicht mehr als Einkommen berücksichtigt werden dürfe.

8

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Beklagte habe die Versorgungsabgaben für 2001 in der zutreffenden Höhe festgesetzt. Die Härtefallregelung könnte nicht zugunsten des Beschwerdeführers angewendet werden, weil sein monatliches Einkommen mehr als 2.000 DM pro Monat betragen habe. Abzustellen sei auf das Einkommen, das sich aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebe. Weder habe der Beschwerdeführer belegen können, dass in den im Steuerbescheid ausgewiesenen Einkünften auch Einkommen aus dem Jahr 2000 enthalten sei, noch komme es für das von Januar bis Oktober 2001 erarbeitete Einkommen auf den Zeitpunkt des Zuflusses an. Da nur für die Dauer der ärztlichen Tätigkeit Abgaben zu leisten seien, habe die Beklagte den 2001 verdienten Betrag auch richtigerweise lediglich auf 10 statt auf 12 Monate verteilt.

9

c) Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beantragte der Beschwerdeführer die Zulassung der Berufung. Er berief sich hierbei ausdrücklich auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Verwaltungsgericht sei nicht befugt gewesen, das ihm erst im November zugeflossene Einkommen zu berücksichtigten, weil es auf den Zufluss des Entgelts während der Dauer der Beschäftigung ankomme. Weiter sei zu erwähnen, dass die Beklagte ihre Forderung auch bei Anwendung des Entstehungsprinzips nicht begründen könne; denn in diesem Fall müssten von seinen einkommensteuerrechtlich für das Jahr 2001 ermittelten Einkünften aus selbständiger Arbeit seine während der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschafteten Honorare in Höhe von 985,50 DM abgezogen werden, wodurch nur noch Jahreseinkünfte von 19.305 DM verblieben. Dies führe ebenfalls zur Anwendung der Härtefallregelung. Der Beschwerdeführer bezog sich dabei auf bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Unterlagen. Seinem Schriftsatz war darüber hinaus als Anlage ein von Januar 2010 datierendes Schreiben der Rechtsnachfolgerin der Klinik, für die er tätig gewesen war, beigefügt, aus dem sich ergab, dass der Beschwerdeführer im Monat Dezember 2000 am 2., 9., 25., 28. und 31. Dezember Dienste absolviert hatte.

10

d) Das Oberverwaltungsgericht wies den Zulassungsantrag zurück. Die Berufung sei nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zuzulassen, weil ein Divergenzfall nicht gegeben sei. Auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils in Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden nicht. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts sei sowohl mit Wortlaut als auch mit Sinn und Zweck der Satzung vereinbar. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, die sein Einkommen im Jahr 2001 beträfen, seien in Bezug auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht entscheidungserheblich. Nichts anderes ergebe sich, wenn man zu seinen Gunsten unterstelle, dass er insoweit ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung habe geltend machen wollen; denn in diesem Fall sei durch die bloße Vorlage eines Honorarvertrags nicht nachgewiesen, dass im Januar 2001 Honorare für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit gezahlt worden seien.

11

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.

12

a) Die Nichtzulassung der Berufung verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG, hilfsweise gegen Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG als allgemeines Prozessgrundrecht auf ein faires Gerichtsverfahren. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sei erfüllt, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Falsch sei schon, dass das Gericht auf das Entstehungsprinzip abgestellt habe, denn maßgebend sei das Zuflussprinzip. Das ihm erst im November 2001 zugegangene Honorar dürfe daher nicht mitberücksichtigt werden. Selbst bei Anwendung des Entstehungsprinzips müsse aber zu seinen Gunsten die Härtefallregelung eingreifen; auch dann liege sein durchschnittliches Monatseinkommen während des maßgeblichen Zeitraums unter der Grenze von 2.000 DM. Es müsse nämlich das Honorar, das in der zweiten Dezemberhälfte des Jahres 2000 von ihm erwirtschaftet worden sei, aus dem Einkommen, das sich aus dem Steuerbescheid 2001 ergebe, herausgerechnet werden.

13

b) Auch die Ablehnung der weiteren Zulassungsgründe verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Im Übrigen verletze die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Art. 3 Abs. 1 GG als Gleichbehandlungsgebot und Willkürverbot.

14

4. Der Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin und der Ärztekammer Berlin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

II.

15

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist zudem offensichtlich begründet.

16

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2010 verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG.

17

a) Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; stRspr). Die Vorschrift erfordert zwar keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 49, 329 <343>; 83, 24 <31>; 87, 48 <61>; 92, 365 <410>; 96, 27 <39>; stRspr); eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 65, 76 <90>; 96, 27 <39>; stRspr). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Sehen die prozessrechtlichen Vorschriften - wie §§ 124, 124a VwGO - die Möglichkeit vor, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, so verbietet Art. 19 Abs. 4 GG eine Auslegung und Anwendung dieser Rechtsnormen, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Vor diesem Hintergrund dürfen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthaltene Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils immer schon dann erfüllt, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris, Rn. 15).

18

b) Diese Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht verkannt und den Zugang des Beschwerdeführers zur Berufungsinstanz dadurch in unzumutbarer Weise verkürzt.

19

aa) Verfassungsrechtlich nicht haltbar ist schon der rechtliche Ausgangspunkt des Oberverwaltungsgerichts, eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO komme nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer nicht "nachgewiesen" habe, dass im Januar 2001 gezahltes Honorar auch Einkommen für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit enthalte. Des Nachweises einer solchen Behauptung durch den Antragsteller bedarf es im Berufungszulassungsverfahren gerade nicht. Schlüssige Gegenargumente liegen vielmehr bereits dann vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist. Ob tatsächliche Umstände, die ein Antragsteller schlüssig behauptet, auch wirklich gegeben sind, muss bei Unklarheiten nach Zulassung der Berufung während des sich anschließenden Berufungsverfahrens im Rahmen der Amtsermittlung geklärt werden. Es ist nicht zulässig, diese Prüfung ins Zulassungsverfahren vorzuverlagern und damit die eigentlich erforderliche Beweisaufnahme zu umgehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 2009 - 1 BvR 812/09 -, juris, Rn. 22).

20

bb) Der fehlerhafte rechtliche Ansatz des Oberverwaltungsgerichts führt auch zu einem verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Ergebnis. Das Gericht hätte die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zulassen müssen, weil der Beschwerdeführer im Berufungszulassungsverfahren eine das verwaltungsgerichtliche Urteil tragende Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat.

21

(1) Das Verwaltungsgericht geht, unter Zugrundelegung der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten, davon aus, dass ein Kammermitglied Anspruch auf einen (reduzierten) Beitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes zur Rentenversicherung der Angestellten hat, sofern es einen Monatsverdienst von weniger als 2.000 DM erzielt. Für den Beschwerdeführer verneint das Gericht dann einen solchen, die 2.000 DM-Grenze unterschreitenden Verdienst pro Monat, weil die von ihm im Jahr 2001 erzielten Einnahmen von 20.291 DM auf 10 Monate, nämlich den Zeitraum von Januar bis einschließlich Oktober 2001, zu verteilen seien. Denn die Einnahmen könnten nur auf die Monate verteilt werden, in denen sie erarbeitet worden seien; auf den Zeitpunkt des Zuflusses komme es nicht an. Für die Höhe der Einnahmen stützt sich das Verwaltungsgericht auf die aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebende Einkommenshöhe, unterstellt also, dass die sich aus dem Einkommensteuerbescheid ergebenden Einnahmen vom Beschwerdeführer in dem Zeitraum von Januar bis Oktober 2001 erarbeitet worden sind und stützt seine Entscheidung auf diese Annahme.

22

(2) Demgegenüber hat der Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung eingewandt, in den Einnahmen, die in dem Einkommensteuerbescheid 2001 ausgewiesen seien, seien auch Verdienste aus dem Jahr 2000 enthalten, und zwar Honorare in Höhe von 985,50 DM, die er durch seine ärztliche Tätigkeit in der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschaftet habe. Zum Beleg seiner Behauptung hat er das Schreiben von Januar 2010, wonach er im Dezember 2000 an fünf Tagen Dienste wahrgenommen hat, vorgelegt. Darüber hinaus hat er vorgetragen, aufgrund des klinikinternen Abrechnungsmodus sei das Honorar während seiner Tätigkeit immer jeweils von Monatsmitte zu Monatsmitte berechnet und anschließend ausgezahlt worden. Da hiernach für die Monate Januar bis Oktober 2001 nur noch ein Einkommen von 19.305 DM verbleibe - also weniger als 2.000 DM monatlich - sei die Härtefallklausel schon aus diesem Grunde auf ihn anzuwenden.

23

(3) Damit hat der Beschwerdeführer die Prämisse des Verwaltungsgerichts, in dem aus dem Steuerbescheid ergebenden Einkommen seien keine Einnahmen aus dem Jahre 2000 enthalten, mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Denn auf Grundlage der Behauptungen des Beschwerdeführers, die er zudem mit dem Schreiben von Januar 2010 belegt hat, erscheint es nicht lediglich als möglich, sondern sogar als nahe liegend, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts im Steuerbescheid des Jahres 2001 als Einkommen auch Honorar berücksichtigt war, das der Beschwerdeführer im Dezember 2000 erarbeitet hatte. Dafür spricht nicht nur das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sein Honorar in einem Abrechnungsmodus von Monatsmitte bis Monatsmitte berechnet und ausbezahlt wurde. Auch aus verwaltungspraktischen Gründen erscheint es wenig wahrscheinlich, dass insbesondere für eine ab dem 25. Dezember 2000, also während der Weihnachtsfeiertage und danach, geleistete Arbeit die Vergütung noch im selben Monat überwiesen werden konnte. Anhaltspunkte für eine Zahlung des Honorars im Voraus oder für Abschlagszahlungen gibt es nicht.

24

(4) Die Tatsachenfeststellungen, die der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen in Frage stellt, sind auch rechtlich erheblich. Denn das Verwaltungsgericht hätte, wären die Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffend, seiner Klage jedenfalls teilweise stattgeben müssen. In diesem Fall hätte sich nämlich für 2001 ein in diesem Jahr "erarbeitetes" Honorar von lediglich 19.305,50 DM ergeben, weil 985,50 DM als Honorar für Dienste im Dezember 2000 von dem im Steuerbescheid 2001 ausgewiesenen Einkommen von 20.291 DM abzuziehen gewesen wären. Für die zehnmonatige ärztliche Tätigkeit des Beschwerdeführers im Jahr 2001 hätte sein monatlicher Verdienst folglich nur noch 1.930,55 DM betragen und damit die 2.000 DM-Grenze unterschritten. Nach der vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsauffassung - die vom Oberverwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss auch nicht in Zweifel gezogen wird - wäre bei diesem geringen Einkommen die Härtefallregelung anzuwenden gewesen. Da sich die monatlichen Abgaben dementsprechend nur nach dem hälftigen Beitragssatz der Rentenversicherung für Angestellte, also der Hälfte von damals 19,1 %, errechnen würden, hätten sich diese nicht wie von der Beklagten festgesetzt auf - umgerechnet - 169,92 € belaufen, sondern lediglich auf 94,27 €. Auch die geltend gemachte Nachforderung würde sich entsprechend verringern.

25

cc) Dem Beschwerdeführer kann auch nicht entgegengehalten werden, er habe den Zulassungsgrund im Berufungszulassungsverfahren nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere ist es unschädlich, dass er in dem Zulassungsschriftsatz die von ihm vorgebrachten Argumente keinem beziehungsweise jedenfalls nicht dem zutreffenden Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugeordnet hat. Denn für eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung eines oder mehrerer Berufungszulassungsgründe ist es nicht notwendig, dass der Antragsteller ausdrücklich einen der in § 124 Abs. 2 VwGO normierten Zulassungsgründe oder die dort angeführten tatbestandlichen Voraussetzungen benennt. Ebenso ist es kein Hindernis, wenn der Antragsteller sein Vorbringen unter dem falschen Berufungszulassungsgrund erörtert oder verschiedene Gesichtspunkte, die bei unterschiedlichen Zulassungsgründen im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO relevant sein können, miteinander vermengt. Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet das den Zulassungsantrag prüfende Gericht nämlich dazu, den Vortrag des jeweiligen Antragstellers angemessen zu würdigen und durch sachgerechte Auslegung selbstständig zu ermitteln, welche Zulassungsgründe der Sache nach geltend gemacht werden und welche Einwände welchen Zulassungsgründen zuzuordnen sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010 - 1 BvR 2309/09 -, juris, Rn. 13; vgl. insoweit auch BVerfGK 5, 369 <375 f.>). Erst dann, wenn aus einer nicht auf einzelne Zulassungsgründe zugeschnittenen Begründung auch durch Auslegung nicht eindeutig ermittelt werden kann, auf welchen Zulassungsgrund der Antrag gestützt wird, stellt die Verwerfung des Antrags als unzulässig keine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zur Berufungsinstanz dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010, a.a.O., Rn. 13). Dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers ohne Schwierigkeiten dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuordnen lässt, folgt hier schon daraus, dass es vom Oberverwaltungsgericht unter diesem Gesichtspunkt geprüft wurde. Eine solche Zuordnung lag im Übrigen auch auf der Hand, weil die Ausführungen des Beschwerdeführers nur zu diesem Zulassungsgrund passen.

26

c) Die weiteren Argumente, die der Beschwerdeführer gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils vorgebracht hat, sind allerdings nicht geeignet, einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG zu begründen. Dass das Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf diese Einwände das Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verneint hat, lässt keine Grundrechtsverletzung erkennen. Der Beschwerdeführer hat schon nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Zufluss des Einkommens erst nach dem Ablauf des Zeitraums der Tätigkeit sei unschädlich - maßgeblich sei vielmehr der Zeitpunkt des Erarbeitens -, fehlerhaft sein sollte. Der Ansatz des Gerichts, allein an den Tätigkeitszeitraum anzuknüpfen und den Zuflusszeitpunkt als unerheblich anzusehen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

27

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) sei nicht gegeben, gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen könnte. Die Gründe, mit denen das Gericht das Vorliegen des Zulassungsgrundes ablehnt, sind gut nachvollziehbar. Dass sie den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG nicht genügen könnten, ist nicht zu erkennen.

28

Eine Berufung auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) scheitert schließlich unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität schon daran, dass sich der Beschwerdeführer auf diesen Grund im Berufungszulassungsverfahren weder ausdrücklich noch der Sache nach berufen hat.

29

2. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Ob der Beschluss auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verstößt, kann daher offenbleiben.

30

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Anordnung kann unter der Maßgabe erfolgen, dass eine Verpflichtungserklärung nach § 68 abgegeben wird. Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf die Anordnung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; die Anordnung kann vorsehen, dass die zu erteilende Aufenthaltserlaubnis die Erwerbstätigkeit erlaubt oder diese nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden kann.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet nicht statt. Den betroffenen Ausländern ist entsprechend der Aufnahmezusage eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Die Niederlassungserlaubnis kann mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage versehen werden.

(3) Die Anordnung kann vorsehen, dass § 24 ganz oder teilweise entsprechende Anwendung findet.

(4) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann im Rahmen der Neuansiedlung von Schutzsuchenden im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bestimmten, für eine Neuansiedlung ausgewählten Schutzsuchenden (Resettlement-Flüchtlinge) eine Aufnahmezusage erteilt. Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 24 Absatz 3 bis 5 gelten entsprechend.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tatbestand

1

Die Kläger, ein moldawisches Ehepaar und seine beiden minderjährigen Kinder, begehren die Erteilung einer Aufnahmezusage als jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion.

2

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte ihre entsprechenden Anträge mit Bescheid vom 20. April 2009 ab und führte zur Begründung aus, die Kläger erfüllten nicht die Aufnahmevoraussetzungen nach der Anordnung des Bundesministerium des Innern vom 24. Mai 2007. Danach könnten - in Anknüpfung an das Nationalitätenrecht in der ehemaligen Sowjetunion - als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden, die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität seien oder von mindestens einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammten. Aus den von den Klägern vorgelegten und vor 1990 ausgestellten staatlichen Personenstandsurkunden ergebe sich nur die jüdische Nationalität eines Großelternteils des Klägers zu 1.

3

Die hiergegen erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 11. März 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Bei der auf § 23 Abs. 2 AufenthG gestützten Anordnung des Bundesministeriums des Innern über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion vom 24. Mai 2007 in der Fassung vom 22. Juli 2009 handele es sich um eine innerdienstliche Richtlinie, die unmittelbar keine Rechte und Pflichten für Ausländer begründe. Die ablehnende Entscheidung des Bundesamts könne vom Gericht daher lediglich auf eine mögliche Verletzung des Willkürverbots bzw. des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes überprüft werden. Die in dem angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommende Auffassung, wonach der in der Anordnung geforderte Nachweis der jüdischen Nationalität oder der Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil nicht durch Urkunden der Großeltern oder die jüdische Abstammungslehre erbracht werden könne, beruhe mit Wissen und Wollen des Bundesministeriums des Innern auf einer einheitlichen und durchgängigen Verwaltungspraxis und verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

4

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 15. November 2010 den Berufungen der Kläger im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids des Bundesamts zur Neubescheidung verpflichtet. Er hat dies wie folgt begründet: Zwar bestehe kein (Rechts-)Anspruch, von einer Regelung nach § 23 Abs. 2 AufenthG erfasst zu werden. Mache das Bundesministerium des Innern jedoch von der dort normierten Ermächtigung Gebrauch, müsse sein Handeln rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen und bestehe ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die festgelegten Aufnahmekriterien nach Maßgabe des Gleichheitssatzes, des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Rechtsstaatsgebots. Ergehe die Anordnung in Gestalt einer Verwaltungsvorschrift, entfalte sie im Rahmen ihrer die Ermächtigungsgrundlage konkretisierenden Funktion Außenwirkung. Es unterliege deshalb gerichtlicher Kontrolle, ob und in welchem Umfang die Voraussetzungen ihrer Anwendung gegeben seien. Mache die Exekutive von ihrer Befugnis zur autonomen Rechtssetzung mittels der Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften Gebrauch, gebe sie zu erkennen, dass sie eine Selbstbindung kraft eigenen Normsetzungswillens eingehe, aufgrund dessen ein Anspruch auf Einhaltung des Zugesagten erwachse. In Anwendung dieses Prüfungsrahmens könne ein Anspruch auf Erteilung einer Aufnahmezusage vorliegend nicht unter Hinweis auf Nr. I 2 Buchst. a der Anordnung verneint werden. Danach genüge die jüdische Abstammung. Aus der vom Kläger zu 1 vorgelegten Geburtsurkunde seiner Mutter ergebe sich, dass er von einem jüdischen Großelternteil abstamme. Entgegen der Auffassung der Beklagten müsse er nicht die jüdische Nationalität seiner Mutter nachweisen. Die Behauptung einer abweichenden Verwaltungspraxis rechtfertige keine andere Beurteilung. Dem Bundesamt stehe eine autonome, vom Wortlaut der Vorschrift abweichende Interpretation nicht zu. Sie stünde in Widerspruch zu den eigenen Leitvorstellungen und wäre ermessensfehlerhaft. Dies gelte auch, wenn man mit der Beklagten davon ausgehe, dass es sich bei der Anordnung lediglich um eine Willenserklärung handele. Auch dann wäre sie angesichts ihrer Kundgabe nach außen und der existenziellen Auswirkungen für die Betroffenen aus objektiver Empfängersicht auszulegen. Aus den gewählten Anknüpfungskriterien ergebe sich, dass der Kreis der Begünstigten bezogen auf den jeweiligen Familienverband möglichst weit gefasst werden sollte, um ein willkürliches Auseinanderreißen zu verhindern.

