Arbeitsgericht Wesel Urteil, 10. Juni 2015 - 3 Ca 1927/14

ECLI:ECLI:DE:ARBGWES:2015:0610.3CA1927.14.00
bei uns veröffentlicht am10.06.2015

Tenor

1.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.067,54 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.08.2012 zu zahlen.

2.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu einem Viertel und die Beklagte zu drei Vierteln.

4.Streitwert: 4.204,10 €

5.Die Berufung wird zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147

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(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit. (2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner sei

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(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. (2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsg

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Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. November 2012 - 22 Sa 1238/12 - teilweise aufgehoben.

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Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

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Tenor 1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 31. März 2010 - 3 Sa 379/09 - wird zurückgewiesen.

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(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,

1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,
2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder
3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.

(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.

(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.

(2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

46

I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. November 2012 - 22 Sa 1238/12 - teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Juni 2012 - 3 Ca 26/12 - teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.584,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. August 2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, Arbeitsvergütung, die er unter dem Druck von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erlangt hat, im Wege der Insolvenzanfechtung an die Masse zurückzugewähren.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 21. März 2011 beantragten und am 29. August 2011 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH (künftig: Schuldnerin). Der Beklagte war seit dem 14. März 2005 als Kraftfahrer/Bauwerker bei der Schuldnerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterfiel dem allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau). Es endete durch außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 1. Juli 2011. Der Beklagte erhielt Insolvenzgeld für die Zeit von April bis Juni 2011.

3

Die Schuldnerin erstellte zwar stets pünktlich Lohnabrechnungen, zahlte dem Beklagten aber seit Jahren den Lohn nur mit zeitlicher Verzögerung. In den letzten drei Jahren vor der Insolvenzeröffnung bestand stets ein Lohnrückstand von mindestens zwei bis drei Monaten, seit Mitte 2010 kam es zu Zahlungsverzögerungen von bis zu sechs Monaten. Der Beklagte schloss mit der Schuldnerin einen Vergleich über die Zahlung rückständiger Vergütung für die Monate November 2010 bis Februar 2011, dessen Inhalt das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) am 29. März 2011 feststellte. Am 26. Mai 2011 wurde der Schuldnerin wegen dieser titulierten Forderung ein vorläufiges Zahlungsverbot gemäß § 845 ZPO zugestellt. Darin wurde ua. mitgeteilt, dass die Pfändung bevorstehe. Zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt zahlte die Schuldnerin die Vergütung für November 2010, die nicht streitbefangen ist. Am 9. Juni 2011 überwies die Schuldnerin 3.584,52 Euro auf die Nettoentgeltansprüche des Beklagten für Dezember 2010 bis Februar 2011 an dessen Prozessbevollmächtigten, die der Kläger zur Masse zurückfordert.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der streitbefangene Betrag sei nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO zurückzugewähren. Die Bestimmungen der Insolvenzordnung zum Anfechtungsrecht seien nicht verfassungswidrig, sondern ihrerseits eine Ausformung des Sozialstaatsprinzips. Arbeitnehmer würden auch nicht gegenüber anderen Insolvenzgläubigern benachteiligt. Im Gegenteil seien sie durch das Insolvenzgeld besser als andere Gläubiger abgesichert. Der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch unterfalle keinen tariflichen Ausschlussfristen.

5

Der Kläger hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.584,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. August 2011 zu zahlen.

6

Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, die erlangte Deckung sei kongruent. Er habe nur bekommen, was ihm zugestanden habe. §§ 129 ff. InsO, insbesondere § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO, seien verfassungswidrig. Das Sozialstaatsprinzip und Art. 3 GG seien verletzt. Wirtschaftlich starke und rechtlich leistungsfähige Gläubiger würden gegenüber abhängig Beschäftigten sozial völlig unausgewogen bevorzugt. Unter Beachtung des Sozialstaatsgebots müsse der Gesetzgeber deshalb Arbeitnehmer aus der Anfechtung ausnehmen. Das gelte jedenfalls dann, wenn der Schuldner eine Abrechnung erstellt habe und der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung ohne Kenntnis der eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Insolvenz erbracht habe. Der Beklagte hat weiter die Auffassung vertreten, der Rückgewähranspruch sei verfallen.

7

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Sie haben angenommen, der Anspruch sei nach § 15 BRTV-Bau verfallen.

8

Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Rückgewähr des gezahlten Betrags zur Masse weiter. Der Beklagte rügt zur Begründung seines Begehrens, die Revision zurückzuweisen, über seine bisherigen Ausführungen zu der von ihm angenommenen Verfassungswidrigkeit der insolvenzanfechtungsrechtlichen Bestimmungen hinaus eine Verletzung seines Rechts aus Art. 14 Abs. 1 GG.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist bis auf einen geringen Teil des Zinsanspruchs begründet. Der Beklagte muss das für Dezember 2010 bis Februar 2011 von der Schuldnerin am 9. Juni 2011 gezahlte Nettoentgelt von 3.584,52 Euro gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 143 Abs. 1 InsO an die Masse zurückgewähren. Der Rückforderungsanspruch begegnet in der vorliegenden Konstellation keinen verfassungsrechtlichen Bedenken und unterfällt entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht der tariflichen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 2 BRTV-Bau.

10

I. Die Klage ist zulässig. Sie genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger begehrt den vom Beklagten durch Zahlung der Schuldnerin vom 9. Juni 2011 erlangten Betrag zurück. Wie sich dieser Betrag im Einzelnen auf die drei umfassten Entgeltzahlungsräume (Dezember 2010 bis einschließlich Februar 2011) verteilt, ist unerheblich.

11

II. Anfechtungsgegner ist der Beklagte. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 345/12 - Rn. 11). Das ist hier der Beklagte. Unerheblich ist dabei, dass die streitbefangene Zahlung an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten erfolgte. Hat der Schuldner in anfechtbarer Weise an einen vom Gläubiger mit dem Empfang der Leistung beauftragten Dritten geleistet, trifft die Rückgewährpflicht den Gläubiger und nicht den Empfangsbeauftragten (BGH 17. Dezember 2009 - IX ZR 16/09 - Rn. 12; 16. Juli 2009 - IX ZR 53/08 - Rn. 2).

12

III. Der Beklagte hat nach Stellung des Insolvenzantrags eine inkongruente Befriedigung erlangt. Damit ist der Tatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfüllt.

13

1. Das Landesarbeitsgericht hat die Zahlung vom 9. Juni 2011 zu Recht als inkongruente Deckung beurteilt.

14

a) Eine inkongruente Deckung im Sinne des Anfechtungsrechts liegt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, die mit dem gesetzgeberischen Willen im Einklang steht (BAG 31. August 2010 - 3 ABR 139/09 - Rn. 23), bereits dann vor, wenn der Schuldner während der „kritischen Zeit“ der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag oder in der Zeit nach Stellen des Insolvenzantrags unter dem Druck unmittelbar drohender Zwangsvollstreckung leistet, um diese zu vermeiden. Unerheblich ist, ob die Zwangsvollstreckung im verfahrensrechtlichen Sinne schon begonnen hatte, als die Leistung des Schuldners erfolgte. Die Inkongruenz wird durch den zumindest unmittelbar bevorstehenden hoheitlichen Zwang begründet (BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 24 f.; 19. Mai 2011 - 6 AZR 736/09 - Rn. 12; BGH 18. Dezember 2003 - IX ZR 199/02 - zu I 2 a aa der Gründe, BGHZ 157, 242). Ein die Inkongruenz begründender Druck einer unmittelbaren bevorstehenden Zwangsvollstreckung besteht allerdings noch nicht, wenn der Schuldner nach Zustellung eines Titels die titulierte Forderung erfüllt, ohne dass der Gläubiger die Zwangsvollstreckung zuvor eingeleitet oder angedroht hat (BGH 20. Januar 2011 - IX ZR 8/10 - Rn. 8).

15

b) Die Angriffe des Beklagten geben keinen Anlass, diese Rechtsprechung zu ändern. Seine Annahme, der Lohnanspruch sei zugleich ein Schadenersatzanspruch nach §§ 823, 826 BGB und unterliege deshalb keiner insolvenzrechtlichen Anfechtung, ist - unabhängig davon, dass die Tatbestandsvoraussetzungen eines solchen Schadenersatzanspruchs nicht substantiiert dargelegt sind - unzutreffend. Auch Schadenersatzansprüche können der Insolvenzanfechtung unterliegen (vgl. Henckel in Jaeger InsO § 131 Rn. 14). Der Beklagte missversteht § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO, wenn er annimmt, er könne einen Schadenersatzanspruch aus dem Rechtsgedanken dieser Vorschrift durchsetzen. Diese Vorschrift belässt einem vor Insolvenzeröffnung zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nur hinsichtlich der nach Insolvenzeröffnung entstehenden Unterhalts- und Schadenersatzforderungen aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung seine Wirkung. Vollstreckungsmaßnahmen von Unterhalts- und Deliktsgläubigern in den gemäß §§ 850d, 850f Abs. 2 ZPO erweitert pfändbaren Teil der Bezüge bleiben insoweit wirksam. Dieser Teil der Einkünfte gehört nicht zur Insolvenzmasse. Deshalb können die von § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO privilegierten Gläubiger auch weiterhin in diesen Teil der Einkünfte vollstrecken(BAG 17. September 2009 - 6 AZR 369/08 - Rn. 16 ff., BAGE 132, 125). Für die vorliegende Konstellation hat diese Vorschrift keine Bedeutung.

16

c) Die Schuldnerin hat die angefochtene Zahlung erst auf die am 26. Mai 2011 erwirkte Vorpfändung und damit offenkundig unter dem Druck der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung geleistet. Sie musste aufgrund des vom Beklagten erwirkten Zahlungsverbots damit rechnen, dass die Zwangsvollstreckung unmittelbar bevorstand, wenn sie die titulierte Forderung nicht erfüllte. Dies gilt umso mehr, als im Zahlungsverbot ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass die Pfändung bevorstehe. Zweck dieser Vollstreckungsankündigung war es auch aus der Sicht des Beklagten, die Schuldnerin durch die Androhung hoheitlichen Zwangs zur Zahlung zu veranlassen. Damit liegt keine freiwillige Zahlung, sondern eine Zahlung unter dem Druck der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor. Eine solche Zahlung ist nicht insolvenzfest.

17

2. Sowohl die Zustellung der Vorpfändung als auch die darauf beruhende Zahlung sind nach dem bereits am 21. März 2011 gestellten Insolvenzantrag erfolgt.

18

3. Weitere Tatbestandsvoraussetzungen hat § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht. Auf die Redlichkeit des Beklagten, auf die dieser sich beruft, kommt es deshalb nicht an.

19

IV. Die vom Beklagten erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken verfangen in der vorliegenden Konstellation nicht.

20

1. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.

21

a) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die §§ 129 ff. InsO im Allgemeinen und § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Besonderen überhaupt in den Schutzbereich dieses Grundrechts eingreifen. Zwar unterfallen diesem auch schuldrechtliche Forderungen (BVerfG 7. Dezember 2004 - 1 BvR 1804/03 - zu B II 1 a der Gründe, BVerfGE 112, 93). Auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung sind Forderungen der Gläubiger als private vermögenswerte Rechte von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt(BVerfG 23. Mai 2006 - 1 BvR 2530/04 - Rn. 34, BVerfGE 116, 1). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass bei einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung die Forderung wieder auflebt, wenn der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurückgewährt (§ 144 InsO). Zwar ist der wirtschaftliche Wert dieser Insolvenzforderung oft gering. Das Bundesverfassungsgericht hat einen Eingriff in den Schutzbereich jedoch nur bejaht, wenn die Forderung zwar rechtlich bestehen bleibt, aber ohne jeden wirtschaftlichen Wert ist. Dies hat es für den Ausschluss verspäteter Forderungen durch § 14 Abs. 1 Satz 1 GesO bejaht, weil der Gläubiger in diesem Fall seine Forderung in aller Regel noch nicht einmal mit der Quote des Gesamtvollstreckungsverfahrens durchsetzen könne(BVerfG 26. April 1995 - 1 BvL 19/94, 1 BvR 1454/94 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 92, 262). Die angefochtenen Forderungen nehmen jedoch als Insolvenzforderungen am Insolvenzverfahren weiter teil (vgl. § 144 Abs. 2 Satz 2 InsO) und sind damit nicht völlig ohne wirtschaftlichen Wert, sondern mit der Insolvenzquote zu befriedigen.

