Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 18. Okt. 2016 - 12 CE 16.2064
vorgehend
Tenor
I.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.
II.
Die Beschwerde wird unter der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller auf der Grundlage des Schreibens des Staatlichen Schulamts in der Stadt Augsburg vom 21. Juni 2016 unverzüglich diejenige öffentliche Sprengel- oder andere Augsburger Regel-Schule zu benennen hat, die entsprechend dem ärztlich-psychologischen Bericht der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Klinik J. vom 29. März 2016 in der Lage ist, eine bedarfsgerechte Beschulung in einer „individualisierten Unterrichtsform in einem kleinen Klassenverband“ sicherzustellen.
III.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird über die bereits im angegriffenen Urteil ausgesprochene Verpflichtung hinaus verpflichtet, die Kosten des Privatschulbesuchs des Klägers - bestehend aus Schulgeld, Fahrtkosten, Aufwendungen für Lernmittel sowie Klassenfahrten und -ausflüge - im Zeitraum vom 22. August 2012 bis zum Juli 2013 zu übernehmen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger zu 15 %, die Beklagte zu 85 %, die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 10 %, die Beklagte zu 90 %. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für die Beschulung des Klägers auf der G. Q. O. .
3Bei dem im Februar 2000 geborenen Kläger wurde im Jahr 2004 die Diagnose ADHS gestellt. Im Jahr 2006 wurden u.a. ein Aspergersyndrom (ICD-10: F84.5) mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung sowie eine umschriebene motorische Entwicklungsstörung (ICD-10: F82) diagnostiziert. Im Jahr 2010 wurden zusätzlich Zwangsgedanken und -handlungen (ICD-10: F42.2) und eine chronische motorische oder vokale Ticstörung (ICD-10: F95.1) festgestellt. Von 2007 bis 2009 wurde der Kläger heilpädagogisch gefördert. Aufgrund eines Antrags nach § 35a SGB VIII wurde in einem Hilfeplan vom 4. November 2010 dem Kläger, der zu diesem Zeitpunkt im fünften Schuljahr war und die L. -T. -Schule (Förderschule Sprache) besuchte, ein Integrationshelfer ab dem 25. Oktober 2010 gewährt. Diese Hilfe wurde nach kurzer Zeit - am 5. November 2010 - eingestellt, da an diesem Tag ein Wechsel in die 5. Klasse der F. -L1. -Schule, Kompetenzzentrum für sonderpädagogische Förderung mit den Förderschwerpunkten Sprache, Lernen und emotionale und soziale Entwicklung stattfand.
4Vom 25. Januar 2012 bis zum 29. März 2012 wurde der Kläger stationär in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der S. L2. W. behandelt.
5Mit Schreiben vom 10. April 2012, bei der Beklagten eingegangen am 11. April 2012, beantragte der Kläger, vertreten durch seine Eltern, die Übernahme der Kosten einer Privatschule. Beigefügt war ein Entlassungsbericht des Fachbereichs Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der S. L2. W. vom 26. März 2012, in dem als Diagnosen Asperger-Syndrom (ICD-10: F84.5), Hyperkinetische Störung Sozialverhalten (ICD-10: F90.1), Enuresis nichtorganisch (ICD-10: F98.0) sowie Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemischt (ICD-10: F42.2) genannt werden. Weiter heißt es:
6„Unseren Informationen und unserem klinischen Eindruck nach ist Q2. in seiner aktuellen Klasse kognitiv stark unterfordert. Er zeigte in unserer Klinikschule eine gute kognitive Leistungsfähigkeit und einen, in Anbetracht der restlichen Problematik erstaunlichen, Wissendurst und Wunsch nach mehr Anforderung. Die kognitive Unterforderung triggert Q1. generellen Drang andere Kinder zu drangsalieren und abzuwerten, zudem führt die Langeweile zu noch mehr Störverhalten. Wir empfehlen einen Schulrahmen mit möglichst kleinen Klassen, einer möglichst hohen Betreuungsdichte, einem geringen Stundenumfang, wenigen anderen auffälligen Schülern und einer stabilen Begleitung durch möglichst wenig Lehrerwechsel. Eine Betreuung durch ein gut geschultes, im Umgang mit stark auffälligen, sozialverhaltensgestörten und autistischen Kindern erfahrenes pädagogisches Team ist dringend anzuraten. Aktuell halten wir Q1. für nicht regelschulfähig.“
7Nach den Osterferien, d.h. ab dem 17. April 2012, hospitierte der Kläger in der 5. Klasse der G. Q. O. in L3. . Zum Mai 2012 erfolgte die Anmeldung des Klägers auf dieser Schule.
8Am 27. April 2012 überreichten die Eltern des Klägers persönlich eine Aufstellung des Schulgeldes der G. Q. O. , in der ein klassenstufenabhängiges Schulgeld von monatlich zwischen 700 und 875 € sowie eine einmalige Aufnahmegebühr in Höhe von 1.250 € aufgeführt waren.
9Mit Schreiben vom 30. April 2012 erinnerten die Eltern des Klägers an ihren Antrag vom 10. April 2012 und teilten - offenbar in Reaktion auf eine mündliche Anfrage während der Übergabe der Kostenaufstellung am 27. April 2012 - mit, dass sie sich nicht im Besitz der Unterlagen des AO-SF-Verfahrens befänden. Mit Schreiben vom 2. Mai 2012 wurden den Eltern des Klägers auszufüllende Formulare und Fragebögen übersandt. Ein ausgefüllter Formularantrag auf Leistungen nach § 35a SGB VIII ging am 9. Mai 2012 bei der Beklagten ein. Der Schulbericht der F. -L1. -Schule vom 10. Mai 2012 ging am 15. Mai 2012 bei der Beklagten ein. Hierin heißt es u.a.:
10„Q2. zeigt eine extrem hohe Ablenkbarkeit, Q1. ist in einer Lerngruppe von 11 Schülern, die sich aus ES und LE Schülern zusammensetzt, nur schwer zu fördern.
11(…)
12Q2. ist ein Einzelgänger, seine Kontaktaufnahme zu Mitschülern kommt selten an. Meist ist diese unangemessen, unangepasst. Sozialkontakte sind aufgrund Q2. Störung kaum möglich. Es entstehen regelmäßig Konflikte mit Mitschülern.
13(…)
14Q2. benötigt eine wirklich kleine Lerngruppe (4-5 Schüler) durchschnittlich intelligenter Schüler, um seiner Leistungsfähigkeit entsprechend gefördert zu werden. Größere Lerngruppen führen bei Q2. zu einer hohen Konflikt-Problematik, die der Entwicklung seiner schulischen Leistungen, aufgrund seines speziellen Störungsbildes, entgegen stehen. Sonderpädagogische Maßnahmen bei einem autistischen Störungsbild wie Asperger greifen am Kompetenzzentrum aufgrund der Gruppengröße und der Zusammensetzung der Lerngruppen nicht.“
15Unter dem 18. Mai 2012 bat die Sachbearbeiterin der zentralen Koordinierungsstelle § 35a SGB VIII (51/32) den zuständigen Sachbearbeiter im Bereich 51/30
16- Hilfen für junge Menschen und ihre Familien und Bezirkssozialarbeit - um Abgabe einer sozialpädagogischen Stellungnahme. Wohl kurz danach ging eine „Stellungnahme zur Einteilung nach dem multiaxialen Klassifikationsschema nach ICD“ der S. L2. W. , Fachbereich Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters vom 15. Mai 2012 bei der Beklagten ein. Sie führte auf:
17„Achse I: klinisch psychiatrisches Syndrom
18Hyperkinetische Störung Sozialverhalten (ICD10: F90.1)
19Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemischt (ICD10: F42.2)
20Enuresis nichtorganisch (ICD10: F98.0)
21Achse II: Umschriebene Entwicklungsstörungen
22Asperger-Syndrom (ICD10: F84.5)
23Achse III: Intelligenzniveau
24Eine Testung mittels eines HAWIK ergab einen durchschnittlichen IQ von 102 IQ-Punkten. Die einzelnen Untertests ergaben
25- Sprachverständnis 107
26- Wahrnehmungsgebundenes logisches Denken 94
27- Verarbeitungsgeschwindigkeit 109
28- Arbeitsgedächtnis 99
29Achse IV: körperliche Symptomatik
30diverse Allergien (Frühblüher, Katzen, Hunde) und Asthma.
31Achse V: Assoziierte aktuelle abnorme psychosoziale Umstände
32- 6.3 Ereignisse, die zur Herabsetzung der Selbstachtung führen
33- 8. Chronische zwischenmenschliche Belastung im Zusammenhang mit Schule oder Arbeit
34- 35
8.0 Streitbeziehungen mit Schülern/Mitarbeitern
- 36
8.1 Sündenbockzuweisung durch Lehrer/Ausbilder
- 37
8.2 Allgemeine Unruhe in der Schule bzw. Arbeitssituation
Achse VI: Globalbeurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus
39Tiefgreifende und schwerwiegende soziale Beeinträchtigung“
40Anlässlich eines Telefongesprächs am 15. Juni 2012 teilte der zuständige Sachbearbeiter der Mutter des Klägers mit, dass alle Antragsunterlagen vorlägen und nunmehr ein Hausbesuch zur Prüfung der Teilhabebeeinträchtigung stattfinden müsse, dessen Termin noch mitgeteilt werde. Aufgrund des hohen Arbeitsanfalls sei mit einer längeren Bearbeitungsdauer zu rechnen.
41Bei einem weiteren Telefongespräch am 6. Juli 2012 teilte die Mutter des Klägers telefonisch mit, dass der sonderpädagogische Förderbedarf für den Kläger aufgehoben worden sei und sie den Bescheid übermitteln werde.
42Mit Schreiben vom 12. Juli 2012, Eingang am selben Tag, überreichten die Eltern des Klägers den Bescheid vom 19. Juni 2012 über die Aufhebung des Förderbedarfs für den Kläger sowie drei Absagen von zwei Realschulen und einer Gesamtschule.
43Unter dem 16. Juli 2012 wandte sich die Beklagte an die Eltern des Klägers und forderte sie auf, sich mit den Absagen der Schulen an das Schulamt der Stadt L3. zu wenden und angesichts des Nachrangs der Jugendhilfe die Suche nach einer entsprechenden Schule fortzuführen. Unabhängig davon werde das Prüfungsverfahren, ob beim Kläger eine Teilhabebeeinträchtigung vorliege, weiter betrieben. Es werde um Vorlage einer Kopie des Antrags auf Beendigung der sonderpädagogischen Förderung gebeten. Die Eltern des Klägers teilten telefonisch am 2. August 2012 mit, dass sie keine Kopie dieses Antrags besäßen. Auf ein weiteres Schreiben vom 15. August 2012, dass der Antrag auf Beendigung der sonderpädagogischen Förderung benötigt werde, baten die Eltern des Klägers die Beklagte mit Schreiben vom 23. August 2012, sich selbst an das Schulamt zu wenden, und übersandten dem Schulamt eine Einverständniserklärung vom 26. August 2012. Mit Schreiben vom 27. August 2012 forderte das Jugendamt die Antragsunterlagen beim Schulamt an. Sie gingen am 29. August 2012 dort ein. Das Jugendamt wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 10. September 2012 an das Schulamt und bat, die vorrangigen Leistungen der Schule zu realisieren. Die Eltern des Klägers wurden mit Schreiben vom selben Tag aufgefordert, die Suche nach einer Schule für den Kläger fortzusetzen.