5

Die Beklagte wendet sich mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision gegen ihre Verpflichtung zur Neubescheidung. Zur Begründung macht sie insbesondere geltend, das Berufungsgericht habe den Rechtscharakter und die gerichtliche Überprüfbarkeit der auf § 23 Abs. 2 AufenthG gestützten Anordnung über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer verkannt. Auf diese seien die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Anordnungen nach § 32 AuslG 1990 entwickelten Grundsätze übertragbar. Das Berufungsgericht hätte die Anordnung daher nicht selbst auslegen dürfen. Nach ständiger Verwaltungspraxis setze die Erteilung einer Aufnahmezusage den Nachweis entweder der eigenen jüdischen Nationalität oder der jüdischen Nationalität eines Elternteils durch vor 1990 ausgestellte staatliche Personenstandsurkunden voraus.

6

Die Kläger treten der Revision entgegen und verteidigen das angegriffene Urteil.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt. Er ist ebenfalls der Auffassung, dass das Berufungsgericht die Anordnung nicht abweichend von der Praxis der Beklagten auslegen durfte.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat unter Verstoß gegen Bundesrecht die Anordnung des Bundesministeriums des Innern über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion mit Ausnahme der Baltischen Staaten vom 24. Mai 2007 in der Fassung vom 22. Juli 2009 - Anordnung - wie einen Rechtssatz behandelt und daraus mit Blick auf die jüdische Abstammung des Klägers zu 1 einen Anspruch der Kläger auf Neubescheidung ihrer Anträge auf Erteilung einer Aufnahmezusage hergeleitet (1.). Das angegriffene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - hat die Anträge der Kläger ermessensfehlerfrei und ohne Verletzung ihres Anspruchs auf Gleichbehandlung abgelehnt (2.). Auf die Revision der Beklagten ist das Urteil des Berufungsgerichts daher zu ändern und sind die Berufungen der Kläger in vollem Umfang zurückzuweisen.

9

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können die Kläger unmittelbar aus der auf § 23 Abs. 2 AufenthG gestützten Anordnung des Bundesministeriums des Innern über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer keinen Anspruch auf Neubescheidung herleiten. Nach dieser Anordnung können als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden, die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität sind oder von mindestens einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammen (I 2. Buchst. a der Anordnung). Der dabei verwendete Begriff der "jüdischen Nationalität" beruht auf einer Besonderheit in der ehemaligen Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten. Diese unterscheiden zwischen der Staatsangehörigkeit und der Nationalität. Das Judentum wird der Nationalität zugerechnet, die in staatlichen Personenstandsurkunden angegeben ist.

10

Das Aufenthaltsgesetz gewährt keinen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Aufnahme aus dem Ausland. Gemäß § 22 AufenthG kann ein Ausländer im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen im Ermessenswege aus dem Ausland aufgenommen werden. Außerdem kann das Bundesministerium des Innern nach der - mit dem Siebten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 16. Mai 2007 (BGBl I S. 748) eingeführten - Neuregelung in § 23 Abs. 2 AufenthG zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Dass der Gesetzgeber es für erforderlich angesehen hat, die Anordnungsbefugnis des Bundesministeriums des Innern ausdrücklich zu regeln, und sie in § 23 Abs. 2 AufenthG zugleich als Voraussetzung für die Erteilung einer Aufnahmezusage durch das Bundesamt ausgestaltet hat, besagt nichts darüber, wie eine solche Anordnung rechtlich einzuordnen ist.

11

Sinn und Zweck der Regelung in § 23 Abs. 2 AufenthG besteht darin, einen gesetzlichen Rahmen und das Verfahren zu schaffen, um bestimmten Gruppen von noch nicht eingereisten Ausländern zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Hierdurch kann bei Aufnahmeentscheidungen, die typischerweise eine größere Zahl von Ausländern in gleicher oder vergleichbarer Weise betreffen, ein gleichmäßiger Verwaltungsvollzug sichergestellt werden. Nach den Gesetzesmaterialien enthält § 23 Abs. 2 AufenthG daher eine der Anordnungsbefugnis der Länder nach § 23 Abs. 1 AufenthG nachgebildete Anordnungsbefugnis des Bundes, derer es wegen der gleichzeitigen Verlagerung der Zuständigkeit für das Aufnahmeverfahren von den Ländern auf den Bund (vgl. § 75 Nr. 8 AufenthG) bedurfte, da Anordnungen der Länder als Rechtsgrundlage für den Bundesvollzug nicht in Betracht kommen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BTDrucks 16/4444 S. 6).

12

Ob das Bundesministerium des Innern nach § 23 Abs. 2 AufenthG eine Anordnung erlässt, steht in seinem Ermessen ("kann"). Dieses Ermessen ist lediglich durch das im Gesetz genannte Motiv ("zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland") dahin begrenzt, dass eine Anordnung nicht aus anderen Gründen erlassen werden darf. Dabei ergibt sich aus der Natur der Sache, dass das Bundesministerium des Innern bei der Definition der besonders gelagerten politischen Interessen der Bundesrepublik und der Festlegung der Aufnahmekriterien weitgehend frei ist. Es handelt sich hierbei um eine politische Leitentscheidung, die - entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rechtscharakter vergleichbarer Anordnungen (vgl. Urteil vom 19. September 2000 - BVerwG 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 63 zur Anordnungsbefugnis einer obersten Landesbehörde nach der Vorgängerregelung zu § 23 Abs. 1 AufenthG in § 32 AuslG 1990) - grundsätzlich keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Das Bundesministerium des Innern kann im Rahmen seines Entschließungs- und Auswahlermessens den von einer Anordnung erfassten Personenkreis bestimmen. Es kann dabei positive Kriterien (Erteilungsvoraussetzungen) und negative Kriterien (Ausschlussgründe) aufstellen. Ein Anspruch des einzelnen Ausländers, von einer Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG erfasst zu werden, besteht nicht (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O. <66>).

13

Neben der Festlegung der für die Erteilung einer Aufnahmezusage zu erfüllenden Voraussetzungen enthalten Anordnungen nach § 23 Abs. 2 AufenthG zugleich die Weisung an das Bundesamt, einem Ausländer bei Erfüllung der Aufnahmevoraussetzungen eine Aufnahmezusage zu erteilen. Hierdurch wird das Aufnahmeermessen, dessen Ausübung in den Fällen des § 23 Abs. 2 AufenthG dem Bundesamt obliegt, intern gebunden. Als innerdienstliche, das behördliche Ermessen lenkende Richtlinie begründet eine Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG für die von ihr begünstigten Ausländer keinen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufnahmezusage. Sie bindet unmittelbar nur das Bundesamt bei der Ausübung seines Aufnahmeermessens. Selbst soweit das Bundesministerium des Innern in einer Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG Wendungen benutzt, die an Rechtsansprüche erinnern, kennzeichnet dies lediglich den Grad der verwaltungsinternen Bindung. Gegenüber dem Ausländer bleibt die Entscheidung über die Erteilung einer Aufnahmezusage eine Ermessensentscheidung des Bundesamts (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O.).

14

Handelt es sich bei der Anordnung über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer um eine innerdienstliche Richtlinie, unterliegt sie auch nicht wie eine Rechtsnorm einer eigenständigen richterlichen Auslegung. Als eine das Ermessen lenkende Willenserklärung des Bundesministeriums des Innern gegenüber dem Bundesamt ist sie vielmehr unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Erklärenden und ihrer tatsächlichen Handhabung, d.h. der vom Urheber gebilligten und geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis, auszulegen und anzuwenden. Bei Unklarheiten hat das Bundesamt den wirklichen Willen des Bundesministeriums des Innern - ggf. durch Rückfrage - zu ermitteln (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O. <67>).

15

Außenwirkung kommt der Anordnung nur mittelbar zu über die Verpflichtung der Behörden und Gerichte zur Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG, wenn und soweit sich eine der Richtlinie entsprechende Behördenpraxis tatsächlich herausgebildet hat (sog. Selbstbindung der Verwaltung). Weicht das Bundesamt im Einzelfall von der konkreten Handhabung der Anordnung ab, erwächst dem Ausländer aus Art. 3 Abs. 1 GG ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Gleichbehandlung nach Maßgabe der tatsächlichen Anwendung der Anordnung. Denn der Sinn der Regelung besteht gerade darin, eine einheitliche Aufnahmepraxis zu erreichen. Die Gerichte haben daher nachzuprüfen, ob der Gleichheitssatz bei der Anwendung der Anordnung durch das Bundesamt gewahrt worden ist (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O. <67>).

16

Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts, wonach die Anordnung im Rahmen ihrer die Ermächtigungsgrundlage konkretisierenden Funktion unmittelbar rechtliche Außenwirkung entfalte und daher wie ein Gesetz aus sich heraus auszulegen und anzuwenden sei und den Begünstigten einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch gewähre, überzeugt nicht. Sie berücksichtigt nicht, dass es sich bei Anordnungen nach § 23 Abs. 2 AufenthG nicht um normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, sondern um das behördliche Ermessen lenkende politische Leitentscheidungen handelt. Sie dienen nicht dem Schutz und der Verwirklichung von Grundrechten der hierdurch begünstigten Ausländer, sondern der Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik. Der politische Charakter einer nach § 23 Abs. 2 AufenthG erlassenen Anordnung verbietet eine Auslegung, die ihr entgegen der Intention ihres Urhebers und der tatsächlichen Verwaltungspraxis einen weitergehenden Anwendungsbereich zuweist. Der Anwendungsbereich kann auch nicht mit Verhältnismäßigkeitserwägungen ausgeweitet werden. Denn es steht grundsätzlich allein im weiten - allenfalls durch das Rechtsstaatsgebot und das Willkürverbot begrenzten - Ermessen der Exekutive zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen über die im Aufenthaltsgesetz zum Schutz individueller Rechte normierten Zuwanderungsmöglichkeiten hinaus zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik bestimmte Gruppen von Ausländern aus dem Ausland aufgenommen werden. Da die Betroffenen nach Art. 3 Abs. 1 GG einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Gleichbehandlung im Rahmen der bestehenden Verwaltungspraxis haben, ist die fehlende Außenwirkung und gerichtliche Überprüfbarkeit von Anordnungen nach § 23 Abs. 2 AufenthG auch mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu beanstanden.

17

Die Kläger können daher unmittelbar aus der Anordnung des Bundesministeriums des Innern keine Rechte herleiten. Diese regelt verwaltungsintern, unter welchen Voraussetzungen das Bundesamt Juden aus der ehemaligen Sowjetunion im Ermessenswege eine Aufnahmezusage erteilen darf, indem sie den begünstigten Personenkreis durch positive Erteilungsvoraussetzungen und negative Ausschlussgründe näher eingrenzt. Zu den positiven Erteilungsvoraussetzungen zählt u.a. das Erfordernis, dass als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden können, die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität sind oder von mindestens einem jüdischen Elternteil abstammen. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht das Kriterium der "Abstammung von einem jüdischen Elternteil" aus sich heraus und ungeachtet der tatsächlichen Verwaltungspraxis der Beklagten dahingehend ausgelegt, dass hierfür der Nachweis der Abstammung von einem jüdischen Großelternteil genügt, und daraus einen Neubescheidungsanspruch der Kläger hergeleitet. Als Teil einer ermessenslenkenden Richtlinie unterliegen die in der Anordnung festgelegten Aufnahmevoraussetzungen keiner eigenständigen richterlichen Auslegung und begründen keinen unmittelbaren Anspruch. Sie sind nach den obigen Ausführungen vielmehr allein nach Maßgabe der vom Bundesministerium des Innern gebilligten Verwaltungspraxis des Bundesamts auszulegen und anzuwenden (dies entspricht auch der h.M. im Schrifttum, vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Band 2, Stand September 2011, § 23 Rn. 37 f. und 13 ff.; Hailbronner, AuslR, Stand September 2011, § 23 AufenthG Rn. 23 und 8 ff.).

18

2. Die Kläger haben auch nicht aus anderen Gründen einen Anspruch auf Neubescheidung ihrer Anträge auf Erteilung einer Aufnahmezusage. Das Bundesamt hat die Anträge ermessensfehlerfrei abgelehnt. Die Ablehnung verletzt mit Blick auf die bestehende Verwaltungspraxis nicht den Anspruch der Kläger auf Gleichbehandlung nach Maßgabe der bestehenden Verwaltungspraxis.

19

Dabei steht einem Durchentscheiden zu Lasten der Kläger nicht entgegen, dass das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine tatrichterlichen Feststellungen zur tatsächlichen Handhabung der in der Anordnung festgelegten Aufnahmevoraussetzungen getroffen hat. Das Bundesverwaltungsgericht ist als Revisionsgericht zwar grundsätzlich nur zur Rechtskontrolle berufen. Gleichwohl ist ihm im Rahmen einer sinnvollen Prozessführung in Ausnahmefällen auch die Berücksichtigung von der Vorinstanz nicht nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellter Tatsachen möglich, etwa wenn diese - wie hier - erstmals aufgrund einer von der Vorinstanz abweichenden Rechtsauffassung des Revisionsgerichts entscheidungserheblich werden, sie zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehen und keiner Beurteilung durch das Berufungsgericht bedürfen und sich der Rechtsstreit hierdurch endgültig erledigt (vgl. hierzu auch Eichberger, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 21. Ergänzungslieferung 2011, § 137 Rn. 188 ff. m.w.N. aus der Rspr des BVerwG).

20

Nach dem von den Klägern nicht bestrittenen und nach Aktenlage nicht anzuzweifelnden Vortrag der Beklagten geht das Bundesamt in ständiger, vom Bundesministerium des Innern gebilligter Praxis bei der Entscheidung über Anträge auf Erteilung einer Aufnahmezusage für jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion davon aus, dass für eine Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil allein der Nachweis der jüdischen Nationalität eines Großelternteils nicht genügt, sondern die jüdische Nationalität eines Elternteils nachgewiesen werden muss. Die Beklagte hat bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass das Bundesamt in Kontinuität mit der Verwaltungspraxis des früher zuständigen Auswärtigen Amtes bezüglich der Abstammung von einem jüdischen Elternteil auf dessen jüdische Nationalität abstellt und die jüdische Nationalität eines Großelternteils nicht genügt. Auch dem erstinstanzlichen Urteil ist zu entnehmen, dass nach der vom Wissen und Wollen des Bundesministeriums des Innern getragenen einheitlichen Verwaltungspraxis des Bundesamts der Nachweis der Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil nicht durch Urkunden der Großeltern, die jüdische Abstammungslehre o.ä. erbracht werden kann (UA S. 11). Dem sind die Kläger nicht entgegengetreten. Sie haben auch nichts vorgetragen, was für eine abweichende Verwaltungspraxis sprechen könnte.

21

Die Kläger haben weder ihre eigene jüdische Nationalität noch die eines Elternteils durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden nachgewiesen. Hinweise für eine eigene jüdische Nationalität ergeben sich für den Kläger zu 1 zwar aus den im Verfahren vorgelegten Geburtsurkunden seiner Kinder, der Kläger zu 3 und 4, aus den Jahren 2002 und 2008 und einem moldawischen Urteil aus dem Jahr 2007. Ungeachtet der Frage, welcher Beweiswert diesen Urkunden zukommt, handelt es sich hierbei aber nicht um vor 1990 ausgestellte Urkunden. Die Kläger haben auch nicht ihre Abstammung von mindestens einem Elternteil jüdischer Nationalität durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden nachgewiesen. Der - 1987 neu ausgestellten - Geburtsurkunde der Großmutter des Klägers zu 1 mütterlicherseits und der - 1986 neu ausgestellten - Geburtsurkunde seiner Mutter ist zwar zu entnehmen, dass die Großmutter von Eltern jüdischer Nationalität abstammte und selbst jüdischer Nationalität war. Daraus ergibt sich aber nur, dass die Mutter des Klägers zu 1 von einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammt. Da der Großvater des Klägers zu 1 mütterlicherseits moldawischer Nationalität war, stand ihr nach dem sowjetischen Nationalitätenrecht bezüglich ihrer eigenen Nationalität bei Erhalt des ersten sowjetischen Inlandspasses mit Vollendung des 16. Lebensjahrs ein Wahlrecht zwischen der jüdischen Nationalität ihrer Mutter und der moldawischen Nationalität ihres Vaters zu. Dass die Mutter des Klägers zu 1 dieses Wahlrecht zugunsten der jüdischen Nationalität ausgeübt hat, wurde nicht durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden nachgewiesen. Soweit sie in der - 1999 neu ausgestellten - Geburtsurkunde des Klägers zu 1 mit jüdischer Nationalität eingetragen ist, reicht dies in zeitlicher Hinsicht nicht aus.

22

Die Ablehnung der Erteilung einer Aufnahmezusage verletzt daher mit Blick auf die bestehende Verwaltungspraxis nicht den Anspruch der Kläger auf Gleichbehandlung. Insoweit unterscheidet sich der Fall des Klägers zu 1 auch von dem seiner Mutter und seines Bruders, die beide in Deutschland Aufnahme gefunden haben. Denn seine Mutter konnte anhand der vorgelegten - vor 1990 ausgestellten - Personenstandsurkunden nachweisen, dass sie von einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammt, und sein Bruder fand lediglich als in das Aufnahmeverfahren der Mutter einbezogener Familienangehöriger Aufnahme.

