Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2018 - 19 C 18.54

bei uns veröffentlicht am26.11.2018
vorgehend
Verwaltungsgericht Regensburg, RO 9 K 17.2126, 27.12.2017

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Mit den Beschwerden verfolgen die Antragsteller, eine aus Kasachstan stammende und am 19. Juli 2013 ins Bundesgebiet eingereiste Familie, nach bestandskräftig negativem Abschluss des Asylverfahrens den in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, für einen beabsichtigten Eilantrag auf Unterlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber den Antragstellern Prozesskostenhilfe zu bewilligen und den Prozessbevollmächtigten beizuordnen.

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 27. Dezember 2017 die Anträge der Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, dass für das von den Antragstellern beabsichtigte Eilverfahren auf Unterlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen keine hinreichende Erfolgsaussicht bestehe, weil die Antragsteller nach rechtskräftigem negativem Abschluss des Asylverfahrens vollziehbar ausreisepflichtig seien. Zwar stehe den Antragstellern ein Anordnungsgrund zur Seite, da nach Beschaffung der notwendigen Passpapiere eine Aufenthaltsbeendigung absehbar sei. Ein Anordnungsanspruch sei jedoch nicht gegeben, da der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Antragsteller zu 3 nach § 25a AufenthG keine Fiktionswirkung nach § 81 AufenthG auslöse. Der Antragsteller zu 1 habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung, da diese die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis voraussetze. Dem Kontroll- und Steuerungszweck des Aufenthaltsgesetzes widerspreche es, wenn ein Ausländer auch nach illegaler Einreise allein mit dem Abschluss eines Ausbildungsvertrages einen weiteren Aufenthalt erzwingen könnte und damit letztlich ein Ausbildungsbetrieb über den weiteren Aufenthalt entscheiden würde.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller. Zur Begründung wird ausgeführt, Zweifel an den Erfolgsaussichten dürften nicht zur Ablehnung von Prozesskostenhilfe führen; bereits eine zeitweilige Aussetzung der Abschiebung durch die Behörde sowie die vom Antragsgegner initiierte ärztliche Begutachtung zur Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2 begründe eine hinreichende Erfolgsaussicht für das beabsichtigte Eilverfahren. Auch wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG an den Antragsteller zu 3 keine Fiktionswirkung auslöse, müssten die offenen Erfolgsaussichten zu Vorwirkungen dergestalt führen, dass der Aufenthalt bis zur Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geduldet werde. Es sei nicht eindeutig geklärt, die Altersgrenzen des Jugendstrafrechts oder Jugendgerichtsgesetzes auf § 25a AufenthG zu übertragen. Es bestünden überwiegende Erfolgsaussichten für die Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG und die hierfür erforderliche Beschäftigungserlaubnis an den Antragsteller zu 1; eine Ablehnung könne nicht maßgeblich auf eine fehlende Bleibeperspektive gestützt werden. Die volljährige Tochter der Antragsteller zu 1 und 2 habe wegen der belastenden Situation einer drohenden Abschiebung der (restlichen) Familie eine psychische Dekompensation erlebt, die zur Suizidalität geführt habe. In den nachteiligen Auswirkungen für die volljährige Tochter liege ein dringender persönlicher Grund für eine weitere Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG. Die Antragstellerin zu 2 habe für den Fall der Abschiebung Suiziddrohungen geäußert, sie benötige eine weitere ambulante psychiatrische und medikamentöse Behandlung (stationäre Aufenthalte vom 14.7.2018 bis 30.7.2018 und vom 3.9.2018 bis 19.10.2018). Für die Antragstellerin zu 2 sei eine rezidivierende depressive Störung mit einer gegenwärtig schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen und eine fehlende Reisefähigkeit fachärztlich bescheinigt. Der Antragsteller zu 3 habe wenigstens einen Anspruch auf weitere Duldung seines Aufenthalts nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zur Fortsetzung der begonnenen und erfolgreichen Schulbildung; er sei gut integriert. Der Antragsteller zu 3 leide ebenfalls mittlerweile unter einer Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorliegen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung weder im maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags noch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinn, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich, sondern es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits dann gegeben ist, wenn bei summarischer Überprüfung ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 26). Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (stRspr d. BVerfG, vgl. z.B. B.v. 4.8.2016 - 1 BvR 380/16 - juris Rn. 12; B.v. 28.7.2016 - 1 BvR 1695/15 - juris Rn. 16 f.; B.v. 13.7.2016 - 1 BvR 826/13 - juris Rn. 11 f.; B.v. 20.6.2016 - 2 BvR 748/13 - juris Rn. 12).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags, also wenn dieser vollständig vorliegt und der Prozessgegner Gelegenheit zur Äußerung hatte. Ausnahmsweise ist jedoch hiervon abweichend der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts - hier des Beschwerdegerichts - maßgeblich, wenn sich im Laufe des Verfahrens die Sach- und Rechtslage zugunsten des Antragstellers geändert hat, so dass sich infolge dieser Änderung nunmehr hinreichende Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung erkennen lassen. Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage und damit auch für den Beurteilungszeitpunkt kommt es allein auf das materielle Recht an. Es wäre mit dem Sinn der Vorschriften über die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vereinbar, würde man unter Berufung auf das Fehlen hinreichender Erfolgsaussichten in der Vergangenheit die Beschwerde zurückweisen und einen Antragsteller darauf verweisen, wegen einer aufgrund einer Änderung der Sach- und Rechtslage mittlerweile positiven Beurteilung der Erfolgsaussichten einen erneuten Antrag auf Prozesskostenhilfe zu stellen (BayVGH, B.v. 10.4.2013 - 10 C 12.1757 - juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 21.12.2009 - 19 C 09.2958 - juris Rn. 3 ff., jeweils m.w.N.).

Vorliegend kommt der beabsichtigten Rechtsverfolgung weder zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife noch unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hinreichende Erfolgsaussicht zu. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ergibt sich eine Offenheit der Erfolgsaussichten weder aus der zeitweiligen Aussetzung der Abschiebung wegen fehlender Passdokumente für einzelne Familienmitglieder noch aus der ärztlichen Begutachtung der Antragstellerin zu 2 zur Klärung deren Reisefähigkeit. Die Maßnahmen der Ausländerbehörde dienen letztlich der Vorbereitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und sind damit nicht geeignet, einem Duldungsbegehren eine hinreichende Erfolgsaussicht zu verleihen. Mit der Veranlassung einer amtsärztlichen Begutachtung folgt die Ausländerbehörde der ihr aus Art. 2 Abs. 2 GG resultierenden Schutzpflicht, wonach die mit dem Vollzug einer Abschiebung betraute Stelle von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten und die notwendigen Vorkehrungen zu treffen hat (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - juris Rn. 10). Liegen hinreichende Indizien für eine schwerwiegende Erkrankung vor, kann eine amtsärztliche Untersuchung oder die Einholung einer ergänzenden ärztlichen Stellungnahme angezeigt sein, da der Ausländerbehörde die erforderliche medizinische Sachkunde zur Beurteilung einer mit der Abschiebung einhergehenden Gesundheitsgefahr und auch der Frage fehlen dürfte, mit welchen Vorkehrungen diese Gefahr ausgeschlossen oder gemindert werden könnte (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2017 - 19 CE 17.1541 - juris Rn. 24; VGH BW, B.v. 6.2.2008, a.a.O.; OVG LSA, B.v. 21.6.2016 - 2 M 16/16 - juris). Selbst wenn somit bei der Antragstellerin zu 2 derartige Indizien für eine Erkrankung vorliegen sollten, begründen diese insbesondere unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vermutung der Reisefähigkeit nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG nicht schon eine hinreichende Erfolgsaussicht für ein Eilverfahren auf Aussetzung der Abschiebung.

Hinreichende Erfolgsaussichten für das beabsichtigte Eilverfahren ergeben sich weder im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch auf Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG für den Antragsteller zu 1 (1.) noch wegen rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit der Abschiebung wegen einer fehlenden Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2 (2.) noch im Hinblick auf eine geltend gemachte Aufenthaltserlaubnis für den Antragsteller zu 3 (3.) oder auf einen geltend gemachten Duldungsgrund nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zur Fortsetzung der Schulausbildung des Antragstellers zu 3 oder im Hinblick auf eine Erkrankung der volljährigen Tochter der Antragsteller zu 1 und 2 (4.).

1. Der (Anordnungs-) Anspruch des Antragstellers zu 1 auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG nebst der hierfür erforderlichen Beschäftigungserlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 32 Abs. 3 Nr. 2 BeschV hat keine hinreichende Erfolgsaussicht.

Nach § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Nach Satz 3 der Vorschrift kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von Satz 3 ist nach Satz 4 zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Absatz 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen.

Der Gesetzgeber hatte bei der Einführung der Sätze 4 bis 6 des § 60a Abs. 2 AufenthG mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) erkennbar den Kreis geduldeter Ausländer in den Blick genommen, die insoweit eine dauerhafte Bleibeperspektive haben, als der Wegfall bereits vorliegender Duldungsgründe nicht absehbar ist (vgl. hierzu die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 18/5420, S. 27, sowie den Prüfauftrag des Bundesrates in BR-Drs. 642/1/14, S. 5). Die Neuregelung von § 60a Abs. 2 Satz 4 bis 6 AufenthG durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) hatte ausweislich der Entwurfsbegründung mehr Rechtssicherheit für Geduldete und Ausbildungsbetriebe während einer Berufsausbildung zum Ziel (vgl. BT-Drs. 18/8615, S. 26 und 48). Mit der Ausbildungsduldung, die im Gegensatz zu sonstigen Duldungen mit einem längerfristigen, an die Dauer der Ausbildung angepassten Aufenthalt verbunden ist und letztlich vollziehbar Ausreisepflichtigen eine Brücke in die Erwerbsmigration baut, sollen nicht Aufenthaltsbeendigungen verhindert werden, die in absehbarer Zeit möglich sind. Nach der Entwurfsbegründung ist bei der Integration mittels Aufnahme einer qualifizierten Beschäftigung die Bleibeperspektive zu berücksichtigen, so dass die integrationsfördernden Maßnahmen in erster Linie denjenigen mit „guter Bleibeperspektive“ zugutekommen sollen (vgl. BT-Drucks. 18/8615, S. 1, 2, 22, 23, 26), während auf Maßnahmen mit dem Ziel der Integration verzichtet werden soll, wenn individuell eine geringe Bleibewahrscheinlichkeit besteht (vgl. BT-Drucks. 18/8615, S. 22, betreffend Ausländer aus sicheren Herkunftsstaaten). Ausweislich der durch den Ausschuss für Arbeit und Soziales eingebrachten Beschlussempfehlung wird mit dem Ausschlusstatbestand in § 60a Abs. 2 Satz 4 letzter Halbsatz AufenthG das Ziel verfolgt, in den Fällen, in denen die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung „absehbar“ ist, der Durchsetzung der Ausreisepflicht den Vorrang einzuräumen (vgl. BT-Drucks. 18/9090, S. 25). Mit der Voraussetzung, dass nicht bereits konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung bevorstehen (§ 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG) macht der Gesetzgeber deutlich, dass der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang zukommt, was es rechtfertigt, an ein Bevorstehen konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung keine zu hohen Maßstäbe anzulegen. Durch die Vorlage eines Ausbildungsvertrags oder die Aufnahme einer Berufsausbildung soll eine (vorrangige) Durchsetzung der Ausreisepflicht nicht konterkariert werden. Die Entwurfsbegründung selbst führt insoweit die Beantragung eines Pass(ersatz) papiers, die Terminierung der Abschiebung oder den Lauf eines Verfahrens zur Dublin-Überstellung als Beispiele an (BT-Drs. 18/9090 S. 25; vgl. auch BayVGH, B.v. 24.7.2017 - 19 CE 17.1079 - juris Rn. 8; B.v. 15.12.2016 - 19 CE 16.2025 - juris Rn. 19). Die Gesetzformulierung „Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ ist dabei bewusst weiter gefasst als die eigentliche Aufenthaltsbeendigung durch Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung; andernfalls hätte die Verwendung des Begriffs Aufenthaltsbeendigung als gemeinsamer Oberbegriff genügt (vgl. BayVGH, B.v. 24.9.2018 - 10 CE 18.1825 - juris Rn. 4; B.v. 15.12.2016 - 19 CE 16.2025 - juris Rn. 19). Es genügt vielmehr, dass die Abschiebung durch die Ausländerbehörde oder eine andere für die Aufenthaltsbeendigung zuständige Behörde vorbereitet wird und für diese absehbar durchgeführt werden soll (vgl. NdsOVG, B.v. 30.8.2018, 13 ME 298/18 - juris Rn. 10). Die zeitnahe und ergebnisoffene Überprüfung der Reisefähigkeit von ausreisepflichtigen Ausländern mittels einer ärztlichen Untersuchung zur Abklärung von etwaigen inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen gehört zu den konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung, welche die Erteilung einer Ausbildungsduldung ausschließen (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2018 - 19 CE 17.2247 - juris Rn. 9). Zeitliche Verzögerungen (z.B. hinsichtlich der Terminierung einer Untersuchung), die letztlich der mit Rücksicht auf Art. 6 GG intendierten Aufenthaltsbeendigung im Familienverband geschuldet sind, stehen einer konkreten Vorbereitung der Aufenthaltsbeendigung nicht entgegen. Für die Beurteilung der Frage, ob konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehen, ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Beantragung einer Duldung zum Zwecke einer zeitnah aufzunehmenden, konkret bezeichneten Berufsausbildung unter Vorlage geeigneter Nachweise abzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 24.9.2018 - 10 CE 18.1825 - juris Rn. 4; B.v. 22.1.2018 - 19 CE 18.51 -; B.v. 31.7.2017 - 19 CE 17.1032 - jew. juris). Wird die Aufnahme einer Berufsausbildung schon während des Asylverfahrens angestrebt, ist mithin auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für eine Ausbildungsduldung zur Entstehung gelangen (vgl. Fleuß, die Ausbildungsduldung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 4 bis 12 AufenthG, VerwArchiv 2018, 261/284). Der Anspruch auf Duldung wegen Aufnahme einer qualifizierten Ausbildung ist nicht dazu bestimmt, eine bislang nicht vorhandene gute Bleibeperspektive (erst) durch die Ausbildung zu begründen. Auch soll es nicht der jeweilige Ausbildungsbetrieb in der Hand haben, durch Abschluss eines Berufsausbildungsvertrags schon während eines laufenden Asylverfahrens einen Weg in die Erwerbsmigration zu ebnen. Dem Interesse eines Ausbildungsbetriebs und des Ausländers an Rechtssicherheit kann während laufendendem Asylverfahren, d.h. zu einem Zeitpunkt, in dem sich die Bleibeperspektive als ungewiss darstellt, nicht die vom Gesetzgeber intendierte Schutzwürdigkeit zugebilligt werden.

Nach diesen Maßgaben kommt es vorliegend nicht mehr auf den vom Antragsteller zu 1 vor Abschluss des Asylverfahrens am 17. November 2016 gestellten Antrag auf (asylrechtliche) Beschäftigungserlaubnis zur Berufsausbildung als Koch (unter Vorlage eines Ausbildungsvertrages) an. Diese Beschäftigungserlaubnis wurde durch Bescheid vom 27. Januar 2017 abgelehnt; die Beantragung von Prozesskostenhilfe für ein dagegen gerichtete Klageverfahren wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 9. Juli 2018 abgelehnt (vgl. Az.: Ro 3 K 17.30464; die dagegen gerichteten Beschwerde hat der Senat durch Beschluss vom heutigen Tag im Verfahren 19 C 18.1605 im Hinblick auf § 80 AsylG verworfen).

Dem nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens gestellten Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung vom 17. Mai 2017 ist vom Verwaltungsgericht zu Recht keine hinreichende Erfolgsaussicht zugemessen worden.

Der Vorrang der Ausreisepflicht nach bestandskräftigem Abschluss des Asylverfahrens des Antragstellers zu 1 wird nicht dadurch infrage gestellt, dass die Abschiebung des Familienverbandes des Klägers wegen noch fehlender Passersatzpapiere bzw. eines Heimreisescheins für den Antragsteller zu 4 und aufgrund einer Erkrankung der Ehefrau (vorübergehend) ausgesetzt war. Ein vorübergehendes, zeitlich absehbares Abschiebungshindernis vermag an der geringen Bleibeperspektive des Klägers nichts Grundsätzliches zu ändern. Es verbleibt vielmehr in Fällen wie dem vorliegenden dabei, in denen nach bestandskräftigem und erfolglosem Abschluss des Asylverfahrens die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung absehbar ist, entsprechend dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen der Durchsetzung der Ausreisepflicht den Vorrang einzuräumen (vgl. BT-Drucks. 18/9090, S. 25). Mit der Übertragung der Zuständigkeit auf die für die Aufenthaltsbeendigung zuständige Zentrale Ausländerbehörde O. zum 30. Mai 2017, der Beschaffung von Heimreisepapieren für den Antragsteller zu 4 und der Veranlassung einer Untersuchung der Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2 sind konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung absehbar. Wenn lediglich vorübergehend wirkende tatsächliche oder rechtliche Hindernisse einer Abschiebung (noch) entgegenstehen, die die Aufenthaltsbeendigung letztlich nicht in einen zeitlich nicht überschaubaren - ungewissen - Rahmen verlagern, der ein Bedürfnis für die vom Gesetzgeber angestrebte Rechtssicherheit für Geduldete und Ausbildungsbetriebe hervorrufen könnte, bleibt es beim Vorrang der Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. VG Schleswig-Holstein, B.v. 12.1.2018 - 1 B 2/18 - juris Rn. 14).

Die Bestimmungen über die Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 ff. Aufwendig ersetzen nicht die Beschäftigungserlaubnis; erst wenn im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 Aufwendig i.A. § 32 Abs. 1 Satz 1 BeschV eine Beschäftigungserlaubnis erteilt ist, kann eine Ausbildung in rechtmäßiger Weise aufgenommen werden (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2017 - 19 CE 17.1079 -; B.v. 25.1.2017 - 10 CE 16.2342 - juris Rn. 1 m.w.N.; VGH BW, B.v. 13.10.2016 - 11 S 1991/16 - juris Rn. 14; OVG Nds, B.v. 9.12.2016 - 8 ME 184/16 - juris Rn. 6). Allerdings ist das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 und 6 AufenthG im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Beschäftigungserlaubnis in der Regel ermessensleitend zu berücksichtigen, nachdem die Bestimmungen in § 4 AufenthG und in der BeschV, die in Fällen der vorliegenden Art der Behörde ein weit gespanntes Ermessen eröffnen, ohne Kenntnis von dem erst neuerdings geschaffenen Rechtsinstitut der Ausbildungsduldung erlassen worden sind und die Bestimmungen über die Ausbildungsduldung diese als strikten Rechtsanspruch ausgestalten (vgl. BayVGH, B.v. 29.3.2018 - 19 CE 17.2317 -; im Ergebnis ebenso OVG Hamburg, B.v. 5.9.2017 - 1 Bs 175/17 - AuAS 2018, 6; juris Rn. 20 ff., insbes. Rn. 25 ff.; HessVGH, B.v. 15.2.2018 - 3 B 2137/17 - juris Rn. 12; tendenziell auch VGH BW, B.v. 27.6.2017 - 11 S 1067/17 - juris Rn. 13; Wittmann, ZAR 2017, 345/349, Eichler, Asylmagazin 2017, 180/181).

Nachdem die Erteilungsvoraussetzungen einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG nicht vorliegen und der Vollziehung der Ausreisepflicht nach negativem Abschluss des Asylverfahrens der Vorrang gebührt, ist auch die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 BeschV nicht ermessensintendiert.

2. Der beabsichtigten Rechtsverfolgung kommt auch im Hinblick auf die geltend gemachte Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 2 keine hinreichende Erfolgsaussicht zu.

Ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG lässt sich aufgrund einer Erkrankung in zwei Fällen begründen: Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange der Ausländer wegen Erkrankung transportunfähig ist, d.h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens“ wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie - außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne). Von einem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis ist auch dann auszugehen, wenn sich die Erkrankung des Ausländers gerade aufgrund der zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland wesentlich verschlechtert, und nicht nur, wenn ein Suizid während der Abschiebung droht (BayVGH, B.v. 5.1.2017 - 10 CE 17.30 - juris Rn. 4 zu § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Nach dem mit Wirkung zum 17. März 2016 (Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016 ) eingeführten § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, wenn nicht der Ausländer eine im Rahmen der Abschiebung beachtliche Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft macht. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände enthalten, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Ein Attest, dem nicht zu entnehmen ist, wie es zu den prognostizierten Folgerungen kommt und welche Tatsachen dieser Einschätzung zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen Reiseunfähigkeit zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2017 - 19 CE 17.1541 - juris Rn. 16; B.v. 11.4.2017 - 10 CE 17.349 - juris Rn. 19; B.v. 5.1.2017 - 10 CE 17.30 - juris Rn. 7). Wird die geltend gemachte Erkrankung, die durch die Abschiebung beeinträchtigt werden soll, nicht durch eine qualifizierte Bescheinigung im Sinne von § 60a Abs. 2c AufenthG belegt, so wird auch die gesetzliche Vermutung für die Reisefähigkeit nicht widerlegt (BayVGH, B.v. 5.1.2017 - 10 CE 17.30 - juris Rn. 4).

Mit den für die Antragstellerin zu 2 erstmals im Beschwerdeverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen (medbo Dr. L.) vom 23. Januar 2018, vom 28. Februar 2018 und vom 26. Juli 2018 sowie dem Behandlungsbericht über den stationären Aufenthalt vom 21. November 2018 wird nach diesen Maßgaben weder eine Reiseunfähigkeit im engeren Sinne noch eine Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne glaubhaft gemacht.

In den vorgelegten Attesten wird die Angst vor Abschiebung und das wiederholte eigenmächtige Absetzen der medikamentösen Behandlung durch die Antragstellerin zu 2 thematisiert. Eine akute Suizidalität wird in den Bescheinigungen vom 23. Januar 2018 und vom 28. Februar 2018 verneint. Ausweislich der Bescheinigung vom 26. Juli 2018 ist eine genaue Anamnese kaum möglich, da die Antragstellerin zu 2 nur russisch spreche. Abgesehen davon, dass den vorgelegten Bescheinigungen bereits die Aktualität fehlt, um Aussagen zur aktuellen Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2 zu treffen, setzt die in der Bescheinigung vom 28. Februar getroffene ärztliche Feststellung einer fehlenden Reisefähigkeit sich nicht mit einer naheliegenden Instrumentalisierung des Krankheitsbildes zur Vermeidung aufenthaltsbeendender Maßnahmen sowie möglichen Vorkehrungen zur Vermeidung einer Gesundheitsgefährdung im Rahmen des Abschiebungsvorgangs auseinander. Der Bericht über die stationäre Behandlung der Antragstellerin zu 2 vom 3. September 2018 bis zum 19. Oktober 2018 enthält sich jeglicher Aussagen zur Reisefähigkeit der Antragstellerin, sieht das Beschwerdebild thematisch auf die drohende Abschiebung eingeengt, weswegen sich die Patientin auch aufgrund sprachlicher Barrieren in Einzelgesprächen kaum lenkbar erwiesen habe, und attestiert keine akute Eigen- oder Fremdgefährdung.

Genügt ein vom Ausländer vorgelegtes Gutachten nicht den Anforderungen an den Nachweis einer Reiseunfähigkeit, bleibt die Ausländerbehörde gleichwohl verpflichtet, den Sachverhalt weiter aufzuklären, wenn sich aus den vorliegenden ärztlichen Äußerungen, dem Vortrag des Ausländers oder sonstigen Erkenntnisquellen ausreichende Indizien für eine Reiseunfähigkeit ergeben (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand 2/2016, A 1, § 60a AufenthG, Rn. 61 mit Verweis auf VGH BW, B.v. 6.2.2008 - 11 S 2439/07 - juris Rn. 9). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat gegebenenfalls durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung (Duldung) oder durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - juris Rn. 10). Dem hat der Antragsgegner durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung durch einen Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Forensische Psychiatrie am 20. September 2018 unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers zur Feststellung der Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2 durch Dr. R. Rechnung getragen. In dem fachärztlichen Gutachten vom 16. Oktober 2018 wird eine mittelgradige rezidivierende depressive Störung diagnostiziert und in vollem Umfang Flug- und Reisefähigkeit positiv festgestellt. Die Antragstellerin zu 2 sei trotz der vorliegenden Erkrankung sowohl körperlich als auch psychisch den Belastungen einer Rückführung nach Kasachstan gewachsen; sie sei in vollem Umfang rückführungsfähig. Es bestehe keine Eigen- oder Fremdgefährdung als Folge einer psychischen Erkrankung, auch keine Hinweise für eine akute oder latente Suizidalität. Ausweislich des Gutachtens sind eventuelle Suizidhandlungen bzw. Suizidandrohungen als Zweckreaktion gegen eine Rückführung einzuschätzen, dem durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen (Bewachungspersonal und ärztliche Begleitung) bei der Rückführung begegnet werden kann.

3. Keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat das Geltendmachen von „Vorwirkungen“ der beantragten Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG an den Antragsteller zu 3.

Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG keine Fiktionswirkung nach § 81 AufenthG auslöst. Es widerspräche der durch §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1 und 2, 81 Abs. 3 und 4 AufenthG vorgegebenen Systematik und Konzeption des Aufenthaltsgesetzes, denen zufolge für die Dauer eines Erteilungsverfahrens nur unter den in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG geregelten Voraussetzungen ein vorläufiges Bleiberecht besteht, darüber hinaus derartige „Vorwirkungen“ anzuerkennen und für die Dauer eines Erteilungsverfahrens eine Duldung vorzusehen (vgl. OVG NRW, B.v. 2.5.2006 - 18 B 437/06 - juris Rn. 2).

Abgesehen davon erfüllt der Antragsteller zu 3 die Voraussetzungen nach § 25a Abs. 1 AufenthG voraussichtlich nicht. Die Aufenthaltserlaubnis nach dieser Bestimmung soll - bei Bestehen weiterer Voraussetzungen - geduldeten jugendlichen oder heranwachsenden Ausländern erteilt werden. Der Antragsteller zu 3 ist weder Jugendlicher noch Heranwachsender im Sinne dieser Vorschrift ist. Nach der Definition des § 1 Abs. 2 JGG ist Jugendlicher, wer vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender wer achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist (vgl. zu den Altersgrenzen im Rahmen des § 25a Abs. 1 AufenthG: Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BT-Drs. 18/4097, S. 42; vgl. BayVGH, B.v. 29.10.2018 - 10 C 18.1781 - juris Rn. 5; Nds OVG, B.v. 7.9.2017 - 13 ME 157/17 - juris Rn. 11). Kinder teilen grundsätzlich das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Erziehungsberechtigten (vgl. OVG Saarl, B.v. 27.3.2018 - 2 A 267/16 - juris). Der Kläger wird erst am 22. August 2019 das 14. Lebensjahr vollenden und kann damit nicht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG beanspruchen.

4. Schließlich fehlt es für eine hinreichend erfolgsversprechende Rechtsverfolgung auch an einem geltend gemachten Duldungsgrund nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zur Fortsetzung der Schulausbildung des Antragstellers zu 3 oder zur Unterstützung der volljährigen Tochter der Antragsteller zu 1 und 2.

Nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Der aus der Schulpflicht folgende Schulbesuch des Antragstellers zu 3 in der Jahrgangsstufe 7 der Mittelschule ist - ungeachtet der schulischen Erfolge - nicht geeignet, derartige dringende humanitäre oder persönliche Gründe zu belegen, zumal auch ein schulischer Abschluss nicht unmittelbar bevorsteht. Da der minderjährige Antragsteller zu 3 das aufenthaltsrechtliche Schicksal seiner Eltern teilt, kommt es auf die Integration des Antragstellers zu 3 im örtlichen Fußballverein nicht entscheidend an.

Hinsichtlich der geltend gemachten psychischen Belastung der volljährigen Tochter der Antragsteller zu 1 und 2 ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Tochter auf die Lebenshilfe der Antragsteller unabdingbar angewiesen wäre.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 2 VwGO. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO). Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es im Hinblick auf § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG nicht.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 1 VwGO).

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Referenzen - Gesetze

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2018 - 19 C 18.54 zitiert 24 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 80 Ausschluss der Beschwerde


Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 127 Entscheidungen


(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 161


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 3 Höhe der Kosten


(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 81 Beantragung des Aufenthaltstitels


(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist u

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 4 Erfordernis eines Aufenthaltstitels


(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 50 Ausreisepflicht


(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht. (2) Der Ausländer hat da

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 158


(1) Die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. (2) Ist eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen, so ist die Entscheidung über die

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 25a Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und jungen Volljährigen


(1) Einem jugendlichen oder jungen volljährigen Ausländer, der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c oder seit mindestens zwölf Monaten im Besitz einer Duldung ist, soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn1.er sich seit drei Jahre

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 1 Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich


(1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist. (2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsend

Beschäftigungsverordnung - BeschV 2013 | § 32 Beschäftigung von Personen mit Duldung oder Aufenthaltsgestattung


(1) Ausländerinnen und Ausländern, die eine Duldung besitzen, kann eine Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn sie sich seit drei Monaten erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhalten. Die

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2017 - 10 CE 17.30

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Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250 Euro festgesetzt. Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2017 - 10 CE 16.2342

bei uns veröffentlicht am 25.01.2017

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt. Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Sept. 2018 - 10 CE 18.1825

bei uns veröffentlicht am 24.09.2018

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. August 2018 wird der Streitwert für bei

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2018 - 19 CE 17.2247

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Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt. Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2016 - 19 CE 16.2025

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2017 - 19 CE 17.1079

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2017 - 19 CE 17.1032

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Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerde-verfahrens zu tragen. III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 Euro festgesetzt. Gründe I. Der Antrag

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2017 - 10 CE 17.349

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Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250‚- Euro festgesetzt. Gründe

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2018 - 19 CE 18.51

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Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 31. Juli 2018 - 1 B 2/18

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Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 05. Sept. 2017 - 1 Bs 175/17

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 13. Okt. 2016 - 11 S 1991/16

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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 21. Juni 2016 - 2 M 16/16

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 06. Feb. 2008 - 11 S 2439/07

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 01. Feb. 2019 - 11 C 18.1631

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Tenor In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 4. Juli 2018 wird dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten Rechtsanwalt F* …, E* …, mit der Maßgabe bewilligt,

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Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 02. Apr. 2019 - Au 6 E 19.389

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 30. Jan. 2019 - 19 CE 18.1725

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Tenor I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 26. Juli 2018 in den Nrn. I und II wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. II. Der Antragssteller trägt die Kosten des Verfahrens i

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(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Tenor

1. Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 1. Dezember 2015 - L 9 AR 38/15 SO ER/L 9 AR 38/15 SO ER PKH - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes, soweit dadurch sein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt wird. Er wird insoweit aufgehoben. Die Sache wird insoweit an das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Schleswig-Holstein hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten. Damit erledigt sich der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Verfassungsbeschwerdeverfahren.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung eines sozialgerichtlichen Urteils.

I.

2

1. Mit Bescheid vom 24. April 2013 bewilligte die Beklagte des Ausgangsverfahrens dem minderjährigen Beschwerdeführer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) ab dem 5. März 2013 und lehnte die vom Beschwerdeführer zugleich begehrte rückwirkende Leistungsgewährung für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 4. März 2013 ab. Ein gegen den Bescheid vom 24. April 2013 insoweit durchgeführtes Widerspruchsverfahren blieb erfolglos.

3

2. Das Sozialgericht verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 21. Mai 2015 zur Erbringung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch zugunsten des Beschwerdeführers für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 4. März 2013 unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 24. April 2013 und des Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 2013. Entscheidend für die Frage eines Leistungsanspruchs ab dem 1. Juli 2012 sei die Tatsache, wann die Beklagte davon Kenntnis erlangt habe, dass der Beschwerdeführer keine Unterhaltszahlungen seines Vaters mehr erhielt. Anspruchsbegründend sei gemäß § 18 Abs. 1 SGB XII die Kenntnis der Beklagten vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Leistungen. Die Kenntnis der Beklagten von der Tatsache, dass das Einkommen des Beschwerdeführers in Form der Unterhaltszahlungen seines Vaters ab Juli 2012 entfallen sei, sei ausreichend, um ihr die gemäß § 18 Abs. 1 SGB XII erforderliche Kenntnis zu vermitteln. Hierzu stünden sich die Angaben der Beklagten, die diese Kenntnis vor dem 5. März 2013 bestreite, und der Vortrag des Beschwerdeführers, der gestützt werde von der Aussage der Zeugin, seiner Großmutter, gegenüber. Aufgrund der Beweisaufnahme sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Beschwerdeführer der Beklagten durch seine Großmutter bereits im Juni 2012 mitgeteilt habe, dass er ab Juli 2012 keine Unterhaltszahlungen seines Vaters mehr erhalten würde.

4

3. Die Beklagte legte Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ein und beantragte die Aussetzung der Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Aussetzungsverfahren.

5

4. Mit Beschluss vom 1. Dezember 2015 setzte das Landessozialgericht im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts bis zur Erledigung des Rechtsstreits im Berufungsverfahren aus. Gleichzeitig lehnte es mit dem insoweit mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss den Prozesskostenhilfeantrag des Beschwerdeführers für das Aussetzungsverfahren ab.

6

Bei der nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG vorzunehmenden Interessenabwägung seien einerseits die Erfolgsaussichten der Berufung, andererseits das Interesse des Beschwerdeführers an der Vollziehung des Urteils und schließlich das Interesse der Beklagten im Berufungsverfahren daran zu berücksichtigen, nicht vor einer endgültigen Klärung der Rechtslage vorläufig leisten zu müssen. Ob die Berufung erfolgreich sein werde, lasse sich derzeit nicht abschätzen. Mit der Sach- und Rechtslage im Einzelnen werde sich der Senat im Rahmen seiner Entscheidung im Berufungsverfahren zu befassen haben. Gewichtige Zweifel daran, dass die Beklagte bereits ab dem 1. Juli 2012 den geänderten Bedarf hätte berücksichtigen müssen, weil ihr die anspruchsbegründende Tatsache des nicht länger gezahlten Unterhalts durch den Vater bekannt gewesen sei, habe die Beklagte in ihrem am 5. November 2015 beim Landessozialgericht eingegangenen Schriftsatz aufgezeigt. Aufgrund der dort aufgeführten rechtlichen Argumente gegen die Rechtmäßigkeit des erstinstanzlichen Urteils wie auch angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer seit dem 5. März 2013 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch erhalte, erscheine es bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung sachgerecht, die Aussetzung der Vollstreckung bis zur Erledigung des Rechtsstreits anzuordnen. Der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung habe keinen Erfolg, auch wenn es von der Beklagten gegen das insoweit den Beschwerdeführer begünstigende Urteil eingeleitet worden sei. Die Gewährung scheitere daran, dass für dieses rechtlich eigenständige Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG die auch hier erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverteidigung bei summarischer Prüfung zu verneinen sei.

II.

7

1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG durch die Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrags für das Aussetzungsverfahren.

8

Das Landessozialgericht verkenne die Anforderungen an die hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung. Eine Vollstreckungsaussetzung nach § 199 SGG komme nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur in dem Ausnahmefall der offensichtlichen Unrichtigkeit des Urteils des Sozialgerichts in Betracht. Ein Fall der offensichtlichen Unrichtigkeit sei aber nicht gegeben, wenn das Sozialgericht - wie vorliegend - verfahrensfehlerfrei seine Entscheidung auf das Ergebnis einer Beweisaufnahme stütze.

9

2. Das Land Schleswig-Holstein hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des Ausgangsverfahrens wurden beigezogen.

III.

10

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung eines in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechts angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 ff.>), die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Der Beschluss des Landessozialgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

11

1. Das Grundgesetz gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 f.> m.w.N.). Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet. Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien werden auf den Weg vor die Gerichte verwiesen. Dies bedingt zugleich, dass der Staat Gerichte einrichtet und den Zugang zu ihnen jedermann in grundsätzlich gleicher Weise eröffnet. Daher ist es geboten, Vorkehrungen zu treffen, die auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht ermöglichen. Art. 3 Abs. 1 GG stellt die Beachtung dieses Gebotes der Rechtsschutzgleichheit unter grundrechtlichen Schutz.

12

Derartige Vorkehrungen sind im Institut der Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) getroffen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>). Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfe-verfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Dem genügt das Gesetz, indem es die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies bedeutet zugleich, dass Prozesskostenhilfe verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist.

13

Die Auslegung und Anwendung des § 114 ZPO (hier in Verbindung mit § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG) obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten, die dabei den - verfassungsgebotenen - Zweck der Prozesskostenhilfe zu beachten haben (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>). Das Bundesverfassungsgericht kann hier nur eingreifen, wenn Verfassungsrecht verletzt ist, insbesondere wenn die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit beruhen. Hierbei hat es zu berücksichtigen, dass die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in engem Zusammenhang mit der den Fachgerichten vorbehaltenen Feststellung und Würdigung des jeweils entscheidungserheblichen Sachverhalts und der ihnen gleichfalls obliegenden Auslegung und Anwendung des jeweils einschlägigen materiellen und prozessualen Rechts steht. Die Fachgerichte überschreiten den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht verfassungsrechtlich zukommt, erst dann, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert wird. Das ist namentlich dann der Fall, wenn das Fachgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überspannt und dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlt wird (vgl. BVerfGE 81, 347 <357 f.>).

14

2. Diese Anforderungen hat das Landessozialgericht offensichtlich nicht beachtet. Es hat die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverteidigung im Anordnungsverfahren überspannt und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe verfehlt.

15

a) Das Landessozialgericht ging bei der Prüfung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe davon aus, dass die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverteidigung im seiner Ansicht nach rechtlich selbständigen Aussetzungsverfahren (zur umstrittenen Annahme einer Selbständigkeit des Verfahrens nach § 199 Abs. 2 SGG vgl. BSG, Beschluss vom 6. August 1999 - B 4 RA 25/98 B -, juris, Rn. 36; auch Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 199 Rn. 7c) zu verneinen sei. Maßgeblich dafür war für das Landessozialgericht die von ihm nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG vorgenommene Interessenabwägung, die zu Lasten des Beschwerdeführers ausfalle.

16

Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht hier jedoch offensichtlich. Die sozialgerichtliche Rechtsprechung nimmt ganz überwiegend an, dass ein Antrag eines zu Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) oder dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhil- fe - (SGB XII) verurteilten Leistungsträgers auf Aussetzung der Vollstreckung nur in seltenen Fällen zur vorläufigen Nichtgewährung zugesprochener existenzsichernder Leistungen im Wege des Verfahrens nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG führen könne (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 18. Januar 2013 - L 8 AY 5/12 ER -, juris, Rn. 12; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Juni 2008 - L 7 AS 2955/08 ER -, juris, Rn. 4). Auch das Bundessozialgericht geht bei Berufungen und Revisionen, die - wie es auch hier der Fall ist - nach § 154 Abs. 2 SGG keine aufschiebende Wirkung haben, davon aus, dass eine Aussetzung der Vollziehung nur in Ausnahmefällen, nämlich wenn ein Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg habe, in Betracht komme (vgl. Beschluss vom 8. Dezember 2009 - B 8 SO 17/09 R -, juris, Rn. 9).

17

Ausgehend hiervon war das Landessozialgericht angesichts seiner Annahme, es lasse sich derzeit nicht abschätzen, ob die Berufung der Leistungsträgerin erfolgreich sein werde, gehalten, bei der Prüfung des Prozesskostenhilfeantrags des Beschwerdeführers von einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung im Aussetzungsverfahren auszugehen und dafür Prozesskostenhilfe zu gewähren. Indem das Gericht den Ausnahmecharakter einer stattgebenden Entscheidung im Aussetzungsverfahren nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG verkannt und damit die für eine Gewährung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung verneint hat, hat es einen Auslegungsmaßstab verwendet, der die Rechtsverteidigung für den unbemittelten Beschwerdeführer im Vergleich zur bemittelten Partei unverhältnismäßig erschwert hat. Denn wenn die Aussetzung der Vollstreckung nur im Ausnahmefall angeordnet werden soll, weil das Rechtmittel - wie hier - nach dem Willen des Gesetzgebers keine aufschiebende Wirkung hat, kann unter Beachtung der verfassungsgebotenen Gewähr von Rechtsschutzgleichheit demjenigen, der im Ausgangsverfahren bereits erfolgreich war, Prozesskostenhilfe nicht verwehrt werden, wenn er sich gegen den Aussetzungsantrag des Prozessgegners wendet und das Rechtsmittelgericht selbst nicht von einem Ausnahmefall ausgeht, in dem das Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat.

18

b) Es kann dahinstehen, ob das Landessozialgericht überhaupt die Erfolgs-aussichten der Rechtsverteidigung des Beschwerdeführers im Aussetzungsverfahren nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG prüfen konnte oder ob bereits die Nichtgewährung von Prozesskostenhilfe unter Missachtung von § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO, wonach die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem höheren Rechtszug nicht zu prüfen ist, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat, als Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in Form des Willkürverbots (vgl. BVerfGK 4, 93 <94 f.>) anzusehen ist.

19

c) Die Entscheidung des Landessozialgerichts beruht auf der unzureichenden Beachtung der sich aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden Anforderungen. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass das Landessozialgericht bei einer verfassungsrechtlich gebotenen Befassung mit dem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

IV.

20

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung ergibt sich aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Verfassungsbeschwerdeverfahren erledigt sich insoweit, als das Land Schleswig-Holstein zur Kostenerstattung verpflichtet wird (vgl. BVerfGE 105, 239 <252>). Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>). Es ist nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer ein über den festgesetzten Betrag hinausgehendes Interesse hat.

21

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

1. Dem Beschwerdeführer wird Wiedereinsetzung in die Verfassungsbeschwerdefrist gewährt.

2. Der Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 27. März 2015 - 011 O 715/15 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 13. Mai 2015 - 1 W 804/15 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben, soweit sie dem Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe für den Zeitraum vom 19. September 2014 bis zum 30. Oktober 2014 versagen.

3. Die Sache wird in diesem Umfang zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen.

4. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

5. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer 4/5 seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.

6. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zurückweisung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern wegen menschenunwürdiger Unterbringung in Strafhaft.

2

1. Mit Schriftsatz an das Landgericht A. vom 24. Februar 2015 übersandte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst Klageentwurf für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern. Er machte geltend, 53 Tage lang unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Justizvollzugsanstalt L. in Haft gewesen zu sein. Im Zeitraum vom 19. September 2014 bis zum 10. November 2014 sei er neben drei weiteren Mitgefangenen im Haftraum Nr. 041 untergebracht gewesen. Der Haftraum habe inklusive Möblierung und Toilettenbereich eine Gesamtgrundfläche von 17,45 m2 gehabt.

3

Der Beschwerdeführer monierte unter anderem den Verlust jeglicher Privatsphäre und unzumutbare Belastungen der Gefangenen, die aus dem erzwungenen engen körperlichen Kontakt rührten.

4

2. Mit angegriffenem Beschluss vom 27. März 2015 verweigerte das Landgericht dem Beschwerdeführer die Prozesskostenhilfe. Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs führte das Landgericht - soweit hier erheblich - aus, dass sich nicht abstrakt-generell klären lasse, ob der Vollzug einer Strafhaft als menschenunwürdig anzusehen sei; vielmehr bedürfe es jeweils einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls. Dabei kämen als Faktoren, die eine aus den räumlichen Haftbedingungen resultierende Verletzung der Menschenwürde indizierten, in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen in Betracht, namentlich Abtrennung und Belüftung der Toilette. Eine Menschenwürdeverletzung sei danach nicht festzustellen.

5

Allein aus der Bodenfläche eines Haftraums könne nicht auf menschenunwürdige Verhältnisse geschlossen werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ginge bei der Anwendung von Art. 3 EMRK von einem Regelwert von 4 m2 je Inhaftierten aus, der hier eingehalten sei. Darüber hinaus hätten dem Beschwerdeführer täglich umfangreiche Aufschlusszeiten und Freizeitangebote zur Verfügung gestanden.

6

Ein etwaiger Anspruch des Beschwerdeführers sei auch gemäß § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, da der Beschwerdeführer es mit der Konsequenz eines völligen Anspruchsverlusts unterlassen habe, die Beeinträchtigung seiner Menschenwürde durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

7

3. Mit Schriftsatz vom 28. April 2015 legte der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde ein, die das Oberlandesgericht mit angegriffenem Beschluss vom 13. Mai 2015 zurückwies.

8

Die sofortige Beschwerde sei unbegründet, da nach der gebotenen Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls eine menschenunwürdige Unterbringung nicht vorliege. Nach unbestrittenem Vortrag des Freistaats sei der Beschwerdeführer zum einen nur bis zum 30. Oktober 2014 im Gemeinschaftshaftraum Nr. 041 und danach in einem Einzelhaftraum untergebracht gewesen. Der Haftraum Nr. 041 sei zudem - zuletzt unstreitig - nicht dauerhaft mit vier Gefangenen belegt gewesen.

9

Auch bei voller Belegung könne eine menschenrechtswürdige Unterbringung nicht angenommen werden. Der Bundesgerichtshof habe die Rechtsprechung zur Frage einer menschenunwürdigen Unterbringung zusammengefasst und dabei auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in zu Art. 3 EMRK in seine Erwägungen einbezogen. Die Haftraumgröße habe stets mehr als den Regelwert des EGMR von 4 m2 pro Person betragen.

10

4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seines Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

11

5. Dem Justizministerium des Freistaats Bayern sowie der Präsidentin des Bundesgerichtshofs wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie halten die Verfassungsbeschwerde jeweils für unbegründet. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

12

Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, da dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.

13

1. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde, soweit sie den Zeitraum seit dem 31. Oktober 2014 betrifft. Laut den Feststellungen der Fachgerichte hatte der Beschwerdeführer seither einen Einzelhaftraum inne. Eine Verletzung von Verfassungsrecht ist insofern weder vorgetragen noch ersichtlich.

14

Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig. Zwar ist die Beschwerdeschrift gegen den am 21. Mai 2015 zugestellten Beschluss des Oberlandesgerichts erst am 24. Juni 2015 beim Bundesverfassungsgericht eingegangen. Dem Beschwerdeführer ist jedoch hinsichtlich der damit gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 und 2 BVerfGG versäumten Beschwerdefrist antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat die Verfassungsbeschwerde ausweislich des Poststempels am 18. Juni 2015 zur Post gegeben; bei gewöhnlicher Postlaufzeit wäre die Beschwerdeschrift rechtzeitig beim Bundesverfassungsgericht eingegangen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. März 2005 - 1 BvR 113/01 -, juris).

15

2. Die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich des Zeitraums vom 19. September 2014 bis zum 30. Oktober 2014 im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Rechtsschutzgleichheit rügt. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen Fragen zu Inhalt und Reichweite des aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 ff.>; 92, 122 <124>). Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit, soweit sie ihm Prozesskostenhilfe für den Zeitraum versagen, in dem er sich in Gemeinschaftshaft befand.

16

a) Die Gewährleistung der Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 9, 124 <130 f.>; stRspr). Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>).

17

Danach dürfen bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können. Dabei muss Prozesskostenhilfe nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe kann ungeachtet des Fehlens einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf Auslegungshilfen, die von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellt werden, ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Ist dies jedoch nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen fehlender Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfGE 81, 347 <359>). Ansonsten würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06 u.a. -, NVwZ 2006, S. 1156 <1157>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 - 1 BvR 1807/07 -, NJW 2008, S. 1060 <1061>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. November 2011 - 1 BvR 1403/09 -, juris).

18

b) Gemessen an diesen Grundsätzen halten die Prozesskostenhilfe versagenden Beschlüsse des Landgerichts und Oberlandesgerichts einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand, soweit sie die 42 Tage währende Gemeinschaftsunterbringung des Beschwerdeführers im Haftraum Nr. 041 betreffen. Sowohl Landgericht als auch Oberlandesgericht haben insofern ihre Einschätzung fehlender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung auf ein Verständnis der Menschenwürdegarantie in der gemeinschaftlichen Haftunterbringung gestützt, das in der bisherigen Rechtsprechung der Fachgerichte noch keine hinreichende Klärung gefunden hat. Die damit verbundenen Fragestellungen durften demnach nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden.

19

aa) Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung sind Landgericht wie Oberlandesgericht im Ansatz davon ausgegangen, dass die Frage nach der Menschenwürdigkeit der Unterbringung von Strafgefangenen von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände abhängt, wobei als Faktoren in räumlicher Hinsicht in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, zu beachten sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2015 - 1 BvR 1332/14 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. März 2016 - 2 BvR 566/15 -, juris) und als die Haftsituation mildernde oder verschärfende Merkmale der Umfang der täglichen Einschlusszeiten und die Belegdichte des Haftraums Berücksichtigung finden. Die Frage, wie diese Faktoren zu bewerten sind und insbesondere, ob oder unter welchen Bedingungen - wie es die angegriffenen Entscheidungen für ausreichend halten - auch eine anteilige Grundfläche von unterhalb von 6 m2 pro Strafgefangenen den Anforderungen der Menschenwürdegarantie genügen kann, ist in der Rechtsprechung nicht geklärt.

20

Allerdings lässt sich die Frage, wann die räumlichen Verhältnisse in einer Strafanstalt derart beengt sind, dass die Unterbringung eines Gefangenen dessen Menschenwürde verletzt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht abstrakt-generell klären, sondern muss der tatrichterlichen Beurteilung überlassen bleiben (beispielsweise BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - III ZR 342/12 -, BGHZ 198, 1). Danach kann es die Klärung eines verfassungsmäßigen Raummindestsolls im Sinne schematisch festgelegter allgemeiner Maßzahlen nicht geben (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09 -, NJW-RR 2010, S. 1465). Dies stellt jedoch nicht in Frage, dass es für die Anforderungen an menschenwürdige Haftbedingungen der Herausbildung auch übergreifender Grundsätze und Unterscheidungsmerkmale bedarf, die sowohl den Betroffenen als auch den Behörden Kriterien an die Hand geben, die die Beurteilung der Menschenwürdigkeit der Unterbringung hinreichend vorhersehbar machen.

21

bb) Diese Anforderungen sind zurzeit nicht geklärt und werden von den Gerichten verschieden beurteilt.