44Mitte Juli bis Anfang August 2012 befand sich der Kläger mit seiner Familie im Urlaub. Am 13. August 2012 wurde ein Hausbesuch für den 23. August 2012 vereinbart.
45Unter dem 20. September 2012 erstellte der zuständige Sozialpädagoge eine Sozialpädagogische Stellungnahme, in der er eine Teilhabebeeinträchtigung des Klägers in den Bereichen Familienbeziehungen, Umfeld/soziale Kontakte, Schule, Alltagsbewältigung/Selbstversorgung und Erholung und Freizeit feststellte. Die Voraussetzungen für eine Hilfegewährung nach § 35a SGB VIII lägen vor. Als geeignete Maßnahmen wurden nach der Beratung im Team der Zentralen Fachstelle am 20. September 2012 ein Integrationshelfer für den Fall einer Regelbeschulung und eine begleitende Autismustherapie erachtet. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 hörte die Beklagte den Kläger daraufhin zu einer beabsichtigten Ablehnung der Übernahme der Kosten für die G. Q. O. an. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2012 bat der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers um Akteneinsicht und übersandte am 6. November 2012 eine Vollmacht. Nach im November 2012 gewährter Akteneinsicht erinnerte die Beklagte unter dem 9. Januar 2012 an das Anhörungsschreiben vom 1. Oktober 2012 und setzte eine Frist zur Stellungnahme bis zum 30. Januar 2013. Am 5. Februar 2013 ging die Stellungnahme bei der Beklagten sein. Hierin wurde u.a. aufgeführt: Das sowohl von der F. -L1. -Schule als auch den S. L2. W. für den Kläger geforderte Lernumfeld finde sich in der G. Q. O. . Dort werde der Kläger aktuell in einer Klasse mit fünf weiteren Kindern unterrichtet. Die Schule habe betreut und betreue mehrere Kinder mit der Diagnose Asperger, so dass die Pädagogen dieser Schule mit den damit einhergehenden Anforderungen vertraut seien. Beigefügt war ein Abschlussbericht der S. L2. W. vom 27. August 2012, in dem die Aussagen zum Lernumfeld, die bereits im Kurzbericht vom 26. März 2012 enthalten waren, wiederholt wurden.
46Mit Bescheid vom 19. März 2013 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Freie Q. O. ab. Die Vermittlung einer Schulausbildung sei in erster Linie Aufgabe der staatlichen Schulverwaltung, die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII sei demgegenüber nachrangig. Von der Eingliederungshilfe seien nur unterstützende Hilfsmaßnahmen zum Schulbesuch, nicht jedoch die Schulkosten selbst umfasst. Kinder mit Autismus seien nach der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorrangig in die Regelschule zu integrieren. Es kämen verschiedene unterstützende Hilfsmaßnahmen in Betracht. Eine Prüfung hinsichtlich eines anderen Förderbedarfs als des Förderbedarfs Sprache sei nicht durchgeführt oder angestrebt worden. Bereits bei der Antragstellung am 10. April 2012 sei die Hospitation des Klägers auf der G. Q. O. ab dem 17. April 2012 vereinbart gewesen. Andere Fördermöglichkeiten innerhalb des staatlichen Schulsystems seien überhaupt nicht mehr in Erwägung gezogen worden und hätten nicht mehr hinreichend geklärt werden können. Die ärztliche Stellungnahme der S. L2. W. zur fehlenden Regelbeschulbarkeit des Klägers mache das vom Schulamt und Jugendamt durchzuführende Verfahren nicht obsolet; zudem sei nicht erkennbar, ob und in welchem Umfang die Ärzte über die Fördermöglichkeiten des staatlichen Schulsystems unterrichtet seien. Zudem solle durch die Leistungen der Jugendhilfe nur eine angemessene, nicht die bestmögliche Schulbildung ermöglicht werden. Die G. Q. O. entspreche in ihrem Profil eher einer Regelschule. Sie unterscheide sich von einer solchen im Wesentlichen nur durch die geringere Anzahl von Schülern und andere pädagogische Konzepte. Über speziell ausgebildetes Personal zur Betreuung und Förderung von Kindern mit Autismusstörung verfüge die Schule nicht.
47Der Kläger hat am 23. April 2013 Klage erhoben, zu deren Begründung er ausgeführt hat: Die Beklagte habe ihm, dem Kläger, eine konkrete, individuell bedarfsgerechte Fördermöglichkeit nicht benennen können. Sie lasse völlig unberücksichtigt, dass er in einem Regelschulsetting nicht adäquat beschulbar sei. Es habe nicht zu seinen Pflichten gehört, den Nachweis zu führen, dass eine Beschulung im öffentlichen Schulsystem nicht möglich sei. Vielmehr sei die Prüfung dieser Voraussetzungen Aufgabe der Beklagten, die dieser aber nicht nachgekommen sei. Der Nachweis einer Beschulungsmöglichkeit im öffentlichen Schulwesen sei damit nicht geführt, so dass § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seinem Anspruch nicht entgegenstehe.
48An der F. -L1. -Schule sei er unterfordert gewesen, eine Hospitation an einer Gesamtschule habe aber wiederum bestätigt, dass er in großen Klassen nicht beschulbar sei. Die Beschulung auf der Q. sei ohne jede Einschränkung erfolgreich. Das Lehr- und Betreuungspersonal der G. Q. O. besuche regelmäßig Fortbildungen und habe reichhaltige Erfahrungen mit seelisch beeinträchtigten Kindern, insbesondere würden dort regelmäßig auch Kinder mit Asperger-Syndrom beschult. Zwar sei es richtig, dass der Antrag auf Leistungen nach § 35a SGB VIII seinerzeit kurzfristig gestellt worden sei. Allerdings seien er, der Kläger, sowie seine Problematik der Beklagten bekannt gewesen. Er habe unter seiner schulischen Situation und der Ausgrenzung gelitten, weshalb er zu Hause kaum noch zu führen gewesen sei. Eine Rückkehr in die schulische Situation, welche für seine psychische Dekompensation mitverantwortlich gewesen sei, sei ihm nach der Klinikentlassung nicht zumutbar gewesen.
49Seine Eltern hätten im Zeitraum von Mai 2012 bis Mai 2014 folgende Kosten aufgewandt:
50Aufnahmegebühr 1.250,00 €
51Schulgeld Mai 2012 bis Mai 2013 je 700 € 9.100,00 €
52Schulgeld Juni 2013 und Juli 2013 je 750 € 1.500,00 €
53Schulgeld August 2013 bis Mai 2014 je 825 € 8.250,00 €
54Schulbücher 483,90 €
55Deutsch-Lektüren 13,90 €
56Klassenausflüge/Klassenfahrten 635,00 €
57Schülerfahrtkosten (Differenz zu Schoko-Ticket) 305,85 €
58Gesamtaufwendungen = 21.538,65 €
59Zur Erstattung dieser Aufwendungen sei die Beklagte verpflichtet, weil er, der Kläger, sich diese Leistungen zulässigerweise selbst beschafft habe. Der Antrag auf Kostenübernahme sei bereits am 10. April 2012 gestellt worden. Überdies sei sein jugendhilferechtlicher Bedarf bereits seit dem nicht abgeschlossenen Verfahren auf Bewilligung eines Integrationshelfers, welches im Jahr 2010 beim Jugendamt anhängig gewesen sei, bekannt gewesen. Die Selbstbeschaffung habe auch keinen Aufschub geduldet, es habe eine dringliche Bedarfslage vorgelegen.
60Der Kläger hat beantragt,
61die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. März 2013 zu verpflichten, dem Kläger Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten der Beschulung in der G. Schule O. für die Zeit von Mai 2012 bis zum 31. Mai 2014 zu bewilligen.
62Die Beklagte hat beantragt,
63die Klage abzuweisen.
64Zur Begründung hat sie auf den Nachrang der Jugendhilfe verwiesen. Die Eltern des Klägers hätten sich lediglich bei drei Regelschulen um eine Aufnahme des Klägers bemüht; im Gebiet der Beklagten gebe es aber eine Vielzahl von Schulen, bei denen sich die Eltern des Klägers hätten erkundigen müssen. Die Eltern des Klägers hätten stattdessen im Wege der nicht akzeptablen Selbstbeschaffung für Tatsachen gesorgt, indem sie den Kläger bereits im April 2012 in der streitbefangenen Privatschule hätten hospitieren lassen, was in eine regel- und planmäßige Unterrichtsteilnahme übergegangen sei.
65Mit Urteil vom 27. Mai 2014 hat das Verwaltungsgericht der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten (Schulkosten und Fahrtkosten) der Beschulung in der G. Schule O. für die Zeit von August 2013 bis Mai 2014 zu bewilligen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
66Zwar könnten Leistungen nach § 35a SGB VIII grundsätzlich nicht für alle Zukunft erstritten werden, sondern nur zeitabschnittsweise, hier grundsätzlich nur für ein Schuljahr. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 19. März 2013 enthalte daher auch keine über das Schuljahr 2012/2013 hinausgehende Regelung. Der Kläger habe nach seinem von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag aber für das Schuljahr 2013/2014 rechtzeitig einen neuen Antrag gestellt, so dass die Klage hinsichtlich dieses Schuljahres als Untätigkeitsklage zulässig sei.
67Die Klage sei allerdings nur teilweise begründet. Der Kläger habe für die Zeit von Mai 2012 bis Ende des Schuljahres 2012/2013 (Juli 2013), die in dem angegriffenen Bescheid geregelt sei, keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII. Dem geltend gemachten Anspruch stehe insoweit bereits die Vorschrift des § 36a SGB VIII entgegen. Für die Zeit von Mai 2012 bis Juli 2013 sei der Kläger nicht zur Selbstbeschaffung berechtigt gewesen. Den Eltern des Klägers sei es zuzumuten gewesen, die Deckung des Bedarfs über den Zeitpunkt der Antragstellung - 10. April 2012 - hinaus bis zum Abschluss der notwendigen Ermittlungen hinauszuschieben. Die Eltern des Klägers hätten die Hospitation und Aufnahme ihres Kindes auf der G. Q. O. nach den Osterferien 2012 bereits selbst durchgeführt, ohne dass die Beklagte Gelegenheit gehabt habe, über den Antrag vom 10. April 2012 in angemessener Zeit, wofür in der Regel drei bis vier Monate zuzubilligen seien, zu entscheiden. Daraus lasse sich schließen, dass die Eltern von vornherein auf eine Beschulung auf der G. Q. O. festgelegt gewesen seien und damit keine Grundlage für das erforderliche kooperative Zusammenwirken mit der Beklagten geschaffen hätten.