22

b) § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist jedenfalls eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iSv. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG(BAG 31. August 2010 - 3 ABR 139/09 - Rn. 27). Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den der Gesetzgeber auch bei einer Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums zu beachten hat, nicht verletzt.

23

aa) Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Prioritätsprinzip zu einer nicht zu rechtfertigenden Bevorzugung des oft nur zufällig schnelleren Gläubigers führt, wenn das haftende Vermögen nicht ausreicht, um alle Gläubiger zu befriedigen (Henckel in Jaeger InsO § 131 Rn. 50). Er hat sich dafür entschieden, im Dreimonatszeitraum des § 131 InsO und für die Zeit nach Stellen des Insolvenzantrags das Interesse eines einzelnen Gläubigers an der Durchsetzung seines Anspruchs gegenüber dem von der Insolvenzordnung verfolgten Ansatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zurücktreten zu lassen und seine staatlichen Zwangsmittel zur Sicherung und Befriedigung von Forderungen, die einer gleichberechtigten Gläubigerbefriedigung entgegenstehen, nur außerhalb der von § 131 InsO erfassten Zeiträume insolvenzfest zur Verfügung zu stellen (vgl. BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 345/12 - Rn. 81; 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 29). Ein Gläubiger kann und darf nach der Wertung des Gesetzgebers durch staatlichen Zwang oder Drohung mit einem solchen Zwang in der kritischen Zeit keine Priorität mehr gegenüber anderen Gläubigern erwirken (Henckel aaO Rn. 52).

24

bb) § 131 Abs. 1 InsO ist unter Beachtung des dem Gesetzgeber zukommenden Beurteilungsspielraums zur Erreichung dieses gesetzgeberischen Ziels geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinn. Dabei ist auch zu beachten, dass das Insolvenzverfahren auf den Schutz und die Durchsetzung verfassungsrechtlich geschützter privater Interessen zielt und damit seinerseits Teil der Gewährleistung des Eigentums durch Art. 14 Abs. 1 GG ist(vgl. BVerfG 23. Mai 2006 - 1 BvR 2530/04 - Rn. 34, BVerfGE 116, 1). § 131 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO bewirken entsprechend der Konzeption des Gesetzgebers eine qualifizierte Vorverlagerung des der Insolvenzordnung zugrunde liegenden Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 131 Rn. 3; vgl. für § 30 KO bereits BGH 9. September 1997 - IX ZR 14/97 -). Zudem werden mit der erleichterten Anfechtbarkeit von Sicherungen und Befriedigungen, die unter Einsatz von oder Drohung mit staatlichen Zwangsmitteln erlangt worden sind, Sondervorteile, die Gläubiger mit Vollstreckungsmöglichkeit erlangen können, beseitigt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es von Zufälligkeiten - beispielsweise im gerichtlichen Verfahren - abhängt, ob ein Gläubiger bereits einen vollstreckbaren Titel erlangen konnte oder nicht (BAG 31. August 2010 - 3 ABR 139/09 - Rn. 26).

25

cc) Entgegen der Auffassung des Beklagten gilt dies auch, soweit § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO keine subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen verlangt, sondern nur auf den zeitlichen Zusammenhang mit dem Insolvenzantrag abstellt und bei Erfüllung dieser Voraussetzungen die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners unwiderleglich vermutet. § 131 InsO soll bei bestimmten Handlungen, die den Verdacht begründen, dass der Schuldner ungerechtfertigte Prioritäten setzen wollte, eine erleichterte Anfechtung ermöglichen(vgl. Henckel in Jaeger InsO § 131 Rn. 52). Erfahrungsgemäß befindet sich der Schuldner regelmäßig schon geraume Zeit vor dem Eröffnungsantrag in einer schwierigen Lage (Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 131 InsO Rn. 31; Schoppmeyer in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 8 Rn. 132). Dem trägt § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Interesse der Rechtssicherheit Rechnung(Schoppmeyer aaO). Damit hat der Gesetzgeber seine Einschätzungsprärogative noch nicht überschritten.

26

dd) Schließlich verallgemeinert § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Wirkungen der Rückschlagsperre des § 88 InsO(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 131 Rn. 46). Die Vorschriften der Insolvenzanfechtung und die Rückschlagsperre ergänzen sich insoweit (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 32). Auch § 88 InsO verlagert für den von dieser Norm erfassten Bereich der Sicherung durch Zwangsvollstreckung den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung vor und dient wie das Insolvenzanfechtungsrecht dem Erhalt und der Vervollständigung der Masse(Gottwald/Gerhardt Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 33 Rn. 29; Jacobi KTS 2006, 239, 256).

27

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten verletzt § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO in seiner vom Gesetzgeber gebilligten Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung auch unter Berücksichtigung des durch Art. 20 Abs. 1 GG gewährleisteten Sozialstaatsprinzips den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht(im Ergebnis ebenso MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 131 Rn. 26a).

28

a) Der Beklagte meint, Arbeitnehmer würden durch die Insolvenzanfechtungsvorschriften strukturell benachteiligt, so dass der Gesetzgeber unter Beachtung des Sozialstaatsgebots wertebetont diesen Personenkreis aus der Anfechtung habe ausnehmen müssen.

29

b) Bereits die Tatsachengrundlagen dieser Behauptung sind vom Beklagten nicht nachvollziehbar dargelegt. Worauf er seine Behauptung stützt, Banken könnten in der Regel ca. 80 % ihrer Forderungen realisieren, hat er nicht angegeben. Auch die Behauptung, Sozialkassen und Fiskus könnten in einer früheren Phase ihre Forderungen insolvenzfest durchsetzen, weil sie sich selbst Vollstreckungstitel geben könnten, ist durch nichts belegt. Im Gegenteil zeigt eine Vielzahl höchstrichterlicher Entscheidungen, die gerade Sozialkassen und Fiskus zur Zurückzahlung verpflichten, dass diese Behauptung näheren Tatsachenvortrags bedürfte (vgl. aus jüngerer Zeit BGH 19. September 2013 - IX ZR 4/13 -; 14. Februar 2013 - IX ZR 115/12 -; 5. November 2009 - IX ZR 233/08 -). Zudem unterliegen Zahlungen des Schuldners an Fiskus und Sozialkassen häufig auch der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO, für die der vom Beklagten angenommene Zeitvorsprung dieser Anfechtungsgegner bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche keine Bedeutung hat.

30

c) Auch rechtlich verfangen die Bedenken des Beklagten nicht. Der Gesetzgeber hat seinem dem Sozialstaatsprinzip zu entnehmenden Auftrag, soziale Sicherungssysteme gegen die Wechselfälle des Lebens zu schaffen, für Fälle, in denen der Arbeitnehmer in der kritischen Zeit des § 131 InsO erhebliche Entgeltrückstände im Wege der Zwangsvollstreckung beitreibt, genügt.

31

aa) Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, in der Insolvenz alle Gläubiger unter Aufgabe aller bisherigen Konkursvorrechte gleichzubehandeln. Seine Annahme, trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs aus § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO seien für die Arbeitnehmer wegen der Möglichkeit, Insolvenzgeld in Anspruch zu nehmen, keine sozialen Härten zu erwarten, trifft zwar nicht uneingeschränkt zu (vgl. BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 345/12 - Rn. 28 ff.). In der vorliegenden Konstellation besteht aber kein Regelungsdefizit (im Ergebnis ebenso Froehner NZI 2014, 133, 134). Muss der Arbeitnehmer Entgeltzahlungen, die er unter dem Druck der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erhalten hat, zur Masse zurückgewähren, resultiert der vom Beklagten angenommene „strukturelle Nachteil“ nicht allein aus der Rechtslage. Er erwächst vor allem daraus, dass der Arbeitnehmer bestehende rechtliche und tatsächliche Handlungsmöglichkeiten nicht wahrnimmt, sondern in der Hoffnung, das rückständige Entgelt doch noch gezahlt zu bekommen, am Arbeitsverhältnis festhält. Bei Lohnrückständen, wie sie hier vorgelegen haben, kann der Arbeitnehmer fristlos kündigen, wie es der Beklagte, wenn auch erst am 1. Juli 2011, getan hat. Der gesetzlichen Regelung liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, der Arbeitnehmer werde im eigenen wirtschaftlichen Interesse von seinem Kündigungsrecht rechtzeitig Gebrauch machen, wenn der Arbeitgeber seine Hauptleistungspflicht in erheblichem Umfang verletzt hat. Der Arbeitnehmer kann dann Arbeitslosengeld beanspruchen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Dreimonatszeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Mit dieser Annahme hat der Gesetzgeber seine Einschätzungsprärogative noch nicht überschritten.

32

bb) Der Gesetzgeber durfte bei seiner Entscheidung, Erfüllungshandlungen des Schuldners, die durch den Druck unmittelbar bevorstehender Zwangsvollstreckung vom Gläubiger erzwungen worden sind, als inkongruente Deckungen anzusehen, die bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 131 InsO an die Masse zurückzugewähren sind, zudem die Ordnungsfunktion des Insolvenzanfechtungsrechts berücksichtigen(vgl. zu dieser Funktion BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 345/12 - Rn. 16; Gottwald/Uhlenbruck/Gundlach Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 15 Rn. 1).

33

cc) § 130 Abs. 1 Satz 2 InsO dokumentiert entgegen der Auffassung des Beklagten nicht eine „verfassungsrechtliche Schieflage“. Diese Vorschrift setzt die Finanzsicherheitenrichtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 (ABl. EG L 168 vom 27. Juni 2002 S. 43) um. Sie dient ua. der Stabilisierung des Finanzsystems der Europäischen Union und damit ebenfalls Gemeinwohlzwecken (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 1, 6; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 130 Rn. 5 f.).

34

d) Allerdings hat der Senat in seiner Entscheidung vom 29. Januar 2014 (- 6 AZR 345/12 - Rn. 17 ff.) erwogen, ob die §§ 129 ff. InsO verfassungskonform dahin auszulegen sind, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff des Insolvenzverwalters unterliegt und von diesem deshalb im Wege der Insolvenzanfechtung nicht im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden kann. Eine derartige verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO scheidet aber in Fällen der hier vorliegenden inkongruenten Deckung einer Erfüllung erheblicher Entgeltrückstände unter dem Druck der Zwangsvollstreckung aus. Bei solchen Entgeltrückständen können Arbeitnehmer die zur Absicherung des Existenzminimums vorgesehenen und geeigneten staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen (BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 345/12 - Rn. 43).

35

V. Der insolvenzrechtliche Rückforderungsanspruch des § 143 Abs. 1 InsO ist als gesetzliches Schuldverhältnis der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien entzogen und unterfällt deshalb den tariflichen Ausschlussfristen nicht(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 18 ff., zustimmend Hamann/Böing jurisPR-ArbR 7/2014 Anm. 1; Froehner NZI 2014, 133). Die Argumente des Beklagten geben keinen Anlass zu einer abweichenden Würdigung.

36

1. Aus der vom Beklagten angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Juni 2011 (- IX ZB 247/09 -) folgt nichts für die Frage der Anwendbarkeit tariflicher Ausschlussfristen. Der Bundesgerichtshof hat darin lediglich unter Berücksichtigung der Ausführungen des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auch für Fälle bejaht, in denen Arbeitsentgelt durch Zwangsvollstreckung erlangt worden und nach erfolgreicher Insolvenzanfechtung an die Masse zurückzuzahlen ist.

37

2. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung unterfallen im Unterschied zum insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch als Teil des arbeitsrechtlichen Schuldverhältnisses der tariflichen Regelungsmacht. Dies übersieht der Beklagte, wenn er geltend macht, es sei nicht ersichtlich, warum der Rückgewähranspruch nach § 143 Abs. 1 InsO anders zu behandeln sein solle als ein Rückgewähranspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung.