22

(1) So setzt die obergerichtliche Rechtsprechung bei mehrfach belegten Hafträumen zum Teil Regelwerte von 6, zum Teil auch von 7 m2 Bodenfläche pro Gefangenen an. Deren Unterschreitung wird zum Teil als Menschenwürdeverletzung beurteilt, wenn zugleich die Toilette nicht abgetrennt oder nicht gesondert entlüftet ist (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Juli 2003 - 3 Ws 578/03 -, NJW 2003, S. 2843 <2845>; OLG Hamburg, Urteil vom 14. Januar 2005 - 1 U 43/04 -, juris, Rn. 42; OLG Koblenz, Urteil vom 15. März 2006 - 1 U 1286/05 -, juris, Rn. 11 ff.). In anderen Fällen haben Fachgerichte eine Verletzung der Menschenwürde unabhängig hiervon allein wegen der Unterschreitung eines gewissen Bodenflächenmaßes bejaht, da die räumliche Enge eine Bewegung und Entfaltung der Gefangenen nicht erlaube (so OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21. Februar 2005 - 3 Ws 1342 - 1343/04 [StVollz] u.a. -, NStZ-RR 2005, S. 155 <156>: Menschenwürdeverletzung bei 3,84 m2 pro Gefangenen in Mehrfachbelegung bei abgetrennter Toilette; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 19. Juni 2008 - 11 U 24/07 -, juris, Rn. 26: 3,75 m2 pro Gefangenen bei hinzukommender Erschwernis der nicht abgetrennten Toilette). Die Oberlandesgerichte Hamm und Düsseldorf setzen einen fixen Schwellenwert von 5 m2 Grundfläche pro Gefangenen an, dessen Unterschreitung ungeachtet anderer Parameter eine Menschenwürdeverletzung bedinge (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. November 2011 - I-18 W 31/11, 18 W 31/11 -, juris; OLG Hamm, Urteil vom 29. September 2010 - 11 U 88/08, I-11 U 88/08 -, juris; Urteil vom 18. März 2009 - 11 U 88/08 -, juris; Beschluss vom 25. März 2009 - 11 W 106/08 -, NStZ-RR 2009, S. 326). Bezüglich der Unterbringung in einem Einzelhaftraum hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin eine längere Unterbringung in einem 5,25 m2 messenden Einzelhaftraum ohne abgetrennte Toilette für menschenwürdewidrig befunden und das Hauptaugenmerk auf die beengte Haftsituation gelegt (vgl. BerlVerfGH, Beschluss vom 3. November 2009 - VerfGH 184/07 -, LKV 2010, S. 26). Angesichts der Rechtsprechung (weitere Nachweise in BVerfGK 12, 417 <420 f.> sowie BGHZ 198, 1 <4 f.>) kann nicht als geklärt gelten, dass und unter welchen Umständen eine Haftraumfläche wie hier von weniger als 6 m2 den Erfordernissen der Menschenwürdegarantie des gemeinschaftlich untergebrachten Strafgefangenen entspricht.

23

(2) Ungeklärt ist auch die Frage des Verhältnisses der Anforderungen aus Art. 1 Abs. 1 GG zu denen aus Art. 3 EMRK. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist, bezogen auf das Verbot der Folter, der unmenschlichen oder erniedrigenden Bestrafungen oder Behandlung nach Art. 3 EMRK, von einem Richtwert von 4 m² Grundfläche pro Gefangenen ausgegangen (EGMR, Urteil vom 12. Juli 2007, Beschwerde-Nr. 20877/04, Testa ./. Kroatien, EuGRZ 2008, S. 21 Rn. 57 f.). Für erniedrigende Haftbedingungen spricht eine starke Vermutung, wenn ein Häftling nicht über 3 m2 Grundfläche verfügt (vgl. EGMR, Urteil vom 10. Januar 2012, Beschwerde-Nr. 42525/07 u. 60800/08 - Ananyev u. a. ./. Russland [Piloturteil] -, NVwZ-RR 2013, S. 284 <288>). Der Bundesgerichtshof hat betont, dass die Anforderungen des Grundgesetzes höher sind (vgl. BGHZ 198, 1 <6 f.>). Damit ist die hier zu entscheidende Rechtsfrage aber auch im Verhältnis zwischen Grundgesetz und EMRK fachgerichtlich ungeklärt.

24

(3) In der Rechtsprechung der Fachgerichte weitgehend offen ist auch die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage nach der Beurteilung einer Haftsituation durch die gemeinschaftliche Unterbringung auf engem Raum. Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass in der bloßen Tatsache einer - auch rechtswidrigen - Gemeinschaftsunterbringung nicht ohne Weiteres ein Verstoß gegen die Menschenwürde liegt (BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - III ZB 89/05 -, NJW 2006, S. 3572; vgl. zur Gemeinschaftshaft auch EGMR, Urteil vom 15. Juli 2002, Beschwerde-Nr. 47095/99 - Kalashnikov ./. Russland -, NVwZ 2005, S. 303 <304 f.>). Damit ist jedoch nicht geklärt, ob und unter welchen Umständen die Eigenheiten der Zwangsgemeinschaft im Einzelfall besondere Nachteile darstellen können. Offen ist bislang, wie sich die bei höherer Belegzahl auf geringem Raum auftretenden Stress- und Konfliktsituationen und die Anforderungen an eine unabdingbare Privatsphäre auf den Raumbedarf auswirken und welches Gewicht - auch ausgleichend - weitere Faktoren, wie etwa Einschlusszeiten, haben.

25

cc) Indem Landgericht und Oberlandesgericht der beabsichtigten Amtshaftungsklage ungeachtet dieser ungeklärten Rechtsfragen die Erfolgsaussicht von vornherein abgesprochen und in vollem Umfang Prozesskostenhilfe verweigert haben, haben sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf Rechtsschutzgleichheit verletzt. Die für die Beurteilung des Begehrens des Beschwerdeführers maßgeblichen Rechtsfragen durften nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden, sondern bedürfen einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren, die es dem Beschwerdeführer auch ermöglicht, diese gegebenenfalls einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen.

26

3. Die angegriffenen Beschlüsse beruhen im tenorierten Umfang auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Soweit das Landgericht ergänzend auf einen Anspruchsausschluss wegen Rechtsmittelsäumnis gemäß § 839 Abs. 3 BGB abstellt, trägt diese Erwägung die angegriffene Entscheidung nicht. Der entscheidenden Frage, ob der Beschwerdeführer nach der tatsächlichen Rechtspraxis im maßgeblichen Zeitpunkt effektiven Rechtsschutz hätte erlangen können und damit das Ergreifen der Rechtsschutzmöglichkeiten möglich, zumutbar und erfolgversprechend gewesen wäre, ist das Landgericht nicht nachgegangen (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09 -, NJW-RR 2010, S. 1465 <1465 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 409/09 -, NJW-RR 2011, S. 1043 <1046 f.>).

27

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandwerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 23. März 2012 - 21 O 613/11 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 15. Februar 2013 - 4 W 61/12 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes und werden aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Bayreuth zurückverwiesen.

3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

4. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

5. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zurückweisung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern wegen menschenunwürdiger Unterbringung in Strafhaft.

2

1. Mit Schriftsatz an das Landgericht Bayreuth vom 22. August 2011 übersandte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst Klageentwurf für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern. Er machte geltend, 125 Tage lang unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Justizvollzugsanstalt Bayreuth in Haft gewesen zu sein.

3

Im Zeitraum vom 30. April 2009 bis zum 1. September 2009 sei er neben sechs weiteren Mitgefangenen im Haftraum Nr. 106 untergebracht gewesen. Der Haftraum habe eine Gesamtgrundfläche von 25 m2 gehabt; neben der Möblierung habe sich darin eine vom übrigen Haftraum optisch abgetrennte, jedoch nicht gesondert entlüftete Toilette befunden.

4

2. Mit angegriffenem Beschluss vom 23. März 2012 verweigerte das Landgericht dem Beschwerdeführer die Prozesskostenhilfe. Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg; die Unterbringung des Beschwerdeführers sei nicht menschenunwürdig. Auf Grundlage der Angaben des Freistaats Bayern zu den Raumverhältnissen hätten dem Beschwerdeführer, der in verschiedenen Hafträumen untergebracht gewesen sei, anteilig zwischen 4,69 m2 und 5,75 m2 Haftraumfläche zur Verfügung gestanden. Raumhöhen zwischen 2,95 m und 3,75 m hätten für ein besseres Raumklima gesorgt; die Toiletten seien baulich abgetrennt und gesondert entlüftet gewesen. Durch Arbeitsaufnahme des Beschwerdeführers und Aufschlusszeiten sei die beengte Unterbringung weiter kompensiert worden.

5

3. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht mit angegriffenem Beschluss vom 15. Februar 2013 zurück. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs führte das Oberlandesgericht - soweit hier erheblich - aus, dass sich nicht abstrakt-generell klären lasse, ob der Vollzug der Haft als menschenunwürdig anzusehen sei; vielmehr bedürfe es jeweils einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls. Dabei kämen als Faktoren, die eine aus den räumlichen Haftbedingungen resultierende Verletzung der Menschenwürde indizierten, in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen in Betracht, namentlich Abtrennung und Belüftung der Toilette. Eine Menschenwürdeverletzung sei danach nicht festzustellen.

6

Die räumlichen Verhältnissen seien für sich betrachtet zwar vorübergehend "grenzlastig" gewesen, führten aber noch nicht zu einem Verstoß gegen Art. 1 GG. Als Grenzwert zur menschenunwürdigen Unterbringung sei eine Bodenfläche von 5 m2 je Gefangenen anzusehen. Dieser Grenzwert sei zwar für einen gewissen Zeitraum geringfügig unterschritten worden. Weitere Umstände, die zur Verschärfung der räumlichen Situation beigetragen hätten, seien aber nicht ersichtlich. Die Grenze zur menschenunwürdigen Unterbringung sei, auch eingedenk der Arbeits- und Aufschlusszeiten des Beschwerdeführers, noch nicht erreicht.

7

4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seines Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

8

5. Dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz sowie der Präsidentin des Bundesgerichtshofs wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie halten die Verfassungsbeschwerde jeweils für unbegründet. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

9

Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, da dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.

10

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen Fragen zu Inhalt und Reichweite des aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 ff.>; 92, 122 <124>). Die Verfassungsbeschwerde ist danach hinsichtlich der Rüge einer Verletzung der Rechtsschutzgleichheit im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zulässig und offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit.

11

a) Die Gewährleistung der Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 9, 124 <130 f.>; stRspr). Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>).

12

Danach dürfen bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können. Dabei muss Prozesskostenhilfe nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe kann ungeachtet des Fehlens einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf Auslegungshilfen, die von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellt werden, ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Ist dies jedoch nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen fehlender Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfGE 81, 347 <359>). Ansonsten würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06 u.a. -, NVwZ 2006, S. 1156 <1157>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 - 1 BvR 1807/07 -, NJW 2008, S. 1060 <1061>; Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 409/09 -, NJW-RR 2011, S. 1043 <1044> und vom 7. November 2011 - 1 BvR 1403/09 -, juris).

13

b) Gemessen an diesen Grundsätzen halten die Prozesskostenhilfe versagenden Beschlüsse des Landgerichts und Oberlandesgerichts einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sowohl Landgericht als auch Oberlandesgericht haben ihre Einschätzung fehlender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung auf ein Verständnis der Menschenwürdegarantie in der Haftunterbringung gestützt, das in der bisherigen Rechtsprechung der Fachgerichte noch keine hinreichende Klärung gefunden hat. Die damit verbundenen Fragestellungen durften demnach nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden.

14

aa) Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung sind Landgericht und Oberlandesgericht im Ansatz davon ausgegangen, dass die Frage nach der Menschenwürdigkeit der Unterbringung von Strafgefangenen von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände abhängt, wobei als Faktoren in räumlicher Hinsicht in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, zu beachten sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2015 - 1 BvR 1127/14 -, NJW 2016, S. 389 <390>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. März 2016 - 2 BvR 566/15 -, juris) und als die Haftsituation mildernde oder verschärfende Merkmale der Umfang der täglichen Einschlusszeiten und die Belegdichte des Haftraums Berücksichtigung finden. Die Frage, wie diese Faktoren zu bewerten sind und insbesondere, ob oder unter welchen Bedingungen - wie es die angegriffenen Entscheidungen für ausreichend halten - auch eine anteilige Grundfläche von unterhalb von 6 m2 pro Strafgefangenen den Anforderungen der Menschenwürdegarantie genügen kann, ist in der Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt.

15

Allerdings lässt sich die Frage, wann die räumlichen Verhältnisse in einer Strafanstalt derart beengt sind, dass die Unterbringung eines Gefangenen dessen Menschenwürde verletzt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht abstrakt-generell klären, sondern muss der tatrichterlichen Beurteilung überlassen bleiben (beispielhaft BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - III ZR 342/12 -, BGHZ 198, 1). Danach kann es die Klärung eines verfassungsmäßigen Raummindestsolls im Sinne schematisch festgelegter allgemeiner Maßzahlen nicht geben (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09 -, NJW-RR 2010, S. 1465). Dies stellt jedoch nicht in Frage, dass es für die Anforderungen an menschenwürdige Haftbedingungen der Herausbildung auch übergreifender Grundsätze und Unterscheidungsmerkmale bedarf, die sowohl den Betroffenen als auch den Behörden Kriterien an die Hand geben, die die Beurteilung der Menschenwürdigkeit der Unterbringung hinreichend vorhersehbar machen.

16

bb) Diese Anforderungen sind zurzeit nicht geklärt und werden von den Gerichten verschieden beurteilt.

17

So setzt die obergerichtliche Rechtsprechung bei mehrfach belegten Hafträumen zum Teil Regelwerte von 6 m2, zum Teil auch von 7 m2 Bodenfläche pro Gefangenen an. Deren Unterschreitung wird zum Teil als Menschenwürdeverletzung beurteilt, wenn zugleich die Toilette nicht abgetrennt beziehungsweise nicht gesondert entlüftet ist (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Juli 2003 - 3 Ws 578/03 -, NJW 2003, S. 2843 <2845>; OLG Hamburg, Urteil vom 14. Januar 2005 - 1 U 43/04 -, juris, Rn. 42; OLG Koblenz, Urteil vom 15. März 2006 - 1 U 1286/05 -, juris, Rn. 11 ff.). In anderen Fällen haben Fachgerichte eine Verletzung der Menschenwürde unabhängig hiervon allein wegen der Unterschreitung eines gewissen Bodenflächenmaßes bejaht, da die räumliche Enge eine Bewegung und Entfaltung der Gefangenen nicht erlaube (so OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21. Februar 2005 - 3 Ws 1342 - 1343/04 [StVollz] u.a. -, NStZ-RR 2005, S. 155 <156>: Menschenwürdeverletzung bei 3,85 m2 pro Gefangenen in Mehrfachbelegung bei abgetrennter Toilette; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 19. Juni 2008 - 11 U 24/07 -, juris, Rn. 26: 3,75 m2 pro Gefangenen bei hinzukommender Erschwernis der nicht abgetrennten Toilette). Die Oberlandesgerichte Hamm und Düsseldorf setzen einen fixen Schwellenwert von 5 m2 Grundfläche pro Gefangenen an, dessen Unterschreitung ungeachtet anderer Parameter eine Menschenwürdeverletzung bedinge (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. November 2011 - I-18 W 31/11, 18 W 31/11 -, juris; OLG Hamm, Urteil vom 29. September 2010 - 11 U 88/08, I-11 U 88/08 -, juris; Urteil vom 18. März 2009 - 11 U 88/08 -, juris; Beschluss vom 25. März 2009 - 11 W 106/08 -, NStZ-RR 2009, S. 326). Bezüglich der Unterbringung in einem Einzelhaftraum hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin eine längere Unterbringung in einem 5,25 m2 messenden Einzelhaftraum ohne abgetrennte Toilette für menschenwürdewidrig befunden und das Hauptaugenmerk auf die beengte Haftsituation gelegt (vgl. BerlVerfGH, Beschluss vom 3. November 2009 - VerfGH 184/07 -, LKV 2010, S. 26). Angesichts der Rechtsprechung (weitere Nachweise in BVerfGK 12, 417 <420 f.> sowie BGHZ 198, 1 <4 ff.>) kann nicht als geklärt gelten, dass und unter welchen Umständen eine Haftraumfläche wie hier von weniger als 6 m2 den Erfordernissen der Menschenwürdegarantie des gemeinschaftlich untergebrachten Strafgefangenen entspricht.

18

cc) Indem Landgericht und Oberlandesgericht der beabsichtigten Amtshaftungsklage ungeachtet dieser ungeklärten Rechtsfrage die Erfolgsaussicht von vornherein abgesprochen und Prozesskostenhilfe verweigert haben, haben sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf Rechtsschutzgleichheit verletzt. Die für die Beurteilung des Begehrens des Beschwerdeführers maßgeblichen Rechtsfragen durften nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden, sondern bedürfen einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren, die es dem Beschwerdeführer auch ermöglicht, diese gegebenenfalls einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen.

19

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandwerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Oktober 2012 - VG 19 K 68.12 V - und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. März 2013 - OVG 3 M 110.12 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg wird aufgehoben und die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 10.000 Euro (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Ablehnung von Prozesskostenhilfe in einem aufenthaltsrechtlichen Verfahren.

2

1. Der am 21. März 1976 geborene Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger und reiste erstmals im Jahre 1999 in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag blieb erfolglos. Er lebte seit dem Jahr 2001 in Bremen mit seiner Lebensgefährtin zusammen, die am 4. November 2001 ein Kind gebar. Am 30. März 2004 wurde ein zweites Kind ebenfalls in Bremen geboren. Für beide Kinder hat der Beschwerdeführer zwischenzeitlich die Vaterschaft anerkannt und mit seiner Lebensgefährtin die gemeinsame elterliche Sorgeerklärung abgegeben. Am 21. Februar 2005 wurde er aus dem Bundesgebiet abgeschoben. Zu diesem Zeitpunkt war seine Lebensgefährtin mit dem dritten Kind schwanger. Dieses wurde in Abwesenheit des Beschwerdeführers am 7. Juni 2005 geboren. Seine Lebensgefährtin ist im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Die Kinder verfügen über davon abgeleitete Aufenthaltserlaubnisse. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich nicht verurteilt worden.

3

2. Seit dem Jahre 2005 stellte er zahlreiche Visumsanträge bei der Deutschen Botschaft in Lagos, wobei auf Ermittlungsschreiben der Deutschen Botschaft vom 14. August 2007 und vom 20. Oktober 2008 das Oberlandesgericht mit Schreiben vom 7. Mai 2009 die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses erteilte. Mehrere Termine zur Eheschließung waren im Jahr 2009 und 2010 vor dem Standesamt in Bremen bestimmt. Die Ausländerbehörde Bremen stimmte der Visumserteilung nicht zu, so dass die Deutsche Botschaft in Lagos den Antrag auf Erteilung eines Einreisevisums zum Zwecke der Eheschließung ablehnte.

4

Am 12. März 2010 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Visumsantrag zur Familienzusammenführung gemäß § 36 Abs. 2 AufenthG. Mit Bescheid vom 14. September 2011 lehnte die Deutsche Botschaft auch diesen Antrag ab, da der Lebensunterhalt nicht gesichert sei. Die hiergegen gerichtete Remonstration des Beschwerdeführers wurde ebenfalls abgelehnt.

5

3. Am 14. Februar 2012 reichte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht eine beabsichtigte Klage ein und beantragte für diese die Gewährung von Prozesskostenhilfe.

6

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 12. Oktober 2012 ab. Zwar sei es möglich, für die beabsichtigte Klage Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund des rechtzeitig gestellten, aber vor Ablauf der Klagefrist nicht entschiedenen Prozesskostenhilfeantrags zu gewähren. Ein Anspruch des Beschwerdeführers gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, der im Übrigen lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung begründe, scheitere jedoch, da keine außergewöhnliche Härte vorliege. Diese setze gegenüber einer besonderen Härte eine weitere Steigerung voraus, die nicht vorliege. Zwar sei es für die tägliche Betreuung und Versorgung der Kinder des Beschwerdeführers günstiger, wenn auch er bei ihnen lebe. Anhaltspunkte dafür, dass dies etwa zur Abwendung eines sonst drohenden Betreuungsnotstandes unerlässlich sei, bestünden aber nicht. Es bestünden auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Visumserteilung in hohem Maße aus Gründen des Kindeswohls geboten sei. Auch wenn die Kindesmutter einer Erwerbstätigkeit nachgehe, folge daraus nicht, dass die sieben, acht und fast elf Jahre alten Kinder, die der Schulpflicht unterlägen, unverzichtbar oder in bedeutsamen Umfang zu ihrer gedeihlichen Entwicklung des Beistandes ihres seit dem Jahre 2005 nicht mehr im Bundesgebiet aufhältigen Vaters zwingend bedürften. Die Führung einer familiären Lebensgemeinschaft erscheine auch in Nigeria möglich. Etwas anderes ergebe sich weder aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch aus Art. 8 EMRK. Auch ein Anspruch auf Visumserteilung zum Zweck der beabsichtigten Eheschließung und der anschließenden Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet komme nicht in Betracht. Zwar könne nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in begründeten Fällen eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen im Aufenthaltsgesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die beabsichtigte Eheschließung sei solch ein Aufenthaltszweck. Es sei jedoch schon unklar, ob die entsprechenden besonderen Erteilungsvoraussetzungen vorlägen. Letztlich bedürfe dies jedoch keiner Entscheidung. Denn der Beschwerdeführer erfülle bereits die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraussetze, dass der Lebensunterhalt gesichert sei. Eine Ausnahme vom Regelerfordernis sei vorliegend nicht angezeigt. Atypische Umstände seien nicht gegeben.

7

4. Mit Beschluss vom 6. März 2013 wies das Oberverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts zurück und lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ab. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht das Bestehen einer außergewöhnlichen Härte verneint. Art. 6 GG gebiete auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen die Visumserteilung nicht bereits dann, wenn das Kindeswohl tangiert sei. Dies gelte vorliegend vor allem deshalb, weil dem Antragsteller und seinen Kindern die erstrebte Führung der familiären Lebensgemeinschaft in Nigeria, dessen Staatsangehörigkeit sie ebenso wie die Mutter der Kinder und Verlobte des Beschwerdeführers besäßen, möglich und zumutbar erscheine. Dem stehe nicht entgegen, dass die sämtlich in Deutschland geborenen Kinder, insbesondere die älteste, im Jahre 2001 geborene Tochter faktische Inländer seien. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern führe dazu, dass Kinder in der familiären Gemeinschaft grundsätzlich das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Erziehungsberechtigten teilten. In aller Regel erscheine es einem in Deutschland geborenen ausländischen Kind zumutbar, nach mehrjährigem Aufenthalt das Land zusammen mit seinen Eltern wieder zu verlassen und sich in dem Herkunftsland seiner Eltern zu integrieren. Es sei auch kein Visum zum Zwecke der Eheschließung zu erteilen. Die Verdienstbescheinigung der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers weise für Januar 2013 einen Nettoverdienst von 1.319,82 € aus, der unbeschadet weiterer abzusetzender Beträge deutlich unter dem Regelbedarf nach § 20 Abs. 2 SGB II für den Beschwerdeführer, seine Verlobte und die drei Kinder liege (1.553 €).

8

5. Der Beschwerdeführer hat am 5. April 2013 Verfassungsbeschwerde gegen die gerichtlichen Entscheidungen erhoben. Er rügt eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG sowie eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Das Gebot der Rechtsschutzgleichheit sei verletzt, da die Gerichte an das Tatbestandsmerkmal der "hinreichenden Erfolgsaussicht" ersichtlich überspannte Anforderungen gestellt hätten. Die Gerichtsentscheidungen meinten, die im Bundesgebiet lebende Familie könne Deutschland verlassen. Die Kindesmutter sei jedoch seit ca. 17 Jahren im Bundesgebiet wohnhaft und im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Die Kinder hätten verfestigte Aufenthaltserlaubnisse und seien strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

9

Unabhängig hiervon verletzten die Entscheidungen Art. 6 GG. Die bei der Auslegung und Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der außergewöhnlichen Härte zu berücksichtigende wertentscheidende Grundnorm des Art. 6 Abs. 1 GG, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern habe, verpflichte in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht zur Berücksichtigung der familiären Bindung. Das Oberverwaltungsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass es einem zwölfjährigen im Bundesgebiet geborenen und sehr gut integrierten Mädchen nicht mehr möglich sei, in das Heimatland der Eltern zurückzukehren. Es handele sich bei der Tochter um eine faktische Inländerin. Auch § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG stehe der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Selbst wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert sei, hätte von diesem Regelerteilungsmerkmal abgesehen werden müssen. Hier liege ein atypischer Ausnahmefall aufgrund der Niederlassungserlaubnis der Kindesmutter sowie der deutschen Prägung der Kinder vor. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass die 2005 erfolgte Abschiebung des Beschwerdeführers wegen seiner Kinder mit berechtigtem Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet nicht hätte durchgeführt werden dürfen.

10

6. Die Akten des Ausgangsverfahrens und die Ausländerakte des Beschwerdeführers lagen dem Bundesverfassungsgericht vor. Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Berlin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 f.>). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts und der Beschluss des Verwaltungsgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

12

Das Recht auf effektiven und gleichen Rechtsschutz, das für die öffentlich-rechtliche Gerichtsbarkeit aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitet wird, gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 78, 104 <117 f.>; 81, 347 <357> m.w.N.). Es ist dabei verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Jedoch überschreiten die Fachgerichte ihren Entscheidungsspielraum, wenn sie die Anforderungen an das Vorliegen einer Erfolgsaussicht überspannen und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357 f.>). Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung in einem Verfahren, in dem sie anwaltlich vertreten sind, zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Februar 2014 - 2 BvR 57/13 -, juris, Rn. 10).

13

Nach diesen Maßstäben beruht die Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage auf Erteilung des Visums auf der Verkennung der verfassungsrechtlichen Anforderungen. Das Oberverwaltungsgericht hat schwierige Rechts- und Tatsachenfragen bereits im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden, indem es das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte in der vorliegenden Fallkonstellation allein mit der Erwägung verneint hat, dass es der Familie des Beschwerdeführers zumutbar sei, die Lebensgemeinschaft mit dem Beschwerdeführer im Herkunftsland zu führen. Es sei einem ausländischen Kind zumutbar, nach mehrjährigem Aufenthalt das Land zusammen mit seinen Eltern wieder zu verlassen und sich in seinem Herkunftsland zu integrieren. Für besondere Umstände, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigten, sei nichts ersichtlich. Mit dieser Begründung entscheidet das Oberverwaltungsgericht im Prozesskostenhilfeverfahren über eine schwierige Rechts- und Tatsachenfrage zu Lasten des Rechtsschutzsuchenden. Zwar ist der Begriff der außergewöhnlichen Härte dem Grunde nach in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit langem geklärt (vgl. schon zur Vorgängervorschrift BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 1997 - 1 B 236/96 -, juris, Rn. 8). Danach setzt eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 AufenthG voraus, dass der schutzbedürftige Familienangehörige ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe dringend angewiesen ist, und dass diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in Deutschland erbracht werden kann. Bei der Anwendung dieser Definition der außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 AufenthG ist jedoch der Einfluss von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK auf das deutsche Ausländerrecht zu beachten (vgl. hierzu Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 36 AufenthG Rn. 47). Ob demnach von einer außergewöhnlichen Härte auszugehen ist, kann nur unter Berücksichtigung aller im Einzelfall relevanten, auf die Notwendigkeit der Herstellung oder Erhaltung der Familiengemeinschaft bezogenen konkreten Umstände beantwortet werden (BVerwGE 147, 278 <282>).

14

Die danach aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben erforderliche Betrachtung des Einzelfalls kann in klar gelagerten Fällen ohne weiteres bei der Entscheidung über einen isolierten Antrag auf Prozesskostenhilfe erfolgen. Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn bei objektiver Betrachtung ernstzunehmende Anhaltspunkte vorliegen, dass Art. 6 Abs. 1 GG die Erteilung eines Aufenthaltstitels gebieten könnte. Dann muss solchen Anhaltspunkten in einem Hauptsacheverfahren weiter nachgegangen werden. Ob solche Anhaltspunkte vorliegen, hat das erkennende Gericht unter gebührender Würdigung der betroffenen Grundrechte zu beurteilen. Der unbemittelte Verfahrensbeteiligte muss die Möglichkeit haben, sich in diesem Verfahren eines sachkundigen Beistands zu bedienen, der sowohl den Sachvortrag als auch die rechtliche Würdigung des Falles in ihren Wechselwirkungen aufarbeiten und dem Gericht das für einen Prozesserfolg Erforderliche darlegen kann.

15

Im vorliegenden Fall waren relevante Anhaltspunkte insbesondere darin zu sehen, dass der Beschwerdeführer Vater dreier im Bundesgebiet geborener und hier rechtmäßig lebender Kinder ist, mit denen er nach seiner Wiedereinreise in häuslicher Gemeinschaft leben wollte. Weiter wollte er die Mutter der Kinder, die über eine Niederlassungserlaubnis verfügt und hier zwischenzeitlich in Vollzeit berufstätig ist, heiraten. Für zwei der Kinder hatten die Eltern eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben. Das älteste der Kinder besuchte im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung wohl die fünfte Klasse. Auf all diese Aspekte, insbesondere die tatsächliche Integration der Familie des Beschwerdeführers und die Frage, ob der ältesten Tochter ein erstmaliger und dauerhafter Aufenthalt in Nigeria noch zumutbar gewesen wäre (vgl. EGMR, Urteil vom 24. November 2009 - 182/08 -, InfAuslR 2010, S. 178 <179> und aus der deutschen Rechtsprechung zu den oftmals schwierigen Abgrenzungsfragen BVerwGE 147, 278 <284> und OVG Saarland, Beschluss vom 26. März 2015 - 2 B 19/15 -, juris, Rn. 6) beziehungsweise inwieweit - wovon das Verwaltungsgericht ausging - ein Verbleib in Deutschland ohne Vater rechtlich möglich war, wäre in einem Hauptsacheverfahren näher einzugehen gewesen.

16

Die Beschlüsse verletzen mithin Art. 19 Abs. 4 GG und sind deshalb aufzuheben. Daher bedarf es keiner Entscheidung, ob auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG vorliegt.

III.

17

Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG die notwendigen Auslagen zu erstatten. Die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. dazu auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. H. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführer sind äthiopische Staatsangehörige und Eltern eines am 12. Februar 2014 geborenen Sohnes. Sie reisten im März 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten einen Asylantrag; zuvor hatten sie bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Sie wenden sich gegen einen am 3. März 2014 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. Februar 2014, mit dem ihnen Eilrechtsschutz gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1, § 27a AsylVfG gestützte Anordnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 3. Februar 2014 versagt wurde, sie auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II) nach Italien abzuschieben.

2

1. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag der Beschwerdeführer mit der Maßgabe ab, dass die angeordnete Abschiebung unter Berücksichtigung einer zweimonatigen "Mutterschutzfrist" (in Anlehnung an § 6 MuSchG) nicht vor dem 1. Mai 2014 vollzogen werden dürfe. Eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zum Selbsteintritt gemäß Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung bestehe nicht. Weder sei ein Ausnahmefall nach dem Konzept der normativen Vergewisserung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 ff.) gegeben, noch lägen systemische Mängel des italienischen Asyl- und Aufnahmesystems im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH , Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) vor, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber oder Flüchtling tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden. Systemische Mängel, die eine Aussetzung der Abschiebung in Anwendung von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gebieten könnten, seien auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Falle von Italien aufgrund der Auskunftslage derzeit nicht erkennbar (vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336).

3

2. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer am 3. April 2014 erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG.

4

a) Die Beschwerdeführer befürchten unter Bezugnahme insbesondere auf einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu den Aufnahmebedingungen in Italien vom Oktober 2013, bei einer Rückkehr nach Italien wie die große Mehrheit der Schutzbedürftigen obdachlos zu werden und keinen Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Nahrungsmitteln zu erhalten. Schutzbedürftige Dublin-Rückkehrer seien einem sehr hohen Risiko der Verelendung ausgesetzt; ihre Situation sei wesentlich prekärer als die eines Asylsuchenden, der sich noch im Verfahren befinde. Etwas anderes gelte allenfalls für besonders schutzbedürftige Personen. Allerdings gälten Familien mit beiden Elternteilen in Italien nicht als verletzlich. Auch wenn es zu einer staatlichen Unterbringung kommen sollte, bestehe die Gefahr, dass sie nicht als Familie untergebracht würden, sondern dass es zu einer Unterbringung von Mutter und Kind in der einen, des Vaters aber in einer anderen Einrichtung komme. Eine Trennung der Familie, um die Wahrscheinlichkeit der Unterbringung zu erhöhen, könne ihnen jedoch nach Art. 8 EMRK nicht zugemutet werden. Gerade im Hinblick auf ihr neugeborenes Kind erscheine die Vorenthaltung von Gesundheitsversorgung und Nahrung dramatisch.

5

b) Das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sei verletzt, weil das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgehe, die Berufung auf das Asyl-Grundrecht werde in Dublin-Fällen durch Art. 16a Abs. 2 GG ausgeschlossen. Die Dublin-Fälle richteten sich vielmehr allein nach der - spezielleren - Vorschrift des Art. 16a Abs. 5 GG und den Vorgaben des - zwischenzeitlich vergemeinschafteten - europäischen Asylsystems. Während Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG den materiell-rechtlichen Gewährleistungsinhalt des Grundrechts auf Asyl grundsätzlich einschränke und den Prüfungsmaßstab nach dem Konzept der normativen Vergewisserung festlege, liege der Kompetenzübertragung nach Art. 16a Abs. 5 in Verbindung mit Art. 23 GG die Idee zugrunde, dass die Bundesrepublik den Gewährleistungsinhalt von Art. 16a Abs. 1 GG einer europäischen Zuständigkeitsregelung unterwerfe und zugleich an ihr normsetzend mitwirke. Die Pflichten, die die Bundesrepublik sich mit Art. 16a Abs. 1 GG auferlegt habe, könne sie danach nur soweit delegieren, wie die Verheißung eines im Gebiet der Dublin-Verordnung geltenden Flüchtlingsschutzes im anderen Mitgliedstaat auch wirklich eingelöst werde. Sei dies nicht der Fall, treffe die Bundesrepublik kraft des wechselseitigen und auf Solidarität sowie Mindeststandards beruhenden Lastenausgleichssystems die Rolle eines "Ausfallbürgen". Europäische Asylstandards würden in Italien jedoch nicht gewahrt; nach allem, was über die dortige Situation von Asylbewerbern bekannt sei, würden dort entscheidende Bestimmungen aus der Verfahrens-, Aufnahme- und Qualifikationsrichtlinie ebenso verletzt wie Gewährleistungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK.

6

Aus der Pflicht der Bundesrepublik zu gewährleisten, dass die Beschwerdeführer bei Überstellung an einen Dublin-Zielstaat keine Rechtsverletzungen an anderen Rechtsgütern erlitten, folge, dass die Bundesrepublik sich derartige Rechtsverletzungen zurechnen lassen müsse. Ihnen drohe in Italien Obdachlosigkeit und eine defiziente Gesundheits- und Lebensmittelversorgung, die in die reale Gefahr der Verelendung führe; hierin liege eine Verletzung sowohl der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG als auch eine Gefahr für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Das Verwaltungsgericht habe im Übrigen auch gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, indem es die einfachgesetzlich geltenden Normen der EMRK verfehlt interpretiert habe. In ihrem Falle sei Art. 3 EMRK zu berücksichtigen gewesen, der mit dem Verbot "unmenschlicher" oder "erniedrigender" Behandlung nach allgemeiner Auffassung gerade die Situation der Verelendung umschreibe, die durch den Zielstaat der Überstellung zu unterbleiben habe. Die drohende Trennung der Familie verletze Art. 6 GG.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, und die Annahme ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>); sie ist unzulässig (dazu 1. und 2.). Hiervon unabhängig besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass die mit der Rückführung befassten deutschen Behörden in dem vorliegenden Einzelfall geeignete Vorkehrungen zum Schutz des von der Rückführung betroffenen Kleinkindes der Beschwerdeführer zu treffen haben (dazu 3.).

8

1. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG und Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK rügen, zeigen sie schon die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht auf (vgl. zu diesem Erfordernis nur BVerfGE 108, 370 <386 f.>). Die Beschwerdeführer setzen sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 <95 ff.>), des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH , Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR , Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, NVwZ 2011, S. 413; Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336) nicht auseinander, die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegt.

9

2. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG aufgrund einer drohenden Obdachlosigkeit und einer Trennung der Eltern von ihrem neugeborenen Kind bei einer Abschiebung geltend machen, legen sie nicht hinreichend substantiiert dar, dass sie in Italien mit Obdachlosigkeit und Trennung der Familie zu rechnen haben und ihrem Sohn als Folge der Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Gesundheitsgefahren drohen. Es bedarf daher keiner Klärung, ob dahingehende systemische Mängel des italienischen Aufnahmesystems bestehen und ob solche strukturelle Defizite in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union einen im Konzept der normativen Vergewisserung nicht aufgefangenen Sonderfall darstellen können (vgl. dazu nur Moll/Pohl, ZAR 2012, S. 102 <104 ff.>; zu den Darlegungslasten für die Begründung eines solchen Sonderfalles vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Hierbei wäre ohnehin zu berücksichtigen, dass etwaige mit der Überforderung des Asylsystems eines Mitgliedstaats der Europäischen Union verbundene transnationale Probleme vornehmlich auf der Ebene der Europäischen Union zu bewältigen sind (vgl. BVerfGE 128, 224 <226>).

10

3. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann es allerdings - unbeschadet der Prüfung, ob einer Zurückweisung oder Rückverbringung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen - in Einzelfällen geboten sein, dass die deutschen Behörden vor einer solchen mit den im Zielstaat zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen, den Sachverhalt klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen treffen (vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Insbesondere besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat gegebenenfalls durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung (Duldung) oder durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241 <242>).

11

a) Nach der - von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden - jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu prüfen, ob "feststeht", dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004 - 2 M 299/04, juris; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAuslR 2011, S. 310, dort <311> auch m.w.N. zur a.A.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, InfAuslR 2012, S. 383; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris; zuletzt VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris).

12

Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris, Rn. 7; VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris, Rn. 4).

13

b) Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, S. 213 <214> unter Verweis auf BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241).

14

Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juni 2011 - 2 M 38/11 -, InfAuslR 2011, S. 390 <392>).

15

c) So liegt es auch im vorliegenden Fall. Bei Rückführungen in sichere Drittstaaten können hiervon betroffene Ausländer - anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland - regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Bestehen - wie gegenwärtig im Falle Italiens - aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen.

16

Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls (vgl. nunmehr Erwägungsgrund 16 der neugefassten Verordnung Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin III-Verordnung) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit neugeborenen (vgl. Art. 15 Abs. 1 und 2 der Dublin II-Verordnung und Art. 16 Abs. 1 der Dublin III-Verordnung) und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.

17

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

18

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

IV. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

Mit ihren am 3. August 2017 eingelegten Beschwerden verfolgen die Antragsteller – eine Familie kosovarischer Staats- und albanischer Volkszugehörigkeit – nach erfolglosem Asylverfahren (der Bundesamtsbescheid vom 26.1.2016 ist bestandskräftig geworden) sowie Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht und Durchführung ihrer Abschiebung am 20. Juli 2017 in den Kosovo im Wege des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung und die Rückführung der Antragsteller in das Bundesgebiet.

Nach dem Vollzug der Abschiebung der Antragsteller am 20. Juli 2017 kann der vor dem Verwaltungsgericht noch gestellte Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO im Beschwerdeverfahren nicht weiterverfolgt werden‚ weil die Aussetzung der Abschiebung durch ihre Durchführung objektiv unmöglich geworden ist. Dementsprechend haben die Antragsteller im Beschwerdeverfahren ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz in zweierlei Hinsicht neu gefasst: zum einen begehren sie die Feststellung‚ dass die Abschiebung rechtswidrig war, und zum anderen stellen sie den Antrag‚ sie in das Bundesgebiet zurückzuführen.

Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg.

Die Beschwerdeführer rügen die Rechtswidrigkeit der Abschiebung wegen fehlender Reisefähigkeit der Antragstellerinnen zu 1 und 4 sowie die Verletzung rechtlichen Gehörs, da die Schutzschrift des Antragsgegners und die Feststellungen des die Reisefähigkeit vor der Abschiebung untersuchenden Arztes vor der Entscheidung nicht zu einer Stellungnahme zur Verfügung gestellt worden seien. Das Verwaltungsgericht habe wesentliche ärztliche Atteste unberücksichtigt gelassen, insbesondere die Arztberichte der Spezialkliniken in H … und D … sowie die ärztliche Bescheinigung die Antragstellerin zu 4 betreffend. Die Antragstellerin zu 4 leide unter einer Hüftgelenksdysplasie und einer dem Morbus Perthes ähnlichen Hüftnekrose; im Falle einer nicht fachgerechten Behandlung drohe der Verlust der Gehfähigkeit. Die Antragstellerin zu 4 sei bereits vor der Einreise im Kosovo erfolglos behandelt worden; in der Bundesrepublik seien Behandlungen in Spezialkliniken erfolgt. Für die Antragstellerin zu 4 sei eine dauerhafte medizinische und physiotherapeutische Behandlung erforderlich. Bei der Antragstellerin zu 4 bestehe auch eine posttraumatische Belastungsstörung mit dissoziativen Zuständen nebst Verdacht auf eine psychische Deprivation mit Wahrnehmungsstörung. Die Feststellung der Reisefähigkeit sei weder durch einen Facharzt für Kinderorthopädie noch für Psychiatrie erfolgt. Auch sei der die Reisefähigkeit beurteilende Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B. von unvollständigen ärztlichen Attesten ausgegangen. Eine dringend erforderlich medizinische Behandlung und Versorgung der Antragstellerin zu 4 könne im Heimatland nicht erfolgen, da die dortigen medizinischen Möglichkeiten ausgereizt seien. Der Antragstellerin zu 4 drohe der Verlust der Gehfähigkeit, wenn die Behandlung und Operation nicht durchgeführt werde. Ausweislich des Attestes einer orthopädischen Fachklinik im Kosovo vom 28. Juli 2017 könne dort die für die Antragstellerin zu 4 erforderliche Repetitionsbehandlung und Operation (dreifacher Beckeneingriff und Umstellungsostetomie am Oberschenkel) nicht durchgeführt werden. Die Antragstellerin zu 2 leide unter einer depressiven Erkrankung mit akuter Suizidgefahr. Die Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2 sei nicht fachärztlich festgestellt worden. Es werde mit zweierlei Maß gemessen, wenn seitens der Antragsteller qualifizierte fachärztliche Atteste gefordert würden, seitens des Antragsgegners aber die Feststellungen eines Allgemeinmediziners und der persönliche Eindruck fachpsychiatrisch nicht ausgebildeter Personen ausreichten. Die Antragstellerinnen zu 2 und 4 befänden sich im Kosovo in absolut desolatem Zustand. Der Antrag, eine Wiedereinreise der gesamten Familie zu ermöglichen, werde im Beschwerdeverfahren aufrechterhalten.

Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO seine Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu beschränken hat, rechtfertigen keine Beschwerdestattgabe. Die geltend gemachte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung im Wege der einstweiligen Anordnung erweist sich als unzulässig (1.). Die Zulässigkeit der erstmaligen Geltendmachung eines Folgebeseitigungsanspruchs im Wege der Regelungsanordnung im Beschwerdeverfahren erscheint zweifelhaft (2.), kann jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben, da ein Aufenthaltsrecht oder ein Anspruch auf vorläufiges weiteres Verbleiben im Bundesgebiet nicht glaubhaft gemacht wird (3.).

1. Der Antrag, im Verfahren nach § 123 VwGO die Rechtswidrigkeit der Abschiebung vom 20. Juli 2017 festzustellen, ist unzulässig.

Dahinstehen kann, ob die Umstellung des ursprünglichen Antrags auf Erlass einer Sicherungsanordnung zur Einstellung und Aussetzung der Abschiebung auf eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der zwischenzeitlich vollzogenen Abschiebung – jeweils gestützt auf eine fehlende Reisefähigkeit der Antragstellerinnen zu 2 und 4 –den Bestimmungen in § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO, § 91 VwGO genügt. Der Feststellungsantrag ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil er in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht statthaft ist.

Hinsichtlich des Feststellungsantrags ist schon nicht dargetan oder erkennbar‚ welches subjektiv-öffentliche Recht der Antragsteller durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorläufig gesichert werden soll‚ um der Gefahr einer Veränderung des bestehenden Zustandes zu begegnen (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dem Feststellungsinteresse, das einen solchen Antrag allein rechtfertigt, kann in einem Eilverfahren nicht Rechnung getragen werden, in dem nur eine vorläufige, nicht jedoch eine endgültige und verbindliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit getroffen werden kann. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht im Wege der Abschiebung kann grundsätzlich nur in einem Klageverfahren erreicht werden (vgl. BayVGH, B.v. 28.1.2016 – 10 CE 15.2653 – juris Rn. 16; OVG Rh-Pf, B.v. 11.7.2017 – 7 B 11079/17 – juris Rn. 21). Die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung würde auch noch keinen (im Wege des § 123 Abs. 1 VwGO sicherungsfähigen) Anspruch auf Rückführung in das Bundesgebiet begründen, denn ein solcher Anspruch würde einen durch den zwangsweisen Vollzug der Ausreisepflicht verletzten Duldungsanspruchs voraussetzen (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2017 – 19 CE 16.2507).

2. Die Frage, ob ein Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO mit dem Ziel, den Ausländer (vorläufig) in das Bundesgebiet zurückzuführen bzw. ihm die Wiedereinreise zu ermöglichen, zulässig ist, und ob dies gegebenenfalls auch dann der Fall ist, wenn erstinstanzlich (vor der Abschiebung) noch die Aussetzung der Abschiebung begehrt worden war und erst im Beschwerdeverfahren die einstweilige Rückführung begehrt wird (der Antrag umgestellt wird), wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet. In den insoweit ablehnenden Entscheidungen (vgl. insbesondere OVG RhPf, B.v. 11.7.2017 – 7 B 11079/17 – juris; BayVGH, B.v. 28.1.2016 – 10 CE 15.2653 – juris und B.v. 21.6.2007 – 19 ZB 06.3373 – juris; OVG NRW‚ B.v. 9.3.2007 – 18 B 2533/06 – juris und B.v. 18.7.2006 – 18 B 1324/06 – juris; VGH BW, B.v. 24.3.2006 – 11 S 325/06 – HTK-AuslR; OVG LSA, B.v. 6.6.2016 – 2 M 37/16 – juris und B.v. 26.9.2008 – 2 M 188/08 – juris; in allen diesen Entscheidungen ist hilfsweise auch auf die Begründetheit des Antrags eingegangen worden) wird vor allem in den Vordergrund gestellt, dass es um einen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch geht und im Verfahren nach § 123 VwGO eine der Bestimmung des § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO entsprechende Regelung fehlt sowie dass die Sicherung eines Rückführungsanspruchs im einstweiligen Rechtsschutz einen anderen Streitgegenstand darstellt als das Rechtsschutzbegehren, das auf Verhinderung der Abschiebung gerichtet war. Die Gegenmeinung (vgl. insbesondere OVG Bremen, B.v. 19.5.2017 – 1 B 47/17 – juris; SächsOVG, B.v. 14.12.2011 – 3 B 244/11 – juris; OVG Saarl, B.v. 18.10.2005 – 2 W 15/05 – juris; vgl. auch Funke-Kaiser in GK-AufenthG‚ Stand Oktober 2015‚ § 81 Rn. 190 und Stand 10/2016, § 59 AufenthG Rn. 240 ff.) verweist auf die Bindung der vollziehenden Gewalt an Recht und Gesetz durch Art. 20 Abs. 3 GG, die bei einem noch andauernden rechtswidrigen Zustand aufgrund eines hoheitlichen Eingriffs in ein subjektives Recht betroffen ist, auf die weitgehende Identität des Streitstoffs bei dem Antrag auf Aussetzung der Abschiebung und bei dem Antrag auf Ausgestaltung der Wiedereinreise, auf die Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung des § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO in Fällen einer erheblichen Sachverhaltsänderung nach Ablauf der Darlegungsfrist sowie darauf, dass eine zwangsweise Abschiebung nicht zu einer Erledigung wegen Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses führt (vgl. insoweit auch BVerwG, B.v. 13.09.2005 – 1 VR 5/05, 1 VR 5/05/1 C 7/01 C 7/04 – InfAuslR 2005, 462, juris Rn. 2).

Vorliegend sieht sich der Senat nicht veranlasst, zum Streitstand Stellung zu nehmen, weil der Antrag auf Gestattung der Wiedereinreise im Falle seiner Zulässigkeit nicht begründet wäre (vgl. Nr. 3).

3. Die Beschwerde bliebe auch dann ohne Erfolg, wenn die Zulässigkeit einer einstweiligen Regelungsanordnung mit dem Ziel, nach einer im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erstinstanzlich gebilligten und vollzogenen Abschiebung die Rückführung der Antragsteller in das Bundesgebiet im Wege eines im Beschwerdeverfahren geltend gemachten Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruchs zu ermöglichen, anzuerkennen wäre.

Die von den Antragstellern erstrebte Verpflichtung des Antragsgegners nach § 123 VwGO stellt sich als eine Vorwegnahme der Hauptsache dar. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO dient regelmäßig nur der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses; einem Antragsteller soll hier grundsätzlich nicht bereits das gewährt werden, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen kann. Daher könnte in Fällen der hier vorliegenden Art dem Eilantrag nach § 123 VwGO nur stattgegeben werden, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG schlechterdings unabweisbar ist. Dies setzt hohe Erfolgsaussichten, also eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs in der Hauptsache oder eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Abschiebung voraus (vgl. VGH BW, B.v. 11.3.2008 – 13 S 418/08 – juris Rn. 7; NdsOVG, B.v. 2.2.2007 – 13 ME 362/06 – juris), was jedenfalls dann nicht der Fall ist, wenn nach einer Rückkehr erneut eine vollziehbare Ausreisepflicht besteht und ein Bleibeanspruch nicht glaubhaft gemacht ist.

Vorliegend ist eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs in der Hauptsache nicht ersichtlich. Weder erweist sich die vollzogene Abschiebung als offensichtlich rechtswidrig noch haben die Antragsteller ein (vorläufiges) Bleiberecht aufgrund einer geltend gemachten Reiseunfähigkeit der Antragstellerinnen zu 2 und 4 glaubhaft gemacht.

Dahinstehen kann, ob im Rahmen der Vollziehung der Aufenthaltsbeendigung ein von den Antragstellern geltend gemachter Gehörsverstoß vorgelegen hat. Verfahrensrechtliche Verstöße sind nicht geeignet, einen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch auf Wiedereinreise bzw. Rückführung der Ausländer zu begründen, da es für den Erfolg eines Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruchs nicht nur auf den Vorgang der Abschiebung, sondern auf das Fortbestehen eines rechtswidrigen Zustandes ankommt, was nur dann gegeben ist, wenn den Antragstellern durch die Abschiebung ein ihnen zustehendes Bleiberecht vorenthalten wird (vgl. für eine fehlende Abschiebungsandrohung VG Schleswig, B.v. 19.12.2002 – 14 B 86/02 – juris Rn. 19). Im Übrigen hatten die Antragsteller im Beschwerdeverfahren Gelegenheit, sich voll umfänglich zu den von ihnen erwähnten Unterlagen zu äußern.

Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers so lange auszusetzen, wie sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Ein rechtliches Abschiebungshindernis liegt vor, wenn durch die Beendigung des Aufenthalts eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr zu befürchten ist, so dass die Abschiebungsmaßnahme wegen des nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten grundrechtlichen Schutzes auszusetzen ist. Erforderlich ist dabei, dass infolge der Abschiebung als solcher (unabhängig vom konkreten Zielstaat) eine wesentliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes für den betroffenen Ausländer konkret droht (BayVGH, B.v. 11.4.2017 – 10 CE 17.349 – juris Rn. 17; B.v. 21.10.2016 – 19 CE 16.1953; B.v. 31.5.2016 – 10 CE 16.838 – juris Rn. 7; VGH BW, B.v. 1.6.2017 – 11 S 658/17 – juris Rn. 3; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Februar 2016, A1 § 60a Rn. 57 f.). Wegen der Bindungswirkung nach § 42 AsylG an die Entscheidung des Bundesamtes oder des Verwaltungsgerichts über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG kommen nur inlands- und nicht zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2016 – 19 CE 16.1953). Eine bestehende Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in zweierlei Hinsicht begründen: Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange der Ausländer wegen der Erkrankung transportunfähig ist, d.h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens“ wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie – außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs – eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne; vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2017 – 10 CE 17.750 – juris Rn. 3 m.w.N.). Im Falle einer bereits vollzogenen und unbeschadet überstandenen Abschiebungsmaßnahme kann ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen der Abschiebung wegen eines bei der Abschiebung bestehenden Abschiebungshindernisses der Reiseunfähigkeit nur in Betracht kommen, wenn eine abschiebungsbedingte erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes in einem unmittelbaren zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit dem Abschiebungsvorgang zu besorgen ist.

Nach der Bestimmung des mit Wirkung zum 17. März 2016 (Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016 – BGBl I S. 390) eingeführten § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, wenn nicht der Ausländer eine im Rahmen der Abschiebung beachtliche Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft macht. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände enthalten, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Legt der Ausländer ärztliche Fachberichte vor, sind diese zum Beweis für ein Abschiebungshindernis nur geeignet, wenn sie nachvollziehbar die Befundtatsachen angeben, gegebenenfalls die Methode der Tatsachenerhebung benennen und nachvollziehbar die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes sowie die Folgen darlegen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich in Zukunft ergeben, wobei sich Umfang und Genauigkeit der erforderlichen Darlegung jeweils nach den Umständen des Einzelfalls richten. Insbesondere ist es dem Arzt, der ein Attest ausstellt, untersagt, etwaige rechtliche Folgen seiner fachlich begründeten Feststellungen und Folgerungen darzulegen oder sich mit einer rechtlichen Frage auseinanderzusetzen (BayVGH, B.v. 18.10.2013 – 10 CE 13.1890 – juris Rn. 21; VGH BW, B.v. 10.7.2003 – 11 S 2262/02 – juris Rn. 12). Ein Attest, dem nicht zu entnehmen ist, wie es zu den prognostizierten Folgerungen kommt und welche Tatsachen dieser Einschätzung zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen Reiseunfähigkeit zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2017 – 10 CE 17.349 – juris Rn. 19; B.v. 5.1.2017 – 10 CE 17.30 – juris Rn. 7).

Vorliegend ist der auf Rückgängigmachung der Abschiebung durch Wiedereinreise und Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (wegen Reiseunfähigkeit der Antragstellerinnen zu 2 und 4) gerichtete Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) nicht glaubhaft gemacht. Die gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit (§ 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG) der Antragstellerinnen zu 2 und 4 ist durch die bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten fachärztliche Atteste der Orthopädischen Klinik W. vom 2. September 2016, das formularmäßige Attest der Orthopädischen Klinik W. vom 20. Oktober 2016 und der Altonaer Kinderklinik vom 2. November 2016 und das im Beschwerdeverfahrens vorgelegte Attest eines Kinder- und Jugendarztes vom 20. Juli 2017 (bzgl. Antragstellerin zu 4 vgl. nachfolgend 3.1) sowie der bezüglich der Antragstellerin zu 2 vorgelegten Atteste der Ärztin für Psychiatrie Dr. R.-M. vom 25. November 2016, vom 29. Mai 2017 und vom 20. Juli 2017 (bzgl. der Antragstellerin zu 2 vgl. nachfolgend 3.2) nicht widerlegt.

3.1. Die zahlreichen für die Antragstellerin zu 4 vorgelegten Befundberichte und ärztlichen Bescheinigungen belegen eine seit Geburt bestehende Hüftdysplasie und Hüftkopfnekrose rechts, die ausweislich der Angaben im Asylverfahren den Grund der Einreise bildete und im Bundesgebiet behandelt wurde. Zur Frage der Reisefähigkeit verhalten sich die ärztlichen Befunde überwiegend nicht. Lediglich die fachärztlichen Atteste der Orthopädischen Klinik W. vom 2. September 2016 und vom 20. Oktober 2016, das Attest der Altonaer Kinderklinik vom 2. November 2016 und das ärztliche Attest vom 20. Juli 2017 beinhalten Aussagen zur Reisefähigkeit.

Die ärztlichen Atteste der Orthopädischen Klinik W. vom 2. September 2016 und das formularmäßige Attest vom 20. Oktober 2016, in denen ausgeführt wird, eine zeitnahe Abschiebung könne den Therapieerfolg gefährden und zu einer bleibenden körperlichen Behinderung führen, sind im Zusammenhang mit einem am 25. August 2016 erfolgten operativen Eingriff bei der Antragstellerin zu 4 erstellt worden und enthalten mangels Aktualität zum Zeitpunkt der Abschiebung am 20. Juli 2017 keine verwertbare Aussage zum Vorliegen der Reisefähigkeit. Die formularmäßige Bescheinigung der Abteilung Kinder- und Jugendpsychosomatik der Altonaer Kinderklinik vom 2. November 2016 genügt nicht den Anforderungen nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG, da sich aus dem Schriftstück schon nicht ergibt, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, welche Methode der Tatsachenerhebung angewendet wurde und aufgrund welcher Befunde sich die gestellte Diagnose ergibt. Ausweislich des Schriftstücks wurde die Untersuchung durch einen Diplompsychologen im psychosomatischen Konsildienst und somit nicht durch einen Facharzt durchgeführt. Auch wird zur Methode der Tatsachenerhebung lediglich „Gespräch mit der Tante und dem Kind“ angegeben, während zu den Inhalten des Gesprächs und der sonstigen Befunderhebung keine Angaben gemacht werden. Die formularmäßig attestierte Diagnose einer „Posttraumatischen Belastungsstörung mit dissoziativen Zuständen“ ohne weitere Angaben zu Verursachung, Symptomatik und Methode der Tatsachenerhebung stellt keine fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes dar und verhält sich nicht zum Schweregrad.

Im Attest des Kinder- und Jugendarztes Dr. H. vom 20. Juli 2017 wird eine Reiseunfähigkeit mit der Erforderlichkeit einer weiteren Behandlung der Hüfterkrankung begründet. Auch diese Bescheinigung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen nach § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG.

Nach der gesetzgeberischen Intention zur Neuregelung des § 60a Abs. 2c AufenthG sollen lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hindern können (vgl. BT-Drs. 18/7538, zu Art. 2 S. 18). Damit wird noch einmal klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach Satz 1 darstellen (die Entwurfsbegründung bezieht sich hier auf § 60 Abs. 7 AufenthG). Die Abschiebung darf nicht dazu führen, dass sich eine schwerwiegende Erkrankung des Ausländers mangels Behandlungsmöglichkeit in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschiebungsvorgang in einem Ausmaß verschlechtern wird, dass ihm eine individuell konkrete, erhebliche Gefahr an Leib oder Leben droht. Es wird jedoch nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland bzw. im Zielstaat der Abschiebung der Versorgung in Deutschland oder in der Europäischen Union gleichwertig ist.

Ebenso wie das ärztliche Attest vom 20. Juli 2017, das auf den weiteren Behandlungsbedarf verweist, zielt die vorgelegte Bescheinigung der Orthopädischen Fachklinik in P., wonach die in der Dortmunder Klinik in Frage kommende Behandlung (laut Arztbrief der dortigen Klinik vom 16.6.2017 – ausdrücklich zur Einholung einer Zweitmeinung konsultiert – solle zur Entscheidungsfindung eine Arthrographie des Hüftgelenks erfolgen, davon abhängig könne „perspektivisch“ eine 3-fach Beckenosteotomie oder Acetabuloplastik mit Umstellungsosteotomie „in Frage kommen“) im Kosovo nicht möglich sei, auf die generelle und langfristige Behandelbarkeit der Erkrankung im Heimatstaat ab. Ob – und gegebenenfalls wann – diese Behandlungen tatsächlich erforderlich werden, ist ihnen nicht zu entnehmen. Ein Verlust der Gehfähigkeit durch den Abschiebungsvorgang ist auch mit dem weiteren Beschwerdevorbringen vom 29. November 2017 nicht glaubhaft gemacht. Im Übrigen sind sie bereits deshalb nicht geeignet, eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin zu 4 in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschiebungsvorgang zu belegen, weil es bei der Frage einer langfristigen („perspektivischen“) Behandelbarkeit im Heimatland um zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG geht. Wegen der Bindungswirkung (gemäß § 42 AsylG) der Feststellungen des Bundesamtes zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Bescheid vom 26. Januar 2016, in dem ausführlich die Hüfterkrankung der Antragstellerin zu 4 gewürdigt wurde, vermögen die erörterten Fragen einer Behandelbarkeit der Erkrankung der Antragstellerin zu 4 im Kosovo der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Der staatlichen Schutzpflicht hat der Antragsgegner durch die Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung am Abschiebetag und einer medizinischen Begleitung des Abschiebungsvorgangs genügt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 10). Liegen hinreichende Indizien für eine schwerwiegende Erkrankung vor, wird regelmäßig eine amtsärztliche Untersuchung oder die Einholung einer ergänzenden ärztlichen Stellungnahme angezeigt sein, da der Ausländerbehörde die erforderliche medizinische Sachkunde zur Beurteilung einer mit der Abschiebung einhergehenden Gesundheitsgefahr und auch der Frage fehlen dürfte, mit welchen Vorkehrungen diese Gefahr ausgeschlossen oder gemindert werden könnte (vgl. VGH BW, B.v. 6.2.2008, a.a.O.; OVG LSA, B.v. 21.6.2016 – 2 M 16/16 – juris).

Nach Auffassung des Senates sind an die behördlicherseits veranlasste (amts-) ärztliche Feststellung der Reisefähigkeit nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Widerlegung der in § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG normierten gesetzlichen Vermutung des Fehlens gesundheitlicher Gründe, die der Abschiebung entgegenstehen (zu weitgehend insoweit VGH BW, B.v. 10.8.2017 – 11 S 1724/17 – juris Rn. 22). Regelungsgrund für die gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit waren große Herausforderungen und zeitliche Verzögerungen in der Abschiebungspraxis wegen geltend gemachter (schwer diagnostizierbarer und überprüfbarer) Erkrankungen und der Missbrauchsgefahr einer Bevorratung mit ärztlichen Attesten (vgl. BT-Drs. 18/7538 S. 18 ff.), was auch der Erfahrung des Senats entspricht. Ein vergleichbares Missbrauchsrisiko bei ärztlichen Stellungnahmen auf Veranlassung der Behörde ist weder nach der Erfahrung des Gesetzgebers noch nach der des Senats gegeben, wenngleich auch diese einer kritischen Würdigung nicht entzogen sind. Während nach der gesetzlichen Intention die Vermutung des Fehlens entgegenstehender gesundheitlicher Gründe nur durch eine qualifizierte Bescheinigung einer gravierenden Erkrankung widerlegt werden kann, die wegen ihrer Schwere eine fachärztliche Expertise voraussetzt, kommt es bei der Feststellung der aktuell am Abschiebungstag gegebenen Reisefähigkeit weniger auf eine fachärztliche Expertise hinsichtlich der Behandelbarkeit der Erkrankung an als auf eine – insoweit eher notfallmedizinische – Einschätzung, die bestehende fachärztliche Vorbefunde selbstverständlich miteinzubeziehen hat. Einem Facharzt für Allgemeinmedizin (vorliegend mit Zusatzbezeichnung Psychosomatische Medizin und Notfallmedizin) ist die Sachkunde zur Beurteilung der mit einer Erkrankung zusammenhängenden und im Falle der Abschiebung drohenden Gesundheitsgefahren nicht von vornherein abzusprechen. Gleichwohl müssen auch die Ausführungen des beurteilenden Arztes erkennen lassen, weshalb sie eine medizinische Frage in bestimmter Weise beurteilen (können), insbesondere wenn dies in Auseinandersetzung mit bereits vorliegenden fachärztlichen Befundberichten oder Gutachten geschieht (vgl. OVG Berl-Bbg, B.v. 8.10.2015 – OVG 12 S. 60.15 – juris Rn. 3). Dabei ist zu berücksichtigen, dass amtsärztlichen Zeugnissen grundsätzlich ein höherer Beweiswert zuzuschreiben ist als einem Privatgutachten (BayVGH, B.v. 27.2.2007 Az. 24 ZB 07.367 m.w.N.). Die Neutralität und Unabhängigkeit verleiht – neben dem speziellen Sachverstand – der Beurteilung durch den Amtsarzt ein höheres Gewicht. Widerspricht eine amtsärztliche Feststellung den Feststellungen von Privatärzten, kann sich das Tatsachengericht dann auf die Beurteilung des Amtsarztes stützen, wenn keine Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes bzw. eines von ihm hinzugezogenen Facharztes bestehen, seine Beurteilung auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruht und in sich stimmig und nachvollziehbar ist. Hat der Privatarzt seinen medizinischen Befund näher erläutert, so muss der Amtsarzt auf diese Erwägungen eingehen und nachvollziehbar darlegen, warum er ihnen nicht folgt. Dieser eingeschränkte Vorrang im Konfliktfall findet seine Rechtfertigung in der Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes (vgl. BVerwG, B.v. 28.12.2012 – 2 B 105/11 – juris Rn. 8).

Nach diesen Maßstäben liegt ein Widerspruch der behördlicherseits beauftragten ärztlichen Feststellungen zu den Vorbefunden nicht vor. Am Tag der Abschiebung wurde die Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 4 in Kenntnis der bis Ende 2016 vorliegenden Befunde durch den Facharzt für Allgemeinmedizin, Diabetologie, Betriebsmedizin, Verkehrsmedizin, Psychosomatische Medizin und Notfallmedizin, der auch als Honorararzt für das staatliche Gesundheitsamt tätig ist, positiv festgestellt. Der Arzt würdigt die Grunderkrankung der Antragstellerin zu 4, die im Bundesgebiet erfolgte Behandlung (Weichteileingriff) und physiotherapeutische Nachbehandlung, stellt eine zwischenzeitlich eingetretene Konsolidierung fest und hält besondere therapeutische Maßnahmen über den bisherigen erfolgreichen Verlauf der in Deutschland ergriffenen Behandlungsmaßnahmen nicht für erforderlich. Wie für das Verwaltungsgericht bestehen auch für den Senat keine Zweifel an der zur Beurteilung der Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 4 erforderlichen Fachkunde des Arztes. Die getroffenen Feststellungen des behördlicherseits beauftragten Arztes stehen auch nicht im Widerspruch zum Bericht der Orthopädischen Klinik Dortmund vom 16. Juni 2017, die von der Tante der Antragstellerin zu 4 zur Einholung einer Zweitmeinung konsultiert wurde. Im dortigen Bericht wird – abhängig vom Ergebnis einer durchzuführenden Arthrographie – perspektivisch eine Beckenosteotomie oder Acetabuloplastik ggf. mit intertochanträrer Umstellungsosteotomie als in Frage kommende Therapie aufgeführt. Die unmittelbare Erforderlichkeit einer solchen Therapie, die einer Reisefähigkeit entgegenstehen könnte, wird nicht dargelegt.

3.2. Auch bezüglich der Antragstellerin zu 2 ist die Vermutung eines Fehlens gesundheitlicher Gründe gegen die Abschiebung durch die vorgelegten Atteste der Ärztin für Psychiatrie Dr. R.-M. vom 25. November 2016, vom 29. Mai 2017 und vom 20. Juli 2017 nicht widerlegt. Die ärztlichen Bescheinigungen genügen nicht den Anforderungen an § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG. Dem ärztlichen Attest vom 25. November 2016 fehlt bereits die Aktualität, um Aussagen zur Reisefähigkeit am 20. Juli 2017 zu treffen. Im Befundbericht vom 29. Mai 2017 wird ausgeführt, wegen einer unzureichenden Behandlung der Tochter im Kosovo sei mit einer erheblichen Verschlechterung der depressiven Symptomatik, mit ausgeprägten Ängsten und psychosomatischen Beschwerden zu rechnen. Eine Gesundheitsgefährdung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschiebungsvorgang wird damit nicht dargetan. Auch das ärztliche Attest vom 20. Juli 2017, in dem unter Verweis auf die Verschlimmerung des Krankheitsbildes nach dem Termin vor dem Verwaltungsgericht eine Reisefähigkeit wegen akuter Suizidgefahr pauschal negiert wird, lässt nicht erkennen, weshalb die depressive Störung mit den aufgeführten Symptomen eine Transportunfähigkeit (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne) – trotz begleitender Vorsorgemaßnahmen – bewirken soll, und setzt sich nicht mit einer naheliegenden Instrumentalisierung des Krankheitsbildes zur Vermeidung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auseinander. Selbst wenn eine Suizidgefahr nicht auszuschließen wäre, läge nicht zwangsläufig ein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis vor; vielmehr handelt es sich bei einer möglicherweise aus den besonderen Belastungen einer Abschiebung resultierenden Suizidgefahr um einen Umstand, der eine Abschiebung regelmäßig nur vorübergehend hindert (vgl. BVerfG, B.v. 26.2.1998 – 2 BvR 185/98 – juris Rn. 3). Die Abschiebung ist von der Ausländerbehörde dann so zu gestalten, dass einer Suizidgefahr wirksam begegnet werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 16.4.2002 – 2 BvR 553/02 – juris; BayVGH, B.v. 23.8.2016 – 10 CE 15.2784 – juris Rn. 16). Dem hat der Antragsgegner durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung am Abschiebetag zur Feststellung der Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2 durch Dr. B., der Flug- und Reisefähigkeit mangels der Thematisierung suizidaler Absichten positiv festgestellt hat, und einer medizinischen Begleitung des Abschiebungsvorgangs hinreichend Rechnung getragen. Über die Deutsche Botschaft wurde darüber hinaus dafür gesorgt, dass die Antragsteller im Heimatland von Ärzten in Empfang genommen wurden. Eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin zu 2 in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschiebungsvorgang ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens mit Schriftsatz vom 29. November 2017 nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Eine Pflicht, Vorkehrungen für eine dauernde ärztliche Versorgung im Zielstaat der Abschiebung zu treffen, besteht darüber hinaus nicht (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand 2/2016, § 60a AufenthG Rn. 63). Hinsichtlich der Frage der Behandelbarkeit einer depressiven Symptomatik im Sinne eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses wird auf die bindenden Feststellungen des Bundesamts im Bescheid vom 26. Januar 2016 verwiesen.

Wegen mangelnder Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abzulehnen (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung entspricht § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.1.3, 1.5 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 16. Februar 2016 – 4 B 51/16 – MD geändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung der Antragstellerin vorläufig zu unterlassen, solange die Antragsgegnerin kein (fach-)ärztliches Gutachten darüber eingeholt hat, ob auf Grund einer Abschiebung der Antragstellerin die Gefahr besteht, dass sich ihr Gesundheitszustand wesentlich verschlechtert oder suizidale Handlungen drohen, und mit welchen Vorkehrungen eine solche Gefahr abgewendet oder gemindert werden kann.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € (zweitausendfünfhundert EURO) festgesetzt.

Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin C., B-Stadt, bewilligt.

Gründe

I.

1

Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, bis 3 Monate nach Rechtskraft einer Entscheidung im asylrechtlichen Klageverfahren (4 A 281/15) von einer Abschiebung der Antragstellerin abzusehen. Es hat angenommen, das Rechtsschutzziel der Antragstellerin bestehe darin, eine Abschiebung zu verhindern, bis über die aufgrund der vorgetragenen psychischen Erkrankung bestehenden Abschiebungshindernisse entschieden sei. Dieses Ziel werde am effektivsten durch eine Aussetzung der Abschiebung bis 3 Monate nach einer rechtskräftigen Entscheidung im Asylverfahren erreicht. Die Antragstellerin habe ein rechtliches inlandsbezogenes Abschiebungshindernis glaubhaft gemacht. Die bei der Antragsgegnerin beschäftigte Amtsärztin schließe suizidale Handlungen im Zusammenhang mit der Rückführung nach Mazedonien nicht aus. Sie halte aktuelle Schübe der Depression für möglich und schätze ein, dass es zu "Verhaltensauffälligkeiten" wegen der Rückführung kommen könne. Die Amtsärztin habe es zudem in ihren Stellungnahmen mehrfach abgelehnt, die amtsärztliche Verantwortung zu übernehmen. Sie weise ferner darauf hin, dass während der Rückführung Sanitäter anwesend und danach die psychiatrische Behandlung "dringend sichergestellt" sein müsse. Sie gehe zwar von einer generellen Reisefähigkeit aus, Belege dafür benenne sie aber nicht, sondern führe nur Tatsachen an, die gegen eine Reisefähigkeit sprächen. Insbesondere der Hinweis auf die Notwendigkeit einer psychiatrischen Betreuung unmittelbar nach Rückkehr spreche für ein Abschiebungshindernis. Auch wenn der Flug noch von einem Sanitäter begleitet werden könne, seien Vorkehrungen für die Sicherheit der Antragstellerin unmittelbar nach der Ankunft nicht ersichtlich und wegen der bisher attestierten Unwirksamkeit der Medikamente auch nur schwer vorstellbar, so dass die bloße Mitgabe von Medikamenten nicht ausreichen werde. Zudem liege die Einschätzung über die generelle Reisefähigkeit bereits ein Jahr zurück und sei von der Amtsärztin so nicht wiederholt worden. Deshalb sei zumindest offen, ob durch die Abschiebung die nach den vorliegenden übereinstimmenden ärztlichen Stellungnahmen bestehende mittelschwere Depression sich wesentlich verschlimmern werde und aufgrund dessen eine erhebliche Selbsttötungsgefahr bei der Abschiebung bestehe. Es bestehe daher für die Antragsgegnerin Anlass zu weiterer Sachaufklärung. Die Antragstellerin sei dabei zur Mitwirkung verpflichtet.

II.

2

A. Die Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg.

3

Die von ihr dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen eine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung nur hinsichtlich der Dauer der Sicherungsanordnung. Die Antragsgegnerin rügt hingegen ohne Erfolg, dass die Antragstellerin kein rechtliches Abschiebungshindernis in Gestalt einer Reiseunfähigkeit und damit auch keinen Anordnungsanspruch nach § 123 VwGO glaubhaft gemacht habe.

4

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 01.12.2014 – 2 M 119/14 –, juris, RdNr. 7, m.w.N.) kann eine bestehende psychische Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in zwei Fallgruppen begründen: Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange der Ausländer wegen Erkrankung transportunfähig ist, d.h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des "Reisens" wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie – außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs – eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne). Es geht also nicht nur darum, während des eigentlichen Abschiebevorgangs selbstschädigende Handlungen eines aufgrund einer psychischen Erkrankung suizidgefährdeten Ausländers zu verhindern; eine Abschiebung hat vielmehr auch dann zu unterbleiben, wenn sich durch den Abschiebevorgang die psychische Erkrankung (wieder) verschlimmert, eine latent bestehende Suizidalität akut wird und deshalb die Gefahr besteht, dass der Ausländer unmittelbar vor oder nach der Abschiebung sich selbst tötet. Von einem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis ist auch dann auszugehen, wenn sich die Erkrankung des Ausländers gerade aufgrund der zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland wesentlich verschlechtert, und nicht nur, wenn ein Suizid während der Abschiebung droht. Die Frage, ob Maßnahmen bei der Gestaltung der Abschiebung – wie ärztliche Hilfe und Flugbegleitung – ausreichen, um der auf einer psychischen Erkrankung beruhenden ernsthaften Suizidgefahr wirksam zu begegnen, lässt sich erst aufgrund einer möglichst fundierten und genauen Erfassung des Krankheitsbildes und der sich daraus ergebenden Gefahren beantworten; eine abstrakte oder pauschale Zusicherung von Vorkehrungen wird dem gebotenen Schutz aus Art. 2 Abs. 2 GG nicht gerecht. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.

5

2. Es entspricht ferner der bisherigen Rechtsprechung des Senats (a.a.O., RdNr. 8, unter Bezugnahme auf VGH BW, Beschl. v. 06.02.2008 – 11 S 2439/07 –, InfAuslR 2008, 213 [214], RdNr. 9), dass die für die Aussetzung der Abschiebung zuständige Ausländerbehörde, wenn ein Ausländer eine solche Reiseunfähigkeit geltend macht oder sich sonst konkrete Hinweise darauf ergeben, verpflichtet ist, den aufgeworfenen Tatsachenfragen, zu deren Beantwortung im Regelfall medizinische Sachkunde erforderlich ist, im Rahmen ihrer Amtsaufklärungspflicht nach § 24 VwVfG i.V.m. § 1 VwVfG LSA nachzugehen, wobei der Ausländer zur Mitwirkung verpflichtet ist (§ 82 AufenthG). Kann die Reiseunfähigkeit trotz Vorliegens ärztlicher oder psychologischer Fachberichte nicht als erwiesen angesehen werden, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass für die Ausländerbehörde kein weiterer Aufklärungsbedarf besteht. Sie bleibt nach § 24 VwVfG i.V.m. § 1 VwVfG LSA verpflichtet, den Sachverhalt selbst weiter aufzuklären, wenn und soweit sich aus den ärztlichen oder psychologischen Äußerungen, dem Vortrag des Ausländers oder aus sonstigen Erkenntnisquellen ausreichende Indizien für eine Reiseunfähigkeit ergeben. Ist das der Fall, wird regelmäßig eine amtsärztliche Untersuchung oder die Einholung einer ergänzenden (fach-)ärztlichen  Stellungnahme oder eines (fach-)ärztlichen Gutachtens angezeigt sein, da der Ausländerbehörde und auch den Verwaltungsgerichten die erforderliche medizinische Sachkunde zur Beurteilung einer mit der Abschiebung einhergehenden Gesundheitsgefahr und auch der Frage fehlen dürfte, mit welchen Vorkehrungen diese Gefahr ausgeschlossen oder gemindert werden könnte.

6

Die Antragsgegnerin vermag hiergegen nicht mit dem Einwand durchzudringen, es sei nicht Aufgabe der Ausländerbehörde, das Nichtvorliegen von Abschiebungshindernissen darzulegen und zu beweisen, vielmehr obliege es gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO dem Ausländer, eine geltend gemachte Reiseunfähigkeit glaubhaft zu machen. Ungeachtet der durch § 123 Abs. 3 VwGO begründeten entsprechenden Geltung des § 920 Abs. 2 ZPO gilt auch im einstweiligen Anordnungsverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 123 RdNr. 95, m.w.N.). Art. 19 Abs. 4 GG garantiert über das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, hinaus die Effektivität des Rechtsschutzes; das gilt auch für den verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz gemäß § 123 VwGO. Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist – erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs – einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen. Je schwerer die sich aus der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ergebenden Belastungen wiegen, je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtspositionen zurückgestellt werden. Entscheidend ist, dass die Prüfung eingehend genug ist, um den Antragsteller vor erheblichen und unzumutbaren, anders weder abwendbaren noch reparablen Nachteilen effektiv zu schützen (zum Ganzen: BVerfG, Beschl. v. 11.07.2014 – 2 BvR 1006/14 –, NVwZ 2014, 1572, RdNr. 9; Beschl. v. 12.09.2011 – 2 BvR 1206/11 –, NJW 2011, 3706 [3707 f.], RdNr. 15, m.w.N.). Da bei der Frage der Reisefähigkeit das Grundrecht des Betroffenen auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) tangiert wird und sich die möglichen Folgen, die bei einer trotz Reiseunfähigkeit durchgeführten Abschiebung entstehen, häufig nicht oder nur schwer rückgängig machen lassen, ist der Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht erst dann geboten, wenn die Reiseunfähigkeit des Ausländers positiv feststeht, sondern bereits dann, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Ausländer wegen einer (psychischen) Erkrankung nicht reisefähig ist.

7

Der Amtsermittlungsgrundsatz trifft zwar im gerichtlichen Verfahren gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO in erster Linie das Gericht, es kann aber die Beteiligten dabei heranziehen. Ferner lässt § 86 VwGO die für das Verwaltungsverfahren geltende Amtsermittlungspflicht der Behörde nach § 24 VwVfG unberührt. Zwar ist die Behörde in aller Regel nicht mehr verpflichtet, sondern nur befugt, parallel zum Gerichtsverfahren weitere Ermittlungen anzustellen, da die Pflicht nach § 24 VwVfG mit dem Verwaltungsverfahren endet (vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 24 RdNr. 60). Von einem beendeten Verwaltungsverfahren kann aber nicht die Rede sein, solange die Ausländerbehörde – wie hier – über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Abschiebung noch nicht entschieden hat. Zudem kann das Gericht verpflichtet sein, wegen der Eilbedürftigkeit des Falls von weiteren eigenen Ermittlungen abzusehen (vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 123 RdNr. 92). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn – wie hier – eine Abschiebung bevorsteht und eine Aufklärung des Sachverhalts bis dahin nicht möglich ist.

8

Ohne Erfolg wendet die Antragsgegnerin weiter ein, das Verwaltungsgericht lege ihr eine unerfüllbare Ermittlungspflicht auf. Sie muss die Reisefähigkeit der Antragstellerin nicht selbst feststellen, sondern kann, wenn die bei ihr tätige Amtsärztin nicht in der Lage sein sollte, eine zuverlässige Aussage über die Reisefähigkeit der Antragstellerin zu treffen, gemäß § 26 VwVfG i.V.m. § 1 VwVfG LSA einen Facharzt als Sachverständigen heranziehen.

9

3. In Anwendung der oben dargelegten Grundsätze hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass die Antragstellerin Tatsachen glaubhaft gemacht hat, die zwar eine Reiseunfähigkeit der Antragstellerin wegen der in Rede stehenden psychischen Erkrankung nicht belegen, die aber erhebliche Zweifel an der Reisefähigkeit begründen, so dass insoweit weiterer Aufklärungsbedarf besteht.

10

Die Antragstellerin wurde am 29.09.2014 im (…)-Krankenhaus A-Stadt – Gesundheitszentrum für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik – stationär behandelt.

11

Nach der psychologischen Kurzstellungnahme einer Psychologin und einer Traumapädagogin der (…) GmbH vom 10.12.2014 war die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt dringend behandlungsbedürftig. Im Hinblick auf die beobachtbaren Symptome könne von einer schweren Depression mit psychotischen Symptomen ausgegangen werden. Weiterhin gebe es deutliche Hinweise, die auf eine posttraumatische Belastungsstörung hinweisen. Aus psychologischer Sicht wäre die Rückkehr ins Heimatland mit einer ernsthaften gesundheitlichen Gefährdung verbunden, weil der Abbruch der laufenden psychotherapeutischen Behandlung eine Destabilisierung der Klientin nach sich ziehen und die Konfrontation mit dem Umfeld der Trauma auslösenden Ereignisse die Genesung unmöglich machen würde.

12

Nach dem Attest des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. Z. vom 15.01.2016 befindet sich die Antragstellerin wegen einer mittelschweren Depression in seiner Behandlung. Sie sei auf Medikamente eingestellt und besuche außerdem eine Psychotherapie. Die Behandlung sei noch nicht abgeschlossen.

13

Nach der amtsärztlichen Stellungnahme vom 16.01.2015 leidet die Antragstellerin an einer Depression, die nach eigenen Angaben im Heimatland nicht behandelt worden sei. Weiterhin sei dem Attest des behandelnden Arztes zu entnehmen, dass der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung bestehe. Aus amtsärztlicher Sicht bestehe generell eine Reisefähigkeit. Die Begleitung während der Reise durch einen Sanitäter sei jedoch erforderlich, da durch die emotionale Belastung im Zusammenhang mit der Rückführung ins Heimatland suizidale Handlungen nicht auszuschließen seien. Amtsärztlich werde keine Verantwortung übernommen. Im Heimatland sei die Fortführung der fachärztlichen psychiatrischen Behandlung und der medikamentösen Therapie sicherzustellen.

14

Der Bericht der Amtsärztin vom 12.11.2015 enthält die Diagnose "Vd. Posttraumatische Belastungsstörung, Angststörung, Depression mit psychotischen Symptomen" und eine Aussage zum  Schweregrad der Erkrankung (mittelgradige Episode). Die Amtsärztin führt in diesem Bericht einerseits aus, dass ein Flug in Begleitung möglich sei. Andererseits gibt sie an, die Antragstellerin sei so ungeeignet, dass sie andere Reisende in Gefahr bringen könne, weil ein akuter Schub der Depression nicht auszuschließen und Panikattacken möglich seien, und insoweit wegen möglicher Verhaltensauffälligkeiten amtsärztlich keine Verantwortung übernommen werde. Die Frage, ob die Antragstellerin auf dem Boden am Flughafen oder im Flugzeug Medikamente benötigt, kann nach ihrer Einschätzung nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Die fachärztliche psychiatrische Weiterbehandlung im Heimatland müsse dringend sichergestellt sein.

15

Nach der Stellungnahme der Amtsärztin vom 13.11.2015 hat die bestehende Medikation bisher zu keinem wesentlichen Behandlungserfolg geführt, so dass eine Umstellung der Medikamente erfolgen solle. Aktuell bestünden bei der Betroffenen depressive Symptome mit akustischen Halluzinationen, Angstzustände und Schlafstörungen. Die Vorstellung bei einem Facharzt für Psychiatrie sei medizinisch indiziert.

16

Bei einer Gesamtschau dieser von der Antragstellerin vorgelegten Stellungnahmen und Bescheinigungen lässt sich keine belastbare Aussage darüber treffen, ob sich die diagnostizierte Erkrankung der Antragstellerin bei einer zwangsweisen Rückführung in ihr Heimatland wesentlich verschlechtern würde. Erst wenn die Reisefähigkeit der Antragstellerin geklärt ist, stellt sich die Frage, inwieweit im Heimatland Vorkehrungen für eine Weiterbehandlung der Antragstellerin zu treffen sind.

17

4. Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus den am 17.03.2016 in Kraft getretenen Regelungen des § 60a Abs. 2 c und d AufenthG. Unabhängig davon, dass der Antragsgegner in seiner Beschwerde nicht dargelegt hat, inwieweit diese Neuregelungen auf den vorliegenden Fall Anwendung finden, lassen sie den vom Verwaltungsgericht festgestellten Anordnungsanspruch nicht entfallen.

18

4.1. Nach § 60a Abs. 2c AufenthG wird nunmehr vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.

19

Die Antragstellerin hat die von ihr geltend gemachte Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen soll, allerdings nicht durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung im Sinne von § 60a Abs. 2c AufenthG belegt und damit die gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit nicht widerlegt. Eine ärztliche Bescheinigung ist grundsätzlich nur dann als qualifiziert anzusehen, wenn die in § 60a Abs. 2c AufenthG genannten Merkmale und Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 18/7538, S. 19).

20

Das von der Antragstellerin vorgelegte ärztliche Attest des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. Z. vom 15.01.2016 entspricht nicht den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG. Sie enthält insbesondere nicht die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist und die Methode der Tatsachenerhebung. Es enthält auch keine Aussage zu den Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben.

21

4.2. Ist eine die Abschiebung beeinträchtigende Erkrankung nicht durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft gemacht und die gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit damit nicht widerlegt, kommt zwar eine Aussetzung der Abschiebung in der Regel nicht in Betracht. Eine Ermittlungspflicht der Ausländerbehörde besteht in diesem Fall grundsätzlich nicht. Etwas anderes gilt aber dann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Ausländer an einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung leidet, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Dies folgt aus § 60a Abs. 2d Satz 2 AufenthG. Danach darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, wenn der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nach § 60a Abs. 2c AufenthG verletzt, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Ist Letzteres der Fall, ist die Ausländerbehörde nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, diese Anhaltspunkte zu berücksichtigen und in Anwendung des § 24 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA eine (erneute) ärztliche Untersuchung anzuordnen, die hinreichenden Aufschluss darüber gibt, ob der Ausländer an einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung leidet und diese sich im Fall einer Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Eine solche Auslegung ist wegen des in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verankerten Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit verfassungsrechtlich geboten. Nur wenn der Ausländer einer Anordnung zur Durchführung einer ärztlichen Untersuchung nicht Folge leistet, ist die Behörde entsprechend § 60a Abs. 2d Satz 3 AufenthG berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen.

22

Anderweitige tatsächliche Anhaltspunkte für eine schwere psychische Erkrankung der Antragstellerin, die sich durch eine Abschiebung verschlechtern kann, liegen hier – wie oben dargelegt – wegen der bereits vorhandenen (amts-)ärztlichen und psychologischen Stellungnahmen bei der gebotenen Gesamtschau vor.

23

5. Der Senat hält es allerdings – anders als das Verwaltungsgericht – nicht für sachgerecht, die Verpflichtung der Antragsgegnerin, von einer Abschiebung der Antragstellerin abzusehen, von der Rechtskraft der Entscheidung im Asylverfahren (4 A 281/15 MD), in welchem (auch) zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu prüfen sind, abhängig zu machen. Er hält es vielmehr für ausreichend, aber auch geboten, dass die einstweilige Anordnung (nur) so lange Gültigkeit hat, bis ein (fach-)ärztliches Gutachten vorliegt, in dem festgestellt wird, dass sich die Erkrankung der Antragstellerin durch eine zwangsweisen Rückführung in ihr Heimatland nicht wesentlich verschlechtert und auch keine suizidalen Handlungen drohen.

24

B. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Da die Beschwerde im Wesentlichen ohne Erfolg geblieben ist, legt der Senat der Antragsgegnerin die Verfahrenskosten insgesamt auf.

25

C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, GKG.

26

D. Der Antragstellerin ist auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.

27

Aus der vorliegenden Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen ergibt sich, dass die Antragstellerin nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung bleiben gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 119 Satz 2 ZPO im zweiten Rechtszug ungeprüft, weil die Antragsgegnerin das Rechtsmittel eingelegt hat.

28

Die Entscheidung über die Beiordnung folgt aus § 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO.

29

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

30

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

(1) Ausländerinnen und Ausländern, die eine Duldung besitzen, kann eine Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn sie sich seit drei Monaten erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhalten. Die §§ 39, 40 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2 sowie § 41 des Aufenthaltsgesetzes gelten entsprechend.

(2) Keiner Zustimmung bedarf die Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung

1.
eines Praktikums nach § 22 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 4 des Mindestlohngesetzes,
2.
einer Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf,
3.
einer Beschäftigung nach § 18b Absatz 2 Satz 1 und § 18c Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes, § 5, § 14 Absatz 1, § 15 Nummer 2, § 22 Nummer 3 bis 6 und § 23,
4.
einer Beschäftigung von Ehegatten, Lebenspartnern, Verwandten und Verschwägerten ersten Grades eines Arbeitgebers in dessen Betrieb, wenn der Arbeitgeber mit diesen in häuslicher Gemeinschaft lebt oder
5.
jeder Beschäftigung nach einem ununterbrochen vierjährigen erlaubten, geduldeten oder gestatteten Aufenthalt im Bundesgebiet.

(3) Der Absatz 2 findet auch Anwendung auf Ausländerinnen und Ausländer mit einer Aufenthaltsgestattung.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses, mit dem es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, dem Antragsgegner, der mit Bescheid vom 5. April 2017 eine Beschäftigungserlaubnis für eine Ausbildung im Garten- und Landschaftsbau sowie eine diesbezügliche Ausbildungsduldung abgelehnt hat, vorläufig Abschiebungsmaßnahmen gegen den Antragsteller zu untersagen.

Seine Beschwerde hat der Antragsteller, ein armenischer Staatsangehöriger, damit begründet, dass er asylrechtlich noch nicht ausreisepflichtig sei, dass seine Ehefrau aus gesundheitlichen Gründen nicht abgeschoben werden könne und dass ihm eine Ausbildungsduldung zu erteilen sei. Dieser Vortrag verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.

1. Der Einwand des Antragstellers, er sei asylrechtlich noch nicht vollziehbar ausreisepflichtig, ist nicht zutreffend, weil das Verwaltungsgericht nicht nur den vorläufigen Rechtsschutzantrag gegen den in vollem Umfang negativen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. Juni 2016 (das Asylbegehren ist als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden) abschlägig verbeschieden hat, sondern zwischenzeitlich auch die Anträge nach § 80 Abs. 7 VwGO mit Beschlüssenvom 2. Juni 2017 (W 7 S. 17.32392) und 5. Juli 2017 (W 7 S. 17.32591). Die Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylG) erlischt, wenn – wie hier – die nach dem Asylgesetz erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist (§ 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylG). Die verwaltungsgerichtliche Entscheidung über zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse ist nach § 42 Satz 1 AsylG im ausländerrechtlichen Verfahren bindend.

2. Der im Schriftsatz vom 27. Juni 2017 außerhalb der zweiwöchigen Beschwerdebegründungsfrist (§ 146 Abs. 1 Satz 1 VwGO, hier abgelaufen am 19.6.2017) erstmals thematisierte Gesundheitszustand der Ehefrau des Antragstellers begründet ebenfalls kein Abschiebungshindernis, nachdem eine schwerwiegende, die Abschiebung ausschließende Erkrankung trotz schriftlicher Belehrungen durch die Ausländerbehörde am 19. Januar und 20. März 2017 bislang nicht geltend gemacht worden ist. In der dem Senat vorliegenden Ausländerakte der Ehefrau finden sich weder Angaben zu Erkrankungen noch diesbezügliche Nachweise. Auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurde hierzu nichts Konkretes vorgetragen. Trotz mehrseitiger rechtlicher Ausführungen zu § 60a AufenthG wird vom Antragsteller eine Erkrankung seiner Ehefrau weder dargelegt noch nachgewiesen.

3. Der Vortrag, der Antragsteller könne eine Ausbildungsduldung nach § 60a AufenthG beanspruchen, erweist sich ebenfalls als nicht berechtigt und begründet deshalb kein Hindernis für die Abschiebung des Antragstellers.

3.1 Für die Aufnahme der zum 1. September 2017 angebotenen Ausbildung zum Landschaftsgärtner bedarf der Antragsteller der Erlaubnis der Ausländerbehörde nach § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2017 – 10 CE 16.2342 – juris Rn. 1 m.w.N.). Diese hat die Erteilung der Erlaubnis mit Bescheid vom 5. April 2017 abgelehnt. Die zentrale Ausländerbehörde U. ist angesichts der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und der Bestätigung dieser Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes durch den unanfechtbaren Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Januar 2017 zutreffend von der Ausreisepflicht des Antragstellers ausgegangen und hat in gemäß § 114 VwGO nicht zu beanstandender Weise dem öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Rückkehr des Antragstellers in sein Heimatland Vorrang vor den privaten Interessen des Antragstellers an der Aufnahme einer Ausbildung eingeräumt.

3.2 Eine Ausbildungsduldung, die mit Bescheid vom 5. April 2017 ebenfalls abgelehnt wurde, ist nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG nur zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, Ausschlussgründe nach § 60a Abs. 6 AufenthG nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Die Ausbildungsduldung kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung vorliegen und die Aufnahme der Ausbildung zeitlich unmittelbar bevorsteht (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 27.6.2017 – 11 S 1076/17 – juris Rn. 18 und 20), denn eine Duldung zur zeitlich wesentlich späteren Aufnahme einer Ausbildung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, ist nicht zu beanstanden. Dem Antragsteller wurde zwar mit Schreiben vom 8. Februar 2017 ein Ausbildungsplatz als Landschaftsgärtner angeboten, doch soll die Ausbildung erst zum 1. September 2017 beginnen; zwischen dem Ausbildungsangebot und der Aufnahme der Ausbildung liegt folglich ein Zeitraum von mehr als 6 Monaten, in dem der Antragsteller zur Ausreise verpflichtet ist.

Zum Zeitpunkt der Aufnahme der Berufsausbildung am 1. September 2017 sind die Voraussetzungen des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG nicht erfüllt. Die am 13. Februar 2017 eingeleitete Beschaffung von Passersatzpapieren stellt eine konkrete Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung dar, die den Anspruch auf eine Ausbildungsduldung ausschließt. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers will diese Ausschlussregelung die Fälle aus dem Anwendungsbereich des Rechtsanspruchs auf Ausbildungsduldung ausnehmen, in denen die Abschiebung bereits konkret vorbereitet wird, wobei die Gesetzesbegründung die Beantragung eines Pass(ersatz) papiers, die Terminierung der Abschiebung oder den Lauf eines Verfahrens zur Dublin-Überstellung als Beispiele aufführt (BT-Drs. 18/9090 S. 25; vgl. auch BayVGH, B.v. 15.12.2016 – 19 CE 16.2025 – juris Rn. 19). Dass die Beschaffung von Passersatzpapieren tatsächlich länger dauert als behördlich angenommen, ist unschädlich, denn die Ausstellung der Passersatzpapiere liegt ausschließlich in der Verantwortung des Herkunftsstaates. Anzeichen für eine offensichtliche Aussichtslosigkeit der Rückführungsbemühungen sind nicht ersichtlich. Somit kann der Antragsteller keine Duldung für die Aufnahme der Ausbildung verlangen, auch wenn ein Ausschlussgrund im Sinn des § 60a Abs. 6 AufenthG nicht vorliegt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG, wobei im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der sogenannte Auffangstreitwert halbiert wird.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragssteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Der Asylantrag des am 15. August 2012 ins Bundesgebiet eingereisten Antragstellers, der Identitätspapiere nicht vorlegte und angab, am 25. Januar 1991 geboren und pakistanischer Staatsangehöriger zu sein, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. August 2014 als offensichtlich unbegründet abgelehnt; der Bescheid ist seit 29. August 2014 bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 wies die Ausländerbehörde den Antragsteller auf seine Ausreisepflicht und Passpflicht sowie auf die in diesem Zusammenhang bestehenden Handlungspflichten hin; die Belehrung wurde am 5. Juli 2016 wiederholt. Ab dem 29. Dezember 2014 wurden dem Antragsteller Duldungen - mit dem Zusatz „Erwerbstätigkeit nicht gestattet“ - erteilt. Die angestrebte Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wurde nicht gestattet. Nach eigenen Angaben sprach der Antragsteller am 6. und am 16. Juni 2016 jeweils beim Konsulat seines Heimatlandes vor. Ein Nachweis über die Beantragung eines Passes liegt nicht vor.

Am 17. Juni 2016 beantragte der Antragsteller bei der Ausländerbehörde des Landratsamtes A. die Erlaubnis zur Ausbildung als Fachkraft im Gastgewerbe (ein schriftlicher Berufsausbildungsvertrag zur Fachkraft im Gastgewerbe mit Ausbildungsbeginn zum 1. September 2016 wurde im Juli 2016 geschlossen). Bei Gelegenheit seiner Vorsprache an diesem Tag wurden Unterlagen für die behördliche Passbeschaffung erstellt und von der Ausländerbehörde an die Zentrale Passbeschaffung Bayern bei der Regierung von O. weitergeleitet. Aus deren Verfahrens-Informationen zu Pakistan geht hervor, dass die Bearbeitung ohne Vorlage von Originaldokumenten 3 bis 8 Monate dauert und nach erfolgter Identifizierung die persönliche Vorstellung beim pakistanischen Generalkonsulat in Frankfurt notwendig ist.

Mit Bescheid vom 26. August 2016 lehnte die nunmehr zuständige zentrale Ausländerbehörde der Regierung von U. den Antrag ab und verwies im Rahmen ihrer Ermessensausübung auf die vollziehbare Ausreisepflicht und eine mangelnde Bleibeperspektive sowie das am 17. Juni 2016 eingeleitete Verfahren zur Beschaffung von Heimreisedokumenten. Der Aufforderung zur Passbeschaffung vom 18. Dezember 2014 sei der Antragsteller nicht nachgekommen. Wegen konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung stehe dem Antragsteller auch keine Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu.

Durch Klage gegen den Bescheid verfolgte der Antragsteller sein Ziel weiter. Zusätzlich beantragte er die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Ziel einer vorläufigen Erlaubnis zur Aufnahme der Ausbildung. Dies lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. September 2016 ab. Der Antrag ziele auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache ab und der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Gestattung der Ausbildung. Die Entscheidung liege vielmehr im Ermessen der Behörde. Ein Anspruch auf eine Ausbildungsduldung bestehe nicht, weil konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorgestanden hätten.

Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller geltend, sein Ausbildungsplatz gehe unwiederbringlich verloren, wenn er die Stelle nicht antrete und die Berufsschule nicht besuche. Er könne weder davon ausgehen, dass ihm der Ausbildungsplatz reserviert werde, noch davon, dass er einen anderen Ausbildungsplatz finden werde. Von einer rein zeitlichen Verzögerung der Ausbildung könne deshalb nicht gesprochen werden. Die Möglichkeit einer Rückführung nach Pakistan sei nicht absehbar. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf die Erlaubnis zur Ausbildung, der sich aus § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ergebe; der gesetzliche Ausschlussgrund, wenn konkrete Maßnahmen zu Aufenthaltsbeendigung bevorstehen, liege nicht vor.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung den Antragsgegner vorläufig zur Gestattung der Ausbildung des Antragsteller zur Fachkraft im Gastgewerbe zu verpflichten.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Aus seiner Sicht bedeute die begehrte vorläufige Gestattung eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache und eine Verfestigung des Aufenthalts. Die wirtschaftliche Existenz des Antragstellers sei durch öffentliche Leistungen gesichert und die Ausbildung könne auch noch zu einem späteren Zeitpunkt begonnen werden. Die Ausländerbehörde habe über die Zulassung der Ausbildung ermessensfehlerfrei entschieden; eine Ausbildungsduldung könne der Antragsteller nicht beanspruchen, weil bereits konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorgestanden hätten.

II. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses, mit dem das Verwaltungsgericht eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer vorläufigen Erlaubnis zur Aufnahme der Berufsausbildung und zum Berufsschulbesuch abgelehnt hat.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass sich die Gestattung einer Erwerbstätigkeit nicht - wie im angefochtenen Bescheid angenommen - nach § 61 Abs. 2 AsylG i. V. m. § 32 BeschV, sondern nach §§ 4 Abs. 3 Satz 3, 42 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG i. V. m. §§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 32 BeschV richtet. Es ist deshalb zutreffend vom Vorliegen einer Ermessensentscheidung ausgegangen, aber auch davon, dass das einstweilige Rechtsschutzbegehren erfolglos bleibt, weil eine Ermessensreduzierung auf Null nicht zu erkennen ist; insoweit kann auf den angefochtenen Beschluss nach § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug genommen werden.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass die Anwendung des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG hinsichtlich der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis im vorliegenden Fall nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null führt.

Nach der Vorschrift ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Absatz 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen.

Die Voraussetzung, dass konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen, ist jedoch beim Antragsteller nicht erfüllt. Das Verwaltungsgericht hat bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmals auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung abgestellt und zutreffend festgestellt, dass das zuständige Landratsamt bereits am 17. Juni 2016 das Verfahren zur Beschaffung eines Passersatzpapiers als konkrete Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet hat.