68Für die Zeit von Mai 2012 bis Juli 2012 sei die Beklagte bereits rechtlich an der begehrten Entscheidung gehindert gewesen. Denn ihr sei die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs durch Bescheid des Schulamtes vom 19. Juni 2012 erst am 12. Juli 2012 mitgeteilt worden. Während des Bestehens des sonderpädagogischen Förderbedarfs habe der Kläger eine allgemeine Schule, zu der auch die Freie Q. O. als Ganztagsschule gehöre, schulrechtlich nicht besuchen dürfen. Nachdem die Eltern die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs erst im Juli 2012 mitgeteilt hätten, hätten sie nicht damit rechnen können, dass es schon kurze Zeit später vor Beginn des neuen Schuljahres zu einer Entscheidung der Beklagten kommen würde. Dies habe zur Folge, dass aufgrund der abschnittsweisen Bewilligung für den gesamten Zeitraum des Schuljahres 2012/2013 der geltend gemachte Anspruch entfalle, denn die Prüffrist habe erst mit dem Monat August 2012 begonnen. Zu jenem Zeitpunkt sei die Hilfe schon beschafft gewesen. Es liege auch keine Ausnahme im Sinne von § 36a Abs. 3 SGB VIII vor. Die Deckung des Bedarfs sei vorliegend auch nach Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht unaufschiebbar gewesen. Den vorliegenden Stellungnahmen sei nicht zu entnehmen gewesen, dass ein Eilfall vorgelegen habe und der Schulwechsel sofort oder binnen weniger Tage habe erfolgen müssen.
69Soweit die Klage auch die Erstattung der Schulkosten betreffend das weitere Schuljahr 2013/2014 betreffe, lägen dagegen die Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 SGB VIII vor. Bezüglich dieses Schuljahres sei dem Kläger zuzubilligen, den Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Hilfebedarf rechtzeitig im Sinne von § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII in Kenntnis gesetzt zu haben. Auf eine unzulässige Selbstbeschaffung könne sich die Beklagte insoweit nicht mehr berufen. Trotz der aufgezeigten unzulässigen Selbstbeschaffung, die den geltend gemachten Anspruch für das Schuljahr 2012/2013 ausgeschlossen habe, komme ab dem sich anschließenden abtrennbaren Leistungsabschnitt, also mit Beginn des Schuljahres 2013/2014, eine Kostenübernahme in Betracht. In dem hier maßgeblichen Zeitraum hätten auch im Sinne des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe nach § 35a SGB VIII vorgelegen. Die Kammer sehe es als gegeben an, dass der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 SGB VIII i.V.m. §§ 53, 54 SGB XII, § 12 Nr. 2 EinglVO einen Anspruch im Schuljahr 2013/2014 auf Übernahme der Kosten für die Beschulung auf der G. Q. O. zur Erreichung einer angemessenen Bildung besessen habe.
70Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35a SGB VIII sei zwischen den Beteiligten nicht streitig und im Übrigen auch gegeben. Bei dem Kläger liege seit mehr als sechs Monaten eine Beeinträchtigung seiner seelischen Gesundheit vor. Aus den ärztlichen Stellungnahmen der S. L. W. , in der der Kläger mehrere Monate stationär behandelt worden sei, vom 26. März 2012 und 27. August 2012 ergebe sich, dass der Kläger im Sommer 2012 an einem Asperger-Syndrom (ICD-10: F84.5), an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens (ICD-10: F90.1), an einer nichtorganischen Enuresis (ICD-10: F98.0) und an Zwangsgedanken und gemischten Zwangshandlungen (ICD-10: F42.2) gelitten habe. Die ärztlichen Berichte seien auf der Grundlage der geforderten ICD-Klas-sifikation ergangen und von dem Chefarzt der Abt.1, Dr. T1. C. , der Ltd. Oberärztin der Abt. 1, S1. , sowie der fallführenden Therapeutin und Dipl.-Psychologin I. und der Stationsärztin X. erstellt worden. Aufgrund der eingehend beschriebenen, umfangreichen Diagnosen gehe die Kammer davon aus, dass auch im Schuljahr 2013/2014 eine seelische Störung im Sinne der ICD vorlag, die nach Auffassung der Gutachter auch durch die damalige schulische Unterforderung entstanden sei. Hierdurch sei die Teilnahme des Klägers am Leben in der Gesellschaft im maßgeblichen Zeitraum zumindest bedroht gewesen. Zu beurteilen sei in diesem Zusammenhang die selbstbestimmte und altersgemäße Ausübung sozialer Funktionen und Rollen in den zentralen Lebensbereichen Familie, Schule und sozialem Umfeld, wie etwa Freundeskreis und Sport. Die zuständige Fachkraft der Beklagten komme in der sozialpädagogischen Stellungnahme zur Teilhabebeeinträchtigung vom 20. September 2012 zu dem Ergebnis, dass die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gemeinschaft in den Bereichen Familienbeziehungen, Umfeld, Bildung/Ausbildung, Selbstversorgung/häusliches Leben, Erholung und Freizeit beeinträchtigt sei oder eine Beeinträchtigung zu erwarten sei. Die Kammer habe keinen Anlass, an diesen Feststellungen zu zweifeln. Der Besuch der G. Q. O. stelle sich auch für das Schuljahr 2013/2014 als erforderliche und geeignete Maßnahme der Jugendhilfe dar. Inwieweit eine selbstbeschaffte Maßnahme nicht nur geeignet, sondern auch alternativlos sein müsse, könne dahinstehen, weil die Beklagte trotz ihrer prüfenden, beratenden und steuernden Aufgabe im Rahmen des kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses dem Kläger keine hinreichend konkrete und geeignete Alternative nachgewiesen habe. Namentlich auf das öffentliche Schulsystem müsse sich der Kläger in Anwendung des Nachranggrundsatzes aus § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nur dann verweisen lassen, wenn nach den konkreten Umstanden des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zur Verfügung stehe. Die Beklagte habe nicht konkret dargelegt, dass und an welchen öffentlichen Schulen die besonderen Unterrichtsbedingungen geboten würden, mit denen man der seelischen Erkrankung des Klägers hatte begegnen können. Sie habe nur allgemein auf das öffentliche Schulsystem und den möglichen Einsatz eines Integrationshelfers hingewiesen. Damit stelle sich die Fortsetzung der derzeitigen Beschulung als alternativlos dar, so dass die Beklagte sich auch nicht darauf berufen könne, dass der Besuch der G. Q. O. keine geeignete Maßnahme darstelle.
71Von den geltend gemachten Aufwendungen für die Zeit von August 2013 bis Mai 2014 seien allerdings nur die Schulkosten und Fahrtkosten zu übernehmen. Der Erstattungsanspruch nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII sei am Aufwendungsersatz im zivilrechtlichen Auftragsverhältnis bzw. bei der Geschäftsführung ohne Auftrag orientiert, namentlich an § 683 BGB. Lege man dies zugrunde, umfasse der Erstattungsanspruch die Aufwendungen, die die Eltern nach ihrem subjektiv vernünftigen Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Jugendhilfeträgers für erforderlich hätten halten dürfen. Das treffe für die Aufwendungen für die Schulkosten und Fahrtkosten zu, nicht aber für die Aufwendungen für Schulbücher, die Klassenausflüge und Klassenfahrten, die zum maßgeblichen Zeitpunkt der Tätigung der Aufwendungen insbesondere im Hinblick auf die noch ungeklärte Kostenfrage und die grundsätzlich nachrangige Verpflichtung des Jugendhilfeträgers nicht übernommen werden brauchten, zumal die Kosten auch bei öffentlichen Schulen von den Eltern zu tragen seien.
72Mit Beschluss vom 30. Oktober 2014 hat der Senat auf den Zulassungsantrag des Klägers die Berufung insoweit zugelassen, als es um die Übernahme der Beschulungskosten vom 22. August 2012 bis Juli 2013 geht. Im Übrigen hat er den Zulassungsantrag abgelehnt.
73Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor: Die Beklagte sei jedenfalls noch vor Schulbeginn im August 2012 in der Lage gewesen, sowohl die Anspruchsvoraussetzungen als auch die infrage kommenden Hilfemaßnahmen pflichtgemäß zu prüfen, weshalb er, der Kläger, ab Schuljahresbeginn zur Selbstbeschaffung berechtigt gewesen sei. Das Jugendamt habe schon seit vielen Jahren Kenntnis von seiner Bedarfslage besessen und noch im Jahr 2010 in einem Hilfeplanverfahren die Notwendigkeit einer Integrationshilfe anerkannt. Das Jugendamt habe auf reichhaltige Vorbefunde zurückgreifen können, so dass Anlass zu der Annahme bestehe, dass es für den streitgegenständlichen Antrag nicht unbedingt der Ausschöpfung eines Zeitraumes von drei Monaten bedurft habe, um eine Entscheidungsreife herzustellen. Seine Bedarfslage sei dadurch geprägt gewesen, dass er kurz vor der Hospitation an der G. Q. O. langfristig in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der S. L2. W. untergebracht gewesen sei, die ausweislich der vorliegenden Berichte infolge seiner kognitiven Unterforderung dringend einen Schulwechsel in eine Schule mit möglichst kleinen Klassen nahegelegt habe, was im Übrigen auch durch den Schulbericht bestätigt werde. Zudem habe die Existenz einer schulrechtlichen Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderbedarf nicht einer Entscheidung der Beklagten, sondern allenfalls einer Bewilligung entgegengestanden. Nichts habe das Jugendamt davon abgehalten, die übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach Antragstellung soweit zu prüfen, dass im Fall der Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs eine zeitnahe Entscheidung möglich gewesen wäre. Gerade aufgrund der bestehenden Vorkenntnisse der Beklagten habe erwartet werden können, dass diese bereits ab Antragstellung am 10. April 2012 Aktivitäten zur Herbeiführung der Entscheidungsreife des Antrags entfalten würde. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte mit dem Schulbericht vom 10. Mai 2012 bereits darüber informiert worden sei, dass sonderpädagogische Maßnahmen nicht griffen, es also naheliegend gewesen sei, jugendhilfliche Lösungsansätze zu prüfen. Im Übrigen sei die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs Sprache nur pro forma erfolgt, weil man angenommen habe, dass die Förderschule für sprachliche Entwicklung, der man den Kläger dann zugewiesen habe, angesichts der dortigen Rahmenbedingungen - vergleichsweise kleine Klassen, Mitschüler mit uneingeschränkten kognitiven Fähigkeiten - auch zur Förderung des Klägers als Autisten geeignet gewesen seien. Dies erkläre auch die sofortige Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs auf Antrag der Eltern des Klägers.