23

Dahinstehen kann, ob die in der Anordnung festgelegten Aufnahmevoraussetzungen in ihrer konkreten Anwendung durch das Bundesamt inhaltlich zumindest einer verwaltungsgerichtlichen Willkürkontrolle unterliegen. Dies bedarf hier keiner Vertiefung. Nach den obigen Darlegungen liegt die Aufnahme bestimmter Gruppen von Ausländern nach § 23 Abs. 2 AufenthG im weiten politischen Ermessen der Exekutive. Die Beschränkung der Aufnahme auf Ausländer, die bestimmte Aufnahmekriterien erfüllen, und der damit verbundene Ausschluss von Ausländern, die diese Kriterien nicht erfüllen, kann daher allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen willkürlich sein, wenn für die vorgenommene Differenzierung keinerlei nachvollziehbare Gründe ersichtlich sind. Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

24

Nach der tatsächlichen Handhabung der Anordnung werden gegenwärtig nur Personen aus der ehemaligen Sowjetunion aufgenommen, die durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden entweder ihre eigene jüdische Nationalität oder die eines Elternteils nachweisen können. Hierdurch ist der Kreis der Aufnahmeberechtigten von vornherein auf Personen begrenzt, die in der Sowjetunion wegen der in ihren Personenstandsdokumenten eingetragenen jüdischen Nationalität entweder selbst in besonderem Maße der Gefahr antisemitischer Pressionen ausgesetzt waren oder als Abkömmlinge ersten Grades einen besonders engen familiären Bezug zum Schicksal dieses Personenkreises haben. Dass der Nachweis der jüdischen Nationalität inzwischen nur noch durch vor 1990 ausgestellte Urkunden erbracht werden kann, stellt zwar gegenüber der früheren Regelung im Teilrunderlass des Auswärtigen Amtes vom 25. März 1997 eine Änderung dar. Der zwingende Ausschluss neuerer Urkunden ist aber darauf zurückzuführen, dass nach den langjährigen Erfahrungen des Auswärtigen Amtes nach 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden nur eine geringe Beweiskraft zukommt. Etwaigen sich aus den Aufnahmevoraussetzungen ergebenden familiären Härten wird im Übrigen durch die Erstreckung der Aufnahme auf (nichtjüdische) Ehegatten und minderjährige ledige Kinder Rechnung getragen (vgl. I 4 der Anordnung).

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Anordnung kann unter der Maßgabe erfolgen, dass eine Verpflichtungserklärung nach § 68 abgegeben wird. Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf die Anordnung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; die Anordnung kann vorsehen, dass die zu erteilende Aufenthaltserlaubnis die Erwerbstätigkeit erlaubt oder diese nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden kann.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet nicht statt. Den betroffenen Ausländern ist entsprechend der Aufnahmezusage eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Die Niederlassungserlaubnis kann mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage versehen werden.

(3) Die Anordnung kann vorsehen, dass § 24 ganz oder teilweise entsprechende Anwendung findet.

(4) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann im Rahmen der Neuansiedlung von Schutzsuchenden im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bestimmten, für eine Neuansiedlung ausgewählten Schutzsuchenden (Resettlement-Flüchtlinge) eine Aufnahmezusage erteilt. Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 24 Absatz 3 bis 5 gelten entsprechend.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 19. April 1971 geborene Kläger beantragte am 4. Mai 2010 die Erteilung einer Aufnahmezusage für jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Er legte u. a. eine am 22. April 1971 ausgestellte Geburtsurkunde vor, in der seine beiden Eltern J. S., geb. am 3. Januar 1944, und N. S., geb. am 25. März 1946, mit russischer Nationalität eingetragen sind.

Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e. V. (ZWST) erklärte in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 21. Februar 2011 unter Einbeziehung einer gutachterlichen Stellungnahme der Union progressiver Juden in Deutschland e. V. (UPJ) vom 17. Februar 2011, dass für den Kläger keine Aufnahmemöglichkeit in einer jüdischen Gemeinde bestehe. In der Stellungnahme der UPJ vom 17. Februar 2011 heißt es, die Aufnahme des Klägers werde abgelehnt.

Auch die Eltern des Klägers, J. S. und N. S., beantragten am 4. Mai 2010 die Erteilung von Aufnahmezusagen für jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Sie legten u. a. eine am 7. Juli 1961 für J. S. ausgestellte Geburtsurkunde vor, in welcher dessen Vater (angegebener Name: A. G.) mit jüdischer Nationalität eingetragen ist.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - Stelle für Physikalisch technische Urkundenuntersuchungen - stellte unter dem 25. Oktober 2011 als Ergebnis einer Untersuchung der Geburtsurkunde vom 7. Juli 1961 des Vaters des Klägers fest, es bestehe der Verdacht einer Manipulation. Die bei der Untersuchung festgestellten Befunde ließen den Schluss zu, dass die Eintragungen beim Vatersnamen, dessen Nationalität sowie das Geburtsdatum mittels Rasur und Überschreibung abgeändert worden seien. In einem ausführlichen Untersuchungsbericht vom 21. März 2012 heißt es zusammenfassend, die kriminaltechnische Untersuchung lasse den Schluss zu, dass das vorgelegte Dokument durch Rasur und Überschreibung des Vatersnamens, des Eintragungsdatums sowie der Religionszugehörigkeit verfälscht worden sei.

Weiter legte der Vater des Klägers in seinem Aufnahmeverfahren u. a. ein „verringertes Dienstzeugnis“, ausgestellt am 15. Januar 1970, welches unter Bezugnahme auf seine Geburtsurkunde die Nationalität Jude enthält, einen am 15. September 1970 ausgestellten Wehrpass, ebenfalls die Nationalität Jude enthaltend, sowie eine „Aktenaufzeichnung über den Tod“ vom 9. Juni 1978 in Kopie, betreffend Herrn A. G., gestorben am 21. Mai 1978, Nationalität Jude, vor. Hingewiesen wird in dem Dokument auf eine ausgestellte Sterbeurkunde. Angemerkt wird, dass es sich um ein Duplikat vom 3. Februar 2001 handelt.

Mit Bescheid vom 8. November 2011 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufnahmezusage als jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion ab. Zur Begründung führte das Bundesamt u. a. aus, gemäß Ziff. 1.2.e der Verfahrensanordnung des Bundesministeriums des Innern vom 24. Mai 2007 sei Voraussetzung für die Aufnahme u. a. der Nachweis zur Möglichkeit der Aufnahme in eine jüdische Gemeinde im Bundesgebiet. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt. Auch habe schon der Vater des Klägers seine jüdische Abstammung oder Nationalität nicht nachweisen können.

Ebenfalls mit Bescheid vom 8. November 2011 lehnte das Bundesamt den Antrag der Eltern des Klägers ab. Zur Begründung wurde insbesondere auf das Ergebnis der kriminaltechnischen Urkundenuntersuchung hingewiesen. Sonstige anerkennungsfähige Urkunden seien nicht vorgelegt worden.

Der Kläger und seine Eltern erhoben jeweils Klage. Die Klage der Eltern J. S. und N. S. gegen den an sie gerichteten Bescheid des Bundesamtes vom 8. November 2011 wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. März 2012 ab (AN 6 K 12.15). Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, mit der am 7. Juli 1961 ausgestellten Geburtsurkunde könne der Vater des Klägers nicht den Nachweis führen, dass er von einem jüdischen Vater abstamme. Es sei für die Kammer nachvollziehbar, dass die kriminaltechnische Untersuchung den Schluss einer Verfälschung des Vatersnamens, des Eintragungsdatums (1946) sowie der Religionszugehörigkeit des Vaters zulasse. Seine eigene jüdische Nationalität könne der Vater des Klägers im Übrigen nicht durch sonstige Dokumente nachweisen.

Der Antrag der Eltern des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. März 2012 blieb erfolglos (Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 18.9.2014 im Verfahren 19 ZB 12.1008). Zur Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof u. a. aus, die von den Eltern des Klägers vorgebrachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestünden nicht. Der Vater des Klägers habe durch vor 1990 ausgestellte staatliche Personenstandsurkunden nicht nachweisen können, dass er von mindestens einem jüdischen Elternteil abstamme. Es sei nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht Zweifel an der Rechtmäßigkeit der am 7. Juli 1961 ausgestellten Geburtsurkunde geäußert habe. Auf die Würdigung sonstiger vorgelegter Dokumente komme es nicht an. Deren Beweiswert wäre im Übrigen allenfalls gering. Zudem habe der Vater des Klägers nicht durch vor 1990 ausgestellte staatliche Personenstandsurkunden nachweisen können, dass er selbst jüdischer Nationalität sei. Vielmehr ergebe sich aus der Geburtsurkunde des Klägers, dass die Eltern des Klägers russischer Nationalität seien. Auch insoweit wäre im Übrigen der Beweiswert der sonstigen vorgelegten Dokumente - ohne dass es darauf noch ankäme - nur gering. Die Berufung sei im Übrigen auch nicht aus den sonstigen vorgetragenen Gründen zuzulassen. Auf die Gründe des Beschlusses im Einzelnen wird Bezug genommen.

Mit Urteil vom 27. März 2012 wies das Verwaltungsgericht die Klage des Klägers ab (AN 6 K 11.2258). Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht u. a. aus, der Kläger erfülle die von der Verfahrensanordnung des Bundesministeriums geforderten Voraussetzungen für eine Aufnahme nicht. Der Nachweis der Möglichkeit einer Aufnahme in eine jüdische Gemeinschaft im Bundesgebiet sei nicht erbracht worden. Vielmehr habe die UPJ die Aufnahme des Klägers abgelehnt. An diese Stellungnahme der UPJ seien das Bundesamt und auch das Gericht gebunden. Bei dieser Sachlage sei der Aufnahmeantrag zwingend abzulehnen gewesen, ohne dass es auf die Frage noch ankomme, ob die Angaben in der Geburtsurkunde des Vaters des Klägers abgeändert worden seien, wobei selbst bei unterstellter Richtigkeit dieser Angaben nur die jüdische Nationalität des Großvaters des Klägers nachgewiesen wäre, die nach dem eindeutigen Wortlaut der Verfahrensanordnung als Aufnahmevoraussetzung nicht genüge.

Dagegen hat der Kläger Antrag auf Zulassung der Berufung stellen lassen mit der Begründung, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Verwiesen werde auf die Ausführungen im Zulassungsverfahren betreffend die Eltern des Klägers vor dem Verwaltungsgerichtshof (19 ZB 12.1008). Der Vater des Klägers könne seine eigene jüdische Nationalität nachweisen. Damit stamme der Kläger von einem jüdischen Elternteil ab. Es sei davon auszugehen, dass eine neu einzuholende Anfrage bei der UPJ nunmehr eine positive Entscheidung mit sich bringe.

Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen. Selbst bei Echtheit der Geburtsurkunde seines Vaters könnte der Kläger lediglich auf einen Großelternteil jüdischer Nationalität zurückgreifen. Dies reiche nicht aus. Darüber hinaus sehe die UPJ Personen, die von einem patrilinearen Vater abstammten, nicht mehr als jüdisch an, so dass die gutachterliche Stellungnahme in solchen Fällen negativ ausfalle.

Der Kläger entgegnete u. a., er stamme von einem Vater jüdischer Nationalität ab. Dies könne sein Vater durch mehrere Dokumente nachweisen.

Auf die jeweiligen Ausführungen der Beteiligten im Einzelnen wird Bezug genommen. Beigezogen wurde die Gerichtsakte betreffend das Zulassungsverfahren der Eltern des Klägers, Az. 19 ZB 12.1008.

II.

Der auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.

Die vom Kläger vorgebrachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen nicht.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (z. B. BVerfG, B. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546/547 - juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B. v. 10.3.2010 - 7 AV 4/03 - DVBl 2004, 838/839 - juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Der Vortrag des Klägers, er habe die Abstammung von einem jüdischen Elternteil nachgewiesen und deshalb werde eine neu einzuholende Anfrage bei der UPJ eine positive Entscheidung über seine Aufnahme in der Bundesrepublik mit sich bringen, ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils darzutun.

Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann das Bundesministerium des Innern (Bundesministerium) zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Benehmen mit obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Diese Anordnung des Bundesministeriums vom 24. Mai 2007 (nunmehr i. d. F. vom 21.12.2011 - Verfahrensanordnung -) nennt als Aufnahmevoraussetzung in Ziff. I.2.a, dass als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden können, die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität sind oder von mindestens einem jüdischen Elternteil abstammen. Ziff. I.2.e der Verfahrensordnung führt aus, dass als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden können, für die der Nachweis erbracht wird, dass die Möglichkeit zu einer Aufnahme in einer jüdischen Gemeinde im Bundesgebiet besteht. Der Nachweis erfolgt durch gutachterliche Stellungnahme der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden e. V.; die Union progressiver Juden e. V. wird in dieses Verfahren eingebunden und kann im Rahmen dieses Verfahrens eine Stellungnahme abgeben.

Zum Rechtscharakter und Inhalt der Verfahrensanordnung hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner maßgeblichen Entscheidung vom 15. November 2011 (Az. 1 C 21.10 - juris), welcher der Senat folgt, im Wesentlichen ausgeführt:

Sinn und Zweck der Regelung in § 23 Abs. 2 AufenthG bestehe darin, einen gesetzlichen Rahmen und das Verfahren zu schaffen, um bestimmten Gruppen von noch nicht eingereisten Ausländern zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Hierdurch könne bei Aufnahmeentscheidungen, die typischerweise eine größere Zahl von Ausländern in gleicher oder vergleichbarer Weise beträfen, ein gleichmäßiger Verwaltungsvollzug sichergestellt werden. Es stehe im Ermessen des Bundesministeriums, ob eine solche Anordnung erlassen werde; aus der Natur der Sache ergebe sich, dass es bei der Festlegung der Aufnahmekriterien weitgehend frei sei, allenfalls begrenzt durch das Rechtsstaatsprinzip und das Willkürverbot. Es handele sich hierbei um eine politische Leitentscheidung, die grundsätzlich keiner gerichtlichen Überprüfung unterliege. Das Bundesministerium könne im Rahmen seines Entschließungs- und Auswahlermessens den von einer Anordnung erfassten Personenkreis bestimmen. Es könne dabei positive Kriterien (Erteilungsvoraussetzungen) und negative Kriterien (Ausschlussgründe) aufstellen. Ein Anspruch des einzelnen Ausländers, von einer Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG erfasst zu werden, bestehe nicht (vgl. BVerwG, U. v. 19.9.2000 - 1 C 19.99 - juris). Als eine das Ermessen lenkende Willenserklärung des Bundesministeriums gegenüber dem Bundesamt sei die Anordnung vielmehr unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Erklärenden und ihrer tatsächlichen Handhabung, d. h. der vom Urheber gebilligten und geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis, auszulegen und anzuwenden. Bei Unklarheiten habe das Bundesamt den wirklichen Willen des Bundesministeriums des Innern - gegebenenfalls durch Rückfrage - zu ermitteln. Die genannten Anordnungen dienten nicht dem Schutz und der Verwirklichung von Grundrechten der hierdurch begünstigten Ausländer, sondern der Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik. Der politische Charakter einer nach § 23 Abs. 2 AufenthG erlassenen Anordnung verbiete eine Auslegung, die ihr entgegen der Intention ihres Urhebers und der tatsächlichen Verwaltungspraxis einen weitergehenden Anwendungsbereich zuweise. Der Anwendungsbereich könne auch nicht mit Verhältnismäßigkeitserwägungen ausgeweitet werden. Eine Außenwirkung komme der Anordnung nur mittelbar über die Verpflichtung der Behörden zur Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG zu, soweit sich eine der Richtlinie entsprechende Behördenpraxis herausgebildet habe; dem Gericht obliege es nachzuprüfen, ob der Gleichheitssatz bei Anwendung der Anordnung durch das Bundesamt gewahrt sei. Ziffer 1.2.a der Verfahrensanordnung regele verwaltungsintern unter welchen Voraussetzungen das Bundesamt Juden aus der ehemaligen Sowjetunion im Ermessenswege eine Aufnahmezusage erteilen dürfe, indem sie den begünstigten Personenkreis eingrenze. Zu den positiven Erteilungsvoraussetzungen zähle, dass als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden könnten, die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität seien und von mindestens einem jüdischen Elternteil abstammten. Der Nachweis der Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil könne nicht durch Urkunden der Großeltern oder nach der jüdischen Abstammungslehre (Halacha) erbracht werden. Vielmehr gehe das Bundesamt in ständiger, vom Bundesinnenministerium gebilligter Praxis bei der Entscheidung über Anträge auf Aufnahmezusage für jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion davon aus, dass die jüdische Nationalität eines Elternteils nachgewiesen werden müsse. Der dabei verwendete Begriff der „jüdischen Nationalität“ beruhe auf einer Besonderheit in der ehemaligen Sowjetunion und ihrer Nachfolgestaaten. Diese unterscheiden zwischen der Staatsangehörigkeit und der Nationalität; das Judentum werde der Nationalität zugerechnet, die in staatlichen Personenstandsurkunden angegeben sei.

Unter den genannten Prämissen unterliegt Ziffer 1.2.a der Verfahrensanordnung, die den begünstigten Personenkreis dahingehend begrenzt, dass eine eigene jüdische Nationalität oder die eines Elternteils mit vor 1990 ausgestellten Urkunden nachzuweisen ist, nicht der unmittelbaren gerichtlichen Kontrolle. Es ist vielmehr allein im weitgehend freien und weiten Entschließungs- und Auswahlermessen des Bundesinnenministeriums, von der jüdischen Abstammungslehre unabhängige Aufnahmekriterien aufzustellen. Die betreffende Aufnahmevoraussetzung entspricht auch dem Rechtsstaatsgebot und verstößt nicht gegen das Willkürverbot. Es ist nicht sachwidrig, wenn die Exekutive, dem primären Zweck der Aufnahmeregelung entsprechend, das Leben der jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland zu stärken, die Aufnahmeberechtigung auf Personen beschränkt, die selbst oder zumindest deren Eltern sich vor 1990 - seinerzeit eventuell auch unter Hinnahme von Nachteilen - zu ihrer jüdischen Glaubenszugehörigkeit in Form der Angabe einer jüdischen Nationalität in staatlichen Personenstandsurkunden bekannt haben. Damit wurde für das Aufnahmeverfahren ein klares, leicht feststellbares Kriterium gewählt, das seitens des Gerichts nicht weiter inhaltlich hinterfragt werden kann. Es entspricht zudem sachlichen, dem Rechtsstaatsgebot entsprechenden und dem Willkürverbot nicht widersprechenden Überlegungen, dass die Exekutive für den entsprechenden Nachweis einer jüdischen Nationalität vor dem Jahr 1990 ausgestellte staatliche Urkunden fordert, da unter den bis zu diesem Zeitpunkt in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion herrschenden Regime der Grad der Verlässlichkeit staatlicher Urkunden wesentlich höher war als nach der so genannten Wende.

