Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung, 12. Sept. 2016 - Vf. 12-VII-15

12.09.2016

Gericht

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Gründe

I.

Gegenstand der Popularklage sind Art. 3 Abs. 1 Satz 2, Art. 6, 15 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1 Satz 2, Art. 21, 22 Abs. 2 Nr. 2 und Art. 26 des Gesetzes über den Vollzug der Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie der einstweiligen Unterbringung (Bayerisches Maßregelvollzugsgesetz - BayMRVG) vom 17. Juli 2015 (GVBl S. 222, BayRS 312A). Die angegriffenen und die damit in Zusammenhang stehenden Normen lauten wie folgt:

Art. 2

Ziele und Grundsätze

(1) 1Ziel der Unterbringung ist, die Allgemeinheit vor der Begehung weiterer Straftaten zu schützen. 2Weitere Ziele sind bei der Unterbringung

1. gemäß § 63 des Strafgesetzbuchs (StGB), die untergebrachte Person zu heilen oder ihren Zustand soweit zu bessern, dass sie keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit darstellt,

2. gemäß § 64 StGB, die untergebrachte Person von ihrem Hang zu heilen und die zugrunde liegende Fehlhaltung zu beheben.

(2) 1Die Unterbringung soll den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich angeglichen werden und die untergebrachte Person auf ein straffreies Leben vorbereiten. 2Die familiäre, soziale und berufliche Eingliederung soll gefördert werden.

(3) Bei allen Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes soll auf das Alter, das Geschlecht, die ethnische Herkunft, den Gesundheitszustand und die Lebensumstände der untergebrachten Person Rücksicht genommen werden.

(4) Die Maßregelvollzugseinrichtungen sollen mit Behörden, Gerichten, Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung sowie sonstigen Stellen und Personen zusammenarbeiten, soweit diese die Ziele der Unterbringung fördern können.

Art. 3

Stellung der untergebrachten Person

(1) 1Der untergebrachten Person ist Gelegenheit zu geben, an der Gestaltung ihrer Behandlung und der weiteren Maßnahmen, die der Verwirklichung der in Art. 2 genannten Ziele und Grundsätze dienen, mitzuwirken. 2Ihre Bereitschaft zur Mitwirkung an der Gestaltung ist zu wecken und zu fördern.

Art. 4

Aufnahme

(1) 1Die untergebrachte Person ist bei der Aufnahme schriftlich über ihre Rechte und Pflichten während der Unterbringung zu unterrichten; sie hat den Erhalt schriftlich zu bestätigen. ...

Art. 6

Behandlung psychischer Erkrankungen

(1) Die untergebrachte Person erhält die nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst zur Erreichung der Ziele der Unterbringung gebotene Behandlung ihrer psychischen Erkrankung.

(2) 1Behandlungsmaßnahmen, die in die körperliche Unversehrtheit eingreifen, bedürfen der schriftlichen Einwilligung der untergebrachten Person. 2Die Einwilligung muss auf der Grundlage einer ärztlichen Aufklärung der untergebrachten Person erfolgen und auf deren freien Willen beruhen.

(3) Ohne Einwilligung sind Behandlungsmaßnahmen im Sinn des Abs. 1 nur zulässig,

1. wenn die untergebrachte Person krankheitsbedingt zur Einsicht in die Schwere ihrer Krankheit und der Behandlungsbedürftigkeit oder zum Handeln gemäß dieser Einsicht nicht fähig ist,

2. soweit sie erforderlich sind

a) zur Erreichung der Entlassungsfähigkeit oder

b) bei einer konkreten Gefahr für das Leben oder einer konkreten schwerwiegenden Gefahr für die Gesundheit der untergebrachten Person

3. und wenn

a) zuvor frühzeitig, ernsthaft und ohne Druck auszuüben versucht wurde, die Zustimmung der untergebrachten Person zu erhalten,

b) ärztlich über Art, Dauer, Erfolgsaussichten und Risiken der beabsichtigten Maßnahme aufgeklärt wurde,

c) die Maßnahme der untergebrachten Person unter Mitteilung, dass gegen deren Durchführung eine gerichtliche Entscheidung nach

§ 109 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) herbeigeführt werden kann, rechtzeitig, mindestens aber 48 Stunden vorher, angekündigt wurde,

d) die Maßnahmen geeignet sind, das Behandlungsziel zu erreichen,

e) mildere Mittel keinen Erfolg versprechen,

f) der zu erwartende Nutzen den möglichen Schaden einer Nichtbehandlung sowie die mit der Maßnahme verbundene Beeinträchtigung deutlich überwiegt,

g) Art und Dauer auf das zwingend erforderliche Maß beschränkt werden sowie

h) die Maßnahmen nicht mit einer erheblichen Gefahr für die Gesundheit oder das Leben der untergebrachten Person verbunden sind.

(4) 1Willigt die untergebrachte Person in die Behandlung nicht ein, hat die Maßregelvollzugseinrichtung den Vorgang der nach §§ 110 und 138 Abs. 3 StVollzG zuständigen Strafvollstreckungskammer vorzulegen. 2Für das gerichtliche Verfahren gelten §§ 109 bis 121 StVollzG entsprechend, ohne dass es eines Antrags der untergebrachten Person bedarf. 3Die Maßnahme darf eine Behandlungsdauer von zwölf Wochen nicht über- schreiten. 4Für die Verlängerung der Anordnung gelten die Vorschriften für die erstmalige Anordnung entsprechend. 5Die Maßnahmen sind durch einen Arzt oder eine Ärztin durchzuführen, zu überwachen und in regel- mäßigen Abständen auf ihre Eignung, Notwendigkeit und Angemessenheit zu überprüfen. 6Eine wirksame Patientenverfügung der untergebrachten Person nach § 1901 a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist zu beachten.

(5) 1 Bei Maßnahmen nach Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b kann bei Gefahr in Verzug von den Vorgaben gemäß Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a bis c und Abs. 4 Satz 1 abgesehen werden. 2Die Aufklärung nach Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b ist nachzuholen, sobald es der Gesundheitszustand der untergebrachten Person zulässt. 3Die Vorlage nach Abs. 4 Satz 1 ist unverzüglich nachzuholen.

(6) 1Ohne Einwilligung sind Behandlungsmaßnahmen bei Gefahr in Verzug für das Leben oder die Gesundheit einer anderen Person unter den Voraussetzungen des Abs. 3 Nr. 3 Buchst. d, e, g und h zulässig. 2Abs. 4 Satz 5 gilt entsprechend.

Art. 7

Behandlung anderer Erkrankungen

(1) Die untergebrachte Person hat Anspruch auf Gesundheitsuntersuchungen, medizinische Vorsorgeleistungen, Krankenbehandlung und Versorgung mit Hilfsmitteln nach Maßgabe der Art. 59 bis 61, 63 und 64 des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes (BayStVollzG).

(2) Kann die erforderliche Behandlungsmaßnahme in der Maßregelvollzugseinrichtung nicht durchgeführt werden, ist die untergebrachte Person in eine andere Maßregelvollzugseinrichtung, in ein geeignetes Krankenhaus oder zu einem ambulanten Leistungserbringer außerhalb des Maßregelvollzugs zu verbringen.

(3) 1Für Behandlungsmaßnahmen nicht psychischer Erkrankungen gelten Art. 6 Abs. 2, 3 Nr. 3 und Abs. 4 Satz 5 mit der Maßgabe, dass sie

1. durch einen Arzt oder eine Ärztin anzuordnen sowie

2. ohne Einwilligung nur zur Abwehr einer konkreten Gefahr für das Leben oder konkreten schwerwiegenden Gefahr für die Gesundheit der untergebrachten Person oder einer anderen Person zulässig sind. 2Unbeschadet bleibt das Recht der Leistung erster Hilfe für den Fall, dass ein Arzt oder eine Ärztin nicht rechtzeitig erreichbar und mit dem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist. 3Eine wirksame Patientenverfügung der untergebrachten Person nach § 1901 a Abs. 1 BGB ist zu beachten.

(4) 1Auf Anordnung eines Arztes oder einer Ärztin sind ohne Einwilligung der untergebrachten Person körperliche Untersuchungen und Maßnah- men, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, Entnahmen von Haarproben, Blutentnahmen, Röntgenuntersuchungen ohne Kon- trastmittelabgabe sowie die Gewinnung einer Urinprobe zulässig. 2Voraussetzung dafür ist, dass die Untersuchung oder Maßnahme der Kontrolle und Überwachung von Behandlungsmaßnahmen, dem Gesundheitsschutz oder der Hygiene dienen.

Art. 11

Freizeitgestaltung

(2) Der untergebrachten Person ist täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien zu ermöglichen.

Art. 15

Hausordnung

(1) 1Die Maßregelvollzugseinrichtungen erlassen im Benehmen mit dem Bezirk oder von diesem mit dem Vollzug der Unterbringung betrauten Unternehmen (Träger) eine Hausordnung, die die Rechte und Pflichten der untergebrachten Personen näher regelt. 2Die Hausordnung ist den untergebrachten Personen in geeigneter Weise bekannt zu geben; Art. 4 Abs. 1 Satz 1 bleibt unberührt.

Art. 16

Vollzugslockerungen (1) 1Der Vollzug der Unterbringung ist zu lockern, sobald

1. zu erwarten ist, dass dadurch die Behandlung und die soziale Wiedereingliederung gefördert werden, und

2. nach allen aus der bisherigen Behandlung gewonnenen Erkenntnissen davon auszugehen ist, dass die untergebrachte Person die ihr eingeräumten Vollzugslockerungen nicht missbrauchen wird.

Bei der Entscheidung über die Gewährung von Vollzugslockerungen wird insbesondere auch berücksichtigt, ob eine Entlassung der untergebrachten Person absehbar ist.

(2) Vollzugslockerungen sind

1. das Verlassen der Maßregelvollzugseinrichtung oder des gesicherten Bereichs der Maßregelvollzugseinrichtung für eine bestimmte Tageszeit in Begleitung von Beschäftigten (begleiteter Ausgang) oder ohne Aufsicht (unbegleiteter Ausgang),

2. die regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung unter Aufsicht von Beschäftigten der Einrichtung (begleitete Außenbeschäftigung) oder ohne deren Aufsicht (unbegleitete Außenbeschäftigung).

Art. 21

Ausführung und Vorführung

(1) ''Ausführungen können aus wichtigen Gründen zugelassen werden, obwohl die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 nicht erfüllt sind. 2Die Maßregelvollzugseinrichtung trifft die erforderlichen Sicherungsvorkehrungen.

(2) 1Auf Ersuchen eines Gerichts ermöglicht die Maßregelvollzugseinrichtung die Vorführung der untergebrachten Person. 2Die Maßregelvollzugseinrichtung unterrichtet das Gericht über das Veranlasste.

(3) 1Die Kosten von Ausführungen und Vorführungen, die auf Wunsch der untergebrachten Person oder überwiegend in ihrem Interesse durchgeführt werden, trägt die untergebrachte Person. 2Dies gilt auch, soweit der untergebrachten Person hinsichtlich der Kosten von Ausführungen und Vorführungen ein Erstattungsanspruch zusteht. 3Von der Geltendmachung der Kosten gegenüber der untergebrachten Person kann abgesehen werden, wenn dies die Behandlung oder die Eingliederung behindern würde.

Art. 22

Disziplinarmaßnahmen

(1) Verstößt die untergebrachte Person schuldhaft gegen eine Pflicht, die ihr durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt wurde, können gegen sie Disziplinarmaßnahmen angeordnet werden.

(2) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind

2. unter Wahrung der Regelung in Art. 11 Abs. 2 der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,

Art. 25

Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Gegen eine untergebrachte Person können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres Gesundheitszustands in erhöhtem Maße Fluchtgefahr, die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr einer Selbsttötung oder Selbstverletzung besteht.

(2) Zulässige besondere Sicherungsmaßnahmen sind

1. die ständige Beobachtung, auch mit technischen Mitteln,

2. die Verabreichung notwendiger Medikamente; Art. 6 und 7 bleiben unberührt,

3. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,

4. die nächtliche Nachschau,

5. die Trennung von anderen untergebrachten Personen,

6. der Entzug oder die Beschränkung des gemeinschaftlichen Aufenthalts im Freien,

7. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände,

8. die Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch unmittelbaren Zwang.

(3) Maßnahmen nach Abs. 2 Nrn. 3 bis 8 sind auch zulässig, wenn die Ge- fahr eines Ausbruchs, einer Befreiung oder einer erheblichen Störung des geordneten Zusammenlebens in der Maßregelvollzugseinrichtung nicht anders abgewendet werden kann.

Art. 26

Fixierungen

(1) 1Die untergebrachte Person darf mechanisch fixiert werden, wenn und solange die gegenwärtige Gefahr besteht, dass sie gegen Personen gewalttätig wird oder sich selbst verletzt oder tötet. 2Sie ist auf gefährliche Gegenstände zu durchsuchen und ständig durch einen Beschäftigten zu betreuen und zu überwachen.

(2) Eine Fixierung darf nur befristet angeordnet werden, längstens für 24 Stunden.

(3) 1Eine Fixierung ist der untergebrachten Person durch die Maßregelvollzugseinrichtung anzukündigen. 2Willigt die untergebrachte Person in die Fixierung nicht ein, legt die Maßregelvollzugseinrichtung den Vorgang der nach §§ 110, 138 Abs. 3 StVollzG zuständigen Strafvollstreckungskammer zur gerichtlichen Entscheidung vor. 3Wenn mit dem Aufschub der Maßnahme Gefahr verbunden ist, kann die Fixierung durchgeführt werden, bevor die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ergangen ist. 4Hat sich die Fixierung vor der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer erledigt, gilt § 115 Abs. 3 StVollzG.

II.

