Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2016 - 12 CS 16.1550

bei uns veröffentlicht am16.08.2016

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2016 - 12 CS 16.1550

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2016 - 12 CS 16.1550

Referenzen - Gesetze

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2016 - 12 CS 16.1550 zitiert 13 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 188


Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in e

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 42 Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen


(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn 1. das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder2. eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhut

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 42a Vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise


(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen vorläufig in Obhut zu nehmen, sobald dessen unbegleitete Einreise nach Deutschland festgestellt wird. Ein ausländisches Kind oder ein ausl

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 42f Behördliches Verfahren zur Altersfeststellung


(1) Das Jugendamt hat im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme der ausländischen Person gemäß § 42a deren Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in deren Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzusc

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2016 - 12 CS 16.1550 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2016 - 12 CS 16.1550 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 23. Sept. 2014 - 12 C 14.1865

bei uns veröffentlicht am 23.09.2014

Tenor I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2014 - M 18 E 14.3412 - wird aufgehoben. II. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2016 - 12 CE 16.1186

bei uns veröffentlicht am 05.07.2016

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I. Die Beteiligten streiten über die vorläu

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 29. Sept. 2014 - 12 B 923/14

bei uns veröffentlicht am 29.09.2014

Tenor Die Beschwerde wird zurückgewiesen Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1G r ü n d e : 2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts is
8 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2016 - 12 CS 16.1550.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2016 - 12 CE 16.2333

bei uns veröffentlicht am 13.12.2016

Tenor I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben. II. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur en

Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Okt. 2016 - M 18 E 16.4362

bei uns veröffentlicht am 17.10.2016

Tenor I. Die Antragsgegnerin wird einstweilen verpflichtet, den Antragssteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. II. Die Antragsgegnerin trägt die Ko

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 18. Aug. 2016 - 12 CE 16.1570

bei uns veröffentlicht am 18.08.2016

Tenor I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben. II. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültig

Verwaltungsgericht München Urteil, 07. Dez. 2016 - M 18 K 16.4361

bei uns veröffentlicht am 07.12.2016

Tenor I. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Der Bescheid der Beklagten vom 5. September 2016 wird aufgehoben. II. Die

Referenzen

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen vorläufig in Obhut zu nehmen, sobald dessen unbegleitete Einreise nach Deutschland festgestellt wird. Ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher ist grundsätzlich dann als unbegleitet zu betrachten, wenn die Einreise nicht in Begleitung eines Personensorgeberechtigten oder Erziehungsberechtigten erfolgt; dies gilt auch, wenn das Kind oder der Jugendliche verheiratet ist. § 42 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 2 und 3, Absatz 5 sowie 6 gilt entsprechend.

(2) Das Jugendamt hat während der vorläufigen Inobhutnahme zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen einzuschätzen,

1.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen durch die Durchführung des Verteilungsverfahrens gefährdet würde,
2.
ob sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland aufhält,
3.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen eine gemeinsame Inobhutnahme mit Geschwistern oder anderen unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen erfordert und
4.
ob der Gesundheitszustand des Kindes oder des Jugendlichen die Durchführung des Verteilungsverfahrens innerhalb von 14 Werktagen nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme ausschließt; hierzu soll eine ärztliche Stellungnahme eingeholt werden.
Auf der Grundlage des Ergebnisses der Einschätzung nach Satz 1 entscheidet das Jugendamt über die Anmeldung des Kindes oder des Jugendlichen zur Verteilung oder den Ausschluss der Verteilung.

(3) Das Jugendamt ist während der vorläufigen Inobhutnahme berechtigt und verpflichtet, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen notwendig sind. Dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen und der mutmaßliche Wille der Personen- oder der Erziehungsberechtigten angemessen zu berücksichtigen.

(3a) Das Jugendamt hat dafür Sorge zu tragen, dass für die in Absatz 1 genannten Kinder oder Jugendlichen unverzüglich erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 49 Absatz 8 und 9 des Aufenthaltsgesetzes durchgeführt werden, wenn Zweifel über die Identität bestehen.

(4) Das Jugendamt hat der nach Landesrecht für die Verteilung von unbegleiteten ausländischen Kindern und Jugendlichen zuständigen Stelle die vorläufige Inobhutnahme des Kindes oder des Jugendlichen innerhalb von sieben Werktagen nach Beginn der Maßnahme zur Erfüllung der in § 42b genannten Aufgaben mitzuteilen. Zu diesem Zweck sind auch die Ergebnisse der Einschätzung nach Absatz 2 Satz 1 mitzuteilen. Die nach Landesrecht zuständige Stelle hat gegenüber dem Bundesverwaltungsamt innerhalb von drei Werktagen das Kind oder den Jugendlichen zur Verteilung anzumelden oder den Ausschluss der Verteilung anzuzeigen.

(5) Soll das Kind oder der Jugendliche im Rahmen eines Verteilungsverfahrens untergebracht werden, so umfasst die vorläufige Inobhutnahme auch die Pflicht,

1.
die Begleitung des Kindes oder des Jugendlichen und dessen Übergabe durch eine insofern geeignete Person an das für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständige Jugendamt sicherzustellen sowie
2.
dem für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständigen Jugendamt unverzüglich die personenbezogenen Daten zu übermitteln, die zur Wahrnehmung der Aufgaben nach § 42 erforderlich sind.
Hält sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland auf, hat das Jugendamt auf eine Zusammenführung des Kindes oder des Jugendlichen mit dieser Person hinzuwirken, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Das Kind oder der Jugendliche ist an der Übergabe und an der Entscheidung über die Familienzusammenführung angemessen zu beteiligen.

(6) Die vorläufige Inobhutnahme endet mit der Übergabe des Kindes oder des Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten oder an das aufgrund der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde nach § 88a Absatz 2 Satz 1 zuständige Jugendamt oder mit der Anzeige nach Absatz 4 Satz 3 über den Ausschluss des Verteilungsverfahrens nach § 42b Absatz 4.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen vorläufig in Obhut zu nehmen, sobald dessen unbegleitete Einreise nach Deutschland festgestellt wird. Ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher ist grundsätzlich dann als unbegleitet zu betrachten, wenn die Einreise nicht in Begleitung eines Personensorgeberechtigten oder Erziehungsberechtigten erfolgt; dies gilt auch, wenn das Kind oder der Jugendliche verheiratet ist. § 42 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 2 und 3, Absatz 5 sowie 6 gilt entsprechend.

(2) Das Jugendamt hat während der vorläufigen Inobhutnahme zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen einzuschätzen,

1.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen durch die Durchführung des Verteilungsverfahrens gefährdet würde,
2.
ob sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland aufhält,
3.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen eine gemeinsame Inobhutnahme mit Geschwistern oder anderen unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen erfordert und
4.
ob der Gesundheitszustand des Kindes oder des Jugendlichen die Durchführung des Verteilungsverfahrens innerhalb von 14 Werktagen nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme ausschließt; hierzu soll eine ärztliche Stellungnahme eingeholt werden.
Auf der Grundlage des Ergebnisses der Einschätzung nach Satz 1 entscheidet das Jugendamt über die Anmeldung des Kindes oder des Jugendlichen zur Verteilung oder den Ausschluss der Verteilung.

(3) Das Jugendamt ist während der vorläufigen Inobhutnahme berechtigt und verpflichtet, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen notwendig sind. Dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen und der mutmaßliche Wille der Personen- oder der Erziehungsberechtigten angemessen zu berücksichtigen.

(3a) Das Jugendamt hat dafür Sorge zu tragen, dass für die in Absatz 1 genannten Kinder oder Jugendlichen unverzüglich erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 49 Absatz 8 und 9 des Aufenthaltsgesetzes durchgeführt werden, wenn Zweifel über die Identität bestehen.

(4) Das Jugendamt hat der nach Landesrecht für die Verteilung von unbegleiteten ausländischen Kindern und Jugendlichen zuständigen Stelle die vorläufige Inobhutnahme des Kindes oder des Jugendlichen innerhalb von sieben Werktagen nach Beginn der Maßnahme zur Erfüllung der in § 42b genannten Aufgaben mitzuteilen. Zu diesem Zweck sind auch die Ergebnisse der Einschätzung nach Absatz 2 Satz 1 mitzuteilen. Die nach Landesrecht zuständige Stelle hat gegenüber dem Bundesverwaltungsamt innerhalb von drei Werktagen das Kind oder den Jugendlichen zur Verteilung anzumelden oder den Ausschluss der Verteilung anzuzeigen.

(5) Soll das Kind oder der Jugendliche im Rahmen eines Verteilungsverfahrens untergebracht werden, so umfasst die vorläufige Inobhutnahme auch die Pflicht,

1.
die Begleitung des Kindes oder des Jugendlichen und dessen Übergabe durch eine insofern geeignete Person an das für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständige Jugendamt sicherzustellen sowie
2.
dem für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständigen Jugendamt unverzüglich die personenbezogenen Daten zu übermitteln, die zur Wahrnehmung der Aufgaben nach § 42 erforderlich sind.
Hält sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland auf, hat das Jugendamt auf eine Zusammenführung des Kindes oder des Jugendlichen mit dieser Person hinzuwirken, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Das Kind oder der Jugendliche ist an der Übergabe und an der Entscheidung über die Familienzusammenführung angemessen zu beteiligen.

(6) Die vorläufige Inobhutnahme endet mit der Übergabe des Kindes oder des Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten oder an das aufgrund der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde nach § 88a Absatz 2 Satz 1 zuständige Jugendamt oder mit der Anzeige nach Absatz 4 Satz 3 über den Ausschluss des Verteilungsverfahrens nach § 42b Absatz 4.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2014 - M 18 E 14.3412 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters in dem vor dem Amtsgericht E. anhängigen familiengerichtlichen Verfahren - Az: 001F469/14 - bzw. im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

IV.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Klage- und Antragsverfahren erster Instanz bewilligt und Rechtsanwältin Dr. ... aus ... beigeordnet.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt seine In-Obhutnahme als unbegleitet eingereister Minderjähriger (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII). Seinen eigenen Angaben zufolge ist er afghanischer Staatsangehöriger und wurde am ... geboren. Nach seiner Einreise hat er Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gestellt.

1. Anlässlich eines Gesprächs des Antragstellers mit Mitarbeitern des Jugendamts und der Ausländerbehörde der Stadt Dortmund am 6. Januar 2014 entstanden Zweifel hinsichtlich des von ihm angegebenen Alters. In einem Vermerk des Jugendamts Dortmund vom 7. Januar 2014 wurde festgehalten, für eine Minderjährigkeit des Antragstellers bestünden keine Anhaltspunkte; es sei davon auszugehen, dass er zumindest 18 Jahre alt sei. Das Geburtsdatum wurde fiktiv auf den 1. Januar 1996 festgelegt. Mit Bescheid der Regierung von Oberbayern (Regierungsaufnahmestelle für Asylbewerber) vom 10. März 2014 wurde der Antragsteller ab dem 12. März 2014 dem Landkreis E. zugewiesen.

2. Mit Schreiben vom 24. Juli 2014 beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers, diesen nach § 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung oder bei einer Pflegefamilie unterzubringen. Der Antragsteller sei minderjährig. Zur Begründung wurde auf einen weder einen Briefkopf tragenden noch eine Unterschrift enthaltenen Bericht der Ausländerhilfe E. e.V. zur Einschätzung des Alters des Antragstellers Bezug genommen.

3. Mit Beschluss vom 31. Juli 2014 (Az: 001F469/14) stellte das Amtsgericht E. im Wege der einstweiligen Anordnung fest, dass das elterliche Sorgerecht bis zur Abklärung des Alters des Betroffenen vorläufig ruht. Gleichzeitig wurde das Kreisjugendamt E. als vorläufiger Vormund ausgewählt. Mit weiterem Beschluss vom 1. August 2014 verfügte das Amtsgericht, dass zur Feststellung des Alters des Antragstellers ein Sachverständigengutachten einzuholen sei. Mit dessen Erstellung wurde das Institut für Rechtsmedizin der Universität M. beauftragt.

4. Mit undatiertem Bescheid, vermutlich vom 6. August 2014, lehnte der Antragsgegner die beantragte In-Obhutnahme (§ 42 SGB VIII) sowie die Gewährung von Hilfe zur Erziehung (§§ 27 ff. SGB VIII) ab. Der Antragsteller sei aufgrund der Alterseinschätzung durch das Jugendamt Dortmund als volljährig einzustufen. Die Alterseinschätzung einer ehrenamtlichen Initiative, hier der Ausländerhilfe E. e. V., könne die amtlich festgestellte Alterseinschätzung nicht abändern. Darüber hinaus sei das Kreisjugendamt mit Beschluss vom 31. Juli 2014 zum Vormund bestellt worden, so dass die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII entfallen seien. Zweifel an der Volljährigkeit des Antragstellers bestünden auch aufgrund einer Inaugenscheinnahme des Antragsgegners im Kreisjugendamt und im Team Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamtes nicht; es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Minderjährigkeit des Antragstellers ergeben. Auch ein - vorsorglich geprüfter - Bedarf für eine Jugendhilfemaßnahme habe nicht festgestellt werden können. Der Antragsteller sei in seiner Unterkunft gut integriert. Diese werde von zwei Mitarbeitern des Landratsamts regelmäßig besucht und betreut.

5. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. August 2014 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 6. August 2014 erheben und beantragen, das Kreisjugendamt E. - zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung - zu verpflichten, ihn in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Er wohne als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in einer Asylunterkunft für Erwachsene. In dieser gebe es keine Betreuung für Minderjährige. Sein Wohl sei daher gefährdet. Bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen familiengerichtlichen Verfahrens sei von seiner Minderjährigkeit auszugehen, so dass er gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen sei. Eine Verpflichtung zur In-Obhutnahme bestehe auch deshalb, weil er um diese gebeten habe. Es sei ihm nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

6. Mit Beschluss vom 18. August 2014 lehnte das Verwaltungsgericht München die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft machen können, dass er Jugendlicher im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB VIII i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII sei und insoweit ein Anordnungsanspruch gemäß § 123 VwGO bestehe. Es hätten Gespräche sachkundiger Personen mit dem Antragsteller stattgefunden, die zu dessen Einschätzung als volljährig geführt hätten, so dass er für das Eilverfahren nicht gleichsam „unbesehen“ als Jugendlicher betrachtet werden könne. Dem vom Antragsteller vorgelegten Bericht zur Einschätzung des Alters komme für das gerichtliche Verfahren kein eigener Erkenntniswert zu, weil dieser Bericht seinen Ersteller nicht erkennen lasse. Weitere Erkenntnismittel stünden nicht zur Verfügung. Auch dem computermäßig reproduzierten Schwarzweißbild des Antragstellers in der Behördenakte könne nicht entnommen werden, dass dieser noch minderjährig sei. Eine Beweiserhebung finde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statt. Infolgedessen komme es auch nicht darauf an, ob im Hauptsacheverfahren ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen wäre. Aus den genannten Gründen könne auch der Antrag auf Gewähr von Prozesskostenhilfe keinen Erfolg haben.

7. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Unter Zugrundelegung der amtlichen Stellungnahme des Jugendamts Dortmund sei der Antragsteller volljährig. Die Voraussetzungen für eine In-Obhutnahme lägen deshalb nicht vor.

8. Mit Verfügung vom 11. September 2014 wies das Amtsgericht E. die Beteiligten des familiengerichtlichen Verfahrens darauf hin, dass nach den eingeholten Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller volljährig sei mit der Folge, dass er als Minderjähriger zu behandeln sei.

Der zusammenfassenden Beurteilung des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der LMU M. vom 1. September 2014 ist zu entnehmen, dass die Befunde zur Alterseinschätzung des Antragstellers sehr widersprüchlich seien. Der subjektive Eindruck des Untersuchers spreche (zwar) für ein Lebensalter von 18 bis 20 Jahren, was aber nur Hinweischarakter haben könne. (Auch) der zahnärztliche Untersuchungsbefund mit kariösen Läsionen von zwei Weisheitszähnen, die bereits vollständig ausgewachsen in der Kauebene stehen, belege im Regelfall ein Lebensalter von zumindest 22 Jahren. Die Röntgenaufnahme der linken Hand zeige auf der Daumenseite der Speichenwachstumsfuge noch eine kleine Kerbung, entsprechend offenbar einem sehr frischen Verschluss, alternativ einer irregulären Ausformung ohne Hinweiswert für das Alter. Insoweit sei zu sehen, dass die entsprechende Wachstumsfuge im Alter von 17 Jahren regelmäßig vollständig fusioniert sei. Die Befunde an den Brustbein-/Schlüsselbeingelenken des Antragstellers entsprächen aus radiologischer Sicht einer Teilfusion der Wachstumsfugen, wie sie bei Männern frühestens mit 17 ½ Jahren, aber auch bis zu 26 Jahren beobachtet werde. Die mittleren 50% mit einem solchen Befund lägen zwischen 20,1 und 23,9 Jahren. Die Fusion der Schlüsselbein-Wachstumsfuge des Antragstellers sei allerdings nur sehr gering ausgeprägt. Darüber hinaus wirkten die Schlüsselbeinschaftenden des Antragstellers ausgesprochen gleichmäßig wellig, wie dies regelmäßig einer aktiven Wachstumsfuge entspreche. Aktive Wachstumsfugen ohne Teilfusion würden bei Männern zwischen 14 ½ und 20 Jahren beobachtet. Die mittleren 50% mit einem solchen Entwicklungsstadium lägen zwischen 17,1 und 18,5 Jahren. Unklar sei jedoch, inwieweit die üblichen Kriterien zur Alterseinstufung auf den Antragsteller (überhaupt) angelegt werden könnten. Bei der körperlichen Untersuchung seien die besonders langen, schmalen Hände des Antragstellers aufgefallen, die auf eine Wachstumsstörung hinweisen könnten. Eine solche müsse gegebenenfalls durch die Fachabteilung für Auxologie (Wachstumskunde) abgeklärt werden, da sie durchaus Krankheitswert haben und therapiebedürftig sein könne. Eine entsprechende Abteilung stehe im Haunerschen Kinderspital der LMU M., Prof. Dr. ..., zur Verfügung. Obwohl insbesondere der zahnärztliche Befund ein Lebensalter noch deutlich höher als das zugewiesene zu belegen scheine, sei bei Unterstellung einer Wachstumsstörung das vom Antragsteller angegebene Geburtsdatum (gleichwohl) nicht auszuschließen.

Demgegenüber kommt das dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin beiliegende fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 - allerdings ohne Berücksichtigung einer möglichen Wachstumsstörung - zu der Einschätzung, dass der Antragsteller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit älter als 18 Jahre sowie mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% älter als 21 Jahre sei. Auch nach dem zahnärztlichen Untersuchungsbefund vom 13. August 2014 handelt es sich beim Antragsteller nicht mehr um einen Minderjährigen, sondern um einen jugendlichen Erwachsenen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes und die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht können keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Dem Antrags- und Klagebegehren können ferner hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht abgesprochen werden (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO).