Auch ein Abstellen auf einen früheren Zeitpunkt (vgl. hierzu VGH BW, B.v. 13.10.2016 - 11 S 1991/16) würde zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis führen. Bei dem Inkrafttreten der Neufassung des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG am 6. August 2016 (vgl. Art. 5 Nr. 8 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016, BGBl I S. 1939) war das Verfahren zur Beschaffung des Passersatzpapiers bereits eingeleitet. Im Zeitpunkt der Antragstellung beanspruchte die Einschränkung der Vorschrift über die Ausbildungsduldung auf Fälle, in denen konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen, noch keine Geltung, hatte aber die Ausländerbehörde durch wiederholte Belehrung über die Ausreisepflicht, die konsequente Ablehnung der vom Antragsteller angestrebten Erwerbstätigkeit in den Duldungsverfahren und letztlich durch die Einleitung des Verfahrens zur Beschaffung von Passersatzpapieren hinreichend zum Ausdruck gebracht, die Ausreisepflicht des Antragstellers tatsächlich durchsetzen zu wollen. Nach dem rechtskräftigen Abschluss des erfolglosen Asylverfahrens (Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet) war dem Antragsteller bereits seit Dezember 2014 bewusst, dass er zur Ausreise verpflichtet ist und das Bundesgebiet wieder verlassen muss.

Die Voraussetzung, dass „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“ (eine inhaltsgleiche Formulierung findet sich in § 61 Abs. 1c Nr. 3 AufenthG) soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Fälle aus dem Anwendungsbereich des Rechtsanspruchs auf Ausbildungsduldung ausnehmen, in denen die Abschiebung bereits konkret vorbereitet wird, wobei die Gesetzesbegründung die Beantragung eines Pass(ersatz)papiers, die Terminierung der Abschiebung oder den Lauf eines Verfahrens zur Dublin-Überstellung als Beispiele aufführt. Im vorliegenden Fall wurde das Verfahren zur Ausstellung eines Passersatzpapiers am 17. Juni 2016 von der zuständigen Ausländerbehörde auf den Weg gebracht. Nachdem der Gesetzgeber in der Gesetzbegründung das Verfahren zur Beschaffung eines Passersatzpapiers ausdrücklich als Beispiel für eine „bevorstehende Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung“ genannt hat (vgl. BT-Drs. 18/9090 S. 25), überzeugen die dagegen gerichteten Einwände des Antragstellers nicht. Die Gesetzformulierung „Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ ist bewusst weiter gefasst als die eigentliche Aufenthaltsbeendigung durch Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung, die der Antragsteller im Blick hat; andernfalls hätte die Verwendung des Begriffs Aufenthaltsbeendigung als gemeinsamer Oberbegriff genügt. Im vorliegenden Fall besteht nicht nur die vollziehbare Ausreisepflicht; die Ausländerbehörde hat, nachdem der Antragsteller über einen längeren Zeitraum seiner gesetzlichen Passpflicht, über die er mehrmals schriftlich belehrt wurde, nicht genügt hat, mit dem Verfahren zur Beschaffung eines Passersatzpapiers konkrete eigene Schritte zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet. Dass ein derartiges Verfahren eine gewisse Zeit (im vorliegenden Fall bis zu 8 Monate) in Anspruch nimmt, entwertet diese Schritte nicht, denn die Ausstellung entsprechender Unterlagen liegt in der Hoheit des jeweiligen Herkunftsstaates. Bereits vor diesem Hintergrund sind die Überlegungen des Antragstellers zur Anwendung der nur innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU geltenden „Dublin-III-Verordnung“ fernliegend.

Angesichts der beim Antragsgegner vorliegenden Informationen über das Verfahren zur Beschaffung von Passersatzpapieren für Pakistan ist dessen Verlauf sowohl in prozeduraler als auch in zeitlicher Hinsicht absehbar. Anhaltspunkte dafür, dass ein ernsthaft (ohne Signale für ein gegenteiliges Interesse) gestellter Antrag auf Erteilung eines Passersatzpapiers von den Behörden des Herkunftsstaates überhaupt nicht bearbeitet wird und eine Aufenthaltsbeendigung deshalb von vorneherein nicht in Betracht kommt, legt der Antragsteller nicht dar. Der vom Antragsteller geforderten Eingangsbestätigung für den Antrag durch die Behörden des Heimatstaates bedarf es nicht.

§ 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ist als Maßstab zur Beurteilung der Absehbarkeit von konkreten Maßnahmen ungeeignet. Er dient, worauf der Antragsgegner zutreffend hingewiesen hat, der zeitlichen Begrenzung von Sicherungshaft, die einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darstellt, und ist deshalb untauglich, einen in jeder Hinsicht verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken zum Ausdruck zu bringen. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/9090, S. 25) bietet für den Fall des Antragstellers bereits eine ausreichende Auslegungsgrundlage. In den Fällen, in denen die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung absehbar ist, soll nach dem Willen des Gesetzgebers der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang eingeräumt werden. Eine Duldung zum Zweck der Berufsausbildung darf dann nicht erteilt werden. Dass der Antragsteller nicht aus einem Herkunftsstaat nach § 29a AsylG stammt, hat lediglich zur Folge, dass er als Geduldeter nicht von jeglicher Erwerbstätigkeit ausgeschlossen ist; es bedeutet jedoch nicht, dass ihm (im Umkehrschluss) generell ein Anspruch auf eine Ausbildungsduldung zustehen würde.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG, wobei im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der sogenannte Auffangstreitwert halbiert wird.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. August 2018 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, mit der der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiterverfolgt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) zu verpflichten, ihm vorläufig eine Ausbildungsduldung sowie eine Beschäftigungserlaubnis zur Aufnahme einer Berufsausbildung bei einer näher bezeichneten Firma zu erteilen, bleibt ohne Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen weder die Aufhebung noch eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat den erforderlichen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG verneint, weil beim Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt der Beantragung der Ausbildungsduldung Ende Juni 2018 bereits konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorgestanden und damit nicht alle tatbestandlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch vorgelegen hätten. Bereits am 30. April 2018 habe die zuständige Behörde der Zentralen Passbeschaffung Bayern bei der Regierung von Oberbayern den Request for Transit Pass for Returning to Afghanistan (TPR-Antrag) für den Antragsteller mit den entsprechenden Lichtbildern übersandt. Dieser Antrag sei von der Regierung von Oberbayern am 27. Juni 2018 beim afghanischen Generalkonsulat eingereicht worden. Seit Ende Juli 2018 bestehe nunmehr die Möglichkeit, ein Einreisedokument für den Antragsteller auszustellen und ihn für einen der nächsten Flüge nach Kabul anzumelden. Einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehende Gründe seien beim Antragsteller nicht ersichtlich.

Demgegenüber macht der Antragsteller mit seiner Beschwerde geltend, bei richtigem Verständnis des Gesetzes lägen konkrete Maßnahmen zur Abschiebung erst dann vor, wenn die Ausländerbehörde zur Aufenthaltsbeendigung nichts weiter unternehmen müsse, als den Betroffenen in das Flugzeug zu bringen, das heißt wenn ein konkreter Flug für den Betroffenen bereits gebucht worden sei. Derartige konkrete Abschiebemaßnahmen seien beim Antragsteller von der Zentralen Ausländerbehörde noch nicht in die Wege geleitet worden; solange aber noch weitere Maßnahmen vor einer möglichen Abschiebung erforderlich seien, stehe die Abschiebung nicht konkret bevor. Im Übrigen habe der Antragsteller inzwischen beim Bundesamt einen Folgeantrag gestellt.

Mit diesem Vorbringen wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht mit Erfolg angefochten. Denn mit der im Beschwerdeverfahren allein streitigen Tatbestandsvoraussetzung, dass konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen, sollen - wie der Senat entschieden hat (BayVGH, B.v. 3.9.2018 - 10 CE 18.1800 - Rn. 4) - die Fälle aus dem Anwendungsbereich des Rechtsanspruchs auf Ausbildungsduldung ausgenommen werden, in denen die Abschiebung bereits konkret vorbereitet wird. Die Gesetzesbegründung selbst führt insoweit die Beantragung eines Pass(ersatz) papiers, die Terminierung der Abschiebung oder den Lauf eines Verfahrens zur Dublin-Überstellung als Beispiele an (BT-Drs. 18/9090 S. 25; vgl. auch BayVGH, B.v. 24.7.2017 - 19 CE 17.1079 - juris Rn. 8; B.v. 15.12.2016 - 19 CE 16.2025 - juris Rn. 19). In den Fällen, in denen die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung „absehbar“ ist, soll daher der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang eingeräumt werden (BT-Drs. 18/9090 S. 25). Die Gesetzformulierung „Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ ist bewusst weiter gefasst als die eigentliche Aufenthaltsbeendigung durch Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung, die der Antragsteller im Blick hat; andernfalls hätte die Verwendung des Begriffs Aufenthaltsbeendigung als gemeinsamer Oberbegriff genügt (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2016 - 19 CE 16.2025 - juris Rn. 19). Für die Beurteilung der Frage, ob konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehen, ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Beantragung einer zeitnah aufzunehmenden, konkret bezeichneten Berufsausbildung unter Vorlage geeigneter Nachweise abzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2018 - 19 CE 18.51 -; B.v. 31.7.2017 - 19 CE 17.1032 - jew. juris).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegt das negative Tatbestandsmerkmal „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“ beim Antragsteller auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht vor. Denn die zuständige Behörde hatte zum Zeitpunkt seiner Beantragung der Berufsausbildungserlaubnis bereits konkrete Schritte bzw. Vorbereitungshandlungen zur Aufenthaltsbeendigung unternommen, die das Entstehen eines Anspruchs auf Ausbildungsduldung grundsätzlich verhindern (vgl. BayVGH a.a.O. Rn. 6). Das Verwaltungsgericht ist in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass jedenfalls mit der Einreichung des TPR-Antrags zur Beschaffung eines Passersatzpapiers für die Heimreise des Antragstellers nach Afghanistan am 30. April 2018 eine hinreichend konkrete Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung vorliegt.

Die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren vertretene Rechtsauffassung, nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG solle die Erteilung einer Ausbildungsduldung nur ausgeschlossen sein, wenn die Abschiebungsmaßnahme selbst auch zeitlich unmittelbar bevorstehe, findet in dieser gesetzlichen Regelung mit Blick auf den Wortlaut und den in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers keine hinreichende Stütze (BayVGH a.a.O. Rn. 6).

Dem Hinweis des Antragstellers auf seinen inzwischen beim Bundesamt gestellten Asylfolgeantrag kommt hier keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.

Besteht schon kein Anordnungsanspruch für die Erteilung einer (vorläufigen) Ausbildungsduldung, kommt auch die Erteilung einer (vorläufigen) Beschäftigungserlaubnis beim Antragsteller nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG. Die wirtschaftliche Bedeutung einer Ausbildungsduldung rechtfertigt den Ansatz des Auffangwertes. Eine Reduzierung des Auffangwerts (vgl. Nr. 1.5 Streitwertkatalogs) war im vorliegenden Fall wegen der auch aus Sicht des Antragstellers angestrebten Vorwegnahme der Hauptsache nicht veranlasst (anders BayVGH, B.v. 22.1.2018 - 19 CE 18.51 - juris Rn. 31; SächsOVG, B.v. 10.4.2018 - 3 B 8/18 - juris Rn. 10). In der vorliegenden Konstellation geht der Senat zudem davon aus, dass dem Antrag auf Erteilung einer (vorläufigen) Beschäftigungserlaubnis neben der beantragten Ausbildungsduldung kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert in Sinn von § 39 Abs. 1 GKG zukommt (BayVGH, B.v. 3.9.2018 - 10 CE 18.1800 - Rn. 16 m.w.N.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragssteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Der Asylantrag des am 15. August 2012 ins Bundesgebiet eingereisten Antragstellers, der Identitätspapiere nicht vorlegte und angab, am 25. Januar 1991 geboren und pakistanischer Staatsangehöriger zu sein, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. August 2014 als offensichtlich unbegründet abgelehnt; der Bescheid ist seit 29. August 2014 bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 wies die Ausländerbehörde den Antragsteller auf seine Ausreisepflicht und Passpflicht sowie auf die in diesem Zusammenhang bestehenden Handlungspflichten hin; die Belehrung wurde am 5. Juli 2016 wiederholt. Ab dem 29. Dezember 2014 wurden dem Antragsteller Duldungen - mit dem Zusatz „Erwerbstätigkeit nicht gestattet“ - erteilt. Die angestrebte Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wurde nicht gestattet. Nach eigenen Angaben sprach der Antragsteller am 6. und am 16. Juni 2016 jeweils beim Konsulat seines Heimatlandes vor. Ein Nachweis über die Beantragung eines Passes liegt nicht vor.

Am 17. Juni 2016 beantragte der Antragsteller bei der Ausländerbehörde des Landratsamtes A. die Erlaubnis zur Ausbildung als Fachkraft im Gastgewerbe (ein schriftlicher Berufsausbildungsvertrag zur Fachkraft im Gastgewerbe mit Ausbildungsbeginn zum 1. September 2016 wurde im Juli 2016 geschlossen). Bei Gelegenheit seiner Vorsprache an diesem Tag wurden Unterlagen für die behördliche Passbeschaffung erstellt und von der Ausländerbehörde an die Zentrale Passbeschaffung Bayern bei der Regierung von O. weitergeleitet. Aus deren Verfahrens-Informationen zu Pakistan geht hervor, dass die Bearbeitung ohne Vorlage von Originaldokumenten 3 bis 8 Monate dauert und nach erfolgter Identifizierung die persönliche Vorstellung beim pakistanischen Generalkonsulat in Frankfurt notwendig ist.

Mit Bescheid vom 26. August 2016 lehnte die nunmehr zuständige zentrale Ausländerbehörde der Regierung von U. den Antrag ab und verwies im Rahmen ihrer Ermessensausübung auf die vollziehbare Ausreisepflicht und eine mangelnde Bleibeperspektive sowie das am 17. Juni 2016 eingeleitete Verfahren zur Beschaffung von Heimreisedokumenten. Der Aufforderung zur Passbeschaffung vom 18. Dezember 2014 sei der Antragsteller nicht nachgekommen. Wegen konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung stehe dem Antragsteller auch keine Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu.

Durch Klage gegen den Bescheid verfolgte der Antragsteller sein Ziel weiter. Zusätzlich beantragte er die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Ziel einer vorläufigen Erlaubnis zur Aufnahme der Ausbildung. Dies lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. September 2016 ab. Der Antrag ziele auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache ab und der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Gestattung der Ausbildung. Die Entscheidung liege vielmehr im Ermessen der Behörde. Ein Anspruch auf eine Ausbildungsduldung bestehe nicht, weil konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorgestanden hätten.

Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller geltend, sein Ausbildungsplatz gehe unwiederbringlich verloren, wenn er die Stelle nicht antrete und die Berufsschule nicht besuche. Er könne weder davon ausgehen, dass ihm der Ausbildungsplatz reserviert werde, noch davon, dass er einen anderen Ausbildungsplatz finden werde. Von einer rein zeitlichen Verzögerung der Ausbildung könne deshalb nicht gesprochen werden. Die Möglichkeit einer Rückführung nach Pakistan sei nicht absehbar. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf die Erlaubnis zur Ausbildung, der sich aus § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ergebe; der gesetzliche Ausschlussgrund, wenn konkrete Maßnahmen zu Aufenthaltsbeendigung bevorstehen, liege nicht vor.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung den Antragsgegner vorläufig zur Gestattung der Ausbildung des Antragsteller zur Fachkraft im Gastgewerbe zu verpflichten.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Aus seiner Sicht bedeute die begehrte vorläufige Gestattung eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache und eine Verfestigung des Aufenthalts. Die wirtschaftliche Existenz des Antragstellers sei durch öffentliche Leistungen gesichert und die Ausbildung könne auch noch zu einem späteren Zeitpunkt begonnen werden. Die Ausländerbehörde habe über die Zulassung der Ausbildung ermessensfehlerfrei entschieden; eine Ausbildungsduldung könne der Antragsteller nicht beanspruchen, weil bereits konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorgestanden hätten.

II. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses, mit dem das Verwaltungsgericht eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer vorläufigen Erlaubnis zur Aufnahme der Berufsausbildung und zum Berufsschulbesuch abgelehnt hat.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass sich die Gestattung einer Erwerbstätigkeit nicht - wie im angefochtenen Bescheid angenommen - nach § 61 Abs. 2 AsylG i. V. m. § 32 BeschV, sondern nach §§ 4 Abs. 3 Satz 3, 42 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG i. V. m. §§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 32 BeschV richtet. Es ist deshalb zutreffend vom Vorliegen einer Ermessensentscheidung ausgegangen, aber auch davon, dass das einstweilige Rechtsschutzbegehren erfolglos bleibt, weil eine Ermessensreduzierung auf Null nicht zu erkennen ist; insoweit kann auf den angefochtenen Beschluss nach § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug genommen werden.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass die Anwendung des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG hinsichtlich der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis im vorliegenden Fall nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null führt.

Nach der Vorschrift ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Absatz 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen.

Die Voraussetzung, dass konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen, ist jedoch beim Antragsteller nicht erfüllt. Das Verwaltungsgericht hat bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmals auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung abgestellt und zutreffend festgestellt, dass das zuständige Landratsamt bereits am 17. Juni 2016 das Verfahren zur Beschaffung eines Passersatzpapiers als konkrete Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet hat.

Auch ein Abstellen auf einen früheren Zeitpunkt (vgl. hierzu VGH BW, B.v. 13.10.2016 - 11 S 1991/16) würde zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis führen. Bei dem Inkrafttreten der Neufassung des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG am 6. August 2016 (vgl. Art. 5 Nr. 8 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016, BGBl I S. 1939) war das Verfahren zur Beschaffung des Passersatzpapiers bereits eingeleitet. Im Zeitpunkt der Antragstellung beanspruchte die Einschränkung der Vorschrift über die Ausbildungsduldung auf Fälle, in denen konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen, noch keine Geltung, hatte aber die Ausländerbehörde durch wiederholte Belehrung über die Ausreisepflicht, die konsequente Ablehnung der vom Antragsteller angestrebten Erwerbstätigkeit in den Duldungsverfahren und letztlich durch die Einleitung des Verfahrens zur Beschaffung von Passersatzpapieren hinreichend zum Ausdruck gebracht, die Ausreisepflicht des Antragstellers tatsächlich durchsetzen zu wollen. Nach dem rechtskräftigen Abschluss des erfolglosen Asylverfahrens (Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet) war dem Antragsteller bereits seit Dezember 2014 bewusst, dass er zur Ausreise verpflichtet ist und das Bundesgebiet wieder verlassen muss.

Die Voraussetzung, dass „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“ (eine inhaltsgleiche Formulierung findet sich in § 61 Abs. 1c Nr. 3 AufenthG) soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Fälle aus dem Anwendungsbereich des Rechtsanspruchs auf Ausbildungsduldung ausnehmen, in denen die Abschiebung bereits konkret vorbereitet wird, wobei die Gesetzesbegründung die Beantragung eines Pass(ersatz)papiers, die Terminierung der Abschiebung oder den Lauf eines Verfahrens zur Dublin-Überstellung als Beispiele aufführt. Im vorliegenden Fall wurde das Verfahren zur Ausstellung eines Passersatzpapiers am 17. Juni 2016 von der zuständigen Ausländerbehörde auf den Weg gebracht. Nachdem der Gesetzgeber in der Gesetzbegründung das Verfahren zur Beschaffung eines Passersatzpapiers ausdrücklich als Beispiel für eine „bevorstehende Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung“ genannt hat (vgl. BT-Drs. 18/9090 S. 25), überzeugen die dagegen gerichteten Einwände des Antragstellers nicht. Die Gesetzformulierung „Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ ist bewusst weiter gefasst als die eigentliche Aufenthaltsbeendigung durch Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung, die der Antragsteller im Blick hat; andernfalls hätte die Verwendung des Begriffs Aufenthaltsbeendigung als gemeinsamer Oberbegriff genügt. Im vorliegenden Fall besteht nicht nur die vollziehbare Ausreisepflicht; die Ausländerbehörde hat, nachdem der Antragsteller über einen längeren Zeitraum seiner gesetzlichen Passpflicht, über die er mehrmals schriftlich belehrt wurde, nicht genügt hat, mit dem Verfahren zur Beschaffung eines Passersatzpapiers konkrete eigene Schritte zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet. Dass ein derartiges Verfahren eine gewisse Zeit (im vorliegenden Fall bis zu 8 Monate) in Anspruch nimmt, entwertet diese Schritte nicht, denn die Ausstellung entsprechender Unterlagen liegt in der Hoheit des jeweiligen Herkunftsstaates. Bereits vor diesem Hintergrund sind die Überlegungen des Antragstellers zur Anwendung der nur innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU geltenden „Dublin-III-Verordnung“ fernliegend.

Angesichts der beim Antragsgegner vorliegenden Informationen über das Verfahren zur Beschaffung von Passersatzpapieren für Pakistan ist dessen Verlauf sowohl in prozeduraler als auch in zeitlicher Hinsicht absehbar. Anhaltspunkte dafür, dass ein ernsthaft (ohne Signale für ein gegenteiliges Interesse) gestellter Antrag auf Erteilung eines Passersatzpapiers von den Behörden des Herkunftsstaates überhaupt nicht bearbeitet wird und eine Aufenthaltsbeendigung deshalb von vorneherein nicht in Betracht kommt, legt der Antragsteller nicht dar. Der vom Antragsteller geforderten Eingangsbestätigung für den Antrag durch die Behörden des Heimatstaates bedarf es nicht.

§ 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ist als Maßstab zur Beurteilung der Absehbarkeit von konkreten Maßnahmen ungeeignet. Er dient, worauf der Antragsgegner zutreffend hingewiesen hat, der zeitlichen Begrenzung von Sicherungshaft, die einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darstellt, und ist deshalb untauglich, einen in jeder Hinsicht verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken zum Ausdruck zu bringen. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/9090, S. 25) bietet für den Fall des Antragstellers bereits eine ausreichende Auslegungsgrundlage. In den Fällen, in denen die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung absehbar ist, soll nach dem Willen des Gesetzgebers der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang eingeräumt werden. Eine Duldung zum Zweck der Berufsausbildung darf dann nicht erteilt werden. Dass der Antragsteller nicht aus einem Herkunftsstaat nach § 29a AsylG stammt, hat lediglich zur Folge, dass er als Geduldeter nicht von jeglicher Erwerbstätigkeit ausgeschlossen ist; es bedeutet jedoch nicht, dass ihm (im Umkehrschluss) generell ein Anspruch auf eine Ausbildungsduldung zustehen würde.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG, wobei im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der sogenannte Auffangstreitwert halbiert wird.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses, mit dem es das Verwaltungsgericht erneut abgelehnt hat, den Antragsgegner vorläufig zur Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis für eine Ausbildung im Garten- und Landschaftsbau sowie eine diesbezügliche Ausbildungsduldung zu verpflichten.

Der Antragsteller, ein armenischer Staatsangehöriger, hat sowohl gegen den in vollem Umfang negativen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. Juni 2016 (das Asylbegehren ist als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden) als auch gegen den Ablehnungsbescheid der Ausländerbehörde vom 5. April 2017 hinsichtlich einer Beschäftigungserlaubnis und einer Ausbildungsduldung erfolglose Eilverfahren betrieben (zum Begehren nach Beschäftigungserlaubnis und Ausbildungsduldung vgl. den Senatsbeschluss vom 24.7.2017 im Verfahren 19 CE 17.1079); die Klage auf Erteilung der Beschäftigungserlaubnis und Ausbildungsduldung ist beim Verwaltungsgericht anhängig (Az.: W 7 K 17.462).

Weil sein erneuter Antrag auf Beschäftigungserlaubnis und Ausbildungsduldung vom 10. Oktober 2017 (mit Ausbildungsbeginn zum 1. November 2017) von der Ausländerbehörde unter Hinweis auf den Bescheid vom 5. April 2017 und die anhängige Klage nicht förmlich beschieden worden ist, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. Oktober 2017 das hier gegenständliche einstweilige Rechtsschutzverfahren mit der Begründung abgelehnt, die Ausländerbehörde habe die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis ermessensfehlerfrei abgelehnt und der Erteilung einer Ausbildungsduldung stünden weiterhin Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung entgegen.

Seine Beschwerde hat der Antragsteller damit begründet, dass die Ausländerbehörde nicht auf Vorrat Rückreisepapiere beantragen könne, um die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis und einer Ausbildungsduldung zu vereiteln. Außerdem nehme die Prüfung der Reisefähigkeit seiner Ehefrau einige Zeit in Anspruch, weshalb die Abschiebung nicht bevorstehe. Schließlich würden die Eheleute mit der Mutter/Schwiegermutter, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen sei, zusammen wohnen und diese zweifellos pflegen.

Dieser Vortrag verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg; dabei kann dahinstehen, ob wegen des veränderten Ausbildungsbeginns zum 1. November 2017 (bisher 1. September 2017) eine Entscheidung über einen neuen Streitgegenstand begehrt wird oder ob die Abänderung der Entscheidung im vorangegangenen Eilverfahren wegen veränderter Umstände angestrebt wird (zum einstweiligen Rechtsschutz nach rechtskräftig abgelehntem Antrag nach § 123 VwGO und nach veränderten Umständen vgl. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 123 Rn. 174 ff, sowie Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 123 Rn. 81).

1. Dass der Gesundheitszustand der Ehefrau eine Abschiebung der Eheleute längerfristig ausschließen und deshalb zumindest eine Duldung begründen würde, ist weder dargelegt noch anderweitig ersichtlich. Mit der für den 8. Februar 2018 vorgesehenen ärztlichen Untersuchung der Ehefrau will sich die Ausländerbehörde Klarheit über deren Reisefähigkeit verschaffen; es verbleibt insoweit bei der Begründung in Nr. 2 des Senatsbeschlusses vom 24. Juli 2017. Für eine vorläufige Untersagung der Abschiebung wegen mangelnder Reisefähigkeit besteht derzeit kein Anlass.

2. Hinsichtlich der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis und einer Ausbildungsduldung wird keine Änderung der Sach- oder Rechtslage vorgetragen, welche eine stattgebende Entscheidung gebieten würde; auf die Nrn. 3.1 und 3.2 der Gründe des Senatsbeschlusses vom 24. Juli 2017 kann zunächst Bezug genommen werden.

2.1. Der Einwand, die Ausländerbehörde vereitle durch ihr Vorgehen die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis und einer Ausbildungsduldung an den Antragsteller ist bereits Gegenstand des vorangegangenen Beschwerdeverfahrens gewesen. Wegen der Gründe für die Erfolglosigkeit dieses Einwands kann deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Senatsbeschluss vom 24. Juli 2017 im Verfahren 19 CE 17.1079 und dessen Bestandskraft verwiesen werden (insbesondere die Nrn. 3.1 und 3.2).

2.2. Der Ausschlussgrund des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG wegen des Bevorstehens konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung liegt unverändert vor. Die am 13. Februar 2017 eingeleitete Beschaffung von Passersatzpapieren stellt eine konkrete Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung dar, die den Anspruch auf eine Ausbildungsduldung ausschließt. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers will diese Ausschlussregelung die Fälle aus dem Anwendungsbereich des Rechtsanspruchs auf Ausbildungsduldung ausnehmen, in denen die Abschiebung bereits konkret vorbereitet wird, wobei die Gesetzesbegründung die Beantragung eines Pass(ersatz)-papiers, die Terminierung der Abschiebung oder den Lauf eines Verfahrens zur Dublin-Überstellung als Beispiele aufführt (BT-Drs. 18/9090 S. 25). Nach Aktenlage hat die Ausländerbehörde die Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung weder abgebrochen noch auf längere Sicht unterbrochen. Die zeitnahe und ergebnisoffene Überprüfung der Reisefähigkeit von ausreisepflichtigen Ausländern mittels einer ärztlichen Untersuchung zur Abklärung von etwaigen inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen gehört zu den konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung, welche die Erteilung einer Ausbildungsduldung ausschließen. Die zeitliche Verzögerung bis zum 8. Februar 2018, die auf die Terminabstimmung mit der ausgewählten Ärztin zurückzuführen ist, ändert an der Tatsache einer Vorbereitung von Abschiebungsmaßnahmen ebenso wenig wie der Umstand, dass die medizinische Untersuchung die Ehefrau des Antragstellers betrifft. Die Ausländerbehörde lässt durch ihr Vorgehen vielmehr erkennen, dass sie mit Rücksicht auf Art. 6 GG im Zuge der Aufenthaltsbeendigung die Trennung der Eheleute vermeiden will.

3. Ein Abschiebungshindernis aufgrund des Zusammenlebens der Eheleute mit der Mutter/Schwiegermutter ein Abschiebungshindernis ist weder dargelegt noch ersichtlich. Es mangelt an jeglicher Darlegung der verwandtschaftlichen Zuordnung (zu Ehemann oder Ehefrau) dieser Person, ihrer gesundheitlichen Disposition, eines etwaigen Betreuungsbedarfs und dessen tatsächliche Befriedigung durch den Antragsteller oder seine Ehefrau. Familiäre Verbindungen allein sind keine hinreichenden Belege für die Pflege einer verwandten Person.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG, wobei im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der sogenannte Auffangstreitwert halbiert wird.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. August 2018 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, mit der der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiterverfolgt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) zu verpflichten, ihm vorläufig eine Ausbildungsduldung sowie eine Beschäftigungserlaubnis zur Aufnahme einer Berufsausbildung bei einer näher bezeichneten Firma zu erteilen, bleibt ohne Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen weder die Aufhebung noch eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat den erforderlichen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG verneint, weil beim Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt der Beantragung der Ausbildungsduldung Ende Juni 2018 bereits konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorgestanden und damit nicht alle tatbestandlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch vorgelegen hätten. Bereits am 30. April 2018 habe die zuständige Behörde der Zentralen Passbeschaffung Bayern bei der Regierung von Oberbayern den Request for Transit Pass for Returning to Afghanistan (TPR-Antrag) für den Antragsteller mit den entsprechenden Lichtbildern übersandt. Dieser Antrag sei von der Regierung von Oberbayern am 27. Juni 2018 beim afghanischen Generalkonsulat eingereicht worden. Seit Ende Juli 2018 bestehe nunmehr die Möglichkeit, ein Einreisedokument für den Antragsteller auszustellen und ihn für einen der nächsten Flüge nach Kabul anzumelden. Einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehende Gründe seien beim Antragsteller nicht ersichtlich.

Demgegenüber macht der Antragsteller mit seiner Beschwerde geltend, bei richtigem Verständnis des Gesetzes lägen konkrete Maßnahmen zur Abschiebung erst dann vor, wenn die Ausländerbehörde zur Aufenthaltsbeendigung nichts weiter unternehmen müsse, als den Betroffenen in das Flugzeug zu bringen, das heißt wenn ein konkreter Flug für den Betroffenen bereits gebucht worden sei. Derartige konkrete Abschiebemaßnahmen seien beim Antragsteller von der Zentralen Ausländerbehörde noch nicht in die Wege geleitet worden; solange aber noch weitere Maßnahmen vor einer möglichen Abschiebung erforderlich seien, stehe die Abschiebung nicht konkret bevor. Im Übrigen habe der Antragsteller inzwischen beim Bundesamt einen Folgeantrag gestellt.

Mit diesem Vorbringen wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht mit Erfolg angefochten. Denn mit der im Beschwerdeverfahren allein streitigen Tatbestandsvoraussetzung, dass konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen, sollen - wie der Senat entschieden hat (BayVGH, B.v. 3.9.2018 - 10 CE 18.1800 - Rn. 4) - die Fälle aus dem Anwendungsbereich des Rechtsanspruchs auf Ausbildungsduldung ausgenommen werden, in denen die Abschiebung bereits konkret vorbereitet wird. Die Gesetzesbegründung selbst führt insoweit die Beantragung eines Pass(ersatz) papiers, die Terminierung der Abschiebung oder den Lauf eines Verfahrens zur Dublin-Überstellung als Beispiele an (BT-Drs. 18/9090 S. 25; vgl. auch BayVGH, B.v. 24.7.2017 - 19 CE 17.1079 - juris Rn. 8; B.v. 15.12.2016 - 19 CE 16.2025 - juris Rn. 19). In den Fällen, in denen die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung „absehbar“ ist, soll daher der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang eingeräumt werden (BT-Drs. 18/9090 S. 25). Die Gesetzformulierung „Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ ist bewusst weiter gefasst als die eigentliche Aufenthaltsbeendigung durch Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung, die der Antragsteller im Blick hat; andernfalls hätte die Verwendung des Begriffs Aufenthaltsbeendigung als gemeinsamer Oberbegriff genügt (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2016 - 19 CE 16.2025 - juris Rn. 19). Für die Beurteilung der Frage, ob konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehen, ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Beantragung einer zeitnah aufzunehmenden, konkret bezeichneten Berufsausbildung unter Vorlage geeigneter Nachweise abzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2018 - 19 CE 18.51 -; B.v. 31.7.2017 - 19 CE 17.1032 - jew. juris).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegt das negative Tatbestandsmerkmal „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“ beim Antragsteller auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht vor. Denn die zuständige Behörde hatte zum Zeitpunkt seiner Beantragung der Berufsausbildungserlaubnis bereits konkrete Schritte bzw. Vorbereitungshandlungen zur Aufenthaltsbeendigung unternommen, die das Entstehen eines Anspruchs auf Ausbildungsduldung grundsätzlich verhindern (vgl. BayVGH a.a.O. Rn. 6). Das Verwaltungsgericht ist in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass jedenfalls mit der Einreichung des TPR-Antrags zur Beschaffung eines Passersatzpapiers für die Heimreise des Antragstellers nach Afghanistan am 30. April 2018 eine hinreichend konkrete Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung vorliegt.

Die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren vertretene Rechtsauffassung, nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG solle die Erteilung einer Ausbildungsduldung nur ausgeschlossen sein, wenn die Abschiebungsmaßnahme selbst auch zeitlich unmittelbar bevorstehe, findet in dieser gesetzlichen Regelung mit Blick auf den Wortlaut und den in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers keine hinreichende Stütze (BayVGH a.a.O. Rn. 6).

Dem Hinweis des Antragstellers auf seinen inzwischen beim Bundesamt gestellten Asylfolgeantrag kommt hier keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.

Besteht schon kein Anordnungsanspruch für die Erteilung einer (vorläufigen) Ausbildungsduldung, kommt auch die Erteilung einer (vorläufigen) Beschäftigungserlaubnis beim Antragsteller nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG. Die wirtschaftliche Bedeutung einer Ausbildungsduldung rechtfertigt den Ansatz des Auffangwertes. Eine Reduzierung des Auffangwerts (vgl. Nr. 1.5 Streitwertkatalogs) war im vorliegenden Fall wegen der auch aus Sicht des Antragstellers angestrebten Vorwegnahme der Hauptsache nicht veranlasst (anders BayVGH, B.v. 22.1.2018 - 19 CE 18.51 - juris Rn. 31; SächsOVG, B.v. 10.4.2018 - 3 B 8/18 - juris Rn. 10). In der vorliegenden Konstellation geht der Senat zudem davon aus, dass dem Antrag auf Erteilung einer (vorläufigen) Beschäftigungserlaubnis neben der beantragten Ausbildungsduldung kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert in Sinn von § 39 Abs. 1 GKG zukommt (BayVGH, B.v. 3.9.2018 - 10 CE 18.1800 - Rn. 16 m.w.N.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 27. Dezember 2017 in Nrn. 1 und 2 geändert. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, den Antragsteller abzuschieben.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein am … … 1991 geborener afghanischer Staatsangehöriger, wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Absicht des Antragsgegners, seinen Aufenthalt zu beenden.

Der Antragsteller reiste am 16. Oktober 2015 in das Bundesgebiet ein; sein Asylverfahren blieb – auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren – erfolglos (ablehnender Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22.7.2016; in Rechtskraft erwachsenes klageabweisendes Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16.3.2017). Alias-Schreibweisen der Personalien (ggf. aufgrund von Transkriptionsfehlern) wurden auf Hinweis des Antragstellers im Asylerstverfahren berichtigt. Ein am 30. Mai 2017 gestellter Asylfolgeantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 2. Juni 2017 abgelehnt; der dagegen gerichtete Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. Juli 2017 abgelehnt; die Klage ist noch vor dem Verwaltungsgericht anhängig. Der Antragsteller ist seit dem 8. Juni 2017 vollziehbar ausreisepflichtig.

Bei der Anhörung im Asylerstverfahren am 28. Juni 2016 hat der Antragsteller die Kopie einer Tazkira vorgelegt, in der die Personalien jedoch nicht lesbar waren. Der Antragsteller wurde durch die Ausländerbehörde mehrfach auf die Pass- und Mitwirkungspflicht hingewiesen. Am 7. August 2017 sprach der Antragsteller bei der Ausländerbehörde vor, teilte die beabsichtigte Aufnahme einer schulischen Berufsausbildung zum Ernährungsberater mit und beantragte eine Ausbildungsduldung. Ausweislich des darüber gefertigten Aktenvermerks „wurden alle Unterlagen, die die Stelle beschreiben, abgegeben“. Mit Schreiben vom 6. September 2017 an die Zentrale Ausländerbehörde O. veranlasste die Ausländerbehörde die Einleitung eines Verfahrens zur Beschaffung von Passersatzpapieren. Der Antragsteller beantragte (erneut) mit Schreiben vom 7. September 2017 – eingegangen bei der Ausländerbehörde am 12. September 2017 - die Erteilung einer Ausbildungsduldung für eine zweijährige schulische Ausbildung als Assistent für Ernährung und Versorgung. Den am 12. September 2017 unterzeichneten Schulvertrag ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 24. Oktober 2017 vorlegen.

Nachdem der Antragsteller mit Bescheid des Antraggegners vom 29. September 2017 zur Vorsprache bei der afghanischen Botschaft zum Zwecke der Identitätsklärung verpflichtet worden war, sprach der Antragsteller am 4. Oktober 2017 im afghanischen Generalkonsulat vor. Aufgrund der Bestätigung der afghanischen Staatsangehörigkeit wurde ein Heimreisedokument ausgestellt. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2017 wandte sich der Antragsteller durch einen Bevollmächtigten an zwei Rechtsanwälte in Kabul mit der Bitte um Unterstützung bei der Beschaffung von Identitätspapieren. Der Antragsteller war für eine Sammelabschiebung im Dezember 2017 vorgesehen; ein deswegen gestellter Antrag auf Ausreisegewahrsam nach § 62b AufenthG wurde durch Beschluss des Amtsgerichts L. vom 28. November 2017 mit der Begründung zurückgewiesen, die fehlende Vorlage von Reisedokumenten durch den Antragsteller trage nicht die Prognose, dass er seine Abschiebung erschweren oder vereiteln werde. Die mangelnde Mitwirkung des Antragstellers liege im unteren Bereich und begründe kein besonderes Maß an Unzuverlässigkeit. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde des Antragsgegners wies das Landgericht C. mit Beschluss vom 30. November 2017 zurück. Da der Antragsteller am 6. Dezember 2017 für die am selben Tag geplante Sammelabschiebung nicht aufgegriffen werden konnte, beantragte der Antragsgegner mit Schreiben vom 7. Dezember 2017 Abschiebungshaft (Sicherungshaft), was durch Beschluss des Amtsgerichts L. vom 7. Dezember 2017 mit Wirkung bis längstens 31. Januar 2018 angeordnet wurde.

Mit Bescheid vom 14. November 2017 wurde die beantragte Ausbildungsduldung abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, es liege ein Ausschlussgrund nach § 60a Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 AufenthG vor, weil der Antragsteller wegen nicht geklärter Identität das Ausreisehindernis selbst zu vertreten habe. Darüber hinaus stünden konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung der Erteilung einer Ausbildungsduldung entgegen. Den dagegen gerichteten Eilantrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. Dezember 2017 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die am 5. Januar 2018 beim Verwaltungsgericht eingelegte Beschwerde.

Der Beschwerdeführer trägt vor, die bei Beantragung der Ausbildungsduldung eingeleiteten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung seien rechtwidrig gewesen, weil nach Mitteilung des Bundesministeriums des Innern und des Auswärtigen Amtes vom 1. Juni 2017 Rückführungen nach Afghanistan nur in besonderen Fällen bei den Personengruppen der Straftäter, der Gefährder und der hartnäckigen Identitätsverweigerer durchgeführt werden dürften. Beim Antragsteller handle es sich jedoch nicht um einen Identitätsverweigerer. Er habe sofort bei der Anhörung im Asylerstverfahren eine Kopie seiner Tazkira vorgelegt, noch nie in irgendeiner Weise über seine Identität getäuscht und habe der Botschaftsvorführung Folge geleistet, bei der seine Staatsangehörigkeit und Identität hätten bestätigt werden können. Der Antragsteller habe somit hinreichend mitgewirkt, sei kein Identitätsverweigerer, weshalb er aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht nach Afghanistan abgeschoben werden könne. Da der Antragsgegner auch in der Öffentlichkeit darauf hinweise, dass lediglich bestimmte Personengruppen derzeit nach Afghanistan abgeschoben werden könnten, liege bezüglich der weiteren afghanischen Staatsangehörigen ein Abschiebestopp vor, der zur Erteilung einer Duldung führen müsse. Dem Antragsteller sei zusätzlich hierzu nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG eine Duldung zu erteilen, da die konkreten Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung rechtswidrig seien und nicht im Einklang mit den vorgegebenen Weisungen stünden.

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 27. Dezember 2017 den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Duldung zu erteilen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Erteilung einer Ausbildungsduldung stehe entgegen, dass zum Zeitpunkt der Beantragung der Ausbildungsduldung bereits konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung durch Einleitung des Passersatzpapierverfahrens entgegen gestanden hätten. Auf die Vorsprache am 7. August 2017 und die mündlich beantragte Ausbildungsduldung komme es nicht an, da weder ein Schulvertrag noch eine Bestätigung der Schule vorgelegt worden sei. Der Schulvertrag sei erst einen Monat nach Unterzeichnung desselben (am 24.10.2017) vorgelegt worden. Auch habe sich der Antragsteller trotz behördlicher Hinweise hartnäckig geweigert, an der Identitätsfeststellung mitzuwirken; er habe sich insbesondere nicht eigeninitiativ an die afghanische Auslandsvertretung gewandt. Die Schreiben des Antragstellers an afghanische Rechtsanwälte seien nicht geeignet, eine eigene erfolgsversprechende Initiative des Antragstellers zu belegen. Der Antragsteller werde als hartnäckiger Identitätsverweigerer angesehen und gehöre daher zu den Personen, die nach gegenwärtiger Behördenpraxis nach Afghanistan abgeschoben werden könnten.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.

Der Senat hält den Erlass einer einstweiligen Anordnung für erforderlich, um den in der Hauptsache geltend gemachten Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Ausbildungsduldung für die im September 2017 aufgenommene schulische Ausbildung zum staatlich geprüften Helfer für Ernährung und Versorgung zu sichern.

Wegen der unmittelbar bevorstehenden Abschiebung kann nur durch den Erlass der einstweiligen Anordnung und der vorläufigen Untersagung der Abschiebung vermieden werden, dass irreparable Nachteile zu Lasten des Betroffenen eintreten, da mit der Abschiebung nach Afghanistan die Fortsetzung der Ausbildung sowie die mögliche Verpflichtung zur Erteilung einer Ausbildungsduldung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren (Az. B 6 K 17.981) vereitelt würde. Ein Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 1 VwGO liegt somit vor.

Der Antragsteller hat auch den für den Erlass der einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Gewichtige Anhaltspunkte sprechen für einen Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG (1.). Aufgrund der Sach- und Rechtslage hinsichtlich dieses bundesrechtlichen Anspruchs kommt es im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht mehr auf die Frage an, ob die Aufenthaltsbeendigung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil sich die Verwaltung mit dem Begriff des „hartnäckigen Identitätsverweigerers“ selbst gebunden habe in Richtung einer Beschränkung auf diese Gruppe bei Aufenthaltsbeendigungen (2.).

1. Nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Absatz 6 dieser Vorschrift nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG darf einem Ausländer die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können. Gemäß § 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG hat ein Ausländer die Gründe insbesondere zu vertreten, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt.

a) Mit der Voraussetzung, dass konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen, sollen die Fälle aus dem Anwendungsbereich des Rechtsanspruchs auf Ausbildungsduldung ausgenommen werden, in denen die Abschiebung bereits konkret vorbereitet wird, wobei die Gesetzesbegründung die Beantragung eines Pass(ersatz) papiers, die Terminierung der Abschiebung oder den Lauf eines Verfahrens zur Dublin-Überstellung als Beispiele aufführt (BT-Drs. 18/9090 S. 25; vgl. auch BayVGH, B.v. 24.7.2017 – 19 CE 17.1079 – juris Rn. 8; B.v. 15.12.2016 – 19 CE 16.2025 – juris Rn. 19). In den Fällen, in denen die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung absehbar ist, soll daher der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang eingeräumt werden (BT-Drs. 18/9090 S. 25). Die Gesetzformulierung „Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ ist bewusst weiter gefasst als die eigentliche Aufenthaltsbeendigung durch Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung, die der Antragsteller im Blick hat; andernfalls hätte die Verwendung des Begriffs Aufenthaltsbeendigung als gemeinsamer Oberbegriff genügt (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2016– 19 CE 16.2025 – juris Rn. 19). Für den Ausschluss einer Duldung zu Ausbildungszwecken kommt es nicht darauf an, dass der Betroffene Kenntnis von den konkret bevorstehenden Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung hat (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2017 – 19 CE 17.1031 – juris).

Für die Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG gilt, dass die Voraussetzungen grundsätzlich zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung bzw. bei einem dagegen gerichteten Rechtsschutz zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen müssen (vgl. OVG NRW, B.v. 13.3.2017 – 18 B 148/17 –juris Rn. 23; OVG RhPf, B.v. 11.7.2017 – 7 B 11079/17 – juris Rn. 35). Abweichendes gilt jedoch für die Frage, ob der Versagungsgrund konkret bevorstehender Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung einer Ausbildungsduldung entgegensteht. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Unrecht darauf abgestellt, dass zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung Abschiebehaft beantragt war und daher kein vernünftiger Zweifel an bevorstehenden aufenthaltsbeendenden Maßnahmen bestehen könne. Würde hinsichtlich des Ausschlussgrundes der bevorstehenden konkreten Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Ausländerbehörde oder auf den des Gerichts abgestellt, so hätte es die Ausländerbehörde sogar nach einem (rechtmäßigen) Beginn der Ausbildung in der Hand, durch Einleitung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Entstehung des Anspruchs zu verhindern (vgl. VGH BW, B.v. 13.10.2016 – 11 S 1991/16 – juris Rn. 19; OVG Berlin-Bbg, B.v. 22.11.2016 – OVG 12 S 61.16 – juris Rn. 9; NdsOVG, B.v. 9.12.2016 – 8 ME 184/16 – juris Rn. 8; OVG NRW, B.v. 13.3.2017 – 18 B 148/17 – juris Rn. 23; OVG Rh-Pf, B.v. 11.7.2017 – 7 B 11079/17 – juris Rn. 36). Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob der Versagungsgrund der konkret bevorstehenden Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung einer Ausbildungsduldung entgegensteht, wird in der Rechtsprechung daher zu Recht überwiegend auf den Zeitpunkt der Beantragung der Ausbildungsduldung abgestellt, wobei im Einzelnen unterschiedliche Anforderungen gestellt werden, was mit dem Antrag an die Ausländerbehörde vorzutragen oder vorzulegen ist, damit dieser hinreichend konkret ist. Die Spanne reicht insoweit von einer Mitteilung des (konkreten) Ausbildungsverhältnisses (vgl. VGH BW, B.v. 13.10.2016 – 11 S 1991/16 – juris Rn. 19; zum zusätzlich erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zur Aufnahme der Ausbildung VGH BW, B.v. 27.6.2017 – 11 S 1067/17 – juris Rn. 16 ff.) über eine Vorlage des bereits abgeschlossenen Ausbildungsvertrages, der sich zumindest auf das unmittelbar bevorstehende Ausbildungsjahr beziehen muss und in engem zeitlichen Zusammenhang mit diesem steht (vgl. OVG NRW, B.v. 13.3.2017 – 18 B 148/17 – juris Rn. 25) bis zur Forderung nach einem Antrag auf Eintragung des Ausbildungsverhältnisses in ein Verzeichnis nach § 34 Abs. 2 BBiG (vgl. dazu VG Neustadt an der Weinstraße, B.v. 12.10.2016 – 2 L 680/16.NW – juris Rn. 8; kritisch: OVG NRW, B.v. 13.3.2017 – 18 B 148/17 – juris Rn. 25). Der Senat teilt in Weiterentwicklung seiner bisherigen Rechtsprechung die Auffassung, dass hinsichtlich der Beurteilung der Frage, ob konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehen, maßgeblich auf den Zeitpunkt der Beantragung einer zeitnah aufzunehmenden, konkret bezeichneten Berufsausbildung unter Vorlage geeigneter Nachweise abzustellen ist (vgl. insoweit BayVGH, B.v. 31.7.2017 – 19 CE 17.1032 - juris; B.v. 24.4.2017 – 19 CE 17.619 – juris Rn. 17, bei denen es auf eine Differenzierung nach den möglichen maßgeblichen Zeitpunkt nicht ankam).

Bei der vom Antragsteller im September 2017 aufgenommenen zweijährigen schulischen Berufsausbildung zum staatlich geprüften Assistenten für Ernährung und Versorgung handelt es sich um eine qualifizierte Berufsausbildung im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG i.V.m. § 6 BeschV; dem Antragsteller steht zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Fortführung der Ausbildung auch noch offen.

Vorliegend hat der Antragsteller, der vor Aufnahme der streitgegenständlichen Berufsausbildung einen Lehrgang zur Berufsbezogenen Sprachförderung vom 13. Dezember 2016 bis zum 18. Juli 2017 als Kursbester mit Erlangung von Sprachkenntnissen im B2-Niveau absolviert hat, im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Ausländerbehörde am 7. August 2017 mitgeteilt, ab September 2017 eine schulische Ausbildung zum Ernährungsberater machen zu wollen, und eine Ausbildungsduldung beantragt. Ausweislich eines über die Vorsprache gefertigten Aktenvermerkes wurden „alle Unterlagen, die die Stelle beschreiben, abgegeben“ (vgl. AS 175 der Verwaltungsakte). In der Verwaltungsakte finden sich die im Aktenvermerk erwähnten, übergebenen Schriftstücke jedoch nicht. Auch lässt sich dem Aktenvermerk nicht entnehmen, dass die Vorlage eines Schulbzw. Ausbildungsvertrags oder sonstiger Nachweise angesprochen worden ist. Mit Schreiben vom 7. September hat der Antragsteller die Erteilung einer Ausbildungsduldung schriftlich beantragt und darauf hingewiesen, dass der Schulvertrag erst in ca. zwei Wochen ausgehändigt werde. Den am 12. September 2017 (Unterrichts- und Ausbildungsbeginn) unterzeichneten Schulvertrag hat der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 24. Oktober 2017 nachreichen lassen.