Der Antragsteller macht geltend, er sei als Untergebrachter im Maßregelvollzug von den Bestimmungen des Bayerischen Maßregelvollzugsgesetzes persönlich betroffen.

1. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayMRVG, wonach die Bereitschaft der Patienten zur Mitwirkung an der Gestaltung ihrer Behandlung zu wecken und zu fördern sei, schränke seine Rechte nach Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 GG ein. Sollte es beispielsweise ein Therapeut nicht schaffen, einen Behandlungsplan aufzustellen, den der Antragsteller überzeugend finde, dürfe der Therapeut nach dieser Vorschrift die Gestaltung des Behandlungsplans auf ihn abwälzen. Falls ein Therapeut auf die Frage nach den Erfolgsaussichten des von ihm gewählten Behandlungsansatzes keine Auskunft geben könne, verlange der Glaube des Antragstellers an die Zweckmäßigkeit empirischer Wissenschaft, diesen als Scharlatan einzustufen. Statt gesetzlich die Mitwirkung der Gefangenen zu fordern, wäre es zweckmäßiger, in Art. 6 Abs. 1 BayMRVG statt der Behandlung nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst die Behandlung nach dem Stand der Wissenschaft zu fordern. Die unglückliche Formulierung könne nicht durch die Bereitschaft zur Mitwirkung in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayMRVG berichtigt werden.

2. Art. 6 BayMRVG sei um die Pflicht zu ergänzen, Zwangsbehandlungen immer gerichtlich prüfen zu lassen. Zwangsbehandlungen seien nach Art. 6 Abs. 6 BayMRVG bei Gefahr in Verzug, nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayMRVG zur Abwehr einer konkreten Gefahr und nach Art. 25 Abs. 1 und 3 BayMRVG bei Fluchtgefahr, der Gefahr von Gewalttätigkeiten oder der Gefahr einer Selbsttötung oder Selbstverletzung jeweils ohne gerichtliche Prüfung des behaupteten Grundes und der Notwendigkeit der Zwangsbehandlung erlaubt. Die fehlende Pflicht zur gerichtlichen Überprüfung sei umso unverständlicher, weil dasselbe Gesetz eine entsprechende Verpflichtung bei Zwangsbehandlungen ohne Gefahr in Verzug vorschreibe. Dies stelle einen Verstoß gegen Art. 1, 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 101 Abs. 1 und Art. 104 Abs. 2 GG dar. Art. 6 Abs. 6 Satz 2 BayMRVG sehe einen Arzt als Richter vor; Art. 7 BayMRVG fordere keine Prüfung. Im Bayerischen Maßregelvollzugsgesetz sei nicht geregelt, wer Behandlungsmaßnahmen ohne Einwilligung nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayMRVG anordnen und durchführen dürfe. Das Bayerische Maßregelvollzugsgesetz erlaube Zwangsbehandlungen ohne richterliche Überprüfung bereits, wenn der Arzt, der die Zwangsbehandlung vornehme, außer der Notwendigkeit zur Zwangsbehandlung auch Gefahr in Verzug diagnostiziere. Damit verstoße es gegen Art. 104 GG.

3. Die Regelungen zur Hausordnung in Art. 15 Abs. 1 BayMRVG blieben hinter Art. 184 BayStVollzG zurück. Hieraus ergebe sich eine Ungleichbehandlung der Personen, die in einer Maßregelvollzugseinrichtung untergebracht seien, gegenüber den Gefangenen in einer Strafvollzugsanstalt.

Im Bezirkskrankenhaus Bayreuth sei anscheinend eine Aushändigung von Stations- und Hausordnung nicht vorgesehen, falls sich ein Gefangener weigere, ein persönliches Gespräch zu ertragen. Die Vermeidung des Wortes „Hausordnung“ in Art. 4 BayMRVG sei problematisch. Wie das Personal diese Regelung auslege, wäre jedoch weitgehend unkritisch, wenn nach Art. 15 BayMRVG ebenso wie nach Art. 184 BayStVollzG die Hausordnung der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfte und geregelt wäre, wie die Hausordnung bekannt zu machen sei.

Art. 184 Abs. 1 Satz 2 BayStVollzG fordere die Zustimmung der Aufsichtsbehörde zur Hausordnung, was die Hoffnung zulasse, dass jemand außerhalb der Institution einen kritischen Blick darauf werfe. In der Station FP-4 hingen lose Blätter aus, von denen eines mit „Vorläufige Hausordnung der Klinik für Forensische Psychiatrie beim Bezirkskrankenhaus Bayreuth“ beschriftet sei, wonach beispielsweise kein Anspruch auf Ausstattung der Zimmer mit eigenen Kleinmöbeln bestehe. Es sei fraglich, ob das eine Aufsichtsbehörde genehmigt hätte.

4. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 BayMRVG, wonach bei der Entscheidung über die Gewährung von Vollzugslockerungen insbesondere auch berücksichtigt werde, ob eine Entlassung der untergebrachten Person absehbar sei, sei unklar. Falls Lockerungen für Gefangene ohne Entlassungsaussichten wahrscheinlicher sein sollten, verstoße diese Regelung gegen Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayMRVG; wichtigstes Unterbringungsziel sei danach, die Allgemeinheit vor der Begehung weiterer Straftaten zu schützen. Falls Lockerungen für Gefangene mit guten Entlassungsaussichten wahrscheinlicher sein sollten, verstoße die Norm gegen Art. 2 und 3 GG. Die Freiheit dürfe nur so weit eingeschränkt werden, wie es der Unterbringungszweck erfordere. Die Einschränkung könne also nicht von der geplanten Dauer der Freiheitsentziehung abhängen, sondern nur von der Gefährlichkeit für die Allgemeinheit. Eine solche Gefährlichkeit müsse verneint werden, wenn ein Gefangener beispielsweise keine Symptome zeige, aber nicht entlassen werde, weil man befürchte, dass er seine Psychopharmaka nicht zuverlässig einnehme. Es stelle sich die Frage, warum ein solcher Gefangener keine Lockerungen bekomme.

5. Art. 21 Abs. 3 BayMRVG wälze die Kosten für Ausführungen - auch zu Fachärzten - auf die Untergebrachten ab. Art. 7 BayMRVG regle zwar einen Anspruch auf Behandlung anderer als psychischer Erkrankungen, aber keine Kostenübernahme. Für Gefangene der Justizvollzugsanstalt Bayreuth sei die Zahnbehandlung innerhalb der Anstalt möglich. Deshalb verstoße Art. 21 BayMRVG gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

6. Art. 22 Abs. 2 Nr. 2 BayMRVG, wonach der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien eine zulässige Disziplinarmaßnahme sei, stehe in Konflikt mit Art. 11 Abs. 2 desselben Gesetzes. Unklar sei, wie der Aufenthalt im Freien entzogen und dennoch mindestens eine Stunde gewährt werden könne. Wegen der fehlenden Eindeutigkeit sei ein Verstoß gegen Art. 2 GG möglich.

7. Fixierungen seien nach Art. 26 BayMRVG ohne gerichtliche Prüfung möglich. Es dürfe jedoch niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Die Pflicht zur gerichtlichen Prüfung sei für Fälle ohne Gefahr in Verzug ohnehin vorgeschrieben. Auch eine nachträgliche Prüfung sei sinnvoll. Dabei sollte die Beweislast beim Gewaltanwender liegen. Man brauche nicht zu hoffen, dass alle Gefangenen des Maßregelvollzugs in der Lage seien, sich gegen Willkürmaßnahmen zu wehren. Werde ein Gefangener über Nacht gefesselt, könne offenbar kein Gericht sofort entscheiden. Sei die Maßnahme am Folgetag beendet, müsse der (psychisch kranke) Gefangene gemäß Art. 26 Abs. 3 Satz 4 BayMRVG i. V. m. § 115 StVollzG auch noch beweisen, dass er ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Fesselung habe. Der Gefangene habe vor allem ein berechtigtes Interesse, nicht gefesselt zu werden. Jede überzogene Maßnahme stelle einen Verstoß gegen Art. 2 GG dar, weshalb zum Schutz der Insassen in Maßregelvollzugseinrichtungen auf richterliche Überprüfung (Art. 101 Abs. 1, Art. 104 Abs. 1 und 2 GG) nicht verzichtet werden könne.

III.

1. Der Bayerische Landtag erachtet die Popularklage teilweise für unzulässig, jedenfalls für unbegründet. Es fehle an der nötigen Substanziierung. Zusammenfassend werde auf die Ausführungen der Bayerischen Staatsregierung verwiesen.

2. Die Bayerische Staatsregierung hält die Popularklage teilweise für unzulässig und insgesamt für unbegründet.

a) Der Antragsteller lege nicht dar, inwiefern Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayMRVG die Rechte nach Art. 107 Abs. 1 und 2 BV (Art. 4 Abs. 1 GG) und Art. 110 Abs. 1 BV (Art. 5 Abs. 1 GG) einschränke. Er nenne lediglich die Normen des Grundgesetzes ohne Ausführungen dazu, wodurch sich untergebrachte Personen im Hinblick auf die Förderung und Erweckung der Bereitschaft zur Mitwirkung in der Behandlungsgestaltung in ihrer Glaubens-, Gewissens- oder Bekenntnisfreiheit oder dem Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt sehen könnten. Die Religionsfreiheit sei nicht betroffen.

Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit sei zwar eröffnet, Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayMRVG stelle jedoch keinen Eingriff dar. Untergebrachte Personen könnten sich danach an der Gestaltung der Behandlung beteiligen. Es werde weder eine Pflicht zur Mitwirkung begründet noch würden an eine Nichtmitwirkung Sanktionen geknüpft. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayMRVG biete gerade die Möglichkeit, die Meinung zu äußern.

b) Im Hinblick auf Art. 6 Abs. 6, Art. 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Art. 25 Abs. 1 und 3 BayMRVG führe der Antragsteller lediglich aus, inwiefern diese Vorschriften den Richtervorbehalt aus Art. 3 Abs. 1 BV i. V. m. Art. 104 Abs. 2 GG möglicherweise verletzen könnten. Zu den verbleibenden gerügten Grundrechten lasse der Antragsteller Ausführungen vermissen. Jedenfalls liege kein Verstoß vor.

Nach Art. 6 Abs. 6 BayMRVG sei eine Behandlung ohne Einwilligung nur gerechtfertigt bei Gefahr in Verzug für das Leben oder die Gesundheit einer anderen Person. Die Vorschrift diene dem Ausgleich widerstreitender Interessen der untergebrachten Person und Dritter. Art. 6 Abs. 6 BayMRVG stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG vom 23.3.2011 BVerfGE 128, 282/303 f.). Es gehe dabei um akute Notfälle, bei denen von einem unmittelbaren Schadenseintritt auszugehen sei, wenn nicht sofort die Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayMRVG) oder bei Gefahr in Verzug andere Beschäftigte mit Zustimmung eines Arztes oder einer Ärztin (Art. 49 Abs. 3 Satz 2 BayMRVG) anstelle des zuständigen Gerichts handelten. In einem solchen Fall könne von einem Richtervorbehalt ausnahmsweise abgesehen werden; für alle anderen Fälle, in denen Behandlungen ohne Einwilligung der untergebrachten Person durchgeführt würden, sei dieser Vorbehalt in Art. 6 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BayMRVG geregelt.

Art. 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayMRVG sei verfassungsgemäß. Danach sei eine Behandlungsmaßnahme nicht psychischer Erkrankungen ohne Einwilligung der untergebrachten Personen nur zur Abwehr einer konkreten Gefahr für das Leben oder einer konkreten schwerwiegenden Gefahr für die Gesundheit der untergebrachten Person oder einer anderen Person zulässig.

Das in Art. 6 Abs. 6 und Art. 7 Abs. 3 BayMRVG geregelte Verfahren sei verfassungsgemäß. Verfahrensrechtlich fordere das Bundesverfassungsgericht, dass bei planmäßigen Behandlungen, die trotz des Fehlschlags der gebotenen aufklärenden Zustimmungswerbung durchgeführt werden sollten, eine Ankündigung gegenüber dem Betroffenen geboten sei, um ihm die Möglichkeit zu eröffnen, rechtzeitig Rechtsschutz zu suchen. Ausnahmen kämen lediglich in akuten Notfällen in Betracht, in denen es ausreiche, wenn die Unterbringungseinrichtung über Zwangsmaßnahmen entscheide. Art. 6 Abs. 6 BayMRVG umfasse nur Fälle, bei welchen Gefahr in Verzug gegeben sei. Mithin regle er keine planmäßigen Behandlungen, sondern als Notfall zu qualifizierende Situationen, bei welchen eine Ausnahmeregelung zulässig sei. Im Gegensatz dazu sei bei Art. 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayMRVG von einer plangemäßen Behandlung auszugehen. Das Bayerische Maßregelvollzugsgesetz erfülle insoweit die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, als es nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c BayMRVG anordne, dass die Maßnahme der untergebrachten Person unter Mitteilung, dass gegen deren Durchführung eine gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG herbeigeführt werden könne, rechtzeitig, mindestens aber 48 Stunden vorher angekündigt werden müsse.

Art. 6 Abs. 6 und Art. 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayMRVG seien mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar. Als Vergleichsgruppe kämen nur Gefangene im bayerischen Strafvollzug in Betracht. Untergebrachte Personen seien wie auch Strafgefangene u. a. mit dem Ziel untergebracht, die Allgemeinheit vor der Begehung von weiteren Straftaten zu schützen. Art. 6 Abs. 6 und Art. 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayMRVG sowie Art. 108 BayStVollzG stimmten weitgehend überein und stellten keine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem dar.