1. Der Gesetzgeber hat die (Erst-)Versorgung und Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII primär den Jugendämtern zugewiesen (vgl. BVerwG, U. v. 8.7.2004 - 5 C 63.03 -, ZfJ 2005, 23 [25]; s. auch Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17; Peter, JAmt 2006, 60 [61]). Er trägt damit der UN-Kinderrechtskonvention Rechnung, die eindeutig verlangt, dass unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bzw. Asylsuchenden der gleiche staatliche Schutz zu gewähren ist wie deutschen Kindern (vgl. insbes. Art. 6 Abs. 2, Art. 20, 22 u. 32 ff.). Auch Art. 1 und 2 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (Minderjährigenschutzabkommen - MSA) verlangen, dass der Staat die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen trifft und dies nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts tut (vgl. Trenczek, in Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 15 u. 17; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548] m. w. N.). Bei der Durchführung der In-Obhutnahme sind Unterschiede zwischen (unbegleiteten) ausländischen und deutschen Minderjährigen unzulässig (vgl. Trenczek, in: Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 17). Der Schutz von Minderjährigen darf auch nicht davon abhängig gemacht werden, ob diese sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Ebenso wenig ist die In-Obhutnahme davon abhängig, ob der Minderjährige nach der Einreise ins Bundesgebiet um Asyl nachsucht (vgl. Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44). Dies gilt auch dann, wenn der Minderjährige das 16. Lebensjahr bereits vollendet hat und nach § 12 AsylVfG handlungsfähig ist. § 42 SGB VIII wird durch Regelungen des Asylrechts nicht verdrängt (BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24/98 -, BVerwGE 109, 155 [158 f.; 160]; siehe auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 16 f. m. w. N.). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die Verpflichtung des Jugendamts, unbegleitete Minderjährige nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen, gilt deshalb ausnahmslos, und damit unabhängig davon, ob die Betroffenen in Ausübung ihrer Handlungsfähigkeit bereits einen Asylantrag gestellt haben (vgl. Löhr, ZAR 2010, 378 [381]; Peter, JAmt 2006, 60 [64; 66]). Nimmt das Jugendamt einen unbegleitet eingereisten, sechzehnjährigen Asylantragsteller in Obhut, so ist dieser verpflichtet, in einer Einrichtung der Jugendhilfe zu wohnen. Die zuvor mit der Asylantragstellung begründete Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 u. 2 Nr. 3 AsylVfG) entfällt (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG). Unbegleitet eingereiste Minderjährige unter 16 Jahren unterliegen aufgrund der Systematik des Asylverfahrensrechts von vorneherein keiner Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG). Eine „Kollision“ zwischen Asylverfahrensrecht einerseits und Achtem Buch Sozialgesetzbuch andererseits (vgl. hierzu Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17 f.) besteht daher in Wahrheit nicht. Vielmehr treten die Bestimmungen über die Wohnpflicht nach dem Asylverfahrensgesetz im Fall einer auf der Grundlage des Achten Buchs Sozialgesetzbuch verfügten Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung kraft gesetzlicher Anordnung (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG) zurück (siehe auch Peter, JAmt 2006, 60 [64]). Ist ein vor Vollendung des 18. Lebensjahres unbegleitet nach Deutschland eingereister asylsuchender (minderjähriger) Ausländer, der weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland hat, in Obhut zu nehmen und unterzubringen, wie § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII dies ausnahmslos und unmissverständlich verlangt, so unterfällt er auch nicht dem gemäß §§ 45 f. AsylVfG vorgesehenen Verteilungsverfahren. Eine gleichwohl erfolgte, ihm gegenüber ergangene Weiterleitungsanordnung ist rechtswidrig (vgl. VG Berlin, B. v. 18.4.2011 - 20 L 331.10 - juris, Rn. 9; ebenso Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 18; Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Allein der Umstand, dass das zuständige Jugendamt seitens der Ausländerbehörden nicht oder nicht rechtzeitig von der Existenz des unbegleitet eingereisten asylsuchenden Minderjährigen Kenntnis erlangt, darf daher nicht dazu verleiten, eine nicht bestehende „Kollision“ oder gar einen Vorrang des Asylverfahrensrechts für die Unterbringung zu konstruieren. Vielmehr ist (auch) der unbegleitet eingereiste asylsuchende Minderjährige von der örtlichen Ausländerbehörde oder den Zentralen Aufnahmestellen für Asylbewerber unverzüglich an das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt weiterzuleiten (vgl. § 14 Satz 1 d. Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern - AGO: „Weiterleitung bei Unzuständigkeit“). Umgekehrt ist das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt gemäß § 81 SGB VIII gehalten, von der örtlichen Ausländerbehörde oder der Zentralen Aufnahmestelle Auskunft über den Aufenthalt unbegleitet eingereister Minderjähriger zu verlangen (vgl. Peters, JAmt 2006, 60 [63]: „Einmischungsauftrag“), um seiner Verpflichtung aus § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII genügen zu können.

Durch die in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIII getroffene Regelung hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass unbegleitet eingereiste Minderjährige - gleichviel welchen Alters - nicht in asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtungen (§ 44 AsylVfG) oder Gemeinschaftsunterkünften (§ 53 AsylVfG) untergebracht werden (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 64]). Dies allein entspricht zugleich den Anforderungen des Art. 20 UN-Kinderrechtskonvention. Nach dieser Bestimmung haben Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (vgl. Art. 1 UN-Kinderrechtskonvention) und aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, Anspruch auf besonderen staatlichen Schutz und Beistand (Abs. 1). Dieser ist durch eine kindgerechte Betreuung in einer Pflegefamilie oder in einer geeigneten Kinderbetreuungseinrichtung sicherzustellen (Absätze 2 u. 3). Eine solche ist in einer asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtung regelmäßig nicht gewährleistet (vgl. näher Peter, JAmt 2006, 60 [63 f.]; Löhr, ZAR 2010, 378 [381 f.]). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Anders als beim typischen Eltern-Kind-Konflikt bedarf es bei der In-Obhutnahme unbegleiteter Minderjähriger auch keiner Gefährdungsabschätzung (mehr), vielmehr wird eine (latente) Gefahr für das Wohl unbegleiteter Minderjähriger (alleine in einem fremden Land, mangelnde Sprachkenntnisse) - gleichviel welchen Alters - vom Gesetzgeber unterstellt (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 19; Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44; Peter, JAmt 2006, 60 [61; 62]). Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf unbegleitete minderjährige Asylbewerber, die das 16. Lebensjahr bereits vollendet haben, weil auch insoweit das Kindeswohl gefährdende körperliche oder gar sexuelle Übergriffe in Erstaufnahmeeinrichtungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. hierzu auch Art. 34 UN-Kinderrechtskonvention - „Schutz vor sexuellem Missbrauch“). Der von Teilen der Literatur (vgl. etwa Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 18) hinsichtlich dieses Personenkreises zusätzlich für erforderlich gehaltene „jugendhilferechtliche Bedarf“ liegt bereits von Gesetzes wegen vor.

Das nach § 87 SGB VIII örtlich zuständige Jugendamt muss deshalb, ohne dass ihm ein Ermessen eingeräumt wäre (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 65]), nicht nur Obhut gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gewähren, sondern darüber hinaus auch unverzüglich die Bestellung eines Vormunds veranlassen (§ 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII). Dessen Bestellung lässt die Erforderlichkeit einer In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII nicht entfallen. Ebenso wenig wie eine bereits angeordnete In-Obhutnahme durch eine Vormundbestellung endet (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 13 f.), wird eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII aufgrund der Anordnung einer Amtsvormundschaft entbehrlich. Die Aufgabe des Jugendamtes, gefährdeten Jugendlichen in einer Krisensituation Unterbringung und Betreuung zu gewährleisten, und der mit der In-Obhutnahme verbundene Schutzauftrag sind mit der Bestellung eines Amtsvormunds durch das Familiengericht noch nicht erfüllt; denn die bloße Existenz eines Personensorgeberechtigten, der anderweitige Hilfen beantragen könnte, lässt das Problem des akuten Unterkunfts- und Betreuungsbedarfs ungelöst (vgl. BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 14).

Da eine In-Obhutnahme Volljähriger rechtswidrig ist, hat das Jugendamt das Alter des Betroffenen festzustellen, ohne insoweit an die Feststellungen anderer Behörden gebunden zu sein (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 - juris, Rn. 9). Eine Altersschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 33.09 -, JAmt 2010, 46). Eine zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s. auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). Dabei ist außerhalb von Strafverfahren zu beachten, dass keine juristische Legitimation für die Durchführung von Röntgenuntersuchungen vorliegt und insofern nur ein eingeschränktes Methodenspektrum zur Verfügung steht. Allgemein wird deshalb eine körperliche Untersuchung mit Erfassung anthropometrischer Maße, der sexuellen Reifezeichen und möglicher altersrelevanter Entwicklungsstörungen sowie eine zahnärztliche Untersuchung mit Erhebung des Zahnstatus empfohlen (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 22/09 -, JAmt 2010, 44).

Bestehen ernsthafte Zweifel hinsichtlich des Alters des Betroffenen, so haben sowohl das Jugendamt (§ 20 SGB X) als auch die Gerichte (§ 86 VwGO) von Amts wegen alle Möglichkeiten auszuschöpfen, das Alter des Betroffenen festzustellen (so zutreffend OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 8 für das Kindschaftsrecht; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 u. a. -, juris, Rn. 9; siehe auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl. 2010, § 33a Rn. 8). Erst wenn alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft sind, trifft den um Obhutnahme bittenden Minderjährigen die materielle Beweislast für das von ihm behauptete Alter als anspruchsbegründende Tatsache (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6).

Lässt sich eine verlässliche Klärung des Alters nicht sogleich herbeiführen, so hat das Jugendamt im Zweifel, also dann, wenn das Vorliegen von Minderjährigkeit nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 21 a.E.; DIJuF- Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548 f.] m. w. N.). Dies gilt insbesondere dann, wenn auch das Familiengericht die Vormundschaft vorläufig - zur näheren Abklärung des Alters des Betroffenen - angeordnet und zugleich beschlossen hat, zur Feststellung des tatsächlichen Alters des Betroffenen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Auch die UNHCR-Richtlinie über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger vom Februar 1997 sieht ausdrücklich vor, dass im Zweifelsfall, also dann, wenn das genaue Alter ungewiss ist, zugunsten des betroffenen Kindes bzw. Jugendlichen entschieden werden soll (UNHCR 1997, 5.11 c).

2. Hiervon ausgehend kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht nicht aufrechterhalten werden. Weder der Vermerk des Jugendamts der Stadt Dortmund vom 7. Januar 2014 noch die Inaugenscheinnahme durch Vertreter des Kreisjugendamts E. und des Teams Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamts genügen den oben genannten Anforderungen. Vor allem lassen sie nicht erkennen, auf welche Merkmale und Kriterien die handelnden Personen ihre Annahme, der Antragsteller sei bereits volljährig, stützen. Der persönliche Eindruck allein kann insoweit nicht genügen. Gleiches hat hinsichtlich der Annahmen der Ausländerhilfe E. e.V. zu gelten. Auch das in den Akten enthaltene Lichtbild des Antragstellers lässt eine rechtlich und tatsächlich tragfähige Beurteilung nicht zu. Eine Minderjährigkeit des Antragstellers erscheint danach mindestens ebenso wahrscheinlich wie dessen Volljährigkeit. Die klärungsbedürftige Frage, ob der Antragsteller, wie er vorträgt, am 30. Oktober 1997 geboren wurde, infolgedessen noch minderjährig ist und damit dem Anwendungsbereich des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII unterfällt, muss derzeit vielmehr als offen angesehen werden. Dies deckt sich zugleich mit der Einschätzung des Amtsgerichts E. in den Beschlüssen vom 31. Juli und 1. August 2014 („möglicherweise noch minderjährig“) und der Verfügung des Amtsgerichts vom 11. September 2014, in der mitgeteilt wird, dass aufgrund der vorliegenden Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller bereits volljährig sei mit der Folge, dass er als noch Minderjähriger zu behandeln sei. In der Tat kann nach der (abschließenden) Altersdiagnose des Instituts für Rechtsmedizin der Universität M. vom 1. September 2014 aufgrund einer möglicherweise im Raum stehenden Wachstumsstörung Minderjährigkeit des Antragstellers nicht ausgeschlossen werden. Das fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 und der zahnärztliche Befund ebenfalls vom 13. August 2014 stehen dem nicht entgegen, da sie die Möglichkeit einer Wachstumsstörung nicht berücksichtigen. Insoweit wird es, wie vom Institut für Rechtsmedizin angeregt, weiterer Aufklärung durch die Fachabteilung für Auxologie des Haunerschen Kinderspitals der LMU M. - entweder noch im familiengerichtlichen Verfahren oder aber spätestens im bereits anhängigen Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht - bedürfen.

In einer solchen Fallkonstellation ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - im Lichte der den Verwaltungsprozess beherrschenden Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) im Wege einer (reinen) Folgenabwägung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden (vgl. BVerfG, B. v. 25.7.1996 - 1 BvR 638/96 -, NVwZ 1997, 479 [481]; B. v. 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 -, NVwZ 2008, 880 [881]; B. v. 25.2.2009 - 1 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, 715 f.; BVerwG, B. v. 13.10.1994 - 7 VR 10/94 -, NVwZ1995, 379 [380]; siehe auch Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 100 f.), die die Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung asylbegehrender unbegleiteter Minderjähriger der Primärzuständigkeit des Jugendamts zu überantworten (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII), und den von Verfassungs wegen gebotenen Schutz Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) gleichermaßen entscheidungserheblich in den Blick nimmt.

Vorliegend überwiegen insoweit die persönlichen Interessen des Antragstellers gegenüber möglicherweise entgegenstehenden öffentlichen Belangen. Sollte sich in dem vom Amtsgericht E. eingeleiteten Altersfeststellungsverfahren bzw. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens vor dem Verwaltungsgericht herausstellen, dass der Antragsteller - wie von ihm behauptet - tatsächlich minderjährig ist, so ginge er, würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen, des durch § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII vermittelten Rechtsanspruchs auf In-Obhutnahme und Unterbringung in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für einen nicht unerheblichen Zeitraum verlustig. Gleichzeitig bliebe er weiterhin den möglichen Gefahren einer unbegleiteten Unterbringung in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene ausgesetzt, denen der Gesetzgeber mit dem Erlass der in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII getroffenen Regelung gerade begegnen wollte. Darüber hinaus würde die Einleitung geeigneter Fördermaßnahmen verzögert. Demgegenüber wiegen die finanziellen Nachteile, die der Antragsgegner möglicherweise dadurch erleiden könnte, dass sich im Rahmen des laufenden Feststellungsverfahrens die Volljährigkeit des Antragstellers ergibt und die diesem bis zur Klärung des Alters zuteil gewordene In-Obhutnahme sich im Nachhinein als überflüssig erweist, deutlich geringer.

Damit hat der Antragsteller sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Der Antragsteller kann nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die begehrte einstweilige Anordnung ist daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - bis zur endgültigen Feststellung des Alters des Antragstellers im anhängigen familiengerichtlichen Verfahren bzw. bis zur endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren - zu erlassen. Eine (unzulässige) Vorwegnahme der Hauptsache liegt insoweit nicht inmitten, da die einstweilige Anordnung zeitlich befristet - bis zur endgültigen Klärung des Alters - und damit lediglich vorläufig erfolgt, die Maßnahme der Existenzsicherung dient und dem Antragsteller ein Abwarten bis zur Entscheidung im familiengerichtlichen Verfahren bzw. im Hauptsacheverfahren aufgrund des damit (möglicherweise) verbundenen Rechtsverlustes nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, B. v. 21.1.1999 - 11 VR 8/98 -, NVwZ 1999, 650; siehe auch Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rn. 14; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 104 f.).

3. Zugleich ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Klageverfahren unter Anwaltsbeiordnung zu bewilligen (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 Abs. 1, 121 Abs. 2 ZPO), da die weitere Klärung von einer (weiteren) Beweiserhebung abhängt und nach derzeitiger Sachlage hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht ausgeschlossen werden können (vgl. BayVGH, B. v. 11.3.2014 - 12 C 14.380 - juris, Rn.10 m. w. N.).

4. Die Kostenentscheidung im Eilverfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Eine Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe ist nicht erforderlich, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden (§ 188 Satz 2 VwGO) und Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Das Jugendamt hat im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme der ausländischen Person gemäß § 42a deren Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in deren Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzuschätzen und festzustellen. § 8 Absatz 1 und § 42 Absatz 2 Satz 2 sind entsprechend anzuwenden.

(2) Auf Antrag des Betroffenen oder seines Vertreters oder von Amts wegen hat das Jugendamt in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen. Ist eine ärztliche Untersuchung durchzuführen, ist die betroffene Person durch das Jugendamt umfassend über die Untersuchungsmethode und über die möglichen Folgen der Altersbestimmung aufzuklären. Ist die ärztliche Untersuchung von Amts wegen durchzuführen, ist die betroffene Person zusätzlich über die Folgen einer Weigerung, sich der ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, aufzuklären; die Untersuchung darf nur mit Einwilligung der betroffenen Person und ihres Vertreters durchgeführt werden. Die §§ 60, 62 und 65 bis 67 des Ersten Buches sind entsprechend anzuwenden.

(3) Widerspruch und Klage gegen die Entscheidung des Jugendamts, aufgrund der Altersfeststellung nach dieser Vorschrift die vorläufige Inobhutnahme nach § 42a oder die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 abzulehnen oder zu beenden, haben keine aufschiebende Wirkung. Landesrecht kann bestimmen, dass gegen diese Entscheidung Klage ohne Nachprüfung in einem Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung erhoben werden kann.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2014 - M 18 E 14.3412 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters in dem vor dem Amtsgericht E. anhängigen familiengerichtlichen Verfahren - Az: 001F469/14 - bzw. im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

IV.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Klage- und Antragsverfahren erster Instanz bewilligt und Rechtsanwältin Dr. ... aus ... beigeordnet.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt seine In-Obhutnahme als unbegleitet eingereister Minderjähriger (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII). Seinen eigenen Angaben zufolge ist er afghanischer Staatsangehöriger und wurde am ... geboren. Nach seiner Einreise hat er Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gestellt.

1. Anlässlich eines Gesprächs des Antragstellers mit Mitarbeitern des Jugendamts und der Ausländerbehörde der Stadt Dortmund am 6. Januar 2014 entstanden Zweifel hinsichtlich des von ihm angegebenen Alters. In einem Vermerk des Jugendamts Dortmund vom 7. Januar 2014 wurde festgehalten, für eine Minderjährigkeit des Antragstellers bestünden keine Anhaltspunkte; es sei davon auszugehen, dass er zumindest 18 Jahre alt sei. Das Geburtsdatum wurde fiktiv auf den 1. Januar 1996 festgelegt. Mit Bescheid der Regierung von Oberbayern (Regierungsaufnahmestelle für Asylbewerber) vom 10. März 2014 wurde der Antragsteller ab dem 12. März 2014 dem Landkreis E. zugewiesen.

2. Mit Schreiben vom 24. Juli 2014 beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers, diesen nach § 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung oder bei einer Pflegefamilie unterzubringen. Der Antragsteller sei minderjährig. Zur Begründung wurde auf einen weder einen Briefkopf tragenden noch eine Unterschrift enthaltenen Bericht der Ausländerhilfe E. e.V. zur Einschätzung des Alters des Antragstellers Bezug genommen.

3. Mit Beschluss vom 31. Juli 2014 (Az: 001F469/14) stellte das Amtsgericht E. im Wege der einstweiligen Anordnung fest, dass das elterliche Sorgerecht bis zur Abklärung des Alters des Betroffenen vorläufig ruht. Gleichzeitig wurde das Kreisjugendamt E. als vorläufiger Vormund ausgewählt. Mit weiterem Beschluss vom 1. August 2014 verfügte das Amtsgericht, dass zur Feststellung des Alters des Antragstellers ein Sachverständigengutachten einzuholen sei. Mit dessen Erstellung wurde das Institut für Rechtsmedizin der Universität M. beauftragt.

4. Mit undatiertem Bescheid, vermutlich vom 6. August 2014, lehnte der Antragsgegner die beantragte In-Obhutnahme (§ 42 SGB VIII) sowie die Gewährung von Hilfe zur Erziehung (§§ 27 ff. SGB VIII) ab. Der Antragsteller sei aufgrund der Alterseinschätzung durch das Jugendamt Dortmund als volljährig einzustufen. Die Alterseinschätzung einer ehrenamtlichen Initiative, hier der Ausländerhilfe E. e. V., könne die amtlich festgestellte Alterseinschätzung nicht abändern. Darüber hinaus sei das Kreisjugendamt mit Beschluss vom 31. Juli 2014 zum Vormund bestellt worden, so dass die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII entfallen seien. Zweifel an der Volljährigkeit des Antragstellers bestünden auch aufgrund einer Inaugenscheinnahme des Antragsgegners im Kreisjugendamt und im Team Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamtes nicht; es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Minderjährigkeit des Antragstellers ergeben. Auch ein - vorsorglich geprüfter - Bedarf für eine Jugendhilfemaßnahme habe nicht festgestellt werden können. Der Antragsteller sei in seiner Unterkunft gut integriert. Diese werde von zwei Mitarbeitern des Landratsamts regelmäßig besucht und betreut.

5. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. August 2014 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 6. August 2014 erheben und beantragen, das Kreisjugendamt E. - zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung - zu verpflichten, ihn in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Er wohne als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in einer Asylunterkunft für Erwachsene. In dieser gebe es keine Betreuung für Minderjährige. Sein Wohl sei daher gefährdet. Bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen familiengerichtlichen Verfahrens sei von seiner Minderjährigkeit auszugehen, so dass er gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen sei. Eine Verpflichtung zur In-Obhutnahme bestehe auch deshalb, weil er um diese gebeten habe. Es sei ihm nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

6. Mit Beschluss vom 18. August 2014 lehnte das Verwaltungsgericht München die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft machen können, dass er Jugendlicher im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB VIII i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII sei und insoweit ein Anordnungsanspruch gemäß § 123 VwGO bestehe. Es hätten Gespräche sachkundiger Personen mit dem Antragsteller stattgefunden, die zu dessen Einschätzung als volljährig geführt hätten, so dass er für das Eilverfahren nicht gleichsam „unbesehen“ als Jugendlicher betrachtet werden könne. Dem vom Antragsteller vorgelegten Bericht zur Einschätzung des Alters komme für das gerichtliche Verfahren kein eigener Erkenntniswert zu, weil dieser Bericht seinen Ersteller nicht erkennen lasse. Weitere Erkenntnismittel stünden nicht zur Verfügung. Auch dem computermäßig reproduzierten Schwarzweißbild des Antragstellers in der Behördenakte könne nicht entnommen werden, dass dieser noch minderjährig sei. Eine Beweiserhebung finde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statt. Infolgedessen komme es auch nicht darauf an, ob im Hauptsacheverfahren ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen wäre. Aus den genannten Gründen könne auch der Antrag auf Gewähr von Prozesskostenhilfe keinen Erfolg haben.

7. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Unter Zugrundelegung der amtlichen Stellungnahme des Jugendamts Dortmund sei der Antragsteller volljährig. Die Voraussetzungen für eine In-Obhutnahme lägen deshalb nicht vor.

8. Mit Verfügung vom 11. September 2014 wies das Amtsgericht E. die Beteiligten des familiengerichtlichen Verfahrens darauf hin, dass nach den eingeholten Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller volljährig sei mit der Folge, dass er als Minderjähriger zu behandeln sei.

Der zusammenfassenden Beurteilung des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der LMU M. vom 1. September 2014 ist zu entnehmen, dass die Befunde zur Alterseinschätzung des Antragstellers sehr widersprüchlich seien. Der subjektive Eindruck des Untersuchers spreche (zwar) für ein Lebensalter von 18 bis 20 Jahren, was aber nur Hinweischarakter haben könne. (Auch) der zahnärztliche Untersuchungsbefund mit kariösen Läsionen von zwei Weisheitszähnen, die bereits vollständig ausgewachsen in der Kauebene stehen, belege im Regelfall ein Lebensalter von zumindest 22 Jahren. Die Röntgenaufnahme der linken Hand zeige auf der Daumenseite der Speichenwachstumsfuge noch eine kleine Kerbung, entsprechend offenbar einem sehr frischen Verschluss, alternativ einer irregulären Ausformung ohne Hinweiswert für das Alter. Insoweit sei zu sehen, dass die entsprechende Wachstumsfuge im Alter von 17 Jahren regelmäßig vollständig fusioniert sei. Die Befunde an den Brustbein-/Schlüsselbeingelenken des Antragstellers entsprächen aus radiologischer Sicht einer Teilfusion der Wachstumsfugen, wie sie bei Männern frühestens mit 17 ½ Jahren, aber auch bis zu 26 Jahren beobachtet werde. Die mittleren 50% mit einem solchen Befund lägen zwischen 20,1 und 23,9 Jahren. Die Fusion der Schlüsselbein-Wachstumsfuge des Antragstellers sei allerdings nur sehr gering ausgeprägt. Darüber hinaus wirkten die Schlüsselbeinschaftenden des Antragstellers ausgesprochen gleichmäßig wellig, wie dies regelmäßig einer aktiven Wachstumsfuge entspreche. Aktive Wachstumsfugen ohne Teilfusion würden bei Männern zwischen 14 ½ und 20 Jahren beobachtet. Die mittleren 50% mit einem solchen Entwicklungsstadium lägen zwischen 17,1 und 18,5 Jahren. Unklar sei jedoch, inwieweit die üblichen Kriterien zur Alterseinstufung auf den Antragsteller (überhaupt) angelegt werden könnten. Bei der körperlichen Untersuchung seien die besonders langen, schmalen Hände des Antragstellers aufgefallen, die auf eine Wachstumsstörung hinweisen könnten. Eine solche müsse gegebenenfalls durch die Fachabteilung für Auxologie (Wachstumskunde) abgeklärt werden, da sie durchaus Krankheitswert haben und therapiebedürftig sein könne. Eine entsprechende Abteilung stehe im Haunerschen Kinderspital der LMU M., Prof. Dr. ..., zur Verfügung. Obwohl insbesondere der zahnärztliche Befund ein Lebensalter noch deutlich höher als das zugewiesene zu belegen scheine, sei bei Unterstellung einer Wachstumsstörung das vom Antragsteller angegebene Geburtsdatum (gleichwohl) nicht auszuschließen.

Demgegenüber kommt das dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin beiliegende fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 - allerdings ohne Berücksichtigung einer möglichen Wachstumsstörung - zu der Einschätzung, dass der Antragsteller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit älter als 18 Jahre sowie mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% älter als 21 Jahre sei. Auch nach dem zahnärztlichen Untersuchungsbefund vom 13. August 2014 handelt es sich beim Antragsteller nicht mehr um einen Minderjährigen, sondern um einen jugendlichen Erwachsenen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes und die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht können keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Dem Antrags- und Klagebegehren können ferner hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht abgesprochen werden (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO).

1. Der Gesetzgeber hat die (Erst-)Versorgung und Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII primär den Jugendämtern zugewiesen (vgl. BVerwG, U. v. 8.7.2004 - 5 C 63.03 -, ZfJ 2005, 23 [25]; s. auch Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17; Peter, JAmt 2006, 60 [61]). Er trägt damit der UN-Kinderrechtskonvention Rechnung, die eindeutig verlangt, dass unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bzw. Asylsuchenden der gleiche staatliche Schutz zu gewähren ist wie deutschen Kindern (vgl. insbes. Art. 6 Abs. 2, Art. 20, 22 u. 32 ff.). Auch Art. 1 und 2 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (Minderjährigenschutzabkommen - MSA) verlangen, dass der Staat die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen trifft und dies nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts tut (vgl. Trenczek, in Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 15 u. 17; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548] m. w. N.). Bei der Durchführung der In-Obhutnahme sind Unterschiede zwischen (unbegleiteten) ausländischen und deutschen Minderjährigen unzulässig (vgl. Trenczek, in: Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 17). Der Schutz von Minderjährigen darf auch nicht davon abhängig gemacht werden, ob diese sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Ebenso wenig ist die In-Obhutnahme davon abhängig, ob der Minderjährige nach der Einreise ins Bundesgebiet um Asyl nachsucht (vgl. Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44). Dies gilt auch dann, wenn der Minderjährige das 16. Lebensjahr bereits vollendet hat und nach § 12 AsylVfG handlungsfähig ist. § 42 SGB VIII wird durch Regelungen des Asylrechts nicht verdrängt (BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24/98 -, BVerwGE 109, 155 [158 f.; 160]; siehe auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 16 f. m. w. N.). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die Verpflichtung des Jugendamts, unbegleitete Minderjährige nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen, gilt deshalb ausnahmslos, und damit unabhängig davon, ob die Betroffenen in Ausübung ihrer Handlungsfähigkeit bereits einen Asylantrag gestellt haben (vgl. Löhr, ZAR 2010, 378 [381]; Peter, JAmt 2006, 60 [64; 66]). Nimmt das Jugendamt einen unbegleitet eingereisten, sechzehnjährigen Asylantragsteller in Obhut, so ist dieser verpflichtet, in einer Einrichtung der Jugendhilfe zu wohnen. Die zuvor mit der Asylantragstellung begründete Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 u. 2 Nr. 3 AsylVfG) entfällt (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG). Unbegleitet eingereiste Minderjährige unter 16 Jahren unterliegen aufgrund der Systematik des Asylverfahrensrechts von vorneherein keiner Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG). Eine „Kollision“ zwischen Asylverfahrensrecht einerseits und Achtem Buch Sozialgesetzbuch andererseits (vgl. hierzu Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17 f.) besteht daher in Wahrheit nicht. Vielmehr treten die Bestimmungen über die Wohnpflicht nach dem Asylverfahrensgesetz im Fall einer auf der Grundlage des Achten Buchs Sozialgesetzbuch verfügten Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung kraft gesetzlicher Anordnung (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG) zurück (siehe auch Peter, JAmt 2006, 60 [64]). Ist ein vor Vollendung des 18. Lebensjahres unbegleitet nach Deutschland eingereister asylsuchender (minderjähriger) Ausländer, der weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland hat, in Obhut zu nehmen und unterzubringen, wie § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII dies ausnahmslos und unmissverständlich verlangt, so unterfällt er auch nicht dem gemäß §§ 45 f. AsylVfG vorgesehenen Verteilungsverfahren. Eine gleichwohl erfolgte, ihm gegenüber ergangene Weiterleitungsanordnung ist rechtswidrig (vgl. VG Berlin, B. v. 18.4.2011 - 20 L 331.10 - juris, Rn. 9; ebenso Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 18; Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Allein der Umstand, dass das zuständige Jugendamt seitens der Ausländerbehörden nicht oder nicht rechtzeitig von der Existenz des unbegleitet eingereisten asylsuchenden Minderjährigen Kenntnis erlangt, darf daher nicht dazu verleiten, eine nicht bestehende „Kollision“ oder gar einen Vorrang des Asylverfahrensrechts für die Unterbringung zu konstruieren. Vielmehr ist (auch) der unbegleitet eingereiste asylsuchende Minderjährige von der örtlichen Ausländerbehörde oder den Zentralen Aufnahmestellen für Asylbewerber unverzüglich an das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt weiterzuleiten (vgl. § 14 Satz 1 d. Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern - AGO: „Weiterleitung bei Unzuständigkeit“). Umgekehrt ist das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt gemäß § 81 SGB VIII gehalten, von der örtlichen Ausländerbehörde oder der Zentralen Aufnahmestelle Auskunft über den Aufenthalt unbegleitet eingereister Minderjähriger zu verlangen (vgl. Peters, JAmt 2006, 60 [63]: „Einmischungsauftrag“), um seiner Verpflichtung aus § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII genügen zu können.

Durch die in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIII getroffene Regelung hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass unbegleitet eingereiste Minderjährige - gleichviel welchen Alters - nicht in asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtungen (§ 44 AsylVfG) oder Gemeinschaftsunterkünften (§ 53 AsylVfG) untergebracht werden (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 64]). Dies allein entspricht zugleich den Anforderungen des Art. 20 UN-Kinderrechtskonvention. Nach dieser Bestimmung haben Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (vgl. Art. 1 UN-Kinderrechtskonvention) und aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, Anspruch auf besonderen staatlichen Schutz und Beistand (Abs. 1). Dieser ist durch eine kindgerechte Betreuung in einer Pflegefamilie oder in einer geeigneten Kinderbetreuungseinrichtung sicherzustellen (Absätze 2 u. 3). Eine solche ist in einer asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtung regelmäßig nicht gewährleistet (vgl. näher Peter, JAmt 2006, 60 [63 f.]; Löhr, ZAR 2010, 378 [381 f.]). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Anders als beim typischen Eltern-Kind-Konflikt bedarf es bei der In-Obhutnahme unbegleiteter Minderjähriger auch keiner Gefährdungsabschätzung (mehr), vielmehr wird eine (latente) Gefahr für das Wohl unbegleiteter Minderjähriger (alleine in einem fremden Land, mangelnde Sprachkenntnisse) - gleichviel welchen Alters - vom Gesetzgeber unterstellt (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 19; Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44; Peter, JAmt 2006, 60 [61; 62]). Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf unbegleitete minderjährige Asylbewerber, die das 16. Lebensjahr bereits vollendet haben, weil auch insoweit das Kindeswohl gefährdende körperliche oder gar sexuelle Übergriffe in Erstaufnahmeeinrichtungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. hierzu auch Art. 34 UN-Kinderrechtskonvention - „Schutz vor sexuellem Missbrauch“). Der von Teilen der Literatur (vgl. etwa Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 18) hinsichtlich dieses Personenkreises zusätzlich für erforderlich gehaltene „jugendhilferechtliche Bedarf“ liegt bereits von Gesetzes wegen vor.

Das nach § 87 SGB VIII örtlich zuständige Jugendamt muss deshalb, ohne dass ihm ein Ermessen eingeräumt wäre (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 65]), nicht nur Obhut gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gewähren, sondern darüber hinaus auch unverzüglich die Bestellung eines Vormunds veranlassen (§ 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII). Dessen Bestellung lässt die Erforderlichkeit einer In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII nicht entfallen. Ebenso wenig wie eine bereits angeordnete In-Obhutnahme durch eine Vormundbestellung endet (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 13 f.), wird eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII aufgrund der Anordnung einer Amtsvormundschaft entbehrlich. Die Aufgabe des Jugendamtes, gefährdeten Jugendlichen in einer Krisensituation Unterbringung und Betreuung zu gewährleisten, und der mit der In-Obhutnahme verbundene Schutzauftrag sind mit der Bestellung eines Amtsvormunds durch das Familiengericht noch nicht erfüllt; denn die bloße Existenz eines Personensorgeberechtigten, der anderweitige Hilfen beantragen könnte, lässt das Problem des akuten Unterkunfts- und Betreuungsbedarfs ungelöst (vgl. BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 14).

Da eine In-Obhutnahme Volljähriger rechtswidrig ist, hat das Jugendamt das Alter des Betroffenen festzustellen, ohne insoweit an die Feststellungen anderer Behörden gebunden zu sein (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 - juris, Rn. 9). Eine Altersschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 33.09 -, JAmt 2010, 46). Eine zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s. auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). Dabei ist außerhalb von Strafverfahren zu beachten, dass keine juristische Legitimation für die Durchführung von Röntgenuntersuchungen vorliegt und insofern nur ein eingeschränktes Methodenspektrum zur Verfügung steht. Allgemein wird deshalb eine körperliche Untersuchung mit Erfassung anthropometrischer Maße, der sexuellen Reifezeichen und möglicher altersrelevanter Entwicklungsstörungen sowie eine zahnärztliche Untersuchung mit Erhebung des Zahnstatus empfohlen (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 22/09 -, JAmt 2010, 44).

Bestehen ernsthafte Zweifel hinsichtlich des Alters des Betroffenen, so haben sowohl das Jugendamt (§ 20 SGB X) als auch die Gerichte (§ 86 VwGO) von Amts wegen alle Möglichkeiten auszuschöpfen, das Alter des Betroffenen festzustellen (so zutreffend OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 8 für das Kindschaftsrecht; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 u. a. -, juris, Rn. 9; siehe auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl. 2010, § 33a Rn. 8). Erst wenn alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft sind, trifft den um Obhutnahme bittenden Minderjährigen die materielle Beweislast für das von ihm behauptete Alter als anspruchsbegründende Tatsache (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6).

Lässt sich eine verlässliche Klärung des Alters nicht sogleich herbeiführen, so hat das Jugendamt im Zweifel, also dann, wenn das Vorliegen von Minderjährigkeit nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 21 a.E.; DIJuF- Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548 f.] m. w. N.). Dies gilt insbesondere dann, wenn auch das Familiengericht die Vormundschaft vorläufig - zur näheren Abklärung des Alters des Betroffenen - angeordnet und zugleich beschlossen hat, zur Feststellung des tatsächlichen Alters des Betroffenen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Auch die UNHCR-Richtlinie über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger vom Februar 1997 sieht ausdrücklich vor, dass im Zweifelsfall, also dann, wenn das genaue Alter ungewiss ist, zugunsten des betroffenen Kindes bzw. Jugendlichen entschieden werden soll (UNHCR 1997, 5.11 c).

2. Hiervon ausgehend kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht nicht aufrechterhalten werden. Weder der Vermerk des Jugendamts der Stadt Dortmund vom 7. Januar 2014 noch die Inaugenscheinnahme durch Vertreter des Kreisjugendamts E. und des Teams Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamts genügen den oben genannten Anforderungen. Vor allem lassen sie nicht erkennen, auf welche Merkmale und Kriterien die handelnden Personen ihre Annahme, der Antragsteller sei bereits volljährig, stützen. Der persönliche Eindruck allein kann insoweit nicht genügen. Gleiches hat hinsichtlich der Annahmen der Ausländerhilfe E. e.V. zu gelten. Auch das in den Akten enthaltene Lichtbild des Antragstellers lässt eine rechtlich und tatsächlich tragfähige Beurteilung nicht zu. Eine Minderjährigkeit des Antragstellers erscheint danach mindestens ebenso wahrscheinlich wie dessen Volljährigkeit. Die klärungsbedürftige Frage, ob der Antragsteller, wie er vorträgt, am 30. Oktober 1997 geboren wurde, infolgedessen noch minderjährig ist und damit dem Anwendungsbereich des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII unterfällt, muss derzeit vielmehr als offen angesehen werden. Dies deckt sich zugleich mit der Einschätzung des Amtsgerichts E. in den Beschlüssen vom 31. Juli und 1. August 2014 („möglicherweise noch minderjährig“) und der Verfügung des Amtsgerichts vom 11. September 2014, in der mitgeteilt wird, dass aufgrund der vorliegenden Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller bereits volljährig sei mit der Folge, dass er als noch Minderjähriger zu behandeln sei. In der Tat kann nach der (abschließenden) Altersdiagnose des Instituts für Rechtsmedizin der Universität M. vom 1. September 2014 aufgrund einer möglicherweise im Raum stehenden Wachstumsstörung Minderjährigkeit des Antragstellers nicht ausgeschlossen werden. Das fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 und der zahnärztliche Befund ebenfalls vom 13. August 2014 stehen dem nicht entgegen, da sie die Möglichkeit einer Wachstumsstörung nicht berücksichtigen. Insoweit wird es, wie vom Institut für Rechtsmedizin angeregt, weiterer Aufklärung durch die Fachabteilung für Auxologie des Haunerschen Kinderspitals der LMU M. - entweder noch im familiengerichtlichen Verfahren oder aber spätestens im bereits anhängigen Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht - bedürfen.

In einer solchen Fallkonstellation ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - im Lichte der den Verwaltungsprozess beherrschenden Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) im Wege einer (reinen) Folgenabwägung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden (vgl. BVerfG, B. v. 25.7.1996 - 1 BvR 638/96 -, NVwZ 1997, 479 [481]; B. v. 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 -, NVwZ 2008, 880 [881]; B. v. 25.2.2009 - 1 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, 715 f.; BVerwG, B. v. 13.10.1994 - 7 VR 10/94 -, NVwZ1995, 379 [380]; siehe auch Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 100 f.), die die Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung asylbegehrender unbegleiteter Minderjähriger der Primärzuständigkeit des Jugendamts zu überantworten (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII), und den von Verfassungs wegen gebotenen Schutz Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) gleichermaßen entscheidungserheblich in den Blick nimmt.

Vorliegend überwiegen insoweit die persönlichen Interessen des Antragstellers gegenüber möglicherweise entgegenstehenden öffentlichen Belangen. Sollte sich in dem vom Amtsgericht E. eingeleiteten Altersfeststellungsverfahren bzw. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens vor dem Verwaltungsgericht herausstellen, dass der Antragsteller - wie von ihm behauptet - tatsächlich minderjährig ist, so ginge er, würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen, des durch § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII vermittelten Rechtsanspruchs auf In-Obhutnahme und Unterbringung in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für einen nicht unerheblichen Zeitraum verlustig. Gleichzeitig bliebe er weiterhin den möglichen Gefahren einer unbegleiteten Unterbringung in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene ausgesetzt, denen der Gesetzgeber mit dem Erlass der in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII getroffenen Regelung gerade begegnen wollte. Darüber hinaus würde die Einleitung geeigneter Fördermaßnahmen verzögert. Demgegenüber wiegen die finanziellen Nachteile, die der Antragsgegner möglicherweise dadurch erleiden könnte, dass sich im Rahmen des laufenden Feststellungsverfahrens die Volljährigkeit des Antragstellers ergibt und die diesem bis zur Klärung des Alters zuteil gewordene In-Obhutnahme sich im Nachhinein als überflüssig erweist, deutlich geringer.