Vorliegend hat der Kläger, welcher die Aufnahmevoraussetzungen der Ziff. 1.2.a der Verfahrensanordnung zu erfüllen beansprucht, nicht durch vor 1990 ausgestellte staatliche Personenstandsurkunden (nach der Praxis der Beklagten sind dies Geburts-, Abstammungs-, Heirats- und Sterbeurkunden) nachgewiesen, dass er selbst oder ein Elternteil jüdischer Nationalität ist.

Der Kläger trägt nicht vor, selbst jüdischer Nationalität zu sein. Er kann aber auch nicht nachweisen, von mindestens einem jüdischen Elternteil abzustammen. Nach seiner von ihm vorgelegten Geburtsurkunde, einer staatlichen vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunde, sind seine Eltern nicht jüdischer, sondern russischer Nationalität.

Dem Vater des Klägers, J. S., ist es in seinem Antragsverfahren auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. März 2012 (Az. des VG: AN 6 K 12.15, Az. des VGH: 19 ZB 12.1008) nicht gelungen, nachvollziehbar darzulegen, dass er jüdischer Nationalität sei oder von mindestens einem jüdischen Elternteil abstamme. In seinem Beschluss vom 18. September 2014 führt der Verwaltungsgerichtshof u. a. aus, der Geburtsurkunde des A. S., einer staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunde, sei eindeutig zu entnehmen, dass J. S. (und seine Ehefrau N. S.) russischer Nationalität seien. Auf eine Würdigung der sonstigen im dortigen Verfahren vorgelegten Dokumente komme es mithin nicht an. Deren Beweiswert wäre aber auch nur gering. Ebenso wenig habe J. S. nachweisen können, dass er von einem Vater jüdischer Nationalität abstamme. Die von der Beklagten durchgeführte kriminaltechnische Untersuchung der am 7. Juli 1961 ausgestellten Geburtsurkunde des J. S. lasse den Schluss einer Verfälschung des Dokuments zu. Es sei nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht deshalb Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Urkunde geäußert habe. Die sonstigen insoweit vorgelegten Urkunden und Dokumente seien nicht mehr zu würdigen. Deren Beweiswert wäre im Übrigen allenfalls gering.

Auf die Gründe des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. September 2014 im Verfahren 19 ZB 12.1008, welcher den Vertretern des Klägers bekannt ist, wird im Übrigen Bezug genommen.

Hinzu kommt, was die Frage der behaupteten jüdischen Abstammung des Vaters des Klägers angeht, dass nach der Verfahrensanordnung und der tatsächlichen Verwaltungspraxis des Bundesamtes bei vor dem 1. Januar 1990 geborenen Personen (wie dem Kläger) selbst eine belegte jüdische Nationalität eines Großelternteils nicht genügen würde.

Zudem hat der Kläger nicht den gemäß Ziff. 1.2.e der Verfahrensanordnung für die Aufnahme als jüdischer Zuwanderer erforderlichen Nachweis erbracht, dass die Möglichkeit zu einer Aufnahme in einer jüdischen Gemeinde im Bundesgebiet besteht. Hinsichtlich dieses selbstständig tragenden Begründungselements sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht gegeben.

In ihrer Stellungnahme vom 21. Februar 2011 hat die ZWST ausgeführt, dass für den Kläger keine Aufnahmemöglichkeit in einer jüdischen Gemeinde, auch nicht aufgrund der Stellungnahme der UPJ besteht. Der Vortrag des Klägers, die ablehnende Stellungnahme der ZWST sei darauf zurückzuführen, dass der Vater des Klägers eine eigene jüdische Nationalität nicht habe nachweisen können, dazu aber nun in der Lage sei, führt nicht weiter. Denn wie ausgeführt ist den Gründen des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. September 2014 im Verfahren 19 ZB 12.1008 zu entnehmen, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Vater des Klägers erfülle nicht die Aufnahmevoraussetzung der Ziff. 1.2.a der Verfahrensanordnung (eigene jüdische Nationalität oder Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden) nicht zu beanstanden ist. Daher kann der Kläger mit der Begründung seines Zulassungsantrages, er gehe aufgrund des Nachweises der jüdischen Nationalität seines Vaters davon aus, dass eine neu einzuholende Anfrage bei der UPJ nun eine positive Entscheidung mit sich bringe, keinen Erfolg haben. Im Übrigen weist das Bundesamt unwidersprochen darauf hin, dass die UPJ die Aufnahmemöglichkeit in eine jüdische Gemeinde in Deutschland dann annehme, wenn der bzw. die Antragstellende matrilinearer Abstammung sei, d. h. von einer jüdischen Mutter geboren worden sei. Die Abstammung von einem patrilinearen Vater (diese Abstammung behauptet der Kläger) genüge nicht.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Anordnung kann unter der Maßgabe erfolgen, dass eine Verpflichtungserklärung nach § 68 abgegeben wird. Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf die Anordnung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; die Anordnung kann vorsehen, dass die zu erteilende Aufenthaltserlaubnis die Erwerbstätigkeit erlaubt oder diese nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden kann.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet nicht statt. Den betroffenen Ausländern ist entsprechend der Aufnahmezusage eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Die Niederlassungserlaubnis kann mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage versehen werden.

(3) Die Anordnung kann vorsehen, dass § 24 ganz oder teilweise entsprechende Anwendung findet.

(4) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann im Rahmen der Neuansiedlung von Schutzsuchenden im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bestimmten, für eine Neuansiedlung ausgewählten Schutzsuchenden (Resettlement-Flüchtlinge) eine Aufnahmezusage erteilt. Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 24 Absatz 3 bis 5 gelten entsprechend.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Anordnung kann unter der Maßgabe erfolgen, dass eine Verpflichtungserklärung nach § 68 abgegeben wird. Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf die Anordnung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; die Anordnung kann vorsehen, dass die zu erteilende Aufenthaltserlaubnis die Erwerbstätigkeit erlaubt oder diese nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden kann.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet nicht statt. Den betroffenen Ausländern ist entsprechend der Aufnahmezusage eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Die Niederlassungserlaubnis kann mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage versehen werden.

(3) Die Anordnung kann vorsehen, dass § 24 ganz oder teilweise entsprechende Anwendung findet.

(4) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann im Rahmen der Neuansiedlung von Schutzsuchenden im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bestimmten, für eine Neuansiedlung ausgewählten Schutzsuchenden (Resettlement-Flüchtlinge) eine Aufnahmezusage erteilt. Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 24 Absatz 3 bis 5 gelten entsprechend.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens gesamtschuldnerisch.

III.

Hinsichtlich der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

I.

Die Kläger, ein Ehepaar aus Moldawien mit seinem ... geborenen Kind, begehren die Aufnahme als jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion.

1. Sie legten nach ihrer letzten Antragstellung am 7. September 2004 unter anderem eine dem Kläger zu 1 ausgestellte Geburtsurkunde vom 26. April 2000 vor, worin die Mutter des Klägers zu 1 mit der Nationalität „Jüdin“ eingetragen ist, eine gerichtliche Entscheidung vom 17. Juli 2001 betreffend die Änderung einer Geburtsurkunde hinsichtlich der jüdischen Volkszugehörigkeit der Mutter des Klägers zu 1 sowie eine Bescheinigung des Innenministeriums vom 8. Januar 2001 hinsichtlich der diesbezüglichen Eintragung im zentralen Datenbankensystem.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 4. März 2010 wurde hinsichtlich der gesamten Familie die Erteilung einer Aufnahmezusage abgelehnt. Auf die Begründung wird verwiesen.

Hiergegen erhoben die Kläger Klage und legten unter anderem eine Bescheinigung vom 24. September 1955 hinsichtlich der Urgroßeltern des Klägers zu 1, einen Auszug aus dem Personalausweis vom 28. Oktober 1955 hinsichtlich der Großmutter des Klägers zu 1, eine Bescheinigung vom 2. November 1999 sowie eine Erklärung der Cousine der Mutter des Klägers zu 1 vom 6. Juli 2001 vor. Weiterhin reichten sie eine Geburtsurkunde der Mutter des Klägers zu 1 vom 25. Januar 2000 mit der Angabe „jüdische Nationalität“ ein.

Mit Urteil vom 14. Oktober 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Ablehnungsbescheid sei zu Recht ergangen, da - insoweit maßgeblich - der Kläger zu 1 nicht Ziff. I.2 lit. a der Anordnung des Bundesministers des Innern gemäß § 23 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion vom 24. Mai 2007 (im Folgenden: Anordnung BMI 2007) erfülle. Er habe keine staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden vorgelegt, wonach er selbst oder mindestens ein Elternteil jüdischer Nationalität sei.

3. Dagegen haben die Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vortragen lassen: Der Kläger zu 1 habe Unterlagen vorgelegt, woraus hervorgehe, dass sowohl die Urgroßmutter als auch seine Großmutter jüdischer Nationalität gewesen seien. Die jüdische Abstammung der Mutter des Klägers zu 1 sei anerkannt. Es stehe damit zugleich fest, dass auch der Kläger zu 1, Sohn einer jüdischen Mutter, Jude sei. Es komme nicht darauf an, ob die jüdische Nationalität der Mutter nachgewiesen sei, da Ziff. I.2 lit. a der Anordnung zwischen dem Nachweis der jüdischen Nationalität des Antragstellers einerseits und einer Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil andererseits unterscheide. Die Tatsache, dass sowohl die nachgewiesene Nationalität als auch die Abstammung als Kriterium gewählt worden seien, zeige, dass der Kreis der Begünstigten bezogen auf den jeweiligen Familienverbund soweit wie irgend möglich gezogen werden sollte, um eine Ungleichbehandlung von Personen mit jüdischer Abstammung auszuschließen, die sich zur jüdischen Nationalität bekannt hätten, und solchen, die dies unterlassen mussten, um das Auseinanderreißen des Familienverbandes zu verhindern. Eine hiervon abweichende Beurteilung würde zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung führen. Im Übrigen stehe der Auffassung des Verwaltungsgerichts, bei der Verfahrensanordnung handele es sich nicht um eine Verwaltungsvorschrift mit normkonkretisierender Funktion, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2010 - 19 BV 10.871 - entgegen.

Die Beklagte führte aus, dass sie die Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht teile. Sie verlange in ihrer Verwaltungspraxis - insoweit in Kontinuität mit der Verwaltungspraxis des Auswärtigen Amts (AA), das bis zum Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes für die Aufnahme jüdischer Zuwanderer zuständig gewesen sei - im staatlichen Zuwanderungsverfahren zum Nachweis staatliche Personenstandsurkunden und stelle auch bezüglich der Abstammung von einem jüdischen Elternteil auf das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Nationalität ab. Ziff. I.2 lit. a der Anordnung BMI 2007 sei fast wortgleich aus dem Teilrunderlass des AA vom 25. März 1997 (im Folgenden: TRE 97) unter Nr. II.3 entnommen. Es unterscheide sich von dem übernommenen Text nur durch die Einfügung, dass der Urkundenbeweis durch vor 1990 ausgestellte staatliche Personenstandsurkunden geführt werden müsse, während der TRE 97 Vergleichbares mit anderen Worten umfangreicher ausführe. In TRE 97 werde ausdrücklich klargestellt, dass eine Abstammung nach den Großeltern nicht ausreiche. In der gängigen Praxis habe das AA daher für den Nachweis der Abstammung von einem jüdischen Elternteil grundsätzlich immer verlangt, dass für die Annahme der Abstammung von einem jüdischen Elternteil die jüdische Nationalität dieses Elternteils mit alten staatlichen Urkunden nachgewiesen werden müsse. Auch im Neuverfahren sei es von Anfang an aufgrund interner Abstimmung mit dem BMI Verwaltungspraxis des Bundesamts, im 2. Halbsatz von Ziff. I.2 lit. a der Anordnung das (ungeschriebene) Tatbestandsmerkmal der jüdischen Nationalität des betreffenden Elternteils mit zu lesen. Das Abstellen auf die Nationalität auch bezüglich der Abstammung von einem Elternteil ergebe sich aus einer Besonderheit des Nationalitätenrechts der früheren Sowjetunion. Danach hätten in gemischt nationalen Ehen Kinder mit 16 Jahren optieren können, welche Nationalität eines Elternteils sie wählen wollten. Habe jemand nicht die jüdische Nationalität etwa der Mutter, sondern die des Vaters gewählt, stamme dessen Abkömmling nicht von einem jüdischen Elternteil ab.

In der angegriffenen Entscheidung habe die Beklagte den Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet und - wie in anderen gleichgelagerten Fällen auch - gefordert, dass für den Nachweis der Abstammung von einem jüdischen Elternteil staatliche, vor 1990 ausgestellte Urkunden vorgelegt werden müssten, aus denen sich die jüdische Nationalität dieses Elternteils ergäbe. Da dieser Nachweis nicht erbracht worden sei, habe die Beklagte - wie in anderen gleichgelagerten Fällen auch - den Antrag auf Aufnahme als jüdischer Zuwanderer abgelehnt.

4. Im Hinblick auf das beim Bundesverwaltungsgericht anhängige Parallelverfahren (Az. 1 C 21.10) zur Rechtsnatur der Anordnung BMI 2007 und zur Anwendung von dessen Ziff. I.2 lit. a hat der Senat mit Beschluss vom 31. März 2011 das Berufungsverfahren ausgesetzt.

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht in dem obengenannten Verfahren mit Urteil vom 15. November 2011 - im Sinne der Beklagten - entschieden hatte, wurde das Verfahren mit weiterem Beschluss vom 15. Februar 2012 wieder aufgenommen und angeregt, eine prozessbeendigende Erklärung abzugeben. Mit weiterer Verfügung vom 19. April 2012 wurden die Beteiligten zu einer Entscheidung über die Berufung durch Beschluss gemäß § 130 a VwGO angehört.

Die Kläger führten daraufhin aus, dass sie mit einer Entscheidung im Beschlussweg nicht einverstanden seien. Der vom Kläger zu 1 im Jahr 2001 bei der Botschaft persönlich gestellte Antrag hätte bearbeitet werden müssen. Es sei auch so, dass die Beklagte eine durchgehende Praxis weder behauptet, geschweige denn bewiesen habe. Es sei von einer abweichenden Verwaltungspraxis in der Vergangenheit auszugehen; die Mutter und der Bruder des Klägers zu 1 hätten entsprechende Aufnahmebescheide erhalten. Die Beklagte müsse darlegen und beweisen, dass sie jeden Fall, der mit dem vorliegenden Fall identisch sei, so entschieden habe wie im hier vorliegenden Fall. Dies werde bestritten. Das Verlangen, vor 1990 ausgestellte Urkunden vorzulegen, sei willkürlich. Die Mutter des Klägers zu 1 habe ihr Wahlrecht zugunsten der jüdischen Nationalität ausgeübt. Dies könne auch durch Zeugenbeweis bestätigt werden. Der Fall des Klägers zu 1 unterscheide sich nicht von dem seiner Mutter und seines Bruders, die beide in Deutschland aufgenommen worden seien. Bei den Klägern und bei der Mutter des Klägers zu 1 und dessen Bruder sowie bezüglich des verstorbenen Vaters sei offensichtlich ein unterschiedliches Verfahren angewandt worden, obwohl es bei der Ausreise der Mutter, des Bruders und des Vaters die Zusage gegeben habe, wenn die entsprechenden Unterlagen vorgelegt würden, auch der Kläger zu 1 wie der Vater, die Mutter und der Bruder behandelt würden.

Hierzu führte die Beklagte aus, dass für die Aufnahmezusage der Mutter und des Bruders des Klägers zu 1 seinerzeit die Auslandsvertretung (AV) auf Grundlage des TRE 97 entschieden habe. Nach einem Vermerk der AV in Chisinau vom 28. August 2002 wurde die Mutter des Klägers zu 1 von der AV als zur Aufnahme Berechtigte angesehen, weil die AV den Nachweis der jüdischen Nationalität ihrer Mutter, also der Großmutter des Klägers zu 1 offensichtlich über alte anerkennungsfähige Nachweise von deren Cousine F. L. als erbracht angesehen hat. Für den Kläger zu 1 könne dies, soweit die Beklagte sich den Standpunkt der AV Chisinau zu Eigen machen müsse, bestenfalls bedeuten, den Nachweis der Abstammung von einer Großmutter jüdischer Nationalität erbracht zu haben. Dies habe ihn aber auch nach dem TRE 97 nicht zur Aufnahme als jüdischer Zuwanderer berechtigt.

Mit Beschluss des Senats vom 7. November 2012 wurde die Berufung zurückgewiesen (19 BV 12.322).

5. Hiergegen haben die Kläger Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stellen lassen; auf die Begründung wird verwiesen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2013 wurde der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. November 2012 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Zur Begründung ist dargetan, dass die von den Klägern behauptete Zusage rechtlich noch keine - unter einer aufschiebenden Bedingung stehende - Aufnahmezusage darstelle. Auch der Umstand, dass die behauptete Zusage seinerseits möglicherweise auf einer entsprechenden Aufnahmepraxis der Auslandsvertretungen beruhte, würde infolge der Änderung der Zuständigkeit für die Durchführung des Aufnahmeverfahrens noch keinen Aufnahmeanspruch begründen. Das Berufungsgericht hätte mit Blick auf den Anspruch der Kläger auf Gleichbehandlung aber prüfen müssen, wie das inzwischen zuständige Bundesamt mit Zusagen der Auslandsvertretungen, wie von den Klägern behauptet, umgegangen sei. Hierzu enthalte die Entscheidung keine Feststellung. Der Umstand, dass die Anordnung des Bundesministeriums des Innern keine Übergangsregelung enthalte, besage noch nicht, dass das Bundesamt etwaigen Zusagen der Auslandsvertretungen in der Praxis keinerlei Bedeutung beigemessen habe.

Auf Aufforderung des Senats vom 18. Juli 2013 darzulegen, wie die Beklagte und das inzwischen zuständige Bundesamt im Hinblick auf einen Anspruch der Kläger auf Gleichbehandlung mit früheren Zusagen der früheren Auslandsvertretungen umgegangen ist bzw. welche Bedeutung es diesen Zusagen beigemessen hat, wurde mit Schriftsatz vom 25. Juli 2013 vorgetragen, dass davon ausgegangen werde, dass sich die Familie B. in der Auslandsvertretung intensiv nach den Möglichkeiten einer Ausreise auch der Kläger erkundigt habe, vor allem, nachdem klar gewesen sei, dass der Antrag des Klägers zu 1 als Zugehöriger zur Enkelgeneration negativ zu entscheiden war und lediglich die Mutter mit Mann und unverheiratetem Sohn nach der damaligen Rechtslage zur Ausreise berechtigt sein konnte. Die Beklagte gehe weiter davon aus, dass Familie B. die Auskunft erhalten habe, ein Antrag des verheirateten Sohnes könne voraussichtlich dann erfolgreich gestellt werden, wenn seine Mutter und sein Bruder, so sie nach Deutschland übersiedeln würden, dort Mitglied einer jüdischen Gemeinde würden und er darüber eine Bestätigung vorlegen könnte. Denn im TRE 97 sei ausgeführt, dass zum Nachweis der Abstammung auch Bescheinigungen der jüdischen Gemeinden in Deutschland für bereits übergesiedelte Verwandte dienen könnten. Eine Zusage sei nach Aktenlage nicht erteilt worden.