Art. 25 Abs. 1 und 3 BayMRVG beträfen besondere Sicherungsmaßnahmen. Anders als bei Zwangsmaßnahmen gehe es hierbei nicht um eine Behandlung der untergebrachten Person. Die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen sei für Situationen vorgesehen, die durch die Behandlung der untergebrachten Person und ihre Unterbringung in einer Maßregelvollzugseinrichtung allein nicht zu beherrschen seien. Art. 25 BayMRVG sei hinreichend konkret und bestimmt gefasst. Art. 25 Abs. 2 Nr. 2 BayMRVG erlaube die Verabreichung notwendiger Medikamente nur unter den Voraussetzungen der Art. 6 und 7 BayMRVG. Art. 25 Abs. 1 und 3 BayMRVG verstießen auch nicht gegen den Gleichheitssatz. Die Regelung entspreche weitestgehend Art. 96 BayStVollzG.

c) Soweit sich der Antragsteller auf die konkrete Hausordnung im Bezirkskrankenhaus Bayreuth und deren Bekanntmachung beziehe, sei der Antrag unzulässig; die Hausordnung sei kein tauglicher Prüfungsgegenstand.

Eine Hausordnung werde nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayMRVG nicht allein von der Maßregelvollzugseinrichtung erlassen, sondern im Benehmen mit dem Bezirk oder von diesem mit dem Vollzug betrauten Unternehmen. Somit sei auch hier ein objektiver Dritter in den Erlass der Hausordnung eingebunden, wie in Art. 184 Abs. 1 Satz 2 BayStVollzG die Aufsichtsbehörde. Im Rahmen der Fachaufsicht könne ebenfalls anlassbezogen eine Überprüfung der Hausordnungen erfolgen. Damit sei der verfassungsgemäße Schutz der Untergebrachten ausreichend gewährleistet. Auch die Regelungen zur Bekanntgabe der Hausordnung führten zu keiner Ungleichbehandlung. Sinn und Zweck einer Bekanntmachung sei es, dass die Betroffenen in verlässlicher und zumutbarer Weise von dem Inhalt Kenntnis erlangten. Es stehe dem Gesetzgeber frei, die Art der Bekanntgabe zu regeln, so lange das Ziel der Kenntnisnahme erreicht werde. Dies könne sowohl durch eine Aushändigung erfolgen (Art. 184 Abs. 3 BayStVollzG) als auch auf sonstige geeignete Weise (Art. 15 Abs. 1 Satz 2 BayMRVG), wie z. B. durch einen Aushang.

d) Art. 16 Abs. 1 Satz 2 BayMRVG verstoße weder gegen den Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) noch gegen ein materielles Freiheitsrecht (Art. 101 i. V. m. Art. 100 und 102 BV). Die Voraussetzungen, wann eine Vollzugslockerung zu gewähren sei, seien in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 BayMRVG verankert und nicht in Satz 2. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 BayMRVG bestimme keinen erweiterten Maßstab für Vollzugslockerungen, sondern fordere die Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung lediglich auf, bei ihrer Entscheidung insbesondere die Erfolgsaussichten einer Entlassung zu berücksichtigen. Dies betreffe Fälle, in denen eine Entlassung der untergebrachten Person aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (§ 67 d Abs. 3 und 4 StGB) absehbar sei. Hier könne die Notwendigkeit bestehen, die untergebrachte Person durch Lockerungen auf das Leben außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung vorzubereiten.

e) Soweit sich der Antragsteller auf die Ausführung zu einer zahnmedizinischen Behandlung beziehe, liege ein untauglicher Prüfungsgegenstand vor.

Art. 21 Abs. 3 Satz 2 BayMRVG verstoße nicht gegen Art. 118 Abs. 1 BV. Der Antragsteller, der in einer Einrichtung des Maßregelvollzugs untergebrachte Personen mit Strafgefangenen in einer bayerischen Justizvollzugsanstalt vergleiche, verkenne, dass Art. 21 Abs. 3 BayMRVG nur eine eventuelle Kostenübernahme von Ausführungen betreffe, die keine Behandlungen nach Art. 7 Abs. 2 BayMRVG seien. Die Behandlung von anderen als psychischen Krankheiten richte sich nach Art. 7 BayMRVG, dabei seien zur Behandlung auch Ausführungen möglich. Die Kostentragung sei in diesem Fall durch Art. 7 Abs. 1 BayMRVG i. V. m. Art. 63 BayStVollzG geregelt. Ebenso wenig benachteilige die Kostentragungspflicht für nichtmedizinische Ausführungen untergebrachte Personen im Vergleich zu Strafgefangenen, denn auch Art. 37 Abs. 3 Satz 2 BayStVollzG lege die Kosten auf die Betroffenen um.

f) Der Antragsteller lege unzureichend dar, inwiefern Art. 22 Abs. 2 Nr. 2 BayMRVG das Recht aus Art. 2 GG bzw. der entsprechenden Norm der Bayerischen Verfassung verletzen sollte.

Im Übrigen liege kein Verstoß gegen Art. 101 i. V. m. Art. 100 und 102 BV vor. Art. 22 BayMRVG erfülle die rechtlichen Anforderungen einer Ermächtigungsgrundlage und sei deshalb mit Art. 3 Abs. 1 BV vereinbar. Art. 22 Abs. 2 Nr. 2 BayMRVG bestimme konkret und präzise, dass der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien nur unter Maßgabe des Art. 11 Abs. 2 BayMRVG erfolgen dürfe. Danach müsse der untergebrachten Person täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien ermöglicht werden. Dies entspreche auch Art. 66 BayStVollzG.

g) Bei der vom Antragsteller beschriebenen Praxis einer Fixierung zur Nachtzeit handle es sich um eine Maßnahme, die nicht mit einer Popularklage angegriffen werden könne.

Art. 26 BayMRVG verstoße weder gegen Art. 86 Abs. 1 noch gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV. In Art. 26 Abs. 3 Satz 2 BayMRVG sei ein Richtervorbehalt normiert. Nach Art. 26 Abs. 3 Satz 3 BayMRVG könne nur dann von einer gerichtlichen Entscheidung vor Durchführung einer Fixierung abgesehen werden, wenn mit dem Aufschub der Maßnahme Gefahr verbunden sei. Art. 26 Abs. 3 Satz 4 BayMRVG stelle zudem sicher, dass auch nach Erledigung der Maßnahme die Strafvollstreckungskammer noch entscheide, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müsse ein berechtigtes Interesse angenommen werden, wenn ein tiefgreifender Grundrechtseingriff in Betracht komme. Darunter fielen vornehmlich solche Eingriffe, die schon das Grundgesetz unter den Richtervorbehalt stelle, wie die Freiheitsentziehung. Dem Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz sei damit Genüge getan.

IV.

Die Popularklage ist unzulässig.

1. Nach Art. 98 Satz 4 BV hat der Verfassungsgerichtshof Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung verfassungswidrig einschränken. Die Verfassungswidrigkeit kann jedermann durch Beschwerde (Popularklage) geltend machen (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Gesetze und Verordnungen im Sinn des Art. 98 Satz 4 BV sind alle Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts; dazu zählen auch die angegriffenen Regelungen des Bayerischen Maßregelvollzugsgesetzes.

2. Zu den prozessualen Voraussetzungen einer Popularklage gehört gemäß Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG, dass der Antragsteller substanziiert darlegen muss, inwiefern die angegriffene Rechtsvorschrift nach seiner Meinung in Widerspruch zu einer Grundrechtsnorm der Bayerischen Verfassung steht (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 13.8.2008 VerfGHE 61, 205/209 f.; vom 4.5.2012 VerfGHE 65, 73/81 f.). Auf Normen des Grundgesetzes kann die Popularklage nicht gestützt werden. Prüfungsmaßstab im Popularklageverfahren ist nur die Bayerische Verfassung (VerfGH vom 12.1.2005 VerfGHE 58, 1/14; vom 19.6.2009 VerfGHE 62, 113/117).

Zwar beruft sich der Antragsteller zur Begründung seiner Popularklage allein auf Verstöße gegen Normen des Grundgesetzes. Zu seinen Gunsten ist jedoch davon auszugehen, dass er damit auch die Verletzung inhaltlich übereinstimmender Grundrechte der Bayerischen Verfassung rügen will, nicht aber eine - außerhalb der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs liegende - Prüfung am Maßstab des Bundesverfassungsrechts begehrt (vgl. zu entsprechenden Rügen bei Verfassungsbeschwerden VerfGH vom 17.1.1969 - Vf. 74-VI-68 - amtl. Umdruck S. 6; vom 28.4.1972 - Vf. 64-VI-71 - amtl. Umdruck S. 8).

3. Die Popularklage ist unzulässig, weil den Ausführungen des Antragstellers keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Verletzung von Grundrechten der Bayerischen Verfassung zu entnehmen sind.

Eine ausreichende Grundrechtsrüge liegt nicht schon dann vor, wenn ein Antragsteller lediglich behauptet, dass die angegriffene Rechtsvorschrift nach seiner Auffassung gegen Grundrechtsnormen der Bayerischen Verfassung verstößt. Der Verfassungsgerichtshof muss anhand von substanziiert bezeichneten Tatsachen und Vorgängen beurteilen können, ob der Schutzbereich der Grundrechtsnorm berührt ist. Die zur Überprüfung gestellten Tatsachen und Vorgänge müssen dies zumindest als möglich erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGHE 61, 205/209; 65, 73/81; VerfGH vom 21.3.2016 - Vf. 21-VII-15 - juris Rn. 25). Greift der Antragsteller mehrere Rechtsvorschriften an, so muss dies grundsätzlich für jede von ihnen ersichtlich sein (VerfGH vom 4.3.2009 VerfGHE 62, 30/35).

Diesen Anforderungen genügt die Popularklage nicht.

a) Ihr sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, inwiefern Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayMRVG den Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 107 Abs. 1 BV) sowie der Meinungsfreiheit (Art. 110 Abs. 1 BV) berühren könnte. In der angegriffenen Vorschrift wird geregelt, dass die Bereitschaft der untergebrachten Person zur Mitwirkung an der Gestaltung ihrer Behandlung und der weiteren Maßnahmen im Rahmen der Unterbringung zu wecken und zu fördern ist. Dies trägt der Überlegung Rechnung, dass gerade die soziale Rehabilitation eines Menschen ohne seine Bereitschaft zur Mitarbeit kaum erfolgversprechend durchgeführt werden kann. Die untergebrachte Person ist jedoch nicht verpflichtet, aktiv an ihrer Behandlung mitzuwirken, da eine entsprechende Pflicht mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht kollidieren würde (LT-Drs. 17/4944 S. 29). Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayMRVG ermöglicht es der untergebrachten Person, ihre Sichtweise einzubringen, und dient damit der Berücksichtigung ihrer Belange. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit wird so auf einfachgesetzlicher Ebene umgesetzt und nicht etwa verletzt. Ein möglicher Verstoß gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist ebenfalls schon ansatzweise nicht erkennbar.

b) Soweit der Antragsteller rügt, Art. 6 BayMRVG sei um die Pflicht zu ergänzen, Zwangsbehandlungen immer gerichtlich überprüfen zu lassen, ist sein Vorbringen auszulegen, um festzustellen, was der eigentliche Gegenstand seiner Popularklage ist (vgl. VerfGH vom 21.4.1993 VerfGHE 46, 104/108; vom 13.5.2009 VerfGHE 62, 61/65; vom 11.11.2015 - Vf. 2-VII-15 - juris Rn. 36).

Art. 6 BayMRVG betrifft die Behandlung psychischer Erkrankungen; er enthält u. a. Regelungen dazu, inwieweit die Maßregelvollzugseinrichtung im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung eine gerichtliche Prüfung von Behandlungsmaßnahmen, in die die untergebrachte Person nicht einwilligt, zu veranlassen hat. Dabei ist vor allem von Bedeutung, ob die Behandlungsmaßnahme wegen Gefahr in Verzug für das Leben oder die Gesundheit der untergebrachten oder einer anderen Person erforderlich ist. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, ist gemäß Art. 6 Abs. 4 BayMRVG eine vorherige Überprüfung durch die zuständige Strafvollstreckungskammer zu veranlassen. Hiervon kann dagegen bei Gefahr in Verzug für das Leben oder die Gesundheit der untergebrachten Person abgesehen werden; dann ist die Vorlage an die Strafvollstreckungskammer jedoch unverzüglich nachzuholen (Art. 6 Abs. 5 BayMRVG). Betrifft die - vom Untergebrachten ausgehende - Gefahr in Verzug nicht diesen selbst, sondern das Leben oder die Gesundheit einer anderen Person, ist eine Vorlage von Amts wegen an die Strafvollstreckungskammer weder vorab noch nachträglich vorgesehen (Art. 6 Abs. 6 BayMRVG). Dann greifen allerdings § 138 Abs. 3 i. V. m. §§ 109 ff. StVollzG, die das gerichtliche Verfahren für den Straf- und Maßregelvollzug bundesrechtlich normieren. Nach § 109 StVollzG kann gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzugs freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Eine Überprüfung findet daher in diesem Fall (nur) auf Antrag der untergebrachten Person statt.

aa) Im Zusammenhang mit seiner auf Art. 6 BayMRVG bezogenen Rüge erwähnt der Antragsteller auch Art. 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayMRVG zur Behandlung anderer als psychischer Erkrankungen sowie Art. 25 Abs. 1 und 3 BayMRVG zur Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen. Diese Bestimmungen werden vom Antragsteller zwar zur Begründung herangezogen, aber nicht selbst angegriffen. Nach seinem Vorbringen will er im Hinblick auf Art. 6 BayMRVG erreichen, dass Zwangsbehandlungen immer gerichtlich zu prüfen sind. Seinen Darlegungen ist jedoch nicht zu entnehmen, dass und gegebenenfalls inwieweit er eine Streichung oder Ergänzung der Art. 7 und 25 BayMRVG verfassungsrechtlich für geboten hält. Diese Normen sind somit nicht Gegenstand der Popularklage.

bb) Das Vorbringen des Antragstellers könnte auf eine Streichung der Ausnahmeregelung in Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayMRVG zielen, wonach bei Gefahr in Verzug für das Leben oder die Gesundheit der untergebrachten Person von der vorherigen Vorlage zur Prüfung durch die Strafvollstreckungskammer abgesehen werden kann. Dagegen spricht jedoch, dass er diese Norm nicht explizit erwähnt und auch ihren Inhalt nicht näher thematisiert. Es ist daher nicht erkennbar, dass sich die Popularklage gegen Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayMRVG richten würde.

cc) Dagegen erwähnt der Antragsteller ausdrücklich Art. 6 Abs. 6 BayMRVG, wonach Behandlungsmaßnahmen ohne Einwilligung bei Gefahr in Verzug für das Leben oder die Gesundheit einer anderen als der untergebrachten Person unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind. Es ist nicht ersichtlich, dass das Vorbringen des Antragstellers auf eine Streichung dieser Norm zielen würde. Möglicherweise will er aber beanstanden, dass insoweit keine Verpflichtung der Maßregelvollzugseinrichtung zur Vorlage an die Strafvollstreckungskammer besteht; eine Prüfung der jeweiligen Behandlungsmaßnahme von Amts wegen ist weder vorab noch nachträglich vorgesehen. Damit würde sich der Antragsteller gegen ein gesetzgeberisches Unterlassen wenden.