Bei dieser Sachlage besteht ein hinreichend enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der beantragten Erteilung der Ausbildungsduldung im Rahmen der Vorsprache am 7. August 2017 und der beabsichtigten Aufnahme der Ausbildung im September 2017. Auch wurde ausweislich des über die Vorsprache gefertigten Aktenvermerks seitens des Antragstellers das beabsichtigte Ausbildungsverhältnis unter Vorlage aller beschreibenden Unterlagen konkret bezeichnet. Damit ist im notwendig summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes davon auszugehen, dass nicht nur eine vage Absichtsbekundung hinsichtlich der Aufnahme einer Ausbildung in (ferner) Zukunft vorlag, die der Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wohl nicht entgegengehalten werden könnte, sondern die auch in engem zeitlichen Zusammenhang nachfolgend aufgenommene schulische Ausbildung konkret benannt wurde. Hinsichtlich der Frage der hinreichenden Konkretisierung des beabsichtigten Ausbildungsverhältnisses, der vorgelegten Unterlagen und der dem Antragsteller zumutbar beizubringenden Nachweise bedarf es gegebenenfalls einer weitergehenden Aufklärung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren.

Zum Zeitpunkt der Vorsprache und Beantragung der Ausbildungsduldung am 7. August 2017 standen konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung (noch) nicht bevor.

Der Antragsteller wurde im Rahmen seiner Vorsprache bei der Ausländerbehörde am 6. Juli 2017 zwar auf die nach Abschluss des Asylerstverfahrens bestehende Ausreisepflicht hingewiesen. Das im Rahmen dieser Vorsprache geführte „Ausreisegespräch“ weist indes noch keinen konkreten Bezug zu bevorstehenden aufenthaltsbeendenden Maßnahmen auf. Zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zur Erlangung von Passersatzpapieren am 7. September 2017 als konkret bevorstehende Vorbereitungsmaßnahme zur Aufenthaltsbeendigung hatte der Antragsteller jedoch bereits unter hinreichender Konkretisierung des Ausbildungsverhältnisses in der Vorsprache bei der Ausländerbehörde am 7. August 2017 eine Ausbildungsduldung beantragt.

b) Der Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG steht nach Auffassung des Senats voraussichtlich auch nicht entgegen, dass die Voraussetzungen des § 60a Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vorliegen, wonach die Erteilung einer Ausbildungsduldung ausscheidet, wenn bei dem Antragsteller aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden konnten.

Neben den in § 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG beispielhaft aufgeführten Fällen der Täuschung und Falschangaben kann zwar in der unzureichenden Mitwirkung bei der Passbeschaffung grundsätzlich ein Versagungsgrund nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG zu sehen sein, der ein absolutes Erwerbstätigkeitsverbot und einen Versagungsgrund für die Ausbildungsduldung begründet (vgl. zu § 11 BeschV a.F. SächsOVG, B.v. 7.3.2013 – 3 A 495/11 – juris Rn. 7). Auch ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer im Rahmen seiner ihm obliegenden Mitwirkungspflichten gefordert, bezüglich seiner Identität und Staatsangehörigkeit zutreffende Angaben zu machen, an allen zumutbaren Handlungen mitzuwirken, die die Behörden von ihm verlangen, und darüber hinaus eigeninitiativ ihm mögliche und bekannte Schritte in die Wege zu leiten, die geeignet sind, seine Identität und Staatsangehörigkeit zu klären und die Passlosigkeit zu beseitigen. Zu den denkbaren Schritten kann auch die Beschaffung von Identitätsnachweisen über Dritte (beispielsweise beauftragte Rechtsanwälte) im Herkunftsland gehören (vgl. OVG MV, U.v. 24.6.2014 – 2 L 192/10 – juris). Die Verletzung von gesetzlichen Mitwirkungspflichten nach § 48 Abs. 3 und § 82 Abs. 1 AufenthG durch Unterlassen steht nicht per se eigenen Falschangaben oder Täuschungshandlungen gleich (vgl. BVerwG, U.v. 14.5.2013 – 1 C 17/12 – BVerwGE 146, 281-293, Rn. 17). Unter Berücksichtigung der genannten Regelbeispiele muss eine mangelnde Mitwirkung ein gewisses Gewicht erreichen, so dass es gerechtfertigt erscheint, sie aktivem Handeln gleichzustellen und ein Bleiberecht zu versagen (vgl. für § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG BVerwG, U.v. 26.10.2010 - 1 C 18/09 - NVwZ-RR 2011, 210). Wenngleich dem Ausländer mithin eine Initiativpflicht obliegt, ist diese durch die Ausländerbehörde dergestalt zu aktualisieren, dass sie den Ausländer unter konkreter Benennung des Abschiebungshindernisses zu dessen Beseitigung auffordert, wobei ein allgemeiner Hinweis auf die Passpflicht sowie allgemeine Belehrungen nur bei Offensichtlichkeit der einzuleitenden Schritte genügen dürften (vgl. Röder/Wittmann, Aktuelle Rechtsfragen der Ausbildungsduldung, ZAR 2017, 345/351). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht muss die Ausländerbehörde gesetzliche Mitwirkungspflichten beispielsweise zur Beschaffung von Identitätspapieren konkret gegenüber dem Betroffenen aktualisiert haben, um aus der mangelnden Mitwirkung negative aufenthaltsrechtliche Folgen ziehen zu können (vgl. für § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG BVerwG, U.v. 26.10.2010 – 1 C 18/09 – juris Rn. 17).

Vorliegend wurde der Antragsteller im Rahmen eines Antrags auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis mit Schreiben des Antragsgegners vom 5. Oktober 2016 auf die Passpflicht und darauf hingewiesen, dass er an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken und alle Urkunden und sonstigen Unterlagen, die für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein könnten und in deren Besitz er sei, vorzulegen habe (vgl. AS 88 der Verwaltungsakte). Abgesehen davon, dass zu diesem Zeitpunkt das Asylerstverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, wurde mit diesem Schreiben die Mitwirkungspflicht des Antragstellers nicht dahingehend konkretisiert, bei der Auslandsvertretung einen Pass zu beantragen, was zu diesem Zeitpunkt möglicherweise auch nicht zumutbar gewesen wäre (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, AuslR, 12. Aufl. 2018, § 15 AsylG Rn. 11). Mit weiterem Schreiben des Antragsgegners vom 28. Juni 2017 wurde auf die Erfüllung der Passpflicht hingewiesen (vgl. AS 133 der Verwaltungsakte); im Rahmen der Vorsprache am 6. Juli 2017 wurden dem Antragsteller Belehrungen über gesetzliche Regelungen, u.a. über die Passpflicht ausgehändigt. Entgegen der Ausführungen des Antragsgegners wurde die Mitwirkungsverpflichtung des Antragstellers – abgesehen von der angeordneten Botschaftsvorführung mit Bescheid vom 29. September 2017, der der Antragsteller Folge leistete – nicht dahingehend konkretisiert, dass er zum Zwecke der Passbeschaffung bei der Auslandsvertretung einen Pass beantragen müsse. Es ist dem Antragsteller bei dieser Sachlage daher nicht anzulasten, dass er zunächst den Weg einer Dokumentenbeschaffung über einen in Afghanistan beauftragten Anwalt gewählt hat (vgl. Schreiben des Antragstellerbevollmächtigten vom 24.10.2017, AS 226). Dass dieser Weg nach Identitätsklärung im Rahmen der Botschaftsvorsprache und Ausstellung eines Reisedokumentes nach der Rückmeldung des kontaktierten Anwaltes vom 10. Dezember 2017 nicht weiterverfolgt wurde, ist dem Antragsteller auch nicht als kausale Mitwirkungspflichtverletzung anzulasten. Schließlich können der Erteilung nur solche Gründe entgegengehalten werden, die aktuell den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen hindern. Gründe, die den Vollzug ausschließlich in der Vergangenheit verzögert oder behindert haben, sind unbeachtlich (vgl. BayVGH, B. v. 28.04.2011 – 19 ZB 11.875 – juris Rn. 5 zu § 11 BeschVerfV a.F.).

2. Aufgrund der Sach- und Rechtslage hinsichtlich des bundesrechtlichen Anspruchs nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG kommt es im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht mehr auf die Frage an, ob die Aufenthaltsbeendigung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil sich die Verwaltung mit dem Begriff des „hartnäckigen Identitätsverweigerers“ selbst gebunden habe in Richtung einer Beschränkung auf diese Gruppe bei Aufenthaltsbeendigungen.

Nach dem Anschlag auf die Deutsche Botschaft in Kabul haben sich die Bundesminister des Innern und des Auswärtigen in einem Schreiben vom 8. August 2017 darauf verständigt, dass „bis auf Weiteres Straftäter, Gefährder sowie Personen, die sich hartnäckig der Identitätsfeststellung verweigern, zurückgeführt werden können“ und dieses Schreiben den Bundesländern zugeleitet. Auf eine Landtagsanfrage hin hat das Bayerische Staatsministerium des Innern im Juli 2017 unter Bezugnahme auf die Verständigung der Bundesminister mitgeteilt, Rückführungen von afghanischen Staatsangehörigen sollten auf der Basis einer zuvor erfolgten Einzelfallprüfung auf Straftäter, Gefährder und Ausreisepflichtige, die hartnäckig ihre Mitwirkung an der Identitätsfeststellung verweigern, beschränkt bleiben. Die Einordnung in die Gruppe der „hartnäckigen Identitätsverweigerer“ erfordere in jedem Einzelfall eine besondere Beharrlichkeit der Verweigerung der Mitwirkung bei der individuellen Identitätsklärung. Diese zeige sich für die Ausländerbehörden insbesondere an der aktenkundig festgehaltenen besonderen Gleichgültigkeit des nicht identifizierten ausländischen Staatsangehörigen gegenüber seiner gesetzlichen Verpflichtung, an der Klärung seiner Identität mitzuwirken. Dies lasse sich dadurch feststellen, dass der ausländische Staatsangehörige trotz des ausländerbehördlichen Hinweises bereits zuvor mindestens einmal vorsätzlich gegen seine Mitwirkungsverpflichtung an seiner Identitätsklärung verstoßen habe (vgl. LT-Drs. 17/17864, S. 10).

Im vorliegenden Fall vertritt der Antragsgegner die Auffassung, der Antragsteller, der zwar auf allgemeine Hinweise der Ausländerbehörde hin nicht eigeninitiativ bei der Auslandsvertretung einen Pass beantragt hat, der aber im Asylerstverfahren sowohl auf eine Berichtigung der Schreibweise seines Namens hingewirkt als auch eine Kopie der Tazkira – wenngleich mit unleserlichen Personalien - vorgelegt hat, der sich zum Zwecke der Dokumentenbeschaffung eigeninitiativ an einen Rechtsanwalt in Afghanistan gewandt und der auch der Botschaftsvorführung Folge geleistet hat, sei ein „hartnäckiger Identitätsverweigerer“.

Die Verständigung der Bundesminister – außerhalb der Form des § 23 Abs. 2 AufenthG – hat keine bindende Wirkung gegenüber den Bundesländern, sondern stellt sich als Empfehlung für die Vollzugspraxis der Bundesländer dar. Da diese Vollzugspraxis wegen des Föderalismusprinzips unterschiedlich sein kann, kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, die bayerische Behördenpraxis sei gleichheitswidrig angesichts der Praxis anderer Bundesländer. Die gerichtliche Nachprüfung, ob dem Anspruch auf Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes entsprochen worden ist, ist auf den Bereich des Beklagten beschränkt (vgl. BVerwG, U.v. 19.9.2000, a.a.O.; zur bundesuneinheitlichen Praxis der Rückführungen nach Afghanistan vgl. den Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages vom 29.3.2017 – WD 3-3000-074/17). Bei dieser Sachlage ist selbst dann, wenn – wofür viel spricht – die Auslegung, die die bayerischen Behörden dem Begriff des „hartnäckigen Identitätsverweigerers“ angedeihen lassen, deutlich mehr Personen erfasst als der von den Bundesministern eingeführte (nicht abweichend vom allgemeinen Sprachverständnis definierte) Begriff, ein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013; in vorläufigen Rechtsschutzverfahren wird der Hauptsachestreitwert halbiert.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerde-verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein am 10. November 2010 eingereister afghanischer Staatsangehöriger, begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung, seine vom Antragsgegner beabsichtigte Abschiebung nach Afghanistan zu untersagen.

Sein Asylverfahren ist rechtskräftig negativ abgeschlossen (Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14.10.2011, Klageabweisung des Verwaltungsgerichts B. durch Urteil vom 2.12.2012, Folgeantrag vom 3.3.2017 abgelehnt durch Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7.3.2017). Ab dem 5. Februar 2013 erhielt der Antragsteller Duldungen (teilweise mit Berechtigung zur Erwerbstätigkeit); mit Duldung vom 24. August 2015 und nachfolgend vom 27. Juni 2016 wurde die Ausbildung zum Anlagenmechaniker gestattet. Der Antragsteller hat am 1. September 2015 ein Berufsausbildungsverhältnis als Anlagentechniker für Sanitär- und Heizungstechnik aufgenommen.

Der Antragsteller wurde am 4. Februar 2013 und mit Schreiben vom 15. November 2013 zur Mitwirkung bei der Passbeschaffung aufgefordert. Die am 11. März 2013 dem Antragsteller ausgehändigten Anträge auf Ausstellung von Reisedokumenten wurden vom Antragsteller nicht ausgefüllt. Am 5. Dezember 2016 weigerte sich der Antragsteller, ein Antragsformular für Passersatzpapiere auszufüllen.

Mit Strafbefehl vom 3. Februar 2015 wurde der Antragsteller wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts B. vom 21. Dezember 2015, rechtskräftig seit dem 27. Januar 2016, wurde der Antragsteller wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller sind wegen Körperverletzung (2013, Az. 230 Js 2247/13, eingestellt nach § 170 Abs. 2 StPO), wegen Betrugs (2014, Az. 230 Js 429/14, eingestellt nach § 153 Abs. 1 StPO, und 2015, Az. 230 Js 5330/15, eingestellt nach § 154 Abs. 1 StPO), wegen gefährlicher Körperverletzung (2014, Az. 252 Js 6206/14 jug., eingestellt nach § 154 Abs. 1 StPO), sowie wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person (2016, Az. 211 Js 13328/16, eingestellt nach § 170 Abs. 2 StPO) geführt worden.

Mit Bescheid vom 30. Januar 2017 hat der Antragsgegner die Feststellung ausgesprochen, dass die erteilte Duldung kraft Gesetzes erloschen sei (Nr. 1), und hilfsweise die erteilte Duldung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung widerrufen (Nr. 2, 4). Die Gestattung der Berufsausbildung wurde unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ebenfalls widerrufen (Nr. 3, 4). Zur Begründung wurde ausgeführt, die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe seien mit dem Abschiebeabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Heimatstaat entfallen (§ 60a Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 AufenthG). Weitere Gründe, die eine Aussetzung der Abschiebung aus anderen Gründen rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Die Erlaubnis der Berufsausbildung sei in rechtswidriger Weise erteilt worden, da bei dem Antragsteller aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus Gründen, die er selbst zu vertreten habe, nicht vollzogen werden konnten (§ 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AufenthG, § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschV a.F.). Gegen diesen Bescheid wurden keine Rechtsmittel eingelegt.

Einen am 22. Mai 2017 gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine am 31. Mai 2017 geplante Abschiebung hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 29. Mai 2017 abgelehnt mit der Begründung, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG zur Fortführung seiner am 1. September 2015 begonnenen Berufsausbildung als Anlagenmechaniker im Bereich Sanitär- und Heizungstechnik. Der Erteilung stehe bereits § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG entgegen, weil der Antragsteller mit Strafbefehl des Amtsgerichts B. vom 21. Dezember 2015, rechtskräftig seit 27. Januar 2016, wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen verurteilt worden sei. Darüber hinaus stünden bevorstehende, konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung seit der Vorsprache bei der Regierung von O. am 5. Dezember 2016, bei der der Antragsteller die Mitwirkung bei der Beschaffung von Passersatzpapieren verweigert hat, der Erteilung einer Ausbildungsduldung entgegen. Die Erteilung einer Ausbildungsduldung scheitere auch daran, dass der Antragsteller keine Beschäftigungserlaubnis nach § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG i.V.m. § 32 BeschV besitze. Die Entbehrlichkeit einer Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 BeschV beziehe sich nur auf Personen mit Duldung, wozu der Antragsteller nicht (mehr) zähle. § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG finde keine Anwendung, da die Geltungsdauer der Duldung bereits abgelaufen gewesen sei.

Mit seiner am 29. Mai 2017 erhobenen Beschwerde macht der Antragsteller geltend, er sei gut integriert und bringe sich in die Gesellschaft und das öffentliche Leben ein. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG; § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG stehe der Erteilung einer Ausbildungsduldung nicht entgegen, da zum Zeitpunkt der strafrechtlichen Verurteilung diese Norm noch nicht in Kraft gewesen sei. Rechtmäßige, konkret bevorstehende aufenthaltsbeendende Maßnahmen könnten der Erteilung der Ausbildungsduldung ebenfalls nicht entgegengehalten werden. Auf die Weigerung des Antragstellers zur Beantragung von Passersatzpapieren am 5. Dezember 2016 könne es nicht ankommen, da die Abschiebung im Hinblick auf das schutzwürdige Vertrauen, die laufende Berufsausbildung abschließen zu können, nicht absehbar gewesen sei. Sowohl der Antragsteller als auch sein Arbeitgeber hätten bereits eineinhalb Jahre in die Ausbildung investiert. Der Gesetzeszweck, Vertrauensschutz zu schaffen, nicht nur für geduldete Ausländer in Ausbildung, sondern gerade auch für Ausbildungsbetriebe, stehe einer Verweigerung der Erteilung einer Ausbildungsduldung entgegen. Es sei angesichts dieses Gesetzeszweckes rechtsmissbräuchlich, dem Vollzug der Ausreisepflicht nach eineinhalb Jahren Ausbildungszeit Vorrang einzuräumen mit dem Ziel, die Ausbildung zu unterbrechen und den Antragsteller abzuschieben. Die Ausländerbehörde habe die konkret bevorstehenden aufenthaltsbeendenden Maßnahmen wegen des Vorliegens der Erteilungsvoraussetzungen des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG rechtswidrig herbeigeführt. Sehe man bereits im Bemühen der Ausländerbehörde um die Beschaffung von Passersatzpapieren eine konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahme, werde der Anwendungsbereich des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG auf faktische Bedeutungslosigkeit reduziert. Wegen der bevorstehenden Abschiebung liege auch ein Anordnungsgrund nach § 123 Abs. 2 Satz 2 VwGO vor. Eine Vorwegnahme der Hauptsache sei wegen der ansonsten entstehenden schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteile zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes geboten. Im Falle einer Abschiebung würde eine zeitnahe Wiederaufnahme der Ausbildung faktisch unmöglich gemacht.

Der Antragsteller beantragt bei sachdienlicher Auslegung,

unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung den Antragsgegner vorläufig zur Aussetzung der Abschiebemaßnahmen zu verpflichten.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller befinde sich seit dem bestandskräftigen Widerruf der Beschäftigungserlaubnis derzeit nicht in einem Ausbildungsverhältnis, auch wenn eine Bereitschaft zur Fortführung des begonnenen Beschäftigungsverhältnisses bestehen möge. Die strafrechtliche Verurteilung des Antragstellers liege deutlich über der Bagatellgrenze des § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 60a Abs. 2 Satz 4 bis 6 AufenthG sei der Antragsteller bereits rechtskräftig verurteilt gewesen, so dass die Voraussetzungen zur Erteilung einer Ausbildungsduldung zu keinem Zeitpunkt, auch nicht bis zum Widerruf der Ausbildungserlaubnis vorgelegen hätten. Der vorgebrachten guten Integration stehe die nicht unerhebliche strafrechtliche Verurteilung gegenüber, weshalb auch die Härtefallkommission eine Befassung abgelehnt habe (§ 5 Nr. 3 HFKomV). Darüber hinaus seien bereits zum Zeitpunkt, als die dem Antragsteller gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilte Duldung endete, konkrete Schritte zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet worden. Der Antragsteller habe die Mitwirkung im Verfahren zur Beschaffung von Passersatzpapieren am 5. Dezember 2016 verweigert. Diese Verweigerung stelle ein absolutes Erteilungshindernis nach § 60a Abs. 2 Satz 4, Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG dar. Der Antragsteller habe sich seit der Vollziehbarkeit seiner Ausreisepflicht Anfang 2013 über Jahre hinweg und trotz mehrfacher Belehrungen über seine Mitwirkungspflicht geweigert, an einer Passbeschaffung mitzuwirken, was letztlich auch Anlass für die Rücknahme der Beschäftigungserlaubnis gewesen sei. Der Antragsteller könne sich nicht auf Gründe des Vertrauensschutzes berufen. Die ihm ursprünglich erteilte Beschäftigungserlaubnis sei unanfechtbar widerrufen, weswegen auch die Ausbildung nicht habe fortgeführt werden können. Im Falle einer Neuerteilung bzw. Verlängerung einer Duldung müsse stets das weitere Vorliegen von Gründen für eine Aussetzung der Abschiebung festgestellt werden, die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung lägen indes nicht vor.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses, mit dem das Verwaltungsgericht eine Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Erteilung einer Duldung oder zum vorläufigen Absehen von einer Abschiebung abgelehnt hat.

Der mit Schriftsatz vom 29. Mai 2017 formulierte Antrag des Beschwerdeführers, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, war unter Berücksichtigung des weiteren Beschwerdevorbringens, das auf einen Antrag nach § 123 VwGO gerichtet ist, und der erstinstanzlich gestellten Anträge in sachdienlicher Weise gemäß § 88 VwGO in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO umzudeuten.

Der Antragsteller hat den für den Erlass der einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens ist nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG zusteht.

Nach der Vorschrift ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Absatz 6 dieser Vorschrift nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Nach § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG wird eine Duldung nach Satz 4 nicht erteilt und erlischt eine nach Satz 4 erteilte Duldung, wenn der Ausländer wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen grundsätzlich außer Betracht bleiben können. Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können (§ 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG).

Der Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 steht hier entgegen, dass die Voraussetzungen des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vorliegen, weil bei dem Antragsteller aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden konnten. Neben den in § 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG beispielhaft aufgeführten Fällen der Täuschung und Falschangaben ist in der unzureichenden Mitwirkung bei der Passbeschaffung grundsätzlich ein Versagungsgrund nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG zu sehen, der ein absolutes Erwerbstätigkeitsverbot begründet (vgl. zu § 11 BeschV a.F. SächsOVG, B.v. 7.3.2013 – 3 A 495/11 – juris Rn. 7). Der Antragsteller hat trotz mehrfacher Aufforderungen durch die Ausländerbehörde, die damit ihre in Fällen der vorliegenden Art bestehenden Hinweis- und Anstoßpflicht (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2016 – 10 C 16.1790 – juris Rn. 9 m.w.N.) erfüllt hat, keinerlei Bemühungen unternommen, seinen Mitwirkungspflichten bei der Ausstellung eines Passes oder Passersatzes durch seinen Heimatstaat nachzukommen (vgl. § 48 Abs. 3 Satz 1, § 3 Abs. 1 AufenthG). Zuletzt hat er sich am 5. Dezember 2016 geweigert, ein Formular zur Ausstellung von Reisedokumenten auszufüllen. Die fehlende Mitwirkung war angesichts des bestehenden Rückübernahmeabkommens mit Afghanistan auch kausal dafür, dass die Ausreisepflicht nicht vollzogen werden konnte.

§ 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG steht daher der Erteilung einer erforderlichen Beschäftigungserlaubnis zur Fortführung der Berufsausbildung entgegen. Ungeachtet der vom Ausbildungsbetrieb geäußerten Bereitschaft, das Ausbildungsverhältnis fortzuführen, kann der Antragsteller die infolge des bestandskräftig gewordenen Widerrufs der Duldung mit der Beschäftigungserlaubnis vom 30. Januar 2017 beendete Berufsausbildung nicht in rechtmäßiger Weise, d.h. in Übereinstimmung mit den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen, wieder aufnehmen, da er über keinen Aufenthaltstitel verfügt, der eine Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beinhaltet (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG), die erteilte Beschäftigungserlaubnis mit Bescheid vom 30. Januar 2017 bestandskräftig widerrufen worden ist und der erneuten Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG entgegen steht. Die in §§ 4 Abs. 2 Satz 3, 42 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG i.V.m. § 32 Abs. 1 und 2 Nr. 2 BeschV geregelte Freiheit von der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit dispensiert nicht von der erforderlichen Beschäftigungserlaubnis der Ausländerbehörde, da insoweit nicht anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber abweichend vom Grundsatz des § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG einen unreglementierten Zugang zu Ausbildung eröffnen wollte (vgl. NdsOVG, B.v. 9.12.2016 – 8 ME 184/16 – juris Rn. 6). § 32 BeschV befasst sich nur mit der Frage, ob eine Beschäftigungserlaubnis, die die Ausländerbehörde nach § 4 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 AufenthG erteilen will, der vorherigen Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bedarf oder aber ohne diese Zustimmung erteilt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2016 – 10 C 16.1790 – juris Rn. 14).

Das Verwaltungsgericht ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass schon wegen der begangenen vorsätzlichen Straftat eine Ausbildungsduldung nicht erteilt werden kann (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG), und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG jedenfalls seit dem im Dezember 2016 eingeleiteten Verfahren zur Passbeschaffung und fraglos auch im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bevorstehen. Es hat – für diesen Zeitpunkt – zutreffend festgestellt, dass die zuständige Ausländerbehörde bereits am 5. Dezember 2016 das Verfahren zur Beschaffung von Passersatzpapieren als konkrete Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet hat. Die Einleitung eines solchen Verfahrens genügt für den Anspruchsausschluss wegen des Bevorstehens konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2016 – 19 CE 16.2025 – juris).

Demgegenüber kann der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen, die begangene vorsätzliche Straftat habe außer Betracht zu bleiben, weil § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG zum Zeitpunkt der Begehung bzw. Verurteilung noch nicht in Kraft gewesen sei, und die Berufung auf bevorstehende aufenthaltsbeendende Maßnahmen nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG sei im Hinblick auf die seit eineinhalb Jahren absolvierte Berufsausbildung rechtsmissbräuchlich, nicht durchdringen.

Der Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung gemäß der Neufassung des § 60a Abs. 2 Satz 4 bis 6 AufenthG kann für den Antragsteller frühestens mit Inkrafttreten der Regelung am 6. August 2016 entstanden sein (vgl. Art. 5 Nr. 8 des Integrationsgesetzes vom 31.7.2016, BGBl I S. 1939). Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG am 6. August 2016 war der Antragsteller jedoch bereits rechtskräftig wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 15 Euro, mithin zu mehr als dem Doppelten der im Gesetz vorgesehenen Bagatellgrenze, verurteilt, so dass zu keinem Zeitpunkt ein Anspruch auf Ausbildungsduldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4, 6 AufenthG entstehen konnte. Nach der gesetzgeberischen Intention soll eine Duldung zur Berufsausbildung nicht erteilt werden bzw. erlöschen, wenn die oder der Auszubildende wegen einer vorsätzlichen Straftat oberhalb der im Gesetz vorgesehenen strafrechtlichen Bagatellgrenze verurteilt wurde (vgl. BT-Drs. 18/8615 S. 48). Damit wird an in der Vergangenheit liegende strafrechtliche Verurteilungen angeknüpft. Indem der Gesetzgeber auch strafrechtliche Verurteilungen nach Aufnahme der Berufsausbildung als rechtsvernichtend ausgestaltet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass das Fehlen von (nicht nur geringfügiger) Straffälligkeit als konstitutive Voraussetzung der Erteilung einer Ausbildungsduldung anzusehen ist.

Der Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG steht auch entgegen, dass spätestens mit den behördlichen Schritten zur Ausstellung von Passersatzpapieren im Dezember 2016 aufenthaltsbeendende Maßnahmen konkret bevorstanden, worüber der Antragsteller ausweislich der Niederschrift vom 5. Dezember 2016 auch belehrt worden ist. Die Tatbestandsvoraussetzung des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG, dass „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“ dürfen, soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Fälle aus dem Anwendungsbereich des Rechtsanspruchs auf Ausbildungsduldung ausnehmen, in denen die Abschiebung konkret vorbereitet wird, wobei die Gesetzesbegründung die Beantragung eines Pass(ersatz) papiers, die Terminierung der Abschiebung oder ein laufendes Verfahrens zur Dublin-Überstellung als Beispiele aufführt (vgl. BT-Drs. 18/9090 S. 25). Im Falle der Absehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen soll der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang eingeräumt werden. Für den Ausschluss einer Duldung zu Ausbildungszwecken kommt es nicht darauf an, dass der Betroffene Kenntnis von den konkret bevorstehenden Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung hat (vgl. OVG Rh-Pf, B.v. 5.1.2017 – 7 B 11589/16 – juris Rn. 7). Dabei kann hier dahinstehen, ob hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts für die Frage, ob Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung konkret bevorstehen, auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2016 – 19 CE 16.2025 – juris) oder den der Beantragung der Ausbildungsduldung (vgl. VGH BW, B.v. 13.10.2016 – 11 S. 1991.16 – juris Rn. 19; B.v. 4.1.2017 – 11 S 2301/16 – juris Rn. 17; OVG Berl-Bbg, B.v. 22.11.2016 – OVG 12 S. 61.16 – juris Rn.9) abzustellen ist. Die letztgenannte Auffassung, die mit der Überlegung begründet wird, es entspreche nicht der Intention des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG, der Behörde durch Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu ermöglichen, den Anspruch auf eine Ausbildungsduldung auch längere Zeit nach Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung ohne weiteres durch Einleitung von Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreisepflicht wieder entfallen zu lassen (vgl. VGH BW, B.v. 13.10.2016, a.a.O, juris Rn. 19; OVG Berl-Bbg, B.v. 22.11.2016, a.a.O., juris Rn. 9), kommt vorliegend deshalb nicht zum Tragen, weil ein Anspruch auf Ausbildungsduldung bereits wegen der strafrechtlichen Verurteilung zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen im Januar 2016 – wie ausgeführt – zu keinem Zeitpunkt vorlag. Die behördlichen Schritte vom Dezember 2016 zur Aufenthaltsbeendigung im Wege der Beantragung von Passersatzpapieren haben trotz bereits aufgenommener Berufsausbildung einen Anspruch des Antragstellers auf eine Ausbildungsduldung nicht entfallen lassen und erweisen sich daher auch nicht als rechtsmissbräuchlich. Überdies hat der Antragsteller schon in den Vorjahren an der Passbeschaffung nicht mitgewirkt.

Eine Absehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen war bei dem Antragsteller, der nach Abschluss des Asylerstverfahrens wegen fehlender Identitätspapiere und Reisedokumente jeweils befristete Duldungen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erhalten hat, spätestens mit der Aufforderung der Behörde zur Beschaffung von Passersatzpapieren am 5. Dezember 2016 gegeben. Der Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen durch die behördlichen Schritte zur Beschaffung von Passersatzpapieren am 5. Dezember 2016 hat kein schutzwürdiges Vertrauen des Antragstellers wegen seines Besitzes einer Verfahrensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit der Nebenbestimmung der Gestattung einer Berufsausbildung entgegen gestanden. Die Duldung ist nicht erteilt worden, um dem Antragsteller eine Ausbildung zu ermöglichen, sondern um der tatsächlichen Unmöglichkeit seiner Abschiebung Rechnung zu tragen. Die durch eine Nebenbestimmung zur Duldung erteilte Ausbildungserlaubnis ist vom Bestand der Duldung – und damit vom Fortbestehen des Duldungsgrundes – abhängig gewesen. Der (bestandskräftig gewordene) Widerrufsbescheid vom 30. Januar 2017 hat der Erkenntnis Rechnung getragen, dass die Abschiebung nicht an einer tatsächlichen Unmöglichkeit, sondern an der mangelnden Mitwirkung des Antragstellers bei der Beschaffung von Heimreisepapieren scheitert. Insgesamt ist es auch unter Berücksichtigung der Frage schutzwürdigen Vertrauens nicht zu beanstanden, dass die Behörde dem Vollzug der Ausreisepflicht durch Beschaffung von Passersatzpapieren Vorrang eingeräumt hat, zumal mit dem Rückführungsabkommen der Europäischen Union mit der Islamischen Republik Afghanistan vom 2. Oktober 2016 der Grund der tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung für die bislang erteilte Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG entfallen war und Anhaltspunkte für eine aus anderen Gründen zu erteilende Duldung nicht vorlagen.

Vor Inkrafttreten der Neuregelung hat die Vorgängerregelung aufgrund des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 1. August 2015 (BGBl I S. 1386) gegolten. Diese hat eine Ausbildungsduldung nur vor der Vollendung des 21. Lebensjahres vorgesehen. Der Antragsteller hat eine solche Ausbildungsduldung nicht erhalten, denn er war bei Aufnahme seiner Berufsausbildung bereits 23 Jahre alt. Im Übrigen stand die Ausbildungsduldung nach der Vorgängerregelung im Ermessen der Behörde („kann“). Bei einer Entscheidung über eine Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG a.F. wegen dringender persönlicher Gründe – das Interesse des Antragstellers am Abschluss einer Berufsausbildung hätte als dringender persönlicher Grund bewertet werden können – hätte die strafrechtliche Verurteilung des Antragstellers gleichermaßen Berücksichtigung finden müssen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013; in vorläufigen Rechtsschutzverfahren wird der Hauptsachestreitwert halbiert.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

Gründe

I

1

Mit Bescheid vom 4. Januar 2017 lehnte die Beklagte einen Antrag des Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ab, drohte ihm für den Fall, dass er nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung ausreist, die Abschiebung nach Albanien an und befristete die Wirkung einer möglichen Abschiebung auf 30 Monate ab dem Tag des Verlassens der Bundesrepublik Deutschland.

2

Der Kläger erhob hiergegen Klage und führte erfolglos ein Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch. Während des Klageverfahrens kamen dem Verwaltungsgericht Zweifel, ob er sich noch unter der angegebenen Anschrift aufhielt. Es forderte daher den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Verfügung vom 22. Februar 2017 auf, dessen ladungsfähige Anschrift bis zum 3. März 2017 mitzuteilen. Unter dem 7. März 2017, zugestellt am 13. März 2017, erließ das Gericht eine Betreibensaufforderung, mit der der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Hinweis auf die Folgen nach § 92 Abs. 2 VwGO erneut aufgefordert wurde, die Anschrift des Klägers rechtzeitig mitzuteilen und zur Glaubhaftmachung eine Meldebescheinigung vorzulegen. Am 8. März 2017 teilte sein Prozessbevollmächtigter mit, der Kläger lebe weiterhin unter der mitgeteilten Adresse und erhalte seine tägliche Post. Zustellprobleme gerichtlicher Schreiben seien möglicherweise damit zu erklären, dass das Gericht seinen Vor- und Nachnamen vertauscht habe. Der Kläger versicherte darüber hinaus an Eides statt, er verfüge an der genannten Adresse über einen Briefkasten und eine Klingel, die ordnungsgemäß beschriftet seien. Eine Anfrage des Prozessbevollmächtigten vom 27. März 2017, ob die überreichten Unterlagen hinsichtlich der Betreibensaufforderung vom 7. März 2017 als ausreichend angesehen werden könnten, blieb unter Hinweis darauf, die Akte befinde sich beim Oberverwaltungsgericht, unbeantwortet. Mit Beschluss vom 7. Juni 2017 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein, weil die Klage als zurückgenommen gelte. Auf einen Antrag des Klägers auf Fortsetzung des Verfahrens entschied das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Juni 2017, dass die Klage als zurückgenommen gelte. Der Kläger habe das Verfahren innerhalb der Zweimonatsfrist nicht zureichend betrieben.

3

Auf Antrag des Klägers ließ das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 1. September 2017 die Berufung wegen eines Verfahrensmangels zu. Das Verwaltungsgericht habe verfahrensfehlerhaft entschieden, dass die Klage zurückgenommen sei. Der Beschluss enthielt einen den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Hinweis auf das Erfordernis, die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Mit Verfügung vom gleichen Tage wies das Oberverwaltungsgericht die Beteiligten auf folgendes hin: Infolge der fehlerhaften Feststellung, dass die Klage als zurückgenommen gelte, habe das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil bislang in der Sache nicht über die erhobene Klage entschieden. Im Berufungsverfahren komme daher - anstelle einer eigenen Prüfung durch den Senat - auch in Betracht, das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zum Zwecke erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Dies setze allerdings einen entsprechenden Antrag eines der Beteiligten voraus. Es werde um Äußerung gebeten, ob ein derartiger Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt werden solle. Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2017 bat der Kläger, die Sache unter Aufhebung des Urteils vom 27. Juni 2017 an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

4

Nach vorheriger Erteilung eines Hinweises hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung mit Beschluss vom 23. November 2017 als unzulässig verworfen und einen - hilfsweise gestellten - Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Berufungsbegründungsfrist abgelehnt. Das Berufungsgericht hat seine Verwerfungsentscheidung darauf gestützt, der Kläger habe vorliegend nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, ob, in welchem Umfang, mit welchem Antrag und weshalb er das Berufungsverfahren durchführen will. Seinem Schriftsatz vom 2. Oktober 2017 sei - als Reaktion auf die Anfrage des Berichterstatters des Senats - nur ein Antrag nach § 130 Abs. 2 VwGO zu entnehmen. Jedwede Begründung oder auch nur eine Bezugnahme auf das vorausgegangene Zulassungsverfahren fehlten. Auch aus dem Gesamtzusammenhang und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls werde nicht hinreichend klar, ob, in welchem Umfang, mit welchem Antrag und weshalb der Kläger das Berufungsverfahren durchführen wolle. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Die Anfrage des Berichterstatters sei nicht geeignet gewesen, einen unverschuldeten Irrtum über das Erfordernis einer fristgerechten Berufungsbegründung hervorzurufen.

II

5

Die allein auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat Erfolg. Der Kläger beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht seine Berufung als unzulässig verworfen hat, weil sie nicht fristgerecht begründet worden sei. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, die Berufungsentscheidung durch Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6 VwGO an das Berufungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

6

Die Beschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an die Berufungsbegründung im konkreten Fall überspannt hat.

7

1. Gemäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO muss die Berufung nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses durch einen gesonderten Schriftsatz innerhalb eines Monats begründet werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe, vgl. § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Mit der Einreichung der Begründungsschrift nach Zulassung der Berufung soll der Berufungskläger eindeutig zu erkennen geben, dass er nach wie vor an der Durchführung des Berufungsverfahrens interessiert ist (BVerwG, Urteil vom 8. März 2004 - 4 C 6.03 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 26 S. 30 m.w.N.; Beschluss vom 20. März 2003 - 3 B 143.02 - NJW 2003, 3288). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass und weshalb der Berufungsführer an der Durchführung des zugelassenen Berufungsverfahrens festhalten will. Dabei kommt es wesentlich auf die Umstände des konkreten Einzelfalles an (BVerwG, Urteil vom 8. März 2004 - 4 C 6.03 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 26 S. 31; Beschluss vom 1. Dezember 2000 - 9 B 549.00 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 60 S. 18). Eine Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen im Begründungsschriftsatz ist zulässig und kann - je nach den Umständen des Einzelfalles - für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung ausreichen (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1998 - 9 C 6.98 - BVerwGE 107, 117 <122>). Selbst eine ausdrückliche Bezugnahme auf das bereits im Antrag auf Zulassung der Berufung enthaltene Begehren und die dort genannten Gründe kann entbehrlich sein, wenn sich beides aus dem Gesamtzusammenhang hinreichend deutlich ergibt. So kann es im Einzelfall ausreichen, wenn der Rechtsmittelführer einen Beweisantrag für das Berufungsverfahren stellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. März 2004 - 4 C 6.03 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 26 S. 31 m.w.N.).

8

2. Der vom Kläger gestellte Antrag auf Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht genügt unter den hier gegebenen, besonderen Umständen noch den Anforderungen an eine Berufungsbegründung. Im vorliegenden Fall bestanden weder Zweifel am Willen des Klägers, das Berufungsverfahren durchzuführen, noch an seiner Begründung und am Ziel des Verfahrens.

9

a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat er mit der Stellung dieses in § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erwähnten Verfahrensantrags zunächst durch einen nach Zulassung der Berufung verfassten gesonderten Schriftsatz unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er das Berufungsverfahren durchführen will. Denn der Erfolg des in § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vorgesehenen Antrags setzt die Durchführung eines Berufungsverfahrens gerade voraus.

10

b) Es fehlt auch nicht an dem erforderlichen "bestimmten Antrag" und einer sich daraus ergebenden Klarstellung des Umfangs der Berufung. Zwar trifft es zu, dass dieser Antrag eines Klägers auch einen Sachantrag enthalten muss, also nicht lediglich auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung um ihrer selbst willen ohne Angriff in der Sache gerichtet sein darf. Das in erster Instanz erfolglos gebliebene Klagebegehren muss mindestens teilweise in der zweiten Instanz weiterverfolgt werden (vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 124a Rn. 32; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 124a Rn. 49). Hierzu kann aber auch ein auf Urteilsaufhebung und Zurückverweisung gerichteter Antrag genügen, wenn aus dem Gesamtzusammenhang deutlich wird, dass Ziel des Rechtsmittels die unbeschränkte Weiterverfolgung des bisherigen Sachbegehrens ist (ähnlich VGH Mannheim, Urteil vom 19. November 1996 - 4 S 3365/94 - juris Rn. 23; BGH, Urteil vom 22. März 1994 - VI ZR 227/93 - NJW 1994, 2835 <2836>). Im Zweifel soll das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang angefochten und sollen die in erster Instanz gestellten Anträge weiterverfolgt werden (vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 124a Rn. 30; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 124a Rn. 49).

11

So liegt der Fall hier. Mangels jeglicher Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger eine Zurückverweisung lediglich "um ihrer selbst willen" begehrte (zu einem solchen Fall vgl. VGH Mannheim, ebd.), lag es hier auf der Hand, dass er sein Sachbegehren aus erster Instanz weiterverfolgen wollte. Auch über den Umfang, in dem die Berufung durchgeführt werden sollte, konnte hier vernünftigerweise kein Zweifel bestehen. Der Kläger hatte in erster Instanz die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Januar 2017 begehrt und hat mit der Klagebegründung ausgeführt, weshalb er die - ersichtlich im Vordergrund stehende - Versagung der Aufenthaltserlaubnis für rechtswidrig hält. Dieses Begehren ist letztlich nicht weiter teilbar, zumal die neben der Versagung der Aufenthaltserlaubnis in dem Bescheid enthaltenen weiteren Entscheidungen nur Folgeentscheidungen zu dieser Versagung waren. Dem entspricht, dass auch das Berufungsgericht jedenfalls im Zulassungsverfahren offensichtlich selbst keine Zweifel daran hatte, dass das erstinstanzliche Urteil insgesamt angefochten werden sollte, obwohl bereits die Zulassungsbegründung keinen ausdrücklichen Sachantrag enthielt.

12

c) Einer weiteren ausdrücklichen Darlegung der Berufungsgründe bedurfte es unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht. Grundsätzlich muss die Berufungsbegründung allerdings erkennen lassen, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 107). Dessen bedurfte es im vorliegenden Fall aber deshalb nicht, weil das Berufungsgericht bereits im Zulassungsbeschluss die dort bestätigte Verfahrensbeendigung für verfahrensfehlerhaft und damit das Urteil, das eine Sachprüfung folgerichtig nicht vorgenommen hatte, für insgesamt unrichtig befunden hatte. Die Unrichtigkeit bezog sich auf die Gründe wie auch auf das Ergebnis (Feststellung, dass die Klage als zurückgenommen gilt). In der Verfügung vom 1. September 2017 hat der Berichterstatter erneut bestätigt, dass für das Berufungsverfahren von der Unrichtigkeit dieser Verfahrenseinstellung ausgegangen werde und in Betracht komme, mit Blick darauf, dass (auch) das Verwaltungsgericht bislang nicht zur Sache entschieden habe, im Berufungsverfahren ohne eigene Prüfung zur Sache das Verfahren an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Daran knüpft der vom Kläger mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2017 gestellte Antrag der Sache nach erkennbar an. In dieser Situation vom Kläger eine nochmalige Begründung für das bereits abschließend Geklärte oder das Vorbringen zur Sache zu verlangen, wäre reine Förmelei.

13

d) Soweit das Berufungsgericht darüber hinaus eine ausdrückliche Begründung für das weiterverfolgte Sachbegehren verlangt, überspannt es vorliegend die gesetzlichen Voraussetzungen an die Darlegung der Berufungsgründe. Nachdem das Berufungsurteil zu diesem Sachbegehren keinerlei Ausführungen enthielt, bestand insoweit kein Anlass zu einer Auseinandersetzung. Vielmehr wäre jedenfalls nicht zu beanstanden gewesen, wenn der Kläger auf sein Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren schlicht Bezug genommen hätte. Zwar genügt eine pauschale Bezugnahme auf den Vortrag erster Instanz grundsätzlich nicht, weil sie sich nicht mit dem angegriffenen Urteil und dessen Argumentation auseinandersetzt. Etwas anders gilt aber, wenn und soweit das Verwaltungsgericht nach (hier bereits berufungsgerichtlich bestätigter) Ansicht des Berufungsführers sein Vorbringen zu Unrecht nicht geprüft hat (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 116). Ausgehend davon bedurfte es hier auch einer solchen ausdrücklichen Bezugnahme nicht, weil es sich in der konkreten prozessualen Situation von selbst verstand, dass der Kläger an seinem - noch gänzlich unbeschiedenen - Klagevorbringen in der Sache auch für das Berufungsverfahren festhalten wollte.

14

3. Hat die Beschwerde nach alledem mit der oben behandelten Verfahrensrüge Erfolg, muss der Senat auf die weiteren Verfahrensrügen nicht näher eingehen.

15

4. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.

(1) Ausländerinnen und Ausländern, die eine Duldung besitzen, kann eine Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn sie sich seit drei Monaten erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhalten. Die §§ 39, 40 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2 sowie § 41 des Aufenthaltsgesetzes gelten entsprechend.

(2) Keiner Zustimmung bedarf die Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung

1.
eines Praktikums nach § 22 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 4 des Mindestlohngesetzes,
2.
einer Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf,
3.
einer Beschäftigung nach § 18b Absatz 2 Satz 1 und § 18c Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes, § 5, § 14 Absatz 1, § 15 Nummer 2, § 22 Nummer 3 bis 6 und § 23,
4.
einer Beschäftigung von Ehegatten, Lebenspartnern, Verwandten und Verschwägerten ersten Grades eines Arbeitgebers in dessen Betrieb, wenn der Arbeitgeber mit diesen in häuslicher Gemeinschaft lebt oder
5.
jeder Beschäftigung nach einem ununterbrochen vierjährigen erlaubten, geduldeten oder gestatteten Aufenthalt im Bundesgebiet.

(3) Der Absatz 2 findet auch Anwendung auf Ausländerinnen und Ausländer mit einer Aufenthaltsgestattung.

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses, mit dem es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, dem Antragsgegner, der mit Bescheid vom 5. April 2017 eine Beschäftigungserlaubnis für eine Ausbildung im Garten- und Landschaftsbau sowie eine diesbezügliche Ausbildungsduldung abgelehnt hat, vorläufig Abschiebungsmaßnahmen gegen den Antragsteller zu untersagen.

Seine Beschwerde hat der Antragsteller, ein armenischer Staatsangehöriger, damit begründet, dass er asylrechtlich noch nicht ausreisepflichtig sei, dass seine Ehefrau aus gesundheitlichen Gründen nicht abgeschoben werden könne und dass ihm eine Ausbildungsduldung zu erteilen sei. Dieser Vortrag verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.

1. Der Einwand des Antragstellers, er sei asylrechtlich noch nicht vollziehbar ausreisepflichtig, ist nicht zutreffend, weil das Verwaltungsgericht nicht nur den vorläufigen Rechtsschutzantrag gegen den in vollem Umfang negativen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. Juni 2016 (das Asylbegehren ist als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden) abschlägig verbeschieden hat, sondern zwischenzeitlich auch die Anträge nach § 80 Abs. 7 VwGO mit Beschlüssenvom 2. Juni 2017 (W 7 S. 17.32392) und 5. Juli 2017 (W 7 S. 17.32591). Die Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylG) erlischt, wenn – wie hier – die nach dem Asylgesetz erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist (§ 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylG). Die verwaltungsgerichtliche Entscheidung über zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse ist nach § 42 Satz 1 AsylG im ausländerrechtlichen Verfahren bindend.

2. Der im Schriftsatz vom 27. Juni 2017 außerhalb der zweiwöchigen Beschwerdebegründungsfrist (§ 146 Abs. 1 Satz 1 VwGO, hier abgelaufen am 19.6.2017) erstmals thematisierte Gesundheitszustand der Ehefrau des Antragstellers begründet ebenfalls kein Abschiebungshindernis, nachdem eine schwerwiegende, die Abschiebung ausschließende Erkrankung trotz schriftlicher Belehrungen durch die Ausländerbehörde am 19. Januar und 20. März 2017 bislang nicht geltend gemacht worden ist. In der dem Senat vorliegenden Ausländerakte der Ehefrau finden sich weder Angaben zu Erkrankungen noch diesbezügliche Nachweise. Auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurde hierzu nichts Konkretes vorgetragen. Trotz mehrseitiger rechtlicher Ausführungen zu § 60a AufenthG wird vom Antragsteller eine Erkrankung seiner Ehefrau weder dargelegt noch nachgewiesen.

3. Der Vortrag, der Antragsteller könne eine Ausbildungsduldung nach § 60a AufenthG beanspruchen, erweist sich ebenfalls als nicht berechtigt und begründet deshalb kein Hindernis für die Abschiebung des Antragstellers.

3.1 Für die Aufnahme der zum 1. September 2017 angebotenen Ausbildung zum Landschaftsgärtner bedarf der Antragsteller der Erlaubnis der Ausländerbehörde nach § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2017 – 10 CE 16.2342 – juris Rn. 1 m.w.N.). Diese hat die Erteilung der Erlaubnis mit Bescheid vom 5. April 2017 abgelehnt. Die zentrale Ausländerbehörde U. ist angesichts der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und der Bestätigung dieser Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes durch den unanfechtbaren Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Januar 2017 zutreffend von der Ausreisepflicht des Antragstellers ausgegangen und hat in gemäß § 114 VwGO nicht zu beanstandender Weise dem öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Rückkehr des Antragstellers in sein Heimatland Vorrang vor den privaten Interessen des Antragstellers an der Aufnahme einer Ausbildung eingeräumt.

3.2 Eine Ausbildungsduldung, die mit Bescheid vom 5. April 2017 ebenfalls abgelehnt wurde, ist nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG nur zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, Ausschlussgründe nach § 60a Abs. 6 AufenthG nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Die Ausbildungsduldung kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung vorliegen und die Aufnahme der Ausbildung zeitlich unmittelbar bevorsteht (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 27.6.2017 – 11 S 1076/17 – juris Rn. 18 und 20), denn eine Duldung zur zeitlich wesentlich späteren Aufnahme einer Ausbildung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, ist nicht zu beanstanden. Dem Antragsteller wurde zwar mit Schreiben vom 8. Februar 2017 ein Ausbildungsplatz als Landschaftsgärtner angeboten, doch soll die Ausbildung erst zum 1. September 2017 beginnen; zwischen dem Ausbildungsangebot und der Aufnahme der Ausbildung liegt folglich ein Zeitraum von mehr als 6 Monaten, in dem der Antragsteller zur Ausreise verpflichtet ist.