Damit hat der Antragsteller sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Der Antragsteller kann nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die begehrte einstweilige Anordnung ist daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - bis zur endgültigen Feststellung des Alters des Antragstellers im anhängigen familiengerichtlichen Verfahren bzw. bis zur endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren - zu erlassen. Eine (unzulässige) Vorwegnahme der Hauptsache liegt insoweit nicht inmitten, da die einstweilige Anordnung zeitlich befristet - bis zur endgültigen Klärung des Alters - und damit lediglich vorläufig erfolgt, die Maßnahme der Existenzsicherung dient und dem Antragsteller ein Abwarten bis zur Entscheidung im familiengerichtlichen Verfahren bzw. im Hauptsacheverfahren aufgrund des damit (möglicherweise) verbundenen Rechtsverlustes nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, B. v. 21.1.1999 - 11 VR 8/98 -, NVwZ 1999, 650; siehe auch Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rn. 14; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 104 f.).

3. Zugleich ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Klageverfahren unter Anwaltsbeiordnung zu bewilligen (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 Abs. 1, 121 Abs. 2 ZPO), da die weitere Klärung von einer (weiteren) Beweiserhebung abhängt und nach derzeitiger Sachlage hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht ausgeschlossen werden können (vgl. BayVGH, B. v. 11.3.2014 - 12 C 14.380 - juris, Rn.10 m. w. N.).

4. Die Kostenentscheidung im Eilverfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Eine Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe ist nicht erforderlich, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden (§ 188 Satz 2 VwGO) und Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen vorläufig in Obhut zu nehmen, sobald dessen unbegleitete Einreise nach Deutschland festgestellt wird. Ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher ist grundsätzlich dann als unbegleitet zu betrachten, wenn die Einreise nicht in Begleitung eines Personensorgeberechtigten oder Erziehungsberechtigten erfolgt; dies gilt auch, wenn das Kind oder der Jugendliche verheiratet ist. § 42 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 2 und 3, Absatz 5 sowie 6 gilt entsprechend.

(2) Das Jugendamt hat während der vorläufigen Inobhutnahme zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen einzuschätzen,

1.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen durch die Durchführung des Verteilungsverfahrens gefährdet würde,
2.
ob sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland aufhält,
3.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen eine gemeinsame Inobhutnahme mit Geschwistern oder anderen unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen erfordert und
4.
ob der Gesundheitszustand des Kindes oder des Jugendlichen die Durchführung des Verteilungsverfahrens innerhalb von 14 Werktagen nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme ausschließt; hierzu soll eine ärztliche Stellungnahme eingeholt werden.
Auf der Grundlage des Ergebnisses der Einschätzung nach Satz 1 entscheidet das Jugendamt über die Anmeldung des Kindes oder des Jugendlichen zur Verteilung oder den Ausschluss der Verteilung.

(3) Das Jugendamt ist während der vorläufigen Inobhutnahme berechtigt und verpflichtet, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen notwendig sind. Dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen und der mutmaßliche Wille der Personen- oder der Erziehungsberechtigten angemessen zu berücksichtigen.

(3a) Das Jugendamt hat dafür Sorge zu tragen, dass für die in Absatz 1 genannten Kinder oder Jugendlichen unverzüglich erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 49 Absatz 8 und 9 des Aufenthaltsgesetzes durchgeführt werden, wenn Zweifel über die Identität bestehen.

(4) Das Jugendamt hat der nach Landesrecht für die Verteilung von unbegleiteten ausländischen Kindern und Jugendlichen zuständigen Stelle die vorläufige Inobhutnahme des Kindes oder des Jugendlichen innerhalb von sieben Werktagen nach Beginn der Maßnahme zur Erfüllung der in § 42b genannten Aufgaben mitzuteilen. Zu diesem Zweck sind auch die Ergebnisse der Einschätzung nach Absatz 2 Satz 1 mitzuteilen. Die nach Landesrecht zuständige Stelle hat gegenüber dem Bundesverwaltungsamt innerhalb von drei Werktagen das Kind oder den Jugendlichen zur Verteilung anzumelden oder den Ausschluss der Verteilung anzuzeigen.

(5) Soll das Kind oder der Jugendliche im Rahmen eines Verteilungsverfahrens untergebracht werden, so umfasst die vorläufige Inobhutnahme auch die Pflicht,

1.
die Begleitung des Kindes oder des Jugendlichen und dessen Übergabe durch eine insofern geeignete Person an das für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständige Jugendamt sicherzustellen sowie
2.
dem für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständigen Jugendamt unverzüglich die personenbezogenen Daten zu übermitteln, die zur Wahrnehmung der Aufgaben nach § 42 erforderlich sind.
Hält sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland auf, hat das Jugendamt auf eine Zusammenführung des Kindes oder des Jugendlichen mit dieser Person hinzuwirken, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Das Kind oder der Jugendliche ist an der Übergabe und an der Entscheidung über die Familienzusammenführung angemessen zu beteiligen.

(6) Die vorläufige Inobhutnahme endet mit der Übergabe des Kindes oder des Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten oder an das aufgrund der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde nach § 88a Absatz 2 Satz 1 zuständige Jugendamt oder mit der Anzeige nach Absatz 4 Satz 3 über den Ausschluss des Verteilungsverfahrens nach § 42b Absatz 4.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2014 - M 18 E 14.3412 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters in dem vor dem Amtsgericht E. anhängigen familiengerichtlichen Verfahren - Az: 001F469/14 - bzw. im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

IV.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Klage- und Antragsverfahren erster Instanz bewilligt und Rechtsanwältin Dr. ... aus ... beigeordnet.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt seine In-Obhutnahme als unbegleitet eingereister Minderjähriger (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII). Seinen eigenen Angaben zufolge ist er afghanischer Staatsangehöriger und wurde am ... geboren. Nach seiner Einreise hat er Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gestellt.

1. Anlässlich eines Gesprächs des Antragstellers mit Mitarbeitern des Jugendamts und der Ausländerbehörde der Stadt Dortmund am 6. Januar 2014 entstanden Zweifel hinsichtlich des von ihm angegebenen Alters. In einem Vermerk des Jugendamts Dortmund vom 7. Januar 2014 wurde festgehalten, für eine Minderjährigkeit des Antragstellers bestünden keine Anhaltspunkte; es sei davon auszugehen, dass er zumindest 18 Jahre alt sei. Das Geburtsdatum wurde fiktiv auf den 1. Januar 1996 festgelegt. Mit Bescheid der Regierung von Oberbayern (Regierungsaufnahmestelle für Asylbewerber) vom 10. März 2014 wurde der Antragsteller ab dem 12. März 2014 dem Landkreis E. zugewiesen.

2. Mit Schreiben vom 24. Juli 2014 beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers, diesen nach § 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung oder bei einer Pflegefamilie unterzubringen. Der Antragsteller sei minderjährig. Zur Begründung wurde auf einen weder einen Briefkopf tragenden noch eine Unterschrift enthaltenen Bericht der Ausländerhilfe E. e.V. zur Einschätzung des Alters des Antragstellers Bezug genommen.

3. Mit Beschluss vom 31. Juli 2014 (Az: 001F469/14) stellte das Amtsgericht E. im Wege der einstweiligen Anordnung fest, dass das elterliche Sorgerecht bis zur Abklärung des Alters des Betroffenen vorläufig ruht. Gleichzeitig wurde das Kreisjugendamt E. als vorläufiger Vormund ausgewählt. Mit weiterem Beschluss vom 1. August 2014 verfügte das Amtsgericht, dass zur Feststellung des Alters des Antragstellers ein Sachverständigengutachten einzuholen sei. Mit dessen Erstellung wurde das Institut für Rechtsmedizin der Universität M. beauftragt.

4. Mit undatiertem Bescheid, vermutlich vom 6. August 2014, lehnte der Antragsgegner die beantragte In-Obhutnahme (§ 42 SGB VIII) sowie die Gewährung von Hilfe zur Erziehung (§§ 27 ff. SGB VIII) ab. Der Antragsteller sei aufgrund der Alterseinschätzung durch das Jugendamt Dortmund als volljährig einzustufen. Die Alterseinschätzung einer ehrenamtlichen Initiative, hier der Ausländerhilfe E. e. V., könne die amtlich festgestellte Alterseinschätzung nicht abändern. Darüber hinaus sei das Kreisjugendamt mit Beschluss vom 31. Juli 2014 zum Vormund bestellt worden, so dass die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII entfallen seien. Zweifel an der Volljährigkeit des Antragstellers bestünden auch aufgrund einer Inaugenscheinnahme des Antragsgegners im Kreisjugendamt und im Team Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamtes nicht; es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Minderjährigkeit des Antragstellers ergeben. Auch ein - vorsorglich geprüfter - Bedarf für eine Jugendhilfemaßnahme habe nicht festgestellt werden können. Der Antragsteller sei in seiner Unterkunft gut integriert. Diese werde von zwei Mitarbeitern des Landratsamts regelmäßig besucht und betreut.

5. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. August 2014 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 6. August 2014 erheben und beantragen, das Kreisjugendamt E. - zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung - zu verpflichten, ihn in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Er wohne als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in einer Asylunterkunft für Erwachsene. In dieser gebe es keine Betreuung für Minderjährige. Sein Wohl sei daher gefährdet. Bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen familiengerichtlichen Verfahrens sei von seiner Minderjährigkeit auszugehen, so dass er gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen sei. Eine Verpflichtung zur In-Obhutnahme bestehe auch deshalb, weil er um diese gebeten habe. Es sei ihm nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

6. Mit Beschluss vom 18. August 2014 lehnte das Verwaltungsgericht München die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft machen können, dass er Jugendlicher im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB VIII i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII sei und insoweit ein Anordnungsanspruch gemäß § 123 VwGO bestehe. Es hätten Gespräche sachkundiger Personen mit dem Antragsteller stattgefunden, die zu dessen Einschätzung als volljährig geführt hätten, so dass er für das Eilverfahren nicht gleichsam „unbesehen“ als Jugendlicher betrachtet werden könne. Dem vom Antragsteller vorgelegten Bericht zur Einschätzung des Alters komme für das gerichtliche Verfahren kein eigener Erkenntniswert zu, weil dieser Bericht seinen Ersteller nicht erkennen lasse. Weitere Erkenntnismittel stünden nicht zur Verfügung. Auch dem computermäßig reproduzierten Schwarzweißbild des Antragstellers in der Behördenakte könne nicht entnommen werden, dass dieser noch minderjährig sei. Eine Beweiserhebung finde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statt. Infolgedessen komme es auch nicht darauf an, ob im Hauptsacheverfahren ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen wäre. Aus den genannten Gründen könne auch der Antrag auf Gewähr von Prozesskostenhilfe keinen Erfolg haben.

7. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Unter Zugrundelegung der amtlichen Stellungnahme des Jugendamts Dortmund sei der Antragsteller volljährig. Die Voraussetzungen für eine In-Obhutnahme lägen deshalb nicht vor.

8. Mit Verfügung vom 11. September 2014 wies das Amtsgericht E. die Beteiligten des familiengerichtlichen Verfahrens darauf hin, dass nach den eingeholten Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller volljährig sei mit der Folge, dass er als Minderjähriger zu behandeln sei.

Der zusammenfassenden Beurteilung des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der LMU M. vom 1. September 2014 ist zu entnehmen, dass die Befunde zur Alterseinschätzung des Antragstellers sehr widersprüchlich seien. Der subjektive Eindruck des Untersuchers spreche (zwar) für ein Lebensalter von 18 bis 20 Jahren, was aber nur Hinweischarakter haben könne. (Auch) der zahnärztliche Untersuchungsbefund mit kariösen Läsionen von zwei Weisheitszähnen, die bereits vollständig ausgewachsen in der Kauebene stehen, belege im Regelfall ein Lebensalter von zumindest 22 Jahren. Die Röntgenaufnahme der linken Hand zeige auf der Daumenseite der Speichenwachstumsfuge noch eine kleine Kerbung, entsprechend offenbar einem sehr frischen Verschluss, alternativ einer irregulären Ausformung ohne Hinweiswert für das Alter. Insoweit sei zu sehen, dass die entsprechende Wachstumsfuge im Alter von 17 Jahren regelmäßig vollständig fusioniert sei. Die Befunde an den Brustbein-/Schlüsselbeingelenken des Antragstellers entsprächen aus radiologischer Sicht einer Teilfusion der Wachstumsfugen, wie sie bei Männern frühestens mit 17 ½ Jahren, aber auch bis zu 26 Jahren beobachtet werde. Die mittleren 50% mit einem solchen Befund lägen zwischen 20,1 und 23,9 Jahren. Die Fusion der Schlüsselbein-Wachstumsfuge des Antragstellers sei allerdings nur sehr gering ausgeprägt. Darüber hinaus wirkten die Schlüsselbeinschaftenden des Antragstellers ausgesprochen gleichmäßig wellig, wie dies regelmäßig einer aktiven Wachstumsfuge entspreche. Aktive Wachstumsfugen ohne Teilfusion würden bei Männern zwischen 14 ½ und 20 Jahren beobachtet. Die mittleren 50% mit einem solchen Entwicklungsstadium lägen zwischen 17,1 und 18,5 Jahren. Unklar sei jedoch, inwieweit die üblichen Kriterien zur Alterseinstufung auf den Antragsteller (überhaupt) angelegt werden könnten. Bei der körperlichen Untersuchung seien die besonders langen, schmalen Hände des Antragstellers aufgefallen, die auf eine Wachstumsstörung hinweisen könnten. Eine solche müsse gegebenenfalls durch die Fachabteilung für Auxologie (Wachstumskunde) abgeklärt werden, da sie durchaus Krankheitswert haben und therapiebedürftig sein könne. Eine entsprechende Abteilung stehe im Haunerschen Kinderspital der LMU M., Prof. Dr. ..., zur Verfügung. Obwohl insbesondere der zahnärztliche Befund ein Lebensalter noch deutlich höher als das zugewiesene zu belegen scheine, sei bei Unterstellung einer Wachstumsstörung das vom Antragsteller angegebene Geburtsdatum (gleichwohl) nicht auszuschließen.

Demgegenüber kommt das dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin beiliegende fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 - allerdings ohne Berücksichtigung einer möglichen Wachstumsstörung - zu der Einschätzung, dass der Antragsteller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit älter als 18 Jahre sowie mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% älter als 21 Jahre sei. Auch nach dem zahnärztlichen Untersuchungsbefund vom 13. August 2014 handelt es sich beim Antragsteller nicht mehr um einen Minderjährigen, sondern um einen jugendlichen Erwachsenen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes und die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht können keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Dem Antrags- und Klagebegehren können ferner hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht abgesprochen werden (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO).

1. Der Gesetzgeber hat die (Erst-)Versorgung und Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII primär den Jugendämtern zugewiesen (vgl. BVerwG, U. v. 8.7.2004 - 5 C 63.03 -, ZfJ 2005, 23 [25]; s. auch Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17; Peter, JAmt 2006, 60 [61]). Er trägt damit der UN-Kinderrechtskonvention Rechnung, die eindeutig verlangt, dass unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bzw. Asylsuchenden der gleiche staatliche Schutz zu gewähren ist wie deutschen Kindern (vgl. insbes. Art. 6 Abs. 2, Art. 20, 22 u. 32 ff.). Auch Art. 1 und 2 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (Minderjährigenschutzabkommen - MSA) verlangen, dass der Staat die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen trifft und dies nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts tut (vgl. Trenczek, in Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 15 u. 17; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548] m. w. N.). Bei der Durchführung der In-Obhutnahme sind Unterschiede zwischen (unbegleiteten) ausländischen und deutschen Minderjährigen unzulässig (vgl. Trenczek, in: Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 17). Der Schutz von Minderjährigen darf auch nicht davon abhängig gemacht werden, ob diese sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Ebenso wenig ist die In-Obhutnahme davon abhängig, ob der Minderjährige nach der Einreise ins Bundesgebiet um Asyl nachsucht (vgl. Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44). Dies gilt auch dann, wenn der Minderjährige das 16. Lebensjahr bereits vollendet hat und nach § 12 AsylVfG handlungsfähig ist. § 42 SGB VIII wird durch Regelungen des Asylrechts nicht verdrängt (BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24/98 -, BVerwGE 109, 155 [158 f.; 160]; siehe auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 16 f. m. w. N.). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die Verpflichtung des Jugendamts, unbegleitete Minderjährige nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen, gilt deshalb ausnahmslos, und damit unabhängig davon, ob die Betroffenen in Ausübung ihrer Handlungsfähigkeit bereits einen Asylantrag gestellt haben (vgl. Löhr, ZAR 2010, 378 [381]; Peter, JAmt 2006, 60 [64; 66]). Nimmt das Jugendamt einen unbegleitet eingereisten, sechzehnjährigen Asylantragsteller in Obhut, so ist dieser verpflichtet, in einer Einrichtung der Jugendhilfe zu wohnen. Die zuvor mit der Asylantragstellung begründete Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 u. 2 Nr. 3 AsylVfG) entfällt (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG). Unbegleitet eingereiste Minderjährige unter 16 Jahren unterliegen aufgrund der Systematik des Asylverfahrensrechts von vorneherein keiner Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG). Eine „Kollision“ zwischen Asylverfahrensrecht einerseits und Achtem Buch Sozialgesetzbuch andererseits (vgl. hierzu Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17 f.) besteht daher in Wahrheit nicht. Vielmehr treten die Bestimmungen über die Wohnpflicht nach dem Asylverfahrensgesetz im Fall einer auf der Grundlage des Achten Buchs Sozialgesetzbuch verfügten Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung kraft gesetzlicher Anordnung (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG) zurück (siehe auch Peter, JAmt 2006, 60 [64]). Ist ein vor Vollendung des 18. Lebensjahres unbegleitet nach Deutschland eingereister asylsuchender (minderjähriger) Ausländer, der weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland hat, in Obhut zu nehmen und unterzubringen, wie § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII dies ausnahmslos und unmissverständlich verlangt, so unterfällt er auch nicht dem gemäß §§ 45 f. AsylVfG vorgesehenen Verteilungsverfahren. Eine gleichwohl erfolgte, ihm gegenüber ergangene Weiterleitungsanordnung ist rechtswidrig (vgl. VG Berlin, B. v. 18.4.2011 - 20 L 331.10 - juris, Rn. 9; ebenso Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 18; Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Allein der Umstand, dass das zuständige Jugendamt seitens der Ausländerbehörden nicht oder nicht rechtzeitig von der Existenz des unbegleitet eingereisten asylsuchenden Minderjährigen Kenntnis erlangt, darf daher nicht dazu verleiten, eine nicht bestehende „Kollision“ oder gar einen Vorrang des Asylverfahrensrechts für die Unterbringung zu konstruieren. Vielmehr ist (auch) der unbegleitet eingereiste asylsuchende Minderjährige von der örtlichen Ausländerbehörde oder den Zentralen Aufnahmestellen für Asylbewerber unverzüglich an das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt weiterzuleiten (vgl. § 14 Satz 1 d. Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern - AGO: „Weiterleitung bei Unzuständigkeit“). Umgekehrt ist das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt gemäß § 81 SGB VIII gehalten, von der örtlichen Ausländerbehörde oder der Zentralen Aufnahmestelle Auskunft über den Aufenthalt unbegleitet eingereister Minderjähriger zu verlangen (vgl. Peters, JAmt 2006, 60 [63]: „Einmischungsauftrag“), um seiner Verpflichtung aus § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII genügen zu können.