74Die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs im Juli 2012 könne nicht zur Folge haben, dass für den gesamten Zeitraum des Schuljahres 2012/2013 der geltend gemachte Anspruch entfalle. Die Frist für die Prüfung des Antrags habe nicht erst im August 2012 begonnen. Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Eltern des Klägers hätten sich von vornherein auf eine Beschulung auf der G. Q. O. festgelegt und damit keine Grundlage für das erforderliche kooperative Zusammenwirken mit der Beklagten geschaffen, entbehre jeglicher Rechtfertigung. Dies zeige sich bereits darin, dass die Eltern des Klägers sogar mit Schreiben vom 1. Februar 2013 die ersatzweise durch die Beklagte angebotene Autismustherapie angenommen hätten. Nach den Erfahrungen im Jahr 2010 hätten die Eltern des Klägers zudem damit rechnen müssen, dass die Beklagte die Entscheidung zeitlich hinauszögern würde. Im Übrigen sei es ohne Belang, ob seine Eltern sich auf die Privatschule festgelegt hätten, denn jedenfalls habe das Jugendamt der beklagten keine Schule oder eine tragfähige Konzeption zur Deckung seiner, des Klägers, Bedarfslage vorgeschlagen.
75Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe ein Eilfall vorgelegen. In diesem Zusammenhang sei auf den Kurzbericht der S. L2. W. hinzuweisen, nach dem der Kläger zum damaligen Zeitpunkt nicht für regelschulfähig gehalten worden sei. Daher habe die dringende Notwendigkeit bestanden, eine Lösung außerhalb des Regelschulsystems zu suchen. Angesichts dessen habe die Beklagte nicht mehrere Monate Zeit gehabt, um ein Konzept zu entwickeln; auch wäre der Einsatz eines Integrationshelfers keine denkbare Alternative gewesen, da die festgestellte Regelschul-Unfähigkeit eine solche Maßnahme sinnlos erscheinen lasse. Aus den Verwaltungsakten ergebe sich zudem, dass für die Beklagte bereits im Oktober 2012 ein Bewilligungsbescheid nicht mehr denkbar gewesen sei. Auch lasse die Begründung des Ablehnungsbescheides, die ausschließlich auf den Vorrang von Leistungen des öffentlichen Schulsystems abstelle, erkennen, dass eine Kostenübernahme zu einem Privatschulbesuch nicht zum Instrumentarium möglicher Jugendhilfeleistungen der Beklagten gehöre; diese Feststellung hätte aber bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt getroffen werden können.
76Es sei hervorzuheben, dass seine Eltern unmittelbar vor seiner Aufnahme in die S. L2. W. unter einem erheblichen Belastungsdruck gestanden hätten, da er, der Kläger, aufgrund seiner permanenten schulischen Unterforderungssituation einerseits und wegen der behinderungsspezifisch eingeschränkten emotionalen Kontrolle ein massives Aggressionspotential habe erkennen lassen, welches ihn schließlich selbst veranlasst habe, um seine stationäre Aufnahme zu bitten. Von daher sei für seine Eltern vollkommen klar gewesen, dass sofort nach seiner Entlassung eine schulische Alternative mit dem Ziel einer stärkeren intellektuellen Herausforderung habe gefunden werden müssen.
77Die angefochtene Entscheidung sei auch insoweit zu ändern als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen den Umfang des geltend gemachten Anspruchs auf Schulgeld und Fahrtkosten reduziere und eine Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für Schulbücher, Klassenausflüge und Klassenfahrten hingegen verneine. Bezüglich der Aufwendungen für Schulbücher sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, diese Kosten müssten auch die Eltern von Kindern an staatlichen Schulen tragen, unzutreffend. Gemäß § 96 SchulG bestehe grundsätzlich Lernmittelfreiheit unter Anrechnung eines Eigenanteils. Klassenausflüge und Klassenfahrten seien an der G. Q. O. ein untrennbarer Bestandteil des pädagogischen Konzeptes. An der Schule befinde sich eine große Zahl von Schülerinnen und Schülern mit vergleichbaren Verhaltensstörungen und -auffälligkeiten. Die Schule habe eine erhebliche Integrationsaufgabe zu bewältigen, insbesondere wenn man berücksichtige, dass ein Schulwechsel an eine Privatschule häufig unterjährig erfolge. Angesichts dessen würden an der Privatschule die Klassenfahrten als wesentlicher Bestandteil der zu leistenden Integrationsaufgabe betrachtet und auch regelmäßig und häufiger durchgeführt als an öffentlichen Schulen. An einer Entscheidung hierüber sei der Senat nicht gehindert.
78Der Kläger beantragt,
79das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte auch zu verpflichten, die Kosten des Besuches der G. Q. O. - bestehend aus Schulgeld, Fahrtkosten, Aufwendungen für Lernmittel und Klassenausflüge und Klassenfahrten - im Schuljahr 2012/2013 zu übernehmen.
80Die Beklagte beantragt,
81die Berufung zurückzuweisen.
82Sie ist der Ansicht, dass die Berufung zu Unrecht zugelassen worden sei, weil das Zulassungsvorbringen unzureichend gewesen sei. Weiter trägt sie vor: Nachdem die Eltern des Klägers sich damit einverstanden erklärt hätten, dass die Beklagte die Unterlagen des AO-SF-Verfahrens direkt beim Schulamt anforderte, seien diese am 3. September 2012 bei der Beklagten eingegangen. Aus dem Kurzbericht der F. -L1. -Schule habe sich ergeben, dass der Kläger seit der Entlassung aus der Klinik in der G. Q. O. hospitierte. Es habe geheißen, dass er weiterhin eine kleine Lerngruppe und individuelle Förderung benötige. Ein Förderbedarf im Sinn des sonderpädagogischen Förderbedarfs „Sprache“ habe danach nicht mehr vorgelegen. Die Eltern des Klägers, so habe es geheißen, wünschten eine Aufhebung des Förderbedarfs, da sie einen Wechsel zur Privatschule beabsichtigten. Dies alles sei dem Jugendamt zuvor nicht bekannt gewesen. Aus den Unterlagen lasse sich schließen, dass die Eltern sich zugleich mit der Antragstellung auf die G. Q. O. unwiderruflich festgelegt hätten. Diesbezüglich hätten sie nicht mit offenen Karten gespielt. Entgegen der Auffassung des Senates sei es daher auf schulische Alternativvorschläge der Beklagten gar nicht angekommen. Im Übrigen habe der Kläger auf die Anhörung vom 1. Oktober 2012 erst mit anwaltlichem Schreiben vom 1. Februar 2013 reagiert. Eine Kostenübernahme für Schulbücher und Klassenfahrten komme nicht in Betracht. Dieses Begehren sei auch mit dem Zulassungsschriftsatz nicht geltend gemacht worden. Auch die Zulassung der Berufung verhalte sich hierzu nicht.
83Mit Bescheid vom 6. August 2014 hob die Beklagte den Ablehnungsbescheid vom 19. März 2013 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt: Gemäß dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf sei die Beklagte verpflichtet, für den Kläger unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19. März 2013 die Schul- und Fahrtkosten für die Beschulung an der G. Q. O. für den Zeitraum August 2013 bis Mai 2014 zu übernehmen. Nach Beratung in der Fachkonferenz vom 24. Juli 2014 würden die Schul- und Fahrtkosten bis zum 10. Juli 2016 übernommen. Die Kosten im Zeitraum August 2013 bis Juli 2014 würden erstattet.
84Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
85Entscheidungsgründe:
86Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Rüge der Beklagten, die Zulassung der Berufung sei zu Unrecht erfolgt, ist insoweit unerheblich, denn wegen der Bindung des Berufungsgerichts an die Berufungszulassung sind Zulässigkeit oder Begründetheit des Zulassungsantrags nicht Gegenstand der Prüfung im Berufungsverfahrens.
87Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juli 1999 - 1 C 15.98 -, juris.
88Im hier nach dem Zulassungsbeschluss allein verfahrensgegenständlichen Zeitraum des Schuljahrs 2012/2013 - d.h. vom 22. August 2012 bis Juli 2013 - ist die Verpflichtungsklage des Klägers zulässig und begründet.
89Der Zulässigkeit der Klage steht dabei nicht entgegen, dass die Beklagte den ablehnenden Bescheid vom 19. März 2013 mit Bescheid vom 6. August 2014 aufgehoben hat. Das Klagebegehren hat sich damit nicht erledigt, da die Beklagte in dem Bescheid vom 6. August 2014 eine Kostenübernahme - in Reaktion auf das verwaltungsgerichtliche Urteil - erst für den hier nicht verfahrensgegenständlichen Zeitraum ab August 2013 erklärt hat. Der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage steht auch nicht entgegen, dass nach der Aufhebung des Ablehnungsbescheides keine den Anspruch des Klägers für das Schuljahr 2012/2013 ablehnende Entscheidung der Beklagten vorliegt. Denn die Aufhebung des Ablehnungsbescheids ändert nichts am prozessualen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, der durch das Gericht zu prüfen ist.
90Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1985
91- 3 C 63.84 -, juris.
92Die Klage ist für den hier noch verfahrensgegenständlichen Zeitraum des Schul-jahres 2012/2013 auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der vom 22. August 2012 bis Juli 2013 entstandenen Kosten seiner Beschulung auf der G. Q. O. aus §§ 35a, 36a Abs. 3 SGB VIII.
93Haben Leistungsberechtigte sich - wie hier - eine Leistung, die grundsätzlich im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe gewährt werden kann, ohne Mitwirkung und Zustimmung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe bereits von Dritten selbst beschafft, so führt eine solche Selbstbeschaffung schon nach der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats nicht zum ersatzlosen Wegfall des Primäranspruchs auf Hilfe durch das Jugendamt. Vielmehr ist anerkannt, dass der Träger der Jugendhilfe (sekundär) zur Erstattung von Kosten bzw. Aufwendungen für bereits anderweitig durchgeführte Maßnahmen verpflichtet sein kann.
94Vgl. auch zu Folgendem: OVG O. , Urteile vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, JAmt 2012, 548, juris, und vom 20. Juni 2008 - 12 A 739/06 -, jeweils m.w.N.
95Der (sekundäre) Anspruch auf Erstattung der Kosten bzw. Aufwendungen ist in derselben Weise vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Hilfetatbestands abhängig wie die primäre Verpflichtung des Jugendhilfeträgers zur Hilfegewährung.
96Vgl. OVG O. , Urteil vom 14. März 2003 - 12 A 1193/01 -, FEVS 55, 86, juris, m.w.N. insbesondere zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, und Beschluss vom 18. August 2004 - 12 A 1174/01 -, juris; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 11. August 2005
97- 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris.