Zum Zeitpunkt der Aufnahme der Berufsausbildung am 1. September 2017 sind die Voraussetzungen des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG nicht erfüllt. Die am 13. Februar 2017 eingeleitete Beschaffung von Passersatzpapieren stellt eine konkrete Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung dar, die den Anspruch auf eine Ausbildungsduldung ausschließt. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers will diese Ausschlussregelung die Fälle aus dem Anwendungsbereich des Rechtsanspruchs auf Ausbildungsduldung ausnehmen, in denen die Abschiebung bereits konkret vorbereitet wird, wobei die Gesetzesbegründung die Beantragung eines Pass(ersatz) papiers, die Terminierung der Abschiebung oder den Lauf eines Verfahrens zur Dublin-Überstellung als Beispiele aufführt (BT-Drs. 18/9090 S. 25; vgl. auch BayVGH, B.v. 15.12.2016 – 19 CE 16.2025 – juris Rn. 19). Dass die Beschaffung von Passersatzpapieren tatsächlich länger dauert als behördlich angenommen, ist unschädlich, denn die Ausstellung der Passersatzpapiere liegt ausschließlich in der Verantwortung des Herkunftsstaates. Anzeichen für eine offensichtliche Aussichtslosigkeit der Rückführungsbemühungen sind nicht ersichtlich. Somit kann der Antragsteller keine Duldung für die Aufnahme der Ausbildung verlangen, auch wenn ein Ausschlussgrund im Sinn des § 60a Abs. 6 AufenthG nicht vorliegt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG, wobei im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der sogenannte Auffangstreitwert halbiert wird.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller, ein ... Asylbewerber, der eine Aufenthaltsgestattung besitzt, seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) zu verpflichten, ihm bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vorläufig eine Beschäftigungserlaubnis für die Berufsausbildung als Anlagenmechaniker zu erteilen. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 26. Oktober 2016 abgelehnt, weil die von der Ausländerbehörde getroffene, ablehnende Ermessensentscheidung nach § 61 Abs. 2 AsylG nicht zu beanstanden sei.

Bezüglich der auf § 61 Abs. 2 AsylG beruhenden Ablehnung der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis ist die Beschwerde - entgegen der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrungdurch das Verwaltungsgericht - unzulässig, da es sich um eine Rechtsstreitigkeit nach dem Asylgesetz im Sinn des § 80 AsylG handelt (BayVGH, B.v. 9.3.2016 - 10 C 16.324 - juris; BayVGH, B.v. 21.12.2015 - 10 CE 15.2038, 10 C 15.2039 - juris; OVG Berlin-Bbg, B.v. 15.9.2016 - OVG 3 S. 73.16, OVG 3 M 95.16 - juris).

Aber auch wenn man davon ausgeht, dass keine Streitigkeit nach dem Asylgesetz im Sinne des § 80 AsylG vorliegt, weil der Antragsteller geltend macht, sein Anspruch auf eine Beschäftigungserlaubnis ergebe sich aus § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG, rechtfertigen die von ihm dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) es nicht, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben.

Soweit sich der Antragsteller gegen die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache wendet, kann er damit keine Abänderung des Beschlusses erreichen, weil diese Erwägungen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht tragen. Es hat zwar ausgeführt, es spreche schon vieles dafür, dass der Antrag unzulässig sei, weil er auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet sei, dann aber den Antrag als „jedenfalls unbegründet“ abgelehnt, weil der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch habe glaubhaft machen können.

Auch im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller keinen auf dem Aufenthaltsgesetz beruhenden Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis glaubhaft machen können (§ 123 Abs. 1, Abs. 3, § 920 Abs. 2 ZPO).

Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dürfen Ausländer eine Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs. 2 AufenthG) nur ausüben, wenn der Aufenthaltstitel (§ 4 Abs. 1 AufenthG) dazu berechtigt. Dies gilt nach § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG nur dann nicht, wenn dem Ausländer aufgrund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. Derartige Ausnahmeregelungen bestehen für Personen mit Duldung (§ 60a AufenthG) in § 32 BeschV und für Inhaber einer Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylG) in § 61 AsylG. Somit hat das Verwaltungsgericht zu Recht den § 61 Abs. 2 AsylG als Maßstab für den Anspruch des Antragstellers herangezogen.

§ 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG gewährt keinen Anspruch auf eine Beschäftigungserlaubnis, sondern setzt eine solche voraus; erst wenn im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 BeschV eine Beschäftigungserlaubnis erteilt ist, besteht nach dieser Vorschrift, um dem Ausländer den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet rechtlich zu ermöglichen, ein Anspruch auf die Erteilung einer Duldung. Im Fall des Antragstellers liegen jedoch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Duldung nicht vor; eine „Aussetzung der Abschiebung“ kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil er aufgrund der sich aus § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG ergebenden Aufenthaltsgestattung nicht abgeschoben werden kann.

Nichts anderes ergibt sich auch aus dem vom Antragsteller vorgelegten und zur Stützung seiner Rechtsansicht herangezogenen Schreiben des Bundesministeriums des Innern an die Innenministerien der Länder vom 1. November 2016. Hier wird im Rahmen der Erläuterung des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG dargelegt, dass die Erteilung der Duldung nur in Betracht kommt, „wenn der Ausländer die Berufsausbildung aufnimmt oder während eines Asylverfahrens bereits aufgenommen hat“ (S. 3). Hieraus ergibt sich jedoch nicht, wie der Antragsteller meint, ein Rechtsanspruch auf „eine qualifizierte Berufsausbildung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG bereits während eines Asylverfahrens“. Vielmehr betont dieses Schreiben die Unterscheidung zwischen der Erteilung der Erlaubnis zur Beschäftigung und der Erteilung der Duldung und legt dar, dass eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG nur erteilt werden kann, wenn dem Ausländer eine Beschäftigungserlaubnis für eine Berufsausbildung nach § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG i.V.m. § 32 Abs. 1 BeschV erteilt wird oder der Ausländer die Berufsausbildung bereits „mit dem Status einer Aufenthaltsgestattung“ und mit einer Erlaubnis nach § 61 Abs. 2 AsylG begonnen hat (vgl. S. 5 des Schreibens).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da Gegenstand der Beschwerde nur ein (behaupteter) Anspruch auf Beschäftigungserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz war, ist § 83b AsylG nicht anzuwenden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 12. Oktober 2016 - 6 K 4795/16 - geändert. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den Antragsteller abzuschieben.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

 
Der Senat entscheidet mit Rücksicht auf die für Montag, den 17.10.2016 ab 3 Uhr morgens beginnende Abschiebung vor Ablauf der gesetzlichen Beschwerdebegründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO über die am 13.10.2016 bei ihm eingegangene und mit einer Begründung versehenen Beschwerde. Der Antragsgegner hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg. Der Senat hält den Erlass einer einstweiligen Anordnung für erforderlich, um das Verfahren des Antragstellers in der Hauptsache auf Erteilung einer Duldung zur Aufnahme einer Ausbildung als Bäcker bei der Bäckerei A. in M. zu sichern. Nur hierdurch kann vermieden werden, dass irreparable Nachteile zu Lasten des Betroffenen eintreten, da mit dem Vollzug der Ausreisepflicht künftig kein Raum mehr für die Erteilung einer Duldung wäre. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat unter dem 09.09.2016 die durch den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 21.07.2016 beantragte Duldung zur Durchführung der Ausbildung als Bäcker abgelehnt. Zwar hat der Antragsteller - soweit ersichtlich - bislang keine Klage in der Hauptsache erhoben; dies hindert den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO jedoch nicht. Denn allein schon aufgrund dessen, dass dem ablehnenden Schreiben des Antragsgegners keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt wurde, ist nicht von einem dem Duldungsbegehren des Antragstellers entgegenstehenden bestandskräftigen Bescheid auszugehen.
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Rechtslage ist für das durch die einstweilige Anordnung zu sichernde Verpflichtungsbegehren die Entscheidung des Gerichts, so dass § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG in der Fassung des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl I, 1939) zur Anwendung kommt. Nach dieser seit 06.08.2016 geltenden Regelung ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von Satz 3 zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen des Absatzes 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen.
Während der ursprüngliche Gesetzentwurf zum Integrationsgesetz eine Duldung dann vorsah, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat und die Voraussetzungen nach Absatz 6 nicht vorliegen (BT-Drs.18/8615, S. 15, 48), wurde auf Vorschlag des Ausschusses für Arbeit und Soziales dieser Duldungsanspruch durch ein in der Formulierung weites und nicht näher bestimmtes negatives Tatbestandsmerkmal eingeschränkt. Hiernach besteht der Duldungsanspruch nur dann, wenn „konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“. In der Begründung wurde hierzu ausgeführt (BT-Drs. 18/9090, S. 25 f.):
„Der Gesetzentwurf sieht vor, die Erteilung einer Duldung bei Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung künftig als gebundene Entscheidung auszugestalten. Durch die Duldungserteilung kann sich ein Vollzugshindernis für Abschiebungen auch dann ergeben, wenn Abschiebungen bereits konkret vorbereitet werden, z. B. wenn ein Pass(ersatz)papier beantragt worden ist, oder die Abschiebungen terminiert sind oder ein Verfahren zur Dublin-Überstellung läuft. Die Ausländerbehörde könnte aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht durchführen, sobald eine Ausländerin oder ein Ausländer einen die rechtlichen Bedingungen erfüllenden Berufsausbildungsvertrag vorlegt und die Berufsausbildung aufnimmt. In den Fällen, in denen die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung absehbar ist, soll daher der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang eingeräumt werden. Eine Duldung zum Zweck der Berufsausbildung darf dann nicht erteilt werden. Da die Aufnahme einer Berufsausbildung nicht der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit unterliegt, ist die zuständige Kammer die einzige Stelle, die eine Prüfung der Vertragsinhalte des Berufsausbildungsvertrags auf formelle und rechtliche Richtigkeit vornimmt, was auch die Prüfung umfasst, ob die Ausbildungsstätte zur Berufsausbildung berechtigt ist. Diese Prüfungen werden vor Eintrag in die Lehrlingsrolle vorgenommen. Ein Nachweis über das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen hinsichtlich der Duldung zur Berufsausbildung kann deshalb zuverlässig nur dann geführt werden, wenn ein Nachweis über den Eintrag in die Lehrlingsrolle vorgelegt wird.
Die Ausländerin bzw. der Ausländer nimmt die Berufsausbildung auf, in dem er zu dem Zweck der im Berufsausbildungsvertrag bezeichneten Ausbildung die Tätigkeit bei der Ausbildungsstätte beginnt. Die Variante „aufgenommen hat“ ist für die Fallgestaltungen zutreffend, in denen die Berufsausbildung mit einem anderen aufenthaltsrechtlichen Status wie z. B. einer Aufenthaltsgestattung begonnen wurde oder die Ausländerin bzw. der Ausländer eine Duldung aus anderen Gründen besessen hat.
Die Formulierung entspricht im Übrigen § 61 Absatz 1c Nummer 3 des Aufenthaltsgesetzes.“
Mit Eingang dieses ordnungspolitisch motivierten negativen Tatbestandsmerkmals in § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG wurde aber die grundsätzliche Ausrichtung des Integrationsgesetzes im Sinne des Prinzips „Fördern und Fordern“, das nicht zuletzt auch wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik und den Bedarf des deutschen Arbeitsmarkt an einer Vielzahl von Fachkräften im Blick hat (vgl. so ausdrücklich die Begründung des Gesetzesentwurfs BT-Drs.18/8615, S. 1; siehe auch v. Harbou, Das Integrationsgesetz - Meilenstein oder Etikettenschwindel?, NVwZ 2016, 1193; ders., Unterstützen und Strafen: Das Integrationsgesetz, NJW 2016, 2700), nicht angetastet.
2. Die Auffassung des Antragsgegners, wonach im vorliegenden Fall die Erteilung einer Duldung eindeutig nicht in Betracht komme, weil der Tatbestand des Bevorstehens konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung erfüllt sei, teilt der Senat nicht. Vielmehr spricht Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer „Ausbildungsduldung“ hat.
10 
a.) Die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG scheitert nicht am Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 6. Nach § 60a Abs. 6 Satz 1 AufenthG darf einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn (1.) er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, (2.) aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder (3.) er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt wurde.
11 
Der im Juli 1992 geborene und am 08.10.2012 in das Bundesgebiet eingereiste Antragsteller ist zwar serbischer Staatsangehöriger und damit Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a AsylG. Sein Asylantrag ist jedoch vor dem maßgeblichen Stichtag gestellt worden. Der Antragsteller wurde seit dem rechtskräftig gewordenen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 16.11.2012, mit dem sein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, geduldet. Auflösende Bedingungen waren der Duldung seit 07.10.2013 mit Blick auf die Erkrankung seines Vaters nicht mehr beigegeben (vgl. das Bearbeitungsblatt des Landratsamts Karlsruhe vom 12.07.2016). Der Antragsteller war in der Vergangenheit und ist auch aktuell im Besitz eines gültigen Reisepasses. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines der Fälle von Nr. 1 oder Nr. 2 des Absatzes 6 im Übrigen sind weder derzeit noch für einen möglichen früheren Zeitpunkt ersichtlich.
12 
b.) Voraussetzung des § 60 Abs. 2 Satz 4 AufenthG ist weiterhin, dass der Antragsteller eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf, für deren Erlaubnis es nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 BeschV keiner Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bedarf, im Bundesgebiet aufnimmt oder aufgenommen hat. Auch diese Voraussetzung dürfte bejaht werden können.
13 
Nach der oben dargestellten Begründung aus dem Gesetzgebungsverfahren liegt der Regelung die Auffassung zugrunde, dass die Berufsausbildung dann aufgenommen ist, wenn der Ausländer zum Zweck der im Berufsausbildungsvertrag bezeichneten Ausbildung die Tätigkeit bei der Ausbildungsstätte tatsächlich beginnt bzw. in der Variante des „aufgenommen hat“ die Berufsausbildung bereits mit einem anderen aufenthaltsrechtlichen Status (wie Aufenthaltsgestattung oder Duldung aus anderen Gründen) begonnen wurde. Der Nachweis über die Erteilungsvoraussetzungen für die Duldung sei über den Nachweis des Eintrags in der Lehrlingsrolle zu erbringen.
14 
Würde man der Ansicht folgen, die „Aufnahme“ wäre ausnahmslos erst dann zu bejahen, wenn tatsächlich die Tätigkeit im Ausbildungsbetrieb begonnen worden wäre, würde die Vorschrift insoweit weitgehend leerlaufen. Der Ausbildende, d.h. hier die Bäcker A. als Arbeitgeber, darf den Antragsteller bei fehlender Duldung und Erlaubnis zur Beschäftigung nicht beschäftigen (§ 4 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, vgl. näher GK-AufenthG, § 4 Rn. 143 ). § 4 Abs. 3 Satz 5 AufenthG bestimmt ferner, dass derjenige, der im Bundesgebiet einen Ausländer beschäftigt, für die Dauer der Beschäftigung eine Kopie des Aufenthaltstitels oder der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung oder über die Aussetzung der Abschiebung des Ausländers in elektronischer Form oder in Papierform aufbewahren muss. Diese nicht genügend durchdachte und praxisfremde gesetzgeberische Vorstellung würde darauf hinauslaufen, dass es ohne tatsächliche Aufnahme der Berufungsausbildung keine Duldung zu Ausbildungszwecken nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG geben darf, während gleichzeitig ohne Duldung die Aufnahme einer Beschäftigung - und auch eine Ausbildung ist ein Unterfall der Beschäftigung - nicht möglich wäre. In den Genuss der neuen Ausbildungsduldung kämen dann letztlich nur diejenigen Ausländer, die bereits unter Inanspruchnahme einer Duldung aus anderen Gründen eine Ausbildung aufgenommen haben.
15 
Der Wortlaut des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG („aufnimmt“) zwingt nicht zu dem Verständnis, die Ausbildung müsse bereits tatsächlich in der Weise begonnen sein, dass sich die Betroffenen an ihrem Ausbildungsplatz eingefunden haben. Auch der Abschluss des Ausbildungsvertrags lässt sich begrifflich hierunter fassen. Darüber hinaus spricht die Intention des Gesetzes, mit der speziellen Ausbildungsduldung geduldeten Ausländern im geordneten Rahmen eine neue Perspektive zu eröffnen und zudem der Wirtschaft zusätzliche Fachkräfte zukommen zu lassen (hierzu auch Kluth, in: Beck’scher Online-Kommentar, AuslR, Kluth/Heusch, Stand 15.08.2016, § 60a Rn. 26), gegen eine restriktive Auslegung. Ausgehend hiervon dürfte es daher genügen, dass (nur) ein Ausbildungsvertrag vorliegt.
16 
Der Berufungsausbildungsvertrag im Sinne des § 10 des Berufsbildungsgesetzes begründet die Verpflichtung des Ausbildenden zur Ausbildung, die des Auszubildenden zum Erlernen des Ausbildungsberufs. Der Vertrag ist nicht formgebunden; hieran ändert auch die Pflicht nach § 11 Abs. 1 BBiG, nach der der Ausbildende unverzüglich nach Abschluss des Berufsbildungsvertrag, spätestens vor Beginn der Berufsausbildung die wesentlichen Inhalte des Vertrags schriftlich niederzulegen hat, nichts (Schlachter, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2016 § 10 BBiG Rn. 3a). Denkbar ist es insbesondere, dass ein solcher Vertrag unter der Bedingung geschlossen wird, dass ausländerrechtlich die Ausbildung zulässig ist (allg. zur Zulässigkeit der Vereinbarung von Bedingungen in einem Ausbildungsvertrag etwa LAG Hamm, Urteil vom 12.09.2006 - 9 Sa 2313/05 -, juris Rn. 56 ff.; Urteil vom 10.07.2003 - 17 Sa 514/03 -, juris). Lässt man für die Tatbestandsvoraussetzung „eine qualifizierte Berufsausbildung…aufnimmt“ schon den ggfs. nach § 158 BGB bedingten und mündlichen Vertragsschluss zwischen Ausländer und Ausbildungsbetrieb genügen, so mangelt es zu diesem Zeitpunkt grds. noch an einer Eintragung in die Lehrlingsrolle. Durch die Eintragung des Berufsausbildungsvertrags in das Verzeichnis der Ausbildungsverhältnisse nach §§ 34 ff. BBiG (sog. Lehrlingsrolle) wird bestätigt, dass es sich um einen ordnungsgemäßen Ausbildungsvertrag in einem nach § 4 BBiG staatlich anerkannten Ausbildungsberuf handelt (Schlachter, a.a.O., § 34 Rn. 1; § 35 Rn. 2 ff.). Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Ausländerbehörde - fehlt es an einem solchen Eintrag - außerstande wäre, diese Voraussetzungen selbst zu prüfen. In Zweifelsfällen steht ihr die Möglichkeit offen, im Wege der Amtshilfe fachkundige Stellen zu befragen.
17 
Im Fall des Antragstellers dürfte wohl spätestens seit Anfang Juli 2016 ein solcher mündlicher Vertrag gegeben sein. Mit Blick auf das erfolgreiche Betriebspraktikum des Antragstellers bei der Bäckerei A. in M. ist es zudem nicht ausgeschlossen, dass eine entsprechende Einigung zwischen den Beteiligten noch früher erfolgt ist, hierauf deuten auch die Äußerungen im Schriftsatz vom 13.10.2016 hin; dies kann allerdings in diesem Verfahrensstadium nicht aufgeklärt werden. Aus diesem Schriftsatz ergibt sich ferner, dass der Ausbildungsplatz in der Bäckerei für den Antragsteller nach wie vor zur Verfügung steht.
18 
Der Antragsteller erhielt unter dem 18.07.2016 das Abschlusszeugnis des Vorqualifizierungsjahres Arbeit/Beruf der A.-E-Schule ausgestellt, das dem Hauptschulabschluss entspricht. In den Fächern Englisch und Deutsch weist das Zeugnis die Note „befriedigend“, in Mathematik und Fachrechnen sowie in den übrigen Fächern die Note „gut“ aus. Es vermerkt weiter die Absolvierung eines ganzjährigen Betriebs-Tagespraktikums. Wie der Antragsteller nochmals mit Schriftsatz vom 13.10.2016 vorgetragen hat, ist unmittelbar nach Beendigung des Schulpraktikums seitens der Bäckerei bei der Ausländerbehörde angerufen worden, welche Schritte notwendig sind, um den Antragsteller als Auszubildenden einstellen zu können. Die unter dem 09.07.2016 auf dem Formblatt Stellenbeschreibung zur Vorlage im Verfahren der Zulassung ausländischer Arbeitnehmer zum deutschen Arbeitsmarkt gegenüber der Bundesagentur für Arbeit gemachten Angaben verdeutlichen, dass die Wahl des Arbeitgebers (Bäckerei A.) zur Besetzung des Ausbildungsplatzes bereits auf den Antragsteller gefallen war. Aus dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 21.07.2016 ergibt sich zudem, dass der Antragsteller diese Stellenbeschreibung am 12.07.2016 bei der unteren Ausländerbehörde mit der Bitte um Weiterleitung vorgelegt hat. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war auch die Ausländerbehörde darüber informiert, dass zwischen dem Antragsteller und der Bäckerei A. eine Einigung über die Aufnahme einer Ausbildung zustande gekommen ist. Es spricht alles dafür, dass man in dem Eingang dieser Information bei der Ausländerbehörde einen konkludenten Antrag auf Ausbildungsduldung sehen könnte (so GK-AufenthG, § 60a Rn. 288.3 im Erscheinen), der allerdings noch der Weiterleitung an das insoweit zuständige Regierungspräsidium bedurft hätte.
19 
c) Ein Rechtsanspruch auf die Ausbildungsduldung setzt schließlich voraus, dass konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Im Rahmen der Frage, welches der maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen dieser Voraussetzung ist, scheiden aus Gründen des materiellen Rechts der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung und derjenige der Behördenentscheidung aus. Bei einer anderen Sichtweise würde man ggfs. der Ausländerbehörde die Möglichkeit einräumen, selbst nach Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung noch Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreisepflicht in die Wege zu leiten und auf diese Weise einen Anspruch wieder entfallen zu lassen; das ist aber nicht Intention des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG. Maßgeblich dürfte auch nicht allein der Zeitpunkt Aufnahme der Berufsausbildung sein, zumal der Ausländerbehörde solche privatrechtlichen Akte nicht ohne weiteres bekannt sind. Am ehesten dürfte bzgl. dieser Tatbestandvoraussetzung auf die Sachlage im Zeitpunkt der Beantragung der Ausbildungsduldung unter Mitteilung des Ausbildungsverhältnisses abzustellen sein. Hierfür spricht, dass dies letztlich der Kern des Rechtsanspruch ist und hierauf bezogene Einschränkungen nur dann geeignet sind, diesen Rechtsanspruch nicht entstehen zu lassen, wenn sie vorher auf den Weg gebracht worden sind. Wohl nur diese Sichtweise trägt dem wohlverstandenen, vom Gesetzgeber grundsätzlich anerkannten Interessen von Ausbildungsbetrieben und Auszubildenden angemessen Rechnung und ermöglicht einen sachgerechten Interessensausgleich zwischen dem getätigten Vertrauen von Ausbildern und Auszubildenden einerseits und dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung andererseits.
20 
Der Tatbestand „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“ soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Fälle aus dem Anwendungsbereich des Rechtsanspruchs auf Ausbildungsduldung ausnehmen, in denen die Abschiebung bereits konkret vorbereitet wird, wobei die Gesetzesbegründung die Beantragung eines Pass(ersatz)papiers, die Terminierung der Abschiebung oder der Lauf eines Verfahrens zur Dublin-Überstellung als Beispiele aufführt. Alle diese Bespiele treffen im Fall des Antragstellers nicht zu, insbesondere ist die für den 17.10.2016 vorgesehene Abschiebung (erst) am 13.09.2016 - und damit nach Beantragung der Ausbildungsduldung - terminiert worden. Soweit die Gesetzbegründung weiter darauf verweist, die Formulierung entspreche im Übrigen § 61 Abs. 1c Nr. 3 AufenthG, ergeben sich hieraus keine zwingenden Vorgaben für die Auslegung dieser Bestimmung in § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG. Die Nummer 3 des § 61 Abs. 1 c AufenthG ist dort positiv als eine der Voraussetzungen normiert, unter denen eine räumliche Beschränkung ergehen kann, die der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung dient (siehe im Übrigen näher GK-AufenthG, § 61 Rn. 38 ). In § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ist die Formulierung jedoch ein zwingendes negatives, einen Rechtsanspruch ausschließendes Tatbestandsmerkmal, das zudem in eine gesetzliche Regelung eingebettet ist, die gegenüber § 61 AufenthG andere Zwecke verfolgt.
21 
Im Rahmen des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG legen Wortlaut und gesetzgeberische Intention die Auffassung nahe, dass hierunter alle Maßnahmen fallen, die nach typisierender Betrachtung prognostisch bereits in einem engen sachlichen und vor allem zeitlichen Zusammenhang mit der Abschiebung selbst stehen. Hierzu gehören etwa die Buchung des Ausländers auf einen bestimmten Flug, mit dem die Abschiebung erfolgen soll, oder die Erteilung des Vollzugsauftrags gegenüber der Polizei. Allein die konkrete Ausgestaltung einer Duldung, wie etwa deren Befristung oder die - im Falle des Antragstellers am 14.07.2016 - erfolgte Beifügung einer auflösenden Bedingung, fällt für sich allein nicht hierunter, weil dem jedenfalls in der Regel der zeitliche Bezug zur Aufenthaltsbeendigung fehlen wird, jedenfalls soweit nicht weitere konkrete Maßnahmen ins Werk gesetzt werden. Eine Befristungsentscheidung, die als gesetzlicher Regelfall ohnehin gemeinsam mit der Abschiebungsandrohung zu erlassen ist (§ 11 Abs. 2 Satz 4 AufenthG), hat nicht diesen typischen Charakter.
22 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
23 
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 GKG.
24 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Juli 2017 geändert:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig eine Duldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG sowie eine Beschäftigungserlaubnis für die Dauer der Ausbildung zur Altenpflegerin bei der „S…“ Wohnungsbau Betreuungsgesellschaft mbH zu erteilen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die im Januar 1998 geborene Antragstellerin ist ghanaische Staatsangehörige und reiste nach eigenen Angaben im November 2014 zu ihrem im Bundesgebiet lebenden Vater. Die Antragstellerin wurde sodann geduldet. Am 3. August 2016 verlängerte die Antragsgegnerin die Duldung im Hinblick auf die Ableistung eines Freiwilligen Sozialen Jahres und erlaubte eine entsprechende Tätigkeit im Haus F… vom 1. September 2016 bis zum 31. August 2017. Unter dem 6. März 2017 legte die Antragstellerin eine Schulbescheinigung vom 31. August 2016 vor, wonach der Schulbesuch voraussichtlich bis zum 31. Juli 2017 dauern werde. Die Duldung wurde am 6. März 2017 für drei Monate verlängert, da die Antragstellerin noch „im FSJ“ sei. Es werde die Rückführung geprüft.

2

Mit Bescheid vom 6. März 2017, der Antragstellerin zugestellt am 9. März 2017, lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab und drohte der Antragstellerin die Abschiebung an, wenn sie nicht bis zum 7. Juni 2017 freiwillig ausgereist sei. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 10. März 2017 Widerspruch und legte im Rahmen der Begründung des Widerspruchs einen Ausbildungsvertrag mit der „S…“ GmbH vor, wonach die Antragstellerin am 1. August 2017 dort eine Ausbildung zur Altenpflegerin beginnt.

3

Mit Verfügung vom 7. Juni 2017 lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung einer (Ausbildungs-)Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ab. Die Erteilung einer Ausbildungsduldung komme zwar grundsätzlich in Betracht. Kern jeder Ausbildungsduldung bleibe jedoch die damit in Verbindung stehende Beschäftigungserlaubnis, deren Erteilung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Nr. 3 und 32 BeschV im behördlichen Ermessen liege. Dabei seien auch Ablehnungsgründe neben den erwähnten Beschäftigungsverboten nach § 60a Abs. 6 Nr. 1 bis 3 AufenthG zu berücksichtigen. Nach gültiger Dienstanweisung solle das Ermessen bei mangelnder Bleibeperspektive negativ ausgeübt werden. Hierunter fielen auch Personen, die aus einem sicheren Herkunftsstaat stammten, auch wenn sie keinen Asylantrag gestellt hätten. Das Vorbringen der Antragstellerin rechtfertige nicht, hiervon abzuweichen. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 13. Juni 2017 Widerspruch, über den die Antragsgegnerin noch nicht entschieden hat.

4

Den auf Gewährung von Abschiebungsschutz und Duldung zum Zwecke der Durchführung der Ausbildung gerichteten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. Juli 2017 ab. Zur Begründung führt das Verwaltungsgericht u.a. aus, dass der Antragstellerin keine Ausbildungsduldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 ff. AufenthG zu erteilen sei, da ihr die hierfür erforderliche Beschäftigungserlaubnis nicht erteilt worden sei. Es sei nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin verpflichtet sei, die Beschäftigungserlaubnis für das Ausbildungsverhältnis zu erteilen. Die maßgebliche Verwaltungsvorschrift knüpfe in nicht zu beanstandender Weise an das Kriterium der Bleibeperspektive an und wirke dem Zustrom von Ausländern aus sicheren Herkunftsstaaten entgegen, die lediglich aus wirtschaftlichen Gründen an einem Aufenthalt im Bundesgebiet interessiert seien.

5

Die Antragstellerin hat am 26. Juli 2017 die vorliegende Beschwerde erhoben und am 31. Juli 2017 begründet. Sie macht geltend, dass ihr eine Ausbildungsduldung zu erteilen sei. Im Hinblick auf den Beginn der Ausbildung hat das Beschwerdegericht am 4. August 2017 die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig eine Duldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG sowie eine Beschäftigungserlaubnis bis zu einer Entscheidung über die Beschwerde zu erteilen.

II.

6

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene und begründete Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.

7

1. Das Vorbringen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 27. Juli 2017 erschüttert im Hinblick auf den Vortrag, eine Ausbildungsduldung sei zu erteilen, weil die Voraussetzungen des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG vorlägen und eine Beschäftigungserlaubnis erteilt werden müsse, (noch) den Beschluss des Verwaltungsgerichts. Das Beschwerdegericht ist daher berechtigt, ohne die Begrenzung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO eigenständig über den Anordnungsantrag der Antragstellerin zu entscheiden, soweit dieser auf die Erteilung einer Ausbildungsduldung gestützt ist.

8

2. Das Gericht legt den Antrag der Antragstellerin bei verständiger Würdigung ihres Vorbringens (vgl. §§ 122 Abs. 1 i.V.m. 88 VwGO) dahingehend aus, dass diese nicht nur Abschiebungsschutz begehrt, sondern auch die Erteilung einer Duldung nach § 60 Abs. 2 Satz 4 AufenthG für die Aufnahme der Ausbildung als Altenpflegerin sowie die Erteilung der dafür erforderlichen Beschäftigungserlaubnis nach § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG. Nur dieses Begehren verfolgt sie mit ihrer Beschwerde weiter.

9

Die Antragstellerin hat mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO), dass ihr ein Anspruch auf vorläufige Erteilung einer Duldung gemäß § 60 Abs. 2 Satz 4 AufenthG sowie einer entsprechenden Beschäftigungserlaubnis zusteht.

10

Im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragstellerin die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG erfüllt und ihr eine Beschäftigungserlaubnis nach § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG für die Durchführung der Ausbildung zu erteilen ist.

11

Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen des Absatz 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Zudem darf keine die Erteilung der Ausbildungsduldung ausschließende Straffälligkeit nach § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG vorliegen.

12

a. Die Antragstellerin strebt ausweislich des am 19. Mai 2017 bei der Antragsgegnerin vorgelegten Ausbildungsvertrages eine qualifizierte Berufsausbildung in dem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf der Altenpflegerin an. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den Beruf der Altenpflegerin und des Altenpflegers vom 26. November 2002 (BGBl. I. S. 4418) handelt es sich um eine dreijährige Ausbildung und damit um eine qualifizierte Berufsausbildung, da die Ausbildungsdauer die erforderliche Mindestdauer von 2 Jahren übersteigt, vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 BeschV.

13

b. Weder bei der Vorlage des Ausbildungsvertrages bei der Ausländerbehörde am 19. Mai 2017, wodurch vorliegend konkludent die Erteilung einer Ausbildungsduldung beantragt wurde, noch zu einem späteren Zeitpunkt standen konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevor (vgl. zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt, der u.a. voraussetzt, dass die Aufnahme der Ausbildung zeitlich unmittelbar bevorstehen muss: VGH Mannheim, Beschl. v. 27.6.2017, 11 S 1067/17, juris; VGH Koblenz, Beschl. v. 11.7.2017, 7 B 11079/17, juris Rn. 38). Insbesondere hat die Antragsgegnerin nach Ablehnung der Erteilung einer Ausbildungsduldung mit Verfügung vom 7. Juni 2017 nach Aktenlage keine konkreten Abschiebemaßnahmen eingeleitet. Es kann daher vorliegend offen bleiben, ob die Berufsausbildung am 19. Mai 2017 in dem dargelegten Sinne bereits unmittelbar bevorstand. Eine Eintragung des Berufsausbildungsvertrages in das von der Handelskammer geführte Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse ist für den Ausbildungsberuf Altenpfleger/Altenpflegerin nicht vorgesehen.

14

c. Es liegt keine die Erteilung der Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG ausschließende Straffälligkeit der Antragstellerin vor.

15

d. Es spricht Überwiegendes dafür, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt auch das Tatbestandsmerkmal der Aufnahme einer Berufsausbildung i.S.d. § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG erfüllt war, da die Antragstellerin zum 1. August 2017 ihre Berufsausbildung aufnehmen konnte und ihr die nach § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG notwendige Beschäftigungserlaubnis zu erteilen war.

16

aa. Die Aufnahme einer Berufsausbildung dürfte nicht erst dann vorliegen, wenn die Ausbildung mit dem ersten Ausbildungstag begonnen wird. Für eine dahingehende Auslegung spricht zwar eine unbefangene Betrachtung des Wortlauts der Regelung und auch die Begründung des Gesetzentwurfes. Darin heißt es (BT-Drs. 18/9090, S. 26):

17

„Die Ausländerin bzw. der Ausländer nimmt die Berufsausbildung auf, in dem er zu dem Zweck der im Berufsausbildungsvertrag bezeichneten Ausbildung die Tätigkeit bei der Ausbildungsstätte beginnt. Die Variante „aufgenommen hat“ ist für die Fallgestaltungen zutreffend, in denen die Berufsausbildung mit einem anderen aufenthaltsrechtlichen Status wie z. B. einer Aufenthaltsgestattung begonnen wurde oder die Ausländerin bzw. der Ausländer eine Duldung aus anderen Gründen besessen hat.“

18

Bei einer solchen Auslegung würde die Vorschrift jedoch faktisch weitgehend leerlaufen, da der Ausbildungsbeginn die entsprechende Duldung voraussetzt. Bei interessengerechter Auslegung des Begriffes der Aufnahme einer Ausbildung dürfte daher genügen, dass ein Ausbildungsverhältnis begründet und - mit Ausnahme der zu erteilenden Duldung und Beschäftigungserlaubnis - die weiteren für die Aufnahme der Ausbildung erforderlichen Voraussetzungen, wie die ggf. erforderliche Eintragung des Ausbildungsvertrages in das von der Handelskammer geführte Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse, vorliegen und der Beginn der Ausbildung unmittelbar bevorsteht (vgl. OVG Koblenz, Beschl. v. 11.7.2017, 7 B 11079/17, juris Rn. 38; VGH Mannheim, Beschl. v. 27.6.2017, 11 S 1067/17, juris 16 ff.; Beschl. v. 13.10.2016, 11 S 1991/16, juris Rn. 12 ff.; OVG Münster, Beschl. v. 13.3.2017, 18 B 148/17, juris Rn. 10 ff.).

19

bb. Zudem ist erforderlich, dass die nach § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG erforderliche Beschäftigungserlaubnis erteilt wurde oder zu erteilen ist, weil ohne diese eine Ausbildung nicht rechtmäßig aufgenommen werden kann (vgl. zum Erfordernis der rechtmäßigen Aufnahme der Ausbildung: OVG Koblenz, Beschl. v. 11.7.2017, 7 B 11079/17, juris Rn. 37; VGH Kassel, Beschl. v. 21.4.2017, 3 B 826/17, juris Rn. 9; OVG Lüneburg, Beschl. v. 9.12.2016, 8 ME 184/16, juris Rn. 6). Eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit für die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis ist gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 2 BeschV nicht erforderlich. Die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis steht nach § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde.

20

(1) Die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis ist nicht gemäß § 60a Abs. 6 AufenthG zu versagen. Insbesondere ist die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nicht gemäß § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ausgeschlossen. Denn die Antragstellerin ist zwar Staatsangehörige eines sicheren Herkunftsstaates i.S.d. § 29a AsylG, sie hat jedoch keinen Asylantrag gestellt.

21

§ 60a Abs. 6 AufenthG ist nicht erweiternd dahingehend auszulegen, dass die Regelung auch auf Ausländer anzuwenden ist, die aus einem sicheren Herkunftsstaat i.S.d. § 29a AsylG stammen bzw. dessen Staatsangehörige sind, jedoch keinen Asylantrag gestellt haben. Vielmehr spricht die Gesetzeshistorie dafür, dass auch Ausländer, die aus sicheren Herkunftsstaaten i.S.d. § 29a AsylG stammen bzw. dessen Staatsangehörige sind und keinen Asylantrag gestellt haben, grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 60a Abs. 2 Satz 4 ff. AufenthG fallen: Durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386; Inkrafttreten am 1.8.2015) waren Ausländer, die aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen, von der Erteilung einer Ausbildungsduldung ausgeschlossen (§ 60 Abs. 2 Satz 4 AufenthG: „Dringende persönliche Gründe im Sinne von Satz 3 können insbesondere vorliegen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in Deutschland vor Vollendung des 21. Lebensjahres aufnimmt oder aufgenommen hat und nicht aus einem sicheren Herkunftsstaat nach § 29a des Asylverfahrensgesetzes stammt.“). Mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1772; Inkrafttreten am 24.10.2015) wurden unter Aufhebung des § 33 BeschV die bis dahin dort geregelten Beschäftigungsverbote in § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2, Satz 2 AufenthG aufgenommen und um die Regelung in § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zum Ausschluss für Staatsangehörige aus einem sicheren Herkunftsstaat, sofern ein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt worden ist, ergänzt; diese Begrenzung lief insoweit ins Leere, als Ausländer, die aus einem sicheren Herkunftsstaat stammten, bereits nach der Beschränkung in § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG - unabhängig von einer Asylantragstellung - keine Ausbildungsduldung erteilt werden konnte. Mit dem Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939; Inkrafttreten am 6.8.2016) wurde § 60a Abs. 2 Sätze 4 bis 12 AufenthG in der derzeit gültigen Fassung erlassen und damit die generelle Beschränkung des Geltungsbereichs für Personen, die aus einem sicheren Herkunftsstaat nach § 29a AsylG stammen, aufgehoben.

22

(2) Vorliegend spricht für den Senat Überwiegendes dafür, dass das der Antragsgegnerin bei der Erteilung der Beschäftigungserlaubnis zustehende Ermessen nicht - wie die Antragsgegnerin dies vertritt und dies die für das Gericht nicht bindenden Ermessenrichtlinie der Antragsgegnerin („Handreichung zum Thema Beschäftigung und Ausbildung mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung (Stand: 9. Mai 2017)“) vorsieht - dahingehend ausgeübt werden kann, die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis aus einwanderungspolitischen Gründen allein deshalb versagt werden kann, weil der Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat i.S.d. § 29a AsylG stammt bzw. dessen Staatsangehöriger ist, auch wenn das Beschäftigungsverbot des § 60a Abs. 6 AufenthG nicht greift.

23

Für die Ansicht der Antragsgegnerin spricht zwar, dass der Gesetzgeber keine Regelung dahingehend getroffen hat, dass die nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu erteilende Duldung zur Aufnahme der Erwerbstätigkeit im Rahmen der Ausbildung berechtigt (vgl. zu ähnlichen Regelungen z.B.: §§ 17 Abs. 3 Satz 2, 17a Abs. 4 Satz 1, 27 Abs. 5 AufenthG). Vielmehr hat er es - jenseits der in § 60a Abs. 6 AufenthG normierten Beschäftigungsverbote - bei der gesondert zu erteilenden Beschäftigungserlaubnis belassen; deren Erteilung steht im Ermessen der Ausländerbehörde. Da die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 2 BeschV der Beschäftigungserlaubnis nicht zustimmen muss, dürften arbeitsmarktpolitische Belange der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nicht entgegenstehen. Demzufolge ist das Ermessen allein an einwanderungspolitischen Erwägungen auszurichten (vgl. allgemein: Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Stand Mai 2014, zu § 4 AufenthG Rn. 145; in diese Richtung auch: VGH Kassel, Beschl. v. 21.4.2017, 3 B 826/17, juris Rn. 10 ff.). Läge der Schwerpunkt der gesetzlichen Regelung darin, dass Geduldete und ausbildende Betriebe für die Zeit der Ausbildung und für einen begrenzten Zeitraum danach mehr Rechtssicherheit verschafft und das diesbezügliche aufenthaltsrechtliche Verfahren vereinfacht werden würde (vgl. in diese Richtung: BT-Drs. 18/8615 S. 48), so spräche einiges dafür, dass im Rahmen der Ermessenserwägungen bei der Erteilung der Beschäftigungserlaubnis einwanderungspolitische Erwägungen dahingehend einfließen könnten, dass Ausländer, die aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen bzw. dessen Staatsangehörige sind, keine Beschäftigungserlaubnis erhielten.

24

Eine derartige Interpretation der gesetzlichen Regelungen liefe jedoch Gefahr, dass die in § 60a Abs. 2 Satz 4 ff. AufenthG getroffene gesetzliche Bestimmung, wann eine Ausbildungsduldung zu erteilen „ist“, leerliefe. Sie könnte - wie dies in den Anwendungshinweisen des Bundesministeriums des Innern zur Duldungserteilung nach § 60a Aufenthaltsgesetz vom 30. Mai 2017 (vgl. dort Seite 11) formuliert ist - die § 60a Abs. 2 Satz 4 ff., Abs. 6 AufenthG getroffene (bundes-)gesetzliche Regelung „konterkarieren“. Es entstünde z.B. in Bezug auf Ausländer, die aus sicheren Herkunftsstaaten i.S.d. § 29a AsylG stammen bzw. dessen Staatsangehörige sind und keinen Asylantrag gestellt haben oder deren Asylantrag nicht nach dem 31. August 2015 abgelehnt worden ist, ein Wertungswiderspruch, wenn zwar einerseits § 60a Abs. 2 Satz 4 ff., Abs. 6 AufenthG anordnet, dass diesen eine Ausbildungsduldung zu erteilen ist und die Ausübung der Erwerbstätigkeit nicht untersagt ist, anderseits das Ermessen im Rahmen der Erteilung einer dafür erforderlichen Beschäftigungserlaubnis aus einwanderungspolitischen Gründen versagt wird. Die im Gesetzentwurf (vgl. BT-Drs. 18/8615 S. 22) formulierte Überlegung, dass insbesondere bei Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten es gerechtfertigt sei, aufgrund der individuell geringen Bleibewahrscheinlichkeit bis zur Klärung des Status zunächst auf eine Förderung mit dem Ziel der Integration zu verzichten, hat insoweit keinen Niederschlag in der gesetzlichen Regelung gefunden.

25

Es spricht daher Überwiegendes dafür, dass die in § 60a Abs. 2 Satz 4 ff., Abs. 6 AufenthG zum Ausdruck kommende einwanderungspolitische Grundentscheidung, dass in den dort genannten Konstellationen eine Duldung zu erteilen ist und die Ausübung der Erwerbstätigkeit nicht untersagt ist, auch grundsätzlich ermessensleitend bei der Erteilung der hierfür notwendigen Beschäftigungserlaubnis sein muss. Dies entspricht zudem der in § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG angelegten Verknüpfung der Beschäftigungserlaubnis und dem Aufenthaltstitel bzw. der Duldung. Denn die Beschäftigungserlaubnis ist ein an den Titel bzw. die Duldung anknüpfende, akzessorische Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die nicht unabhängig davon erteilt werden kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.8.2016, 1 B 91/16, juris Rn. 4). Liegen demnach die Voraussetzungen von § 60a Abs. 2 Satz 4 ff. AufenthG vor und ist die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach § 60a Abs. 6 AufenthG nicht untersagt, so dürfte das Ermessen in Bezug auf die Beschäftigungserlaubnis in der Regel zugunsten des Ausländers weitgehend reduziert sein. Eine Versagung der Beschäftigungserlaubnis aus einwanderungspolitischen Gründen ist dann nur aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles möglich, etwa im Hinblick auf eine vorsätzliche Verletzung der Passbeschaffungspflicht, eine mögliche Umgehung der in § 60a Abs. 6 AufenthG normierten Ausschlussgründe oder eine missbräuchliche Ausnutzung der Regelung - etwa bei Beginn der Ausbildung nach langjähriger Berufserfahrung in dem entsprechenden Bereich (vgl. OVG Koblenz, Beschl. v. 31.7.2017, 7 B 11276/17, juris). Eine derartige Auslegung entspricht den angesichts der gesetzlichen Regelung in § 60a Abs. 2 Satz 4 ff., Abs. 6 AufenthG primären Erwägungen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 18/8615 S. 22), dass die Qualifikation der nach Deutschland kommenden Menschen der demografischen Herausforderung einer immer älter werdenden Gesellschaft und einem absehbaren Fachkräftemangel in einigen Bereichen des Arbeitsmarktes begegnet und dies eine Investition in die Zukunftsfähigkeit des einheimischen Arbeitsmarktes und den nachhaltigen Zusammenhalt unserer Gesellschaft, ebenso wie in die Zukunftsfähigkeit der Herkunftsstaaten und damit in verbesserte Rückkehrperspektiven, wenn diese Menschen in ihre Herkunftsstaaten zurückkehren, ist.

26

cc. Unter Anwendung dieses Maßstabes war die Ablehnung der Beschäftigungserlaubnis allein unter Hinweis darauf, dass die Antragstellerin aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt und daher keine gesicherte Bleibeperspektive habe, ermessensfehlerhaft (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).

27

dd. Unter Anwendung des vorstehenden Maßstabes sind zudem nach Aktenlage keine individuellen Gesichtspunkte erkennbar, die es rechtfertigen könnten, die Beschäftigungserlaubnis aus einwanderungspolitischen Gesichtspunkten zu versagen; das Ermessen der Antragsgegnerin dürfte daher dahingehend reduziert sein, dass eine Beschäftigungserlaubnis zu erteilen ist. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Verhalten der Antragstellerin bis zur Beantragung der Ausbildungsduldung unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis entgegensteht: Auch nach Erreichen der Volljährigkeit im Januar 2016 hat die Antragsgegnerin die der Antragstellerin erteilte Duldung ohne Vorbehalte verlängert. Ebenso wurde die im August 2016 erteilte Duldung zwecks Absolvierung eines Freiwilligen Sozialen Jahres von der Antragsgegnerin am 6. März 2017 ohne Vorbehalte verlängert, nachdem durch die Vorlage der Schulbescheinigung deutlich geworden war, dass die Antragstellerin seit August 2016 kein Freiwilliges Soziales Jahr abgeleistet hat. Im März 2017 wurde zwar die Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis abgelehnt, es wurden aber keine Abschiebemaßnahmen eingeleitet.

28

Dürfte demnach die Beschäftigungserlaubnis zu erteilen sein, so war zum maßgeblichen Zeitpunkt zugleich das Tatbestandsmerkmal der Aufnahme der Berufsausbildung erfüllt.

III.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

(1) Ausländerinnen und Ausländern, die eine Duldung besitzen, kann eine Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn sie sich seit drei Monaten erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhalten. Die §§ 39, 40 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2 sowie § 41 des Aufenthaltsgesetzes gelten entsprechend.

(2) Keiner Zustimmung bedarf die Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung

1.
eines Praktikums nach § 22 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 4 des Mindestlohngesetzes,
2.
einer Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf,
3.
einer Beschäftigung nach § 18b Absatz 2 Satz 1 und § 18c Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes, § 5, § 14 Absatz 1, § 15 Nummer 2, § 22 Nummer 3 bis 6 und § 23,
4.
einer Beschäftigung von Ehegatten, Lebenspartnern, Verwandten und Verschwägerten ersten Grades eines Arbeitgebers in dessen Betrieb, wenn der Arbeitgeber mit diesen in häuslicher Gemeinschaft lebt oder
5.
jeder Beschäftigung nach einem ununterbrochen vierjährigen erlaubten, geduldeten oder gestatteten Aufenthalt im Bundesgebiet.

(3) Der Absatz 2 findet auch Anwendung auf Ausländerinnen und Ausländer mit einer Aufenthaltsgestattung.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, mit der der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiterverfolgt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) zu verpflichten, bis zu einer amtsärztlichen Untersuchung zur Frage der Reisefähigkeit die für den 9. Januar 2017 angesetzte Abschiebung auszusetzen, ist unbegründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen weder die Aufhebung noch eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) ergibt sich daraus, dass bereits ein konkreter Abschiebetermin festgesetzt ist.

Es ist jedoch kein auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung durch Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gerichteter Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit (§ 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG) des Antragstellers ist durch die vorgelegte ärztliche Bescheinigung nicht widerlegt.

Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers so lange auszusetzen, wie sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Ein rechtliches Abschiebungshindernis liegt vor, wenn durch die Beendigung des Aufenthalts eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr zu befürchten ist, so dass die Abschiebungsmaßnahme wegen des nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten grundrechtlichen Schutzes auszusetzen ist. Erforderlich ist dabei, dass infolge der Abschiebung als solcher (unabhängig vom konkreten Zielstaat) eine wesentliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes für den betroffenen Ausländer konkret droht (BayVGH, B.v. 31.5.2016 - 10 CE 16.838 - juris Rn. 7; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Februar 2016, A1 § 60a Rn. 57 f.). In Betracht kommen damit nur inlandsbezogene Abschiebungsverbote. Eine bestehende psychische Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in zwei Fällen begründen: Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange der Ausländer wegen Erkrankung transportunfähig ist, d. h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens" wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie - außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne). Von einem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis ist auch dann auszugehen, wenn sich die Erkrankung des Ausländers gerade aufgrund der zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland wesentlich verschlechtert, und nicht nur, wenn ein Suizid während der Abschiebung droht.