Auch ein Unterlassen des Normgebers kann Gegenstand einer Popularklage sein. Hierzu muss aber in substanziierter Weise dargelegt werden, dass der Normgeber aufgrund eines bindenden Verfassungsauftrags oder einer Grundrechtsnorm der Bayerischen Verfassung zum Erlass einer bestimmten Regelung verpflichtet ist (VerfGHE 62, 61/66; VerfGH vom 25.9.2015 BayVBl 2016, 81 Rn. 115 m. w. N.; Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 5. Aufl. 2014, Art. 98 Satz 4 Rn. 14; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, Art. 98 Rn. 25).

Das Vorbringen des Antragstellers genügt diesen Anforderungen nicht.

Ihm lässt sich schon nicht eindeutig entnehmen, auf welche Norm der Bayerischen Verfassung er sich stützen will und um welche Regelung Art. 6 BayMRVG ergänzt werden soll. Er zitiert Art. 104 GG und verweist damit auf den Richtervorbehalt, der bei der Freiheitsentziehung ausdrücklich durch Verfassungsnormen (Art. 102 Abs. 2 BV, Art. 104 Abs. 2 GG) vorgeschrieben ist. Diese Verfassungsnormen durchbrechen den Grundsatz, dass der Richter die Exekutive erst nachträglich und auf Anrufung kontrolliert. Primärzuständigkeiten des Richters stellen Ausnahmen im Recht der Gefahrenabwehr dar. Die Verfassung gebietet nicht, diese Ausnahmen über die verfassungsrechtlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus zu verallgemeinern (VerfGH vom 19.10.1994, VerfGHE 47, 241/263). Art. 6 BayMRVG regelt keine Fälle der Freiheitsentziehung, sondern der medizinischen Behandlung.

Die medizinische Behandlung eines Untergebrachten gegen seinen natürlichen Willen greift in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ein (Art. 101 i. V. m. Art. 100 BV), zu dessen traditionellem Gehalt der Schutz vor staatlicher Zwangsbehandlung gehört (vgl. BVerfG vom 30.11.1988 BVerfGE 79, 174/201; vom 23.03.2011 BVerfGE 128, 282/300). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich daraus auch Anforderungen in Bezug auf das Verfahren der Behörden und Gerichte (BVerfGE 128, 282/311 m. w. N.). Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit fordert spezielle verfahrensmäßige Sicherungen gegen die besonderen situationsbedingten Grundrechtsgefährdungen, die sich ergeben, wenn über die Anordnung einer Zwangsbehandlung außerhalb akuter Notfälle allein die jeweilige Unterbringungseinrichtung entscheidet (BVerfGE 128, 282/315). Art. 6 Abs. 6 BayMRVG betrifft jedoch nur akute Notfälle. Der Antragsteller legt nicht hinreichend dar, warum es verfassungsrechtlich geboten wäre, dass einer Behandlungsmaßnahme bei Gefahr in Verzug für das Leben oder die Gesundheit einer anderen Person eine von der Unterbringungseinrichtung unabhängige Prüfung vorausgeht.

Soweit der Antragsteller meint, die fehlende Pflicht zur gerichtlichen Überprüfung bei Gefahr in Verzug sei unverständlich, da das Gesetz sonst eine Überprüfung vorschreibe, legt er nicht substanziiert dar, inwieweit sich aus dem Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Ergänzung des Art. 6 BayMRVG ergeben sollte. Der Gleichheitssatz und das darin verankerte Willkürverbot untersagen dem Gesetzgeber, gleich liegende Sachverhalte, die aus der Natur der Sache und unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit eine gleichartige Regelung erfordern, ungleich zu behandeln. Die in Art. 6 Abs. 4, 5 und 6 BayMRVG enthaltenen Regelungen betreffen indes unterschiedliche Fallgestaltungen; auf eine Vorabprüfung durch die Strafvollstreckungskammer hat der Gesetzgeber nur bei Gefahr in Verzug verzichtet. Für die Differenzierungen lassen sich daher sachliche Erwägungen anführen. Im Übrigen ist eine nachträgliche Prüfung gemäß § 109 StVollzG auf Antrag des Betroffenen unabhängig von der angegriffenen Regelung statthaft.

c) Auch das Vorbringen des Antragstellers, Art. 15 Abs. 1 BayMRVG, der den Erlass und die Bekanntgabe der Hausordnungen durch die Maßregelvollzugseinrichtungen normiert, bleibe hinter Art. 184 BayStVollzG zurück und die Vermeidung des Wortes „Hausordnung“ in Art. 4 BayMRVG sei problematisch, bedarf der Auslegung.

Da nach Meinung des Antragstellers die Auslegung des Art. 4 BayMRVG durch das Personal „weitgehend unkritisch“ wäre, wenn nach Art. 15 BayMRVG ebenso wie nach Art. 184 BayStVollzG die Hausordnung der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfte und geregelt wäre, wie die Hausordnung bekannt zu machen ist, erstreckt sich die Popularklage insoweit auf Art. 15 BayMRVG. Demgegenüber wird weder Art. 4 BayMRVG als solcher angegriffen noch die konkrete Hausordnung, gegen die eine Popularklage im Übrigen schon deshalb nicht statthaft wäre, weil die Hausordnung keine Rechtsnorm darstellt.

Mit dem Vergleich der Regelungen des Art. 15 BayMRVG einerseits und des Art. 184 BayStVollzG andererseits rügt der Antragsteller eine Verletzung des Gleichheitssatzes beim Erlass und bei der Bekanntgabe der Hausordnungen. Art. 118 Abs. 1 BV verlangt jedoch keine schematische Gleichbehandlung, sondern lässt Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sind. Der Normgeber darf grundsätzlich nach seinem Ermessen entscheiden, in welcher Weise den Gesichtspunkten der Angemessenheit, Billigkeit und Zweckmäßigkeit Rechnung zu tragen ist. Nur wenn er die äußersten Grenzen dieses Ermessens überschreitet, wenn für die getroffene Regelung jeder sachlich einleuchtende Grund fehlt und sie deshalb mit dem Gedanken der Gerechtigkeit unverträglich ist, ist Art. 118 Abs. 1 BV verletzt (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 25.2.2013 VerfGHE 66, 6/17; vom 16.6.2015 BayVBl 2015, 707 Rn. 65). Die Darlegungen des Antragstellers lassen nicht erkennen, inwiefern der in Art. 15 Abs. 1 BayMRVG geregelte Erlass einer Hausordnung im Benehmen mit dem Bezirk oder von diesem mit dem Vollzug betrauten Unternehmen und die dort vorgesehene Bekanntgabe der Hausordnung in geeigneter Weise den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers überschreiten könnte.

d) Soweit der Antragssteller geltend macht, die Vorschrift des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 BayMRVG zur Gewährung von Vollzugslockerungen widerspreche Art. 2 Abs. 1 BayMRVG, ist die Popularklage bereits deshalb unzulässig, weil mit der Popularklage nur Verstöße gegen Grundrechtsnormen der Bayerischen Verfassung, nicht aber gegen andere Bestimmungen des einfachen Rechts gerügt werden können.

Im Übrigen fehlt es an einer substanziierten Grundrechtsrüge. Der Einwand des Antragstellers, die Freiheit dürfe nur so weit eingeschränkt werden, wie es der Unterbringungszweck erfordere, die Einschränkung könne also nicht von der geplanten Dauer der Freiheitsentziehung abhängen, sondern nur von der Gefährlichkeit für die Allgemeinheit, zeigt eine Verletzung der Grundrechte aus Art. 100 i. V. m Art. 101 oder aus Art. 118 Abs. 1 BV nicht auf.

Die Voraussetzungen des Anspruchs der im Maßregelvollzug untergebrachten Personen auf Vollzugslockerungen sind nicht in der angegriffenen Norm, sondern in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 BayMRVG geregelt; nach dessen Nr. 2 muss davon auszugehen sein, dass die untergebrachte Person die ihr eingeräumten Vollzugslockerungen nicht missbrauchen, insbesondere die Allgemeinheit nicht durch rechtswidrige Taten gefährden wird (LT-Drs. 17/4944 S. 41 f.). Der vom Antragsteller angesprochene Gesichtspunkt der Gefährdung der Allgemeinheit ist damit nicht Gegenstand des mit der Popularklage angegriffenen Art. 16 Abs. 1 Satz 2 BayMRVG. Diese Norm betrifft lediglich einen weiteren Aspekt, der bei der Entscheidung über die Gewährung von Vollzugslockerungen ebenfalls zu berücksichtigen ist. Sie hat vor allem die Fälle im Blick, in denen eine Entlassung der untergebrachten Person aufgrund gerichtlicher Erledigterklärung der Unterbringung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (§ 67 d StGB) absehbar ist. Hier kann eine erhöhte Notwendigkeit bestehen, die untergebrachte Person durch Lockerungen auf das Leben außerhalb des Maßregelvollzugs vorzubereiten (LT-Drs. 17/4944 S. 42).

Nach der ständigen Rechtsprechung der Verfassungsgerichte verpflichtet das Grundrecht der Menschenwürde in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlichen Strafens (Art. 100, 101 BV) den Staat, den Strafvollzug auf das Ziel auszurichten, dem Inhaftierten ein künftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen (VerfGH vom 12.5.2009 VerfGHE 62, 45/52; vom 9.8.2010 VerfGHE 63, 133/139; BVerfG vom 31.5.2006 BVerfGE 116, 69/85 f. m. w. N.). Im Hinblick auf dieses Resozialisierungsziel kommt der Möglichkeit der Gewährung von Vollzugslockerung besondere Bedeutung zu. Dies gilt auch für den Vollzug von Maßregeln, der nicht anders als der Strafvollzug im engeren Sinn auf das verfassungsrechtlich vorgegebene Ziel der sozialen Wiedereingliederung ausgerichtet sein muss (BVerfG vom 20.6.2012 - 2 BvR 865/11 - juris Rn. 15). Dem trägt Art. 16 Abs. 1 Satz 2 BayMRVG Rechnung.

Er schließt andererseits aber Lockerungen für Untergebrachte, deren Entlassung noch nicht absehbar ist, nicht aus. Auch einem langjährig Untergebrachten kann nicht jede Lockerung mit der Begründung versagt werden, eine konkrete Entlassungsperspektive stehe noch aus (BVerfG vom 20.6.2012 - 2 BvR 865/11 - juris Rn. 14 f.; vom 4.5.2015 - 2 BvR 1753/14 - juris Rn. 23 m. w. N.). Im Übrigen können Ausführungen aus wichtigen Gründen nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayMRVG zugelassen werden, obwohl die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 BayMRVG nicht erfüllt sind. Vor diesem Hintergrund lassen die Darlegungen des Antragstellers auch keine auf sachfremden Kriterien beruhende Ungleichbehandlung erkennen.

e) Soweit sich der Antragsteller gegen Art. 21 BayMRVG wendet, stellt er nicht die gesamte Vorschrift zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung. Nach ihrer Begründung beschränkt sich die Popularklage auf die in Art. 21 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BayMRVG enthaltene Regelung, nach der die Kosten von Ausführungen, die auf Wunsch der untergebrachten Person oder überwiegend in ihrem Interesse durchgeführt werden, die untergebrachte Person trägt.

Art. 21 BayMRVG ermöglicht nach der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 17/4944 S. 46) begleitete Ausführungen aus wichtigen Gründen und Vorführungen zu gerichtlichen Terminen „in Anlehnung“ an Art. 37 und 38 BayStVollzG. Auch die Gefangenen tragen nach Art. 37 Abs. 3 Satz 2 BayStVollzG grundsätzlich die Kosten einer Ausführung. Da die Regelung zur Kostentragung für Untergebrachte somit der für Strafgefangene entspricht, ist eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 118 Abs. 1 BV) insoweit nicht ersichtlich.