98Allerdings ist der Hilfesuchende nur dann zur Selbstbeschaffung einer Jugendhilfeleistung berechtigt, wenn er hierauf zur effektiven Durchsetzung eines bestehenden Jugendhilfeanspruchs angewiesen ist, weil der öffentliche Jugendhilfeträger sie nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt hat, das für die Leistungsgewährung vorgesehene System also versagt hat. Ein solches "Systemversagen" liegt vor, wenn die Leistung vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht erbracht wird, obwohl der Hilfesuchende die Leistungserbringung durch eine rechtzeitige Antragstellung und seine hinreichende Mitwirkung ermöglicht hat und auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung vorliegen. In einer solchen Situation darf sich der Leistungsberechtigte die Leistung selbst beschaffen, wenn es ihm wegen der Dringlichkeit seines Bedarfs nicht zuzumuten ist, die Bedarfsdeckung aufzuschieben.
99Vgl. OVG O. , Beschluss vom 18. August 2004
100- 12 A 1174/01 – juris, m.w.N.
101Diese Grundsätze sind als § 36a Abs. 3 SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz - KICK - vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) zum 1. Oktober 2005 ausdrücklich normiert worden,
102so schon OVG O. , Urteil vom 4. Februar 2009
103- 12 A 255/08 -, m.w.N.
104Nach § 36a Abs. 3 SGB VIII ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für Hilfen, die abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft wurden, nur verpflichtet, 1. wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (Nr. 1), 2. die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (Nr. 2) und 3. die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3).
105Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
106Zum einen hat der Kläger die Beklagte auch im Hinblick auf das Schuljahr 2012/2013 rechtzeitig von seinem Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt, § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII.
107Das „Inkenntnissetzen" umfasst grundsätzlich auch eine Beantragung der begehrten Jugendhilfeleistungen, wobei für einen solchen Antrag keine besondere Form vorgeschrieben ist und er auch in der Form schlüssigen Verhaltens gestellt werden kann.
108Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2011 - 5 B 43.10 -, JAmt 2011, 274, juris, mit Hinweis auf Beschluss vom 22. Mai 2008 - 5 B 130.07 -, JAmt 2008, 600, juris.
109Der Antrag muss dabei so rechtzeitig gestellt werden, dass der Jugendhilfeträger zur pflichtgemäßen Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen in der Lage ist.
110Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2005
111- 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris.
112Das Jugendhilferecht ist nämlich kein Recht der reinen Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen, sondern verpflichtet den Träger der Jugendhilfe zur partnerschaftlichen Hilfe. Nur so kann der Jugendhilfeträger seiner Gesamtverantwortung i.S.d. § 79 Abs. 1 SGB VIII und seiner Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2, 3 SGB VIII gerecht werden.
113Vgl. OVG O. , Urteil vom 22. August 2014
114- 12 A 3019/11 -, juris.
115In diesem Sinne ist der am 11. April 2012 bei der Beklagten eingegangene Antrag, der ausdrücklich auf die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form der Kostenübernahme für den Besuch einer Privatschule gerichtet war, rechtzeitig angebracht worden. Der Antrag verhielt sich bereits zur Ungeeignetheit der Förderschule; ihm war mit dem „Kurzbericht“ der S. L2. W. vom 26. März 2012 ein fachärztlicher Bericht i.S.v. § 35a Abs. 1a SGB VIII beigefügt, der die seelische Erkrankung des Klägers i.S.v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII beschrieb sowie Hinweise auf die Teilhabebeeinträchtigung des Klägers und Empfehlungen für seine adäquate Beschulung enthielt. Der Beklagten verblieb damit ausreichend Zeit, bis zum Beginn des neuen Schuljahres, gut vier Monate nach Antragseingang, die notwendigen eigenen Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII zu treffen und dem Kläger auf der Grundlage des sich ergebenden Gesamtbildes eine seinem Förderungsbedarf entsprechende Schule vorzuschlagen. Zwar musste das Jugendamt der Beklagten im Hinblick auf eine alternative Schule frühestens ab dem 6. Juli 2012 in den Entscheidungsprozess eintreten, als ihm von den Eltern die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs telefonisch mitgeteilt wurde. Dennoch ist nicht erkennbar, dass erst nach Kenntnis von der Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs Veranlassung zur Prüfung der Voraussetzungen des § 35 SGB VII und zur Erarbeitung eines Hilfekonzepts bestanden hätte. Dass die bisherige Beschulung des Klägers keine angemessene Schulbildung darstellte, war der Beklagten spätestens nach Vorlage des Schulberichts vom 10. Mai 2012 am 15. Mai 2012 bekannt; angesichts dessen hätte bereits ab diesem Zeitpunkt Veranlassung bestanden, den konkreten Hilfebedarf und die konkreten Hilfsmöglichkeiten - etwa auch durch Nachfragen beim Schulamt - zu ermitteln. Nachdem den Eltern des Klägers bereits am 15. Juni 2012 mitgeteilt worden war, die Unterlagen seien vollständig und nunmehr sei ein Hausbesuch durchzuführen, wäre wohl auch angesichts des Familienurlaubs von Mitte Juli bis Anfang August noch ausreichend Zeit für einen Hausbesuch und die Prüfung der Teilhabebeeinträchtigung des Klägers bis zu Beginn des neuen Schuljahres gewesen. Dass bei derart zeitnaher Klärung - zumal der Hilfefall der Beklagten bekannt und die Problematik weitgehend geklärt war - dann nach Vorlage des Bescheides über die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs bei der gebotenen straffen Verfahrensführung keine Entscheidung innerhalb der noch verbleibenden sechs Wochen bis zum Beginn des Schuljahres hätte erfolgen können, ist nicht ersichtlich. Die Notwendigkeit zu zügiger Entscheidung musste sich der Beklagten auch bereits deshalb aufdrängen, weil nach der Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs die bisherige Beschulung des Klägers auf der F. -L1. -Schule nicht mehr in Betracht kam und der sowohl im Bericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 als auch im Schulbericht vom 10. Mai 2012 aufgeführte Hilfebedarf des Klägers eine Beschulung im Regelschulsystem jedenfalls als äußerst problematisch erscheinen lassen musste.
116Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren vorträgt, ihr Jugendamt habe erst mit dem Eingang der Unterlagen aus dem AO-SF-Verfahren am 3. September 2012 erfahren, dass der Kläger seit der Entlassung aus der Klinik in der G. Q. O. hospitierte, er weiterhin eine kleine Lerngruppe und individuelle Förderung benötige und ein sonderpädagogischer Förderbedarf „Sprache“ nicht mehr vorgelegen habe, ist dies – ungeachtet des Umstandes, dass die Unterlagen des Schulamtes am 29. August 2012 bei der Beklagten eingingen - angesichts der zuvor durch den Kläger überreichten Informationen - des Berichts der S. L2. W. , des Berichts der F. -L1. -Schule und des Bescheides über die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs - sowie der Mitteilung vom 30. April 2012 über die Hospitation des Klägers an der G. Q. O. nicht nachvollziehbar; sollte es aufgrund der Bearbeitung durch verschiedene Stellen innerhalb des Jugendamtes zu Informationsverlusten gekommen sein, wäre dies jedenfalls der Beklagten anzulasten.
117Dass der Kläger sich - wie von der Beklagten angeführt - bereits mit der Hospitation ab dem 17. April 2012 und dem ab Mai 2012 stattfindenden regulären Schulbesuch auf die G. Q. O. festgelegt habe, steht der Annahme einer rechtzeitigen Antragstellung im Hinblick auf das am 22. August 2012 beginnende Schuljahr 2012/2013 nicht entgegen, da bei Jugendhilfemaßnahmen, die - wie im vorliegenden Fall - in zeitliche Abschnitte unterteilt werden können, auch im Falle einer ursprünglich unzulässigen Selbstbeschaffung ein Anspruch für einen nachfolgenden Zeitabschnitt in Betracht kommt, wenn die Selbstbeschaffung nachträglich zulässig geworden ist.
118Vgl. OVG O. , Urteile vom 25. April 2012
119- 12 A 659/11 -, juris, und vom 22. März 2006
120- 12 A 806/03 -, juris, m.w.N.; Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris.
121Auf eine unzulässige Selbstbeschaffung kann sich das Jugendamt für derartige Zeiträume nicht mehr berufen,
122vgl. OVG O. , Beschluss vom 21. Juni 2012
123- 12 A 2229/11 -, juris,
124denn diese führt lediglich dazu, dass für den davon betroffenen Zeitraum keine Kostenerstattung in Betracht kommt; sie hat indes nicht zur Konsequenz, dass der Anspruch auch für zukünftige Zeitabschnitte ausgeschlossen ist. Insoweit enthob auch eine etwaige Festlegung des Klägers auf die G. Q. O. die Beklagte nicht von der ihr nach dem SGB VIII obliegenden Verpflichtung zur zeitgerechten Überprüfung des Anspruchs des Klägers.
125Auch die weiteren Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII liegen vor. Zum einen ist die Anforderung des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII erfüllt. Der Senat sieht es mit der im Nachhinein noch erreichbaren Sicherheit für das hier streitgegenständliche Schuljahr 2012/2013 als gegeben an, dass der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 SGB VIII i.V.m. §§ 53, 54 SGB XII, § 12 Nr. 2 EinglVO einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschulung an der G. Q. O. zur Erreichung einer angemessenen Bildung besessen hat.
126Zunächst gehört auch die Übernahme der Kosten einer Privatbeschulung zu den grundsätzlich nach § 35a SGB VIII möglichen Hilfemaßnahmen. Die von der Beklagten im ablehnenden Bescheid vom 19. März 2013 vertretene Ansicht, dass die Übernahme von Schulgeld für eine private Ersatzschule als eine vom Kernbereich der pädagogischen Arbeit umfasste Leistung keine im Rahmen der Eingliederungshilfe vom Sozialhilfeträger zu erbringende Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII ist,
127so BSG, Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 10/11 R -, BSGE 112, 196, juris,
128steht dem Kostenübernahmeanspruch des Klägers nicht entgegen, auch wenn § 35a Abs. 3 SGB VIII u.a. auf § 54 SGB XII verweist. Eine Übertragung dieser sozialgerichtlichen Rechtsprechung auf den Bereich der jugendhilferechtlichen Eingliederungshilfe, die zu dem - nach Auffassung des Senats unhaltbaren - Ergebnis führen würde, dass Privatschulkosten durch den Träger der Jugendhilfe in keinem Fall zu übernehmen sind, also auch dann nicht, wenn im Einzelfall davon auszugehen ist, dass eine bedarfsdeckende Hilfe im öffentlichen Schulwesen nicht zu erhalten ist, kommt aufgrund der folgenden Erwägungen nicht in Betracht:
129Zunächst ist aus dem Wortlaut von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII, § 12 EinglVO nicht abzuleiten, dass „Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung“ nur die Schulbildung begleitende bzw. unterstützende Leistungen sind, wie vom Bundessozialgericht angenommen.
130Vgl. hierzu neben der vorstehend zitierten Entscheidung auch BSG, Urteil vom 22. März 2012
131- B 8 SO 30/10 R -, BSGE 110, 301, juris.