38

VI. Der Beklagte hat das erlangte Nettoentgelt an den Kläger zurückzugewähren. Insolvenzrechtlich wird nur die Rückgewähr dessen geschuldet, was aus dem Vermögen des Schuldners infolge der angefochtenen Handlung an den Arbeitnehmer geflossen ist. Damit hat der Arbeitnehmer grundsätzlich nur den erhaltenen Nettolohn zurückzuzahlen. Dies wird mittelbar durch die Begrenzung des Insolvenzgelds auf das Nettoentgelt bestätigt (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 258; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 143 Rn. 50). Hat der Schuldner die Gesamtsozialversicherungsbeiträge noch abgeführt, kann in der Insolvenz des Schuldners diese Zahlung auch wegen der Arbeitnehmeranteile als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstelle gegenüber dieser angefochten werden. Die Regelung des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV, wonach die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht gilt, steht dem nicht entgegen. Eine Anfechtung der Abführung des Arbeitnehmeranteils gegenüber dem Arbeitnehmer scheidet wegen des den Arbeitnehmer schützenden Zwecks des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV aus(vgl. die st. Rspr. des BGH seit Urteil vom 5. November 2009 - IX ZR 233/08 - Rn. 15, BGHZ 183, 86; zuletzt 7. April 2011 - IX ZR 118/10 - Rn. 3).

39

VII. Der Zinsanspruch folgt aus § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 291 Satz 1 Halbs. 2, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die eingeklagte Forderung ist ab dem 30. August 2011 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

40

§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO enthält eine Rechtsfolgenverweisung auf § 819 Abs. 1 BGB. Aufgrund dieser Anknüpfung ist der Rückgewähranspruch auf anfechtbar erlangtes Geld als rechtshängiger Anspruch zu behandeln, so dass die Regeln über Prozesszinsen anzuwenden sind. Unerheblich ist, dass der Kläger den Rückgewähranspruch erst im Oktober 2011 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht hat. Die Insolvenzanfechtung bedarf keiner gesonderten Erklärung. Der Rückgewähranspruch wird - von den Fällen des § 147 InsO abgesehen - mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig (BGH 1. Februar 2007 - IX ZR 96/04 - Rn. 14, 19 f., BGHZ 171, 38). Der Zinslauf beginnt allerdings nicht, wie beantragt, bereits am Tag der Insolvenzeröffnung, sondern erst am Folgetag und damit am 30. August 2011. Die Verzinsungspflicht beginnt nach § 187 Abs. 1 BGB erst mit dem Folgetag der Fälligkeit(vgl. BAG 17. September 2013 - 9 AZR 9/12 - Rn. 20).

41

VIII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    Oye    

                 

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

46

I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

46

I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

46

I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

(1) Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse. Die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850l, 851c, 851d, 899 bis 904, 905 Satz 1 und 3 sowie § 906 Absatz 2 bis 4 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Verfügungen des Schuldners über Guthaben, das nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wirkungen des Pfändungsschutzkontos nicht von der Pfändung erfasst wird, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht der Freigabe dieses Kontoguthabens durch den Insolvenzverwalter.

(2) Zur Insolvenzmasse gehören jedoch

1.
die Geschäftsbücher des Schuldners; gesetzliche Pflichten zur Aufbewahrung von Unterlagen bleiben unberührt;
2.
im Fall einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners die Sachen nach § 811 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b und Tiere nach § 811 Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe b der Zivilprozessordnung; hiervon ausgenommen sind Sachen, die für die Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit erforderlich sind, welche in der Erbringung persönlicher Leistungen besteht.

(3) Sachen, die zum gewöhnlichen Hausrat gehören und im Haushalt des Schuldners gebraucht werden, gehören nicht zur Insolvenzmasse, wenn ohne weiteres ersichtlich ist, daß durch ihre Verwertung nur ein Erlös erzielt werden würde, der zu dem Wert außer allem Verhältnis steht.

(4) Für Entscheidungen, ob ein Gegenstand nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Vorschriften der Zwangsvollstreckung unterliegt, ist das Insolvenzgericht zuständig. Anstelle eines Gläubigers ist der Insolvenzverwalter antragsberechtigt. Für das Eröffnungsverfahren gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen sofort in Besitz und Verwaltung zu nehmen.

(2) Der Verwalter kann auf Grund einer vollstreckbaren Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses die Herausgabe der Sachen, die sich im Gewahrsam des Schuldners befinden, im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen. § 766 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Vollstreckungsgerichts das Insolvenzgericht tritt.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

46

I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.

(2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie nicht anfechtbar.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

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I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

(1) Leistungen der Arbeitsförderung werden nur erbracht, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden sind. Zur Vermeidung unbilliger Härten kann die Agentur für Arbeit eine verspätete Antragstellung zulassen.

(2) Berufsausbildungsbeihilfe, Ausbildungsgeld und Arbeitslosengeld können auch nachträglich beantragt werden. Kurzarbeitergeld, die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge und Lehrgangskosten für die Bezieherinnen und Bezieher von Kurzarbeitergeld und ergänzende Leistungen nach § 102 sind nachträglich zu beantragen.

(3) Insolvenzgeld ist abweichend von Absatz 1 Satz 1 innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Wurde die Frist aus nicht selbst zu vertretenden Gründen versäumt, wird Insolvenzgeld geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt worden ist. Ein selbst zu vertretender Grund liegt vor, wenn sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung ihrer Ansprüche bemüht haben.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

46

I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 
28
cc) Aus den vorstehenden Erwägungen kann entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 29. Januar 2014 - 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628 Rn. 15 ff) auch ein etwaiges Existenzminimum des Arbeitnehmers nicht mittels einer beschränkenden Auslegung der §§ 129 ff InsO anfechtungsfrei gestellt werden.

(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

(2) Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 31. März 2010 - 3 Sa 379/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung von Arbeitsvergütung aufgrund einer Insolvenzanfechtung.

2

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in dem mit Beschluss des Amtsgerichts Hof - Insolvenzgericht - am 10. September 2007 (- IN 382/07 -) über das Vermögen der N e. K. (Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren. Dem Eröffnungsbeschluss liegt ein am 10. Juli 2007 von der A gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugrunde. Der Kläger war vom 3. November 2003 bis zum 15. Juni 2007 bei der Schuldnerin gegen eine monatliche Gesamtbruttovergütung iHv. zuletzt 4.361,08 Euro beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 3. November 2003 ist vereinbart, dass dem Kläger die handwerklich-technische Leitung des Betriebs in R obliegt und der Kläger als handwerklicher Betriebsleiter insbesondere den handwerklich-technischen Arbeitsablauf zu steuern, zu betreuen und zu überwachen hat und für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk verantwortlich ist.

3

Im Jahr 2006 geriet die Schuldnerin mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand. Sie zahlte die Vergütung für Januar 2006 am 27. März 2006, die Vergütung für Februar 2006 am 10. April 2006, die Vergütung für März 2006 am 25. April 2006, die Vergütung für April 2006 am 31. Mai 2006, die Vergütung für Mai 2006 am 30. Juni 2006, die Vergütung für Juni 2006 am 26. Juli 2006, die Vergütung für Juli 2006 am 4. September 2006, die Vergütung für August 2006 am 4. Oktober 2006, die Vergütung für September 2006 am 18. Oktober 2006, die Vergütung für Oktober 2006 am 24. November 2006, die Vergütung für November 2006 am 19. Dezember 2006 und die Vergütung für Dezember 2006 am 8. März 2007. Als im April 2007 ein Großteil der Arbeitnehmer der Schuldnerin die Vergütung für die Monate Januar bis März 2007 noch nicht erhalten hatte, kam es wegen der ausstehenden Lohn- und Gehaltszahlungen zu einer Betriebsversammlung. In dieser erklärte die Schuldnerin, dass Fördermittel beantragt worden seien, die Auszahlung der Fördermittel bevorstehe und dass im Falle der Bewilligung der Fördermittel alle Lohn- und Gehaltsrückstände auf einmal beglichen würden. Die Schuldnerin zahlte dem Kläger am 4. Mai 2007 Vergütung für Januar 2007 iHv. 900,00 Euro netto und am 7. Mai 2007 iHv. 310,12 Euro netto. Seine Vergütung für Februar 2007 iHv. 2.342,19 Euro netto erhielt der Kläger von der Schuldnerin ebenfalls am 7. Mai 2007. Am 10. Mai 2007 zahlte die Schuldnerin dem Kläger Vergütung für März 2007 iHv. 2.310,89 Euro netto. Der Beklagte focht mit Schreiben vom 1. Oktober 2007 die dem Kläger von der Schuldnerin am 4., 7. und 10. Mai 2007 geleisteten Gehaltszahlungen iHv. insgesamt 5.863,20 Euro netto an und forderte den Kläger zugleich ohne Erfolg auf, die erhaltenen Beträge zur Insolvenzmasse zurückzuerstatten.

4

Der Kläger ist der Ansicht, er habe der Insolvenzmasse die ihm im Mai 2007 von der Schuldnerin gezahlte Vergütung nicht zurückzugewähren. Die Schuldnerin sei zum Zeitpunkt der Zahlungen nicht zahlungsunfähig gewesen, jedenfalls habe er keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder von Umständen gehabt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hätten schließen lassen. An der Betriebsversammlung im April 2007 habe er wegen Urlaubs nicht teilgenommen. Im Übrigen würde seine Kenntnis von Lohn- und Gehaltsrückständen gegenüber einem Großteil der Arbeitnehmer der Schuldnerin eine Insolvenzanfechtung nicht rechtfertigen. Er habe weder Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin gehabt noch Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen. Der tägliche Arbeitsablauf im Mai 2007 habe keine Rückschlüsse auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zugelassen. Lieferanten der Schuldnerin, zB die Firmen B, Niederlassung Z, oder H, hätten bis Anfang/Mitte Juni 2007 Waren gegen Rechnung geliefert. Schließlich sei es auch in der Vergangenheit schon zu Verzögerungen bei der Lohn- und Gehaltszahlung gekommen, die rückständigen Löhne und Gehälter seien jedoch jeweils ordnungsgemäß nachbezahlt worden.

5

Der Kläger hat beantragt:

        

Es wird festgestellt, dass der Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von Arbeitsentgelt der Monate Januar 2007, Februar 2007 und März 2007 in Höhe von 5.863,20 Euro gegen den Kläger hat.

6

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, die Gehaltszahlungen der Schuldnerin an den Kläger im Mai 2007 seien anfechtbare Rechtshandlungen im Sinne der § 130 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO. Die Schuldnerin sei im Mai 2007 zahlungsunfähig gewesen. Die Kreditlinie der Schuldnerin bei der Sparkasse F sei nahezu ausgeschöpft gewesen. Auf der anderen Seite hätten Verbindlichkeiten der Schuldnerin aus Lieferung und Leistung sowie aufgrund rückständiger Lohn- und Gehaltszahlungen und nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge iHv. mehr als drei Millionen Euro bestanden. Der Kläger habe bei der Entgegennahme der Gehaltszahlungen im Mai 2007 gewusst, dass sich die Schuldnerin mit der Zahlung der Vergütung auch gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer mehrere Monate im Rückstand befunden habe. Aufgrund der Informationen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 habe der Kläger auch davon Kenntnis gehabt, dass mit Lohn- und Gehaltszahlungen der Schuldnerin nur im Falle der Gewährung von Fördermitteln habe gerechnet werden können. Über die Mitteilungen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 sei der Kläger trotz seines Urlaubs informiert gewesen. Der Kläger habe deshalb gewusst, dass die Schuldnerin ihre Arbeitnehmer frühestens Ende Mai 2007 wieder vergüten werde können, so dass es sich nicht um eine vorübergehende Zahlungsstockung von bis zu drei Wochen gehandelt habe. Auch die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO seien erfüllt. Der Kläger habe bei den Gehaltszahlungen im Mai 2007 Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, weil er zumindest gewusst habe, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gedroht und die Gehaltszahlung der Schuldnerin an ihn andere Gläubiger benachteiligt habe.

7

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der negativen Feststellungsklage des Klägers weiter. Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die Annahme der Vorinstanzen, der Kläger sei nicht gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO iVm. § 130 Abs. 1 InsO bzw. iVm. § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, 5.863,20 Euro zur Insolvenzmasse zurückzugewähren, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

9

I. Die Klage ist zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für die negative Feststellungsklage liegt vor. Zwischen den Parteien besteht Streit, ob der Kläger die im Mai 2007 von der Schuldnerin erhaltenen Gehaltszahlungen iHv. insgesamt 5.863,20 Euro netto zur Insolvenzmasse zurückzugewähren hat, wie dies der Beklagte in seinem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 1. Oktober 2007 verlangt hat. Die Entscheidung über die negative Feststellungsklage des Klägers ist geeignet, den Streit der Parteien über die Anfechtbarkeit der Gehaltszahlungen der Schuldnerin an den Kläger im Mai 2007 zu beenden.

10

II. Der Beklagte hat keinen Anspruch gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO iVm. § 130 Abs. 1 InsO auf Rückzahlung von 5.863,20 Euro zur Insolvenzmasse.