Art. 21 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BayMRVG haben zudem schon nicht den Regelungsgehalt, von dem der Antragsteller offenbar ausgeht. Zur Begründung seiner Rüge bringt er lediglich vor, in der Justizvollzugsanstalt Bayreuth seien Zahnbehandlungen innerhalb der Anstalt möglich, nicht aber in der Maßregelvollzugsanstalt, in der er untergebracht sei. Art. 21 Abs. 3 BayMRVG sagt jedoch nichts darüber aus, inwieweit innerhalb der Einrichtungen für den Maßregelvollzug eine ärztliche Behandlung anderer als psychischer Erkrankungen möglich ist. Nach Art. 7 Abs. 1 BayMRVG haben untergebrachte Personen Anspruch auf Gesundheitsuntersuchungen, medizinische Vorsorgeleistungen, Krankenbehandlung und Versorgung mit Hilfsmitteln nach Maßgabe der Art. 59 bis 61, 63 und 64 BayStVollzG. Kann die erforderliche Behandlungsmaßnahme in der Maßregelvollzugseinrichtung nicht durchgeführt werden, ist die untergebrachte Person nach Art. 7 Abs. 2 BayMRVG in eine andere Maßregelvollzugseinrichtung, in ein geeignetes Krankenhaus oder zu einem ambulanten Leistungserbringer außerhalb des Maßregelvollzugs zu verbringen. Nach der Antwort des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 3. Dezember 2015 auf eine Schriftliche Anfrage wird die allgemeinmedizinische Basisversorgung in jeder der Maßregelvollzugseinrichtungen auf unterschiedliche Weise fachärztlich unterstützt. Es werde u. a. auf Vertragsärzte zurückgegriffen, die zum Teil auch feste Sprechstunden in einzelnen Einrichtungen anböten (LT-Drs. 17/9350). Die vom Antragsteller angesprochenen Kosten, die gegebenenfalls durch medizinisch notwendige Ausführungen entstehen, gehören zu den Aufwendungen für die Behandlung und werden durch Art. 21 BayMRVG nicht erfasst.

f) Auch im Hinblick auf die Beanstandung des Art. 22 Abs. 2 Nr. 2 BayMRVG, wonach der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien zu den zulässigen Disziplinarmaßnahmen gehört, fehlt es an einer nachvollziehbaren Grundrechtsrüge. Der Antragsteller meint, das Verhältnis dieser Regelung zu Art. 11 Abs. 2 BayMRVG, der täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien vorsehe, sei unklar; darin liege möglicherweise ein Verstoß gegen das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit und der Freiheit der Person.

Zwar könnten sich verfassungsrechtliche Bedenken ergeben, wenn die angegriffene Vorschrift den Umfang des erlaubten Eingriffs nicht in einer dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechenden Weise festlegen würde (vgl. VerfGH vom 12.7.2013 VerfGHE 66, 125/135; BVerfG vom 12.11.2007 DVBl 2008, 38/39). Art. 22 Abs. 2 Nr. 2 BayMRVG setzt jedoch ausdrücklich die Wahrung der Regelung in Art. 11 Abs. 2 BayMRVG voraus; dass der dort vorgesehene Mindestaufenthalt im Freien gewährleistet werden muss, ist der angegriffenen Vorschrift eindeutig zu entnehmen. Das Vorbringen des Antragstellers lässt die von ihm angesprochene Grundrechtsverletzung daher nicht als möglich erscheinen.

g) Schließlich greift der Antragsteller mit seiner Popularklage Art. 26 BayMRVG an, der sich mit Fixierungen befasst. Unter Hinweis auf den Richtervorbehalt macht er geltend, auf richterliche Überprüfung könne nicht verzichtet werden. Regelungen zur gerichtlichen Überprüfung von Fixierungen enthält Art. 26 Abs. 3 BayMRVG in den Sätzen 2 bis 4. Aus den Darlegungen des Antragstellers ist durch Auslegung zu ermitteln, dass sich die Popularklage (nur) auf Art. 26 Abs. 3 Satz 4 BayMRVG erstreckt; sie ist insoweit jedoch nicht statthaft.

aa) Willigt die untergebrachte Person in die Fixierung nicht ein, legt die Maßregelvollzugseinrichtung nach Art. 26 Abs. 3 Satz 2 BayMRVG den Vorgang der Strafvollstreckungskammer zur gerichtlichen Entscheidung vor. Grundsätzlich ist mit dieser gerichtlichen Vorabprüfung dem Anliegen des Antragstellers Rechnung getragen.

bb) Allerdings kann gemäß Art. 26 Abs. 3 Satz 3 BayMRVG die Fixierung durchgeführt werden, bevor die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ergangen ist, wenn mit dem Aufschub der Maßnahme Gefahr verbunden ist. Von einem Angriff des Antragstellers auf diese Regelung ist ebenfalls nicht auszugehen; denn er räumt in der Begründung seiner Popularklage ein, es könne offenbar kein Gericht sofort entscheiden, wenn ein Gefangener über Nacht gefesselt werde. Jedenfalls hat er nicht nachvollziehbar dargelegt, inwiefern durch diese Rechtsvorschrift ein in der Bayerischen Verfassung gewährleistetes Grundrecht verfassungswidrig eingeschränkt wird.

cc) Letztendlich wendet sich der Antragsteller gegen Art. 26 Abs. 3 Satz 4 BayMRVG, der auf § 115 Abs. 3 StVollzG verweist. Hat sich die Fixierung vor der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer erledigt, spricht das Gericht demnach auf Antrag aus, dass die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. In diesem Zusammenhang beanstandet der Antragsteller, dass die untergebrachte Person ihr Feststellungsinteresse beweisen müsse.

Das gerichtliche Verfahren für den Straf- und Maßregelvollzug ist bundesrechtlich geregelt (§ 138 Abs. 3 i. V. m. §§ 109 ff. StVollzG). Art. 26 Abs. 3 Satz 4 BayMRVG verweist deklaratorisch auf die nach einer Erledigung der Fixierung geltende Verfahrensvorschrift des § 115 Abs. 3 StVollzG. Diese bundesrechtliche Regelung kann wegen ihres höheren Rangs nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung überprüft werden. Im Übrigen ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes vereinbar, die Rechtsschutzgewährung vom Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses abhängig zu machen. Dabei dürfen die Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse jedoch nicht in einer der Effektivität des Rechtsschutzes zuwiderlaufenden Weise überspannt werden. So ist ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Rechtslage unter anderem bei einer fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff anzunehmen (BVerfG vom 30.6.2015 - 2 BvR 1857/14, 2 BvR 2810/14 - juris Rn. 39).

V.

Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).

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Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung, 12. Sept. 2016 - Vf. 12-VII-15 zitiert 17 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


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Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

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(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden. (2) Über die Zuläss

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 109 Antrag auf gerichtliche Entscheidung


(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 115 Gerichtliche Entscheidung


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(1) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt richtet sich nach Landesrecht, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. § 51 Abs. 4 und 5 sowie § 75 Abs. 3 gelten entsprechend. (2) Für die Erhebung d

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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden.

(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Dient die vom Antragsteller begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches im Vollzug der Sicherungsverwahrung oder der ihr vorausgehenden Freiheitsstrafe, so ist dem Antragsteller für ein gerichtliches Verfahren von Amts wegen ein Rechtsanwalt beizuordnen, es sei denn, dass wegen der Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht geboten erscheint oder es ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen kann. Über die Bestellung und einen Widerruf entscheidet der Vorsitzende des nach § 110 zuständigen Gerichts.

Über den Antrag entscheidet die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat.

(1) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt richtet sich nach Landesrecht, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. § 51 Abs. 4 und 5 sowie § 75 Abs. 3 gelten entsprechend.

(2) Für die Erhebung der Kosten der Unterbringung gilt § 50 entsprechend mit der Maßgabe, dass in den Fällen des § 50 Abs. 1 Satz 2 an die Stelle erhaltener Bezüge die Verrichtung zugewiesener oder ermöglichter Arbeit tritt und in den Fällen des § 50 Abs. 1 Satz 4 dem Untergebrachten ein Betrag in der Höhe verbleiben muss, der dem Barbetrag entspricht, den ein in einer Einrichtung lebender und einen Teil der Kosten seines Aufenthalts selbst tragender Sozialhilfeempfänger zur persönlichen Verfügung erhält. Bei der Bewertung einer Beschäftigung als Arbeit sind die besonderen Verhältnisse des Maßregelvollzugs zu berücksichtigen. Zuständig für die Erhebung der Kosten ist die Vollstreckungsbehörde; die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung andere Zuständigkeiten begründen. Die Kosten werden als Justizverwaltungsabgabe erhoben.

(3) Für das gerichtliche Verfahren gelten die §§ 109 bis 121 entsprechend.

(4) Soweit nach den Vollzugsgesetzen eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder gerichtlichen Genehmigung bedarf, gelten die §§ 121a und 121b entsprechend.

Über den Antrag entscheidet die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat.

(1) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt richtet sich nach Landesrecht, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. § 51 Abs. 4 und 5 sowie § 75 Abs. 3 gelten entsprechend.

(2) Für die Erhebung der Kosten der Unterbringung gilt § 50 entsprechend mit der Maßgabe, dass in den Fällen des § 50 Abs. 1 Satz 2 an die Stelle erhaltener Bezüge die Verrichtung zugewiesener oder ermöglichter Arbeit tritt und in den Fällen des § 50 Abs. 1 Satz 4 dem Untergebrachten ein Betrag in der Höhe verbleiben muss, der dem Barbetrag entspricht, den ein in einer Einrichtung lebender und einen Teil der Kosten seines Aufenthalts selbst tragender Sozialhilfeempfänger zur persönlichen Verfügung erhält. Bei der Bewertung einer Beschäftigung als Arbeit sind die besonderen Verhältnisse des Maßregelvollzugs zu berücksichtigen. Zuständig für die Erhebung der Kosten ist die Vollstreckungsbehörde; die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung andere Zuständigkeiten begründen. Die Kosten werden als Justizverwaltungsabgabe erhoben.

(3) Für das gerichtliche Verfahren gelten die §§ 109 bis 121 entsprechend.

(4) Soweit nach den Vollzugsgesetzen eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder gerichtlichen Genehmigung bedarf, gelten die §§ 121a und 121b entsprechend.

(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Das Gericht kann von einer Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1a) Das Gericht kann anordnen, dass eine Anhörung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Gefangenen zeitgleich in Bild und Ton in die Vollzugsanstalt und das Sitzungszimmer übertragen wird. Eine Aufzeichnung findet nicht statt. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.

(2) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daß und wie die Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist.

(3) Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(4) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(5) Soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Das Gericht kann von einer Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1a) Das Gericht kann anordnen, dass eine Anhörung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Gefangenen zeitgleich in Bild und Ton in die Vollzugsanstalt und das Sitzungszimmer übertragen wird. Eine Aufzeichnung findet nicht statt. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.

(2) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daß und wie die Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist.

(3) Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(4) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(5) Soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden.

(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Dient die vom Antragsteller begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches im Vollzug der Sicherungsverwahrung oder der ihr vorausgehenden Freiheitsstrafe, so ist dem Antragsteller für ein gerichtliches Verfahren von Amts wegen ein Rechtsanwalt beizuordnen, es sei denn, dass wegen der Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht geboten erscheint oder es ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen kann. Über die Bestellung und einen Widerruf entscheidet der Vorsitzende des nach § 110 zuständigen Gerichts.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden.

(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Dient die vom Antragsteller begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches im Vollzug der Sicherungsverwahrung oder der ihr vorausgehenden Freiheitsstrafe, so ist dem Antragsteller für ein gerichtliches Verfahren von Amts wegen ein Rechtsanwalt beizuordnen, es sei denn, dass wegen der Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht geboten erscheint oder es ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen kann. Über die Bestellung und einen Widerruf entscheidet der Vorsitzende des nach § 110 zuständigen Gerichts.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden.

(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Dient die vom Antragsteller begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches im Vollzug der Sicherungsverwahrung oder der ihr vorausgehenden Freiheitsstrafe, so ist dem Antragsteller für ein gerichtliches Verfahren von Amts wegen ein Rechtsanwalt beizuordnen, es sei denn, dass wegen der Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht geboten erscheint oder es ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen kann. Über die Bestellung und einen Widerruf entscheidet der Vorsitzende des nach § 110 zuständigen Gerichts.

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 3. Dezember 2010 - 055 StVK 486/10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 10. März 2011 - 1 Vollz (Ws) 53/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen.

...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde des im Maßregelvollzug untergebrachten Beschwerdeführers betrifft die Versagung von Vollzugslockerungen.

I.

2

1. Der wegen sexuellen Kindesmissbrauchs seit 1999 gemäß § 63 StGB untergebrachte Beschwerdeführer beantragte bei der Klinik die Gewährung nicht näher bezeichneter Lockerungen, da er dem Leben in Freiheit nicht völlig entfremdet werden dürfe und angesichts der Dauer seiner Unterbringung sein Anspruch auf Lockerungen in den Vordergrund trete.

3

Die Klinik lehnte den Antrag ab. Der Beschwerdeführer habe zu Beginn seiner Unterbringung wenige Gespräche mit dem therapeutischen Personal geführt und darin zu verstehen gegeben, dass er sich im Maßregelvollzug nicht richtig untergebracht fühle. Sobald seiner Argumentation nicht gefolgt worden sei, habe er die Gespräche abgebrochen. Mit Ausnahme einer Begutachtung habe er an gutachterlichen Untersuchungen nicht teilgenommen. Seit 2004 bestehe kein therapeutischer Kontakt mehr. Er schlafe tagsüber, sei nachts aktiv und weiche Gesprächen mit dem therapeutischen Personal aus. Zum pflegerischen Personal halte er den organisatorisch notwendigen Kontakt aufrecht und habe in den vergangenen Jahren sporadisch einige Gespräche mit diesem geführt. Aufgrund dieses Verhaltens lasse sich die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers nicht einschätzen. Weil er aufgrund seiner Weigerung nicht behandelt worden sei, könne nur von einem Fortbestehen seiner Gefährlichkeit ausgegangen werden.