Der Beklagten seien Fälle, in denen die Auslandsvertretung (AV) eine positive Entscheidung zugesagt hätte, nicht untergekommen. Daher gebe es auch keine Praxis des Bundesamtes im Umgang damit. Nach den Erfahrungen der Beklagten sei auch nicht vorstellbar, dass sich die AV auf diese Weise gebunden hätte. Außerdem sei die Aufnahmezusage seinerzeit vom zuständigen Bundesland erteilt worden, so dass schon von daher eine Zusage nicht gemacht werden konnte. Im Übrigen hätte eine Zusage auch der Schriftform bedurft. Im Ergebnis bleibe festzuhalten, dass die Auslandsvertretung den Klägern lediglich Auskunft über eine in der Zukunft liegende Möglichkeit einer nicht von vornherein aussichtslosen Antragstellung des Sohnes gegeben habe.

Eine Praxis der Beklagten im Umgang mit den von der AV gegebenen Auskünften zu den Möglichkeiten und Aussichten einer Antragstellung unter der bis Ende 2004 geltenden Rechtslage gebe es. So seien Fälle vorgekommen, in denen Antragstellern bereits früher eine Aufnahmezusage erteilt und den damals Aufnahmeberechtigten auf Nachfrage auch aktenkundig mitgeteilt worden war, man könne jederzeit wieder einen Antrag stellen, wenn man die Aufnahmezusage jetzt nicht nutzen wolle oder könne. Diese Auskunft habe der damals geltenden Rechtslage und Verwaltungspraxis entsprochen. Soweit diese Fälle nach einer erneuten Antragstellung (Zweitanträge) als Ü II-Fälle in die Zuständigkeit der Beklagten gelangt seien, seien diese von der Beklagten ausschließlich nach den neuen Regelungen entschieden und damit als unzulässig entsprechend der Anordnung BMI 2007 zurückgewiesen worden.

Die Praxis der Beklagten, solche „Auskunftsfälle“ ausschließlich auf Grundlage der Anordnung des BMI vom 24. Mai 2007 zu entscheiden, gelte auch für den vorliegenden Fall, ebenso wie für alle anderen Ü II-Fälle, die unter der bis 31. Dezember 2004 geltenden Verwaltungspraxis (mit oder ohne eingeholte Auskunft der AV über die Erfolgsaussichten) nach damaliger Rechtslage positiv ausgefallen wären, auf Grundlage der neuen Regelungen aber vom nun zuständigen Bundesamt negativ zu verbescheiden waren.

Seitens der Kläger wurde erwidert, dass der Vortrag der Beklagten unsubstantiiert sei; sie habe keinen Beweis für ihre Behauptungen angeboten. Es werde bestritten, dass der Beklagten Fälle, in denen die AV eine positive Entscheidung zugesagt hätte, nicht untergekommen seien und es damit auch keine Praxis des Bundesamtes zum Umgang damit gebe.

Nach den Erfahrungen der Beklagten „sei etwas nicht vorstellbar“; dieser Vortrag sei unschlüssig. Den Klägern stehe ein Anspruch auf Gleichbehandlung zu. Der Vortrag der Beklagten passe nicht zu einem Aktenvermerk vom 10. Juli 2006. Dieser gehe noch Ende 2004 von einer entsprechenden Praxis aus. Die Beklagte habe zu dem Aktenvermerk vom 10. Juli 2006, dass nämlich der Aufnahme der Kläger nichts entgegenstünde, keine Stellung bezogen. Auch zu dem Aktenvermerk vom 28. August 2002 habe die Beklagte keine Stellung bezogen.

Die Praxis der Beklagten sei nämlich so gewesen, dass sie sich an entsprechende Zusagen der Auslandsvertretung selbst gebunden habe. Für die entsprechenden Behauptungen der Kläger werde sich auf das Zeugnis des D. L. (Bediensteter des AA) bezogen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die eindeutige Zusage der Botschaft zusammen mit dem Schreiben vom 10. Juli 2006 und den Erklärungen des Referatsleiters beim Bundesamt (BAMF) anlässlich zweier Telefonate im November 2009 und im März 2010 nicht binden sollten.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 14.Oktober 2010 die Beklagte zu verpflichten, den Klägern eine Aufnahmezusage als jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion zu erteilen.

Die Beklagte führte aus: Die behauptete Aussage der Auslandsvertretung binde sie nicht. Vielmehr komme es nur darauf an, wie sie mit solchen Aussagen umgegangen sei bzw. welche Bedeutung sie solchen Aussagen beigemessen habe. Auch wenn sich die Qualität der hier in Frage stehenden Aussage von den Aussagen unterscheiden würde, mit denen sich die Beklagte in ihrer bisherigen Praxis konfrontiert gesehen habe und als Zusage der Auslandsvertretung zu verstehen wäre, dann über einen Antrag der Kläger positiv zu entscheiden, wenn Mutter und Bruder in Deutschland Mitglieder in einer jüdischen Gemeinde würden, würde die Beklagte den vorliegenden Fall und dem gleichgelagerter Fälle ebenfalls ausschließlich auf Grundlage der Anordnung des BMI vom 24. Mai 2007 in der jeweils letzten Fassung entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens wird auf die Sitzungsniederschrift, die beigezogenen Behördenakten sowie auf die Gerichtsakten Bezug genommen

Gründe

1. Die zulässige Berufung (§ 124 a Abs. 1 bis 3 VwGO) bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen gegen den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2010 im Ergebnis zu Recht abgewiesen, da die Kläger die Voraussetzungen für eine Aufnahme in der Bundesrepublik als jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion nicht erfüllen.

1.1 Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann das Bundesministerium des Innern zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Benehmen mit obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Zu Rechtscharakter und Inhalt dieser Anordnung hat das Bundesverwaltungsgericht in der maßgeblichen Entscheidung vom 15. November 2010 - 1 C 21.10 -, der der Senat folgt, im Wesentlichen ausgeführt:

Sinn und Zweck der Regelung in § 23 Abs. 2 AufenthG bestehe darin, einen gesetzlichen Rahmen und das Verfahren zu schaffen, um bestimmten Gruppen von noch nicht eingereisten Ausländern zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Hierdurch könne bei Aufnahmeentscheidungen, die typischerweise eine größere Zahl von Ausländern in gleicher oder vergleichbarer Weise beträfen, ein gleichmäßiger Verwaltungsvollzug sichergestellt werden. Es stehe im Ermessen des Bundesministeriums, ob eine solche Anordnung erlassen werde; aus der Natur der Sache ergebe sich, dass es bei der Festlegung der Aufnahmekriterien weitgehend frei sei, allenfalls begrenzt durch das Rechtsstaatsprinzip und das Willkürverbot. Es handle sich hierbei um eine politische Leitentscheidung, die grundsätzlich keiner gerichtlichen Überprüfung unterliege. Das Bundesministerium des Innern könne im Rahmen seines Entschließungs- und Auswahlermessens den von einer Anordnung erfassten Personenkreis bestimmen. Es könne dabei positive Kriterien (Erteilungsvoraussetzungen) und negative Kriterien (Ausschlussgründe) aufstellen. Ein Anspruch des einzelnen Ausländers, von einer Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG erfasst zu werden, bestehe nicht (vgl. BVerwG, U. v. 19.9.2000 - 1 C 19.99 ). Als eine das Ermessen lenkende Willenserklärung des Bundesministeriums gegenüber dem Bundesamt sei die Anordnung vielmehr unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Erklärenden und ihrer tatsächlichen Handhabung, d. h. der vom Urheber gebilligten und geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis auszulegen und anzuwenden. Bei Unklarheiten habe das Bundesamt den wirklichen Willen des Bundesministeriums des Innern - gegebenenfalls durch Rückfrage - zu ermitteln. Die genannten Anordnungen dienten nicht dem Schutz und der Verwirklichung von Grundrechten der hierdurch begünstigten Ausländer, sondern der Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik. Der politische Charakter einer nach § 23 Abs. 2 AufenthG erlassenen Anordnung verbiete eine Auslegung, die ihr entgegen der Intention ihres Urhebers und der tatsächlichen Verwaltungspraxis einen weitergehenden Anwendungsbereich zuweise. Der Anwendungsbereich könne auch nicht mit Verhältnismäßigkeitserwägungen ausgeweitet werden. Eine Außenwirkung komme der Anordnung nur mittelbar über die Verpflichtung der Behörden zur Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG zu, soweit sich eine der Richtlinie entsprechende Behördenpraxis herausgebildet habe; dem Gericht obliege es nachzuprüfen, ob der Gleichheitssatz bei Anwendung der Anordnung durch das Bundesamt gewahrt sei.

Ziff. I.2 lit. a der Anordnung regle verwaltungsintern, unter welchen Voraussetzungen das Bundesamt Juden aus der ehemaligen Sowjetunion im Ermessenswege eine Aufnahmezusage erteilen dürfe, indem sie den begünstigten Personenkreis eingrenze. Zu den positiven Erteilungsvoraussetzungen zähle, dass als jüdischer Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden könnten, die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität seien oder von mindestens einem jüdischen Elternteil abstammten. Der Nachweis der Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil könne nicht durch Urkunden der Großeltern oder nach der jüdischen Abstammungslehre (Halacha) erbracht werden. Vielmehr gehe das Bundesamt in ständiger, vom Bundesinnenministerium gebilligter Praxis bei der Entscheidung über Anträge auf Aufnahmezusage für jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion davon aus, dass die jüdische Nationalität eines Elternteils nachgewiesen werden müsse. Der dabei verwendete Begriff der „jüdischen Nationalität“ beruhe auf einer Besonderheit in der ehemaligen Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten. Diese unterschieden zwischen der Staatsangehörigkeit und der Nationalität; das Judentum werde der Nationalität zugerechnet, die in staatlichen Personenstandsurkunden angegeben sei.

1.2 Unter den vorgenannten Prämissen unterliegt Ziff. I.2 lit. a der Anordnung des Bundesinnenministers, die den begünstigen Personenkreis für eine Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion in der Bundesrepublik dahingehend begrenzt, dass eine eigene jüdische Nationalität oder die eines Elternteils - nur - mit vor 1990 ausgestellten Urkunden nachzuweisen ist, keiner eigenständigen inhaltlichen Kontrolle durch die Gerichte. Es liegt vielmehr allein im weitgehend freien und weiten Erschließungs- und Auswahlermessen des Bundesministers, entsprechende von der jüdischen Abstammungslehre unabhängige Aufnahmekriterien aufzustellen. Die betreffende Aufnahmevoraussetzung entspricht auch dem Rechtsstaatsgebot und verstößt nicht gegen das Willkürverbot. Es ist nicht sachwidrig, wenn die Exekutive, dem primären Zweck der Aufnahmeregelung entsprechend, das Leben der jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik zu stärken, die Aufnahmeberechtigung auf Personen beschränkt, die sich selbst oder zumindest deren Eltern sich vor 1990 - seinerzeit eventuell auch unter Hinnahme von Nachteilen - zu ihrer jüdischen Glaubenszugehörigkeit in Form der Angabe einer jüdischen Nationalität in staatlichen Personenstandsurkunden bekannt haben. Damit wurde für das Aufnahmeverfahren ein klares, leicht feststellbares Kriterium gewählt, das seitens des Gerichts nicht weiter inhaltlich hinterfragt werden kann.

In diesem Zusammenhang legen die Kläger zu Unrecht das Kriterium der „Abstammung von einem jüdischen Elternteil“ aus sich heraus und ungeachtet der zur Überzeugung des Senats in einer Vielzahl von Fällen dokumentierten tatsächlichen Verwaltungspraxis der Beklagten dahingehend aus, dass hierfür der Nachweis der Abstammung von einem jüdischen Großelternteil genüge und leiten daraus einen Bescheidungsanspruch her. Ihre wiederholten Darlegungen hinsichtlich ihrer jüdischen Abstammung sind dabei im Hinblick auf die Vorgaben der Anordnung und ihrer tatsächlichen Handhabung durch die Beklagte nicht entscheidungserheblich.

Die Anordnung verstößt auch nicht gegen den grundrechtlichen Schutz der Familie (Art. 6 GG). Die durch § 23 Abs. 2 AufenthG als Parlamentsgesetz eingeräumte Befugnis des Bundesinnenministeriums, Anordnungen zur Aufnahme von Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen zu treffen, dient - wie ausgeführt - ausdrücklich der Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland und grundsätzlich nicht dem Schutz und der Verwirklichung von Grundrechten der hierdurch begünstigten Ausländer (vgl. BVerwG, U. v. 15.11.2010, a. a. O. Rn. 16). Ein Anspruch der Kläger, von einer Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG erfasst zu werden, besteht gerade nicht. Die Mutter, der Vater und der im Haushalt seiner Eltern lebende unverheiratete Bruder des Klägers zu 1 haben seinerzeit von der Möglichkeit einer Aufnahme in die Bundesrepublik Gebrauch gemacht. Soweit der Kläger zu 1 als Ausländer darüber hinaus einen Familiennachzug in die Bundesrepublik begehrt, ist er wie jeder andere Ausländer auf die Regelungen der §§ 27 ff AufenthG betreffend den Aufenthalt aus familiären Gründen zu verweisen.

Es beruht auch auf sachlichen, dem Rechtsstaatsgebot entsprechenden und dem Willkürverbot nicht widersprechenden Überlegungen, dass die Exekutive für den Nachweis der jüdischen Nationalität vor dem Jahr 1990 ausgestellte staatliche Urkunden fordert. Diese Anforderung berücksichtigt offensichtlich die mit der sogenannten Wende im Ostblock wesentlich veränderten Verhältnisse im Staats- und Verwaltungsapparat der Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Unter dem bis zum Jahr 1990 dort herrschenden strengen Regime war der Grad der Verlässlichkeit staatlicher Urkunden wesentlich höher als nach Auflösung der Sowjetunion. Das Abstellen auf vor dem Jahre 1990 ausgestellte staatliche Urkunden ist aus den genannten Gründen sachgerecht und stellt wegen der unterschiedlichen Verhältnisse vor und nach dem Jahr 1990 keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Auf den Beweiswert von später ausgestellten Personenstandsurkunden kommt es nach Wortlaut und tatsächlicher Handhabung der Anordnung dagegen nicht entscheidungserheblich an. Belastbare Anhaltspunkte für eine abweichende Verwaltungspraxis sind nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen.

Vorliegend hat der Kläger zu 1, auf dessen Stammberechtigung sich auch die Kläger zu 2 und 3 bezogen haben, nicht durch entsprechende, vor 1990 ausgestellte staatliche Personenstandsurkunden nachgewiesen, dass er selbst oder ein Elternteil jüdischer Nationalität sei. Die von dem Kläger zu 1 vorgelegte Geburtsurkunde, in der seine Mutter mit jüdischer Nationalität angegeben ist, ist erst am 26. April 2000 ausgestellt worden.

Auch die übrigen von ihm vorgelegten Unterlagen weisen nicht gemäß Ziff. I.2 lit. a nach, dass er selbst oder seine Mutter jüdischer Nationalität sei.

Der vorgelegte Auszug aus dem Personalausweis vom 28. Oktober 1955 betrifft die Großmutter des Klägers zu 1 und erfüllt nicht die Voraussetzungen der Ziff. I.2 lit. a, da es sich bei dieser gerade nicht um einen Elternteil im Sinne dieser Ziffer handelt.

Es ist auch im Hinblick auf die vorgenannten Anforderungen von den Klägern nicht überzeugend dargetan, dass das Bundesamt ihre Aufnahme abweichend von der vom Willen des erklärenden Bundesinnenministers gebilligten und geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in willkürlicher Weise abgelehnt hätte. Es entspricht der tatsächlichen Verwaltungspraxis des Bundesamts - wie in dem anhängigen Verfahren durch die Beklagte wiederholt vorgetragen und dem erkennenden Senat aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt -, dass der Nachweis für eine Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil durch vor dem Jahr 1990 ausgestellte staatliche Personenstandsurkunden erbracht werden muss, dass ein Beleg über die jüdische Nationalität eines Großelternteils nicht genügt und dass ein entsprechender Nachweis auch nicht nach der jüdischen Abstammungslehre erbracht werden kann. Auf eine leibliche Abstammung des Klägers zu 1 von seiner Großmutter mütterlicherseits - die von der Beklagten nicht bestritten wird - kommt es deshalb nicht entscheidungserheblich an.

Die Kläger haben insoweit auch keine Anhaltspunkte für eine abweichende Verwaltungspraxis benannt.

Die Ablehnung einer Aufnahmezusage für den Kläger zu 1 verstößt auch nicht deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 GG bzw. gegen den Schutz der Familie nach Art. 6 GG, weil seine Mutter, sein Vater und sein Bruder in der Bundesrepublik aufgenommen worden sind. Zum Einen dient - wie ausgeführt - die Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG grundsätzlich nicht dem Schutz und der Verwirklichung von Grundrechten der hierdurch betroffenen Ausländer. Zum Anderen liegt bereits kein vergleichbarer Sachverhalt (vgl. hierzu die folgenden Ausführungen) und damit kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor.

Der Vortrag des Klägers zu 1, auch seine Mutter habe nur eine nach 1990 ausgestellte Geburtsurkunde vorgelegt und sei aufgenommen worden, weswegen eine Ungleichbehandlung vorliege, trifft so nicht zu. Wie sich aus dem im Verfahren vorgelegten Aktenvermerk der Botschaft in Chisinau vom 28. August 2002 ergibt, war die seitens der Mutter des Klägers zu 1 vorgelegte Geburtsurkunde aus dem Jahre 2000 - basierend auf einem postsowjetischen Gerichtsurteil - entgegen der Annahme des Klägers zu 1 nicht entscheidend für die Aufnahmezusage. Vielmehr wurde die vorgelegte Bescheinigung des Dorfrats aus dem Jahr 1955, dass beide matrilinearen Großeltern der Mutter jüdischer Nationalität waren und somit für deren Mutter S. keine Wahlmöglichkeit für eine andere Nationalität bestanden hatte, durch einen Heiratsregisterauszug der Cousine F. L. mütterlicherseits bestätigt.