11

1. Die Regelungen in § 130 InsO gelten allerdings uneingeschränkt auch für Anfechtungsklagen eines Insolvenzverwalters bei Lohnzahlungen eines Arbeitgebers in der Krise. Zwar waren im Geltungsbereich der Konkursordnung rückständige Lohnansprüche aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO als Masseschulden vom Insolvenzverwalter voll zu befriedigen, so dass sich die Frage einer Anfechtung von Lohnzahlungen während dieses Zeitraums mangels einer Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich nicht stellte (Huber NJW 2009, 1928, 1929). Dieses Arbeitnehmerprivileg hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung mit Wirkung zum 1. Januar 1999 jedoch abgeschafft und Arbeitnehmer mit Ansprüchen wegen rückständiger Arbeitsvergütung bezüglich der Deckungsanfechtung ungesicherten Insolvenzgläubigern gleichgestellt. Die Deckungsanfechtung dient der Anreicherung der Insolvenzmasse (zu diesem Hauptziel der Insolvenzrechtsreform vgl. Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14) und fußt auf dem das Insolvenzrecht beherrschenden Grundsatz, dass im Insolvenzverfahren alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden sollen (par conditio creditorum, vgl. zum insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz BAG 19. Mai 2011 - 6 AZR 736/09 - ZIP 2011, 1628). Die gleiche Zugriffslage der Gläubiger soll dadurch sichergestellt werden, dass während der wirtschaftlichen Krise vorgenommene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden können. Allerdings soll auch der redliche Verkehr in seinem Vertrauen geschützt werden, dass vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Verfügungen des Schuldners Bestand haben (KPB/Schoppmeyer InsO Stand Mai 2011 § 130 Rn. 104; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Ein komplexer Rechts- und damit Wirtschaftsverkehr ist nicht zu gewährleisten, wenn die Teilnehmer letztlich auf gar nichts mehr vertrauen können und damit faktisch gezwungen werden, sogar jeden bereits erhaltenen Vermögensvorteil nochmals durch ein Sicherungsrecht oder durch ein - wie auch immer eingekleidetes - Vorrecht zu befestigen (Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14).

12

2. Der Kläger hat am 4., 7. und 10. Mai 2007 den Betrag iHv. insgesamt 5.863,20 Euro nicht durch anfechtbare Rechtshandlung im Sinne von § 130 Abs. 1 InsO erlangt.

13

a) Bei der Zahlung des Gehalts für Januar 2007 iHv. 900,00 Euro netto am 4. Mai 2007 und iHv. 310,12 Euro netto am 7. Mai 2007 handelt es sich allerdings nicht um ein Bargeschäft iSv. § 142 InsO, das nach dieser Bestimmung nur anfechtbar ist, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Auch soweit die Schuldnerin mit der Gehaltszahlung iHv. 2.342,19 Euro netto am 7. Mai 2007 Arbeitsleistungen des Klägers in der Zeit vom 1. bis zum 6. Februar 2007 vergütet hat, liegt kein Bargeschäft iSv. § 142 InsO vor. Die Zahlung der Schuldnerin iHv. 2.342,19 Euro netto ist dagegen nicht nach § 130 Abs. 1 InsO anfechtbar, soweit diese Zahlung der Vergütung vom Kläger in der Zeit vom 7. bis zum 28. Februar 2007 erbrachter Arbeitsleistungen diente. Auch die Zahlung des Gehalts für März 2007 iHv. 2.310,89 Euro netto am 10. Mai 2007 unterliegt als Bargeschäft iSv. § 142 InsO nicht der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO.

14

aa) Gemäß § 142 InsO ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Dem Erfordernis der Unmittelbarkeit entsprechen auch solche Geschäfte, bei denen der Schuldner in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner eine gleichwertige Gegenleistung erhält (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190; 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01 - WM 2006, 190; ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24). Einigkeit besteht, dass Leistung und Gegenleistung beim Bargeschäft nicht Zug um Zug erbracht werden müssen (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO; Leithaus in Andres/Leithaus InsO 2. Aufl. § 142 Rn. 4). Anerkannt ist auch, dass länger andauernde Vertragsbeziehungen nicht von vornherein als Bargeschäft ausscheiden, sondern auch Dienstleistungen Bargeschäfte sein können. Allerdings ist bei länger währenden Vertragsbeziehungen für die Annahme eines Bargeschäfts zu verlangen, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar sind und zeitnah ausgetauscht werden (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO). Wie lange der Charakter eines Bargeschäfts erhalten bleibt, lässt sich nicht allgemeingültig bestimmen, sondern ist nach der Verkehrsauffassung zu entscheiden (Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 142 Rn. 3). Ob eine Leistung von der Privilegierung des § 142 InsO erfasst wird, hängt wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und davon ab, in welcher Zeitspanne sich der Austausch nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs vollzieht(BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO; ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24).

15

bb) Unter welchen zeitlichen Voraussetzungen verspätete Entgeltzahlungen des Arbeitgebers noch Bargeschäfte im Sinne von § 142 InsO sind und damit der Privilegierung dieser Vorschrift unterliegen, ist im Schrifttum umstritten(vgl. Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). So soll ein Bargeschäft bereits dann ausgeschlossen sein, wenn die Vergütung nicht nur einige Tage verspätet (Zwanziger BB 2007, 42, 43) oder nicht einigermaßen pünktlich (Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1)gezahlt wird. Als zeitliche Grenze des Bargeschäftscharakters einer verspäteten Lohnzahlung werden auch Fristen von drei Wochen (Huber NJW 2009, 1928, 1929; Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1666; Wegener NZI 2009, 225), von ca. vier Wochen (Abele FA 2009, 133), von nicht mehr als 30 Tagen (Bichlmeier/Wroblewski Das Insolvenzhandbuch für die Praxis 3. Aufl. Teil 1 Rn. 52; Bork ZIP 2007, 2337, 2338 f.) und von nicht mehr als einem Kalendermonat (ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24) genannt.

16

cc) Die genannten Zeitspannen sind zu kurz bemessen. Die für die abschnittsweise Vergütung abschnittsweise erbrachter Leistungen entwickelten Grundsätze passen nicht für Arbeitsverhältnisse (Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). Bei verspäteten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers überzeugt für die Frage eines Bargeschäfts auch die Heranziehung der in § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB geregelten Verzugsfrist von 30 Tagen nicht(vgl. zur Anlehnung an diese Frist bei Zahlung der Anwaltsgebühr BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190 sowie Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 30 und 34).

17

(1) Wenn die Frage, ob eine Leistung von der Privilegierung des § 142 InsO erfasst wird, wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und davon abhängt, in welcher Zeitspanne sich der Austausch nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs vollzieht, spricht als rechtstatsächliches Argument für eine längere Frist bereits, dass in nicht wenigen Branchen eine verzögerte Zahlung der Vergütung schon fast die Regel ist und die nicht selten schlechte Zahlungsmoral der Auftraggeber und Schuldner von Arbeitgebern bewirkt, dass die verspäteten Eingänge von Forderungen auch zu verzögerten Lohn- und Gehaltszahlungen führen(vgl. Bandte FS Beuthien S. 401, 405). Dass im Falle einer Kreditgewährung ein Bargeschäft nicht in Betracht kommt, rechtfertigt zwar noch nicht den Umkehrschluss, ein Bargeschäft liege immer dann vor, wenn kein Kredit gewährt werde (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190). Jedoch sind nach der Verkehrsanschauung Entgeltzahlungen von Arbeitgebern für Arbeitsleistungen in den letzten drei Monaten, die Arbeitnehmer im Hinblick auf den in § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III festgesetzten Insolvenzgeldzeitraum zumeist als abgesichert anzusehen pflegen, nicht nur nicht Tilgung eines Kredits, sondern noch Leistungen im engen zeitlichen Zusammenhang mit der von den Arbeitnehmern erbrachten Gegenleistung.

18

(2) Hinzu kommt, dass im Arbeitsverhältnis Arbeit dauernd und nicht abschnittsweise geleistet wird und die Masse nicht nur von den erbrachten Arbeitsleistungen, sondern vor allem auch vom Fortbestand des Betriebs als funktionaler Einheit profitiert. Dazu ist erforderlich, dass die einzelnen Arbeitnehmer überhaupt „bei der Stange bleiben“ - und auch dies wird mit der Berichtigung von Lohnrückständen „erkauft“ (so zutreffend Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14; aA Wegener NZI 2009, 225, 226). Zwar trifft es zu, dass der Arbeitgeber nach § 614 Satz 2 BGB eine nach Zeitabschnitten bemessene Vergütung nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten hat, der Arbeitnehmer damit Vorleistungen zu erbringen hat und im Allgemeinen derjenige, der an den Schuldner Vorleistungen erbracht hat, wegen seines Anspruchs auf die Gegenleistung nur eine Insolvenzforderung hat(BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190). Allerdings bezweckt die Regelung in § 142 InsO, dem in der Krise befindlichen Schuldner eine weitere Teilnahme am Geschäftsverkehr zu ermöglichen, wenn dies die Gläubigergesamtheit nicht beeinträchtigt. Wenn aber § 142 InsO den Zweck erfüllen soll, dass der Schuldner auch in der Krise vorsichtig weiterwirtschaften kann, ist es in aller Regel erforderlich, dass der Betrieb des Arbeitgebers als funktionale Einheit fortbesteht und die Arbeitnehmer bereit sind, die ihnen obliegenden Arbeitsleistungen trotz des Zahlungsverzugs zu erbringen. Ein Unternehmen in der Krise, das die Unterstützung seiner Arbeitnehmer verliert, weil es sie in die Kündigung oder in die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts treibt, wird umso schneller am Ende sein, so dass die Perspektive einer sanierenden Insolvenz schon im Vorfeld der Antragstellung verloren ginge (Abele FA 2009, 133, 135). In der Regel ist die Mehrzahl der Arbeitnehmer trotz des Zahlungsverzugs des Arbeitgebers zur Weiterarbeit bereit, sofern sie ihre Entgeltansprüche als durch das Insolvenzgeld gesichert ansehen, das nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate gezahlt wird. Hätten Arbeitnehmer Entgeltzahlungen des Arbeitgebers für Arbeitsleistungen, die sie in den letzten drei Monaten erbracht haben, an die Insolvenzmasse zurückzugewähren, würde das der Regelung in § 142 InsO zugrunde liegende Ziel, dass der Schuldner in der Krise nicht praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen ist und seine Geschäfte fortführen kann(FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 142 Rn. 1), in aller Regel verfehlt.

19

b) Die Gehaltszahlungen der Schuldnerin am 4. und 7. Mai 2007 für die Zeit vom 1. Januar bis zum 6. Februar 2007 stellen kongruente Deckungen im Sinne von § 130 Abs. 1 InsO dar. Dem Kläger standen die gezahlten Beträge zu. Dieser erlangte die Zahlungen auch innerhalb der Krise. Die Zahlungen am 4. und 7. Mai 2007 erfolgten innerhalb der letzten drei Monate vor dem am 10. Juli 2007 von der A gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO).

20

c) Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Schuldnerin bei den Gehaltszahlungen an den Kläger im Mai 2007 zahlungsunfähig war. Es hat sich jedoch in vollem Umfang die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht. Dieses hat zu Gunsten des Beklagten unterstellt, dass die Schuldnerin zum Zeitpunkt der an den Kläger im Mai 2007 geleisteten Zahlungen zahlungsunfähig im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO gewesen ist. Davon ist deshalb auch im Revisionsverfahren auszugehen, zumal der Kläger die vom Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht unterstellte Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht mit Gegenrügen angegriffen hat und Umstände, die die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bereits im Mai 2007 in Frage stellen könnten, nicht ersichtlich sind.

21

d) Allerdings setzt die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung nach § 130 Abs. 1 InsO nicht nur voraus, dass der objektive Tatbestand dieser Bestimmung vorliegt und der Schuldner bei Vornahme der Deckungshandlung zahlungsunfähig war. Anfechtbar ist eine Rechtshandlung nach § 130 Abs. 1 InsO nur dann, wenn auch der subjektive Tatbestand dieser Bestimmung erfüllt ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO) oder bei einer nach dem Eröffnungsantrag vorgenommenen Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO) kannte.