4

2. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen zurück. Angesichts des Vollzugsverhaltens des Beschwerdeführers fehle es an einem Therapiebündnis. Die Klinik könne aufgrund der Verweigerungshaltung des Beschwerdeführers nur von seiner Gefährlichkeit ausgehen. Die Entscheidung über die Gewährung von Lockerungen hänge unter anderem von einem Therapieerfolg ab, an dem es bislang fehle. Die Verweigerung von Lockerungen sei auch angemessen, überwiege doch der Schutz der Allgemeinheit das Interesse des Beschwerdeführers an Lockerungen. Der Beschwerdeführer könne das Behandlungsangebot der Klinik in Anspruch nehmen, um sich im Wege einer Therapie zu bewähren und bei Erfolg entsprechende Lockerungen zu erhalten.

5

3. Der Beschwerdeführer stellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 StVollzG), gerichtet auf Gewährung von Lockerungen unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids. Ein begleiteter Ausgang mit zwei Bediensteten, "hilfsweise sogar mit justizüblicher Fesselung", sei vertretbar. Die Klinik habe angesichts seiner inzwischen über elf Jahre andauernden Unterbringung durchaus die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers einschätzen können. Zudem sei nicht nachvollziehbar, wie der als gefährlich eingestufte Beschwerdeführer auf einer Therapiestation und nicht auf der Krisen- oder Zugangsstation untergebracht sein könne. Ohne Lockerungen, auf die der Beschwerdeführer angesichts der Dauer seiner Unterbringung einen Anspruch habe, werde er dem Leben in Freiheit völlig entfremdet. Die Vollzugseinrichtung dürfe sich nicht auf pauschale Wertungen oder den Hinweis auf eine Uneinschätzbarkeit des Untergebrachten beschränken.

6

Das Landgericht wies den Antrag zurück. Da sich der Beschwerdeführer, bei dem eine sonstige spezifische Persönlichkeitsstörung, eine Neigung zur Pädophilie und eine Störung durch Cannabinoide festgestellt worden seien, seit 2004 jeglicher Therapie entziehe, keinen Kontakt zum therapeutischen Personal halte, tagsüber schlafe und nur nachts aktiv sei, seien therapeutische Gespräche mit ihm seit sechs Jahren nicht mehr möglich. Zum pflegerischen Personal halte er nur einen organisatorisch notwendigen Kontakt. Vereinzelte Gespräche stellten sich als Monolog des Beschwerdeführers dar. Mangels Behandlung fehle es aktuell an erkennbaren Therapieerfolgen, weswegen sich eine verringerte Gefährlichkeit des Beschwerdeführers nicht beurteilen lasse. Lockerungen ließen sich nicht als weiteres Mittel zur Erzielung von Behandlungserfolgen einsetzen, da sie unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit vom Erreichen erster Erfolge im Behandlungsverlauf abhingen. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer über weitere Erkenntnismöglichkeiten verfüge, welche seine weitere Gefährlichkeit ausschlössen. Die Lockerungsversagung sei verhältnismäßig, da aufgrund der bislang unbehandelten Erkrankung des Beschwerdeführers auch weiterhin die Begehung von Straftaten im Sinne des Anlassdeliktes zu befürchten sei. Dem stehe nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer sich seit über zehn Jahren im Maßregelvollzug befinde. Denn die Dauer der Unterbringung allein könne ohne therapeutischen Fortschritt keine positive Entscheidung über die Lockerung begründen. Es sei zwar Ziel der Unterbringung, den Betroffenen zu resozialisieren; dies erfolge jedoch nicht durch "kalte" Erprobung im Wege der Gewährung von Lockerungen, sondern durch therapeutische Vorbereitung, Begleitung und Nachsorge. Soweit Untergebrachte keine Lockerungen erhalten könnten, hätten sie im Fall wichtiger Gründe einen Anspruch auf Ausführung durch die Vollzugsbehörde. Entsprechende Gründe habe der Beschwerdeführer aber nicht vorgetragen. Zudem sei insoweit das Vorschaltverfahren nicht durchgeführt worden.

7

4. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer Rechtsbeschwerde mit der Sach- und der Verfahrensrüge. Das Landgericht mache sich unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz die Ausführungen in der Stellungnahme der Klinik und im Widerspruchsbescheid zu eigen. Die vom Landgericht aufgeführten Persönlichkeitsstörungen lägen beim Beschwerdeführer nicht vor. Er gehe dem therapeutischen Personal auch nicht aus dem Weg. Die Behauptung, der Beschwerdeführer führe mit dem Personal nur sporadische und monologartige Gespräche, sei unzutreffend. Die Ablehnung von Lockerungen beruhe auf einer Verkennung des Resozialisierungsgebots. Das Landgericht habe nicht beachtet, dass die Gewährung von Lockerungen unabhängig davon geboten sein könne, ob der Untergebrachte Therapieangebote annimmt. Der Gutachter im Erkenntnisverfahren habe keine zu behandelnde Störung oder Erkrankung des Beschwerdeführers festgestellt, sondern dass die kriminelle Energie des Beschwerdeführers eher abnehme, weswegen eine Unterbringung des Beschwerdeführers nach § 63 StGB unverhältnismäßig sei. Der Beschwerdeführer sei nicht therapieresistent, sondern verweigere eine Therapie, weil er sicher wisse, dass er an keiner im Maßregelvollzug zu behandelnden Erkrankung oder Störung leide. Einem therapeutischen Konzept, das ihn befähigte, in Freiheit nicht erneut rückfällig zu werden, verweigere er sich nicht. Hierzu seien vielmehr die beantragten Vollzugslockerungen erforderlich.

8

Das Oberlandesgericht verwarf mit angegriffenem Beschluss die Rechtsbeschwerde mit Tenorbegründung und ergänzte, dass die Klinikleitung, soweit der Beschwerdeführer künftig nicht näher spezifizierte Lockerungen beantrage, auf eine Konkretisierung der Lockerungswünsche hinzuwirken haben dürfte, damit die gemäß § 18 Abs. 4 des nordrhein-westfälischen Maßregelvollzugsgesetzes (im Folgenden: MRVG NRW) erforderliche Prüfung erfolgen könne.

II.

9

1. Mit der fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und Art. 19 Abs. 2 GG und wiederholt sinngemäß die im fachgerichtlichen Verfahren vorgebrachten Beanstandungen. Ergänzend trägt er unter anderem vor, dass er aufgrund einer massiven körperlichen Behinderung selbst ohne Handfesselung außerstande sei, zu fliehen. Im Übrigen trage er keinen dahingehenden Wunsch in sich. Er sei bei mehreren ärztlichen Ausführungen - gemeint wohl: Ausführungen zu Arztterminen - an "unzähligen Personen (hier auch Kindern)" vorbeigeführt worden, ohne dass dies die Sicherheit der Allgemeinheit gefährdet habe. Er könne nicht einmal das Grab seiner Mutter besuchen. Die Rechtsbeschwerde sei entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts zulässig gewesen, um die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

10

2. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat dahingehend Stellung genommen, dass eine Gewährung von Vollzugslockerungen nicht möglich sei, weil es an jeglichem therapeutischen Kontakt zum Beschwerdeführer fehle und eine Risikoabschätzung im Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit daher nicht möglich sei. Wichtige Gründe im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 5 MRVG NRW seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch der mit einer Begleitung des Beschwerdeführers verbundene Sicherungsgrad rechtfertige nicht, bei der erforderlichen Abwägung der Rechte des Beschwerdeführers und der Rechte potentiell gefährdeter Personen von einem Überwiegen der Belange des Beschwerdeführers auszugehen.

B.

I.

11

Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung (§ 93c Abs. 1 BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (s. unter II. 1. und 2.). Nach diesen Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwerde in einem die Zuständigkeit der Kammer begründenden Sinn offensichtlich begründet.

II.

12

1. Der Beschluss des Landgerichts verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

13

a) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf das Ziel auszurichten, dem Inhaftierten ein zukünftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 116, 69 <85 f.> m.w.N.; stRspr). Besonders bei langjährig im Vollzug befindlichen Personen erfordert dies, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <277>; 98, 169 <200>; 109, 133 <150 f.>). Der Gesetzgeber hat dementsprechend im Strafvollzugsgesetz auch dem Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe ein Behandlungs- und Resozialisierungskonzept zugrundegelegt (BVerfGE 117, 71 <91>). Der Wiedereingliederung des Delinquenten dienen unter anderem die Vorschriften über Vollzugslockerungen (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 92).

14

Besonders bei langjährig Inhaftierten ist es geboten, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <277>; 98, 169 <200>; 109, 133 <150 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1133>; Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>, und vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 368/10 -, juris). Hierfür kommt der Möglichkeit, dem Gefangenen Lockerungen zu gewähren, besondere Bedeutung zu. Auch einem zu lebenslanger Haft Verurteilten kann daher nicht jegliche Lockerungsperspektive mit der Begründung versagt werden, eine konkrete Entlassungsperspektive stehe noch aus (vgl. BVerfGK 9, 231 <237>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>, und vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 368/10 -, juris). Der Erhaltung der Lebenstüchtigkeitdienen nicht nur Urlaub und Ausgänge, sondern - gerade bei Gefangenen, die die Voraussetzungen hierfür noch nicht erfüllen - auch Ausführungen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>, und vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris). Bei langjährig Inhaftierten kann daher, auch wenn eine konkrete Entlassungsperspektive sich noch nicht abzeichnet und weitergehenden Lockerungen eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr entgegensteht, zumindest die Gewährung von Lockerungen in Gestalt von Ausführungen geboten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, FS 2011, S. 252) und der damit verbundene personelle Aufwand hinzunehmen sein (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>, und vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 368/10 -, juris).

15

Für den Vollzug von Maßregeln, der nicht anders als der Strafvollzug im engeren Sinne auf das verfassungsrechtlich vorgegebene Ziel der sozialen Wiedereingliederungausgerichtet sein muss (vgl. BVerfGE 98, 169 <200 f.>; 109, 133 <151>; 128, 326 <377>), kann insoweit nichts anderes gelten. Dementsprechend sieht § 18 Abs. 1 Satz 3 MRVG NRW vor, dass Vollzugslockerungengrundsätzlich der Erreichung des Behandlungszwecksdienen; zu diesem gehört nach § 1 Abs. 1 Satz 1 MRVG NRW die Eingliederung des Untergebrachten in die Gemeinschaft.

16

b) Den daraus sich ergebenden Anforderungen an die gerichtliche Überprüfung der vollzugsbehördlichen Entscheidung wird der angegriffene Beschluss des Landgerichts nicht gerecht, soweit er die Versagung von Lockerungen uneingeschränkt, und damit auch hinsichtlich bloßer Ausführungen, als rechtmäßig bestätigt. Der Beschluss des Landgerichts verhält sich mit keinem Wort zu der Frage, weshalb die Lockerungsvoraussetzungen auch bei Ausführungen trotz der damit verbundenen und verbindbaren Sicherungsvorkehrungen nicht gegeben sein sollen.

17

Die bei einer Ausführung nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 MRVG NRW vorgesehene Begleitung des Untergebrachten (vgl. Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucks 12/3728, S. 39) dient gerade dem Zweck, einer von ihm ausgehenden Flucht- und Missbrauchsgefahr entgegenzuwirken, die bei fehlender Begleitung entstünde. Die allgemeine - nicht nach Lockerungsformen differenzierende - Feststellung einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr ist daher für sich genommen grundsätzlich ungeeignet, zu begründen, dass die angenommene Gefahr auch im Fall der Ausführung besteht (vgl. zu einer beantragten Ausführung unter Fesselung Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris). Zwar kann im Einzelfall - etwa wenn auf eine bereits zuvor erfolgte Entziehung des betreffenden Untergebrachten aus bestehender Bewachung verwiesen wird - ohne nähere Ausführungen auf der Hand liegen, dass die geltend gemachte Gefahr mit vertretbarem Bewachungsaufwand nicht auszuräumen ist. Die Annahme einer aus solchen Gründen bestehenden Flucht- oder Missbrauchsgefahr mag dann ohne weiteres auch auf den Fall der Ausführung in Begleitung von Bediensteten zu beziehen und geeignet sein, die Versagung von Lockerungen auch insoweit zu rechtfertigen. Ein derartiger Fall unwidersprechlicher, auf nähere Begründung nicht angewiesener Evidenz, dass die angenommene Flucht- und Missbrauchsgefahr auch durch die bei Ausführungen vorgesehene Bewachung nicht auszuschließen sein werde, lag hier jedoch nicht vor. Die von der Klinik für die Versagung jeglicher Lockerungen allein angeführten allgemeinen Gründe drängten eine entsprechende Schlussfolgerung nicht ansatzweise auf.

18

2. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

19

a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; stRspr). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 122, 248 <271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 117, 244 <268>; 122, 248 <271>; stRspr).

20

b) Nach diesem Maßstab ist der Beschluss des Oberlandesgerichts mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar.

21

§ 119 Abs. 3 StVollzG erlaubt es dem Strafsenat, von einer Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung abzusehen, wenn er die Beschwerde für unzulässig oder offensichtlich unbegründet erachtet. Da von dieser Möglichkeit, deren Einräumung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 50, 287 <289 f.>; 71, 122 <135>; 81, 97 <106>), im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht wurde, liegen über die Feststellung im Tenor des Beschlusses des Oberlandesgerichts, dass die in § 116 Abs. 1 StVollzG genannte Voraussetzung der Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde - Erforderlichkeit der Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung - nicht vorliege, Entscheidungsgründe, die das Bundesverfassungsgericht einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterziehen könnte, nicht vor. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Beschluss selbst sich verfassungsrechtlicher Prüfung entzöge oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Entscheidung bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten des Beschwerdeführers erhebliche Zweifel bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Februar 1993 - 2 BvR 251/93 -, juris; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. März 2008 - 2 BvR 378/05 -, juris; Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris, und vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 309/10 und 2 BvR 368/10 -, jeweils juris). Dies ist angesichts der offenkundigen inhaltlichen Abweichung des landgerichtlichen Beschlusses von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zur Bedeutung einer solchen Abweichung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde vgl. OLG Celle, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 1 Ws 288/06 (StrVollz) -, juris) hier der Fall.