Diese tatsächliche Handhabung unter der Vorgängerregelung des Teilrunderlasses des Auswärtigen Amtes vom 25. März 1997 (Az. 514-516.20/7, im Folgenden: TRE 97) bestätigt auch, dass bereits unter Federführung des Auswärtigen Amtes allein nach 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden nicht genügten, um einen Aufnahmeanspruch zu begründen. Nachdem im Fall des Klägers zu 1 neben seiner im Jahr 2000 ausgestellten Urkunde keine Urkunde vorgelegt wurde, die die jüdische Nationalität eines Elternnachteils nachweist, verbleibt es bei dem bisher gefundenen Ergebnis.

Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass der Kläger zu 1 Zeugen für seine Abstammung von einem Elternteil jüdischer Nationalität bzw. für seine jüdische Abstammung (letztere von vorneherein nach der Anordnung entscheidungsunerheblich) benannt hat. Nach dem verlautbarten Willen der Anordnung und ihrer tatsächlichen Handhabung ist dieser Nachweis der Abstammung von einem Elternteil mit jüdischer Nationalität eindeutig („nur“) mit vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden zu führen; dieses klare und verlässliche Kriterium eines Urkundenbeweises entspricht der tatsächlichen Handhabung durch die Beklagte, wie dem erkennenden, bundesweit allein zweitinstanzlich zuständigen Senat aus einer Vielzahl von Verfahren jüdischer Zuwanderer aus der Sowjetunion bekannt ist. Konkrete Anhaltspunkte für eine abweichende Praxis der Beklagten haben die Kläger nicht benannt.

1.3 Die Ablehnung einer Aufnahme der Kläger als jüdische Zuwanderer erweist sich auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil sie wiederholt Aufnahmeanträge - so bereits im Jahr 2000 bzw. im August 2001 - gestellt hatten, und deshalb - wie vorgetragen - die seinerzeit geübte Rechtspraxis zugrunde zu legen gewesen wäre und nicht die in der seit 24. Mai 2007 wirksamen Anordnung enthaltenen verschärften Aufnahmevoraussetzungen.

Auch in der vorangegangenen Regelung, dem TRE 97 des seinerzeit zuständigen Auswärtigen Amtes, war als Aufnahmevoraussetzung festgelegt, dass zuwanderungsberechtigt nur Personen sind, die nach staatlichen Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität sind oder von mindestens einem jüdischen (im Sinne von jüdischer Nationalität) Elternteil abstammen und dass insoweit von der jüdischen Abstammungslehre (Halacha) abgewichen werde. Ausdrücklich war dort bestimmt, dass eine Abstammung nach den Großeltern nicht ausreicht (Ziff. II.3 TRE 97). Ziffer I.2 lit. a der Anordnung BMI 2007 unterscheidet sich von dem fast wortgleichen Text der TRE 97 nur durch die Einfügung, dass eine Abstammung durch „vor 1990 ausgestellte“ Personenstandsurkunden nachzuweisen sei. Diese ausdrückliche Klarstellung entsprach nach Angabe der Beklagten jedoch der gängigen Praxis des seinerzeit zuständigen Auswärtigen Amtes, das für den Nachweis der Abstammung von einem jüdischen Elternteil insoweit die Vorlage von alten staatlichen Urkunden verlangte.

Entsprechend diesen Vorgaben wurden der erste Antrag des Klägers zu 1 (wohl vom 6.8.2000, vgl. Anlage A 1, Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 22.3.2012 Bl. 141 VGH-Akte) zu Recht gemäß TRE 97 abgelehnt oder „nicht verbeschieden“ bzw. - wie zuletzt vorgetragen - zurückgenommen. Die - vom Bevollmächtigten der Kläger als fehlend monierte - Begründung ergibt sich - auch - aus dem Vermerk der Botschaft vom 10. Juli 2006 (1. Absatz; Bl. 285 VGH-Akte). Danach konnte dem Antrag des Klägers zu 1 seinerzeit nicht entsprochen werden, weil dieser der Enkelgeneration zugeordnet worden war.

Auch der zweite Antrag - wohl vom 2. August 2001 - wurde mangels Erfüllung der Voraussetzungen des TRE 97, weil nämlich der Kläger zu 1 der Enkelgeneration angehörte, nicht verbeschieden.

Auch unter Zugrundlegung des Vorbringens der Beklagten, das Auswärtige Amt habe in der Vergangenheit für den Nachweis der Abstammung von einem jüdischen Elternteil auch auf Bescheinigungen der jüdischen Gemeinden in Deutschland für bereits übergesiedelte Verwandte zurückgegriffen (vgl. hierzu auch TRE 97 Ziff. III Nr. 3), was im Übrigen auch durch die Aktenvermerke der Auslandsvertretung in Chisinau vom 28. August 2002 und vom 10. Juli 2006 gestützt wird und die Annahme einer dementsprechenden Verwaltungspraxis nahelegt, erweist sich die Ablehnung der Aufnahmezusage nicht als rechtswidrig.

Dabei ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht maßgeblich und kommt es entscheidungserheblich nicht darauf an, ob über diese wiederholten Anträge des Klägers auf Erteilung einer Aufnahmezusage hätte entschieden werden müssen. Auch die aufgeworfene Frage, ob die diesbezüglichen Antragsunterlagen allein wegen einer fehlenden Unterschrift nicht weiter bearbeitet worden seien, stellt sich nicht.

So ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Anträge der Kläger bis zur Vorlage der Bestätigung der jüdischen Gemeinde in Deutschland vom 5. August 2002 (Bl. 29 der Akten) bei der Auslandsvertretung wohl im September 2004 (vgl. hierzu Aktenvermerk der Botschaft Chisinau vom 10.7.2006 Bl. 285 VGH-Akte) wegen der Zugehörigkeit des Klägers zu 1 zur Enkelgeneration - wie ausgeführt - nicht die Aufnahmevoraussetzungen des TRE 97 erfüllten. Ob mit Vorlage der - im Übrigen weder mit einem Briefkopf versehenen noch unterzeichneten - Bescheinigung nach der Regelung im TRE 97 der Antrag vom 2. August 2001 auf Erteilung einer Aufnahmezusage positiv hätte entschieden werden können (vorher hätte er, wie ausgeführt, abgelehnt werden müssen) oder ob auf die dritte Antragstellung vom 7. September 2004 abzustellen ist, kann offen bleiben, denn jedenfalls war für die ab 1. Juli 2001 gestellten Anträge, in denen nicht vor dem 1. Januar 2005 eine Aufnahmezusage erteilt worden war, die Beklagte zuständig. Diese hatte und hat in ständiger und gebilligter Verwaltungspraxis nach den Vorgaben der Anordnung BMI vom 24. Mai 2007 über diese sogenannten Ü II-Fälle zu entscheiden.

Soweit der Bevollmächtigte der Kläger diese Aussage der Beklagten bestreitet bzw. einen Nachweis der Beklagten fordert, dass dies in jedem Fall geschehen sei, erfordert dieses Vorbringen keine weitere Aufklärung. Nicht die Beklagte muss in einer Vielzahl von mehreren tausend Fällen eine Auflistung über die Gründe für eine Aufnahmezusage oder -ablehnung vorlegen, vielmehr müssten die Kläger zunächst substantiiert Anhaltspunkte oder konkrete Einzelfälle für eine hiervon abweichende Verwaltungspraxis anführen, woran es jedoch mangelt. Hinweise auf eine möglicherweise andere Behördenpraxis der Auslandsvertretung sind hier ebenso wenig geeignet (vgl. BVerwG im Zurückverweisungsbeschluss vom 27.6.2013 Rn. 7 am Ende) wie eine Bezugnahme auf die Aufnahme der Mutter und des Bruders des Klägers zu 1, die seinerzeit jedenfalls insoweit die Kriterien des TRE 97 erfüllten, als die Abstammung der Mutter vom mindestens einem jüdischen Elternteil (vgl. Vermerk vom 28.8.2002) bzw. die Zugehörigkeit des seinerzeit ledigen Bruders zum Haushalt der aufnahmeberechtigten Mutter - Ziff. II.8 TRE 97 - festgestellt wurde. Soweit der Kläger die Voraussetzungen für eine Aufnahme der Mutter und des Bruders in Zweifel zieht, wären sie bei ihm erst recht nicht gegeben; ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht bestünde nicht.

Entgegen den Darlegungen der Kläger sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass angesichts der im Zeitraum von 2001 bis 2004 gestellten Vielzahl von Aufnahmeanträgen der Antrag der Kläger absichtlich liegen gelassen worden wäre. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das Verfahren der Kläger selbst nicht ordnungsgemäß betrieben hat, und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist, haben die Kläger nicht benannt.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommener Flüchtlinge (HumHAG, sogenanntes Kontingentflüchtlingsgesetz), das dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 9. Januar 1991 zu Folge auf die Aufnahme jüdischer Kontingentflüchtlinge entsprechend anzuwenden war, zusammen mit dem Ausländergesetz, mit dem es verknüpft war (vgl. 1 Abs. 1 HumHAG) zum Jahresende 2004 außer Kraft getreten ist (vgl. Art. 15 Abs. 3 Nr. 3 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004 BGBl. I, 1950). Wegen dieses Wegfalls von Entscheidungsgrundlagen zum Jahreswechsel 2004/2005 ist die Bearbeitung von Neuanträgen sowie derjenigen Fälle zunächst eingestellt worden, in denen bis einschließlich 31. Dezember 2004 noch keine Aufnahmezusage zugestellt worden war (Übergangsfälle II; zur Neuregelungsabsicht insoweit vgl. IMK-Beschluss vom 29.12.2004 Az. IV E 3.10 vor Nr. 1).

Die Übergangsfälle II wurden erst (weiter-)bearbeitet, als durch den Umlaufbeschluss der Innenministerkonferenz vom 18. November 2005 (Az. IV E 3.10) neue Regelungen getroffen worden waren.

Dem entspricht auch die Aktenlage im vorliegenden Fall. Nach dem in den Akten befindlichen Schreiben der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Chisinau vom 9. Mai 2005 (Bl. 200 VGH-Akte) haben die diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Bundesrepublik in den ehemaligen sowjetischen Republiken wegen der laufenden innerdeutschen Verhandlungen zwecks Neufassung der Richtlinie geraume Zeit keinerlei Anträge auf jüdische Emigration den deutschen Behörden zur weiteren Bearbeitung und Entscheidung vorgelegt. Dem entspricht das spätere Schreiben der Botschaft vom 4. Oktober 2005 an den Kläger zu 1, wonach zur Zeit keine Anträge auf jüdische Zuwanderung bearbeitet werden können und umgehend eine Mitteilung zum Antrag des Klägers ergehe, sobald die erforderlichen Ausführungsbestimmungen für jüdische Zuwanderung mit der entsprechenden Weisung des Auswärtigen Amtes vorliegen. Vorsorglich wird in diesem Schreiben der Kläger zu 1 auch darauf hingewiesen, dass der Antrag nur nach den neuen Richtlinien für die jüdische Zuwanderung geprüft und entschieden werden kann. Der Antrag des Klägers zu 1 wurde wohl im Juli 2006 (Bl. 210 VGH-Akte) an das zuständige Bundesamt zur Bescheidung übersandt.

Auch die Darlegungen der Beklagten im Schriftsatz vom 4. März 2013 sprechen für eine geordnete Bearbeitung. Insbesondere hat die Beklagte ausgeführt, dass im Rahmen der Neuregelung des jüdischen Zuwanderungsverfahrens über 8000 bei den Auslandsvertretungen der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion gestellte und noch offene Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als jüdischer Emigrant mit einer Antragstellung ab dem 1. Juli 2001 bis einschließlich 31. Dezember 2004 in die Bearbeitungszuständigkeit des BAMF übergegangen waren, darunter auch der Antrag der Kläger als einer von vielen. Alle diese Fälle seien, soweit das Anliegen auf Zuwanderung durch Abgabe neuer Antragsunterlagen von den Antragstellern noch weiter betrieben worden sei, unter der neuen Zuständigkeit des BAMF nach der neuen Rechtslage entschieden worden. Die Forderung einer erneuten Antragstellung unter Beibehaltung des bestehenden Antrags im Übrigen hat die Beklagte nachvollziehbar mit der nach der Anordnung BMI 2007 neu aufzustellenden Integrationsprognose begründet.

1.4 Die Ablehnung der Aufnahme als jüdische Zuwanderer erweist sich auch nicht deswegen als rechtswidrig, weil dem Kläger zu 1 mündlich von der Botschaft zugesagt worden sei, dass sie auch ausreisen bzw. einreisen könnten oder aufgenommen würden (insoweit unterscheiden sich die entsprechenden Behauptungen), wenn sie eine Bescheinigung über eine Mitgliedschaft der Mutter des Klägers zu 1 in einer jüdischen Gemeinde in Deutschland vorlegten.

Dass seinerzeit eine Aufnahmezusage eines Bundeslandes schriftlich erteilt worden wäre, wird nicht behauptet. Auch eine mündliche Aufnahmezusage seitens eines Bundeslandes wird nicht behauptet, sondern lediglich eine mündliche „Zusage“ der Auslandsvertretung, demzufolge die Kläger ebenfalls Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland finden könnten.

1.4.1 Es kann letztlich offen bleiben und muss nicht weiter aufgeklärt werden, ob es zu einer derartigen mündlichen Zusage und mit welchem Inhalt gekommen ist, insbesondere, ob an einer derartigen Zusage die von der Beklagten im Schriftsatz vom 25. Juli 2013 angeführten Zweifel bestehen und deshalb nicht ansatzweise ein Anspruch auf Erteilung einer Aufnahmezusage besteht. Auch die informatorische Befragung der Mutter des Klägers zu 1 hat keine neueren Erkenntnisse gebracht.

Unstreitig liegen insoweit kein Aktenvermerk oder sonstige Hinweise in den Behördenakten vor. Aus den Vermerken vom 28. August 2002 und 10. Juli 2006 sind lediglich Rückschlüsse auf eine bestimmte Behördenpraxis der Auslandsvertretung Chisinau (Nachweis der Abstammung von einem jüdischen Elternteil auch durch Bescheinigung der Mitgliedschaft dieses Elternteils in einer jüdischen Gemeinde in Deutschland) möglich, nicht aber - wie der Bevollmächtigte der Kläger meint - auf eine „Zusage“. Es spricht deshalb alles dafür, dass die Auslandsvertretung lediglich eine mündliche Auskunft dahingehend erteilt hat, dass ein Antrag des Klägers nach den seinerzeitigen Bestimmungen erfolgreich sei, wenn er einen Abstammungsnachweis durch Bescheinigung der Mitgliedschaft eines Elternteils in einer jüdischen Gemeinde in Deutschland erbringe. Über eine derartige Auskunft zur - seinerzeit wohl herrschenden - Weisungslage bedurfte es (entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten) keines Aktenvermerks. Aus einer derartigen Auskunft ergäbe sich keinerlei Anspruch auf eine Aufnahmezusage.

Wie jedenfalls im Zurückverweisungsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2013 (BVerwG 1 B 3.13 1 PKH 1.13) ausgeführt, würde auch eine derartige - von den Klägern behauptete - Zusage rechtlich noch keine - unter einer aufschiebenden Bedingung stehende - Aufnahmezusage darstellen. Denn die Entscheidung über die Aufnahme jüdischer Flüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion oblag - was den Klägern aus dem Verfahren der Eltern und des Bruders des Klägers zu 1 bekannt gewesen sein dürfte - schon seinerzeit nicht den Auslandsvertretungen. Zuständig für die Erteilung einer Aufnahmezusage waren vielmehr die Länder. Nach dem TRE 97 konnten Aufnahmeanträge zwar nur bei den Auslandsvertretungen in der ehemaligen Sowjetunion gestellt werden (vgl. II.1 TRE 97). Diese entschieden - allerdings nur verwaltungsintern - in der Regel abschließend über die Zugehörigkeit zum berechtigten Personenkreis (4.1 TRE 97). Die geprüften Anträge wurden von den Auslandsvertretungen an das Bundesverwaltungsamt übersandt, das die Antragsteller auf die Länder verteilte (vgl. II.2 TRE 97). Erst die Länder erteilten nach Maßgabe der verfügbaren Plätze Aufnahmezusagen, die den Auslandsvertretungen über das Bundesverwaltungsamt übersandt und von dort aus den Antragstellern zugestellt wurden (vgl. IV 3 TRE 97).

Auch der Umstand, dass eine von den Klägern behauptete Zusage seinerzeit möglicherweise auf einer entsprechenden Verwaltungspraxis der Auslandsvertretungen beruhte, würde noch keinen Aufnahmeanspruch begründen. Insoweit hat die Beklagte im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eingeräumt, dass das Auswärtige Amt in der Vergangenheit für den Nachweis der Abstammung von einem jüdischen Elternteil auch auf Bescheinigungen der jüdischen Gemeinden in Deutschland für bereits übergesiedelte Verwandte zurückgegriffen hat. In diese Richtung deuten im Übrigen auch die Aktenvermerke der Auslandsvertretungen in Chisinau vom 28. August 2002 und vom 10. Juli 2006. Im Aktenvermerk vom 28. August 2002 (Bl. 188 VGH-Akten) geht die Botschaft davon aus, dass die Eltern und der Bruder des Klägers zu 1 zur jüdischen Emigration berechtigt seien, der Kläger zu 1 hingegen „momentan“ noch nicht zur Ausreise berechtigt sei. Im Aktenvermerk vom 10. Juli 2006 (Bl. 285 VGH-Akten) weist sie darauf hin, dass der Kläger zu 1 unter anderem eine Bescheinigung der Zentralwohlfahrtsstelle in F. vorgelegt habe, die bestätige, dass seine Mutter und sein Bruder Mitglied der jüdischen Kultusgemeinde in F. seien (tatsächlich heißt es nur, dass keine Bedenken gegen eine Aufnahme bestünden), und keine aktuellen Erkenntnisse vorlägen, die einer Aufnahme der Kläger entgegenstünden. Auf die Verwaltungspraxis des Auswärtigen Amts kommt es entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Kläger aber schon deshalb nicht entscheidend an, weil - nach der Verlagerung der Zuständigkeit für die Durchführung des Aufnahmeverfahrens nach § 23 Abs. 2 AufenthG von den Ländern auf den Bund - inzwischen ausschließlich das Bundesamt für die Erteilung einer Aufnahmezusage zuständig ist (§ 75 Nr. 8 AufenthG). Entscheidungserheblich bleibt somit allein, wie die Beklagte mit derartigen Zusagen der Auslandsvertretung umgegangen ist bzw. welche Bedeutung sie ihnen beigemessen hat.