22

aa) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe am 4. und 7. Mai 2007 keine positive Kenntnis im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

23

(1) Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Verhalten des Schuldners nach außen hervorgetreten ist, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - Rn. 11, ZInsO 2009, 2148). Die Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gilt auch im Rahmen des § 130 Abs. 1 InsO(BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - Rn. 13, BGHZ 180, 63; 20. November 2001 - IX ZR 48/01 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 149, 178; FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 38). Auf die Merkmale der „Dauer“ und der „Wesentlichkeit“ hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung bei der Umschreibung der Zahlungsunfähigkeit verzichtet (vgl. Gottwald/Uhlenbruck/Gundlach Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 6 Rn. 8). Nach der Gesetzesbegründung (Begr. zu § 20 Eröffnungsgrund und § 21 Zahlungsunfähigkeit RegE, BT-Drucks. 12/2443 S. 114) versteht es sich von selbst - und braucht deshalb nicht besonders zum Ausdruck gebracht zu werden -, dass eine vorübergehende Zahlungsstockung keine Zahlungsunfähigkeit begründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt eine Zahlungsunfähigkeit, die sich voraussichtlich innerhalb kurzer Zeit beheben lässt, lediglich als Zahlungsstockung (24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - BGHZ 163, 134). Der Zeitraum, innerhalb dessen die Zahlungsstockung beseitigt sein musste, andernfalls sie als Zahlungsunfähigkeit behandelt wurde, war unter der Geltung der Konkursordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung auf etwa einen Monat begrenzt worden (BGH 20. November 2001 - IX ZR 48/01 - BGHZ 149, 178). Da der Gesetzgeber der Insolvenzordnung diesen Zeitraum verkürzen wollte, kann eine Illiquidität nur noch dann als Zahlungsstockung angesehen werden, wenn sie den Zeitraum nicht überschreitet, den eine kreditwürdige Person zur Kreditbeschaffung benötigt (FK-InsO/Schmerbach 6. Aufl. § 17 Rn. 20 f.). Die Grenze liegt bei drei Wochen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Dies bedeutet freilich noch nicht, dass ein Schuldner generell bereits dann zahlungsunfähig ist, wenn er seine fälligen Verbindlichkeiten nicht binnen einer dreiwöchigen Frist zu 100 % erfüllen kann. Kann er innerhalb dieser Frist seine Verbindlichkeiten bis auf einen geringfügigen Rest bedienen, ist er nicht als zahlungsunfähig anzusehen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Eine nur geringfügige Liquiditätslücke liegt in der Regel dann nicht mehr vor, wenn innerhalb von drei Wochen 10 % oder mehr der fälligen Gesamtverbindlichkeiten nicht erfüllt werden können (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - ZInsO 2009, 2148). Allerdings erlaubt diese Quote für sich allein genommen noch keine abschließende Bewertung des wirtschaftlich komplexen Sachverhalts der Zahlungsunfähigkeit. Der prozentuale Schwellenwert hat die Bedeutung, dass sein Erreichen eine widerlegbare Vermutung für die Zahlungsunfähigkeit begründet. Liegt eine Unterdeckung von weniger als 10 % vor, genügt sie allein nicht zum Beleg der Zahlungsunfähigkeit. Wenn diese gleichwohl angenommen werden soll, müssen besondere Umstände vorliegen, die diesen Standpunkt stützen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Eine Zahlungseinstellung kann aber auch dann schon vorliegen, wenn der Schuldner noch einzelne beträchtliche Zahlungen erbringt, sofern daneben wesentliche fällige und eingeforderte Schulden unerfüllt bleiben (vgl. zur Zahlungseinstellung im Sinne von § 102 Abs. 2 KO BGH 10. Juli 2003 - IX ZR 89/02 - ZInsO 2003, 755).

24

(2) Kenntnis bedeutet für sicher gehaltenes, positives Wissen (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63; MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 33; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 24; zur positiven Kenntnis von der Zahlungseinstellung im Sinne von § 30 KO vgl. BGH 15. November 1990 - IX ZR 92/90 - WM 1991, 150). Der Gläubiger kennt die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung als komplexen Rechtsbegriff nur, wenn er selbst die Liquidität oder das Zahlungsverhalten des Schuldners wenigstens laienhaft so bewertet (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - aaO). Dieses positive Wissen muss bei der Vornahme der Rechtshandlung und damit grundsätzlich in dem Zeitpunkt vorhanden sein, in dem die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung eintreten (§ 140 Abs. 1 InsO). Dazu ist regelmäßig erforderlich, dass dem Gläubiger zum einen Informationen über den Gesamtbestand der gegen den Schuldner gerichteten, in den nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten und über die in dieser Zeit vorhandenen Geldmittel vorliegen. Zum anderen muss der Gläubiger aus diesen Informationen den Schluss ziehen, dass der Schuldner wesentliche Teile seiner in den nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten nicht wird tilgen können (KPB/Schoppmeyer InsO Stand Mai 2011 § 130 Rn. 110; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Die Kenntnis allein der einzelnen Tatsachen, die eine Zahlungsunfähigkeit begründen, genügt damit für sich nicht (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 33). Nicht ausreichend ist es auch im Einzelfall, wenn der Gläubiger nur die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens fürchtet oder Zweifel an der Kreditwürdigkeit des Schuldners hat (FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 44). Bei der Beurteilung, ob der Gläubiger über ausreichende Informationen über den Gesamtbestand der Verbindlichkeiten und über das vorhandene Vermögen verfügt, kann auch die Rechtsform des Unternehmens von Bedeutung sein, wobei die Unternehmensform des eingetragenen Kaufmanns den Überblick über die Liquiditäts- und Zahlungslage nicht erleichtern muss, sondern auch erschweren kann.

25

(3) Regelmäßig muss der Insolvenzverwalter nicht nur alle objektiven, sondern auch alle subjektiven Voraussetzungen der Deckungsanfechtung beweisen (BGH 12. Juli 2007 - IX ZR 210/04 - ZInsO 2007, 1046; MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 61). Dazu hat er substantiiert die im konkreten Einzelfall einschlägigen Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Eröffnungsantrag ergibt (FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 57; eingehend zum Beweisrecht bei Kongruenzanfechtung rückständiger Lohnzahlungen an Arbeitnehmer Huber FS Ganter S. 203, 204 ff.). Nur gegenüber einer dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestehenden Person im Sinne von § 138 InsO wird gemäß § 130 Abs. 2 InsO vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

26

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, der Beklagte habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen eine positive Kenntnis des Klägers von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bei den Gehaltszahlungen am 4. und 7. Mai 2007 abgeleitet werden könnte. Der Beklagte rügt zwar, das Landesarbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft eine Kenntnis des Klägers von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin verneint. Er hat jedoch auch im Revisionsverfahren nicht dargetan, aufgrund welcher Umstände oder Indizien sicheres Wissen des Klägers zur Liquiditätslage der Schuldnerin im Zeitpunkt der Gehaltszahlungen am 4. und 7. Mai 2007 anzunehmen ist. Der Hinweis des Beklagten auf die Kenntnis des Klägers von den Lohn- und Gehaltsrückständen und die Mitteilungen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 ist dazu unzureichend. Aufgrund der Auskünfte der Schuldnerin mussten ihre Arbeitnehmer zwar damit rechnen, dass ihre Lohn- und Gehaltsansprüche frühestens Ende Mai 2007 und damit nicht innerhalb von drei Wochen erfüllt werden. Jedoch ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht daraus noch keinen Gesamtüberblick der Arbeitnehmer der Schuldnerin über die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens abgeleitet hat.

27

e) Allerdings steht nach § 130 Abs. 2 InsO der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen(Vermutungstatsachen). Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe keine Kenntnis von solchen Tatsachen gehabt, ist jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten nicht rechtsfehlerhaft.

28

aa) § 130 Abs. 2 InsO bezweckt eine Beweiserleichterung für den Insolvenzverwalter(Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Der Rechtsanwendungsvorteil des Insolvenzverwalters besteht darin, dass die Vermutung des § 130 Abs. 2 InsO unwiderleglich ist(Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 130 Rn. 23). Die Vorschrift lässt jedoch die grob fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit nicht genügen (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63). Der Gesetzgeber hat den Begriff der grob fahrlässigen Unkenntnis bewusst vermieden, um Rechtssicherheit zu erzeugen (Bandte FS Beuthien S. 401, 404). Der Begriff der grob fahrlässigen Unkenntnis in § 145 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Regierungsentwurfs einer Insolvenzordnung wurde gestrichen und durch die neue Formulierung in § 145 Abs. 2 der Beschlussempfehlung ersetzt(Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages zum Entwurf einer Insolvenzordnung, BT-Drucks. 12/7302 S. 173 zu § 145 Abs. 1 und 2). Vorausgesetzt wird demgemäß, dass der Insolvenzgläubiger die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Erforderlich ist auch hier positive Kenntnis. Der Tatbestand des § 130 Abs. 2 InsO ist nur dann erfüllt, wenn der Anfechtungsgegner - gleichgültig aus welchen Quellen - die tatsächlichen Umstände positiv kennt, aus denen die Zahlungsunfähigkeit objektiv folgt(MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 34). Ob aufgrund dieser Kenntnis von Umständen der Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag zwingend war, ist eine Rechtsfrage. Der Einwand, er habe den Schluss nicht gezogen, hilft dem Anfechtungsgegner deshalb nicht weiter, wenn ein redlich und vernünftig Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der festgestellten Umstände sich der Einsicht nicht hätte verschließen können, dass der Schuldner tatsächlich zahlungsunfähig oder ein Eröffnungsantrag gestellt war (vgl. BGH 15. Oktober 2009 - IX ZR 201/08 - ZInsO 2009, 2244; 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 29; Huber FS Ganter S. 203, 208). Maßgebend ist nicht der individuelle Schuldvorwurf, sondern der individuelle Wissensstand (Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1670).

29

bb) § 130 Abs. 2 InsO spricht von der Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, ohne die Tatsachen, deren Kenntnis die Vermutung auslösen kann, näher zu beschreiben oder Beispiele für Indizien zu nennen, aus denen regelmäßig auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag geschlossen werden kann. Wann derartige Umstände gegeben sind, lässt sich generell auch nur schwer umschreiben (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 34).

30

(1) Im Schrifttum (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 37 ff.; Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 130 Rn. 20 und 23; FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 41; Ries/Doebert ZInsO 2009, 2367, 2370) werden als Anhaltspunkte und Beweisanzeichen für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von Vermutungstatsachen ua. genannt: Die Kenntnis des Anwachsens von Rückständen, die Kenntnis der Nichteinhaltung von Zahlungszusagen, insbesondere vom Schuldner selbst vorgeschlagener Ratenzahlungen, die Kenntnis des Rückstands mit fälligen Sozialversicherungsbeiträgen, die Kenntnis des erneuten Entstehens von Rückständen nach vorheriger (teilweiser) Befriedigung des Gläubigers, die Kenntnis der Nichtzahlung oder der schleppenden Zahlung von Löhnen und Gehältern, die Kenntnis der Häufung von Klagen und Zwangsvollstreckungen, die Kenntnis der verstärkten Inanspruchnahme von Bürgen des Schuldners, Informationen durch den Schuldner, zB bei Betriebsversammlungen, sowie Presseberichte über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens des Schuldners. Eine mit kurzfristigen Engpässen begründete bloße Stundungsbitte des Schuldners reicht dagegen allein regelmäßig nicht als Zurechnungsgrundlage aus (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 39).

31

(2) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. September 2010 (- GmS-OGB 1/09 - BGHZ 187, 105), wonach für die Klage des Insolvenzverwalters gegen einen Arbeitnehmer des Schuldners auf Rückgewähr vom Schuldner geleisteter Vergütung nach § 143 Abs. 1 InsO der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben ist, hat der Bundesgerichtshof(19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63) angenommen, dass die Kenntnis des Arbeitnehmers, dem der Arbeitgeber in der Krise noch Zahlungen auf rückständige Lohnforderungen erbringt, dass der Arbeitgeber außerdem noch anderen Arbeitnehmern Lohn schuldig ist, allein nicht den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung des Arbeitgebers rechtfertigt. Sei der Gläubiger ein Arbeitnehmer des Schuldners ohne Einblick in die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens, also ein Arbeitnehmer ohne „Insiderkenntnisse“, treffe ihn keine Erkundigungspflicht. An diesen Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 15. Oktober 2009 (- IX ZR 201/08 - Rn. 1, ZInsO 2009, 2244), die die Anfechtung von Entgeltzahlungen desselben Schuldners an einen anderen Arbeitnehmer betraf, festgehalten. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung hervorgehoben, dass jener Arbeitnehmer in seiner Funktion als Bauleiter in der Informationshierarchie nicht auf unterster Ebene gestanden sei, und hat die Würdigung der Vorinstanz nicht beanstandet, die bezüglich der positiven Kenntnis des Beklagten von Vermutungstatsachen maßgeblich auf die zeitliche Dauer und Höhe der eigenen Lohnrückstände, die erheblichen Lohnrückstände bei anderen Arbeitnehmern sowie die Kenntnis des Beklagten von den ökonomischen und wirtschaftlichen Hintergründen des Unternehmens aufgrund seiner langjährigen Stellung als Bauleiter abgestellt hatte.