Durch die in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIII getroffene Regelung hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass unbegleitet eingereiste Minderjährige - gleichviel welchen Alters - nicht in asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtungen (§ 44 AsylVfG) oder Gemeinschaftsunterkünften (§ 53 AsylVfG) untergebracht werden (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 64]). Dies allein entspricht zugleich den Anforderungen des Art. 20 UN-Kinderrechtskonvention. Nach dieser Bestimmung haben Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (vgl. Art. 1 UN-Kinderrechtskonvention) und aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, Anspruch auf besonderen staatlichen Schutz und Beistand (Abs. 1). Dieser ist durch eine kindgerechte Betreuung in einer Pflegefamilie oder in einer geeigneten Kinderbetreuungseinrichtung sicherzustellen (Absätze 2 u. 3). Eine solche ist in einer asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtung regelmäßig nicht gewährleistet (vgl. näher Peter, JAmt 2006, 60 [63 f.]; Löhr, ZAR 2010, 378 [381 f.]). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Anders als beim typischen Eltern-Kind-Konflikt bedarf es bei der In-Obhutnahme unbegleiteter Minderjähriger auch keiner Gefährdungsabschätzung (mehr), vielmehr wird eine (latente) Gefahr für das Wohl unbegleiteter Minderjähriger (alleine in einem fremden Land, mangelnde Sprachkenntnisse) - gleichviel welchen Alters - vom Gesetzgeber unterstellt (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 19; Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44; Peter, JAmt 2006, 60 [61; 62]). Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf unbegleitete minderjährige Asylbewerber, die das 16. Lebensjahr bereits vollendet haben, weil auch insoweit das Kindeswohl gefährdende körperliche oder gar sexuelle Übergriffe in Erstaufnahmeeinrichtungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. hierzu auch Art. 34 UN-Kinderrechtskonvention - „Schutz vor sexuellem Missbrauch“). Der von Teilen der Literatur (vgl. etwa Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 18) hinsichtlich dieses Personenkreises zusätzlich für erforderlich gehaltene „jugendhilferechtliche Bedarf“ liegt bereits von Gesetzes wegen vor.

Das nach § 87 SGB VIII örtlich zuständige Jugendamt muss deshalb, ohne dass ihm ein Ermessen eingeräumt wäre (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 65]), nicht nur Obhut gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gewähren, sondern darüber hinaus auch unverzüglich die Bestellung eines Vormunds veranlassen (§ 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII). Dessen Bestellung lässt die Erforderlichkeit einer In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII nicht entfallen. Ebenso wenig wie eine bereits angeordnete In-Obhutnahme durch eine Vormundbestellung endet (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 13 f.), wird eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII aufgrund der Anordnung einer Amtsvormundschaft entbehrlich. Die Aufgabe des Jugendamtes, gefährdeten Jugendlichen in einer Krisensituation Unterbringung und Betreuung zu gewährleisten, und der mit der In-Obhutnahme verbundene Schutzauftrag sind mit der Bestellung eines Amtsvormunds durch das Familiengericht noch nicht erfüllt; denn die bloße Existenz eines Personensorgeberechtigten, der anderweitige Hilfen beantragen könnte, lässt das Problem des akuten Unterkunfts- und Betreuungsbedarfs ungelöst (vgl. BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 14).

Da eine In-Obhutnahme Volljähriger rechtswidrig ist, hat das Jugendamt das Alter des Betroffenen festzustellen, ohne insoweit an die Feststellungen anderer Behörden gebunden zu sein (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 - juris, Rn. 9). Eine Altersschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 33.09 -, JAmt 2010, 46). Eine zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s. auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). Dabei ist außerhalb von Strafverfahren zu beachten, dass keine juristische Legitimation für die Durchführung von Röntgenuntersuchungen vorliegt und insofern nur ein eingeschränktes Methodenspektrum zur Verfügung steht. Allgemein wird deshalb eine körperliche Untersuchung mit Erfassung anthropometrischer Maße, der sexuellen Reifezeichen und möglicher altersrelevanter Entwicklungsstörungen sowie eine zahnärztliche Untersuchung mit Erhebung des Zahnstatus empfohlen (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 22/09 -, JAmt 2010, 44).

Bestehen ernsthafte Zweifel hinsichtlich des Alters des Betroffenen, so haben sowohl das Jugendamt (§ 20 SGB X) als auch die Gerichte (§ 86 VwGO) von Amts wegen alle Möglichkeiten auszuschöpfen, das Alter des Betroffenen festzustellen (so zutreffend OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 8 für das Kindschaftsrecht; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 u. a. -, juris, Rn. 9; siehe auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl. 2010, § 33a Rn. 8). Erst wenn alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft sind, trifft den um Obhutnahme bittenden Minderjährigen die materielle Beweislast für das von ihm behauptete Alter als anspruchsbegründende Tatsache (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6).

Lässt sich eine verlässliche Klärung des Alters nicht sogleich herbeiführen, so hat das Jugendamt im Zweifel, also dann, wenn das Vorliegen von Minderjährigkeit nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 21 a.E.; DIJuF- Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548 f.] m. w. N.). Dies gilt insbesondere dann, wenn auch das Familiengericht die Vormundschaft vorläufig - zur näheren Abklärung des Alters des Betroffenen - angeordnet und zugleich beschlossen hat, zur Feststellung des tatsächlichen Alters des Betroffenen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Auch die UNHCR-Richtlinie über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger vom Februar 1997 sieht ausdrücklich vor, dass im Zweifelsfall, also dann, wenn das genaue Alter ungewiss ist, zugunsten des betroffenen Kindes bzw. Jugendlichen entschieden werden soll (UNHCR 1997, 5.11 c).

2. Hiervon ausgehend kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht nicht aufrechterhalten werden. Weder der Vermerk des Jugendamts der Stadt Dortmund vom 7. Januar 2014 noch die Inaugenscheinnahme durch Vertreter des Kreisjugendamts E. und des Teams Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamts genügen den oben genannten Anforderungen. Vor allem lassen sie nicht erkennen, auf welche Merkmale und Kriterien die handelnden Personen ihre Annahme, der Antragsteller sei bereits volljährig, stützen. Der persönliche Eindruck allein kann insoweit nicht genügen. Gleiches hat hinsichtlich der Annahmen der Ausländerhilfe E. e.V. zu gelten. Auch das in den Akten enthaltene Lichtbild des Antragstellers lässt eine rechtlich und tatsächlich tragfähige Beurteilung nicht zu. Eine Minderjährigkeit des Antragstellers erscheint danach mindestens ebenso wahrscheinlich wie dessen Volljährigkeit. Die klärungsbedürftige Frage, ob der Antragsteller, wie er vorträgt, am 30. Oktober 1997 geboren wurde, infolgedessen noch minderjährig ist und damit dem Anwendungsbereich des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII unterfällt, muss derzeit vielmehr als offen angesehen werden. Dies deckt sich zugleich mit der Einschätzung des Amtsgerichts E. in den Beschlüssen vom 31. Juli und 1. August 2014 („möglicherweise noch minderjährig“) und der Verfügung des Amtsgerichts vom 11. September 2014, in der mitgeteilt wird, dass aufgrund der vorliegenden Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller bereits volljährig sei mit der Folge, dass er als noch Minderjähriger zu behandeln sei. In der Tat kann nach der (abschließenden) Altersdiagnose des Instituts für Rechtsmedizin der Universität M. vom 1. September 2014 aufgrund einer möglicherweise im Raum stehenden Wachstumsstörung Minderjährigkeit des Antragstellers nicht ausgeschlossen werden. Das fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 und der zahnärztliche Befund ebenfalls vom 13. August 2014 stehen dem nicht entgegen, da sie die Möglichkeit einer Wachstumsstörung nicht berücksichtigen. Insoweit wird es, wie vom Institut für Rechtsmedizin angeregt, weiterer Aufklärung durch die Fachabteilung für Auxologie des Haunerschen Kinderspitals der LMU M. - entweder noch im familiengerichtlichen Verfahren oder aber spätestens im bereits anhängigen Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht - bedürfen.

In einer solchen Fallkonstellation ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - im Lichte der den Verwaltungsprozess beherrschenden Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) im Wege einer (reinen) Folgenabwägung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden (vgl. BVerfG, B. v. 25.7.1996 - 1 BvR 638/96 -, NVwZ 1997, 479 [481]; B. v. 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 -, NVwZ 2008, 880 [881]; B. v. 25.2.2009 - 1 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, 715 f.; BVerwG, B. v. 13.10.1994 - 7 VR 10/94 -, NVwZ1995, 379 [380]; siehe auch Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 100 f.), die die Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung asylbegehrender unbegleiteter Minderjähriger der Primärzuständigkeit des Jugendamts zu überantworten (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII), und den von Verfassungs wegen gebotenen Schutz Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) gleichermaßen entscheidungserheblich in den Blick nimmt.

Vorliegend überwiegen insoweit die persönlichen Interessen des Antragstellers gegenüber möglicherweise entgegenstehenden öffentlichen Belangen. Sollte sich in dem vom Amtsgericht E. eingeleiteten Altersfeststellungsverfahren bzw. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens vor dem Verwaltungsgericht herausstellen, dass der Antragsteller - wie von ihm behauptet - tatsächlich minderjährig ist, so ginge er, würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen, des durch § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII vermittelten Rechtsanspruchs auf In-Obhutnahme und Unterbringung in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für einen nicht unerheblichen Zeitraum verlustig. Gleichzeitig bliebe er weiterhin den möglichen Gefahren einer unbegleiteten Unterbringung in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene ausgesetzt, denen der Gesetzgeber mit dem Erlass der in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII getroffenen Regelung gerade begegnen wollte. Darüber hinaus würde die Einleitung geeigneter Fördermaßnahmen verzögert. Demgegenüber wiegen die finanziellen Nachteile, die der Antragsgegner möglicherweise dadurch erleiden könnte, dass sich im Rahmen des laufenden Feststellungsverfahrens die Volljährigkeit des Antragstellers ergibt und die diesem bis zur Klärung des Alters zuteil gewordene In-Obhutnahme sich im Nachhinein als überflüssig erweist, deutlich geringer.

Damit hat der Antragsteller sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Der Antragsteller kann nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die begehrte einstweilige Anordnung ist daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - bis zur endgültigen Feststellung des Alters des Antragstellers im anhängigen familiengerichtlichen Verfahren bzw. bis zur endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren - zu erlassen. Eine (unzulässige) Vorwegnahme der Hauptsache liegt insoweit nicht inmitten, da die einstweilige Anordnung zeitlich befristet - bis zur endgültigen Klärung des Alters - und damit lediglich vorläufig erfolgt, die Maßnahme der Existenzsicherung dient und dem Antragsteller ein Abwarten bis zur Entscheidung im familiengerichtlichen Verfahren bzw. im Hauptsacheverfahren aufgrund des damit (möglicherweise) verbundenen Rechtsverlustes nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, B. v. 21.1.1999 - 11 VR 8/98 -, NVwZ 1999, 650; siehe auch Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rn. 14; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 104 f.).

3. Zugleich ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Klageverfahren unter Anwaltsbeiordnung zu bewilligen (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 Abs. 1, 121 Abs. 2 ZPO), da die weitere Klärung von einer (weiteren) Beweiserhebung abhängt und nach derzeitiger Sachlage hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht ausgeschlossen werden können (vgl. BayVGH, B. v. 11.3.2014 - 12 C 14.380 - juris, Rn.10 m. w. N.).

4. Die Kostenentscheidung im Eilverfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Eine Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe ist nicht erforderlich, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden (§ 188 Satz 2 VwGO) und Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die vorläufige Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

Der nach seinen eigenen Angaben 2001 in Schirkhankhail, Afghanistan, geborene Antragsteller gelangte am 15. Februar 2016 in die B.-Kaserne in M.. Noch am gleichen Tag führten eine Mitarbeiterin des Jugendamts der Antragsgegnerin sowie zwei Fachkräfte freier Jugendhilfeträger mit ihm unter Einsatz eines Dolmetschers ein „Erstgespräch“ zur Altersfeststellung. Der Antragsteller selbst gab dabei den 18. Februar 2001 als sein Geburtsdatum an und zeigte den Beteiligten ein Foto seiner Tazkira (afghanische Personenstandsurkunde) auf dem Handy seines Bruders vor. Der 1984 geborene Bruder lebt seit 16 Jahren in Deutschland. Nach dem Gespräch, das rund 45 Minuten gedauert haben soll, gelangten die beteiligten Fachkräfte aufgrund des äußeren Erscheinungsbilds, der Art und Ausdrucksweise und des Verhaltens des Antragstellers zu der Einschätzung, dieser müsse älter als 18 Jahre sein. Daraufhin setzte die Antragsgegnerin noch am gleichen Tag sein Geburtsdatum auf den 31. Dezember 1997 fest und lehnte die Inobhutnahme „gemäß § 42 Absatz 1 SGB VIII“ ab. Im Rahmen der Überprüfung der Voraussetzungen einer Inobhutnahme habe sich ergeben, dass beim Antragsteller keine Minderjährigkeit vorliege. Auch habe der Antragsteller keine beweiskräftigen Ausweispapiere oder sonstigen Papiere, die seine Minderjährigkeit unabhängig von den Prüfungen der Antragsgegnerin belegen könnten, vorgelegt. Schließlich habe die Minderjährigkeit auch nicht durch eine „schlüssige mündliche Sachverhaltsdarstellung“ des Antragstellers begründet werden können. In der Folge wurde der Antragsteller als erwachsener Asylbewerber behandelt und von der Regierung von Oberbayern in die entsprechende Erstaufnahmeeinrichtung ebenfalls in der B.-Kaserne in M. aufgenommen.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 19. Februar 2016 ließ der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht München erheben und beantragte zugleich, die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn in Obhut zu nehmen und in einer jugendgerechten Einrichtung unterzubringen. Zur Begründung wird auf die Fehlerhaftigkeit der Alterseinschätzung durch die Antraggegnerin verwiesen, insbesondere darauf, dass eine medizinische Untersuchung zur Altersbestimmung nicht stattgefunden habe. Beim Antragsteller handele es sich um einen Zweifelsfall. Im Interesse des Kindeswohls sei er jedenfalls bis zu einer endgültigen Altersfeststellung als Jugendlicher zu behandeln und in Obhut zu nehmen. Angesichts seiner Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Erwachsene, bei der seine Betreuung nicht ansatzweise jugendhilferechtlichen Maßstäben entspreche, sei auch die Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegeben.

Zeitgleich beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung nach § 42f Abs. 2 SGB VIII, die die Antragsgegnerin bei zwei Allgemeinärzten und einem Zahnarzt durchführen ließ. In der Folge legte sie beim Verwaltungsgericht ein „ärztliches Gutachten“ der Allgemeinärzte Dres. B.-F. und F. vom 18. März 2016 vor, das zu dem Ergebnis kam, dass der Antragsteller „deutlich über 18 Jahre sein müßte“. Demgegenüber kam ein „zahnärztliche Gutachten“ des Zahnarztes R. B. vom 12. April 2016 aufgrund des Gebissstatus des Antragstellers zu der Einschätzung, er sei - da der Zahndurchbruch noch nicht vollständig abgeschlossen sei - zwischen 15 und 16 Jahre alt. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen legten die Bevollmächtigten des Antragstellers daraufhin eine vollständige Kopie der Tazkira des Antragstellers nebst deutscher Übersetzung vor und boten zugleich deren Übergabe im Original an. Ferner übermittelten sie zwei Fotos des Antragstellers, die aus dem Jahr 2004 stammen sollen. Darüber hinaus bestätigte der Bruder des Antragstellers am 27. April 2016 dessen Geburtsdatum mit einer eidesstattlichen Versicherung.

Mit Beschluss vom 18. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin, den Antragsteller einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Es bestehe sowohl ein Anordnungsanspruch wie auch ein Anordnungsgrund. Im vorliegenden Fall sei die Antragsgegnerin hinsichtlich des Alters des Antragstellers offensichtlich von einem Zweifelsfall im Sinne von § 42f Abs. 2 SGB VIII ausgegangen, denn erst ein Zweifelsfall bilde die Voraussetzung für eine ärztliche Untersuchung, auch wenn ein Antrag des Betroffenen bzw. seiner Bevollmächtigten gestellt werde.

Mit dem neugeschaffenen § 42f SGB VIII habe es der Gesetzgeber allerdings unterlassen, eine Regelung zu treffen, wie in Fällen zu entscheiden sei, in denen das tatsächliche Alter des Betroffenen trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten unklar bleibe. Demgegenüber ergebe sich aus Art. 25 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU, deren Umsetzungsfrist am 21. Juli 2015 abgelaufen sei, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz ärztliche Untersuchungen des Alters unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge durchführen lassen, wenn aufgrund allgemeiner Angaben oder anderer einschlägiger Hinweise Zweifel bezüglich deren Alters aufträten. Bestünden diese Zweifel auch nach der ärztlichen Untersuchung fort, sehe Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie vor, dass von der Minderjährigkeit des Antragstellers auszugehen sei.

Aus diesen rechtlichen Vorgaben und den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen folge, dass beim Antragsteller von Minderjährigkeit auszugehen sei und die Voraussetzungen für eine Inobhutnahme damit vorlägen. Zwar widersprächen sich der „ärztliche Untersuchungsbericht“ vom 18. März 2016 und das „zahnärztliche Gutachten“ vom 12. April 2016 grundsätzlich. Indes erweise sich, anders als das „zahnärztliche Gutachten“, der „ärztliche Untersuchungsbericht“ als nicht nachvollziehbar, da er lediglich abstrakt Untersuchungsparameter beschreibe, ohne darzustellen, welche Feststellungen zu welchem Parameter getroffen worden seien. Demgegenüber lasse sich das „zahnärztliche Gutachten“ aus sich heraus nachvollziehen. Für das Eilverfahren sei daher schon aufgrund dessen von der Minderjährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass es auf eine Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs durch die eidesstattliche Versicherung des Bruders des Klägers nicht ankomme. Kein eigener Erkenntniswert komme der in Kopie des Originals sowie in deutscher Übersetzung vorgelegten Tazkira zu, da das afghanische Personenstandswesen keine Gewähr für die Richtigkeit des in der Tazkira angegebenen Geburtsdatums biete.

Gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 2. Juni 2016 Beschwerde eingelegt und zur Begründung mit Schriftsatz vom 16. Juni 2016 vorgetragen, der Antragsteller habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts mangels Minderjährigkeit keinen Anspruch auf Inobhutnahme nach § 42, 42 a Abs. 1 SGB VIII. Die Antragsgegnerin habe zunächst nach Maßgabe des § 42f Abs. 1 SGB VIII die Volljährigkeit des Antragstellers durch ein etwa 45-minütiges Gespräch mit in Fragen der Feststellung des Lebensalters einer Person sehr erfahrenen Mitarbeiterinnen durchgeführt, das im Wesentlichen den Handlungsempfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen entsprochen habe.

Hinsichtlich der Alterseinschätzung nach ärztlicher Untersuchung habe das Verwaltungsgericht fehlerhaft nur das „zahnärztliche Gutachten“ berücksichtigt, die ärztliche Begutachtung durch Dres. B.-F. und F. hingegen unzutreffend als „ohne ergänzende Erläuterung“ nicht nachvollziehbar angesehen. Letzterem könne nicht gefolgt werden. Zunächst sei festzustellen, dass die Untersuchung des Antragstellers im Einklang mit § 42f Abs. 2 SGB VIII unter Anwendung der schonendsten Methoden erfolgt sei. Aus dem Untersuchungsbericht gehe ferner deutlich hervor, welche körperlichen Merkmale bei der Untersuchung erfasst worden seien. Zwar könne dem Verwaltungsgericht zugestimmt werden, dass sich nicht jedem der Untersuchungsparameter eine Subsumtion anschließe. Derartige Anforderungen enthalte das Gesetz jedoch nicht. Ausreichend sei vielmehr, dass die untersuchenden Ärzte konkret dargelegt hätten, welche beobachteten bzw. festgestellten Untersuchungsbefunde kausal für die gezogenen Schussfolgerungen seien. Die Argumentation des Verwaltungsgerichts könne auch als allgemeine Ablehnung bzw. Anzweiflung der Untersuchungsmethoden der Dres. B.-F. und F. aufgefasst werden, wozu jedoch kein Anlass bestehe. Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung habe im Rahmen von § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) das Stadtjugendamt zu bestimmen. § 21 SGB X benenne die wichtigsten Beweismittel. Welche hiervon das Jugendamt wähle, liege grundsätzlich in der Freiheit der Verwaltungsbehörde selbst. In diesem Kontext müsse darauf hingewiesen werden, dass beim Antragsteller im Rahmen des § 42f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII eine radiologische Untersuchung zu unterbleiben habe. Im Übrigen bestünden hinsichtlich der Art und des Umfangs der ärztlichen Untersuchung keine Bedenken, die das festgestellte Ergebnis - die Volljährigkeit des Antragstellers - erschüttern könnten.