132Der Begriff der „Hilfen“ ist zielorientiert und daher umfassend zu verstehen. Er ist nicht auf Maßnahmen limitiert, die an eine anderweitig gewährleistete Schulbildung angelehnt sind. Dabei ergibt sich aus § 12 EinglVO nichts anderes. Dementsprechend hatte das Bundesverwaltungsgericht schon zum seinerzeit noch geltenden § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG festgestellt, dass die hiernach möglichen Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung „nicht auf solche untergeordneter oder flankierender Art beschränkt“ sind und auch solche Hilfen umfassen, die dem behinderten Menschen „Zugang zu einer angemessenen Schulbildung“ ermöglichen.
133Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 5 C 20.04 -, BVerwGE 123, 316, juris.
134Die auf der Annahme eines Verhältnisses der Spezialität beruhende Argumentation des Bundessozialgerichts lässt sich aber vor allem deshalb nicht fruchtbar machen, weil bei der hier in Rede stehenden jugendhilferechtlichen Fallgestaltung das Verständnis des § 10 Abs. 1 SGB VIII im Vordergrund steht, wonach die „Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, … durch dieses Buch nicht berührt“ werden. Diese Regelung beschreibt aber nach allgemeiner Auffassung ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis.
135Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2010 - 5 C 7.09 -, BVerwGE 137, 85, juris; OVG O. , Beschluss vom 18. Oktober 2012 - 12 B 1018/12 -, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1874/08 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 23. April 2009 - 12 CE 09.686 -, juris; NdsOVG, Urteil vom 27. April 2005 - 4 LC 343/04 -, JAmt 2005, 360, juris; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 10 Rn. 20 ff.; Schellhorn, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 10 Rn. 6 ff., Meysen, in: Münder/Mey-sen/Trenczek, FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 10 Rn. 2 ff.
136Von diesem Verständnis geht auch die Begründung zum Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) aus, mit dem die „Schulen“ erstmals ausdrückliche Erwähnung in § 10 Abs. 1 SGB VIII gefunden haben, indem sie darauf abstellt, dass die „Leistungen der Schulträger vorrangig gegenüber Leistungen der Sozialhilfe zu erbringen sind“.
137Vgl. BT-Drs. 15/5616, S. 25.
138Dass die Übernahme der Kosten für den Besuch einer Privatschule als Leistung der Eingliederungshilfe in der Form der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung i.S.d. § 35a Abs. 3 des SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII in Betracht kommen kann, hat das Bundesverwaltungsgericht jüngst als grundsätzlich geklärt angesehen. Es hat dazu ausgeführt, dass die Bereitstellung der räumlichen, sächlichen, personellen und finanziellen Mittel für die Erlangung einer angemessenen, den Besuch weiterführender Schulen einschließenden Schulbildung auch solcher Kinder und Jugendlicher, deren seelische Behinderung festgestellt ist oder die von einer solchen bedroht sind, grundsätzlich nicht dem Träger der Kinder- und Jugendhilfe, sondern dem Träger der Schulverwaltung obliege. Da die Schulgeldfreiheit in Verbindung mit der Schulpflicht eine Leistung der staatlichen Daseinsvorsorge darstelle und aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialgesetzbuches gefunden habe, sei grundsätzlich für einen gegen den Träger der Kinder- und Jugendhilfe gerichteten Rechtsanspruch auf Übernahme der für den Besuch einer Privatschule anfallenden Aufwendungen (Aufnahmebeitrag, Schulgeld etc.) kein Raum. Ausnahmen von diesem durch das Verhältnis der Spezialität geprägten Grundsatz seien nur für den Fall in Betracht zu nehmen, dass auch unter Einsatz unterstützender Maßnahmen keine Möglichkeit bestehe, den Hilfebedarf des jungen Menschen im Rahmen des öffentlichen Schulsystems zu decken, mithin diesem der Besuch einer öffentlichen Schule aus objektiven oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen unmöglich bzw. unzumutbar sei.
139Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2015
140- 5 B 61.14 -, juris.
141Eine derartige Ausnahmekonstellation lag im Fall des Klägers im Schuljahr 2012/2013 vor. Dabei ist unstreitig, dass auch in diesem Zeitraum die Voraus-setzungen des § 35a SGB VIII vorlagen. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur seelischen Beeinträchtigung des Klägers und der hieraus resultierenden Teilhabebeeinträchtigung Bezug genommen werden; es erscheint ausgeschlossen, dass sich die Situation insoweit im Schuljar 2012/2013 wesentlich anders dargestellt hat als im Schuljahr 2013/2014, zu dem das Verwaltungsgericht seine Ausführungen gemacht hat.
142Der Besuch der G. Q. O. stellt sich im Schuljahr 2012/2013 auch als erforderliche und geeignete Maßnahme der Jugendhilfe dar. Dabei folgt aus den Grundsätzen zum Systemversagen, dass die Erforderlichkeit und Eignung der selbstbeschafften Maßnahme hier aus der damaligen Perspektive des leistungsberechtigten Klägers zu beurteilen ist.
143Denn auch bei der Selbstbeschaffung einer aus fachlichen Gründen abgelehnten bzw. vom Hilfeplan ausgeschlossenen Leistung ist im Hinblick auf § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zunächst zu prüfen, ob der vom Jugendamt aufgestellte Hilfeplan (bzw. das Hilfekonzept) verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, nicht von sachfremden Erwägungen beeinflusst und fachlich vertretbar ist. Diese Prüfung erstreckt sich dabei nicht auf eine reine Ergebniskontrolle, sondern erfasst auch die von der Behörde - maßgeblich ist die letzte Behördenentscheidung - gegebene Begründung. Denn diese muss für den Betroffenen nachvollziehbar sein, um ihn in die Lage zu versetzen, mittels einer Prognose selbst darüber zu entscheiden, ob eine Selbstbeschaffung (dennoch) gerechtfertigt ist. Hat das Jugendamt die begehrte Hilfe aus im vorgenannten Sinne vertretbaren Erwägungen abgelehnt, besteht weder ein Anspruch des Betroffenen auf die begehrte Eingliederungshilfeleistung noch auf den Ersatz von Aufwendungen für eine selbst beschaffte Hilfe. Der Regelung des § 36a Abs. 3 SGB VIII liegt in dem Sinne der Gedanke des Systemversagens zugrunde, dass die selbst beschaffte Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt worden sein muss. Hat demgegenüber das Jugendamt nicht rechtzeitig oder nicht in einer den vorgenannten Anforderungen entsprechenden Weise über die begehrte Hilfeleistung entschieden, können an dessen Stelle die Betroffenen den sonst der Behörde zustehenden nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. Denn in dieser Situation sind sie - obgleich ihnen der Sachverstand des Jugendamtes fehlt - dazu gezwungen, im Rahmen der Selbstbeschaffung des § 36a Abs. 3 SGB VIII eine eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme zu treffen. Weil nun ihnen die Entscheidung aufgebürdet ist, eine angemessene Lösung für eine Belastungssituation zu treffen, hat dies zur Folge, dass die Verwaltungsgerichte nur das Vorhandensein des jugendhilferechtlichen Bedarfs uneingeschränkt zu prüfen, sich hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe aber auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung der Leistungsberechtigten zu beschränken haben. Ist die Entscheidung der Berechtigten in diesem Sinne fachlich vertretbar, kann ihr etwa im Nachhinein nicht mit Erfolg entgegnet werden, das Jugendamt hätte eine andere Hilfe für geeignet gehalten.
144Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012
145- 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris; zum Systemversagen vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 -, JAmt 2014, 41, juris.
146Ausgehend von diesen Maßstäben ist zunächst festzustellen, dass es bis zum Erlass des ablehnenden Bescheides der Beklagten vom 19. März 2013 schon deshalb den Eltern des Klägers oblag, über die Eignung und Erforderlichkeit der selbstbeschafften Hilfe zu befinden, weil es an einer auf ihre Vertretbarkeit hin zu prüfenden Entscheidung des Jugendamtes von vornherein fehlte. Durch den Erlass des Bescheides vom 19. März 2013 ist keine erhebliche Änderung der Sachlage eingetreten. Die der Antragsablehnung zugrundeliegenden Erwägungen offenbaren eine Überschreitung der Grenzen fachlicher Vertretbarkeit, die das Jugendamt bei seiner Entscheidungsfindung zu beachten gehabt hätte.
147Das Jugendamt der Beklagten hat im Bescheid vom 19. März 2013 darauf verwiesen, dass die Vermittlung einer Schulbildung in erster Linie Aufgabe der staatlichen Schulverwaltung sei. Nach der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen seien Kinder mit Autismus vorrangig in die Regelschule zu integrieren. Der Förderbedarf behinderter Kinder könne auch in integrativen Lerngruppen im Rahmen des gemeinsamen Unterrichts gedeckt werden. Es kämen verschiedene unterstützende Hilfemaßnahmen in Betracht, um einen durch die Behinderung bestehenden Nachteil auszugleichen. Durch ein AO-SF-Verfah-ren sei ein bestehender sonderpädagogischer Bedarf zu ermitteln und durch eine Schule mit geeignetem Förderschwerpunkt sei der bestehende Nachteil auszugleichen.
148Der damit erfolgte Verweis des Klägers auf das öffentliche Schulsystem war fachlich nicht vertretbar. Ein seelisch behindertes oder von einer solchen Behinderung bedrohtes Kind muss sich in Anwendung des Nachranggrundsatzes aus § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nur dann auf das öffentliche Schulsystem verweisen lassen, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auch zur Verfügung steht, d. h. präsent ist,
149vgl. OVG O. , Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, juris; Beschluss vom 19. September 2011 - 12 B 1040/11 -, juris; siehe auch HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1874/08 -, juris,
150beziehungsweise eine Verpflichtung des Schulsystems rechtzeitig realisierbar und nach den Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe zu erhalten ist.
151Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012
152- 5 C 21.11 -, juris.
153Der gegebenenfalls unter Beteiligung der Schulaufsichtsbehörden zu führende Nachweis einer solchen bedarfsdeckenden Hilfe im öffentlichen Schulsystem durch Aufzeigen einer konkreten Alternative zum Privatschulbesuch obliegt dem Jugendamt.
154Vgl. OVG O. , Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris; Urteil vom 25. April 2012
155- 12 A 659/11 -, juris.
156Ein Eingriff in die Rechte der Eltern des hilfebedürftigen Kindes ist im Nachweis einer Schule, durch deren Besuch der jeweilige Hilfebedarf gedeckt werden kann, keinesfalls zu sehen.
157Den Nachweis einer solchen konkreten Alternative zum Privatschulbesuch hat die Beklagte allein durch den bloßen Verweis darauf, es kämen „verschiedene unterstützende Hilfemaßnahmen“ in Betracht, indes nicht erbracht. Sie hat dem Kläger im gesamten Verfahren keine öffentliche Schule nachgewiesen, auf der sein sowohl im Kurzbericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 als auch im Schulbericht vom 10. Mai 2012 beschriebener Bedarf an einem Unterricht in einer kleinen Klasse (5-6 Schüler) und hoher Betreuungsdichte hätte gedeckt werden können. Die Annahme, dieser Bedarf an einer Beschulung in einer kleinen Klasse könne bei Unterstützung durch einen Integrationshelfer auch durch den Besuch einer Regelschule mit normaler Klassenstärke gedeckt werden, ist angesichts des Fehlens jeden objektiven Anhaltspunktes für ihre Trag-fähigkeit fachlich nicht vertretbar.