32

(3) Die Stellung oder Funktion des Arbeitnehmers im Unternehmen des Schuldners ist bei der Beurteilung, ob der Arbeitnehmer positive Kenntnis von Vermutungstatsachen hatte, allerdings nicht per se maßgebend (vgl. Abele FA 2009, 133, 135; Schulz Anm. DZWIR 2009, 256, 257; kritisch wohl auch Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1674; aA Dahl NJW-Spezial 2010, 661, 662). Es trifft zwar zu, dass Arbeitnehmer in herausgehobenen Funktionen in aller Regel eher in der Lage sind, sich über die Liquiditätsgesamtlage des Schuldners zu informieren, als Arbeitnehmer auf unteren Ebenen oder dass sie aufgrund ihrer leitenden Stellung eher um die Situation des Unternehmens wissen (vgl. Bork ZIP 2007, 2337, 2338). Auch mögen Arbeitnehmer, die in der Finanzbuchhaltung tätig sind oder Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrnehmen, häufig über „Insiderkenntnisse“ verfügen (Huber NJW 2009, 1928, 1931). Wenn § 130 Abs. 2 InsO anordnet, dass die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags gleichsteht, schließt dies jedoch nicht die Vermutung ein, dass Arbeitnehmer in herausgehobenen Funktionen oder Arbeitnehmer, die im kaufmännischen Bereich oder in der Finanzbuchhaltung tätig sind, positive Kenntnis von Umständen haben, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Der Unterschied zwischen der nach § 130 Abs. 1 InsO und der nach § 130 Abs. 2 InsO erforderlichen positiven Kenntnis liegt nur im Bezugspunkt. Bei letztgenannter Vorschrift geht es um die Feststellung der positiven Kenntnis der (tatbestandsfremden) Vermutungstatsachen, von denen dann der Schluss auf die Haupttatsache gesetzlich vermutet wird (Huber FS Ganter S. 203, 208). Auch bei Arbeitnehmern ohne herausgehobene Funktion kommt eine positive Kenntnis von Vermutungstatsachen in Betracht, wenn sie zB als Sekretärin oder Chauffeur des Schuldners Umstände erfahren, die zwingend auf dessen Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (Abele FA 2009, 133, 135; vgl. dazu auch Ries/Doebert ZInsO 2009, 2367, 2369). Da § 130 Abs. 2 InsO seinem eindeutigen Wortlaut nach auf die Kenntnis von Umständen und gerade nicht auf die (grob) fahrlässige Unkenntnis von Umständen abstellt, trifft Arbeitnehmer unabhängig davon, ob sie Einblick in die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens haben, keine Erkundigungspflicht. Ein Verstoß gegen eine Erkundigungspflicht könnte zudem keine positive Kenntnis, sondern nur eine schuldhafte Unkenntnis von Vermutungstatsachen begründen (vgl. Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1; Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1669). § 130 Abs. 2 InsO ändert nichts daran, dass der Insolvenzverwalter dem Anfechtungsgegner eingehende Kenntnis über die seinerzeitige Vermögenslage des Schuldners nachweisen muss und damit beweisen muss, dass dem Anfechtungsgegner alle für die Erstellung einer Liquiditätsprognose erforderlichen Informationen über Bestand und Entwicklung der Verbindlichkeiten und kurzfristig verwertbaren Aktiva vorlagen(Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1).

33

cc) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Beklagten dieser Nachweis nicht gelungen ist.

34

(1) Es hat zunächst in Übereinstimmung mit den vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 19. Februar 2009 (- IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63) aufgestellten Grundsätzen angenommen, dass der Kläger am 4. und 7. Mai 2007 die zeitliche Dauer und Höhe der eigenen Gehaltsrückstände gekannt und gewusst hat, dass die Schuldnerin auch gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer seit mehreren Monaten mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand geraten ist, habe noch kein eindeutiges Urteil über die Liquiditäts- und Zahlungslage der Schuldnerin zugelassen, weil für den Kläger nicht erkennbar gewesen sei, welchen Anteil die Lohn- und Gehaltsrückstände an den insgesamt fälligen und eingeforderten Geldschulden hatten. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal das Landesarbeitsgericht berücksichtigen durfte, dass der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte und keine Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen hat. Deshalb hilft dem Beklagten auch seine Rüge nicht weiter, das Landesarbeitsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch verletzt, dass es über seine Behauptung, der Kläger sei über die Lohn- und Gehaltsrückstände informiert gewesen, nicht den von ihm angebotenen Zeugenbeweis erhoben habe.

35

(2) Gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass der Schuldnerin bis Anfang/Mitte Juni 2007 Material noch auf Rechnung geliefert worden ist, richtet sich kein Angriff der Revision. Wenn das Landesarbeitsgericht aus der Materialversorgung der Schuldnerin gegen Rechnung während der Krise abgeleitet hat, dass der Kläger nicht annehmen musste, die Schuldnerin sei zahlungsunfähig, ist diese tatrichterliche Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit das Landesarbeitsgericht durch Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts angenommen hat, die Informationen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007, insbesondere ihr Hinweis auf Fördermittel, hätten nicht zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen lassen.

36

III. Entgegen der Ansicht des Beklagten überschreitet auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Anfechtungsvoraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO seien nicht erfüllt, nicht die Grenzen der tatrichterlichen Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO und ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

37

1. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird diese Kenntnis vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Der Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hinweisen(BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - ZInsO 2009, 2148). Dass der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Insolvenzgläubiger benachteiligte, also ihre Befriedigung beeinträchtigte, hat der Insolvenzverwalter zu beweisen (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 133 Rn. 4 und 22). Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen(vgl. zur tatrichterlichen Verantwortung bei der Beantwortung der Frage nach der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der gläubigerbenachteiligenden Wirkung der angefochtenen Rechtshandlung Ganter WM 2009, 1441, 1445 f.). Insoweit können die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung, bei denen es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt, regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden (vgl. Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1667). Zu beachten ist, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - Rn. 8, ZInsO 2009, 2148). Die Beurteilung, ob die Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit nachgewiesen ist, unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung des Tatrichters (so zutreffend Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). Die allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze bezüglich der Beweislast und der freien Beweiswürdigung gelten auch im insolvenzrechtlichen Anfechtungsprozess (eingehend zum Beweisrecht bei Kongruenzanfechtung rückständiger Lohnzahlungen an Arbeitnehmer Huber FS Ganter S. 203, 204 ff.).

38

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, wonach der Kläger bei den Gehaltszahlungen am 4., 7. und 10. Mai 2007 keine Kenntnis von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hatte und auch nicht wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin drohte und die Gehaltszahlungen die anderen Gläubiger benachteiligten, lässt Rechtsfehler bei der Überzeugungsbildung des Landesarbeitsgerichts nicht erkennen. Die Bewertung, dass die Kenntnis des Klägers von der zeitlichen Dauer und Höhe der eigenen Gehaltsrückstände und seine Kenntnis von Gehalts- und Lohnrückständen gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer kein ausreichendes Indiz dafür ist, dass der Kläger die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder Umstände kannte, die zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hingewiesen haben, ist nicht zu beanstanden, zumal der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte und bis Anfang/Mitte Juni 2007 der Schuldnerin Material noch auf Rechnung geliefert worden ist.

39

IV. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Lorenz    

                 

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

(1) Ist der Schuldner eine natürliche Person, so sind nahestehende Personen:

1.
der Ehegatte des Schuldners, auch wenn die Ehe erst nach der Rechtshandlung geschlossen oder im letzten Jahr vor der Handlung aufgelöst worden ist;
1a.
der Lebenspartner des Schuldners, auch wenn die Lebenspartnerschaft erst nach der Rechtshandlung eingegangen oder im letzten Jahr vor der Handlung aufgelöst worden ist;
2.
Verwandte des Schuldners oder des in Nummer 1 bezeichneten Ehegatten oder des in Nummer 1a bezeichneten Lebenspartners in auf- und absteigender Linie und voll- und halbbürtige Geschwister des Schuldners oder des in Nummer 1 bezeichneten Ehegatten oder des in Nummer 1a bezeichneten Lebenspartners sowie die Ehegatten oder Lebenspartner dieser Personen;
3.
Personen, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner leben oder im letzten Jahr vor der Handlung in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner gelebt haben sowie Personen, die sich auf Grund einer dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner über dessen wirtschaftliche Verhältnisse unterrichten können;
4.
eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, wenn der Schuldner oder eine der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen Mitglied des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans, persönlich haftender Gesellschafter oder zu mehr als einem Viertel an deren Kapital beteiligt ist oder auf Grund einer vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung die Möglichkeit hat, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu unterrichten.

(2) Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so sind nahestehende Personen:

1.
die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und persönlich haftende Gesellschafter des Schuldners sowie Personen, die zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind;
2.
eine Person oder eine Gesellschaft, die auf Grund einer vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner die Möglichkeit haben, sich über dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu unterrichten;
3.
eine Person, die zu einer der in Nummer 1 oder 2 bezeichneten Personen in einer in Absatz 1 bezeichneten persönlichen Verbindung steht; dies gilt nicht, soweit die in Nummer 1 oder 2 bezeichneten Personen kraft Gesetzes in den Angelegenheiten des Schuldners zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

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I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 31. März 2010 - 3 Sa 379/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung von Arbeitsvergütung aufgrund einer Insolvenzanfechtung.

2

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in dem mit Beschluss des Amtsgerichts Hof - Insolvenzgericht - am 10. September 2007 (- IN 382/07 -) über das Vermögen der N e. K. (Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren. Dem Eröffnungsbeschluss liegt ein am 10. Juli 2007 von der A gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugrunde. Der Kläger war vom 3. November 2003 bis zum 15. Juni 2007 bei der Schuldnerin gegen eine monatliche Gesamtbruttovergütung iHv. zuletzt 4.361,08 Euro beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 3. November 2003 ist vereinbart, dass dem Kläger die handwerklich-technische Leitung des Betriebs in R obliegt und der Kläger als handwerklicher Betriebsleiter insbesondere den handwerklich-technischen Arbeitsablauf zu steuern, zu betreuen und zu überwachen hat und für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk verantwortlich ist.

3

Im Jahr 2006 geriet die Schuldnerin mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand. Sie zahlte die Vergütung für Januar 2006 am 27. März 2006, die Vergütung für Februar 2006 am 10. April 2006, die Vergütung für März 2006 am 25. April 2006, die Vergütung für April 2006 am 31. Mai 2006, die Vergütung für Mai 2006 am 30. Juni 2006, die Vergütung für Juni 2006 am 26. Juli 2006, die Vergütung für Juli 2006 am 4. September 2006, die Vergütung für August 2006 am 4. Oktober 2006, die Vergütung für September 2006 am 18. Oktober 2006, die Vergütung für Oktober 2006 am 24. November 2006, die Vergütung für November 2006 am 19. Dezember 2006 und die Vergütung für Dezember 2006 am 8. März 2007. Als im April 2007 ein Großteil der Arbeitnehmer der Schuldnerin die Vergütung für die Monate Januar bis März 2007 noch nicht erhalten hatte, kam es wegen der ausstehenden Lohn- und Gehaltszahlungen zu einer Betriebsversammlung. In dieser erklärte die Schuldnerin, dass Fördermittel beantragt worden seien, die Auszahlung der Fördermittel bevorstehe und dass im Falle der Bewilligung der Fördermittel alle Lohn- und Gehaltsrückstände auf einmal beglichen würden. Die Schuldnerin zahlte dem Kläger am 4. Mai 2007 Vergütung für Januar 2007 iHv. 900,00 Euro netto und am 7. Mai 2007 iHv. 310,12 Euro netto. Seine Vergütung für Februar 2007 iHv. 2.342,19 Euro netto erhielt der Kläger von der Schuldnerin ebenfalls am 7. Mai 2007. Am 10. Mai 2007 zahlte die Schuldnerin dem Kläger Vergütung für März 2007 iHv. 2.310,89 Euro netto. Der Beklagte focht mit Schreiben vom 1. Oktober 2007 die dem Kläger von der Schuldnerin am 4., 7. und 10. Mai 2007 geleisteten Gehaltszahlungen iHv. insgesamt 5.863,20 Euro netto an und forderte den Kläger zugleich ohne Erfolg auf, die erhaltenen Beträge zur Insolvenzmasse zurückzuerstatten.