22

3. Da die angegriffenen Entscheidungen auf dem festgestellten Verfassungsverstoßberuhen, sind sie nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

III.

23

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

Der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing vom 11. April 2014 - StVK 301/2013 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 23. Juni 2014 - 1 Ws 223/2014 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben, und die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde des strafgefangenen Beschwerdeführers betrifft die Versagung von Ausführungen.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer verbüßt seit August 1997 eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Straubing wegen zweifachen Mordes. Einen am 16. April 2013 gestellten Antrag auf Gewährung von Lockerungsmaßnahmen lehnte die Justizvollzugsanstalt mit Bescheid vom 2. Juli 2013 wegen bestehender Flucht- und Missbrauchsbefürchtungen ab. Der Gefangene habe ein brutales Gewaltverbrechen begangen, weshalb im Urteil die besondere Schwere der Schuld festgestellt worden sei. Die in den begangenen groben Gewaltdelikten zu Tage tretende Gewaltproblematik und bisher fehlende und noch zu erlernende adäquate Konfliktbewältigungsstrategien und Empathiefähigkeit führten zu einer positiven Gefährlichkeitsprognose, aufgrund derer vom Gefangenen weiterhin schwerwiegende Straftaten zu erwarten seien. Eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Einrichtung sei angezeigt. Der Anstaltspsychologe gehe bei dem Beschwerdeführer von einer "radikal ichzentrierte[n] Persönlichkeitsdisposition" aus, die "in Haft bis dato keine nennenswerte Modifikation erfahren hat", was daran deutlich werde, "dass der Gefangene es sich zum Lebenszweck gemacht zu haben scheint, mit Hingabe gegen hierorts vermeintlich erfahrenes Unrecht und Ungemach zu kämpfen". Eine stationär durchzuführende Sozialtherapie für Gewaltstraftäter sei "klar indiziert"; unerlässliche Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass der Gefangene baldmöglichst die Feststellung der Mindestverbüßungsdauer beantrage.

3

Zur Fluchtgefahr führte die Anstalt aus, dass der Beschwerdeführer - bei dem bislang wegen seiner fehlenden Einwilligung in das entsprechende Verfahren die Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer nicht erfolgt sei - voraussichtlich noch viele Jahre im Strafvollzug verbringen werde. Zudem sprächen das nicht beanstandungsfreie Vollzugsverhalten sowie die derzeit nicht vorhandenen tragfähigen sozialen Bindungen ebenfalls für Fluchtbefürchtungen.

4

Zwar könnten Ausführungen mit Bediensteten das Flucht- und Missbrauchsrisiko auf ein hinnehmbares Maß reduzieren. Eine Ausführung könne aber aus Ermessensgründen nicht gewährt werden. Wegen der erheblichen Risiken müsste sie durch mehrere Bedienstete durchgeführt werden, die dann für andere Betreuungsaufgaben in der Anstalt nicht mehr zur Verfügung stünden. Dem stünde lediglich ein minimaler Effekt im Hinblick auf die Behandlung gegenüber; im Wesentlichen würde dadurch "lediglich eine Abwechslung in der Alltagsroutine der Anstalt für den Gefangenen bewirkt". Wegen der notwendigen Sicherheitsvorkehrungen würde er weder seine Zuverlässigkeit unter Beweis stellen, noch zeigen können, dass er mit Freiräumen umgehen könne. Schließlich seien in die Abwägung auch generalpräventive Aspekte mit einzubeziehen. Die Ausführung eines untherapierten Gewalttäters, der auch am übrigen Behandlungsprogramm der Anstalt kaum Interesse zeige, könne möglicherweise negative Auswirkungen auf die Therapiemotivation anderer Gefangener haben, weil diese den ungünstigen Schluss ziehen könnten, dass auch ohne Durchführung einer Therapie Vollzugslockerungen erreicht werden könnten. Bei ihrer Entscheidung verkenne die Anstalt nicht, dass der Beschwerdeführer bereits seit 17 Jahren in Haft sei und ein Interesse an der Verringerung von möglichen Haftschäden habe.

5

2. a) Am 26. September 2013 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf "unverzügliche Einleitung von Vollzugslockerungen, namentlich Ausführung, alternativ Ausgang", den die Anstalt am 1. Oktober 2013 mündlich unter Hinweis auf ihren vorangegangenen Bescheid vom 2. Juli 2013 ablehnte. Die Sach- und Rechtslage habe sich seither nicht verändert.

6

b) Gegen diese Entscheidung stellte der Beschwerdeführer unter dem 1. Oktober 2013 Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Es entspreche nicht den Tatsachen, wenn die Anstalt davon ausgehe, dass sich die Sach- und Rechtslage seit dem Bescheid vom 2. Juli 2013 nicht geändert habe. Zwar habe er bereits zum damaligen Zeitpunkt unter Platzangst gelitten, dies aber erstmals in seinem Antrag vom 26. September 2013 vorgetragen. Insofern sei ein wichtiges Merkmal, das die Anstalt bei ihrer damaligen Entscheidung nicht berücksichtigt habe, hinzugetreten. Zudem seien Lockerungen nach einer Haftdauer von fast 18 Jahren nicht verfrüht, sollte Resozialisierung wirklich durchgeführt werden.

7

In ihrer Stellungnahme zum Antrag des Beschwerdeführers vom 1. Oktober 2013 verwies die Justizvollzugsanstalt wiederum auf ihren Bescheid vom 2. Juli 2013. Eine Änderung der Sach- und Rechtslage sei nicht eingetreten; eine Diagnose "Platzangst" sei bei dem Strafgefangenen zu keiner Zeit gestellt worden. Ein gegen den Bescheid vom 2. Juli 2013 gerichteter Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung sei als unzulässig verworfen worden. Ein nahezu gleichlautender Antrag auf Gewährung von Vollzugslockerungen vom 31. Juli 2013 sei am 6. August 2013 ebenfalls unter Hinweis auf den Bescheid vom 2. Juli 2013 zurückgewiesen worden. Da hier lediglich wiederholend auf den Bescheid vom 2. Juli 2013 hingewiesen worden sei, habe keine eigenständige anfechtbare Maßnahme im Sinne von § 109 StVollzG vorgelegen. Sie, die Justizvollzugsanstalt, gehe davon aus, dass es auch diesmal an einer Einzelfallmaßnahme fehle. Zudem sei ein Rechtsschutzbedürfnis nicht erkennbar; vielmehr lasse der Gefangene "durch seine wiederholte Antragstellung eindeutig rechtsmissbräuchliche Tendenzen erkennen".

8

Der Beschwerdeführer erwiderte, dass er in der Justizvollzugsanstalt Straubing nicht resozialisiert werde. Er warf der Anstalt zahlreiche Rechtsbrüche vor, wies darauf hin, dass sein Antrag vom 26. September 2013 eine völlig neue Tatsache - gemeint ist die Platzangst - beinhaltet habe, und betonte, dass "adäquates Handeln vonnöten sei", um seiner Platzangst und damit weiteren Haftschäden vorzubeugen.

9

Mit angegriffenem Beschluss vom 11. April 2014 wies das Landgericht den Antrag des Beschwerdeführers zurück. Der Antrag sei zwar entgegen der Auffassung der Justizvollzugsanstalt zulässig, aber unbegründet. Die vom Beschwerdeführer bereits wiederholt genannte Erkrankung an Platzangst lasse nicht erkennen, dass Lockerungen gewährt werden müssten. Die Anstalt habe sich mit den vom Beschwerdeführer angeführten Punkten auseinandergesetzt und diese im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung richtig gewichtet und ausreichend gewürdigt. In ihrer Stellungnahme habe die Justizvollzugsanstalt ausgeführt, dass eine Platzangst nicht diagnostiziert worden sei. Außerdem sei erklärt worden, dass vor der Aussage des zuständigen Beamten - gemeint ist die mündliche Ablehnung des Antrags am 1. Oktober 2013 -, es habe mit dem Bescheid vom 2. Juli 2013 sein Bewenden, der Vortrag des Beschwerdeführers, er benötige wegen seiner Platzangst Lockerungen, bekannt gewesen sei. Dieses lasse eindeutig erkennen, dass der neuerliche Vortrag des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Platzangst in den ablehnenden mündlichen Bescheid bei der Abwägung Einzug gefunden habe. Die gesamte Abwägung unter Einbeziehung der Abwägung aus dem Bescheid vom 2. Juli 2013 lasse keine Fehler erkennen.

10

c) Mit der Rechtsbeschwerde warf der Beschwerdeführer dem Landgericht die Missachtung zahlreicher, von ihm zitierter obergerichtlicher Entscheidungen, insbesondere auch zur Ausführung langjährig Inhaftierter, vor. Er habe sein "Platzangstproblem" erstmals in seinem Antrag vom 26. September 2013 geschildert; weder die Justizvollzugsanstalt noch das Landgericht seien auf dieses Problem eingegangen. Zwar lasse sich der Stellungnahme der Anstalt entnehmen, dass eine Diagnose Platzangst bei ihm zu keiner Zeit gestellt worden sei. Das bedeute allerdings nicht, dass sich ein Arzt oder Psychiater mit dem Problem zuvor gezielt auseinandergesetzt habe und zu einem positiven oder negativen Ergebnis gekommen sei. Vielmehr habe sich bisher niemand darum gekümmert, und die Anstalt habe sich zu keinem Zeitpunkt damit auseinandergesetzt. Damit habe sie einen eindeutigen Ermessensfehler begangen. Zudem verkenne das Gericht die zwingende Verpflichtung der Justizvollzugsanstalt aus dem Gegensteuerungsgrundsatz, schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken. Seitens der Anstalt gebe es keinerlei tatsächliche Gründe, ihm Lockerungen zu versagen. Eine konkrete Gefahr könne positiv bei ihm nicht ausgemacht werden.

11

Das Oberlandesgericht verwarf mit angegriffenem Beschluss vom 23. Juni 2014 die Rechtsbeschwerde als unzulässig. Ein dem Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 18. Juli 2001 (- Ws 765/01 -, juris) vergleichbarer Fall sei nicht gegeben.

12

d) Die gegen den Beschluss erhobene Anhörungsrüge wies das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2014 zurück.

II.

13

1. Mit der fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 in Verbindung mit Art. 1 GG, Art. 3, Art. 19, Art. 103 und Art. 104 GG.

14

Obwohl er nunmehr seit über 18 Jahren inhaftiert sei, gebe es von Seiten der Justizvollzugsanstalt keinerlei Bestrebungen, Lockerungen in absehbarer oder ferner Zukunft auch nur in Erwägung zu ziehen. Erschwerend komme hinzu, dass die Gewährung von Hafturlaub einer langanhaltenden, oft jahrelangen Lockerungsphase bedürfe, während derer zunächst Ausführungen in größeren zeitlichen Abständen durchgeführt würden. Da es ohne ausreichende Lockerungen keine günstige Sozialprognose gebe, werde zudem seitens der Anstalt die Möglichkeit einer Entlassung nach 15 Jahren erheblich erschwert. Sämtliche Anträge auf Vollzugslockerungen seien abgelehnt worden, zuletzt mit Bescheid vom 2. Juli 2013. Dieser habe sich aber gerade nicht mit seiner Platzangst befasst.

15

Haftschäden seien zu vermeiden. Seine Platzangst habe sich über die vielen Haftjahre langsam herausgebildet; sie sei nicht täglich präsent, trete aber in immer kürzeren Abständen auf (von einer Woche bis zu einem Monat). Er leide dann an Schlaflosigkeit, Schweißausbrüchen und Beklemmungen. Er sei sich "ziemlich sicher", dass Lockerungen, sei es auch nur in Form von Ausführungen, sein Platzangstproblem zumindest dämpfen würden. Das Landgericht habe diesbezüglich nichts ermittelt.

16

2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat zur Verfassungsbeschwerde dahingehend Stellung genommen, dass der Beschwerdeführer der Justizvollzugsanstalt am 31. Juli 2013 erstmals die Problematik seiner Platzangst mitgeteilt habe. Die Anstalt habe daraufhin beim Anstaltsarzt nachgefragt, ob diesbezüglich Erkenntnisse vorlägen, was dieser verneint habe. Als der Beschwerdeführer am 1. Oktober 2013 erneut einen Antrag auf Lockerungsgewährung gestellt habe und dabei wiederum darauf verwiesen habe, unter Platzangst zu leiden, habe die Anstalt den Vorgang erneut dem Anstaltsarzt zugeleitet. Dieser habe am 11. Oktober 2013 mitgeteilt, dass sich der Beschwerdeführer am 28. November 2012 einer Magnetresonanztherapie unterzogen habe. Im Befund finde sich kein Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer Probleme gehabt habe, die mit der Untersuchung verbundene räumliche Beengung und Fixierung seines Körpers zu tolerieren. Auch bei einer ausführlichen psychiatrischen Untersuchung am 22. November 2012 sei die Diagnose Platzangst nicht gestellt worden. Der zuständige Anstaltspsychologe habe am 15. Oktober 2013 ebenfalls mitgeteilt, dass hinsichtlich einer bestehenden Platzangst beim Beschwerdeführer keine Erkenntnisse vorlägen.