158Auf den Besuch einer Förderschule konnte die Beklagte den Kläger bereits deshalb nicht verweisen, weil der Verweis auf eine Beschulung an einer öffentlichen Förderschule anstelle einer privaten Bildungseinrichtung nur in Betracht kommt, wenn eine diesbezügliche wirksame schulrechtliche Entscheidung über einen sonderpädagogischen Förderbedarf und den Förderort vorliegt, was hier nicht der Fall war.
159Vgl. OVG O. , Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris, m.w.N.
160Davon abgesehen hat die F. -L1. -Schule einen Wechsel des Förderschwerpunktes im Mai 2012 offenbar nicht für notwendig erachtet. Anderenfalls wäre die Schulaufsichtsbehörde darüber zu unterrichten gewesen (vgl. § 18 Abs. 3 AO-SF).
161Kommt es für die Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe mithin auf die ex-ante-Betrachtung des leistungsberechtigten Klägers an, hier bezogen auf den Zeitpunkt vor Beginn des Schuljahres 2012/2013, erschien es aus dessen Perspektive - bzw. letztlich aus dem Blickwinkel der ihn gesetzlich vertretenden Eltern - ohne Weiteres fachlich vertretbar, sich für eine (weitere) Beschulung auf der G. Q. O. zu entscheiden. Dass diese Bildungseinrichtung geeignet ist, dem Kläger auch in Ansehung seines spezifischen Beeinträchtigungsprofils eine adäquate Schulbildung zu vermitteln, begegnet auch nicht deshalb Zweifeln, weil die G. Schule O. kein ausgewiesenes Konzept für die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Erkrankungen aus dem Autismus-Spektrum besitzt, denn nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers haben die Lehrkräfte der Privatschule Erfahrungen mit Schülern mit Störungen aus dem Autismus-Spektrum und besuchen entsprechende Fortbildungen. Auch der Kurzbericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 riet lediglich zur Betreuung durch ein gut geschultes, im Umgang mit stark auffälligen, sozialverhaltensgestörten und autistischen Kindern erfahrenes pädagogisches Team, ohne ein auf autistische Störungen spezialisiertes Konzept für angeraten zu halten.
162Die seinerzeit getroffene Entscheidung erwies sich auch nicht unter dem Erfor-derlichkeitsaspekt als unvertretbar. Nach den fachlichen Erkenntnissen und vorliegenden Erfahrungen - insbesondere mit Blick auf die Schulwechsel des Klägers in der Vergangenheit - mussten die Eltern mit der konkreten Gefahr rechnen, dass ihr Sohn auf einer staatlichen Schule nicht angemessen beschult werden könne und die ohnehin bestehende Teilhabebeeinträchtigung sich erheblich verschlimmern würde. In dieser Situation war ihnen nicht zuzumuten, den Kläger erneut auf einer Regelschule anzumelden, zumal es der Beklagten, wie dargelegt, im Verwaltungsverfahren nicht gelungen war, eine tragfähig begründete Entscheidung zu treffen, und sich überdies abzeichnete, dass der im Mai 2012 aufgenommene Besuch der Q. erfolgreich verlief.
163Auch die Bestimmungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl. II 2008 S. 1420) stehen der Kostenübernahme der Privatschulkosten durch die Beklagte nicht entgegen. Gemäß Art. 24 Abs. 1 der Konvention erkennen die Vertragsstaaten das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung an. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen. Dabei stellen die Vertragsstaaten nach Art. 24 Abs. 2 der Konvention sicher, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden (a)), Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben (b)), angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden (c)), Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern (d)) und in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Integration wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden (e)).
164Dieser Bestimmung lässt sich - unabhängig von der Frage ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit - keinesfalls ein Verbot entnehmen, einen behinderten Schüler auf einer Privatschule, an der behinderte und nichtbehinderte Kinder und Jugendliche gemeinsam unterrichtet werden, zu fördern, wenn und soweit das staatliche Schulsystem (noch) keine adäquate Förderung zur Verfügung stellt.
165Vgl. hierzu auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 18. März 2014 - J 1.460 Sch -, JAmt 2004, 253, wonach Art. 24 UN-Behindertenkonvention dazu führt, dass der Hilfebedürftige gegenüber dem Privatschulbesuch nicht auf den möglichen Besuch einer Förderschule verwiesen werden darf.
166Schließlich ist auch davon auszugehen, dass die Deckung des Bedarfs i.S.v. § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII keinen zeitlichen Aufschub mehr geduldet hat. Mit Blick darauf, dass der sonderpädagogische Förderbedarf aufgehoben war, eine Beschulung des Klägers auf einer Förderschule damit nicht in Betracht kam, und angesichts der sowohl im Schulbericht vom 10. Mai 2012 als auch im Bericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 zum Ausdruck kommenden Bedarfslage des Klägers war es diesem nicht zuzumuten, sich zunächst auf eine weitere Beschulung an einer Regelschule einzulassen, nachdem die Beklagte im Rahmen ihrer Hilfeplanung nicht aufzuzeigen vermochte hatte, dass dieser Weg zu einer adäquaten Bedarfsdeckung führte. Von einem unaufschiebbaren Bedarf ist nämlich regelmäßig gerade auch dann auszugehen, wenn der bei Kindern und Jugendlichen dauerhaft bestehende Bedarf an adäquater Bildungsvermittlung wegen drohenden Verlustes an Zeit, die nicht nachgeholt, sondern nur angehängt werden kann, nicht mehr oder nicht ausreichend gedeckt werden kann.
167Vgl. bereits Zulassungsbeschluss des Senates vom 30. Oktober 2014 - 12 A 1639/14 -, juris.
168Als „erforderliche Aufwendungen", welche die Beklagte nach alldem gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII für die selbst beschaffte Hilfe im hier allein streitgegenständlichen Schuljahr 2012/2013 zu übernehmen verpflichtet ist, sind in Anwendung des Rechtsgedankens des § 683 Satz 1 i. V. m. § 670 BGB diejenigen Aufwendungen anzusehen, welche die Eltern des Klägers nach ihrem subjektiv vernünftigen Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Jugendhilfeträgers für erforderlich halten durften.
169Vgl. OVG O. , Urteile vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, JAmt 2012, 48, juris, und vom 22. August 2014 - 12 A 3019/11 -, juris, sowie Beschluss vom 28. Juni 2012 - 12 A 2374/11 -, juris.
170Darunter fallen zunächst das monatlich an die Privatschule zu zahlende Schulgeld sowie die Fahrtkosten. Zudem zählen hierzu auch die Kosten für Schulbücher und Klassenfahrten und -ausflüge.
171Der Senat ist nicht deshalb daran gehindert, über den Umfang der für das Schuljahr 2012/2013 zu erstattenden Kosten zu entscheiden, weil das Verwaltungsgericht für das Schuljahr 2013/2014, das auch in dieser Hinsicht nicht mehr streitgegenständlich ist, entschieden hat, dass die Kosten für Schulbücher, Klassenfahrten und -ausflüge nicht von der Beklagten zu erstatten sind. Weder aus dem Zulassungsbeschluss noch aus dem Berufungsantrag des Klägers ist eine derartige Beschränkung zu entnehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger, soweit es den hier noch im Streit stehenden Zeitraum betrifft, am erstinstanzlich geltend gemachten Umfang des Kostenerstattungsanspruchs festhält, der sich nach der im Schriftsatz vom 20. Mai 2014 aufgeführten Kostenaufstellung ersichtlich auch auf die Aufwendungen für Lernmittel und Klassenfahrten und ‑ausflüge erstreckte.
172Die Kosten für Bücher und Klassenfahrten und -ausflüge sind auch von der Beklagten zu übernehmen. Es handelt sich insoweit um Aufwendungen die durch den Besuch einer bestimmten, aufgrund der Behinderung des Klägers für notwendig erachteten Einrichtung bedingt sind.
173Vgl. zu einer ähnlichen Konstellation auch BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1975 - V C 19.74 -, BVerwGE 48, 228, juris; VG München, Urteil vom 28. Januar 2004 - M 18 K 03.6555 -, juris.
174Diese Kosten entstehen nicht wie bei nichtbehinderten Schülern als notwendige Bedürfnisse des täglichen Lebens, sondern notwendigerweise durch die besonderen Verhältnisse der Behinderung. Dies gilt in besonderem Maße für die Kosten für Klassenfahrten und -ausflüge, die nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers wichtiger Bestandteil des pädagogischen Konzepts der Privatschule sind. Insoweit kommt es auf die hypothetische Kontrollüberlegung, ob derartige Kosten bei Besuch einer Regelschule ebenso entstehen würden, nicht an.
175Vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1975
176- V C 19.74 -, BVerwGE 48, 228, juris.
177Der Kläger durfte diese Aufwendungen auch für erforderlich halten; es ist nicht ersichtlich, wie er eine angemessene Schulbildung an der Privatschule ohne Schulbücher und Deutschlektüren hätte erhalten sollen. Dasselbe gilt angesichts der Verankerung der Veranstaltungen im pädagogischen Konzept der G. Schule O. auch für die schulischen Veranstaltungen in Form von Klassenfahrten und -ausflügen.
178Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostenverteilung im zweitinstanzlichen Verfahren berücksichtigt dabei die unterschiedlichen Erfolgsquoten des Klägers im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
179Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
180Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig bis zum Ende des laufenden Schuljahres 2014/2015 Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII in Form einer Schulbegleitung für den Besuch der Q. -N. -Schule in I. in dem vor dem Erlass des Ablehnungsbescheides vom 19. August 2014 gewährten Umfang zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde ist auch begründet. Der Antragsteller hat mit seinem nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO der Prüfung zugrundezulegenden Beschwerdevorbringen glaubhaft gemacht, dass die einstweilige Fortführung der bis zum Erlass des Ablehnungsbescheides der Antragsgegnerin vom 19. August 2014 als Maßnahme der Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII gewährten Schulbegleitung bedarfsgerecht und unaufschiebbar ist.
3Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies erfordert die Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsanspruchs als auch eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO, § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X).
4Wird mit der begehrten Regelung die Hauptsache vorweggenommen, gelten gesteigerte Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, indem ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit dafür sprechen muss, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist.
5Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9.12 -, NVwZ 2013, 1344, juris; Beschlüsse vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 -, BVerwGE 109, 258, juris, und vom 14. Dezember 1989 - 2 ER 301.89 -, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 15, juris; OVG NRW, Beschlüs-se vom 27. Januar 2014 - 12 B 1422/13 -, juris, vom 15. Januar 2014 - 12 B 1478/13 -, juris, Beschlüsse vom 14. Februar 2013 - 12 B 107/13 -, juris, vom 27. Juni 2012 - 12 B 426/12 -, juris, vom 21. Februar 2011 - 13 B 1722/10 -, juris, vom 8. Januar 2010
6- 19 B 1004/09 -, NWVBl 2010, 328, juris, und vom 16. März 2007 - 7 B 134/07 -, NVwZ-RR 2007, 661, juris.
7Überdies kommt eine Vorwegnahme der Hauptsache nur in Betracht, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gut zu machende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
8Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Januar 2014
9- 12 B 1422/13 -, juris, vom 15. Januar 2014
10- 12 B 1478/13 -, juris, vom 14. Juni 2012
11- 12 B 433/12 -, juris, vom 29. September 2011
12- 12 B 983/11 -, juris, und vom 20. Januar 2010
13- 12 B 1655/09 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 -, BVerfGE 79, 69, juris, m. w. N.
14Diese Voraussetzungen für eine zeitweilige Vorwegnahme der Hauptsache liegen in beiderlei Hinsicht vor.
15Der Senat sieht es zunächst als hochgradig wahrscheinlich an, dass der Antragsteller die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form einer Schulbegleitung beanspruchen kann.
16Die Gewährung von Eingliederungshilfe setzt nach § 35a Abs. 1 SGB VIII voraus, dass
171. die seelische Gesundheit des Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für seinen Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
182. daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
19Bei kumulativem Vorliegen beider Voraussetzungen geht das Gesetz von einer „seelischen Behinderung“ aus (vgl. § 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII), wobei es ausreicht, wenn der Betreffende von einer solchen Behinderung bedroht ist.
20Dass der Antragsteller nach den vorliegenden fachärztlichen Diagnosen, die aus den Berichten des T. Krankenhauses H. vom 15. März 2010 und der V. L. vom 15. Juni 2011 hervorgehen (vor allem: Autismusspektrumsstörung mit atypischer Symptomatologie) nach wie vor an einer seelischen Störung i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII leidet, die zu einer fortwährenden Teilhabebeeinträchtigung i. S. d. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII führt, drängt sich nach dem in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten Werdegang des Antragstellers auf. Das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 35a SGB VIII ist auch weder von der Antragsgegnerin noch dem Verwaltungsgericht in Frage gestellt worden.
21Es spricht auch alles für die (weitere) Eignung und Erforderlichkeit der Schulbegleitung als Maßnahme der Eingliederungshilfe. Dass die Schulbegleitung, die nach Aktenlage bereits seit Mai 2011 praktiziert worden ist, bislang mit Blick auf die Bedarfslage des Antragstellers im Ganzen erfolgreich gewirkt hat, ergibt sich aus diversen Berichten und Äußerungen der jeweils besuchten Schulen und eingesetzten Integrationshelfer (vgl. zuletzt: Berichte der Klassenlehrerin der I1. -L1. -Schule vom 30. Juni 2012 und 15. Februar 2013; Kurzprotokoll des am 21. Februar 2013 in der Schule geführten Gesprächs; Protokoll des Hilfeplangesprächs am 25. April 2013; Entwicklungsbericht der Klassenlehrerin der I1. -L1. -Schule vom 3. September 2013; Protokoll des Hilfeplangesprächs am 25. November 2013; Stellungnahme der Klassenlehrerin der Q. -N. -Schule vom 26. Juni 2014). Daher erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass eine Fortführung der Schulbegleitung aller Voraussicht nach einen gleichermaßen positiven Effekt haben wird.
22Auch das Jugendamt der Antragsgegnerin ist ausweislich der Hilfeplan-Fortschrei-bung noch am 25. November 2013 davon ausgegangen, dass „die anderen Hilfen“
23- dies bezog die Schulbegleitung ein - „weiter geeignet und notwendig“ seien. Zu dieser Zeit besuchte der Antragsteller bereits die Q. -N. -Schule in I. . Dass sich in der Folgezeit eine wesentliche Änderung in der Bedarfslage des Antragstellers ergeben hätte, ist weder von der Antragsgegnerin substantiiert dargelegt worden noch sonst zu erkennen. Der Hinweis der Antragsgegnerin darauf, dass der Antragsteller in der Sekundarstufe I eine „Intensivklasse“ mit nur 8 Schülern besuche, deutet keineswegs auf zusätzliche Ressourcen für eine Förderung des Antragstellers hin, die zuvor noch nicht bestanden hätten. Denn schon vor dem Wechsel in die Sekundarstufe I wurde der Antragsteller im „Intensivbereich“ der Schule gefördert, wie etwa aus der Stellungnahme vom 26. Juni 2014 hervorgeht, wobei hinzu kommt, dass die Klassenstärke in der Grundschule noch geringer war.
24Das Fortbestehen eines dringenden Unterstützungsbedarfs, der nach wie vor durch eine die vollen Unterrichtszeiten abdeckende Schulassistenz zu befriedigen ist, wird durch den jüngsten Schulbericht vom 3. Februar 2015 bestätigt, in dem das hochgradig problematische und auffällige Verhalten des Antragstellers - wie es sich schon der Vergangenheit gezeigt hat - eindrucksvoll beschrieben wird. Die pauschale Kritik der Antragsgegnerin, der Bericht enthalte „ausschließlich negative Zuschreibungen …, die belegen sollen, dass ein Integrationshelfer erforderlich ist“, vermag dessen Aussagekraft nicht entscheidend zu schmälern. Soweit die Antragsgegnerin eine „durchaus positive Entwicklung“ des Antragstellers ausmacht, lässt sie offen, auf welche Erkenntnisquellen sie sich stützt, und zeigt auch nicht konkret auf, dass die angenommene Entwicklung einen Fortfall der Notwendigkeit einer Schulassistenz zur Folge habe.
25Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin stellt die begehrte Schulbegleitung keine die Eingliederungshilfe verdrängende Leistung dar, die ausschließlich von der Schule - hier der Förderschule - erbracht werden müsste, weil der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Lehrer in der Schule betroffen wäre. Schulbegleitende Maßnahmen greifen in diesen Kernbereich nämlich nicht ein, wenn sie die eigentliche pädagogische Arbeit der Lehrer lediglich absichern und mit die Rahmenbedingungen dafür schaffen sollen, dem Kind bzw. Jugendlichen erst den erfolgreichen Besuch der Schule zu ermöglichen.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012
27- 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris; LSG NRW, Beschluss vom 20. Dezember 2013 - L 9 SO 429/13 B ER -, juris; vgl. auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 6. August 2014, JAmt 2014, 452 (454); Dillmann/Wildanger, Behindertenrecht 2014, 153 (156 ff.).
28Die in dem Schulbericht vom 3. Februar 2015 beschriebenen Aufgaben eines Integrationshelfers haben in diesem Sinne einen lediglich unterstützenden Charakter, auch soweit ein unmittelbarer Bezug zum Unterrichtsgeschehen besteht. Denn indem der Antragsteller etwa motiviert werden soll, „sich auf Lernangebote einzulassen“ und ihm „Hilfen zur Förderung seiner Konzentrations- und Durchhaltefähigkeit im Lernprozess“ geleistet werden sollen, bleibt die Art und Weise der von der Lehrkräften zu leistenden pädagogischen Arbeit unberührt. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Antragsgegnerin.
29Der in § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII verankerte Vorrang der Förderung im öffentlichen Schulsystem steht einem Anspruch des Antragstellers ebenfalls nicht entgegen. Dieser Vorrang greift nur, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auch zur Verfügung steht.
30Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Oktober 2014 - 12 A 1639/14 -, und vom 9. Februar 2011
31- 12 A 2204/10 -, juris, m. w. N.
32Davon ist hier nicht auszugehen. Dass die Q. -N. -Schule mit der gegebenen personellen und sachlichen Ausstattung dem Antragsteller eine weitergehende Förderung als bisher geschehen zuteilwerden lassen könnte, die eine Schulbegleitung ganz oder auch nur teilweise entbehrlich machen würde, erscheint insbesondere nach dem Schulbericht vom 3. Februar 2015 fernliegend. Angesichts dessen ist dem Antragsteller auch nicht anzusinnen, eine zusätzliche schulische Förderung zunächst gegenüber dem Schulträger bzw. der Schulverwaltung einzufordern. Denn die Auseinandersetzung um den Nachrang der Jugendhilfe und den Vorrang des öffentlichen Schulwesens ist nicht auf dem Rücken des Hilfesuchenden auszutragen.
33Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Oktober 2014
34- 12 A 1350/14 -, juris.
35Auch dass der Antragsteller auf einer anderen in Betracht kommenden Förderschule eine bedarfsdeckende Hilfe erhalten könnte, ist in Anbetracht des Umstandes, dass die derzeit besuchte Schule schon eine intensive und vor allem auf Störungen aus dem Autismusspektrum ausgerichtete Förderung anbietet, nicht zu erwarten.
36Schließlich steht auch zu befürchten, dass dem Antragsteller ohne die Fortführung der Schulbegleitung schwerwiegende und irreparable Nachteile drohen. Nach dem Bericht der Q. -N. -Schule vom 3. Februar 2015 erscheint die Entwicklung des Antragstellers „stark gefährdet“ und durch - offenbar auch von der Antragsgegnerin gesehene - „massive Lern- und Leistungsprobleme“ gekennzeichnet. Ohne erneute Einrichtung der Schulassistenz dürfte sich diese Negativtendenz verstärken mit der Folge, dass die Aussichten auf eine dem Potential des Antragstellers entsprechende Beschulung zunehmend schwinden. Dem entgegenzuwirken, hat auch insofern einen besonderen Stellenwert, als der Antragsteller über geraume Zeit auf einer Förderschule für geistige Entwicklung unterrichtet worden ist, obwohl er nach der fachlichen Einschätzung der dort tätigen Lehrkräfte „aufgrund seiner Intelligenz wenigstens einen Hauptschulabschluss erreichen“ könnte (vgl. dazu das Protokoll des Hilfeplangesprächs vom 15. Februar 2013). Wenn der Antragsteller mit der Q. -N. -Schule nunmehr eine Bildungseinrichtung gefunden hat, die eine Aussicht auf eine Entfaltung seines Potentials verspricht, dürfte es umso wichtiger sein, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um in der Vergangenheit entstandene Leistungsrückstände aufzuarbeiten und eine kontinuierliche begabungsgerechte Förderung zu ermöglichen.
37Der Senat erachtet es zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes als ausreichend, die zeitliche Reichweite der tenorierten Verpflichtung der Antragsgegnerin auf das Ende des laufenden Schuljahres zu begrenzen, so dass die Antragsgegnerin, einen weiteren Antrag auf Fortführung der Eingliederungshilfe vorausgesetzt, für den nachfolgenden Zeitraum erneut die Erforderlichkeit der Maßnahme unter Berücksichtigung namentlich der aktuellen Entwicklungsberichte der Schule zu prüfen haben wird.
38Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
39Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.