Demgegenüber erweise sich das zahnärztliche Gutachten, das das Verwaltungsgericht maßgeblich herangezogen habe, als ungeeignet für die Altersfeststellung. Dieses beschreibe zwar die gesamte Gebisssituation des Antragstellers, stütze sich im Ergebnis jedoch allein auf den noch nicht abgeschlossenen Zahndurchbruch. Angesichts der vom Gutachter selbst angeführten Tatsache, dass der vollständige Zahndurchbruch durch einen gekippten persistierenden Milchzahn verhindert gewesen sei, sei die hieraus abgeleitete Schlussfolgerung bezüglich des Alters des Antragstellers nicht nachvollziehbar.

Weiter gehe das Verwaltungsgericht unzutreffend davon aus, dass die Antragsgegnerin aufgrund der Regelung in Art. 25 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU verpflichtet gewesen wäre, bei verbliebenden Zweifeln hinsichtlich des Alters des Antragstellers diesen in Obhut zu nehmen. Zwar dürften im vorliegenden Fall die Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie im deutschen Recht gegeben sein. Nach Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU gelte die Richtlinie allerdings nur für Anträge auf internationalen Schutz sowie für die Aberkennung internationalen Schutzes. Bei der Entscheidung über eine vorläufige Inobhutnahme nach § 42a SGB VIII handele es sich indes nicht um eine Entscheidung, mit der eine Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz zugesprochen werden könne. Demnach folge aus Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 Richtlinie 2013/32/EU keine Verpflichtung zur Inobhutnahme bei ungeklärter Minderjährigkeit des Betroffenen. Verbleibende Zweifel gingen vielmehr bei einem begünstigenden Verwaltungsakt wie der Inobhutnahme zulasten des Anspruchstellers. Folglich hätten im vorliegenden Fall die verbleibenden Zweifel an der Minderjährigkeit vom Antragsteller selbst ausgeräumt werden müssen. Nichts anderes ergebe sich aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention). Die Konvention regle weder, wie die danach maßgebliche Altersgrenze zu bestimmen sei, noch fordere sie ihre Anwendung, solange nicht geklärt sei, ob die betroffene Person überhaupt ein Kind im Sinne der Konvention sei. Die Ablehnung der vorläufigen Inobhutnahme durch die Antragsgegnerin erweise sich daher als rechtmäßig.

Die Bevollmächtigten des Antragstellers sind der Beschwerde entgegengetreten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Antragsgegnerin dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses und die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht.

1. Für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kann zunächst offenbleiben, ob der Antragsteller eine - gewissermaßen „endgültige“ - Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) durch die Antragsgegnerin oder eine vorläufige Inobhutnahme nach § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII - gegebenenfalls mit der Konsequenz der Durchführung eines anschließenden Verteilungsverfahrens nach § 42b SGB VIII - anstrebt (ebenso das Verhältnis der Inobhutnahme nach § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zur Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII), da sich die vom Verwaltungsgericht angeordnete einstweilige Inobhutnahme des Antragstellers bis zur Klärung seines Alters gleichermaßen aus beiden Anspruchsgrundlagen ableiten lässt. Indes wird auch aus der Verfahrensakte der Antragsgegnerin wie aus der Beschwerdebegründung nicht deutlich, ob sie beim Antragsteller eine Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII (so der Ablehnungsbescheid vom 15. Februar 2016 Bl. 2 der Verfahrensakte) oder eine nach § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII (so die Stellungnahme zum Fallverlauf vom 8. März 2016, der Verfahrensakte vorgeheftet) geprüft hat. Gegebenenfalls ist von der Klägerseite diesbezüglich der entsprechende Antrag im Hauptsacheverfahren zu präzisieren.

2. Soweit die Antragsgegnerin mit ihrem Beschwerdevorbringen die Bewertung des „ärztlichen Untersuchungsberichts“ der Dres. B.-F. und F. vom 18. März 2016 und des „zahnärztlichen Gutachtens“ vom 12. April 2016 durch das Verwaltungsgericht angreift, kann sie damit nicht durchdringen.

2.1 Der etwa eine halbe DIN-A4-Seite umfassende „ärztliche Untersuchungsbericht“ der Dres B.-F. und F. vom 18. März 2016 besitzt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, keinen nennenswerten Aussagegehalt. Als tatsächlich von den berichtenden Ärzten erhobener Untersuchungsbefund ergibt sich allein die Körpergröße und das Gewicht des Antragsteller. An der weiteren Feststellung „Aufgrund des körperlichen Untersuchungsbefundes (u. a. Habitus, Ausprägung der Muskulatur, der Mimik, der Behaarung, der Haut und der Gelenke) und der Befragung mit Anamnese kommen wir zu der Einschätzung, dass das Alter von Herrn F. deutlich über 18 Jahre sein müsste.“ fällt bereits die Relativierung durch den Gebrauch des Konjunktivs auf („müsste“ deutlich über 18 Jahre sein). Des Weiteren werden lediglich Merkmale aufgezählt, an die eine Altersbestimmung des Antragstellers anknüpfen kann, nicht jedoch die bezüglich der einzelnen Merkmale ermittelten Befunde mitgeteilt. Mithin bleibt der - aus der Perspektive der begutachtenden Ärzte augenscheinlich nicht ganz sichere - Schluss auf das Alter des Antragstellers ohne jegliche Begründung. Das Verwaltungsgericht geht demnach zutreffend davon aus, dass ohne nähere Erläuterungen die „ärztliche Bescheinigung“ nicht nachvollzogen werden kann. Hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren allein streitbefangenen Frage des Alters des Antragstellers lässt sich aus ihr daher nichts ableiten. Wie die Antragsgegnerin angesichts dessen zu der Auffassung gelangt, die den Antragsteller untersuchenden Ärzte hätten „konkret dargelegt (…), welche beobachteten bzw. festgestellten Untersuchungsbefunde kausal für die gezogene Schlussfolgerung gewesen sind“, erschließt sich dem Senat nicht.

2.2 Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin tangiert die Bewertung der von ihr ins Verfahren eingeführten „ärztlichen Bescheinigung“ als untauglich darüber hinaus weder die Kompetenz der Behörde, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Art und Umfang der Sachverhaltsermittlung zu bestimmen noch ihre Kompetenz, nach § 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X die nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich gehaltenen Beweismittel auszuwählen. Denn eine bestimmte inhaltliche Bewertung des von der Antragsgegnerin selbst ausgewählten Beweismittels durch das Gericht gibt weder § 20 Abs. 1 noch § 21 Abs. 1 SGB X vor.

2.3 Als nicht entscheidungserheblich erweist sich im vorliegenden Zusammenhang ferner das weitere Vorbringen der Antragsgegnerin, § 42f Abs. 2 SGB VIII gebiete, dass im Zusammenhang mit der Altersbestimmung eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings eine radiologische Untersuchung zu unterbleiben habe, da eine radiologische Untersuchung beim Antragsteller unstreitig nicht stattgefunden hat.

2.4 Anders als der „ärztliche Untersuchungsbericht“ vom 18. März 2016 lässt sich dem „zahnärztlichen Gutachten“ vom 12. April 2016 zunächst ein konkret ausgeführter Befund im Hinblick auf die „rein klinische Gebisssituation“ des Antragstellers entnehmen und aufgrund dessen die gezogene Schlussfolgerung nachvollziehen, das Alter des Antragstellers liege „zwischen dem 15. und 16. Lebensjahr, da der Zahndurchbruch noch nicht vollständig abgeschlossen war“. In diesem Zusammenhang erschließt sich dem Senat weder eine dem Untersuchungsbefund überlegene zahnärztliche Sachkunde des Verfassers der Beschwerdebegründung noch die Argumentation, es fehle in dem „zahnärztlichen Gutachten“ bereits „an einer kausalen Bedingung zwischen den getroffenen Feststellungen bei der Gebissuntersuchung und dem angegebenen Alter“. Vollkommen zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass genau das Gegenteil der Fall ist.

3. Auch das weitere Vorbringen der Antragsgegnerin, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von der (unmittelbaren) Anwendbarkeit von Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2013/32/EU ausgegangen, führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

3.1 Vielmehr muss entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin die in Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („Im Zweifel pro Minderjährigkeit“) nicht nur im eigentlichen Asylverfahren als dem Verfahren zur Gewährung (bzw. Aberkennung) internationalen Schutzes, sondern auch in dem mit dem Asylverfahren unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge untrennbar verbundenen jugendhilferechtlichen Inobhutnahmeverfahren gelten. Denn folgte man der Antragsgegnerin, die sich auf eine lediglich formal argumentierende Kommentierung zu § 42f SGB VIII stützt (Kepert in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42 f Rn. 6 aE), hätte dies ggf. die Spaltung des elementaren Status eines „jungen“ unbegleiteten Flüchtlings zur Folge, der zwar für das eigentliche Asylverfahren nach Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 Rl. 2013/32/EU als Minderjähriger, hinsichtlich des Anspruchs auf eine Inobhutnahme nach Jugendhilferecht hingegen als Erwachsener behandelt werden müsste. Demgegenüber kann nach der Auffassung des Senats der Status eines „jungen“ unbegleiteten Flüchtlings - Minderjähriger oder Erwachsener - nur einheitlich bestimmt werden. Muss der unbegleitete Minderjährige daher im Asylverfahren bei trotz ärztlicher Untersuchung verbleibenden Zweifeln als minderjährig behandelt werden, gilt dies in gleicher Weise auch für das Jugendhilfeverfahren (so auch Kirchhoff in jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Winkler in BeckOK Sozialrecht § 42f SGB VIII Rn. 9; Wiesner in Wiesner SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; unklar Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, § 42f Rn. 6, der die Zweifelsregel nur dann zur Anwendung bringen will, wenn die Behörde eine ärztliche Untersuchung unterlässt, was mit dem Wortlaut der Richtlinie indes nicht in Übereinstimmung zu bringen ist; offengelassen von VG Göttingen B. v. 17.07.2014 - 2 B 195/14 - juris Rn. 49). Ginge man im vorliegenden Verfahren daher angesichts der Unverwertbarkeit der „ärztlichen Stellungnahme“ der Dres B.-F- und F. überhaupt von Zweifeln an der Minderjährigkeit des Antragstellers nach den durchgeführten ärztlichen Untersuchungen aus, wäre er demnach auch jugendhilferechtlich als Minderjähriger zu behandeln und - jedenfalls bis zu einer endgültigen Altersfeststellung - in Obhut zu nehmen.

3.2 Die Beschwerde hätte allerdings auch dann keinen Erfolg, wenn die Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 Rl. 2013/32/EU nicht zur Anwendung käme. Denn nach der Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 14.1865 - BayVBl. 2015, 131 ff.) führen verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer (reinen) Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) die persönlichen Interessen des Antragstellers in der Regel möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen. Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (BayVGH, a.a.O, Rn. 23, 25 f.). Angesichts des nachvollziehbaren „zahnärztlichen Gutachtens“ kann im vorliegenden Fall die Minderjährigkeit des Antragstellers nicht sicher ausgeschlossen werden, so dass die Antragsgegnerin verpflichtet war, ihn bis zu einer verlässlichen Altersklärung - beispielsweise durch ein Sachverständigengutachten im Hauptsacheverfahren oder im familienrechtlichen Verfahren zur Bestellung eines Vormunds - in Obhut zu nehmen.

3.3 Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang schließlich darauf verweist, dass bei einem „non liquet“ hinsichtlich eines Tatbestandsmerkmals eines begünstigenden Verwaltungsakts, als den sie die Inobhutnahme eines Minderjährigen ansieht, die Beweislast beim Anspruchsteller liegt, mit anderen Worten, dass im vorliegenden Fall der Antragsteller seine Minderjährigkeit hätte beweisen müssen, kann sie damit ebenfalls nicht durchdringen. Denn angesichts des von der Antragsgegnerin konzedierten Ablaufs der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2013/32/EU und der fehlenden Umsetzung im Jugendhilferecht gilt nunmehr für die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge vorrangig die Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie, jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - Zweifel am Alter des Betroffenen auch nach einer ärztlichen Untersuchung noch bestehen bleiben. Für eine Beweislastentscheidung, die ohnehin nur im Hauptsacheverfahren hätte getroffen werden können, bleibt daher im vorliegenden Fall kein Raum mehr. Darüber hinaus erweist sich auch die frühere Rechtsauffassung des Senats zur Verteilung der Beweislast bei Inobhutnahmefällen (BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 - BayVBl. 2015, 131 ff. Rn. 22) als durch die weitere Rechtsentwicklung überholt.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin war demnach als unbegründet zurückzuweisen.

4. Die Antragsgegnerin trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2, 1 VwGO in Angelegenheiten des Kinder- und Jugendhilferechts nicht erhoben. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2014 - M 18 E 14.3412 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters in dem vor dem Amtsgericht E. anhängigen familiengerichtlichen Verfahren - Az: 001F469/14 - bzw. im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

IV.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Klage- und Antragsverfahren erster Instanz bewilligt und Rechtsanwältin Dr. ... aus ... beigeordnet.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt seine In-Obhutnahme als unbegleitet eingereister Minderjähriger (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII). Seinen eigenen Angaben zufolge ist er afghanischer Staatsangehöriger und wurde am ... geboren. Nach seiner Einreise hat er Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gestellt.

1. Anlässlich eines Gesprächs des Antragstellers mit Mitarbeitern des Jugendamts und der Ausländerbehörde der Stadt Dortmund am 6. Januar 2014 entstanden Zweifel hinsichtlich des von ihm angegebenen Alters. In einem Vermerk des Jugendamts Dortmund vom 7. Januar 2014 wurde festgehalten, für eine Minderjährigkeit des Antragstellers bestünden keine Anhaltspunkte; es sei davon auszugehen, dass er zumindest 18 Jahre alt sei. Das Geburtsdatum wurde fiktiv auf den 1. Januar 1996 festgelegt. Mit Bescheid der Regierung von Oberbayern (Regierungsaufnahmestelle für Asylbewerber) vom 10. März 2014 wurde der Antragsteller ab dem 12. März 2014 dem Landkreis E. zugewiesen.

2. Mit Schreiben vom 24. Juli 2014 beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers, diesen nach § 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung oder bei einer Pflegefamilie unterzubringen. Der Antragsteller sei minderjährig. Zur Begründung wurde auf einen weder einen Briefkopf tragenden noch eine Unterschrift enthaltenen Bericht der Ausländerhilfe E. e.V. zur Einschätzung des Alters des Antragstellers Bezug genommen.

3. Mit Beschluss vom 31. Juli 2014 (Az: 001F469/14) stellte das Amtsgericht E. im Wege der einstweiligen Anordnung fest, dass das elterliche Sorgerecht bis zur Abklärung des Alters des Betroffenen vorläufig ruht. Gleichzeitig wurde das Kreisjugendamt E. als vorläufiger Vormund ausgewählt. Mit weiterem Beschluss vom 1. August 2014 verfügte das Amtsgericht, dass zur Feststellung des Alters des Antragstellers ein Sachverständigengutachten einzuholen sei. Mit dessen Erstellung wurde das Institut für Rechtsmedizin der Universität M. beauftragt.

4. Mit undatiertem Bescheid, vermutlich vom 6. August 2014, lehnte der Antragsgegner die beantragte In-Obhutnahme (§ 42 SGB VIII) sowie die Gewährung von Hilfe zur Erziehung (§§ 27 ff. SGB VIII) ab. Der Antragsteller sei aufgrund der Alterseinschätzung durch das Jugendamt Dortmund als volljährig einzustufen. Die Alterseinschätzung einer ehrenamtlichen Initiative, hier der Ausländerhilfe E. e. V., könne die amtlich festgestellte Alterseinschätzung nicht abändern. Darüber hinaus sei das Kreisjugendamt mit Beschluss vom 31. Juli 2014 zum Vormund bestellt worden, so dass die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII entfallen seien. Zweifel an der Volljährigkeit des Antragstellers bestünden auch aufgrund einer Inaugenscheinnahme des Antragsgegners im Kreisjugendamt und im Team Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamtes nicht; es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Minderjährigkeit des Antragstellers ergeben. Auch ein - vorsorglich geprüfter - Bedarf für eine Jugendhilfemaßnahme habe nicht festgestellt werden können. Der Antragsteller sei in seiner Unterkunft gut integriert. Diese werde von zwei Mitarbeitern des Landratsamts regelmäßig besucht und betreut.

5. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. August 2014 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 6. August 2014 erheben und beantragen, das Kreisjugendamt E. - zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung - zu verpflichten, ihn in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Er wohne als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in einer Asylunterkunft für Erwachsene. In dieser gebe es keine Betreuung für Minderjährige. Sein Wohl sei daher gefährdet. Bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen familiengerichtlichen Verfahrens sei von seiner Minderjährigkeit auszugehen, so dass er gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen sei. Eine Verpflichtung zur In-Obhutnahme bestehe auch deshalb, weil er um diese gebeten habe. Es sei ihm nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

6. Mit Beschluss vom 18. August 2014 lehnte das Verwaltungsgericht München die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft machen können, dass er Jugendlicher im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB VIII i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII sei und insoweit ein Anordnungsanspruch gemäß § 123 VwGO bestehe. Es hätten Gespräche sachkundiger Personen mit dem Antragsteller stattgefunden, die zu dessen Einschätzung als volljährig geführt hätten, so dass er für das Eilverfahren nicht gleichsam „unbesehen“ als Jugendlicher betrachtet werden könne. Dem vom Antragsteller vorgelegten Bericht zur Einschätzung des Alters komme für das gerichtliche Verfahren kein eigener Erkenntniswert zu, weil dieser Bericht seinen Ersteller nicht erkennen lasse. Weitere Erkenntnismittel stünden nicht zur Verfügung. Auch dem computermäßig reproduzierten Schwarzweißbild des Antragstellers in der Behördenakte könne nicht entnommen werden, dass dieser noch minderjährig sei. Eine Beweiserhebung finde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statt. Infolgedessen komme es auch nicht darauf an, ob im Hauptsacheverfahren ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen wäre. Aus den genannten Gründen könne auch der Antrag auf Gewähr von Prozesskostenhilfe keinen Erfolg haben.

7. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Unter Zugrundelegung der amtlichen Stellungnahme des Jugendamts Dortmund sei der Antragsteller volljährig. Die Voraussetzungen für eine In-Obhutnahme lägen deshalb nicht vor.

8. Mit Verfügung vom 11. September 2014 wies das Amtsgericht E. die Beteiligten des familiengerichtlichen Verfahrens darauf hin, dass nach den eingeholten Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller volljährig sei mit der Folge, dass er als Minderjähriger zu behandeln sei.

Der zusammenfassenden Beurteilung des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der LMU M. vom 1. September 2014 ist zu entnehmen, dass die Befunde zur Alterseinschätzung des Antragstellers sehr widersprüchlich seien. Der subjektive Eindruck des Untersuchers spreche (zwar) für ein Lebensalter von 18 bis 20 Jahren, was aber nur Hinweischarakter haben könne. (Auch) der zahnärztliche Untersuchungsbefund mit kariösen Läsionen von zwei Weisheitszähnen, die bereits vollständig ausgewachsen in der Kauebene stehen, belege im Regelfall ein Lebensalter von zumindest 22 Jahren. Die Röntgenaufnahme der linken Hand zeige auf der Daumenseite der Speichenwachstumsfuge noch eine kleine Kerbung, entsprechend offenbar einem sehr frischen Verschluss, alternativ einer irregulären Ausformung ohne Hinweiswert für das Alter. Insoweit sei zu sehen, dass die entsprechende Wachstumsfuge im Alter von 17 Jahren regelmäßig vollständig fusioniert sei. Die Befunde an den Brustbein-/Schlüsselbeingelenken des Antragstellers entsprächen aus radiologischer Sicht einer Teilfusion der Wachstumsfugen, wie sie bei Männern frühestens mit 17 ½ Jahren, aber auch bis zu 26 Jahren beobachtet werde. Die mittleren 50% mit einem solchen Befund lägen zwischen 20,1 und 23,9 Jahren. Die Fusion der Schlüsselbein-Wachstumsfuge des Antragstellers sei allerdings nur sehr gering ausgeprägt. Darüber hinaus wirkten die Schlüsselbeinschaftenden des Antragstellers ausgesprochen gleichmäßig wellig, wie dies regelmäßig einer aktiven Wachstumsfuge entspreche. Aktive Wachstumsfugen ohne Teilfusion würden bei Männern zwischen 14 ½ und 20 Jahren beobachtet. Die mittleren 50% mit einem solchen Entwicklungsstadium lägen zwischen 17,1 und 18,5 Jahren. Unklar sei jedoch, inwieweit die üblichen Kriterien zur Alterseinstufung auf den Antragsteller (überhaupt) angelegt werden könnten. Bei der körperlichen Untersuchung seien die besonders langen, schmalen Hände des Antragstellers aufgefallen, die auf eine Wachstumsstörung hinweisen könnten. Eine solche müsse gegebenenfalls durch die Fachabteilung für Auxologie (Wachstumskunde) abgeklärt werden, da sie durchaus Krankheitswert haben und therapiebedürftig sein könne. Eine entsprechende Abteilung stehe im Haunerschen Kinderspital der LMU M., Prof. Dr. ..., zur Verfügung. Obwohl insbesondere der zahnärztliche Befund ein Lebensalter noch deutlich höher als das zugewiesene zu belegen scheine, sei bei Unterstellung einer Wachstumsstörung das vom Antragsteller angegebene Geburtsdatum (gleichwohl) nicht auszuschließen.