Nach dem mit Wirkung zum 17. März 2016 (Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016 - BGBl I S. 390 -) eingeführten § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, wenn nicht der Ausländer eine im Rahmen der Abschiebung beachtliche Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft macht. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Insofern hat der Gesetzgeber im Wesentlichen die obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. u. a. BVerwG, U.v. 11.9.2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251; U.v. 11.9.2007 - 10 C 17.07 - juris Rn. 15) nachvollzogen, wonach zur Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes gehört. Wird die geltend gemachte Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen soll, nicht durch eine qualifizierte Bescheinigung im Sinne von § 60a Abs. 2c AufenthG belegt, so wird auch die gesetzliche Vermutung für die Reisefähigkeit nicht widerlegt.

Die vom Antragsteller vorgelegte (wohl retrospektive) ärztliche Stellungnahme vom 20. Dezember 2016 legt zwar dar, dass der Antragsteller an Angstzuständen, Panikattacken und psychosomatischen Reaktionen leide und ihm sich Suizidgedanken aufdrängten, nicht aber, dass er gerade deshalb reiseunfähig sei oder dass sich das Krankheitsbild infolge einer Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Das vorgelegte Attest entspricht - wie bereits das Erstgericht festgestellt hat, ohne dass sich die Beschwerdebegründung hierzu verhält - insoweit nicht den Anforderungen, die an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung im Sinn von § 60a Abs. 2c Satz 2, 3 AufenthG zu stellen sind.

Die vom Antragsteller vorgelegte ärztliche Bescheinigung lässt, soweit sie am Ende lapidar eine Reiseunfähigkeit attestiert, weder die tatsächlichen Umstände, "auf deren Grundlage die fachliche Beurteilung erfolgte, noch die Methode der Tatsachenerhebung" erkennen (vgl. § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG). Es bestehen bereits erhebliche Zweifel daran, ob überhaupt eine schwerwiegende seelische Erkrankung glaubhaft gemacht ist; hierfür reicht nicht aus, dass sich der Antragsteller von August 2016 bis November 2016 in zweiwöchentlichem Abstand zu therapeutischen Gesprächen zu einem Diplompsychologen begab. Jedenfalls kann aus der Schilderung der Symptomatik während der Inhaftierung nicht ohne die erforderliche qualifizierte Begründung gefolgert werden, der Antragsteller sei reiseunfähig. Der Hinweis, eine zwangsweise Ausreise würde die psychische Gesundheit des Antragstellers weiter destabilisieren, eine vitale Gefahr sei nicht ausgeschlossen, ersetzt nicht die fehlende Darlegung der Diagnoseerstellung. Die behauptete wesentliche oder lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustands des Antragstellers (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne) wird zudem durch das fachärztliche Attest in keiner Weise belegt. Ein Attest, dem nicht zu entnehmen ist, wie es zur prognostischen Diagnose kommt und welche Tatsachen dieser zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen Reiseunfähigkeit zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2016 - 10 CE 15.2784 - juris Rn. 16).

Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob - wie der Antragsteller meint - der von der Antragsgegnerin vorgelegten Bescheinigung der Justizvollzugsanstalt über die Reisetauglichkeit des Antragstellers wegen des fehlenden Datums keine Aussagekraft zukommt.

Der Kostenausspruch folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 8.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

IV. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

Mit ihren am 3. August 2017 eingelegten Beschwerden verfolgen die Antragsteller – eine Familie kosovarischer Staats- und albanischer Volkszugehörigkeit – nach erfolglosem Asylverfahren (der Bundesamtsbescheid vom 26.1.2016 ist bestandskräftig geworden) sowie Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht und Durchführung ihrer Abschiebung am 20. Juli 2017 in den Kosovo im Wege des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung und die Rückführung der Antragsteller in das Bundesgebiet.

Nach dem Vollzug der Abschiebung der Antragsteller am 20. Juli 2017 kann der vor dem Verwaltungsgericht noch gestellte Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO im Beschwerdeverfahren nicht weiterverfolgt werden‚ weil die Aussetzung der Abschiebung durch ihre Durchführung objektiv unmöglich geworden ist. Dementsprechend haben die Antragsteller im Beschwerdeverfahren ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz in zweierlei Hinsicht neu gefasst: zum einen begehren sie die Feststellung‚ dass die Abschiebung rechtswidrig war, und zum anderen stellen sie den Antrag‚ sie in das Bundesgebiet zurückzuführen.

Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg.

Die Beschwerdeführer rügen die Rechtswidrigkeit der Abschiebung wegen fehlender Reisefähigkeit der Antragstellerinnen zu 1 und 4 sowie die Verletzung rechtlichen Gehörs, da die Schutzschrift des Antragsgegners und die Feststellungen des die Reisefähigkeit vor der Abschiebung untersuchenden Arztes vor der Entscheidung nicht zu einer Stellungnahme zur Verfügung gestellt worden seien. Das Verwaltungsgericht habe wesentliche ärztliche Atteste unberücksichtigt gelassen, insbesondere die Arztberichte der Spezialkliniken in H … und D … sowie die ärztliche Bescheinigung die Antragstellerin zu 4 betreffend. Die Antragstellerin zu 4 leide unter einer Hüftgelenksdysplasie und einer dem Morbus Perthes ähnlichen Hüftnekrose; im Falle einer nicht fachgerechten Behandlung drohe der Verlust der Gehfähigkeit. Die Antragstellerin zu 4 sei bereits vor der Einreise im Kosovo erfolglos behandelt worden; in der Bundesrepublik seien Behandlungen in Spezialkliniken erfolgt. Für die Antragstellerin zu 4 sei eine dauerhafte medizinische und physiotherapeutische Behandlung erforderlich. Bei der Antragstellerin zu 4 bestehe auch eine posttraumatische Belastungsstörung mit dissoziativen Zuständen nebst Verdacht auf eine psychische Deprivation mit Wahrnehmungsstörung. Die Feststellung der Reisefähigkeit sei weder durch einen Facharzt für Kinderorthopädie noch für Psychiatrie erfolgt. Auch sei der die Reisefähigkeit beurteilende Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B. von unvollständigen ärztlichen Attesten ausgegangen. Eine dringend erforderlich medizinische Behandlung und Versorgung der Antragstellerin zu 4 könne im Heimatland nicht erfolgen, da die dortigen medizinischen Möglichkeiten ausgereizt seien. Der Antragstellerin zu 4 drohe der Verlust der Gehfähigkeit, wenn die Behandlung und Operation nicht durchgeführt werde. Ausweislich des Attestes einer orthopädischen Fachklinik im Kosovo vom 28. Juli 2017 könne dort die für die Antragstellerin zu 4 erforderliche Repetitionsbehandlung und Operation (dreifacher Beckeneingriff und Umstellungsostetomie am Oberschenkel) nicht durchgeführt werden. Die Antragstellerin zu 2 leide unter einer depressiven Erkrankung mit akuter Suizidgefahr. Die Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2 sei nicht fachärztlich festgestellt worden. Es werde mit zweierlei Maß gemessen, wenn seitens der Antragsteller qualifizierte fachärztliche Atteste gefordert würden, seitens des Antragsgegners aber die Feststellungen eines Allgemeinmediziners und der persönliche Eindruck fachpsychiatrisch nicht ausgebildeter Personen ausreichten. Die Antragstellerinnen zu 2 und 4 befänden sich im Kosovo in absolut desolatem Zustand. Der Antrag, eine Wiedereinreise der gesamten Familie zu ermöglichen, werde im Beschwerdeverfahren aufrechterhalten.

Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO seine Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu beschränken hat, rechtfertigen keine Beschwerdestattgabe. Die geltend gemachte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung im Wege der einstweiligen Anordnung erweist sich als unzulässig (1.). Die Zulässigkeit der erstmaligen Geltendmachung eines Folgebeseitigungsanspruchs im Wege der Regelungsanordnung im Beschwerdeverfahren erscheint zweifelhaft (2.), kann jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben, da ein Aufenthaltsrecht oder ein Anspruch auf vorläufiges weiteres Verbleiben im Bundesgebiet nicht glaubhaft gemacht wird (3.).

1. Der Antrag, im Verfahren nach § 123 VwGO die Rechtswidrigkeit der Abschiebung vom 20. Juli 2017 festzustellen, ist unzulässig.

Dahinstehen kann, ob die Umstellung des ursprünglichen Antrags auf Erlass einer Sicherungsanordnung zur Einstellung und Aussetzung der Abschiebung auf eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der zwischenzeitlich vollzogenen Abschiebung – jeweils gestützt auf eine fehlende Reisefähigkeit der Antragstellerinnen zu 2 und 4 –den Bestimmungen in § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO, § 91 VwGO genügt. Der Feststellungsantrag ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil er in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht statthaft ist.

Hinsichtlich des Feststellungsantrags ist schon nicht dargetan oder erkennbar‚ welches subjektiv-öffentliche Recht der Antragsteller durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorläufig gesichert werden soll‚ um der Gefahr einer Veränderung des bestehenden Zustandes zu begegnen (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dem Feststellungsinteresse, das einen solchen Antrag allein rechtfertigt, kann in einem Eilverfahren nicht Rechnung getragen werden, in dem nur eine vorläufige, nicht jedoch eine endgültige und verbindliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit getroffen werden kann. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht im Wege der Abschiebung kann grundsätzlich nur in einem Klageverfahren erreicht werden (vgl. BayVGH, B.v. 28.1.2016 – 10 CE 15.2653 – juris Rn. 16; OVG Rh-Pf, B.v. 11.7.2017 – 7 B 11079/17 – juris Rn. 21). Die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung würde auch noch keinen (im Wege des § 123 Abs. 1 VwGO sicherungsfähigen) Anspruch auf Rückführung in das Bundesgebiet begründen, denn ein solcher Anspruch würde einen durch den zwangsweisen Vollzug der Ausreisepflicht verletzten Duldungsanspruchs voraussetzen (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2017 – 19 CE 16.2507).

2. Die Frage, ob ein Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO mit dem Ziel, den Ausländer (vorläufig) in das Bundesgebiet zurückzuführen bzw. ihm die Wiedereinreise zu ermöglichen, zulässig ist, und ob dies gegebenenfalls auch dann der Fall ist, wenn erstinstanzlich (vor der Abschiebung) noch die Aussetzung der Abschiebung begehrt worden war und erst im Beschwerdeverfahren die einstweilige Rückführung begehrt wird (der Antrag umgestellt wird), wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet. In den insoweit ablehnenden Entscheidungen (vgl. insbesondere OVG RhPf, B.v. 11.7.2017 – 7 B 11079/17 – juris; BayVGH, B.v. 28.1.2016 – 10 CE 15.2653 – juris und B.v. 21.6.2007 – 19 ZB 06.3373 – juris; OVG NRW‚ B.v. 9.3.2007 – 18 B 2533/06 – juris und B.v. 18.7.2006 – 18 B 1324/06 – juris; VGH BW, B.v. 24.3.2006 – 11 S 325/06 – HTK-AuslR; OVG LSA, B.v. 6.6.2016 – 2 M 37/16 – juris und B.v. 26.9.2008 – 2 M 188/08 – juris; in allen diesen Entscheidungen ist hilfsweise auch auf die Begründetheit des Antrags eingegangen worden) wird vor allem in den Vordergrund gestellt, dass es um einen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch geht und im Verfahren nach § 123 VwGO eine der Bestimmung des § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO entsprechende Regelung fehlt sowie dass die Sicherung eines Rückführungsanspruchs im einstweiligen Rechtsschutz einen anderen Streitgegenstand darstellt als das Rechtsschutzbegehren, das auf Verhinderung der Abschiebung gerichtet war. Die Gegenmeinung (vgl. insbesondere OVG Bremen, B.v. 19.5.2017 – 1 B 47/17 – juris; SächsOVG, B.v. 14.12.2011 – 3 B 244/11 – juris; OVG Saarl, B.v. 18.10.2005 – 2 W 15/05 – juris; vgl. auch Funke-Kaiser in GK-AufenthG‚ Stand Oktober 2015‚ § 81 Rn. 190 und Stand 10/2016, § 59 AufenthG Rn. 240 ff.) verweist auf die Bindung der vollziehenden Gewalt an Recht und Gesetz durch Art. 20 Abs. 3 GG, die bei einem noch andauernden rechtswidrigen Zustand aufgrund eines hoheitlichen Eingriffs in ein subjektives Recht betroffen ist, auf die weitgehende Identität des Streitstoffs bei dem Antrag auf Aussetzung der Abschiebung und bei dem Antrag auf Ausgestaltung der Wiedereinreise, auf die Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung des § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO in Fällen einer erheblichen Sachverhaltsänderung nach Ablauf der Darlegungsfrist sowie darauf, dass eine zwangsweise Abschiebung nicht zu einer Erledigung wegen Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses führt (vgl. insoweit auch BVerwG, B.v. 13.09.2005 – 1 VR 5/05, 1 VR 5/05/1 C 7/01 C 7/04 – InfAuslR 2005, 462, juris Rn. 2).

Vorliegend sieht sich der Senat nicht veranlasst, zum Streitstand Stellung zu nehmen, weil der Antrag auf Gestattung der Wiedereinreise im Falle seiner Zulässigkeit nicht begründet wäre (vgl. Nr. 3).

3. Die Beschwerde bliebe auch dann ohne Erfolg, wenn die Zulässigkeit einer einstweiligen Regelungsanordnung mit dem Ziel, nach einer im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erstinstanzlich gebilligten und vollzogenen Abschiebung die Rückführung der Antragsteller in das Bundesgebiet im Wege eines im Beschwerdeverfahren geltend gemachten Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruchs zu ermöglichen, anzuerkennen wäre.

Die von den Antragstellern erstrebte Verpflichtung des Antragsgegners nach § 123 VwGO stellt sich als eine Vorwegnahme der Hauptsache dar. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO dient regelmäßig nur der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses; einem Antragsteller soll hier grundsätzlich nicht bereits das gewährt werden, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen kann. Daher könnte in Fällen der hier vorliegenden Art dem Eilantrag nach § 123 VwGO nur stattgegeben werden, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG schlechterdings unabweisbar ist. Dies setzt hohe Erfolgsaussichten, also eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs in der Hauptsache oder eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Abschiebung voraus (vgl. VGH BW, B.v. 11.3.2008 – 13 S 418/08 – juris Rn. 7; NdsOVG, B.v. 2.2.2007 – 13 ME 362/06 – juris), was jedenfalls dann nicht der Fall ist, wenn nach einer Rückkehr erneut eine vollziehbare Ausreisepflicht besteht und ein Bleibeanspruch nicht glaubhaft gemacht ist.

Vorliegend ist eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs in der Hauptsache nicht ersichtlich. Weder erweist sich die vollzogene Abschiebung als offensichtlich rechtswidrig noch haben die Antragsteller ein (vorläufiges) Bleiberecht aufgrund einer geltend gemachten Reiseunfähigkeit der Antragstellerinnen zu 2 und 4 glaubhaft gemacht.

Dahinstehen kann, ob im Rahmen der Vollziehung der Aufenthaltsbeendigung ein von den Antragstellern geltend gemachter Gehörsverstoß vorgelegen hat. Verfahrensrechtliche Verstöße sind nicht geeignet, einen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch auf Wiedereinreise bzw. Rückführung der Ausländer zu begründen, da es für den Erfolg eines Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruchs nicht nur auf den Vorgang der Abschiebung, sondern auf das Fortbestehen eines rechtswidrigen Zustandes ankommt, was nur dann gegeben ist, wenn den Antragstellern durch die Abschiebung ein ihnen zustehendes Bleiberecht vorenthalten wird (vgl. für eine fehlende Abschiebungsandrohung VG Schleswig, B.v. 19.12.2002 – 14 B 86/02 – juris Rn. 19). Im Übrigen hatten die Antragsteller im Beschwerdeverfahren Gelegenheit, sich voll umfänglich zu den von ihnen erwähnten Unterlagen zu äußern.

Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers so lange auszusetzen, wie sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Ein rechtliches Abschiebungshindernis liegt vor, wenn durch die Beendigung des Aufenthalts eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr zu befürchten ist, so dass die Abschiebungsmaßnahme wegen des nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten grundrechtlichen Schutzes auszusetzen ist. Erforderlich ist dabei, dass infolge der Abschiebung als solcher (unabhängig vom konkreten Zielstaat) eine wesentliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes für den betroffenen Ausländer konkret droht (BayVGH, B.v. 11.4.2017 – 10 CE 17.349 – juris Rn. 17; B.v. 21.10.2016 – 19 CE 16.1953; B.v. 31.5.2016 – 10 CE 16.838 – juris Rn. 7; VGH BW, B.v. 1.6.2017 – 11 S 658/17 – juris Rn. 3; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Februar 2016, A1 § 60a Rn. 57 f.). Wegen der Bindungswirkung nach § 42 AsylG an die Entscheidung des Bundesamtes oder des Verwaltungsgerichts über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG kommen nur inlands- und nicht zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2016 – 19 CE 16.1953). Eine bestehende Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in zweierlei Hinsicht begründen: Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange der Ausländer wegen der Erkrankung transportunfähig ist, d.h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens“ wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie – außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs – eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne; vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2017 – 10 CE 17.750 – juris Rn. 3 m.w.N.). Im Falle einer bereits vollzogenen und unbeschadet überstandenen Abschiebungsmaßnahme kann ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen der Abschiebung wegen eines bei der Abschiebung bestehenden Abschiebungshindernisses der Reiseunfähigkeit nur in Betracht kommen, wenn eine abschiebungsbedingte erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes in einem unmittelbaren zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit dem Abschiebungsvorgang zu besorgen ist.

Nach der Bestimmung des mit Wirkung zum 17. März 2016 (Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016 – BGBl I S. 390) eingeführten § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, wenn nicht der Ausländer eine im Rahmen der Abschiebung beachtliche Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft macht. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände enthalten, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Legt der Ausländer ärztliche Fachberichte vor, sind diese zum Beweis für ein Abschiebungshindernis nur geeignet, wenn sie nachvollziehbar die Befundtatsachen angeben, gegebenenfalls die Methode der Tatsachenerhebung benennen und nachvollziehbar die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes sowie die Folgen darlegen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich in Zukunft ergeben, wobei sich Umfang und Genauigkeit der erforderlichen Darlegung jeweils nach den Umständen des Einzelfalls richten. Insbesondere ist es dem Arzt, der ein Attest ausstellt, untersagt, etwaige rechtliche Folgen seiner fachlich begründeten Feststellungen und Folgerungen darzulegen oder sich mit einer rechtlichen Frage auseinanderzusetzen (BayVGH, B.v. 18.10.2013 – 10 CE 13.1890 – juris Rn. 21; VGH BW, B.v. 10.7.2003 – 11 S 2262/02 – juris Rn. 12). Ein Attest, dem nicht zu entnehmen ist, wie es zu den prognostizierten Folgerungen kommt und welche Tatsachen dieser Einschätzung zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen Reiseunfähigkeit zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2017 – 10 CE 17.349 – juris Rn. 19; B.v. 5.1.2017 – 10 CE 17.30 – juris Rn. 7).

Vorliegend ist der auf Rückgängigmachung der Abschiebung durch Wiedereinreise und Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (wegen Reiseunfähigkeit der Antragstellerinnen zu 2 und 4) gerichtete Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) nicht glaubhaft gemacht. Die gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit (§ 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG) der Antragstellerinnen zu 2 und 4 ist durch die bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten fachärztliche Atteste der Orthopädischen Klinik W. vom 2. September 2016, das formularmäßige Attest der Orthopädischen Klinik W. vom 20. Oktober 2016 und der Altonaer Kinderklinik vom 2. November 2016 und das im Beschwerdeverfahrens vorgelegte Attest eines Kinder- und Jugendarztes vom 20. Juli 2017 (bzgl. Antragstellerin zu 4 vgl. nachfolgend 3.1) sowie der bezüglich der Antragstellerin zu 2 vorgelegten Atteste der Ärztin für Psychiatrie Dr. R.-M. vom 25. November 2016, vom 29. Mai 2017 und vom 20. Juli 2017 (bzgl. der Antragstellerin zu 2 vgl. nachfolgend 3.2) nicht widerlegt.

3.1. Die zahlreichen für die Antragstellerin zu 4 vorgelegten Befundberichte und ärztlichen Bescheinigungen belegen eine seit Geburt bestehende Hüftdysplasie und Hüftkopfnekrose rechts, die ausweislich der Angaben im Asylverfahren den Grund der Einreise bildete und im Bundesgebiet behandelt wurde. Zur Frage der Reisefähigkeit verhalten sich die ärztlichen Befunde überwiegend nicht. Lediglich die fachärztlichen Atteste der Orthopädischen Klinik W. vom 2. September 2016 und vom 20. Oktober 2016, das Attest der Altonaer Kinderklinik vom 2. November 2016 und das ärztliche Attest vom 20. Juli 2017 beinhalten Aussagen zur Reisefähigkeit.

Die ärztlichen Atteste der Orthopädischen Klinik W. vom 2. September 2016 und das formularmäßige Attest vom 20. Oktober 2016, in denen ausgeführt wird, eine zeitnahe Abschiebung könne den Therapieerfolg gefährden und zu einer bleibenden körperlichen Behinderung führen, sind im Zusammenhang mit einem am 25. August 2016 erfolgten operativen Eingriff bei der Antragstellerin zu 4 erstellt worden und enthalten mangels Aktualität zum Zeitpunkt der Abschiebung am 20. Juli 2017 keine verwertbare Aussage zum Vorliegen der Reisefähigkeit. Die formularmäßige Bescheinigung der Abteilung Kinder- und Jugendpsychosomatik der Altonaer Kinderklinik vom 2. November 2016 genügt nicht den Anforderungen nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG, da sich aus dem Schriftstück schon nicht ergibt, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, welche Methode der Tatsachenerhebung angewendet wurde und aufgrund welcher Befunde sich die gestellte Diagnose ergibt. Ausweislich des Schriftstücks wurde die Untersuchung durch einen Diplompsychologen im psychosomatischen Konsildienst und somit nicht durch einen Facharzt durchgeführt. Auch wird zur Methode der Tatsachenerhebung lediglich „Gespräch mit der Tante und dem Kind“ angegeben, während zu den Inhalten des Gesprächs und der sonstigen Befunderhebung keine Angaben gemacht werden. Die formularmäßig attestierte Diagnose einer „Posttraumatischen Belastungsstörung mit dissoziativen Zuständen“ ohne weitere Angaben zu Verursachung, Symptomatik und Methode der Tatsachenerhebung stellt keine fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes dar und verhält sich nicht zum Schweregrad.

Im Attest des Kinder- und Jugendarztes Dr. H. vom 20. Juli 2017 wird eine Reiseunfähigkeit mit der Erforderlichkeit einer weiteren Behandlung der Hüfterkrankung begründet. Auch diese Bescheinigung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen nach § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG.

Nach der gesetzgeberischen Intention zur Neuregelung des § 60a Abs. 2c AufenthG sollen lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hindern können (vgl. BT-Drs. 18/7538, zu Art. 2 S. 18). Damit wird noch einmal klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach Satz 1 darstellen (die Entwurfsbegründung bezieht sich hier auf § 60 Abs. 7 AufenthG). Die Abschiebung darf nicht dazu führen, dass sich eine schwerwiegende Erkrankung des Ausländers mangels Behandlungsmöglichkeit in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschiebungsvorgang in einem Ausmaß verschlechtern wird, dass ihm eine individuell konkrete, erhebliche Gefahr an Leib oder Leben droht. Es wird jedoch nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland bzw. im Zielstaat der Abschiebung der Versorgung in Deutschland oder in der Europäischen Union gleichwertig ist.

Ebenso wie das ärztliche Attest vom 20. Juli 2017, das auf den weiteren Behandlungsbedarf verweist, zielt die vorgelegte Bescheinigung der Orthopädischen Fachklinik in P., wonach die in der Dortmunder Klinik in Frage kommende Behandlung (laut Arztbrief der dortigen Klinik vom 16.6.2017 – ausdrücklich zur Einholung einer Zweitmeinung konsultiert – solle zur Entscheidungsfindung eine Arthrographie des Hüftgelenks erfolgen, davon abhängig könne „perspektivisch“ eine 3-fach Beckenosteotomie oder Acetabuloplastik mit Umstellungsosteotomie „in Frage kommen“) im Kosovo nicht möglich sei, auf die generelle und langfristige Behandelbarkeit der Erkrankung im Heimatstaat ab. Ob – und gegebenenfalls wann – diese Behandlungen tatsächlich erforderlich werden, ist ihnen nicht zu entnehmen. Ein Verlust der Gehfähigkeit durch den Abschiebungsvorgang ist auch mit dem weiteren Beschwerdevorbringen vom 29. November 2017 nicht glaubhaft gemacht. Im Übrigen sind sie bereits deshalb nicht geeignet, eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin zu 4 in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschiebungsvorgang zu belegen, weil es bei der Frage einer langfristigen („perspektivischen“) Behandelbarkeit im Heimatland um zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG geht. Wegen der Bindungswirkung (gemäß § 42 AsylG) der Feststellungen des Bundesamtes zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Bescheid vom 26. Januar 2016, in dem ausführlich die Hüfterkrankung der Antragstellerin zu 4 gewürdigt wurde, vermögen die erörterten Fragen einer Behandelbarkeit der Erkrankung der Antragstellerin zu 4 im Kosovo der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Der staatlichen Schutzpflicht hat der Antragsgegner durch die Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung am Abschiebetag und einer medizinischen Begleitung des Abschiebungsvorgangs genügt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 10). Liegen hinreichende Indizien für eine schwerwiegende Erkrankung vor, wird regelmäßig eine amtsärztliche Untersuchung oder die Einholung einer ergänzenden ärztlichen Stellungnahme angezeigt sein, da der Ausländerbehörde die erforderliche medizinische Sachkunde zur Beurteilung einer mit der Abschiebung einhergehenden Gesundheitsgefahr und auch der Frage fehlen dürfte, mit welchen Vorkehrungen diese Gefahr ausgeschlossen oder gemindert werden könnte (vgl. VGH BW, B.v. 6.2.2008, a.a.O.; OVG LSA, B.v. 21.6.2016 – 2 M 16/16 – juris).

Nach Auffassung des Senates sind an die behördlicherseits veranlasste (amts-) ärztliche Feststellung der Reisefähigkeit nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Widerlegung der in § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG normierten gesetzlichen Vermutung des Fehlens gesundheitlicher Gründe, die der Abschiebung entgegenstehen (zu weitgehend insoweit VGH BW, B.v. 10.8.2017 – 11 S 1724/17 – juris Rn. 22). Regelungsgrund für die gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit waren große Herausforderungen und zeitliche Verzögerungen in der Abschiebungspraxis wegen geltend gemachter (schwer diagnostizierbarer und überprüfbarer) Erkrankungen und der Missbrauchsgefahr einer Bevorratung mit ärztlichen Attesten (vgl. BT-Drs. 18/7538 S. 18 ff.), was auch der Erfahrung des Senats entspricht. Ein vergleichbares Missbrauchsrisiko bei ärztlichen Stellungnahmen auf Veranlassung der Behörde ist weder nach der Erfahrung des Gesetzgebers noch nach der des Senats gegeben, wenngleich auch diese einer kritischen Würdigung nicht entzogen sind. Während nach der gesetzlichen Intention die Vermutung des Fehlens entgegenstehender gesundheitlicher Gründe nur durch eine qualifizierte Bescheinigung einer gravierenden Erkrankung widerlegt werden kann, die wegen ihrer Schwere eine fachärztliche Expertise voraussetzt, kommt es bei der Feststellung der aktuell am Abschiebungstag gegebenen Reisefähigkeit weniger auf eine fachärztliche Expertise hinsichtlich der Behandelbarkeit der Erkrankung an als auf eine – insoweit eher notfallmedizinische – Einschätzung, die bestehende fachärztliche Vorbefunde selbstverständlich miteinzubeziehen hat. Einem Facharzt für Allgemeinmedizin (vorliegend mit Zusatzbezeichnung Psychosomatische Medizin und Notfallmedizin) ist die Sachkunde zur Beurteilung der mit einer Erkrankung zusammenhängenden und im Falle der Abschiebung drohenden Gesundheitsgefahren nicht von vornherein abzusprechen. Gleichwohl müssen auch die Ausführungen des beurteilenden Arztes erkennen lassen, weshalb sie eine medizinische Frage in bestimmter Weise beurteilen (können), insbesondere wenn dies in Auseinandersetzung mit bereits vorliegenden fachärztlichen Befundberichten oder Gutachten geschieht (vgl. OVG Berl-Bbg, B.v. 8.10.2015 – OVG 12 S. 60.15 – juris Rn. 3). Dabei ist zu berücksichtigen, dass amtsärztlichen Zeugnissen grundsätzlich ein höherer Beweiswert zuzuschreiben ist als einem Privatgutachten (BayVGH, B.v. 27.2.2007 Az. 24 ZB 07.367 m.w.N.). Die Neutralität und Unabhängigkeit verleiht – neben dem speziellen Sachverstand – der Beurteilung durch den Amtsarzt ein höheres Gewicht. Widerspricht eine amtsärztliche Feststellung den Feststellungen von Privatärzten, kann sich das Tatsachengericht dann auf die Beurteilung des Amtsarztes stützen, wenn keine Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes bzw. eines von ihm hinzugezogenen Facharztes bestehen, seine Beurteilung auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruht und in sich stimmig und nachvollziehbar ist. Hat der Privatarzt seinen medizinischen Befund näher erläutert, so muss der Amtsarzt auf diese Erwägungen eingehen und nachvollziehbar darlegen, warum er ihnen nicht folgt. Dieser eingeschränkte Vorrang im Konfliktfall findet seine Rechtfertigung in der Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes (vgl. BVerwG, B.v. 28.12.2012 – 2 B 105/11 – juris Rn. 8).

Nach diesen Maßstäben liegt ein Widerspruch der behördlicherseits beauftragten ärztlichen Feststellungen zu den Vorbefunden nicht vor. Am Tag der Abschiebung wurde die Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 4 in Kenntnis der bis Ende 2016 vorliegenden Befunde durch den Facharzt für Allgemeinmedizin, Diabetologie, Betriebsmedizin, Verkehrsmedizin, Psychosomatische Medizin und Notfallmedizin, der auch als Honorararzt für das staatliche Gesundheitsamt tätig ist, positiv festgestellt. Der Arzt würdigt die Grunderkrankung der Antragstellerin zu 4, die im Bundesgebiet erfolgte Behandlung (Weichteileingriff) und physiotherapeutische Nachbehandlung, stellt eine zwischenzeitlich eingetretene Konsolidierung fest und hält besondere therapeutische Maßnahmen über den bisherigen erfolgreichen Verlauf der in Deutschland ergriffenen Behandlungsmaßnahmen nicht für erforderlich. Wie für das Verwaltungsgericht bestehen auch für den Senat keine Zweifel an der zur Beurteilung der Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 4 erforderlichen Fachkunde des Arztes. Die getroffenen Feststellungen des behördlicherseits beauftragten Arztes stehen auch nicht im Widerspruch zum Bericht der Orthopädischen Klinik Dortmund vom 16. Juni 2017, die von der Tante der Antragstellerin zu 4 zur Einholung einer Zweitmeinung konsultiert wurde. Im dortigen Bericht wird – abhängig vom Ergebnis einer durchzuführenden Arthrographie – perspektivisch eine Beckenosteotomie oder Acetabuloplastik ggf. mit intertochanträrer Umstellungsosteotomie als in Frage kommende Therapie aufgeführt. Die unmittelbare Erforderlichkeit einer solchen Therapie, die einer Reisefähigkeit entgegenstehen könnte, wird nicht dargelegt.

3.2. Auch bezüglich der Antragstellerin zu 2 ist die Vermutung eines Fehlens gesundheitlicher Gründe gegen die Abschiebung durch die vorgelegten Atteste der Ärztin für Psychiatrie Dr. R.-M. vom 25. November 2016, vom 29. Mai 2017 und vom 20. Juli 2017 nicht widerlegt. Die ärztlichen Bescheinigungen genügen nicht den Anforderungen an § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG. Dem ärztlichen Attest vom 25. November 2016 fehlt bereits die Aktualität, um Aussagen zur Reisefähigkeit am 20. Juli 2017 zu treffen. Im Befundbericht vom 29. Mai 2017 wird ausgeführt, wegen einer unzureichenden Behandlung der Tochter im Kosovo sei mit einer erheblichen Verschlechterung der depressiven Symptomatik, mit ausgeprägten Ängsten und psychosomatischen Beschwerden zu rechnen. Eine Gesundheitsgefährdung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschiebungsvorgang wird damit nicht dargetan. Auch das ärztliche Attest vom 20. Juli 2017, in dem unter Verweis auf die Verschlimmerung des Krankheitsbildes nach dem Termin vor dem Verwaltungsgericht eine Reisefähigkeit wegen akuter Suizidgefahr pauschal negiert wird, lässt nicht erkennen, weshalb die depressive Störung mit den aufgeführten Symptomen eine Transportunfähigkeit (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne) – trotz begleitender Vorsorgemaßnahmen – bewirken soll, und setzt sich nicht mit einer naheliegenden Instrumentalisierung des Krankheitsbildes zur Vermeidung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auseinander. Selbst wenn eine Suizidgefahr nicht auszuschließen wäre, läge nicht zwangsläufig ein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis vor; vielmehr handelt es sich bei einer möglicherweise aus den besonderen Belastungen einer Abschiebung resultierenden Suizidgefahr um einen Umstand, der eine Abschiebung regelmäßig nur vorübergehend hindert (vgl. BVerfG, B.v. 26.2.1998 – 2 BvR 185/98 – juris Rn. 3). Die Abschiebung ist von der Ausländerbehörde dann so zu gestalten, dass einer Suizidgefahr wirksam begegnet werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 16.4.2002 – 2 BvR 553/02 – juris; BayVGH, B.v. 23.8.2016 – 10 CE 15.2784 – juris Rn. 16). Dem hat der Antragsgegner durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung am Abschiebetag zur Feststellung der Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2 durch Dr. B., der Flug- und Reisefähigkeit mangels der Thematisierung suizidaler Absichten positiv festgestellt hat, und einer medizinischen Begleitung des Abschiebungsvorgangs hinreichend Rechnung getragen. Über die Deutsche Botschaft wurde darüber hinaus dafür gesorgt, dass die Antragsteller im Heimatland von Ärzten in Empfang genommen wurden. Eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin zu 2 in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschiebungsvorgang ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens mit Schriftsatz vom 29. November 2017 nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Eine Pflicht, Vorkehrungen für eine dauernde ärztliche Versorgung im Zielstaat der Abschiebung zu treffen, besteht darüber hinaus nicht (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand 2/2016, § 60a AufenthG Rn. 63). Hinsichtlich der Frage der Behandelbarkeit einer depressiven Symptomatik im Sinne eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses wird auf die bindenden Feststellungen des Bundesamts im Bescheid vom 26. Januar 2016 verwiesen.

Wegen mangelnder Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abzulehnen (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung entspricht § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.1.3, 1.5 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250‚- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag‚ die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten‚ ihm eine Duldung zu erteilen‚ weiter.

Der Antragsteller ist kosovarischer Staatsangehöriger und hält sich seit 1. Oktober 1998 im Bundesgebiet auf. Mit Urteil des Landgerichts München I vom 7. November 2012 wurde er wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Antragsteller war Mitglied einer Gruppierung vorwiegend ethnischer Albaner im Raum M.‚ die Heroin in größerem Umfang ins Bundesgebiet einführten und veräußerten. Ihm kam dabei die Funktion als Verteiler des aus dem Kosovo auf Bestellung eingeführten Heroins zu.

Mit Bescheid vom 28. August 2013 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller aus dem Bundesgebiet aus‚ untersagte die Wiedereinreise für acht Jahre und ordnete die Abschiebung aus der Haft in den Kosovo an.

Mit Urteil vom 14. Mai 2014 hob das Bayerische Verwaltungsgericht München die Abschiebungsanordnung bezüglich des Zielstaats Kosovo auf. Dem Antragsteller drohe bei der Abschiebung in den Kosovo aufgrund seiner persönlichen Situation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib‚ Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Er habe durch seine Aussagen im Strafverfahren gegen zwei Mitglieder des Drogenschmuggelrings deren rechtskräftige Verurteilung ermöglicht. Er sei aufgrund seines Aussageverhaltens bereits bedroht worden. Er könne vor dieser konkret drohenden Gefahr für Leib oder Leben auch nicht den Schutz der kosovarischen Sicherheitsbehörden erhalten. Die Sicherheitslage im Kosovo entspreche immer noch nicht europäischen Verhältnissen.

Nachdem der Antragsteller am 10. März 2016 aus der Strafhaft entlassen worden war‚ holte die Antragsgegnerin die Zustimmung der Republik Serbien zu seiner Rückführung nach Serbien ein. Ein Antrag nach § 123 VwGO auf Gewährung von Abschiebungsschutz blieb sowohl vor dem Verwaltungsgericht (M 25 E 16.1971) als auch vor dem Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 18.5.2016, Az: 10 CE 16.898) erfolglos. Auch in diesen Verfahren hatte der Antragsteller bereits vorgebracht, dass er als Angehöriger einer ethnischen Minderheit nicht in Serbien leben könne und auch dort von den Mitgliedern der Drogenmafia bedroht werde.

Mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2016 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München erneut‚ die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichten‚ ihm eine Duldung zu erteilen. Er verwies insbesondere auf eine Stellungnahme des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Oktober 2016, wonach die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auch im Hinblick auf Serbien vorlägen. Des Weiteren wurde ein fachärztlicher Befundbericht vom 22. November 2016 vorgelegt‚ wonach beim Antragsteller eine schwere akute Belastungsreaktion mit depressiv ängstlicher Symptomatik sowie eine Traumafolgestörung aufgrund kindlicher Kriegserlebnisse im Kosovo bestünden. Eine entsprechende therapeutische ambulante Behandlung sei dringend indiziert. Für den Fall einer Abschiebung sei ein Suizid mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Mit Beschluss vom 7. Februar 2017 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Antrag ab. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Serbiens ergebe sich nicht aufgrund der Stellungnahme des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Oktober 2016. Zwar gehe das Bundesamt darin davon aus‚ dass aufgrund der Durchlässigkeit der Grenze Serbiens zum Kosovo die Möglichkeit bestehe‚ dass der Antragsteller auch in Serbien von Mitgliedern des Drogenrings bedroht werde. Diese nicht näher begründete Einschätzung des Bundesamts‚ welche die Antragsgegnerin gemäß § 72 Abs. 2 AufenthG eingeholt habe‚ sei für die Ausländerbehörde jedoch nicht bindend. Bezüglich der geltend gemachten Reiseunfähigkeit werde die gesetzliche Vermutung des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG nicht glaubhaft widerlegt. Erstmals das Attest vom 27. Januar 2017 enthalte die Aussage‚ der Antragsteller sei nicht reisefähig. Die vorgelegten ärztlichen Atteste gingen von falschen Tatsachen aus. Der Antragsteller habe behauptet‚ dass er habe ansehen müssen‚ wie seine Verwandten von Serben getötet worden seien. Nach der vorgelegten Bestätigung der Republik Kosovo seien die Familienangehörigen im Dezember 1998 und im Jahr 1999 getötet worden‚ er sei aber bereits am 1. Oktober 1998 ins Bundesgebiet eingereist. Auch seien die Ausführungen zu einer bestehenden Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne nicht glaubhaft gemacht.

Im Beschwerdeverfahren bringt der Antragsteller vor‚ das Verwaltungsgericht habe verkannt‚ dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in diesem Fall die sachnähere Behörde sei und bekanntermaßen die Einschätzung aufgrund aktueller Lageberichte treffe. Auch werde verkannt‚ dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 18. Mai 2016 (Az. 10 CE 16.898) keine eigene Einschätzung hinsichtlich des Vorliegens eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG getroffen habe‚ sondern nur davon ausgegangen sei‚ dass ein solches nicht glaubhaft gemacht worden sei. Es sei unberücksichtigt geblieben‚ dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Stellungnahme vom 5. Oktober 2016 unter Berücksichtigung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Mai 2016 abgegeben habe. Durch diese Stellungnahme werde in ausreichender Weise glaubhaft gemacht‚ dass ein Duldungsanspruch bestehe. Des Weiteren bestehe auch ein Duldungsanspruch aufgrund der bereits geltend gemachten Reiseunfähigkeit. Auf die fachärztliche Stellungnahme vom 20. Februar 2017 werde vollinhaltlich Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin bringt im Beschwerdeverfahren vor‚ die Beschwerde sei bereits unzulässig‚ da der Antragsteller keine aktuelle ladungsfähige Anschrift angegeben habe. Nach Mitteilung der Polizeiinspektion habe er anlässlich eines Abschiebungsversuchs am 27. Februar 2017 nicht in der elterlichen Wohnung angetroffen werden können. In der Wohnung seien keinerlei Hinweise auf einen Aufenthalt des Antragstellers festgestellt worden. Inzwischen sei das Melderegister bereinigt. Seine Bevollmächtigten hätten trotz Aufforderung der Antragsgegnerin keine neue ladungsfähige Anschrift abgegeben können. Die Stellungnahme des Bundesamtes vom 5. Oktober 2016 sei nicht näher begründet. Sie verweise lediglich auf die Durchlässigkeit der Grenze des Kosovo zu Serbien und setze sich nicht mit der Schutzfunktion der serbischen Behörden auseinander. Im Übrigen bestünden erhebliche Zweifel‚ ob der Antragsteller überhaupt derart bedroht werde. Falls andere Drogenhändler ernsthaft die Absicht hätten‚ Rache zu nehmen‚ sei der Antragsteller grundsätzlich auch im Bundesgebiet gefährdet. Er habe weder in der Haft auf die Bedrohung hingewiesen noch habe er nach seiner Haftentlassung bei der Polizei um entsprechende Schutzmaßnahmen gebeten. Das Attest vom 20. Februar 2017 belege keine Reiseunfähigkeit. Es unterscheide sich nicht maßgeblich von den früher vorgelegten Attesten‚ die der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Februar 2017 zugrunde gelegen hätten. Es werde erneut auf die angeblich vom Antragsteller miterlebte Ermordung von Familienangehörigen als traumatisierendes Erlebnis verwiesen‚ wobei dieses Erlebnis ausweislich des Akteninhalts nicht stattgefunden haben könne.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten‚ auch im Verfahren 10 CE 16.898, verwiesen.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Es spricht vieles dafür, dass die Beschwerde bereits unzulässig ist (1.). Auch rechtfertigt das Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren‚ auf dessen Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO)‚ keine Abänderung oder Aufhebung des Beschlusses vom 7. Februar 2017‚ mit dem das Verwaltungsgericht das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers‚ ihm im Wege der einstweiligen Anordnung eine Duldung zu erteilen‚ abgelehnt hat.

1. Nur derjenige‚ der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtlich schutzwürdiges Interesses verfolgt‚ hat einen Anspruch auf gerichtliche Sachentscheidung. Fehlt es daran‚ so ist das prozessuale Begehren als unzulässig abzuweisen. Dies ist insbesondere dann der Fall‚ wenn das Verhalten eines rechtsschutzsuchenden Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet‚ dass ihm an der Sachentscheidung des Gerichts nicht mehr gelegen ist. Der Antragsteller ist nach dem Vortrag der Antragsgegnerin derzeit unbekannten Aufenthalts. Eine für den 27. Februar 2017 geplante Abschiebung scheiterte‚ weil er an der von ihm und seinen Bevollmächtigten genannten Wohnanschrift nicht auffindbar war. In der Wohnung konnten keine Hinweise auf seinen Aufenthalt festgestellt werden. Seine Eltern konnten keine Angaben zum Aufenthaltsort machen. Trotz entsprechender Aufforderung durch die Antragsgegnerin teilten die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers keine Adresse mit‚ an der er sich derzeit tatsächlich aufhält. Es ist nicht ersichtlich‚ dass er Kontakt zu seinen Prozessbevollmächtigten hält. Unter diesen Umständen fehlt für den Erlass einer einstweiligen Anordnung regelmäßig das Rechtschutzbedürfnis (vgl. BayVGH‚ B.v. 25.9.2009 - 19 CE 09.213 - juris Rn. 13 m.w.N.; B.v. 29.7.2014 - 10 CE 14.1523 - juris Rn. 17 m.w.N.).

2. Jedenfalls bleibt die Beschwerde ohne Erfolg‚ weil der Antragsteller ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (2.1) bzw. die Unmöglichkeit seiner Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (2.2) nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat.

2.1 Hinsichtlich der vom Antragsteller behaupteten erheblichen konkreten Gefahr für Gesundheit und Leben angesichts der Bedrohung durch die Mitglieder des Drogenrings in Serbien hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen‚ dass sich aus der Stellungnahme des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Oktober 2016 keine konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergibt. Das Bundesamt ist zwar zu Gunsten des Antragstellers davon ausgegangen‚ dass er tatsächlich von den Mitgliedern des Drogenrings bedroht wird und diese Bedrohungslage nicht auf das Staatsgebiet des Kosovo beschränkt ist‚ sondern wegen der Durchlässigkeit der Grenzen auch in Serbien fortbesteht. Insoweit hat die Antragsgegnerin aber zutreffend angeführt‚ dass dann eine vergleichbare Bedrohungslage auch im Bundesgebiet bestehe‚ weil sich Mitglieder der Drogenmafia auch in Deutschland aufhalten bzw. nach Deutschland einreisen könnten. Ausschlaggebend für die Aufhebung der Abschiebungsanordnung in den Kosovo im Urteil vom 14. Mai 2014 war neben der Bedrohung durch Mitglieder des Drogenrings jedoch die (damalige) Sicherheitslage im Kosovo. Der Antragsteller könne nicht mit wirksamen Schutz gegen ihm drohende konkrete Beeinträchtigungen rechnen‚ weshalb seine Abschiebung in den Kosovo unzulässig sei (UA S. 18). Die Stellungnahme des Bundesamtes vom 5. Oktober 2016 enthält demgegenüber keine Aussagen dazu‚ ob der Antragsteller in Serbien den Schutz der serbischen Sicherheitsbehörden gegen die behauptete Bedrohung erlangen kann. Insofern hält der Senat an seiner bereits im Beschluss vom 18. Mai 2016 (10 CE 16.898) vertretenen Rechtsauffassung fest‚ dass der Antragsteller darlegen und glaubhaft machen muss, die serbische Polizei sei erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens‚ Schutz vor kriminellen Übergriffen von dritter Seite zu bieten (BA S.5).

Unabhängig davon bindet die Stellungnahme des Bundesamtes vom 5. Oktober 2016 zum Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG die Antragsgegnerin nicht. Nach § 72 Abs. 2 AufenthG hat die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über das Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten eine Stellungnahme des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge einzuholen. Sie ist jedoch nicht verpflichtet, der vom Bundesamt erteilten Auskunft zu folgen (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2016 - 10 CS 16.485 - juris Rn. 18; Gutmann in Gemeinschaftskommentar AufenthG, Stand Oktober 2015, § 72 Rn. 12; Hofmann in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 72 Rn. 17). Der Zweck der Beteiligungsregelung in § 72 Abs. 2 AufenthG liegt darin, vor einer Entscheidung über ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot durch die Ausländerbehörde die Sachkunde des Bundesamtes hinsichtlich der Verhältnisse in dem betreffenden Zielstaat einfließen zu lassen (Samel in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 72 Rn. 10; Gutmann, a.a.O., Rn. 10). Da das Bundesamt vorliegend aber nur sehr oberflächlich auf eine angebliche Bedrohung des Antragstellers in Serbien und nicht auf die Verhältnisse im Zielstaat Serbien bezüglich des im Beschluss des Senats vom 18. Mai 2016 angeführten möglichen Schutzes des Antragstellers durch die dortigen Behörden eingegangen ist, erweist sich die Stellungnahme vom 5. Oktober 2016 auch in der Sache als nicht überzeugend.

2.2 Das Verwaltungsgericht ist ferner zu Recht davon ausgegangen‚ dass der Antragsteller auch keinen auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung durch Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gerichteten Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit (§ 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG) des Antragstellers ist durch die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht widerlegt.

Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers so lange auszusetzen, wie sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Ein rechtliches Abschiebungshindernis liegt vor, wenn durch die Beendigung des Aufenthalts eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr zu befürchten ist, so dass die Abschiebungsmaßnahme wegen des nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten grundrechtlichen Schutzes auszusetzen ist. Erforderlich ist dabei, dass infolge der Abschiebung als solcher (unabhängig vom konkreten Zielstaat) eine wesentliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes für den betroffenen Ausländer konkret droht (BayVGH, B.v. 31.5.2016 - 10 CE 16.838 - juris Rn. 7; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Februar 2016, A1 § 60a Rn. 57 f.). In Betracht kommen damit nur inlandsbezogene Abschiebungsverbote. Eine bestehende psychische Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in zwei Fällen begründen: Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange der Ausländer wegen der Erkrankung transportunfähig ist, d.h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens“ wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie - außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne).

Nach dem durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (Gesetz vom 11.3.2016‚ BGBl I, S. 390) zum 17. März 2016 eingeführten § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird vermutet‚ dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. In Konkretisierung seiner ausländerrechtlichen Mitwirkungspflichten (§ 82 AufenthG) muss der Ausländer eine Erkrankung‚ die die Abschiebung beeinträchtigen kann‚ durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG). Der Ausländer ist verpflichtet‚ der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach § 60a Abs. 2c AufenthG unverzüglich vorzulegen (§ 60a Abs. 2d Satz 1 AufenthG).

Die vom Antragsteller vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen vom 24. Juni 2016‚ 22. November 2016‚ 21. Januar 2017 sowie 20. Februar 2017 genügen - unabhängig davon, ob sie rechtzeitig vorgelegt wurden - den Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung im Sinn des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG sowohl in Bezug auf die behauptete Reiseunfähigkeit (im engeren Sinne) als auch in Bezug auf die Suizidgefahr im Falle einer Abschiebung nicht. Erstmals im Attest vom 20. Februar 2017 erfolgt eine fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose) als posttraumatische Belastungsstörung und depressive Störung als schwere Episode. Die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung basiert offensichtlich ausschließlich auf den Angaben des Antragstellers zu den dramatischen Kindheitserlebnissen im Krieg‚ wonach er den gewaltsamen Tod eines Großteils seiner Familie habe miterleben müssen. Diese Angaben des Antragstellers sind jedoch nach den überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtes im angefochtenen Beschluss nicht zutreffend, so dass sie nicht als Grundlage für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung taugen. Für die diagnostizierte depressive Störung nennt die fachliche Stellungnahme als tatsächliche Umstände‚ auf deren Grundlage die fachliche Beurteilung erfolgt ist‚ Antriebsverlust‚ Anhedonie sowie depressionstypische Schlaf- und Vitalstörungen. Die vom Antragsteller vorgelegte ärztliche Bescheinigung lässt jedoch, soweit sie ihm am Ende lapidar eine Reiseunfähigkeit attestiert, nicht erkennen, weshalb die depressive Störung mit den aufgeführten Symptomen eine Transportunfähigkeit (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne) bewirken soll (vgl. § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG). Die wesentliche oder lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustands des Antragstellers (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne) wird durch das fachärztliche Attest ebenfalls lediglich behauptet. Ein Attest, dem nicht zu entnehmen ist, wie es zur prognostischen Diagnose kommt und welche Tatsachen dieser zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen Reiseunfähigkeit zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 5.1.2017 - 10 CE 17.30 - juris Rn. 7). Aber selbst bei einer unterstellten, nicht völlig auszuschließenden Suizidgefahr liegt nicht zwangsläufig ein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis vor. Vielmehr ist die Abschiebung von der Ausländerbehörde dann ggf. so zu gestalten‚ dass einer Suizidgefahr wirksam begegnet werden kann (BayVGH‚ B.v. 23.8.2016 - 10 CE 15.2784 - juris Rn. 16 m.w.N.).