4

Der Kläger ist der Ansicht, er habe der Insolvenzmasse die ihm im Mai 2007 von der Schuldnerin gezahlte Vergütung nicht zurückzugewähren. Die Schuldnerin sei zum Zeitpunkt der Zahlungen nicht zahlungsunfähig gewesen, jedenfalls habe er keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder von Umständen gehabt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hätten schließen lassen. An der Betriebsversammlung im April 2007 habe er wegen Urlaubs nicht teilgenommen. Im Übrigen würde seine Kenntnis von Lohn- und Gehaltsrückständen gegenüber einem Großteil der Arbeitnehmer der Schuldnerin eine Insolvenzanfechtung nicht rechtfertigen. Er habe weder Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin gehabt noch Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen. Der tägliche Arbeitsablauf im Mai 2007 habe keine Rückschlüsse auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zugelassen. Lieferanten der Schuldnerin, zB die Firmen B, Niederlassung Z, oder H, hätten bis Anfang/Mitte Juni 2007 Waren gegen Rechnung geliefert. Schließlich sei es auch in der Vergangenheit schon zu Verzögerungen bei der Lohn- und Gehaltszahlung gekommen, die rückständigen Löhne und Gehälter seien jedoch jeweils ordnungsgemäß nachbezahlt worden.

5

Der Kläger hat beantragt:

        

Es wird festgestellt, dass der Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von Arbeitsentgelt der Monate Januar 2007, Februar 2007 und März 2007 in Höhe von 5.863,20 Euro gegen den Kläger hat.

6

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, die Gehaltszahlungen der Schuldnerin an den Kläger im Mai 2007 seien anfechtbare Rechtshandlungen im Sinne der § 130 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO. Die Schuldnerin sei im Mai 2007 zahlungsunfähig gewesen. Die Kreditlinie der Schuldnerin bei der Sparkasse F sei nahezu ausgeschöpft gewesen. Auf der anderen Seite hätten Verbindlichkeiten der Schuldnerin aus Lieferung und Leistung sowie aufgrund rückständiger Lohn- und Gehaltszahlungen und nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge iHv. mehr als drei Millionen Euro bestanden. Der Kläger habe bei der Entgegennahme der Gehaltszahlungen im Mai 2007 gewusst, dass sich die Schuldnerin mit der Zahlung der Vergütung auch gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer mehrere Monate im Rückstand befunden habe. Aufgrund der Informationen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 habe der Kläger auch davon Kenntnis gehabt, dass mit Lohn- und Gehaltszahlungen der Schuldnerin nur im Falle der Gewährung von Fördermitteln habe gerechnet werden können. Über die Mitteilungen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 sei der Kläger trotz seines Urlaubs informiert gewesen. Der Kläger habe deshalb gewusst, dass die Schuldnerin ihre Arbeitnehmer frühestens Ende Mai 2007 wieder vergüten werde können, so dass es sich nicht um eine vorübergehende Zahlungsstockung von bis zu drei Wochen gehandelt habe. Auch die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO seien erfüllt. Der Kläger habe bei den Gehaltszahlungen im Mai 2007 Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, weil er zumindest gewusst habe, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gedroht und die Gehaltszahlung der Schuldnerin an ihn andere Gläubiger benachteiligt habe.

7

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der negativen Feststellungsklage des Klägers weiter. Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die Annahme der Vorinstanzen, der Kläger sei nicht gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO iVm. § 130 Abs. 1 InsO bzw. iVm. § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, 5.863,20 Euro zur Insolvenzmasse zurückzugewähren, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

9

I. Die Klage ist zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für die negative Feststellungsklage liegt vor. Zwischen den Parteien besteht Streit, ob der Kläger die im Mai 2007 von der Schuldnerin erhaltenen Gehaltszahlungen iHv. insgesamt 5.863,20 Euro netto zur Insolvenzmasse zurückzugewähren hat, wie dies der Beklagte in seinem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 1. Oktober 2007 verlangt hat. Die Entscheidung über die negative Feststellungsklage des Klägers ist geeignet, den Streit der Parteien über die Anfechtbarkeit der Gehaltszahlungen der Schuldnerin an den Kläger im Mai 2007 zu beenden.

10

II. Der Beklagte hat keinen Anspruch gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO iVm. § 130 Abs. 1 InsO auf Rückzahlung von 5.863,20 Euro zur Insolvenzmasse.

11

1. Die Regelungen in § 130 InsO gelten allerdings uneingeschränkt auch für Anfechtungsklagen eines Insolvenzverwalters bei Lohnzahlungen eines Arbeitgebers in der Krise. Zwar waren im Geltungsbereich der Konkursordnung rückständige Lohnansprüche aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO als Masseschulden vom Insolvenzverwalter voll zu befriedigen, so dass sich die Frage einer Anfechtung von Lohnzahlungen während dieses Zeitraums mangels einer Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich nicht stellte (Huber NJW 2009, 1928, 1929). Dieses Arbeitnehmerprivileg hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung mit Wirkung zum 1. Januar 1999 jedoch abgeschafft und Arbeitnehmer mit Ansprüchen wegen rückständiger Arbeitsvergütung bezüglich der Deckungsanfechtung ungesicherten Insolvenzgläubigern gleichgestellt. Die Deckungsanfechtung dient der Anreicherung der Insolvenzmasse (zu diesem Hauptziel der Insolvenzrechtsreform vgl. Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14) und fußt auf dem das Insolvenzrecht beherrschenden Grundsatz, dass im Insolvenzverfahren alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden sollen (par conditio creditorum, vgl. zum insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz BAG 19. Mai 2011 - 6 AZR 736/09 - ZIP 2011, 1628). Die gleiche Zugriffslage der Gläubiger soll dadurch sichergestellt werden, dass während der wirtschaftlichen Krise vorgenommene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden können. Allerdings soll auch der redliche Verkehr in seinem Vertrauen geschützt werden, dass vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Verfügungen des Schuldners Bestand haben (KPB/Schoppmeyer InsO Stand Mai 2011 § 130 Rn. 104; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Ein komplexer Rechts- und damit Wirtschaftsverkehr ist nicht zu gewährleisten, wenn die Teilnehmer letztlich auf gar nichts mehr vertrauen können und damit faktisch gezwungen werden, sogar jeden bereits erhaltenen Vermögensvorteil nochmals durch ein Sicherungsrecht oder durch ein - wie auch immer eingekleidetes - Vorrecht zu befestigen (Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14).

12

2. Der Kläger hat am 4., 7. und 10. Mai 2007 den Betrag iHv. insgesamt 5.863,20 Euro nicht durch anfechtbare Rechtshandlung im Sinne von § 130 Abs. 1 InsO erlangt.

13

a) Bei der Zahlung des Gehalts für Januar 2007 iHv. 900,00 Euro netto am 4. Mai 2007 und iHv. 310,12 Euro netto am 7. Mai 2007 handelt es sich allerdings nicht um ein Bargeschäft iSv. § 142 InsO, das nach dieser Bestimmung nur anfechtbar ist, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Auch soweit die Schuldnerin mit der Gehaltszahlung iHv. 2.342,19 Euro netto am 7. Mai 2007 Arbeitsleistungen des Klägers in der Zeit vom 1. bis zum 6. Februar 2007 vergütet hat, liegt kein Bargeschäft iSv. § 142 InsO vor. Die Zahlung der Schuldnerin iHv. 2.342,19 Euro netto ist dagegen nicht nach § 130 Abs. 1 InsO anfechtbar, soweit diese Zahlung der Vergütung vom Kläger in der Zeit vom 7. bis zum 28. Februar 2007 erbrachter Arbeitsleistungen diente. Auch die Zahlung des Gehalts für März 2007 iHv. 2.310,89 Euro netto am 10. Mai 2007 unterliegt als Bargeschäft iSv. § 142 InsO nicht der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO.

14

aa) Gemäß § 142 InsO ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Dem Erfordernis der Unmittelbarkeit entsprechen auch solche Geschäfte, bei denen der Schuldner in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner eine gleichwertige Gegenleistung erhält (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190; 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01 - WM 2006, 190; ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24). Einigkeit besteht, dass Leistung und Gegenleistung beim Bargeschäft nicht Zug um Zug erbracht werden müssen (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO; Leithaus in Andres/Leithaus InsO 2. Aufl. § 142 Rn. 4). Anerkannt ist auch, dass länger andauernde Vertragsbeziehungen nicht von vornherein als Bargeschäft ausscheiden, sondern auch Dienstleistungen Bargeschäfte sein können. Allerdings ist bei länger währenden Vertragsbeziehungen für die Annahme eines Bargeschäfts zu verlangen, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar sind und zeitnah ausgetauscht werden (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO). Wie lange der Charakter eines Bargeschäfts erhalten bleibt, lässt sich nicht allgemeingültig bestimmen, sondern ist nach der Verkehrsauffassung zu entscheiden (Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 142 Rn. 3). Ob eine Leistung von der Privilegierung des § 142 InsO erfasst wird, hängt wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und davon ab, in welcher Zeitspanne sich der Austausch nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs vollzieht(BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO; ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24).

15

bb) Unter welchen zeitlichen Voraussetzungen verspätete Entgeltzahlungen des Arbeitgebers noch Bargeschäfte im Sinne von § 142 InsO sind und damit der Privilegierung dieser Vorschrift unterliegen, ist im Schrifttum umstritten(vgl. Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). So soll ein Bargeschäft bereits dann ausgeschlossen sein, wenn die Vergütung nicht nur einige Tage verspätet (Zwanziger BB 2007, 42, 43) oder nicht einigermaßen pünktlich (Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1)gezahlt wird. Als zeitliche Grenze des Bargeschäftscharakters einer verspäteten Lohnzahlung werden auch Fristen von drei Wochen (Huber NJW 2009, 1928, 1929; Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1666; Wegener NZI 2009, 225), von ca. vier Wochen (Abele FA 2009, 133), von nicht mehr als 30 Tagen (Bichlmeier/Wroblewski Das Insolvenzhandbuch für die Praxis 3. Aufl. Teil 1 Rn. 52; Bork ZIP 2007, 2337, 2338 f.) und von nicht mehr als einem Kalendermonat (ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24) genannt.

16

cc) Die genannten Zeitspannen sind zu kurz bemessen. Die für die abschnittsweise Vergütung abschnittsweise erbrachter Leistungen entwickelten Grundsätze passen nicht für Arbeitsverhältnisse (Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). Bei verspäteten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers überzeugt für die Frage eines Bargeschäfts auch die Heranziehung der in § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB geregelten Verzugsfrist von 30 Tagen nicht(vgl. zur Anlehnung an diese Frist bei Zahlung der Anwaltsgebühr BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190 sowie Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 30 und 34).

17

(1) Wenn die Frage, ob eine Leistung von der Privilegierung des § 142 InsO erfasst wird, wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und davon abhängt, in welcher Zeitspanne sich der Austausch nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs vollzieht, spricht als rechtstatsächliches Argument für eine längere Frist bereits, dass in nicht wenigen Branchen eine verzögerte Zahlung der Vergütung schon fast die Regel ist und die nicht selten schlechte Zahlungsmoral der Auftraggeber und Schuldner von Arbeitgebern bewirkt, dass die verspäteten Eingänge von Forderungen auch zu verzögerten Lohn- und Gehaltszahlungen führen(vgl. Bandte FS Beuthien S. 401, 405). Dass im Falle einer Kreditgewährung ein Bargeschäft nicht in Betracht kommt, rechtfertigt zwar noch nicht den Umkehrschluss, ein Bargeschäft liege immer dann vor, wenn kein Kredit gewährt werde (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190). Jedoch sind nach der Verkehrsanschauung Entgeltzahlungen von Arbeitgebern für Arbeitsleistungen in den letzten drei Monaten, die Arbeitnehmer im Hinblick auf den in § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III festgesetzten Insolvenzgeldzeitraum zumeist als abgesichert anzusehen pflegen, nicht nur nicht Tilgung eines Kredits, sondern noch Leistungen im engen zeitlichen Zusammenhang mit der von den Arbeitnehmern erbrachten Gegenleistung.