17

Die Justizvollzugsanstalt habe durch ihre Entscheidung vom 1. Oktober 2013 keine Rechte des Beschwerdeführers verletzt. Es handele sich bei der Entscheidung über Ausführung und Ausgang nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayStVollzG um eine Ermessensentscheidung. Die Anstalt habe bei ihrer Entscheidung vom 2. Juli 2013 die von Verfassungs wegen gebotene Gesamtwürdigung der für die Frage der Lockerungseignung erheblichen Umstände vorgenommen und auf diese bei ihrer Entscheidung vom 1. Oktober 2013 Bezug genommen. Es seien zahlreiche Aspekte, wie etwa die Art und Schwere des zugrundeliegenden Delikts, die vom Anstaltspsychologen gestellte Diagnose, die Verweigerungshaltung des Beschwerdeführers bezüglich einer therapeutischen Behandlung und generalpräventive Aspekte berücksichtigt worden. Es sei zudem ausdrücklich nicht verkannt worden, dass sich der Beschwerdeführer bereits seit 17 Jahren in Haft befinde und ein Interesse an der Verringerung möglicher Haftschäden habe. Die Anstalt habe zudem gesondert gewürdigt, warum der Antrag auch hinsichtlich einer Ausführung durch Bedienstete abzulehnen sei. Zudem sei der Vortrag des Beschwerdeführers zu seiner Platzangst berücksichtigt worden. Hierzu habe sie den Vorgang dem Anstaltsarzt zur Prüfung zugeleitet mit dem Ergebnis, dass ärztlicherseits die Diagnose Platzangst nicht habe bestätigt werden können. Spätestens durch die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt im gerichtlichen Verfahren habe der Beschwerdeführer auch gewusst, dass die Anstalt seinen diesbezüglichen Vortrag berücksichtigt habe. Selbst wenn ihm nicht vorab bereits mündlich mitgeteilt worden sei, dass sein Vortrag zur Platzangst in die Gesamtwürdigung miteinbezogen worden sei, sei ein daraus etwaig folgender Begründungsmangel jedenfalls durch die Stellungnahme der Anstalt vom 11. November 2013 geheilt worden. Es handele sich dabei nicht um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen, sondern lediglich um die zulässige nachträgliche Heilung eines formellen Begründungsfehlers.

18

3. Der Beschwerdeführer erwiderte auf die Stellungnahme, dass er die Magnetresonanztherapie durchführen lassen habe, weil er bereits wochenlang wegen eines Bandscheibenvorfalls unter starken Schmerzen gelitten und keine Alternative bestanden habe. Der Anstaltspsychologe habe zwar angegeben, dass keine Klaustrophobie vorliege, aber gleichzeitig geäußert, dass die Störungen des Beschwerdeführers von der langen Haft herrühren könnten.

19

4. Die Akten des fachgerichtlichen Verfahrens wurden beigezogen.

III.

20

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Nach diesen Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und in einem die Zuständigkeit der Kammer begründenden Sinn offensichtlich begründet.

21

1. Der angegriffene Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

22

a) aa) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf das Ziel auszurichten, dem Inhaftierten ein zukünftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 116, 69 <85 f.> m.w.N.; stRspr). Besonders bei langjährig im Vollzug befindlichen Personen erfordert dies, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <277>; 98, 169 <200>; 109, 133 <150 f.>; BVerfGK 17, 459 <462>; 19, 306 <315>; 20, 307 <312>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1133>). Die Gesetzgeber haben dementsprechend im Strafvollzugsgesetz ebenso wie im Bayerischen Strafvollzugsgesetz auch dem Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe ein Behandlungs- und Resozialisierungskonzept zugrunde gelegt (vgl. BVerfGE 117, 71 <91>). Der Wiedereingliederung des Delinquenten dienen unter anderem die Vorschriften über Vollzugslockerungen (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 92).

23

Auch einem zu lebenslanger Haft Verurteilten kann daher nicht jegliche Lockerungsperspektive mit der Begründung versagt werden, eine konkrete Entlassungsperspektive stehe noch aus (vgl. BVerfGK 9, 231 <237>; BVerfGK 17, 459 <462 f.>; 19, 306 <315>). Der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit dienen nicht nur Urlaub und Ausgänge, sondern - gerade bei Gefangenen, die die Voraussetzungen hierfür noch nicht erfüllen - auch Ausführungen (vgl. BVerfGK 17, 459 <462>; 19, 306 <315 f.>; 20, 307 <312>).

24

Bei langjährig Inhaftierten kann daher, auch wenn eine konkrete Entlassungsperspektive sich noch nicht abzeichnet und weitergehenden Lockerungen eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr entgegensteht, zumindest die Gewährung von Lockerungen in Gestalt von Ausführungen geboten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, juris, Rn. 3) und der damit verbundene personelle Aufwand hinzunehmen sein (vgl. BVerfGK 17, 459 <462 f.>; 19, 306 <316>; 20, 307 <313>).

25

bb) Sollen einem langjährig Inhaftierten selbst Ausführungen zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit versagt werden, so genügt zur Rechtfertigung nicht der bloße Verweis darauf, dass die Personallage der Vollzugsanstalt nichts anderes erlaube (vgl. BVerfGK 19, 157 <163 f.>; 20, 307 <313> m.w.N.). Grundrechte bestehen nicht nur nach Maßgabe dessen, was an Verwaltungseinrichtungen im konkreten Fall oder üblicherweise vorhanden ist (vgl. BVerfGE 15, 288 <296>; 34, 369 <380 f.>; 35, 307 <310>; BVerfGK 13, 163 <166> m.w.N.). Zwar können sich Grenzen für die Möglichkeit der Durchführung von Behandlungsmaßnahmen aus der räumlichen und personellen Ausstattung der Justizvollzugsanstalt ergeben (vgl. BVerfGE 42, 95 <100 f.>). Der Strafgefangene kann nicht verlangen, dass unbegrenzt personelle und sonstige Mittel aufgewendet werden, um Beschränkungen seiner grundrechtlichen Freiheiten zu vermeiden (vgl. BVerfGE 34, 369 <380 f.>; 34, 384 <402>; 35, 307 <310>; 42, 95 <100 f.>; BVerfGK 13, 163 <166>; 13, 487 <492>). Außerdem ist eine Vollzugsanstalt von Verfassungs wegen nicht gehalten, dem Strafgefangenen die Erreichung eines von ihm angestrebten Zieles auf einem Wege zu ermöglichen, der für sie außerordentliche Schwierigkeiten mit sich bringt und die Gewährleistung des Vollzugszweckes oder der Ordnung in der Anstalt ernsthaft in Frage stellt, wenn der Strafgefangene das gleiche Ziel ganz oder doch weitgehend auf einem ihm zumutbaren und für die Vollzugsanstalt mit wesentlich weniger Aufwand verbundenem Wege erreichen kann (vgl. BVerfGE 34, 369 <381>). Allerdings kann der Staat grundrechtliche und einfachgesetzliche Ansprüche Gefangener nicht nach Belieben dadurch verkürzen, dass er die Vollzugsanstalten nicht so ausstattet, wie es zur Wahrung der Rechte der Gefangenen erforderlich wäre. Vielmehr setzen die Grundrechte auch Maßstäbe für die notwendige Beschaffenheit staatlicher Einrichtungen. Es ist daher Sache des Staates, Vollzugsanstalten in der zur Wahrung der Grundrechte erforderlichen Weise auszustatten (vgl. BVerfGE 40, 276 <284>; 45, 187 <240>; BVerfGK 13, 163 <168 f.>; 13, 487 <492 f.> m.w.N.; BVerfGK 19, 157 <163>; 20, 107 <113>).

26

b) Die Gründe, mit denen das Landgericht die Versagung der vom Beschwerdeführer begehrten Ausführung gerechtfertigt hat, sind nach diesen Maßstäben nicht tragfähig. Dabei kann dahinstehen, ob das Problem der vom Beschwerdeführer behaupteten Klaustrophobie bei der Lockerungsentscheidung ausreichend berücksichtigt worden ist.

27

aa) Wenn das Gericht dem Beschwerdeführer entgegenhält, die gesamte von der Justizvollzugsanstalt vorgenommene Abwägung unter Einbeziehung der Abwägung aus dem Bescheid vom 2. Juli 2013 lasse keine Fehler erkennen, so misst es - wie zuvor schon die Vollzugsbehörde - den Interessen des Beschwerdeführers an einer Erhaltung seiner Lebenstüchtigkeit und der Vermeidung von Haftschäden kein hinreichendes Gewicht bei. Mit der Billigung der Ermessenserwägung der Justizvollzugsanstalt, eine Ausführung habe lediglich einen minimalen Effekt im Hinblick auf die Behandlung des Beschwerdeführers, im Wesentlichen werde dadurch lediglich eine Abwechslung von der Alltagsroutine der Anstalt für den Gefangenen bewirkt, verkennt das Gericht das hohe Gewicht, das dem Resozialisierungsinteresse des Beschwerdeführers nach mehr als 18jähriger Haftverbüßung zukommt. Die Gewährung von Lockerungen, auch der Ausführung, dient dem Zweck, die Lebenstüchtigkeit des Gefangenen zu erhalten und den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken, und nicht lediglich dazu, dem Inhaftierten eine Abwechslung in seiner Alltagsroutine zu verschaffen. Vollzugslockerungen machen es dem Gefangenen möglich, nach langem Freiheitsentzug wenigstens ansatzweise Orientierung für ein normales Leben zu suchen und zu finden. Je nach dem Erfolg dieser Orientierungssuche stellen sich die Lebensverhältnisse des Gefangenen günstiger oder ungünstiger dar (BVerfGK 17, 459 <462>). Dabei greift das Gebot, die Lebenstüchtigkeit des Gefangenen zu erhalten, nicht erst dann ein, wenn er bereits Anzeichen einer haftbedingten Depravation aufweist (BVerfGK 19, 157 <165>). Ferner hat das Interesse des Gefangenen, vor den schädlichen Folgen aus der langjährigen Inhaftierung bewahrt zu werden und seine Lebenstüchtigkeit im Falle der Entlassung aus der Haft zu behalten, um so höheres Gewicht, je länger die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bereits andauert (vgl. BVerfGE 64, 261 <272 f.>; 70, 297 <315>). Die von der Justizvollzugsanstalt vorgenommene Bewertung des Interesses des Beschwerdeführers an einer Ausführung trägt der Funktion von Ausführungen langjährig Inhaftierter nicht ausreichend Rechnung.

28

bb) Daneben verfehlt der angegriffene Beschluss die verfassungsrechtlichen Anforderungen auch dadurch, dass er sich mit den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgezeigten Grenzen der Möglichkeit, Versagungen durch Personalknappheit zu rechtfertigen, nicht auseinandersetzt. Der Grundsatz, dass bei langjährig Inhaftierten im Falle des Vorliegens von Flucht- oder Missbrauchsgefahr zumindest die Gewährung von Lockerungen in Gestalt von Ausführungen geboten sein kann, beinhaltet auch die Konsequenz, dass der damit verbundene personelle Aufwand hinzunehmen sein kann (s.o. unter 1.a)aa)). Zwar können sich Grenzen für die Möglichkeit der Durchführung von Behandlungsmaßnahmen auch aus der räumlichen und personellen Ausstattung der Anstalt ergeben (s.o. unter 1.a)bb)). Dies setzt jedoch zum einen die Feststellung des Vorliegens einer auch mit besonderem Einsatz nicht vermeidbaren Notsituation voraus und führt zum anderen auch in diesem Fall lediglich zur Rechtfertigung der ausnahmsweisen Versagung eines an sich bestehenden Anspruchs wegen entgegenstehender Rechte anderer Gefangener oder sonstiger Belange von vergleichbarem Gewicht (vgl. BVerfGK 13, 487 <493>; 19, 157 <164>). Es stünde im Widerspruch zu diesen Grundsätzen, wenn die Personallage und der Umstand, dass im Falle der Ausführung des Beschwerdeführers die verantwortlichen Beamten für andere Zwecke nicht zur Verfügung stünden, bereits zulässigerweise in der Ermessensentscheidung der Anstalt über das Ob der Ausführung Berücksichtigung finden dürften. Auch diesen Ermessensfehler hat das Landgericht in der angegriffenen Entscheidung unbeanstandet gelassen.

29

2. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

30

a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; stRspr). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 122, 248 <271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 117, 244 <268>; 122, 248 <271>; stRspr).

31

b) Nach diesem Maßstab ist der Beschluss des Oberlandesgerichts mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar.

32

§ 119 Abs. 3 StVollzG erlaubt es dem Strafsenat, von einer Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung abzusehen, wenn er die Beschwerde für unzulässig oder offensichtlich unbegründet erachtet. Da der Strafsenat von dieser Möglichkeit, deren Einräumung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 50, 287 <289 f.>; 71, 122 <135>; 81, 97 <106>), Gebrauch gemacht hat, liegen über die Feststellungen im Beschlusstenor hinaus Entscheidungsgründe, die das Bundesverfassungsgericht einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterziehen könnte, nicht vor. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Beschluss selbst sich verfassungsrechtlicher Prüfung entzöge oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Entscheidung bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten des Beschwerdeführers erhebliche Zweifel bestehen (vgl. BVerfGK 19, 157 <167>; 306 <317 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Februar 1993 - 2 BvR 251/93 -, juris; Beschluss der2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. März 2008 - 2 BvR 378/05 -, juris). Dies ist angesichts der offenkundigen inhaltlichen Abweichung des landgerichtlichen Beschlusses von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zur Bedeutungeiner solchen Abweichung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde vgl. OLG Celle, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 1 Ws 288/06 (StrVollz) -, juris) hier der Fall.

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3. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht eine dem Beschwerdeführer günstigere Entscheidung getroffen hätte, wenn es das Resozialisierungsinteresse des Beschwerdeführers hinreichend beachtet hätte.

IV.

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1. Die angegriffenen Entscheidungen sind nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben; die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.

35

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Das Gericht kann von einer Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1a) Das Gericht kann anordnen, dass eine Anhörung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Gefangenen zeitgleich in Bild und Ton in die Vollzugsanstalt und das Sitzungszimmer übertragen wird. Eine Aufzeichnung findet nicht statt. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.

(2) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daß und wie die Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist.

(3) Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(4) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(5) Soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.