1.4.2 Die Beklagte hat zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass die tatsächliche und auch aktuelle Verwaltungspraxis des zuständigen Bundesamts für Anträge jüdischer Zuwanderer und ihrer Familienangehörigen nach dem 30. Juni 2001, in denen nicht vor dem 1. Januar 2005 eine Aufnahmezusage zugestellt worden ist, in jedem Fall nach Maßgabe der Anordnung BMI 2007 erfolgte und erfolgt. Auf die Frage, ob es tatsächlich unter der Verwaltungspraxis des Auswärtigen Amts eine Zusage oder weitere Zusagen gegeben hat, kommt es demnach nach der Verwaltungspraxis der Beklagten nicht an.

Die Beklagte hat dazu erklärt, dass Fälle, in denen die Auslandsvertretung eine positive Entscheidung zugesagt habe, nicht bekannt („nicht untergekommen“) seien und es daher auch keine Praxis des Bundesamts zum Umgang damit gebe. Nach dieser Erklärung existiert bei der Beklagten keine Verwaltungspraxis, aus der heraus der Kläger zu 1 aufgrund eines Anspruchs auf Gleichbehandlung die Erteilung einer Aufnahmezusage verlangen kann.

Darüber hinaus hat die Beklagte erneut (vgl. bereits Schreiben vom 29.6. 2010 im erstinstanzlichen Verfahren) ausgeführt, dass es in ihrer Verwaltungspraxis (selbst dann, wenn früher eine der seinerzeitigen Rechtslage entsprechende Auskunft zur Möglichkeit eines Abstammungsnachweises durch Bescheinigung einer Mitgliedschaft eines Elternteils in einer jüdischen Gemeinde gegeben wurde) in allen Ü II-Fällen - wie dem des Klägers zu 1 - eine Entscheidung ausschließlich auf Grundlage der Verfahrensordnung des BMI vom 24. Mai 2007 in der jeweils geltenden Fassung getroffen hat und trifft. Diese Handhabung hat die Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Es besteht kein Anlass, diese Darlegungen in Zweifel zu ziehen. Das bloße Bestreiten mit Nichtwissen rechtfertigt nicht die Annahme, es bestehe in Wahrheit eine abweichende Verwaltungspraxis. Belastbare Anhaltspunkte für eine hiervon abweichende Praxis der Beklagten hat der Bevollmächtigte der Kläger nicht benannt. Allein die von den Auslandsvertretungen in der Vergangenheit geübte Verwaltungspraxis ist entgegen den wiederholten Ausführungen des Bevollmächtigten der Kläger nicht entscheidungserheblich.

Der unter dem Vermerk der Auslandsvertretung vom 10. Juli 2006 befindliche Text „Bitte als Ü-II-Antrag registrieren. Verteilung für Hessen vorgesehen.“ zeigt - entsprechend den Vorgaben der Anordnung BMI 2007 - lediglich die verfahrensmäßige Einordnung des Antrags der Kläger auf, belegt jedoch in keiner Weise eine den Klägern gegenüber rechtsverbindlich erteilte Zusage durch die Beklagte. Dies gilt gleichermaßen für das Formblattschreiben der Beklagten vom 3. August 2006, in dem das Regierungspräsidium Darmstadt um Erteilung einer Aufnahmezusage gebeten wird. Die Beklagte konnte zwar nicht aufzeigen, warum noch im August 2006 - weit nach der Zuständigkeitsverlagerung auf das Bundesamt - das unter der alten Regelung praktizierte Pendelbriefverfahren (vgl. IV 3 TRE 97) angewendet wurde. Diese Handhabung, die wohl auch dem Umstand geschuldet war, dass die Neuregelung des Aufnahmeverfahrens für jüdische Zuwanderer erst mit Anordnung des Bundesministeriums des Innern vom 24. Mai 2007 (MI1 -125 225-3/6) umgesetzt wurde, vermag an der tatsächlichen Verwaltungspraxis der Beklagten in der Sache selbst nichts zu ändern. Da in diesem Formblattschreiben die Variante „Die Aufnahmezusage wird erteilt.“ nicht angekreuzt ist, können die Kläger jedenfalls nicht davon ausgehen, dass verbindlich über ihren künftigen Aufenthalt in Deutschland entschieden wurde. Die Darlegung des Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, dieses Schriftstück lasse im Zusammenhang mit dem Aktenvermerk der Auslandsvertretung vom 10. Juli 2006 den Schluss auf eine Bindung des Bundesamtes zu, den Klägern eine Aufnahmezusage zu erteilen, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.

Auch der Behauptung des Klägerbevollmächtigten, die Praxis der Beklagten sei immer so gewesen, dass sie sich an Zusagen der Botschaft selbst gebunden habe, was durch das Zeugnis des Botschaftsbediensteten D.L. belegt werden könne, ist nicht nachzugehen. Diese Behauptung ist gänzlich unsubstantiiert geblieben; es besteht nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass der Bedienstete bei der Auslandsvertretung durchgängig von der Verwaltungspraxis der für die Aufnahmezusage allein zuständigen Beklagten informiert bzw. in sie eingebunden war.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht hinsichtlich der Verfügungen der Beklagten (Bl. 44 der Akten) vom 16./19. Oktober 2006 angezeigt. Die Vertreterin der Beklagten hat nachvollziehbar darauf verwiesen, dass die Formulierung „Personen mit jüdischer Abstammung“ sich auf den vom jeweiligen Antragsteller geltend gemachten Umstand bei Antragstellung bezieht; diese Verfügung dient ersichtlich dem in diesem Formular auch bezeichneten Unterlagenversand, da - wie sich auch aus den vorliegenden Akten der Kläger ergibt - die Unterlagen für Personen mit und für Personen ohne jüdische Abstammung unterschiedlich sind.

Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus den mit einem Referatsleiter beim Bundesamt geführten Telefonaten der Mutter des Klägers zu 1. So hat diese entgegen den Ausführungen im Schriftsatz vom 19. Dezember 2013 (Seite 4) in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie den Referatsleiter erst nach Erhalt des Ablehnungsbescheids im März angerufen habe. Er habe ihr empfohlen, soweit sie doch noch Nachweise einer jüdischen Abstammung des Klägers zu 1 habe, diese sofort vorzulegen.

Auch die Bezugnahme auf einen handschriftlichen Vermerk in der Bundesamtsakte (Bl. 230 der Akten) geht fehl. Entgegen der Behauptung des Bevollmächtigten der Kläger heißt es dort nicht „Auch“, sondern „Außer die Bestätigung der jüdischen Gemeinde wäre ein nach TRE 97 anerkanntes zusätzliches Beweismittel.“ Die Frage nach der Anerkennungsfähigkeit derartiger Bestätigungen war zu diesem Zeitpunkt nach dem Aktenvermerk vom 27. Oktober 2009 noch nicht endgültig geklärt, wurde aber offensichtlich später verworfen.

Nach der nachvollziehbaren Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung - im Hinblick auf dementsprechende Aktenvermerke des Referatsleiters beim Bundesamt vom 14. Oktober 2009 und vom 27. Oktober 2009 - habe es eine Zeitlang auch Überlegungen gegeben, ob man die Nachweisvoraussetzungen für die jüdische Abstammung großzügiger gestalten könne; man habe deshalb zugewartet.

Insgesamt ist damit nicht feststellbar, dass die Beklagte von ihrer Praxis, ausschließlich auf der Grundlage der Anordnung BMI 2007 in der jeweils letzten Fassung zu entscheiden, abgewichen ist. Bei der gebotenen Gleichbehandlung besitzt daher der Kläger zu 1 keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufnahmezusage.

1.5 Entgegen der Auffassung der Kläger liegt in der Anwendung der Anordnung BMI 2007 auf die Aufnahmeanträge der Kläger keine unzulässige Rückwirkung bzw. kein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Eine sogenannte echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) liegt schon deshalb nicht vor, weil die zusätzliche Anforderung (Nachweis mit vor 1990 ausgestellten Urkunden) nicht nachträglich ändernd in einen abgeschlossenen, der Vergangenheit angehörenden Tatbestand eingreift (vgl. BVerfG, U. v. 3.12.1997 BVerfGE 97/67 und BVerwG, U. v. 11.5.2006 - 5 C 10/05 juris).

Aber auch eine sogenannte unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung), bei der eine Norm - was verfassungsrechtlich zulässig wäre - auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit sogleich die betroffene grundrechtlich geschützte Rechtsposition nachträglich entwertet, liegt nicht vor. Eine solche Rechtsposition haben die Kläger zum Zeitpunkt der Anordnung vom 25. Mai 2007 nicht inne gehabt; insbesondere hatten sie weder nach § 32 AuslG 1990 noch nach § 23 Abs. 2 AufenthG einen Anspruch auf Aufnahme, sondern allenfalls auf Gleichbehandlung mit anderen Antragstellern. Anhaltspunkte dafür, dass das Bundesamt den Antrag der Kläger nicht ebenso wie die Anträge anderer Antragsteller aus diesem Zeitraum behandelt hätte, haben die Kläger weder substantiiert benannt noch sind solche sonst erkennbar.

Aber selbst wenn man eine vergleichbare Situation annähme und von einer unechten Rückwirkung ausginge, wäre ein Vertrauen der Kläger auf eine Aufnahme, wie sie nach TRE 97 vorgesehen war, nicht schutzwürdig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerfG, B. v. 12.9.2007 - 1 BVR 58/06; BVerwG, U. v. 29.8.1995 - 9 C 391/94; BVerwG, U. v. 12.4.2001 - 5 C 19/00; BVerwG, U. v. 30.3.2010 - 1 C 8/09 jeweils ) kann niemand darauf vertrauen, dass der Normgeber - oder wie hier die ausführende Verwaltung - die erforderlichen Voraussetzungen für den Erwerb eines bestimmten Rechtsstatus nicht für die Zukunft modifiziert. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz bewahrt nicht vor jeder Enttäuschung; verfassungsrechtlich geschützt ist grundsätzlich nur ein betätigtes Vertrauen, das zur Erlangung einer Rechtsposition oder zu entsprechenden anderen Dispositionen geführt hat. Dies schließt grundsätzlich ein, dass auch für bereits gestellte Anträge Übergangsvorschriften nicht geschaffen werden müssen. Auch ist nachvollziehbar und damit nicht willkürlich, dass die Regelung zur Aufnahme jüdischer Zuwanderer aufgrund früher gemachter - negativer - Erfahrungen neu gefasst wurde, um aufgetretene Missbrauchsfälle - wie sie die Kläger mit der Anlage zum Schriftsatz vom 9. Dezember 2010 selbst belegt haben - im Rahmen einer Neuregelung möglichst zu vermeiden.

Der Rechtmäßigkeit des ablehnenden Bescheides steht auch nicht entgegen, dass sich die Kläger auf einen in ihrem Fall vorliegenden Härtefall berufen. Die streit-gegenständliche Anordnung des Bundesministeriums des Innern sieht nach ihrem verlautbarten Willen auch in Härtefällen nicht von den Aufnahmekriterien nach Ziff. I.2 lit. a der Anordnung ab. Nach Ziff. I 6 der Anordnung kann in Härtefällen (insbesondere in Fällen der Familienzusammenführung) lediglich vom Vorliegen der Voraussetzungen nach Ziff. I.2 lit. b und c, d. h. von der notwendigen Sicherung des Lebensunterhaltes sowie von Grundkenntnissen der deutschen Sprache, abgesehen werden.

1.6 Beweisanträge haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht stellen lassen. Eine Beweiserhebung entsprechend den Anregungen insbesondere in den Schriftsätzen vom 22. März 2012, 5. Dezember 2013 und 19. Dezember 2013 musste sich dem Senat aus den vorgenannten Gründen auch nicht aufdrängen.

1.7 Die Klägerin zu 2 beruft sich selbst nicht auf eine jüdische Abstammung gemäß Ziff. I.2 lit. a der Anordnung. Als Familienangehörige (Ehefrau) des Klägers zu 1 kann sie keine Aufnahme finden, da dieser - wie ausgeführt - selbst nicht die Aufnahmevoraussetzungen der Ziff. I.2 lit. a der Anordnung erfüllt. Gleiches gilt für das Kind des Ehepaares, die Klägerin zu 3. Dies erfüllt in eigener Person ebenfalls nicht die Aufnahmevoraussetzungen. Zwar sieht Ziff. I.2 lit. a der Anordnung in der zur Zeit der Entscheidung des Senats gültigen Fassung vom 21. Dezember 2011 vor, dass bei ab dem Jahr 1990 geborenen Personen der Nachweis der Abstammung von mindestens einem jüdischen Großelternteil genügt. Die Klägerin zu 3 ist zwar im Jahr 1992 geboren, kann aus den oben genannten Gründen jedoch ebenfalls keinen Nachweis für eine jüdische Nationalität eines Großelternteils (hier: Mutter des Klägers zu 1) erbringen. Der Nachweis für eine jüdische Nationalität eines Urgroßelternteils genügt wiederum nicht.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs.1, § 154 Abs. 2 VwGO, wobei die Kläger die Kosten gesamtschuldnerisch tragen (§ 159 VwGO). Der Ausspruch für die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 ff ZPO.

3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tatbestand

1

Die Kläger, ein moldawisches Ehepaar und seine beiden minderjährigen Kinder, begehren die Erteilung einer Aufnahmezusage als jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion.

2

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte ihre entsprechenden Anträge mit Bescheid vom 20. April 2009 ab und führte zur Begründung aus, die Kläger erfüllten nicht die Aufnahmevoraussetzungen nach der Anordnung des Bundesministerium des Innern vom 24. Mai 2007. Danach könnten - in Anknüpfung an das Nationalitätenrecht in der ehemaligen Sowjetunion - als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden, die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität seien oder von mindestens einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammten. Aus den von den Klägern vorgelegten und vor 1990 ausgestellten staatlichen Personenstandsurkunden ergebe sich nur die jüdische Nationalität eines Großelternteils des Klägers zu 1.

3

Die hiergegen erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 11. März 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Bei der auf § 23 Abs. 2 AufenthG gestützten Anordnung des Bundesministeriums des Innern über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion vom 24. Mai 2007 in der Fassung vom 22. Juli 2009 handele es sich um eine innerdienstliche Richtlinie, die unmittelbar keine Rechte und Pflichten für Ausländer begründe. Die ablehnende Entscheidung des Bundesamts könne vom Gericht daher lediglich auf eine mögliche Verletzung des Willkürverbots bzw. des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes überprüft werden. Die in dem angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommende Auffassung, wonach der in der Anordnung geforderte Nachweis der jüdischen Nationalität oder der Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil nicht durch Urkunden der Großeltern oder die jüdische Abstammungslehre erbracht werden könne, beruhe mit Wissen und Wollen des Bundesministeriums des Innern auf einer einheitlichen und durchgängigen Verwaltungspraxis und verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

4

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 15. November 2010 den Berufungen der Kläger im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids des Bundesamts zur Neubescheidung verpflichtet. Er hat dies wie folgt begründet: Zwar bestehe kein (Rechts-)Anspruch, von einer Regelung nach § 23 Abs. 2 AufenthG erfasst zu werden. Mache das Bundesministerium des Innern jedoch von der dort normierten Ermächtigung Gebrauch, müsse sein Handeln rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen und bestehe ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die festgelegten Aufnahmekriterien nach Maßgabe des Gleichheitssatzes, des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Rechtsstaatsgebots. Ergehe die Anordnung in Gestalt einer Verwaltungsvorschrift, entfalte sie im Rahmen ihrer die Ermächtigungsgrundlage konkretisierenden Funktion Außenwirkung. Es unterliege deshalb gerichtlicher Kontrolle, ob und in welchem Umfang die Voraussetzungen ihrer Anwendung gegeben seien. Mache die Exekutive von ihrer Befugnis zur autonomen Rechtssetzung mittels der Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften Gebrauch, gebe sie zu erkennen, dass sie eine Selbstbindung kraft eigenen Normsetzungswillens eingehe, aufgrund dessen ein Anspruch auf Einhaltung des Zugesagten erwachse. In Anwendung dieses Prüfungsrahmens könne ein Anspruch auf Erteilung einer Aufnahmezusage vorliegend nicht unter Hinweis auf Nr. I 2 Buchst. a der Anordnung verneint werden. Danach genüge die jüdische Abstammung. Aus der vom Kläger zu 1 vorgelegten Geburtsurkunde seiner Mutter ergebe sich, dass er von einem jüdischen Großelternteil abstamme. Entgegen der Auffassung der Beklagten müsse er nicht die jüdische Nationalität seiner Mutter nachweisen. Die Behauptung einer abweichenden Verwaltungspraxis rechtfertige keine andere Beurteilung. Dem Bundesamt stehe eine autonome, vom Wortlaut der Vorschrift abweichende Interpretation nicht zu. Sie stünde in Widerspruch zu den eigenen Leitvorstellungen und wäre ermessensfehlerhaft. Dies gelte auch, wenn man mit der Beklagten davon ausgehe, dass es sich bei der Anordnung lediglich um eine Willenserklärung handele. Auch dann wäre sie angesichts ihrer Kundgabe nach außen und der existenziellen Auswirkungen für die Betroffenen aus objektiver Empfängersicht auszulegen. Aus den gewählten Anknüpfungskriterien ergebe sich, dass der Kreis der Begünstigten bezogen auf den jeweiligen Familienverband möglichst weit gefasst werden sollte, um ein willkürliches Auseinanderreißen zu verhindern.

5

Die Beklagte wendet sich mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision gegen ihre Verpflichtung zur Neubescheidung. Zur Begründung macht sie insbesondere geltend, das Berufungsgericht habe den Rechtscharakter und die gerichtliche Überprüfbarkeit der auf § 23 Abs. 2 AufenthG gestützten Anordnung über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer verkannt. Auf diese seien die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Anordnungen nach § 32 AuslG 1990 entwickelten Grundsätze übertragbar. Das Berufungsgericht hätte die Anordnung daher nicht selbst auslegen dürfen. Nach ständiger Verwaltungspraxis setze die Erteilung einer Aufnahmezusage den Nachweis entweder der eigenen jüdischen Nationalität oder der jüdischen Nationalität eines Elternteils durch vor 1990 ausgestellte staatliche Personenstandsurkunden voraus.

6

Die Kläger treten der Revision entgegen und verteidigen das angegriffene Urteil.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt. Er ist ebenfalls der Auffassung, dass das Berufungsgericht die Anordnung nicht abweichend von der Praxis der Beklagten auslegen durfte.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat unter Verstoß gegen Bundesrecht die Anordnung des Bundesministeriums des Innern über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion mit Ausnahme der Baltischen Staaten vom 24. Mai 2007 in der Fassung vom 22. Juli 2009 - Anordnung - wie einen Rechtssatz behandelt und daraus mit Blick auf die jüdische Abstammung des Klägers zu 1 einen Anspruch der Kläger auf Neubescheidung ihrer Anträge auf Erteilung einer Aufnahmezusage hergeleitet (1.). Das angegriffene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - hat die Anträge der Kläger ermessensfehlerfrei und ohne Verletzung ihres Anspruchs auf Gleichbehandlung abgelehnt (2.). Auf die Revision der Beklagten ist das Urteil des Berufungsgerichts daher zu ändern und sind die Berufungen der Kläger in vollem Umfang zurückzuweisen.