Demgegenüber kommt das dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin beiliegende fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 - allerdings ohne Berücksichtigung einer möglichen Wachstumsstörung - zu der Einschätzung, dass der Antragsteller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit älter als 18 Jahre sowie mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% älter als 21 Jahre sei. Auch nach dem zahnärztlichen Untersuchungsbefund vom 13. August 2014 handelt es sich beim Antragsteller nicht mehr um einen Minderjährigen, sondern um einen jugendlichen Erwachsenen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes und die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht können keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Dem Antrags- und Klagebegehren können ferner hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht abgesprochen werden (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO).

1. Der Gesetzgeber hat die (Erst-)Versorgung und Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII primär den Jugendämtern zugewiesen (vgl. BVerwG, U. v. 8.7.2004 - 5 C 63.03 -, ZfJ 2005, 23 [25]; s. auch Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17; Peter, JAmt 2006, 60 [61]). Er trägt damit der UN-Kinderrechtskonvention Rechnung, die eindeutig verlangt, dass unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bzw. Asylsuchenden der gleiche staatliche Schutz zu gewähren ist wie deutschen Kindern (vgl. insbes. Art. 6 Abs. 2, Art. 20, 22 u. 32 ff.). Auch Art. 1 und 2 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (Minderjährigenschutzabkommen - MSA) verlangen, dass der Staat die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen trifft und dies nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts tut (vgl. Trenczek, in Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 15 u. 17; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548] m. w. N.). Bei der Durchführung der In-Obhutnahme sind Unterschiede zwischen (unbegleiteten) ausländischen und deutschen Minderjährigen unzulässig (vgl. Trenczek, in: Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 17). Der Schutz von Minderjährigen darf auch nicht davon abhängig gemacht werden, ob diese sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Ebenso wenig ist die In-Obhutnahme davon abhängig, ob der Minderjährige nach der Einreise ins Bundesgebiet um Asyl nachsucht (vgl. Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44). Dies gilt auch dann, wenn der Minderjährige das 16. Lebensjahr bereits vollendet hat und nach § 12 AsylVfG handlungsfähig ist. § 42 SGB VIII wird durch Regelungen des Asylrechts nicht verdrängt (BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24/98 -, BVerwGE 109, 155 [158 f.; 160]; siehe auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 16 f. m. w. N.). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die Verpflichtung des Jugendamts, unbegleitete Minderjährige nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen, gilt deshalb ausnahmslos, und damit unabhängig davon, ob die Betroffenen in Ausübung ihrer Handlungsfähigkeit bereits einen Asylantrag gestellt haben (vgl. Löhr, ZAR 2010, 378 [381]; Peter, JAmt 2006, 60 [64; 66]). Nimmt das Jugendamt einen unbegleitet eingereisten, sechzehnjährigen Asylantragsteller in Obhut, so ist dieser verpflichtet, in einer Einrichtung der Jugendhilfe zu wohnen. Die zuvor mit der Asylantragstellung begründete Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 u. 2 Nr. 3 AsylVfG) entfällt (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG). Unbegleitet eingereiste Minderjährige unter 16 Jahren unterliegen aufgrund der Systematik des Asylverfahrensrechts von vorneherein keiner Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG). Eine „Kollision“ zwischen Asylverfahrensrecht einerseits und Achtem Buch Sozialgesetzbuch andererseits (vgl. hierzu Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17 f.) besteht daher in Wahrheit nicht. Vielmehr treten die Bestimmungen über die Wohnpflicht nach dem Asylverfahrensgesetz im Fall einer auf der Grundlage des Achten Buchs Sozialgesetzbuch verfügten Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung kraft gesetzlicher Anordnung (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG) zurück (siehe auch Peter, JAmt 2006, 60 [64]). Ist ein vor Vollendung des 18. Lebensjahres unbegleitet nach Deutschland eingereister asylsuchender (minderjähriger) Ausländer, der weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland hat, in Obhut zu nehmen und unterzubringen, wie § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII dies ausnahmslos und unmissverständlich verlangt, so unterfällt er auch nicht dem gemäß §§ 45 f. AsylVfG vorgesehenen Verteilungsverfahren. Eine gleichwohl erfolgte, ihm gegenüber ergangene Weiterleitungsanordnung ist rechtswidrig (vgl. VG Berlin, B. v. 18.4.2011 - 20 L 331.10 - juris, Rn. 9; ebenso Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 18; Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Allein der Umstand, dass das zuständige Jugendamt seitens der Ausländerbehörden nicht oder nicht rechtzeitig von der Existenz des unbegleitet eingereisten asylsuchenden Minderjährigen Kenntnis erlangt, darf daher nicht dazu verleiten, eine nicht bestehende „Kollision“ oder gar einen Vorrang des Asylverfahrensrechts für die Unterbringung zu konstruieren. Vielmehr ist (auch) der unbegleitet eingereiste asylsuchende Minderjährige von der örtlichen Ausländerbehörde oder den Zentralen Aufnahmestellen für Asylbewerber unverzüglich an das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt weiterzuleiten (vgl. § 14 Satz 1 d. Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern - AGO: „Weiterleitung bei Unzuständigkeit“). Umgekehrt ist das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt gemäß § 81 SGB VIII gehalten, von der örtlichen Ausländerbehörde oder der Zentralen Aufnahmestelle Auskunft über den Aufenthalt unbegleitet eingereister Minderjähriger zu verlangen (vgl. Peters, JAmt 2006, 60 [63]: „Einmischungsauftrag“), um seiner Verpflichtung aus § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII genügen zu können.

Durch die in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIII getroffene Regelung hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass unbegleitet eingereiste Minderjährige - gleichviel welchen Alters - nicht in asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtungen (§ 44 AsylVfG) oder Gemeinschaftsunterkünften (§ 53 AsylVfG) untergebracht werden (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 64]). Dies allein entspricht zugleich den Anforderungen des Art. 20 UN-Kinderrechtskonvention. Nach dieser Bestimmung haben Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (vgl. Art. 1 UN-Kinderrechtskonvention) und aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, Anspruch auf besonderen staatlichen Schutz und Beistand (Abs. 1). Dieser ist durch eine kindgerechte Betreuung in einer Pflegefamilie oder in einer geeigneten Kinderbetreuungseinrichtung sicherzustellen (Absätze 2 u. 3). Eine solche ist in einer asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtung regelmäßig nicht gewährleistet (vgl. näher Peter, JAmt 2006, 60 [63 f.]; Löhr, ZAR 2010, 378 [381 f.]). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Anders als beim typischen Eltern-Kind-Konflikt bedarf es bei der In-Obhutnahme unbegleiteter Minderjähriger auch keiner Gefährdungsabschätzung (mehr), vielmehr wird eine (latente) Gefahr für das Wohl unbegleiteter Minderjähriger (alleine in einem fremden Land, mangelnde Sprachkenntnisse) - gleichviel welchen Alters - vom Gesetzgeber unterstellt (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 19; Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44; Peter, JAmt 2006, 60 [61; 62]). Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf unbegleitete minderjährige Asylbewerber, die das 16. Lebensjahr bereits vollendet haben, weil auch insoweit das Kindeswohl gefährdende körperliche oder gar sexuelle Übergriffe in Erstaufnahmeeinrichtungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. hierzu auch Art. 34 UN-Kinderrechtskonvention - „Schutz vor sexuellem Missbrauch“). Der von Teilen der Literatur (vgl. etwa Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 18) hinsichtlich dieses Personenkreises zusätzlich für erforderlich gehaltene „jugendhilferechtliche Bedarf“ liegt bereits von Gesetzes wegen vor.

Das nach § 87 SGB VIII örtlich zuständige Jugendamt muss deshalb, ohne dass ihm ein Ermessen eingeräumt wäre (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 65]), nicht nur Obhut gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gewähren, sondern darüber hinaus auch unverzüglich die Bestellung eines Vormunds veranlassen (§ 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII). Dessen Bestellung lässt die Erforderlichkeit einer In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII nicht entfallen. Ebenso wenig wie eine bereits angeordnete In-Obhutnahme durch eine Vormundbestellung endet (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 13 f.), wird eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII aufgrund der Anordnung einer Amtsvormundschaft entbehrlich. Die Aufgabe des Jugendamtes, gefährdeten Jugendlichen in einer Krisensituation Unterbringung und Betreuung zu gewährleisten, und der mit der In-Obhutnahme verbundene Schutzauftrag sind mit der Bestellung eines Amtsvormunds durch das Familiengericht noch nicht erfüllt; denn die bloße Existenz eines Personensorgeberechtigten, der anderweitige Hilfen beantragen könnte, lässt das Problem des akuten Unterkunfts- und Betreuungsbedarfs ungelöst (vgl. BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 14).

Da eine In-Obhutnahme Volljähriger rechtswidrig ist, hat das Jugendamt das Alter des Betroffenen festzustellen, ohne insoweit an die Feststellungen anderer Behörden gebunden zu sein (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 - juris, Rn. 9). Eine Altersschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 33.09 -, JAmt 2010, 46). Eine zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s. auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). Dabei ist außerhalb von Strafverfahren zu beachten, dass keine juristische Legitimation für die Durchführung von Röntgenuntersuchungen vorliegt und insofern nur ein eingeschränktes Methodenspektrum zur Verfügung steht. Allgemein wird deshalb eine körperliche Untersuchung mit Erfassung anthropometrischer Maße, der sexuellen Reifezeichen und möglicher altersrelevanter Entwicklungsstörungen sowie eine zahnärztliche Untersuchung mit Erhebung des Zahnstatus empfohlen (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 22/09 -, JAmt 2010, 44).

Bestehen ernsthafte Zweifel hinsichtlich des Alters des Betroffenen, so haben sowohl das Jugendamt (§ 20 SGB X) als auch die Gerichte (§ 86 VwGO) von Amts wegen alle Möglichkeiten auszuschöpfen, das Alter des Betroffenen festzustellen (so zutreffend OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 8 für das Kindschaftsrecht; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 u. a. -, juris, Rn. 9; siehe auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl. 2010, § 33a Rn. 8). Erst wenn alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft sind, trifft den um Obhutnahme bittenden Minderjährigen die materielle Beweislast für das von ihm behauptete Alter als anspruchsbegründende Tatsache (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6).

Lässt sich eine verlässliche Klärung des Alters nicht sogleich herbeiführen, so hat das Jugendamt im Zweifel, also dann, wenn das Vorliegen von Minderjährigkeit nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 21 a.E.; DIJuF- Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548 f.] m. w. N.). Dies gilt insbesondere dann, wenn auch das Familiengericht die Vormundschaft vorläufig - zur näheren Abklärung des Alters des Betroffenen - angeordnet und zugleich beschlossen hat, zur Feststellung des tatsächlichen Alters des Betroffenen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Auch die UNHCR-Richtlinie über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger vom Februar 1997 sieht ausdrücklich vor, dass im Zweifelsfall, also dann, wenn das genaue Alter ungewiss ist, zugunsten des betroffenen Kindes bzw. Jugendlichen entschieden werden soll (UNHCR 1997, 5.11 c).

2. Hiervon ausgehend kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht nicht aufrechterhalten werden. Weder der Vermerk des Jugendamts der Stadt Dortmund vom 7. Januar 2014 noch die Inaugenscheinnahme durch Vertreter des Kreisjugendamts E. und des Teams Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamts genügen den oben genannten Anforderungen. Vor allem lassen sie nicht erkennen, auf welche Merkmale und Kriterien die handelnden Personen ihre Annahme, der Antragsteller sei bereits volljährig, stützen. Der persönliche Eindruck allein kann insoweit nicht genügen. Gleiches hat hinsichtlich der Annahmen der Ausländerhilfe E. e.V. zu gelten. Auch das in den Akten enthaltene Lichtbild des Antragstellers lässt eine rechtlich und tatsächlich tragfähige Beurteilung nicht zu. Eine Minderjährigkeit des Antragstellers erscheint danach mindestens ebenso wahrscheinlich wie dessen Volljährigkeit. Die klärungsbedürftige Frage, ob der Antragsteller, wie er vorträgt, am 30. Oktober 1997 geboren wurde, infolgedessen noch minderjährig ist und damit dem Anwendungsbereich des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII unterfällt, muss derzeit vielmehr als offen angesehen werden. Dies deckt sich zugleich mit der Einschätzung des Amtsgerichts E. in den Beschlüssen vom 31. Juli und 1. August 2014 („möglicherweise noch minderjährig“) und der Verfügung des Amtsgerichts vom 11. September 2014, in der mitgeteilt wird, dass aufgrund der vorliegenden Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller bereits volljährig sei mit der Folge, dass er als noch Minderjähriger zu behandeln sei. In der Tat kann nach der (abschließenden) Altersdiagnose des Instituts für Rechtsmedizin der Universität M. vom 1. September 2014 aufgrund einer möglicherweise im Raum stehenden Wachstumsstörung Minderjährigkeit des Antragstellers nicht ausgeschlossen werden. Das fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 und der zahnärztliche Befund ebenfalls vom 13. August 2014 stehen dem nicht entgegen, da sie die Möglichkeit einer Wachstumsstörung nicht berücksichtigen. Insoweit wird es, wie vom Institut für Rechtsmedizin angeregt, weiterer Aufklärung durch die Fachabteilung für Auxologie des Haunerschen Kinderspitals der LMU M. - entweder noch im familiengerichtlichen Verfahren oder aber spätestens im bereits anhängigen Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht - bedürfen.

In einer solchen Fallkonstellation ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - im Lichte der den Verwaltungsprozess beherrschenden Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) im Wege einer (reinen) Folgenabwägung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden (vgl. BVerfG, B. v. 25.7.1996 - 1 BvR 638/96 -, NVwZ 1997, 479 [481]; B. v. 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 -, NVwZ 2008, 880 [881]; B. v. 25.2.2009 - 1 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, 715 f.; BVerwG, B. v. 13.10.1994 - 7 VR 10/94 -, NVwZ1995, 379 [380]; siehe auch Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 100 f.), die die Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung asylbegehrender unbegleiteter Minderjähriger der Primärzuständigkeit des Jugendamts zu überantworten (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII), und den von Verfassungs wegen gebotenen Schutz Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) gleichermaßen entscheidungserheblich in den Blick nimmt.

Vorliegend überwiegen insoweit die persönlichen Interessen des Antragstellers gegenüber möglicherweise entgegenstehenden öffentlichen Belangen. Sollte sich in dem vom Amtsgericht E. eingeleiteten Altersfeststellungsverfahren bzw. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens vor dem Verwaltungsgericht herausstellen, dass der Antragsteller - wie von ihm behauptet - tatsächlich minderjährig ist, so ginge er, würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen, des durch § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII vermittelten Rechtsanspruchs auf In-Obhutnahme und Unterbringung in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für einen nicht unerheblichen Zeitraum verlustig. Gleichzeitig bliebe er weiterhin den möglichen Gefahren einer unbegleiteten Unterbringung in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene ausgesetzt, denen der Gesetzgeber mit dem Erlass der in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII getroffenen Regelung gerade begegnen wollte. Darüber hinaus würde die Einleitung geeigneter Fördermaßnahmen verzögert. Demgegenüber wiegen die finanziellen Nachteile, die der Antragsgegner möglicherweise dadurch erleiden könnte, dass sich im Rahmen des laufenden Feststellungsverfahrens die Volljährigkeit des Antragstellers ergibt und die diesem bis zur Klärung des Alters zuteil gewordene In-Obhutnahme sich im Nachhinein als überflüssig erweist, deutlich geringer.

Damit hat der Antragsteller sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Der Antragsteller kann nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die begehrte einstweilige Anordnung ist daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - bis zur endgültigen Feststellung des Alters des Antragstellers im anhängigen familiengerichtlichen Verfahren bzw. bis zur endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren - zu erlassen. Eine (unzulässige) Vorwegnahme der Hauptsache liegt insoweit nicht inmitten, da die einstweilige Anordnung zeitlich befristet - bis zur endgültigen Klärung des Alters - und damit lediglich vorläufig erfolgt, die Maßnahme der Existenzsicherung dient und dem Antragsteller ein Abwarten bis zur Entscheidung im familiengerichtlichen Verfahren bzw. im Hauptsacheverfahren aufgrund des damit (möglicherweise) verbundenen Rechtsverlustes nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, B. v. 21.1.1999 - 11 VR 8/98 -, NVwZ 1999, 650; siehe auch Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rn. 14; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 104 f.).

3. Zugleich ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Klageverfahren unter Anwaltsbeiordnung zu bewilligen (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 Abs. 1, 121 Abs. 2 ZPO), da die weitere Klärung von einer (weiteren) Beweiserhebung abhängt und nach derzeitiger Sachlage hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht ausgeschlossen werden können (vgl. BayVGH, B. v. 11.3.2014 - 12 C 14.380 - juris, Rn.10 m. w. N.).

4. Die Kostenentscheidung im Eilverfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Eine Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe ist nicht erforderlich, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden (§ 188 Satz 2 VwGO) und Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die vorläufige Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

Der nach seinen eigenen Angaben 2001 in Schirkhankhail, Afghanistan, geborene Antragsteller gelangte am 15. Februar 2016 in die B.-Kaserne in M.. Noch am gleichen Tag führten eine Mitarbeiterin des Jugendamts der Antragsgegnerin sowie zwei Fachkräfte freier Jugendhilfeträger mit ihm unter Einsatz eines Dolmetschers ein „Erstgespräch“ zur Altersfeststellung. Der Antragsteller selbst gab dabei den 18. Februar 2001 als sein Geburtsdatum an und zeigte den Beteiligten ein Foto seiner Tazkira (afghanische Personenstandsurkunde) auf dem Handy seines Bruders vor. Der 1984 geborene Bruder lebt seit 16 Jahren in Deutschland. Nach dem Gespräch, das rund 45 Minuten gedauert haben soll, gelangten die beteiligten Fachkräfte aufgrund des äußeren Erscheinungsbilds, der Art und Ausdrucksweise und des Verhaltens des Antragstellers zu der Einschätzung, dieser müsse älter als 18 Jahre sein. Daraufhin setzte die Antragsgegnerin noch am gleichen Tag sein Geburtsdatum auf den 31. Dezember 1997 fest und lehnte die Inobhutnahme „gemäß § 42 Absatz 1 SGB VIII“ ab. Im Rahmen der Überprüfung der Voraussetzungen einer Inobhutnahme habe sich ergeben, dass beim Antragsteller keine Minderjährigkeit vorliege. Auch habe der Antragsteller keine beweiskräftigen Ausweispapiere oder sonstigen Papiere, die seine Minderjährigkeit unabhängig von den Prüfungen der Antragsgegnerin belegen könnten, vorgelegt. Schließlich habe die Minderjährigkeit auch nicht durch eine „schlüssige mündliche Sachverhaltsdarstellung“ des Antragstellers begründet werden können. In der Folge wurde der Antragsteller als erwachsener Asylbewerber behandelt und von der Regierung von Oberbayern in die entsprechende Erstaufnahmeeinrichtung ebenfalls in der B.-Kaserne in M. aufgenommen.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 19. Februar 2016 ließ der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht München erheben und beantragte zugleich, die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn in Obhut zu nehmen und in einer jugendgerechten Einrichtung unterzubringen. Zur Begründung wird auf die Fehlerhaftigkeit der Alterseinschätzung durch die Antraggegnerin verwiesen, insbesondere darauf, dass eine medizinische Untersuchung zur Altersbestimmung nicht stattgefunden habe. Beim Antragsteller handele es sich um einen Zweifelsfall. Im Interesse des Kindeswohls sei er jedenfalls bis zu einer endgültigen Altersfeststellung als Jugendlicher zu behandeln und in Obhut zu nehmen. Angesichts seiner Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Erwachsene, bei der seine Betreuung nicht ansatzweise jugendhilferechtlichen Maßstäben entspreche, sei auch die Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegeben.