Die Kostenfolge ergibt sich § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1‚ § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 1‚ § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, mit der der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiterverfolgt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) zu verpflichten, bis zu einer amtsärztlichen Untersuchung zur Frage der Reisefähigkeit die für den 9. Januar 2017 angesetzte Abschiebung auszusetzen, ist unbegründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen weder die Aufhebung noch eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) ergibt sich daraus, dass bereits ein konkreter Abschiebetermin festgesetzt ist.

Es ist jedoch kein auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung durch Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gerichteter Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit (§ 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG) des Antragstellers ist durch die vorgelegte ärztliche Bescheinigung nicht widerlegt.

Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers so lange auszusetzen, wie sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Ein rechtliches Abschiebungshindernis liegt vor, wenn durch die Beendigung des Aufenthalts eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr zu befürchten ist, so dass die Abschiebungsmaßnahme wegen des nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten grundrechtlichen Schutzes auszusetzen ist. Erforderlich ist dabei, dass infolge der Abschiebung als solcher (unabhängig vom konkreten Zielstaat) eine wesentliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes für den betroffenen Ausländer konkret droht (BayVGH, B.v. 31.5.2016 - 10 CE 16.838 - juris Rn. 7; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Februar 2016, A1 § 60a Rn. 57 f.). In Betracht kommen damit nur inlandsbezogene Abschiebungsverbote. Eine bestehende psychische Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in zwei Fällen begründen: Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange der Ausländer wegen Erkrankung transportunfähig ist, d. h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens" wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie - außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne). Von einem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis ist auch dann auszugehen, wenn sich die Erkrankung des Ausländers gerade aufgrund der zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland wesentlich verschlechtert, und nicht nur, wenn ein Suizid während der Abschiebung droht.

Nach dem mit Wirkung zum 17. März 2016 (Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016 - BGBl I S. 390 -) eingeführten § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, wenn nicht der Ausländer eine im Rahmen der Abschiebung beachtliche Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft macht. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Insofern hat der Gesetzgeber im Wesentlichen die obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. u. a. BVerwG, U.v. 11.9.2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251; U.v. 11.9.2007 - 10 C 17.07 - juris Rn. 15) nachvollzogen, wonach zur Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes gehört. Wird die geltend gemachte Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen soll, nicht durch eine qualifizierte Bescheinigung im Sinne von § 60a Abs. 2c AufenthG belegt, so wird auch die gesetzliche Vermutung für die Reisefähigkeit nicht widerlegt.

Die vom Antragsteller vorgelegte (wohl retrospektive) ärztliche Stellungnahme vom 20. Dezember 2016 legt zwar dar, dass der Antragsteller an Angstzuständen, Panikattacken und psychosomatischen Reaktionen leide und ihm sich Suizidgedanken aufdrängten, nicht aber, dass er gerade deshalb reiseunfähig sei oder dass sich das Krankheitsbild infolge einer Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Das vorgelegte Attest entspricht - wie bereits das Erstgericht festgestellt hat, ohne dass sich die Beschwerdebegründung hierzu verhält - insoweit nicht den Anforderungen, die an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung im Sinn von § 60a Abs. 2c Satz 2, 3 AufenthG zu stellen sind.

Die vom Antragsteller vorgelegte ärztliche Bescheinigung lässt, soweit sie am Ende lapidar eine Reiseunfähigkeit attestiert, weder die tatsächlichen Umstände, "auf deren Grundlage die fachliche Beurteilung erfolgte, noch die Methode der Tatsachenerhebung" erkennen (vgl. § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG). Es bestehen bereits erhebliche Zweifel daran, ob überhaupt eine schwerwiegende seelische Erkrankung glaubhaft gemacht ist; hierfür reicht nicht aus, dass sich der Antragsteller von August 2016 bis November 2016 in zweiwöchentlichem Abstand zu therapeutischen Gesprächen zu einem Diplompsychologen begab. Jedenfalls kann aus der Schilderung der Symptomatik während der Inhaftierung nicht ohne die erforderliche qualifizierte Begründung gefolgert werden, der Antragsteller sei reiseunfähig. Der Hinweis, eine zwangsweise Ausreise würde die psychische Gesundheit des Antragstellers weiter destabilisieren, eine vitale Gefahr sei nicht ausgeschlossen, ersetzt nicht die fehlende Darlegung der Diagnoseerstellung. Die behauptete wesentliche oder lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustands des Antragstellers (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne) wird zudem durch das fachärztliche Attest in keiner Weise belegt. Ein Attest, dem nicht zu entnehmen ist, wie es zur prognostischen Diagnose kommt und welche Tatsachen dieser zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen Reiseunfähigkeit zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2016 - 10 CE 15.2784 - juris Rn. 16).

Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob - wie der Antragsteller meint - der von der Antragsgegnerin vorgelegten Bescheinigung der Justizvollzugsanstalt über die Reisetauglichkeit des Antragstellers wegen des fehlenden Datums keine Aussagekraft zukommt.

Der Kostenausspruch folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 8.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, mit der der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiterverfolgt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) zu verpflichten, bis zu einer amtsärztlichen Untersuchung zur Frage der Reisefähigkeit die für den 9. Januar 2017 angesetzte Abschiebung auszusetzen, ist unbegründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen weder die Aufhebung noch eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) ergibt sich daraus, dass bereits ein konkreter Abschiebetermin festgesetzt ist.

Es ist jedoch kein auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung durch Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gerichteter Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit (§ 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG) des Antragstellers ist durch die vorgelegte ärztliche Bescheinigung nicht widerlegt.

Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers so lange auszusetzen, wie sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Ein rechtliches Abschiebungshindernis liegt vor, wenn durch die Beendigung des Aufenthalts eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr zu befürchten ist, so dass die Abschiebungsmaßnahme wegen des nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten grundrechtlichen Schutzes auszusetzen ist. Erforderlich ist dabei, dass infolge der Abschiebung als solcher (unabhängig vom konkreten Zielstaat) eine wesentliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes für den betroffenen Ausländer konkret droht (BayVGH, B.v. 31.5.2016 - 10 CE 16.838 - juris Rn. 7; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Februar 2016, A1 § 60a Rn. 57 f.). In Betracht kommen damit nur inlandsbezogene Abschiebungsverbote. Eine bestehende psychische Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in zwei Fällen begründen: Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange der Ausländer wegen Erkrankung transportunfähig ist, d. h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens" wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie - außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne). Von einem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis ist auch dann auszugehen, wenn sich die Erkrankung des Ausländers gerade aufgrund der zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland wesentlich verschlechtert, und nicht nur, wenn ein Suizid während der Abschiebung droht.

Nach dem mit Wirkung zum 17. März 2016 (Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016 - BGBl I S. 390 -) eingeführten § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, wenn nicht der Ausländer eine im Rahmen der Abschiebung beachtliche Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft macht. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Insofern hat der Gesetzgeber im Wesentlichen die obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. u. a. BVerwG, U.v. 11.9.2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251; U.v. 11.9.2007 - 10 C 17.07 - juris Rn. 15) nachvollzogen, wonach zur Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes gehört. Wird die geltend gemachte Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen soll, nicht durch eine qualifizierte Bescheinigung im Sinne von § 60a Abs. 2c AufenthG belegt, so wird auch die gesetzliche Vermutung für die Reisefähigkeit nicht widerlegt.

Die vom Antragsteller vorgelegte (wohl retrospektive) ärztliche Stellungnahme vom 20. Dezember 2016 legt zwar dar, dass der Antragsteller an Angstzuständen, Panikattacken und psychosomatischen Reaktionen leide und ihm sich Suizidgedanken aufdrängten, nicht aber, dass er gerade deshalb reiseunfähig sei oder dass sich das Krankheitsbild infolge einer Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Das vorgelegte Attest entspricht - wie bereits das Erstgericht festgestellt hat, ohne dass sich die Beschwerdebegründung hierzu verhält - insoweit nicht den Anforderungen, die an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung im Sinn von § 60a Abs. 2c Satz 2, 3 AufenthG zu stellen sind.

Die vom Antragsteller vorgelegte ärztliche Bescheinigung lässt, soweit sie am Ende lapidar eine Reiseunfähigkeit attestiert, weder die tatsächlichen Umstände, "auf deren Grundlage die fachliche Beurteilung erfolgte, noch die Methode der Tatsachenerhebung" erkennen (vgl. § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG). Es bestehen bereits erhebliche Zweifel daran, ob überhaupt eine schwerwiegende seelische Erkrankung glaubhaft gemacht ist; hierfür reicht nicht aus, dass sich der Antragsteller von August 2016 bis November 2016 in zweiwöchentlichem Abstand zu therapeutischen Gesprächen zu einem Diplompsychologen begab. Jedenfalls kann aus der Schilderung der Symptomatik während der Inhaftierung nicht ohne die erforderliche qualifizierte Begründung gefolgert werden, der Antragsteller sei reiseunfähig. Der Hinweis, eine zwangsweise Ausreise würde die psychische Gesundheit des Antragstellers weiter destabilisieren, eine vitale Gefahr sei nicht ausgeschlossen, ersetzt nicht die fehlende Darlegung der Diagnoseerstellung. Die behauptete wesentliche oder lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustands des Antragstellers (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne) wird zudem durch das fachärztliche Attest in keiner Weise belegt. Ein Attest, dem nicht zu entnehmen ist, wie es zur prognostischen Diagnose kommt und welche Tatsachen dieser zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen Reiseunfähigkeit zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2016 - 10 CE 15.2784 - juris Rn. 16).

Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob - wie der Antragsteller meint - der von der Antragsgegnerin vorgelegten Bescheinigung der Justizvollzugsanstalt über die Reisetauglichkeit des Antragstellers wegen des fehlenden Datums keine Aussagekraft zukommt.

Der Kostenausspruch folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 8.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 4. Oktober 2007 - 5 K 2874/07 - geändert. Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung des Antragstellers vorläufig zu unterlassen, solange er kein (amts-)ärztliches Gutachten darüber eingeholt hat, ob auf Grund einer Abschiebung des Antragstellers die Gefahr besteht, dass sich sein Gesundheitszustand infolge ernsthafter suizidaler Handlungen wesentlich verschlechtert, und mit welchen Vorkehrungen eine solche Gefahr abgewendet oder gemindert werden kann.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt

Gründe

 
I.
Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Er stellte im September 2005 einen Asylantrag, der ebenso wie eine anschließende Klage erfolglos blieb; im Klageverfahren hatte der Antragsteller sich unter Vorlage ärztlicher Atteste erstmals auch auf eine Epilepsie-Erkrankung sowie weitere psychische Leiden berufen. Da der Antragsteller mangels gültiger Reisedokumente nicht abgeschoben werden konnte, wurde seine Abschiebung ausgesetzt. Nachdem Rückreisedokumente vorlagen, kündigte das Regierungspräsidium Karlsruhe ihm im Februar 2007 die Abschiebung an. Hierauf beantragte er die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Zur Begründung verwies er auf ein ärztliches Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. ...-... vom 06.03.2007, wonach er seit Januar 2006 wegen folgender Erkrankungen in ärztlicher Behandlung sei: "Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1G); Angststörung (F41.9G), Panikattacken (F41.0); Epilepsie (G47.9G); mittelschwere depressive Episode (F32.9G); Schlafstörung (G47.9G); psychosomatische Beschwerden (F45.9G)"; er habe als Zehnjähriger erlebt, wie Verwandte von Soldaten brutal zusammengeschlagen worden seien, und leide seitdem unter Angst- und Panikattacken; kurz nach diesem Vorfall habe er einen ersten epileptischen Anfall bekommen; seither bekomme er in Stresssituationen epileptische Anfälle; aufgrund dieser Erkrankungen sei dringend eine medikamentöse sowie Psychotherapie indiziert; er sei aus medizinischer Sicht reiseunfähig, eine Abschiebung hätte gravierende gesundheitliche Folgen. Die Stadt Mannheim lehnte den Antrag ab. Ende Mai 2007 kündigte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Antragsteller die Abschiebung für den 06.06.2007 mit dem Hinweis an, dem ärztlichen Attest ließen sich keine Anhaltspunkte für eine Reiseunfähigkeit entnehmen. Am 04.06.2007 wurde der Antragsteller, nachdem er in der Nacht zuvor eine Überdosis Psychopharmaka eingenommen hatte, im ... ...- und ... Krankenhaus Ludwigshafen und anschließend im Psychiatrischen Zentrum ... wegen akuter Suizidalität stationär aufgenommen Das Regierungspräsidium setzte daraufhin die Abschiebung bis zum 18.09.2007 aus. Der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers legte einen ärztlichen Bericht des Konsiliardienstes für Psychiatrie und Psychotherapie des erstaufnehmenden Krankenhauses vom 05.06.2007 und ein ärztliches Schreiben des Psychiatrischen Zentrums ... vom 14.06.2007 vor, die jeweils die Notwendigkeit einer ambulanten Psychotherapie und die Gefahr erneuter ernsthafter suizidaler Handlungen bei einer drohenden Abschiebung bestätigen. Ende Juli 2007 wurde der Antragsteller aus stationärer Behandlung entlassen. Anschließend begehrte er unter Bezugnahme auf eine ärztliche Bescheinigung des Psychiatrischen Zentrums ... vom 18.07.2007 die weitere Aussetzung der Abschiebung. In der Bescheinigung wird als Diagnose angeben: "Z. n. Suizidversuch mit Psychopharmaka, mittelgradig depressive Episode, posttraumatische Belastungsstörung, dissoziative Krampfanfälle". Im August 2007 kündigte das Regierungspräsidium dem Antragsteller an, dass er am 09.10.2007 unter Hinzuziehung eines Arztes als Flugbegleiter abgeschoben werde; die ärztlichen Atteste seien zur Beurteilung einer Reiseunfähigkeit nicht aussagekräftig.
Am 18.09.2007 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers beim Verwaltungsgericht Karlsruhe beantragt, dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu ergreifen. Wie der Vorfall Anfang Juni 2007 zeige, sei zu befürchten, dass sich die Suizidgefahr nicht bei der Durchführung der Abschiebung, sondern vorher realisiere. Zur Glaubhaftmachung hat er sich auf die bereits vorgelegten ärztlichen Atteste und Berichte berufen und ein weiteres ärztliches Attest der Dr. ...-... über eine seit Ende Juli 2007 durchgeführte Psychotherapie und einen an diese Ärztin gerichteten ärztlichen Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums ... vom 26.07.2007 vorgelegt, in dem es u. a. heißt, bei einer drohenden Abschiebung in das Heimatland sei erneut mit ernsthaften suizidalen Handlungen zu rechnen. Der Antragsgegner hat die Ablehnung des Antrags unter Hinweis darauf beantragt, dass der Antragsteller in Begleitung von Sicherheitskräften sowie eines Arztes abgeschoben werde und dafür Sorge getragen sei, dass er bei Ankunft am Zielflughafen in Istanbul dem Vertrauensarzt der Deutschen Botschaft übergeben werde. Mit Beschluss vom 04.10.2007 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt.
Mit seiner Beschwerde legt der Antragsteller neuere ärztliche Atteste der Dr. ...-... vom 09.10. und 12.11.2007 vor, die bestätigen, dass bei Stresssituationen akute Suizidgefahr bestehe und der Antragsteller am 02.11.2007 einen weiteren Suizidversuch unternommen und sich dabei sehr schwere Schnittverletzungen am linken Unterarm zugefügt habe. Ferner hat er einen ärztlichen Bericht des Psychiatrischen Zentrums ... an Dr. ...-... vom 15.09.2007 sowie eine Versicherung an Eides Statt eines Onkels vom 15.11.2007 vorgelegt, in der bezeugt wird, dass der Antragsteller am 02.11.2007 in der irrigen Annahme, von der Polizei abgeholt zu werden, Anstalten gemacht habe, sich aus dem Fenster der im vierten Oberschoß gelegenen Wohnung seiner Mutter zu stürzen. Der Antragsgegner hält daran fest, den Antragsteller mit den zugesagten Vorkehrungen abzuschieben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die fristgerecht erhobene und begründete sowie inhaltlich den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechende Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet. Der sinngemäß auf die vorläufige Unterlassung der Abschiebung des vollziehbar ausreisepflichtigen Antragstellers zielende zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat mit der im Tenor ausgesprochenen Maßgabe Erfolg, so dass der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts entsprechend zu ändern ist. Nach dem Beschwerdevorbringen des Antragstellers, auf dessen Überprüfung der Senat beschränkt ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), sind Anspruch und Grund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung des in der Hauptsache verfolgten Anspruchs auf eine weitere Aussetzung der Abschiebung hinreichend glaubhaft gemacht.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Anordnungsanspruch und -grund sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Für den Anordnungsanspruch einer Sicherungsanordnung genügt dabei die Glaubhaftmachung von Tatsachen, aus denen sich zumindest ergibt, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen ist (vgl. Hess VGH, Beschluss vom 05.09.1997 - 7 TG 3133/97 - NJW 1997, 2970; Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 4. Auflage, § 123 Rn. 18; Schoch u. a. , VwGO, Stand Februar 2007, § 123 Rn. 70). Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, wenn eine vorläufige Sicherung des in der Hauptsache verfolgten materiellen Anspruchs zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes dringlich ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Es besteht die Gefahr, dass die vom Antragsgegner konkret in Aussicht genommene Abschiebung des Antragstellers ohne eine  v o r h e r i g e  gutachtliche Klärung der im Tenor bezeichneten Fragen die Verwirklichung eines ihm in der Hauptsache möglicherweise zustehenden Anspruchs auf weitere Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung nach § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vereitelt.
1. Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung ist unter anderem gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann (§ 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; vgl. Senatsbeschlüsse vom 10.07.2003 - 11 S 2622/02 - VBlBW 2003, 482 und vom 15.10.2004 - 11 S 2297/04 juris, jeweils m. w. N.; s. auch BVerwG, Urteil vom 21.09.1999 - 9 C 8.99 -, NVwZ 2000, 206 sowie VG Freiburg, Urteil vom 04.02.2004 - 1 K 1620/01 - juris).
a) Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn), wobei der Senat erwogen hat, an das Vorliegen einer Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne gegebenenfalls strengere Maßstäbe anzulegen, wenn der Ausländer nicht alles ihm nach Lage der Dinge Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um den Eintritt der Gesundheitsgefahr abzuwenden oder zu mindern oder eingetretene Gesundheitsstörungen zu beseitigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10.07.2003 und 15.10.2004, a. a. O.). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehört der Zeitraum des Aufsuchens und Abholens in der Wohnung, des Verbringens zum Abschiebeort sowie die Zeit der Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur endgültigen Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. Insgesamt gilt, dass die mit dem Vollzug der Abschiebung während dieses Abschnitts betrauten deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten haben. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26.02.1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, 241; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.05.2001 - 11 S 389/01 -, VBlBW 2002, 32 = InfAuslR 2001, 384).
aa) Macht ein Ausländer eine solche Reiseunfähigkeit geltend oder ergeben sich sonst konkrete Hinweise darauf, ist die für die Aussetzung der Abschiebung zuständige Ausländerbehörde verpflichtet, den aufgeworfenen Tatsachenfragen, zu deren Beantwortung im Regelfall medizinische Sachkunde erforderlich ist, im Rahmen ihrer Amtsaufklärungspflicht nach § 24 Abs. 1 LVwVfG nachzugehen, wobei der Ausländer zur Mitwirkung verpflichtet ist (§ 82 AufenthG). Legt der Ausländer ärztliche Fachberichte (“Privatgutachten“) vor, sind diese zum Beweis für eine Reiseunfähigkeit nach der Rechtsprechung des Senats nur geeignet, wenn sie nachvollziehbar die Befundtatsachen angeben, gegebenenfalls die Methode der Tatsachenerhebung benennen und nachvollziehbar die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbilds (Diagnose) sowie die Folgen darlegen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich in Zukunft - als Folge einer Abschiebung - ergeben (prognostische Diagnose), wobei sich Umfang und Genauigkeit der erforderlichen Darlegungen jeweils nach den Umständen des Einzelfalls (insbesondere: Komplexität des Krankheitsbildes, Gewichtigkeit und Konsequenzen der Diagnose) richten (vgl. im einzelnen Senatsbeschluss vom 10.07.2003, a. a. O.). Sind diese Mindestanforderungen nicht oder nur teilweise erfüllt, kann die Reiseunfähigkeit allein aufgrund der vorgelegten ärztlichen Fachberichte zwar nicht als erwiesen angesehen werden. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass kein weiterer Aufklärungsbedarf besteht. Die Ausländerbehörde bleibt nach § 24 Abs. 1 LVwVfG verpflichtet, den Sachverhalt selbst weiter aufzuklären, wenn und soweit sich aus den ihr vorliegenden ärztlichen Äußerungen, dem Vortrag des Ausländers oder aus sonstigen Erkenntnisquellen ausreichende Indizien für eine Reiseunfähigkeit ergeben. Ist das der Fall, wird regelmäßig eine amtsärztliche Untersuchung oder die Einholung einer ergänzenden (fach-)ärztlichen Stellungnahme oder eines (fach-)ärztlichen Gutachtens angezeigt sein, da der Ausländerbehörde die erforderliche medizinische Sachkunde zur Beurteilung einer mit der Abschiebung einhergehenden Gesundheitsgefahr und auch der Frage fehlen dürfte, mit welchen Vorkehrungen diese Gefahr ausgeschlossen oder gemindert werden könnte. Insoweit gelten für die Aufklärungspflicht der Behörde keine anderen Maßstäbe als für diejenige des Verwaltungsgerichts nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. zur Ermittlungspflicht beim Vortrag einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung: BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 - 10 C 8.07 - DVBl. 2008, 132, sowie Beschluss vom 24.05.2006 - 1 B 118.05 - NVwZ 2007, 345). So ist bei substantiiert vorgetragenen oder sonst bekannt gewordenen Anhaltspunkten für eine Suizidgefahr als Folge einer psychischen Erkrankung - wie bei anderen psychischen Erkrankungen - im Regelfall schon v o r Beginn einer Abschiebung ein (amts-)ärztliches - psychologisch-psychotherapeutisches - Gutachten einzuholen. Nr. III. 2 des von der Bundesärztekammer am 26.11.2004 gebilligten Informations- und Kriterienkatalogs zu Fragen der ärztlichen Mitwirkung bei der Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer (vgl. http://www.aekno.de/ htmljava/a/kammerarchiv/kriterienkatalog_nrw.pdf) sieht dies ausdrücklich vor. In Baden-Württemberg ist die Anwendung dieses Katalogs durch die Ausländerbehörden zwar nicht - wie in Nordrhein-Westfalen - durch Verwaltungsvorschrift angeordnet (vgl. die Antwort der Landesregierung vom 25.09.2007 auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Braun vom 10.09.2007, LT-Drs. 14/1702). Der - auch vom 108. Deutschen Ärztetag begrüßte (http://www. bundesaerztekammer.de/page.asp? his=0.2.20.1827.1832.1932.1955.1956) - Informations- und Kriterienkatalog kann jedoch als sachverständige Konkretisierung dessen berücksichtigt werden, was vor Durchführung einer Abschiebung von Amts wegen zu prüfen und gegebenenfalls als Vorkehrung zum Schutz des von der Abschiebung Betroffenen vorzusehen ist (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.05.2007 - 19 B 352/07 - juris). Eine Untersuchung durch einen Arzt am Tage der Abschiebung, für die praktisch nur eine beschränkte Zeit zur Verfügung stehen dürfte, ist dagegen im Hinblick auf die erforderliche Intensität der Exploration und eine hinreichende Fundierung regelmäßig kein taugliches Mittel, um Hinweise auf eine Suizidgefährdung als Folge einer psychischen Erkrankung so abzuklären, dass eine Abschiebung mit dem möglichen Risiko lebensbedrohlicher Folgen verantwortet werden kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.05.2007 - 19 B 352/07 - juris; vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 23.10.2007 - 24 CE 07.484 - juris).
10 
bb) Aus der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Asylverfahrensgesetzes und zur Beendigung des Aufenthalts abgelehnter Asylbewerber und sonstiger ausreisepflichtiger Ausländer durch die Landesbehörden vom 01.01.2004 - VwV Asyl/Rückführung, Stand 01.01.2005 - (Abschnitt C Teil I Nr. 1 der mit Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 30.12.2004 - 4-1310/131 - an die Ausländerbehörden übersandten "Zusammengefassten Vorgaben des Innenministeriums zur Anwendung aufenthalts- und asylrechtlicher Regelungen ab dem 1. Januar 2005") folgt im Ergebnis nichts Anderes. In Nr. 3.5.2.1 bis 3 VwV Asyl/Rückführung ist detailliert geregelt, wie zu verfahren ist, wenn der Ausländer eine Reiseunfähigkeit im engeren oder weiteren Sinne geltend macht und/oder Erkenntnisse über eine Suizidgefahr vorliegen. "Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte" für eine Reiseunfähigkeit im engeren Sinne, "veranlasst die zuständige Ausländerbehörde eine amtsärztliche Untersuchung durch das Gesundheitsamt im Wege der Amtshilfe oder durch einen Arzt", wobei an die Mitwirkungspflicht des Ausländers sowie das Ersuchen der Behörde bestimmte Anforderungen gestellt werden (Nr. 3.5.2.1.1 Absätze 2 bis 6 VwV Asyl/Rückführung). Hinsichtlich der auf einer Traumatisierung beruhenden Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne ordnet die Verwaltungsvorschrift für den Fall, dass vorgelegte fachärztliche Atteste oder Gutachten bestimmte Mindestvoraussetzungen (die im wesentlichen den in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Mindestanforderungen entsprechen) nicht erfüllen, sich aber aus dem Attest oder Gutachten ausreichende Anhaltspunkte für eine Traumatisierung ergeben, an, dass "in der Regel eine ergänzende Stellungnahme des behandelnden Facharztes oder ein weiteres fachärztliches Gutachten einzuholen ist", es sei denn, das vorgelegte Attest enthält lediglich unsubstantiierte Ausführungen oder offensichtliche Gefälligkeitsformulierungen (Nr. 3.5.2.1.2 Absatz 5 VwV Asyl/ Rückführung). Liegen Erkenntnisse vor, dass der Ausländer suizidgefährdet ist oder droht er für den Fall einer Abschiebung mit einem Suizid, gelten diese Regelungen entsprechend (Nr. 3.5.2.1.3 Absatz 4 VwV Asyl/Rückführung) und es "ist im Rahmen des in Auftrag zu gebenden Gutachtens" bestimmten weiteren Fragen nachzugehen (Nr. 3.5.2.1.3 Absatz 1 VwV Asyl/Rückführung); bei Vorliegen eines ernsthaften Suizidrisikos ist zudem sicherzustellen, dass durch flankierende Maßnahmen, wie die ärztliche Begleitung des Ausländers, Vorsorge getroffen ist, dass sich die Suizidgefahr nicht realisiert (Nr. 3.5.2.1.3 Absatz 3 VwV Asyl/Rückführung).
11 
b) Gemessen daran erscheint offen, ob der Antragsteller Anspruch auf weitere Aussetzung der Abschiebung nach § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG hat. Denn insoweit wird in der Hauptsache - dem Verwaltungsverfahren über den zuletzt nochmals am 18.09.2007 bei der Stadt Mannheim wiederholten und vom zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe bislang nicht beschiedenen Antrag auf weitere Aussetzung der Abschiebung - zunächst gemäß den oben dargelegten Grundsätzen zur Amtsaufklärungspflicht der Ausländerbehörde ein (amts-)ärztliches - psychologisch-psychotherapeutisches - Gutachten zumindest darüber einzuholen sein, ob auf Grund einer Abschiebung die Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Antragstellers infolge ernsthafter suizidaler Handlungen wesentlich verschlechtert, und mit welchen Vorkehrungen gegebenenfalls eine solche Gefahr abgewendet oder gemindert werden kann. Anlass dazu besteht schon deshalb, weil sich aus den vorliegenden ärztlichen Attesten und Berichten sowie der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Versicherung an Eides statt des Onkels des Antragstellers ausreichende Erkenntnisse für eine Suizidgefahr bei einer Abschiebung als Folge einer psychischen Erkrankung ergeben. Ob die ärztlichen Atteste und Berichte darüber hinaus in Bezug auf den Vortrag einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung eine Ermittlungspflicht der Behörde begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 und Beschluss vom 24.05.2006, a. a. O.) oder gar für sich genommen als Entscheidungsgrundlage genügen, was im Hinblick auf die in der Senatsrechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 10.07.2003, a. a. O.) entwickelten Mindestanforderungen bzw. die entsprechenden Voraussetzungen nach Nr. 3.5.2.1.2 Absatz 2 VwV Asyl/Rückführung zweifelhaft erscheint, kann im vorliegenden Eilverfahren offen bleiben.
12 
Nach dem gemeinsamen Bericht der Ärzte Prof. Dr. ... und Dr. ...-... sowie der Diplom-Psychologin ... beim Psychiatrischen Zentrum ... - Allgemeinpsychiatrie und Psychotherapie - an die den Antragsteller behandelnde Ärztin Dr. ...-... vom 15.09.2007 habe der Antragsteller am 03.06.2007 in suizidaler Absicht eine Medikamentenmischung eingenommen. Er sei deshalb am 11.06.2007 in die geschlossene Akutstation des Psychiatrischen Zentrums ... in … aufgenommen worden. Diagnostisch sei bei Wiedererleben von Belastungen durch aufdringliche Nachhallerinnerungen, anhaltende Symptome einer erhöhten psychischen Sensibilität und Erregung wie Hypervigilanz, erhöhte Schreckhaftigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten sowie Vermeidungsverhalten von einer posttraumatischen Belastungsstörung F43.1 auszugehen. Daneben leide der Antragsteller an dissoziativen Krampfanfällen F44.5. Er sei am 26.07.2007 ohne Hinweise auf eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung entlassen worden, jedoch sei bei drohender Abschiebung in das Heimatland mit erneuten ernsthaften suizidalen Handlungen zu rechnen. Im ärztlichen Attest der Dr. ...-... vom 12.11.2007 werden - ohne nähere Erläuterungen - folgende Erkrankungen diagnostiziert: "Schwere depressive Episode mit Suizid in der Anamnese (03.06.07); Posttraumatische Belastungsstörung; Generalisierte Angststörung; Schlafstörung; Soziale Phobie; Anorexia nervosa, Gewichtsverlust; Dissoziative Krampfanfälle". Die Ärztin legt dar, der Antragsteller befinde sich seit dem 27.07.2007 in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie und habe am 02.11.2007 erneut einen Suizidversuch unternommen, wobei er sich schwere Schnittverletzungen mit einer Rasierklinge am linken Unterarm zugefügt habe. Er habe auch weiter abgenommen und gehöre in eine psychiatrische Klinik, wo er bei Selbstgefährdung 24 Stunden täglich unter Beobachtung stehen müsse; er bedürfe dringend einer stationären Therapie. Der Onkel des Antragstellers bekundet in seiner Versicherung an Eides statt vom 15.11.2007 schließlich, er - der Onkel - habe anlässlich eines Besuchs in der im vierten Stock gelegenen Wohnung seiner Schwester am 02.11.2007 miterlebt, dass der Antragsteller auf die Fensterbank eines geöffneten Fensters gesprungen sei, als jemand an der Tür geklingelt und geklopft habe. Es sei nur ein Freund gewesen. Der Antragsteller habe aber vermutet, dass die Polizei ihn abholen wollte, und er habe sich aus dem Fenster stürzen wollen. Damit ist hinreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt, dass der Antragsteller sich bereits zweimal wegen offenbar ernsthaft unternommener suizidaler Handlungen im Zusammenhang mit der bevorstehenden Abschiebung in ärztliche - stationäre - Behandlung begeben musste. Die eidesstattliche Versicherung seines Onkels vom 15.11.2007 bestätigt einen möglichen weiteren Suizidversuch. Zudem gibt es Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung als mögliche Ursache (posttraumatische Belastungsstörung F43.1). Es liegen mithin ausreichende Erkenntnisse vor, die zumindest den Anschein einer ernsthaften Selbsttötungsabsicht des Antragstellers im Falle seiner Abschiebung und einer psychischen Erkrankung als mögliche Ursache begründen. Anhaltspunkte dafür, dass die auf entsprechende konkrete Vorkommnisse gestützten wiederholten ärztlichen Attestierungen einer Suizidgefahr im Fall der Abschiebung als unsubstantiiert oder Gefälligkeitsformulierung gewertet werden müssen, sind für den Senat nicht erkennbar.
13 
Bei dieser Sachlage kann über das Vorliegen des geltend gemachten Duldungsanspruchs ohne (amts-)ärztliche - psychologisch-psychotherapeutische - Begutachtung der im Tenor bezeichneten Fragen zu den mit einer Abschiebung verbundenen gesundheitlichen Risiken nicht entschieden werden. Ermittlungen dieser Art sind angesichts der Tatsache, dass sich der Antragsgegner dafür der Amtshilfe eines zuständigen staatlichen Gesundheitsamtes bedienen kann, weder unverhältnismäßig noch notwendigerweise besonders zeitaufwändig oder kostspielig. Dass die zuständige Ausländerbehörde des Antragsgegners selbst über ausreichende medizinische Fachkunde zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen verfügt, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Die Erforderlichkeit einer solchen Begutachtung wird auch nicht durch den Vortrag des Antragsgegners, der Antragsteller werde in Begleitung eines Arztes und von Sicherheitskräften, die ihn von selbstgefährdenden Handlungen abhielten, abgeschoben und in der Türkei einem ärztlichen Team einschließlich eines Psychiaters übergeben, entbehrlich (s. o. a) aa)). Soweit der Antragsgegner in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass mit diesen Vorkehrungen den Anforderungen an flankierende Maßnahmen zur Abschiebung bei Suizidgefahr nach Nr. 3.5.2.1.3 Absatz 3 VwV Asyl/Rückführung Rechnung getragen sei, übersieht er, dass sich die Geeignetheit dieser Vorkehrungen erst dann - in einem zweiten Schritt - sachgerecht beurteilen lassen wird, wenn das gemäß Nr. 3.5.2.1.3 Absätze 1 und 4 VwV Asyl/Rückführung einzuholende Gutachten vorliegt. Denn gerade auch zur Beantwortung dieser Frage ist bei einer Suizidgefahr auf Grund einer psychischen Erkrankung die besondere Sachkunde eines Mediziners nötig. Abgesehen davon erscheint die Geeignetheit der vom Antragsgegner zugesagten Vorkehrungen im Fall des Antragstellers schon deshalb zweifelhaft, weil sie erst mit seiner Abholung einsetzen sollen. Denn sie schließen die nach Lage der Dinge hier ernsthaft in Betracht zu ziehende Gefahr einer Selbsttötung schon zu einem früheren Zeitpunkt nicht aus, wenn der Antragsteller durch eine Mitteilung der Ausländerbehörde oder seines Rechtsanwalts oder auf sonstige Weise erfährt oder damit rechnen muss, dass die Abschiebung nunmehr unmittelbar bevorsteht. Gegebenenfalls kommen insoweit auch Maßnahmen nach dem Unterbringungsgesetz oder die richterliche Anordnung einer Abschiebungshaft mit ärztlicher Überwachung in Betracht. Soweit der Antragsgegner ferner auf die dem Antragsteller mehrfach eingeräumte Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise verweist, ändert auch das nichts am dargestellten Aufklärungsbedarf. Zwar hat der Senat erwogen, an das Vorliegen einer Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne gegebenenfalls strengere Maßstäbe anzulegen, wenn der Ausländer nicht alles ihm nach Lage der Dinge Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um den Eintritt der Gesundheitsgefahr abzuwenden oder zu mindern oder eingetretene Gesundheitsstörungen zu beseitigen (s. o. a.)). Bei einer durch eine psychische Erkrankung bedingten Suizidgefahr kann jedoch nicht ohne Weiteres von der Zumutbarkeit einer "freiwilligen" - durch den vollziehbaren gesetzlichen Ausreisebefehl aber letztlich mittelbar erzwungenen - Rückkehr in das Heimatland ausgegangen werden. Vielmehr muss auch dies gutachtlich geklärt werden. Sollte der Antragsteller freilich an der Erstellung eines Gutachtens nicht mitwirken oder sich der ausländerbehördlichen Überwachung entziehen (vgl. § 50 Abs. 5 AufenthG), steht dem Antragsgegner frei, die Abänderung der einstweiligen Anordnung analog § 927 ZPO oder § 80 Abs. 7 VwGO zu beantragen (vgl. Funke-Kaiser in Bader, VwGO, § 123 Rn 64 m w. N.).
14 
2. Es besteht auch ein Anordnungsgrund. Der Antragsgegner beabsichtigt, den Antragsteller ohne vorherige Einholung eines ärztlichen Gutachtens zur Suizidgefahr abzuschieben. Die vorläufige Sicherung des in der Hauptsache verfolgten Duldungsanspruchs ist daher zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes dringlich. Denn der Duldungsanspruch erlischt ebenso wie die Aussetzung selbst (vgl. § 60 a Abs. 5 Satz 1 AufenthG) mit der Ausreise. Er würde durch die Abschiebung daher vereitelt. Zudem ist eine Abschiebung ohne vorherige ärztliche Begutachtung der damit nach den vorliegenden Erkenntnissen möglicherweise einhergehenden gesundheitlichen Risiken mit der staatlichen Schutzpflicht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht zu vereinbaren.
15 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.
16 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. H. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführer sind äthiopische Staatsangehörige und Eltern eines am 12. Februar 2014 geborenen Sohnes. Sie reisten im März 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten einen Asylantrag; zuvor hatten sie bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Sie wenden sich gegen einen am 3. März 2014 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. Februar 2014, mit dem ihnen Eilrechtsschutz gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1, § 27a AsylVfG gestützte Anordnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 3. Februar 2014 versagt wurde, sie auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II) nach Italien abzuschieben.

2

1. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag der Beschwerdeführer mit der Maßgabe ab, dass die angeordnete Abschiebung unter Berücksichtigung einer zweimonatigen "Mutterschutzfrist" (in Anlehnung an § 6 MuSchG) nicht vor dem 1. Mai 2014 vollzogen werden dürfe. Eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zum Selbsteintritt gemäß Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung bestehe nicht. Weder sei ein Ausnahmefall nach dem Konzept der normativen Vergewisserung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 ff.) gegeben, noch lägen systemische Mängel des italienischen Asyl- und Aufnahmesystems im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH , Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) vor, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber oder Flüchtling tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden. Systemische Mängel, die eine Aussetzung der Abschiebung in Anwendung von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gebieten könnten, seien auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Falle von Italien aufgrund der Auskunftslage derzeit nicht erkennbar (vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336).

3

2. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer am 3. April 2014 erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG.

4

a) Die Beschwerdeführer befürchten unter Bezugnahme insbesondere auf einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu den Aufnahmebedingungen in Italien vom Oktober 2013, bei einer Rückkehr nach Italien wie die große Mehrheit der Schutzbedürftigen obdachlos zu werden und keinen Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Nahrungsmitteln zu erhalten. Schutzbedürftige Dublin-Rückkehrer seien einem sehr hohen Risiko der Verelendung ausgesetzt; ihre Situation sei wesentlich prekärer als die eines Asylsuchenden, der sich noch im Verfahren befinde. Etwas anderes gelte allenfalls für besonders schutzbedürftige Personen. Allerdings gälten Familien mit beiden Elternteilen in Italien nicht als verletzlich. Auch wenn es zu einer staatlichen Unterbringung kommen sollte, bestehe die Gefahr, dass sie nicht als Familie untergebracht würden, sondern dass es zu einer Unterbringung von Mutter und Kind in der einen, des Vaters aber in einer anderen Einrichtung komme. Eine Trennung der Familie, um die Wahrscheinlichkeit der Unterbringung zu erhöhen, könne ihnen jedoch nach Art. 8 EMRK nicht zugemutet werden. Gerade im Hinblick auf ihr neugeborenes Kind erscheine die Vorenthaltung von Gesundheitsversorgung und Nahrung dramatisch.

5

b) Das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sei verletzt, weil das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgehe, die Berufung auf das Asyl-Grundrecht werde in Dublin-Fällen durch Art. 16a Abs. 2 GG ausgeschlossen. Die Dublin-Fälle richteten sich vielmehr allein nach der - spezielleren - Vorschrift des Art. 16a Abs. 5 GG und den Vorgaben des - zwischenzeitlich vergemeinschafteten - europäischen Asylsystems. Während Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG den materiell-rechtlichen Gewährleistungsinhalt des Grundrechts auf Asyl grundsätzlich einschränke und den Prüfungsmaßstab nach dem Konzept der normativen Vergewisserung festlege, liege der Kompetenzübertragung nach Art. 16a Abs. 5 in Verbindung mit Art. 23 GG die Idee zugrunde, dass die Bundesrepublik den Gewährleistungsinhalt von Art. 16a Abs. 1 GG einer europäischen Zuständigkeitsregelung unterwerfe und zugleich an ihr normsetzend mitwirke. Die Pflichten, die die Bundesrepublik sich mit Art. 16a Abs. 1 GG auferlegt habe, könne sie danach nur soweit delegieren, wie die Verheißung eines im Gebiet der Dublin-Verordnung geltenden Flüchtlingsschutzes im anderen Mitgliedstaat auch wirklich eingelöst werde. Sei dies nicht der Fall, treffe die Bundesrepublik kraft des wechselseitigen und auf Solidarität sowie Mindeststandards beruhenden Lastenausgleichssystems die Rolle eines "Ausfallbürgen". Europäische Asylstandards würden in Italien jedoch nicht gewahrt; nach allem, was über die dortige Situation von Asylbewerbern bekannt sei, würden dort entscheidende Bestimmungen aus der Verfahrens-, Aufnahme- und Qualifikationsrichtlinie ebenso verletzt wie Gewährleistungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK.

6

Aus der Pflicht der Bundesrepublik zu gewährleisten, dass die Beschwerdeführer bei Überstellung an einen Dublin-Zielstaat keine Rechtsverletzungen an anderen Rechtsgütern erlitten, folge, dass die Bundesrepublik sich derartige Rechtsverletzungen zurechnen lassen müsse. Ihnen drohe in Italien Obdachlosigkeit und eine defiziente Gesundheits- und Lebensmittelversorgung, die in die reale Gefahr der Verelendung führe; hierin liege eine Verletzung sowohl der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG als auch eine Gefahr für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Das Verwaltungsgericht habe im Übrigen auch gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, indem es die einfachgesetzlich geltenden Normen der EMRK verfehlt interpretiert habe. In ihrem Falle sei Art. 3 EMRK zu berücksichtigen gewesen, der mit dem Verbot "unmenschlicher" oder "erniedrigender" Behandlung nach allgemeiner Auffassung gerade die Situation der Verelendung umschreibe, die durch den Zielstaat der Überstellung zu unterbleiben habe. Die drohende Trennung der Familie verletze Art. 6 GG.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, und die Annahme ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>); sie ist unzulässig (dazu 1. und 2.). Hiervon unabhängig besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass die mit der Rückführung befassten deutschen Behörden in dem vorliegenden Einzelfall geeignete Vorkehrungen zum Schutz des von der Rückführung betroffenen Kleinkindes der Beschwerdeführer zu treffen haben (dazu 3.).

8

1. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG und Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK rügen, zeigen sie schon die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht auf (vgl. zu diesem Erfordernis nur BVerfGE 108, 370 <386 f.>). Die Beschwerdeführer setzen sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 <95 ff.>), des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH , Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR , Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, NVwZ 2011, S. 413; Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336) nicht auseinander, die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegt.

9

2. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG aufgrund einer drohenden Obdachlosigkeit und einer Trennung der Eltern von ihrem neugeborenen Kind bei einer Abschiebung geltend machen, legen sie nicht hinreichend substantiiert dar, dass sie in Italien mit Obdachlosigkeit und Trennung der Familie zu rechnen haben und ihrem Sohn als Folge der Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Gesundheitsgefahren drohen. Es bedarf daher keiner Klärung, ob dahingehende systemische Mängel des italienischen Aufnahmesystems bestehen und ob solche strukturelle Defizite in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union einen im Konzept der normativen Vergewisserung nicht aufgefangenen Sonderfall darstellen können (vgl. dazu nur Moll/Pohl, ZAR 2012, S. 102 <104 ff.>; zu den Darlegungslasten für die Begründung eines solchen Sonderfalles vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Hierbei wäre ohnehin zu berücksichtigen, dass etwaige mit der Überforderung des Asylsystems eines Mitgliedstaats der Europäischen Union verbundene transnationale Probleme vornehmlich auf der Ebene der Europäischen Union zu bewältigen sind (vgl. BVerfGE 128, 224 <226>).

10

3. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann es allerdings - unbeschadet der Prüfung, ob einer Zurückweisung oder Rückverbringung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen - in Einzelfällen geboten sein, dass die deutschen Behörden vor einer solchen mit den im Zielstaat zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen, den Sachverhalt klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen treffen (vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Insbesondere besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat gegebenenfalls durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung (Duldung) oder durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241 <242>).

11

a) Nach der - von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden - jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu prüfen, ob "feststeht", dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004 - 2 M 299/04, juris; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAuslR 2011, S. 310, dort <311> auch m.w.N. zur a.A.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, InfAuslR 2012, S. 383; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris; zuletzt VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris).

12

Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris, Rn. 7; VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris, Rn. 4).

13

b) Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, S. 213 <214> unter Verweis auf BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241).

14

Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juni 2011 - 2 M 38/11 -, InfAuslR 2011, S. 390 <392>).

15

c) So liegt es auch im vorliegenden Fall. Bei Rückführungen in sichere Drittstaaten können hiervon betroffene Ausländer - anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland - regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Bestehen - wie gegenwärtig im Falle Italiens - aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen.

16

Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls (vgl. nunmehr Erwägungsgrund 16 der neugefassten Verordnung Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin III-Verordnung) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit neugeborenen (vgl. Art. 15 Abs. 1 und 2 der Dublin II-Verordnung und Art. 16 Abs. 1 der Dublin III-Verordnung) und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.

17

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

18

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist.

(2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.

(3) Ist zweifelhaft, ob der Beschuldigte zur Zeit der Tat das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, sind die für Jugendliche geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden.

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die Beschwerde, mit der sich der Kläger gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 32, § 25a Abs. 1 AufenthG ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. Juli 2018 wendet, ist unbegründet. Denn die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Die Rechtsverfolgung des Klägers bietet zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 10.2.2016 - 10 C 15.849 - juris Rn. 3 m.w.N.) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 AufenthG voraussichtlich nicht zusteht und die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG erfolglos bleiben wird.

Dem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1 AufenthG zum Familiennachzug zu seiner Mutter, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG besitzt, steht - wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat - bereits entgegen, dass die Mutter nicht nachgewiesen hat, dass sie alleinige Inhaberin des Personensorgerechts für den Kläger ist. Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts an die Mutter durch Beschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 28. April 2017 macht die Mutter nicht zum allein personensorgeberechtigten Elternteil im Sinne des § 32 Abs. 1 AufenthG. Die Grundsätze über die Anerkennung ausländischer Sorgerechtsentscheidungen, wonach der Grundsatz der Inzidentanerkennung gilt, solange nicht völkerrechtliche Regelungen vorgehen (vgl. BVerwG, U.v. 29.11.2012 - 10 C 14.12 -juris Rn. 16), finden insoweit keine Anwendung, weil gerade keine ausländische Sorgerechtsentscheidung vorliegt, sondern lediglich eine Entscheidung zur Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrecht durch ein nationales Gericht. Der Hinweis, dass der Vater des Klägers wahrscheinlich in der Ukraine verstorben ist, ohne weitere Nachweise für seinen Tod vorzulegen, macht die Mutter des Klägers nicht zur alleinigen Inhaberin des Personensorgerechts.

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 3 AufenthG und § 32 Abs. 4 AufenthG kommt schon wegen der Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 und 3 AufenthG nicht in Betracht. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass ein Anspruch im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG nur vorliegt, wenn ein strikter Rechtsanspruch besteht; ein Sollanspruch oder eine Ermessensreduzierung auf Null bei der Befugnis zu einer Ermessensentscheidung sind hingegen nicht ausreichend (vgl. zuletzt BVerwG, U.v. 12.7.2018 - 1 C 16.17 - juris Rn. 27 m.w.N.).

Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG scheidet ebenfalls aus. Die Klage ist zwar auch insoweit zulässig, weil mit Bescheid vom 5. Juli 2017 auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG ablehnt wurde und der Beklagte damit unabhängig vom Antrag am 11. Juli 2016 über das Bestehen eines Anspruchs nach § 25a Abs. 1 AufenthG entschieden hat. Hinzu kommt, dass der Kläger inzwischen am 18. August 2018 einen weiteren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift gestellt hat. Tritt nach einem Antrag auf Prozesskostenhilfe eine Änderung der Sach- und Rechtslage zu Gunsten des Antragstellers ein, so ist hinsichtlich der Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht - wie sonst - der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags maßgebend. Vielmehr ist die Änderung der Sach- und Rechtslage zu Gunsten des Antragstellers zu berücksichtigen, denn für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage und damit auch für den Beurteilungszeitpunkt bleibt einzig und allein das materielle Recht bestimmend (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2017 - 19 C 16.1719 - juris Rn. 8; B.v. 14.5.2013 - 10 C 10.3007 - juris Rn. 6 m.w.N.). Folglich ist die am 18. August 2018 erfolgte Antragstellung bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG zu berücksichtigen. Allerdings wird die Klage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben, weil der Kläger weder Jugendlicher noch Heranwachsender im Sinne dieser Vorschrift ist. Jugendlicher ist, wer vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist (§ 1 Abs. 2 JGG). Der Kläger wird erst am 12. September 2021 das 14. Lebensjahr vollenden.

Auch bestehen derzeit keine hinreichenden Erfolgsaussichten für eine Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Zunächst ist unklar, ob § 25 Abs. 5 AufenthG als Auffangvorschrift für ein sich aus Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK ergebendes Ausreisehindernis herangezogen werden kann, wenn die Erteilungsvoraussetzungen der für die genannten Aufenthaltszwecke bestehenden Normen nicht erfüllt sind (vgl. NdsOVG, U.v. 8.2.2018 - 13 LB 43/17 - ZAR 2018, 176; OVG Bremen, U.v. 16.3.2017 - 1 B 21/17 - BeckRS 2017, 105559; VGH BW, U.v. 13.12.2010 - 11 S 2359/10 - InfAuslR 2011, 250). Zudem steht die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift genauso wie ein Abweichen von den nach den Ausführungen im Bescheid vom 5. Juli 2017 nicht vorliegenden Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde. Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird.

(2) Ist eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen, so ist die Entscheidung über die Kosten unanfechtbar.