9

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können die Kläger unmittelbar aus der auf § 23 Abs. 2 AufenthG gestützten Anordnung des Bundesministeriums des Innern über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer keinen Anspruch auf Neubescheidung herleiten. Nach dieser Anordnung können als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden, die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität sind oder von mindestens einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammen (I 2. Buchst. a der Anordnung). Der dabei verwendete Begriff der "jüdischen Nationalität" beruht auf einer Besonderheit in der ehemaligen Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten. Diese unterscheiden zwischen der Staatsangehörigkeit und der Nationalität. Das Judentum wird der Nationalität zugerechnet, die in staatlichen Personenstandsurkunden angegeben ist.

10

Das Aufenthaltsgesetz gewährt keinen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Aufnahme aus dem Ausland. Gemäß § 22 AufenthG kann ein Ausländer im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen im Ermessenswege aus dem Ausland aufgenommen werden. Außerdem kann das Bundesministerium des Innern nach der - mit dem Siebten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 16. Mai 2007 (BGBl I S. 748) eingeführten - Neuregelung in § 23 Abs. 2 AufenthG zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Dass der Gesetzgeber es für erforderlich angesehen hat, die Anordnungsbefugnis des Bundesministeriums des Innern ausdrücklich zu regeln, und sie in § 23 Abs. 2 AufenthG zugleich als Voraussetzung für die Erteilung einer Aufnahmezusage durch das Bundesamt ausgestaltet hat, besagt nichts darüber, wie eine solche Anordnung rechtlich einzuordnen ist.

11

Sinn und Zweck der Regelung in § 23 Abs. 2 AufenthG besteht darin, einen gesetzlichen Rahmen und das Verfahren zu schaffen, um bestimmten Gruppen von noch nicht eingereisten Ausländern zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Hierdurch kann bei Aufnahmeentscheidungen, die typischerweise eine größere Zahl von Ausländern in gleicher oder vergleichbarer Weise betreffen, ein gleichmäßiger Verwaltungsvollzug sichergestellt werden. Nach den Gesetzesmaterialien enthält § 23 Abs. 2 AufenthG daher eine der Anordnungsbefugnis der Länder nach § 23 Abs. 1 AufenthG nachgebildete Anordnungsbefugnis des Bundes, derer es wegen der gleichzeitigen Verlagerung der Zuständigkeit für das Aufnahmeverfahren von den Ländern auf den Bund (vgl. § 75 Nr. 8 AufenthG) bedurfte, da Anordnungen der Länder als Rechtsgrundlage für den Bundesvollzug nicht in Betracht kommen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BTDrucks 16/4444 S. 6).

12

Ob das Bundesministerium des Innern nach § 23 Abs. 2 AufenthG eine Anordnung erlässt, steht in seinem Ermessen ("kann"). Dieses Ermessen ist lediglich durch das im Gesetz genannte Motiv ("zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland") dahin begrenzt, dass eine Anordnung nicht aus anderen Gründen erlassen werden darf. Dabei ergibt sich aus der Natur der Sache, dass das Bundesministerium des Innern bei der Definition der besonders gelagerten politischen Interessen der Bundesrepublik und der Festlegung der Aufnahmekriterien weitgehend frei ist. Es handelt sich hierbei um eine politische Leitentscheidung, die - entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rechtscharakter vergleichbarer Anordnungen (vgl. Urteil vom 19. September 2000 - BVerwG 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 63 zur Anordnungsbefugnis einer obersten Landesbehörde nach der Vorgängerregelung zu § 23 Abs. 1 AufenthG in § 32 AuslG 1990) - grundsätzlich keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Das Bundesministerium des Innern kann im Rahmen seines Entschließungs- und Auswahlermessens den von einer Anordnung erfassten Personenkreis bestimmen. Es kann dabei positive Kriterien (Erteilungsvoraussetzungen) und negative Kriterien (Ausschlussgründe) aufstellen. Ein Anspruch des einzelnen Ausländers, von einer Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG erfasst zu werden, besteht nicht (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O. <66>).

13

Neben der Festlegung der für die Erteilung einer Aufnahmezusage zu erfüllenden Voraussetzungen enthalten Anordnungen nach § 23 Abs. 2 AufenthG zugleich die Weisung an das Bundesamt, einem Ausländer bei Erfüllung der Aufnahmevoraussetzungen eine Aufnahmezusage zu erteilen. Hierdurch wird das Aufnahmeermessen, dessen Ausübung in den Fällen des § 23 Abs. 2 AufenthG dem Bundesamt obliegt, intern gebunden. Als innerdienstliche, das behördliche Ermessen lenkende Richtlinie begründet eine Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG für die von ihr begünstigten Ausländer keinen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufnahmezusage. Sie bindet unmittelbar nur das Bundesamt bei der Ausübung seines Aufnahmeermessens. Selbst soweit das Bundesministerium des Innern in einer Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG Wendungen benutzt, die an Rechtsansprüche erinnern, kennzeichnet dies lediglich den Grad der verwaltungsinternen Bindung. Gegenüber dem Ausländer bleibt die Entscheidung über die Erteilung einer Aufnahmezusage eine Ermessensentscheidung des Bundesamts (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O.).

14

Handelt es sich bei der Anordnung über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer um eine innerdienstliche Richtlinie, unterliegt sie auch nicht wie eine Rechtsnorm einer eigenständigen richterlichen Auslegung. Als eine das Ermessen lenkende Willenserklärung des Bundesministeriums des Innern gegenüber dem Bundesamt ist sie vielmehr unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Erklärenden und ihrer tatsächlichen Handhabung, d.h. der vom Urheber gebilligten und geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis, auszulegen und anzuwenden. Bei Unklarheiten hat das Bundesamt den wirklichen Willen des Bundesministeriums des Innern - ggf. durch Rückfrage - zu ermitteln (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O. <67>).

15

Außenwirkung kommt der Anordnung nur mittelbar zu über die Verpflichtung der Behörden und Gerichte zur Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG, wenn und soweit sich eine der Richtlinie entsprechende Behördenpraxis tatsächlich herausgebildet hat (sog. Selbstbindung der Verwaltung). Weicht das Bundesamt im Einzelfall von der konkreten Handhabung der Anordnung ab, erwächst dem Ausländer aus Art. 3 Abs. 1 GG ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Gleichbehandlung nach Maßgabe der tatsächlichen Anwendung der Anordnung. Denn der Sinn der Regelung besteht gerade darin, eine einheitliche Aufnahmepraxis zu erreichen. Die Gerichte haben daher nachzuprüfen, ob der Gleichheitssatz bei der Anwendung der Anordnung durch das Bundesamt gewahrt worden ist (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O. <67>).

16

Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts, wonach die Anordnung im Rahmen ihrer die Ermächtigungsgrundlage konkretisierenden Funktion unmittelbar rechtliche Außenwirkung entfalte und daher wie ein Gesetz aus sich heraus auszulegen und anzuwenden sei und den Begünstigten einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch gewähre, überzeugt nicht. Sie berücksichtigt nicht, dass es sich bei Anordnungen nach § 23 Abs. 2 AufenthG nicht um normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, sondern um das behördliche Ermessen lenkende politische Leitentscheidungen handelt. Sie dienen nicht dem Schutz und der Verwirklichung von Grundrechten der hierdurch begünstigten Ausländer, sondern der Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik. Der politische Charakter einer nach § 23 Abs. 2 AufenthG erlassenen Anordnung verbietet eine Auslegung, die ihr entgegen der Intention ihres Urhebers und der tatsächlichen Verwaltungspraxis einen weitergehenden Anwendungsbereich zuweist. Der Anwendungsbereich kann auch nicht mit Verhältnismäßigkeitserwägungen ausgeweitet werden. Denn es steht grundsätzlich allein im weiten - allenfalls durch das Rechtsstaatsgebot und das Willkürverbot begrenzten - Ermessen der Exekutive zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen über die im Aufenthaltsgesetz zum Schutz individueller Rechte normierten Zuwanderungsmöglichkeiten hinaus zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik bestimmte Gruppen von Ausländern aus dem Ausland aufgenommen werden. Da die Betroffenen nach Art. 3 Abs. 1 GG einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Gleichbehandlung im Rahmen der bestehenden Verwaltungspraxis haben, ist die fehlende Außenwirkung und gerichtliche Überprüfbarkeit von Anordnungen nach § 23 Abs. 2 AufenthG auch mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu beanstanden.

17

Die Kläger können daher unmittelbar aus der Anordnung des Bundesministeriums des Innern keine Rechte herleiten. Diese regelt verwaltungsintern, unter welchen Voraussetzungen das Bundesamt Juden aus der ehemaligen Sowjetunion im Ermessenswege eine Aufnahmezusage erteilen darf, indem sie den begünstigten Personenkreis durch positive Erteilungsvoraussetzungen und negative Ausschlussgründe näher eingrenzt. Zu den positiven Erteilungsvoraussetzungen zählt u.a. das Erfordernis, dass als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden können, die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität sind oder von mindestens einem jüdischen Elternteil abstammen. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht das Kriterium der "Abstammung von einem jüdischen Elternteil" aus sich heraus und ungeachtet der tatsächlichen Verwaltungspraxis der Beklagten dahingehend ausgelegt, dass hierfür der Nachweis der Abstammung von einem jüdischen Großelternteil genügt, und daraus einen Neubescheidungsanspruch der Kläger hergeleitet. Als Teil einer ermessenslenkenden Richtlinie unterliegen die in der Anordnung festgelegten Aufnahmevoraussetzungen keiner eigenständigen richterlichen Auslegung und begründen keinen unmittelbaren Anspruch. Sie sind nach den obigen Ausführungen vielmehr allein nach Maßgabe der vom Bundesministerium des Innern gebilligten Verwaltungspraxis des Bundesamts auszulegen und anzuwenden (dies entspricht auch der h.M. im Schrifttum, vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Band 2, Stand September 2011, § 23 Rn. 37 f. und 13 ff.; Hailbronner, AuslR, Stand September 2011, § 23 AufenthG Rn. 23 und 8 ff.).

18

2. Die Kläger haben auch nicht aus anderen Gründen einen Anspruch auf Neubescheidung ihrer Anträge auf Erteilung einer Aufnahmezusage. Das Bundesamt hat die Anträge ermessensfehlerfrei abgelehnt. Die Ablehnung verletzt mit Blick auf die bestehende Verwaltungspraxis nicht den Anspruch der Kläger auf Gleichbehandlung nach Maßgabe der bestehenden Verwaltungspraxis.

19

Dabei steht einem Durchentscheiden zu Lasten der Kläger nicht entgegen, dass das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine tatrichterlichen Feststellungen zur tatsächlichen Handhabung der in der Anordnung festgelegten Aufnahmevoraussetzungen getroffen hat. Das Bundesverwaltungsgericht ist als Revisionsgericht zwar grundsätzlich nur zur Rechtskontrolle berufen. Gleichwohl ist ihm im Rahmen einer sinnvollen Prozessführung in Ausnahmefällen auch die Berücksichtigung von der Vorinstanz nicht nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellter Tatsachen möglich, etwa wenn diese - wie hier - erstmals aufgrund einer von der Vorinstanz abweichenden Rechtsauffassung des Revisionsgerichts entscheidungserheblich werden, sie zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehen und keiner Beurteilung durch das Berufungsgericht bedürfen und sich der Rechtsstreit hierdurch endgültig erledigt (vgl. hierzu auch Eichberger, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 21. Ergänzungslieferung 2011, § 137 Rn. 188 ff. m.w.N. aus der Rspr des BVerwG).

20

Nach dem von den Klägern nicht bestrittenen und nach Aktenlage nicht anzuzweifelnden Vortrag der Beklagten geht das Bundesamt in ständiger, vom Bundesministerium des Innern gebilligter Praxis bei der Entscheidung über Anträge auf Erteilung einer Aufnahmezusage für jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion davon aus, dass für eine Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil allein der Nachweis der jüdischen Nationalität eines Großelternteils nicht genügt, sondern die jüdische Nationalität eines Elternteils nachgewiesen werden muss. Die Beklagte hat bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass das Bundesamt in Kontinuität mit der Verwaltungspraxis des früher zuständigen Auswärtigen Amtes bezüglich der Abstammung von einem jüdischen Elternteil auf dessen jüdische Nationalität abstellt und die jüdische Nationalität eines Großelternteils nicht genügt. Auch dem erstinstanzlichen Urteil ist zu entnehmen, dass nach der vom Wissen und Wollen des Bundesministeriums des Innern getragenen einheitlichen Verwaltungspraxis des Bundesamts der Nachweis der Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil nicht durch Urkunden der Großeltern, die jüdische Abstammungslehre o.ä. erbracht werden kann (UA S. 11). Dem sind die Kläger nicht entgegengetreten. Sie haben auch nichts vorgetragen, was für eine abweichende Verwaltungspraxis sprechen könnte.

21

Die Kläger haben weder ihre eigene jüdische Nationalität noch die eines Elternteils durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden nachgewiesen. Hinweise für eine eigene jüdische Nationalität ergeben sich für den Kläger zu 1 zwar aus den im Verfahren vorgelegten Geburtsurkunden seiner Kinder, der Kläger zu 3 und 4, aus den Jahren 2002 und 2008 und einem moldawischen Urteil aus dem Jahr 2007. Ungeachtet der Frage, welcher Beweiswert diesen Urkunden zukommt, handelt es sich hierbei aber nicht um vor 1990 ausgestellte Urkunden. Die Kläger haben auch nicht ihre Abstammung von mindestens einem Elternteil jüdischer Nationalität durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden nachgewiesen. Der - 1987 neu ausgestellten - Geburtsurkunde der Großmutter des Klägers zu 1 mütterlicherseits und der - 1986 neu ausgestellten - Geburtsurkunde seiner Mutter ist zwar zu entnehmen, dass die Großmutter von Eltern jüdischer Nationalität abstammte und selbst jüdischer Nationalität war. Daraus ergibt sich aber nur, dass die Mutter des Klägers zu 1 von einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammt. Da der Großvater des Klägers zu 1 mütterlicherseits moldawischer Nationalität war, stand ihr nach dem sowjetischen Nationalitätenrecht bezüglich ihrer eigenen Nationalität bei Erhalt des ersten sowjetischen Inlandspasses mit Vollendung des 16. Lebensjahrs ein Wahlrecht zwischen der jüdischen Nationalität ihrer Mutter und der moldawischen Nationalität ihres Vaters zu. Dass die Mutter des Klägers zu 1 dieses Wahlrecht zugunsten der jüdischen Nationalität ausgeübt hat, wurde nicht durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden nachgewiesen. Soweit sie in der - 1999 neu ausgestellten - Geburtsurkunde des Klägers zu 1 mit jüdischer Nationalität eingetragen ist, reicht dies in zeitlicher Hinsicht nicht aus.

22

Die Ablehnung der Erteilung einer Aufnahmezusage verletzt daher mit Blick auf die bestehende Verwaltungspraxis nicht den Anspruch der Kläger auf Gleichbehandlung. Insoweit unterscheidet sich der Fall des Klägers zu 1 auch von dem seiner Mutter und seines Bruders, die beide in Deutschland Aufnahme gefunden haben. Denn seine Mutter konnte anhand der vorgelegten - vor 1990 ausgestellten - Personenstandsurkunden nachweisen, dass sie von einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammt, und sein Bruder fand lediglich als in das Aufnahmeverfahren der Mutter einbezogener Familienangehöriger Aufnahme.

23

Dahinstehen kann, ob die in der Anordnung festgelegten Aufnahmevoraussetzungen in ihrer konkreten Anwendung durch das Bundesamt inhaltlich zumindest einer verwaltungsgerichtlichen Willkürkontrolle unterliegen. Dies bedarf hier keiner Vertiefung. Nach den obigen Darlegungen liegt die Aufnahme bestimmter Gruppen von Ausländern nach § 23 Abs. 2 AufenthG im weiten politischen Ermessen der Exekutive. Die Beschränkung der Aufnahme auf Ausländer, die bestimmte Aufnahmekriterien erfüllen, und der damit verbundene Ausschluss von Ausländern, die diese Kriterien nicht erfüllen, kann daher allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen willkürlich sein, wenn für die vorgenommene Differenzierung keinerlei nachvollziehbare Gründe ersichtlich sind. Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

24

Nach der tatsächlichen Handhabung der Anordnung werden gegenwärtig nur Personen aus der ehemaligen Sowjetunion aufgenommen, die durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden entweder ihre eigene jüdische Nationalität oder die eines Elternteils nachweisen können. Hierdurch ist der Kreis der Aufnahmeberechtigten von vornherein auf Personen begrenzt, die in der Sowjetunion wegen der in ihren Personenstandsdokumenten eingetragenen jüdischen Nationalität entweder selbst in besonderem Maße der Gefahr antisemitischer Pressionen ausgesetzt waren oder als Abkömmlinge ersten Grades einen besonders engen familiären Bezug zum Schicksal dieses Personenkreises haben. Dass der Nachweis der jüdischen Nationalität inzwischen nur noch durch vor 1990 ausgestellte Urkunden erbracht werden kann, stellt zwar gegenüber der früheren Regelung im Teilrunderlass des Auswärtigen Amtes vom 25. März 1997 eine Änderung dar. Der zwingende Ausschluss neuerer Urkunden ist aber darauf zurückzuführen, dass nach den langjährigen Erfahrungen des Auswärtigen Amtes nach 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden nur eine geringe Beweiskraft zukommt. Etwaigen sich aus den Aufnahmevoraussetzungen ergebenden familiären Härten wird im Übrigen durch die Erstreckung der Aufnahme auf (nichtjüdische) Ehegatten und minderjährige ledige Kinder Rechnung getragen (vgl. I 4 der Anordnung).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Das Urteil wird, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der Regel in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, in besonderen Fällen in einem sofort anzuberaumenden Termin, der nicht über zwei Wochen hinaus angesetzt werden soll. Das Urteil ist den Beteiligten zuzustellen.

(2) Statt der Verkündung ist die Zustellung des Urteils zulässig; dann ist das Urteil binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(3) Entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, so wird die Verkündung durch Zustellung an die Beteiligten ersetzt.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.