Zeitgleich beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung nach § 42f Abs. 2 SGB VIII, die die Antragsgegnerin bei zwei Allgemeinärzten und einem Zahnarzt durchführen ließ. In der Folge legte sie beim Verwaltungsgericht ein „ärztliches Gutachten“ der Allgemeinärzte Dres. B.-F. und F. vom 18. März 2016 vor, das zu dem Ergebnis kam, dass der Antragsteller „deutlich über 18 Jahre sein müßte“. Demgegenüber kam ein „zahnärztliche Gutachten“ des Zahnarztes R. B. vom 12. April 2016 aufgrund des Gebissstatus des Antragstellers zu der Einschätzung, er sei - da der Zahndurchbruch noch nicht vollständig abgeschlossen sei - zwischen 15 und 16 Jahre alt. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen legten die Bevollmächtigten des Antragstellers daraufhin eine vollständige Kopie der Tazkira des Antragstellers nebst deutscher Übersetzung vor und boten zugleich deren Übergabe im Original an. Ferner übermittelten sie zwei Fotos des Antragstellers, die aus dem Jahr 2004 stammen sollen. Darüber hinaus bestätigte der Bruder des Antragstellers am 27. April 2016 dessen Geburtsdatum mit einer eidesstattlichen Versicherung.

Mit Beschluss vom 18. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin, den Antragsteller einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Es bestehe sowohl ein Anordnungsanspruch wie auch ein Anordnungsgrund. Im vorliegenden Fall sei die Antragsgegnerin hinsichtlich des Alters des Antragstellers offensichtlich von einem Zweifelsfall im Sinne von § 42f Abs. 2 SGB VIII ausgegangen, denn erst ein Zweifelsfall bilde die Voraussetzung für eine ärztliche Untersuchung, auch wenn ein Antrag des Betroffenen bzw. seiner Bevollmächtigten gestellt werde.

Mit dem neugeschaffenen § 42f SGB VIII habe es der Gesetzgeber allerdings unterlassen, eine Regelung zu treffen, wie in Fällen zu entscheiden sei, in denen das tatsächliche Alter des Betroffenen trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten unklar bleibe. Demgegenüber ergebe sich aus Art. 25 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU, deren Umsetzungsfrist am 21. Juli 2015 abgelaufen sei, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz ärztliche Untersuchungen des Alters unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge durchführen lassen, wenn aufgrund allgemeiner Angaben oder anderer einschlägiger Hinweise Zweifel bezüglich deren Alters aufträten. Bestünden diese Zweifel auch nach der ärztlichen Untersuchung fort, sehe Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie vor, dass von der Minderjährigkeit des Antragstellers auszugehen sei.

Aus diesen rechtlichen Vorgaben und den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen folge, dass beim Antragsteller von Minderjährigkeit auszugehen sei und die Voraussetzungen für eine Inobhutnahme damit vorlägen. Zwar widersprächen sich der „ärztliche Untersuchungsbericht“ vom 18. März 2016 und das „zahnärztliche Gutachten“ vom 12. April 2016 grundsätzlich. Indes erweise sich, anders als das „zahnärztliche Gutachten“, der „ärztliche Untersuchungsbericht“ als nicht nachvollziehbar, da er lediglich abstrakt Untersuchungsparameter beschreibe, ohne darzustellen, welche Feststellungen zu welchem Parameter getroffen worden seien. Demgegenüber lasse sich das „zahnärztliche Gutachten“ aus sich heraus nachvollziehen. Für das Eilverfahren sei daher schon aufgrund dessen von der Minderjährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass es auf eine Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs durch die eidesstattliche Versicherung des Bruders des Klägers nicht ankomme. Kein eigener Erkenntniswert komme der in Kopie des Originals sowie in deutscher Übersetzung vorgelegten Tazkira zu, da das afghanische Personenstandswesen keine Gewähr für die Richtigkeit des in der Tazkira angegebenen Geburtsdatums biete.

Gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 2. Juni 2016 Beschwerde eingelegt und zur Begründung mit Schriftsatz vom 16. Juni 2016 vorgetragen, der Antragsteller habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts mangels Minderjährigkeit keinen Anspruch auf Inobhutnahme nach § 42, 42 a Abs. 1 SGB VIII. Die Antragsgegnerin habe zunächst nach Maßgabe des § 42f Abs. 1 SGB VIII die Volljährigkeit des Antragstellers durch ein etwa 45-minütiges Gespräch mit in Fragen der Feststellung des Lebensalters einer Person sehr erfahrenen Mitarbeiterinnen durchgeführt, das im Wesentlichen den Handlungsempfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen entsprochen habe.

Hinsichtlich der Alterseinschätzung nach ärztlicher Untersuchung habe das Verwaltungsgericht fehlerhaft nur das „zahnärztliche Gutachten“ berücksichtigt, die ärztliche Begutachtung durch Dres. B.-F. und F. hingegen unzutreffend als „ohne ergänzende Erläuterung“ nicht nachvollziehbar angesehen. Letzterem könne nicht gefolgt werden. Zunächst sei festzustellen, dass die Untersuchung des Antragstellers im Einklang mit § 42f Abs. 2 SGB VIII unter Anwendung der schonendsten Methoden erfolgt sei. Aus dem Untersuchungsbericht gehe ferner deutlich hervor, welche körperlichen Merkmale bei der Untersuchung erfasst worden seien. Zwar könne dem Verwaltungsgericht zugestimmt werden, dass sich nicht jedem der Untersuchungsparameter eine Subsumtion anschließe. Derartige Anforderungen enthalte das Gesetz jedoch nicht. Ausreichend sei vielmehr, dass die untersuchenden Ärzte konkret dargelegt hätten, welche beobachteten bzw. festgestellten Untersuchungsbefunde kausal für die gezogenen Schussfolgerungen seien. Die Argumentation des Verwaltungsgerichts könne auch als allgemeine Ablehnung bzw. Anzweiflung der Untersuchungsmethoden der Dres. B.-F. und F. aufgefasst werden, wozu jedoch kein Anlass bestehe. Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung habe im Rahmen von § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) das Stadtjugendamt zu bestimmen. § 21 SGB X benenne die wichtigsten Beweismittel. Welche hiervon das Jugendamt wähle, liege grundsätzlich in der Freiheit der Verwaltungsbehörde selbst. In diesem Kontext müsse darauf hingewiesen werden, dass beim Antragsteller im Rahmen des § 42f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII eine radiologische Untersuchung zu unterbleiben habe. Im Übrigen bestünden hinsichtlich der Art und des Umfangs der ärztlichen Untersuchung keine Bedenken, die das festgestellte Ergebnis - die Volljährigkeit des Antragstellers - erschüttern könnten.

Demgegenüber erweise sich das zahnärztliche Gutachten, das das Verwaltungsgericht maßgeblich herangezogen habe, als ungeeignet für die Altersfeststellung. Dieses beschreibe zwar die gesamte Gebisssituation des Antragstellers, stütze sich im Ergebnis jedoch allein auf den noch nicht abgeschlossenen Zahndurchbruch. Angesichts der vom Gutachter selbst angeführten Tatsache, dass der vollständige Zahndurchbruch durch einen gekippten persistierenden Milchzahn verhindert gewesen sei, sei die hieraus abgeleitete Schlussfolgerung bezüglich des Alters des Antragstellers nicht nachvollziehbar.

Weiter gehe das Verwaltungsgericht unzutreffend davon aus, dass die Antragsgegnerin aufgrund der Regelung in Art. 25 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU verpflichtet gewesen wäre, bei verbliebenden Zweifeln hinsichtlich des Alters des Antragstellers diesen in Obhut zu nehmen. Zwar dürften im vorliegenden Fall die Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie im deutschen Recht gegeben sein. Nach Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU gelte die Richtlinie allerdings nur für Anträge auf internationalen Schutz sowie für die Aberkennung internationalen Schutzes. Bei der Entscheidung über eine vorläufige Inobhutnahme nach § 42a SGB VIII handele es sich indes nicht um eine Entscheidung, mit der eine Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz zugesprochen werden könne. Demnach folge aus Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 Richtlinie 2013/32/EU keine Verpflichtung zur Inobhutnahme bei ungeklärter Minderjährigkeit des Betroffenen. Verbleibende Zweifel gingen vielmehr bei einem begünstigenden Verwaltungsakt wie der Inobhutnahme zulasten des Anspruchstellers. Folglich hätten im vorliegenden Fall die verbleibenden Zweifel an der Minderjährigkeit vom Antragsteller selbst ausgeräumt werden müssen. Nichts anderes ergebe sich aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention). Die Konvention regle weder, wie die danach maßgebliche Altersgrenze zu bestimmen sei, noch fordere sie ihre Anwendung, solange nicht geklärt sei, ob die betroffene Person überhaupt ein Kind im Sinne der Konvention sei. Die Ablehnung der vorläufigen Inobhutnahme durch die Antragsgegnerin erweise sich daher als rechtmäßig.

Die Bevollmächtigten des Antragstellers sind der Beschwerde entgegengetreten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Antragsgegnerin dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses und die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht.

1. Für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kann zunächst offenbleiben, ob der Antragsteller eine - gewissermaßen „endgültige“ - Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) durch die Antragsgegnerin oder eine vorläufige Inobhutnahme nach § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII - gegebenenfalls mit der Konsequenz der Durchführung eines anschließenden Verteilungsverfahrens nach § 42b SGB VIII - anstrebt (ebenso das Verhältnis der Inobhutnahme nach § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zur Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII), da sich die vom Verwaltungsgericht angeordnete einstweilige Inobhutnahme des Antragstellers bis zur Klärung seines Alters gleichermaßen aus beiden Anspruchsgrundlagen ableiten lässt. Indes wird auch aus der Verfahrensakte der Antragsgegnerin wie aus der Beschwerdebegründung nicht deutlich, ob sie beim Antragsteller eine Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII (so der Ablehnungsbescheid vom 15. Februar 2016 Bl. 2 der Verfahrensakte) oder eine nach § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII (so die Stellungnahme zum Fallverlauf vom 8. März 2016, der Verfahrensakte vorgeheftet) geprüft hat. Gegebenenfalls ist von der Klägerseite diesbezüglich der entsprechende Antrag im Hauptsacheverfahren zu präzisieren.

2. Soweit die Antragsgegnerin mit ihrem Beschwerdevorbringen die Bewertung des „ärztlichen Untersuchungsberichts“ der Dres. B.-F. und F. vom 18. März 2016 und des „zahnärztlichen Gutachtens“ vom 12. April 2016 durch das Verwaltungsgericht angreift, kann sie damit nicht durchdringen.

2.1 Der etwa eine halbe DIN-A4-Seite umfassende „ärztliche Untersuchungsbericht“ der Dres B.-F. und F. vom 18. März 2016 besitzt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, keinen nennenswerten Aussagegehalt. Als tatsächlich von den berichtenden Ärzten erhobener Untersuchungsbefund ergibt sich allein die Körpergröße und das Gewicht des Antragsteller. An der weiteren Feststellung „Aufgrund des körperlichen Untersuchungsbefundes (u. a. Habitus, Ausprägung der Muskulatur, der Mimik, der Behaarung, der Haut und der Gelenke) und der Befragung mit Anamnese kommen wir zu der Einschätzung, dass das Alter von Herrn F. deutlich über 18 Jahre sein müsste.“ fällt bereits die Relativierung durch den Gebrauch des Konjunktivs auf („müsste“ deutlich über 18 Jahre sein). Des Weiteren werden lediglich Merkmale aufgezählt, an die eine Altersbestimmung des Antragstellers anknüpfen kann, nicht jedoch die bezüglich der einzelnen Merkmale ermittelten Befunde mitgeteilt. Mithin bleibt der - aus der Perspektive der begutachtenden Ärzte augenscheinlich nicht ganz sichere - Schluss auf das Alter des Antragstellers ohne jegliche Begründung. Das Verwaltungsgericht geht demnach zutreffend davon aus, dass ohne nähere Erläuterungen die „ärztliche Bescheinigung“ nicht nachvollzogen werden kann. Hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren allein streitbefangenen Frage des Alters des Antragstellers lässt sich aus ihr daher nichts ableiten. Wie die Antragsgegnerin angesichts dessen zu der Auffassung gelangt, die den Antragsteller untersuchenden Ärzte hätten „konkret dargelegt (…), welche beobachteten bzw. festgestellten Untersuchungsbefunde kausal für die gezogene Schlussfolgerung gewesen sind“, erschließt sich dem Senat nicht.

2.2 Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin tangiert die Bewertung der von ihr ins Verfahren eingeführten „ärztlichen Bescheinigung“ als untauglich darüber hinaus weder die Kompetenz der Behörde, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Art und Umfang der Sachverhaltsermittlung zu bestimmen noch ihre Kompetenz, nach § 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X die nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich gehaltenen Beweismittel auszuwählen. Denn eine bestimmte inhaltliche Bewertung des von der Antragsgegnerin selbst ausgewählten Beweismittels durch das Gericht gibt weder § 20 Abs. 1 noch § 21 Abs. 1 SGB X vor.

2.3 Als nicht entscheidungserheblich erweist sich im vorliegenden Zusammenhang ferner das weitere Vorbringen der Antragsgegnerin, § 42f Abs. 2 SGB VIII gebiete, dass im Zusammenhang mit der Altersbestimmung eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings eine radiologische Untersuchung zu unterbleiben habe, da eine radiologische Untersuchung beim Antragsteller unstreitig nicht stattgefunden hat.

2.4 Anders als der „ärztliche Untersuchungsbericht“ vom 18. März 2016 lässt sich dem „zahnärztlichen Gutachten“ vom 12. April 2016 zunächst ein konkret ausgeführter Befund im Hinblick auf die „rein klinische Gebisssituation“ des Antragstellers entnehmen und aufgrund dessen die gezogene Schlussfolgerung nachvollziehen, das Alter des Antragstellers liege „zwischen dem 15. und 16. Lebensjahr, da der Zahndurchbruch noch nicht vollständig abgeschlossen war“. In diesem Zusammenhang erschließt sich dem Senat weder eine dem Untersuchungsbefund überlegene zahnärztliche Sachkunde des Verfassers der Beschwerdebegründung noch die Argumentation, es fehle in dem „zahnärztlichen Gutachten“ bereits „an einer kausalen Bedingung zwischen den getroffenen Feststellungen bei der Gebissuntersuchung und dem angegebenen Alter“. Vollkommen zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass genau das Gegenteil der Fall ist.

3. Auch das weitere Vorbringen der Antragsgegnerin, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von der (unmittelbaren) Anwendbarkeit von Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2013/32/EU ausgegangen, führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

3.1 Vielmehr muss entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin die in Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („Im Zweifel pro Minderjährigkeit“) nicht nur im eigentlichen Asylverfahren als dem Verfahren zur Gewährung (bzw. Aberkennung) internationalen Schutzes, sondern auch in dem mit dem Asylverfahren unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge untrennbar verbundenen jugendhilferechtlichen Inobhutnahmeverfahren gelten. Denn folgte man der Antragsgegnerin, die sich auf eine lediglich formal argumentierende Kommentierung zu § 42f SGB VIII stützt (Kepert in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42 f Rn. 6 aE), hätte dies ggf. die Spaltung des elementaren Status eines „jungen“ unbegleiteten Flüchtlings zur Folge, der zwar für das eigentliche Asylverfahren nach Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 Rl. 2013/32/EU als Minderjähriger, hinsichtlich des Anspruchs auf eine Inobhutnahme nach Jugendhilferecht hingegen als Erwachsener behandelt werden müsste. Demgegenüber kann nach der Auffassung des Senats der Status eines „jungen“ unbegleiteten Flüchtlings - Minderjähriger oder Erwachsener - nur einheitlich bestimmt werden. Muss der unbegleitete Minderjährige daher im Asylverfahren bei trotz ärztlicher Untersuchung verbleibenden Zweifeln als minderjährig behandelt werden, gilt dies in gleicher Weise auch für das Jugendhilfeverfahren (so auch Kirchhoff in jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Winkler in BeckOK Sozialrecht § 42f SGB VIII Rn. 9; Wiesner in Wiesner SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; unklar Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, § 42f Rn. 6, der die Zweifelsregel nur dann zur Anwendung bringen will, wenn die Behörde eine ärztliche Untersuchung unterlässt, was mit dem Wortlaut der Richtlinie indes nicht in Übereinstimmung zu bringen ist; offengelassen von VG Göttingen B. v. 17.07.2014 - 2 B 195/14 - juris Rn. 49). Ginge man im vorliegenden Verfahren daher angesichts der Unverwertbarkeit der „ärztlichen Stellungnahme“ der Dres B.-F- und F. überhaupt von Zweifeln an der Minderjährigkeit des Antragstellers nach den durchgeführten ärztlichen Untersuchungen aus, wäre er demnach auch jugendhilferechtlich als Minderjähriger zu behandeln und - jedenfalls bis zu einer endgültigen Altersfeststellung - in Obhut zu nehmen.

3.2 Die Beschwerde hätte allerdings auch dann keinen Erfolg, wenn die Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 Rl. 2013/32/EU nicht zur Anwendung käme. Denn nach der Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 14.1865 - BayVBl. 2015, 131 ff.) führen verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer (reinen) Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) die persönlichen Interessen des Antragstellers in der Regel möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen. Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (BayVGH, a.a.O, Rn. 23, 25 f.). Angesichts des nachvollziehbaren „zahnärztlichen Gutachtens“ kann im vorliegenden Fall die Minderjährigkeit des Antragstellers nicht sicher ausgeschlossen werden, so dass die Antragsgegnerin verpflichtet war, ihn bis zu einer verlässlichen Altersklärung - beispielsweise durch ein Sachverständigengutachten im Hauptsacheverfahren oder im familienrechtlichen Verfahren zur Bestellung eines Vormunds - in Obhut zu nehmen.

3.3 Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang schließlich darauf verweist, dass bei einem „non liquet“ hinsichtlich eines Tatbestandsmerkmals eines begünstigenden Verwaltungsakts, als den sie die Inobhutnahme eines Minderjährigen ansieht, die Beweislast beim Anspruchsteller liegt, mit anderen Worten, dass im vorliegenden Fall der Antragsteller seine Minderjährigkeit hätte beweisen müssen, kann sie damit ebenfalls nicht durchdringen. Denn angesichts des von der Antragsgegnerin konzedierten Ablaufs der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2013/32/EU und der fehlenden Umsetzung im Jugendhilferecht gilt nunmehr für die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge vorrangig die Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie, jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - Zweifel am Alter des Betroffenen auch nach einer ärztlichen Untersuchung noch bestehen bleiben. Für eine Beweislastentscheidung, die ohnehin nur im Hauptsacheverfahren hätte getroffen werden können, bleibt daher im vorliegenden Fall kein Raum mehr. Darüber hinaus erweist sich auch die frühere Rechtsauffassung des Senats zur Verteilung der Beweislast bei Inobhutnahmefällen (BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 - BayVBl. 2015, 131 ff. Rn. 22) als durch die weitere Rechtsentwicklung überholt.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin war demnach als unbegründet zurückzuweisen.

4. Die Antragsgegnerin trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2, 1 VwGO in Angelegenheiten des Kinder- und Jugendhilferechts nicht erhoben. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.