18

(2) Hinzu kommt, dass im Arbeitsverhältnis Arbeit dauernd und nicht abschnittsweise geleistet wird und die Masse nicht nur von den erbrachten Arbeitsleistungen, sondern vor allem auch vom Fortbestand des Betriebs als funktionaler Einheit profitiert. Dazu ist erforderlich, dass die einzelnen Arbeitnehmer überhaupt „bei der Stange bleiben“ - und auch dies wird mit der Berichtigung von Lohnrückständen „erkauft“ (so zutreffend Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14; aA Wegener NZI 2009, 225, 226). Zwar trifft es zu, dass der Arbeitgeber nach § 614 Satz 2 BGB eine nach Zeitabschnitten bemessene Vergütung nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten hat, der Arbeitnehmer damit Vorleistungen zu erbringen hat und im Allgemeinen derjenige, der an den Schuldner Vorleistungen erbracht hat, wegen seines Anspruchs auf die Gegenleistung nur eine Insolvenzforderung hat(BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190). Allerdings bezweckt die Regelung in § 142 InsO, dem in der Krise befindlichen Schuldner eine weitere Teilnahme am Geschäftsverkehr zu ermöglichen, wenn dies die Gläubigergesamtheit nicht beeinträchtigt. Wenn aber § 142 InsO den Zweck erfüllen soll, dass der Schuldner auch in der Krise vorsichtig weiterwirtschaften kann, ist es in aller Regel erforderlich, dass der Betrieb des Arbeitgebers als funktionale Einheit fortbesteht und die Arbeitnehmer bereit sind, die ihnen obliegenden Arbeitsleistungen trotz des Zahlungsverzugs zu erbringen. Ein Unternehmen in der Krise, das die Unterstützung seiner Arbeitnehmer verliert, weil es sie in die Kündigung oder in die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts treibt, wird umso schneller am Ende sein, so dass die Perspektive einer sanierenden Insolvenz schon im Vorfeld der Antragstellung verloren ginge (Abele FA 2009, 133, 135). In der Regel ist die Mehrzahl der Arbeitnehmer trotz des Zahlungsverzugs des Arbeitgebers zur Weiterarbeit bereit, sofern sie ihre Entgeltansprüche als durch das Insolvenzgeld gesichert ansehen, das nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate gezahlt wird. Hätten Arbeitnehmer Entgeltzahlungen des Arbeitgebers für Arbeitsleistungen, die sie in den letzten drei Monaten erbracht haben, an die Insolvenzmasse zurückzugewähren, würde das der Regelung in § 142 InsO zugrunde liegende Ziel, dass der Schuldner in der Krise nicht praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen ist und seine Geschäfte fortführen kann(FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 142 Rn. 1), in aller Regel verfehlt.

19

b) Die Gehaltszahlungen der Schuldnerin am 4. und 7. Mai 2007 für die Zeit vom 1. Januar bis zum 6. Februar 2007 stellen kongruente Deckungen im Sinne von § 130 Abs. 1 InsO dar. Dem Kläger standen die gezahlten Beträge zu. Dieser erlangte die Zahlungen auch innerhalb der Krise. Die Zahlungen am 4. und 7. Mai 2007 erfolgten innerhalb der letzten drei Monate vor dem am 10. Juli 2007 von der A gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO).

20

c) Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Schuldnerin bei den Gehaltszahlungen an den Kläger im Mai 2007 zahlungsunfähig war. Es hat sich jedoch in vollem Umfang die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht. Dieses hat zu Gunsten des Beklagten unterstellt, dass die Schuldnerin zum Zeitpunkt der an den Kläger im Mai 2007 geleisteten Zahlungen zahlungsunfähig im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO gewesen ist. Davon ist deshalb auch im Revisionsverfahren auszugehen, zumal der Kläger die vom Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht unterstellte Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht mit Gegenrügen angegriffen hat und Umstände, die die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bereits im Mai 2007 in Frage stellen könnten, nicht ersichtlich sind.

21

d) Allerdings setzt die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung nach § 130 Abs. 1 InsO nicht nur voraus, dass der objektive Tatbestand dieser Bestimmung vorliegt und der Schuldner bei Vornahme der Deckungshandlung zahlungsunfähig war. Anfechtbar ist eine Rechtshandlung nach § 130 Abs. 1 InsO nur dann, wenn auch der subjektive Tatbestand dieser Bestimmung erfüllt ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO) oder bei einer nach dem Eröffnungsantrag vorgenommenen Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO) kannte.

22

aa) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe am 4. und 7. Mai 2007 keine positive Kenntnis im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

23

(1) Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Verhalten des Schuldners nach außen hervorgetreten ist, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - Rn. 11, ZInsO 2009, 2148). Die Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gilt auch im Rahmen des § 130 Abs. 1 InsO(BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - Rn. 13, BGHZ 180, 63; 20. November 2001 - IX ZR 48/01 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 149, 178; FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 38). Auf die Merkmale der „Dauer“ und der „Wesentlichkeit“ hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung bei der Umschreibung der Zahlungsunfähigkeit verzichtet (vgl. Gottwald/Uhlenbruck/Gundlach Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 6 Rn. 8). Nach der Gesetzesbegründung (Begr. zu § 20 Eröffnungsgrund und § 21 Zahlungsunfähigkeit RegE, BT-Drucks. 12/2443 S. 114) versteht es sich von selbst - und braucht deshalb nicht besonders zum Ausdruck gebracht zu werden -, dass eine vorübergehende Zahlungsstockung keine Zahlungsunfähigkeit begründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt eine Zahlungsunfähigkeit, die sich voraussichtlich innerhalb kurzer Zeit beheben lässt, lediglich als Zahlungsstockung (24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - BGHZ 163, 134). Der Zeitraum, innerhalb dessen die Zahlungsstockung beseitigt sein musste, andernfalls sie als Zahlungsunfähigkeit behandelt wurde, war unter der Geltung der Konkursordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung auf etwa einen Monat begrenzt worden (BGH 20. November 2001 - IX ZR 48/01 - BGHZ 149, 178). Da der Gesetzgeber der Insolvenzordnung diesen Zeitraum verkürzen wollte, kann eine Illiquidität nur noch dann als Zahlungsstockung angesehen werden, wenn sie den Zeitraum nicht überschreitet, den eine kreditwürdige Person zur Kreditbeschaffung benötigt (FK-InsO/Schmerbach 6. Aufl. § 17 Rn. 20 f.). Die Grenze liegt bei drei Wochen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Dies bedeutet freilich noch nicht, dass ein Schuldner generell bereits dann zahlungsunfähig ist, wenn er seine fälligen Verbindlichkeiten nicht binnen einer dreiwöchigen Frist zu 100 % erfüllen kann. Kann er innerhalb dieser Frist seine Verbindlichkeiten bis auf einen geringfügigen Rest bedienen, ist er nicht als zahlungsunfähig anzusehen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Eine nur geringfügige Liquiditätslücke liegt in der Regel dann nicht mehr vor, wenn innerhalb von drei Wochen 10 % oder mehr der fälligen Gesamtverbindlichkeiten nicht erfüllt werden können (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - ZInsO 2009, 2148). Allerdings erlaubt diese Quote für sich allein genommen noch keine abschließende Bewertung des wirtschaftlich komplexen Sachverhalts der Zahlungsunfähigkeit. Der prozentuale Schwellenwert hat die Bedeutung, dass sein Erreichen eine widerlegbare Vermutung für die Zahlungsunfähigkeit begründet. Liegt eine Unterdeckung von weniger als 10 % vor, genügt sie allein nicht zum Beleg der Zahlungsunfähigkeit. Wenn diese gleichwohl angenommen werden soll, müssen besondere Umstände vorliegen, die diesen Standpunkt stützen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Eine Zahlungseinstellung kann aber auch dann schon vorliegen, wenn der Schuldner noch einzelne beträchtliche Zahlungen erbringt, sofern daneben wesentliche fällige und eingeforderte Schulden unerfüllt bleiben (vgl. zur Zahlungseinstellung im Sinne von § 102 Abs. 2 KO BGH 10. Juli 2003 - IX ZR 89/02 - ZInsO 2003, 755).

24

(2) Kenntnis bedeutet für sicher gehaltenes, positives Wissen (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63; MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 33; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 24; zur positiven Kenntnis von der Zahlungseinstellung im Sinne von § 30 KO vgl. BGH 15. November 1990 - IX ZR 92/90 - WM 1991, 150). Der Gläubiger kennt die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung als komplexen Rechtsbegriff nur, wenn er selbst die Liquidität oder das Zahlungsverhalten des Schuldners wenigstens laienhaft so bewertet (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - aaO). Dieses positive Wissen muss bei der Vornahme der Rechtshandlung und damit grundsätzlich in dem Zeitpunkt vorhanden sein, in dem die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung eintreten (§ 140 Abs. 1 InsO). Dazu ist regelmäßig erforderlich, dass dem Gläubiger zum einen Informationen über den Gesamtbestand der gegen den Schuldner gerichteten, in den nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten und über die in dieser Zeit vorhandenen Geldmittel vorliegen. Zum anderen muss der Gläubiger aus diesen Informationen den Schluss ziehen, dass der Schuldner wesentliche Teile seiner in den nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten nicht wird tilgen können (KPB/Schoppmeyer InsO Stand Mai 2011 § 130 Rn. 110; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Die Kenntnis allein der einzelnen Tatsachen, die eine Zahlungsunfähigkeit begründen, genügt damit für sich nicht (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 33). Nicht ausreichend ist es auch im Einzelfall, wenn der Gläubiger nur die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens fürchtet oder Zweifel an der Kreditwürdigkeit des Schuldners hat (FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 44). Bei der Beurteilung, ob der Gläubiger über ausreichende Informationen über den Gesamtbestand der Verbindlichkeiten und über das vorhandene Vermögen verfügt, kann auch die Rechtsform des Unternehmens von Bedeutung sein, wobei die Unternehmensform des eingetragenen Kaufmanns den Überblick über die Liquiditäts- und Zahlungslage nicht erleichtern muss, sondern auch erschweren kann.

25

(3) Regelmäßig muss der Insolvenzverwalter nicht nur alle objektiven, sondern auch alle subjektiven Voraussetzungen der Deckungsanfechtung beweisen (BGH 12. Juli 2007 - IX ZR 210/04 - ZInsO 2007, 1046; MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 61). Dazu hat er substantiiert die im konkreten Einzelfall einschlägigen Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Eröffnungsantrag ergibt (FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 57; eingehend zum Beweisrecht bei Kongruenzanfechtung rückständiger Lohnzahlungen an Arbeitnehmer Huber FS Ganter S. 203, 204 ff.). Nur gegenüber einer dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestehenden Person im Sinne von § 138 InsO wird gemäß § 130 Abs. 2 InsO vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

26

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, der Beklagte habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen eine positive Kenntnis des Klägers von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bei den Gehaltszahlungen am 4. und 7. Mai 2007 abgeleitet werden könnte. Der Beklagte rügt zwar, das Landesarbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft eine Kenntnis des Klägers von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin verneint. Er hat jedoch auch im Revisionsverfahren nicht dargetan, aufgrund welcher Umstände oder Indizien sicheres Wissen des Klägers zur Liquiditätslage der Schuldnerin im Zeitpunkt der Gehaltszahlungen am 4. und 7. Mai 2007 anzunehmen ist. Der Hinweis des Beklagten auf die Kenntnis des Klägers von den Lohn- und Gehaltsrückständen und die Mitteilungen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 ist dazu unzureichend. Aufgrund der Auskünfte der Schuldnerin mussten ihre Arbeitnehmer zwar damit rechnen, dass ihre Lohn- und Gehaltsansprüche frühestens Ende Mai 2007 und damit nicht innerhalb von drei Wochen erfüllt werden. Jedoch ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht daraus noch keinen Gesamtüberblick der Arbeitnehmer der Schuldnerin über die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens abgeleitet hat.

27

e) Allerdings steht nach § 130 Abs. 2 InsO der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen(Vermutungstatsachen). Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe keine Kenntnis von solchen Tatsachen gehabt, ist jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten nicht rechtsfehlerhaft.

28

aa) § 130 Abs. 2 InsO bezweckt eine Beweiserleichterung für den Insolvenzverwalter(Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Der Rechtsanwendungsvorteil des Insolvenzverwalters besteht darin, dass die Vermutung des § 130 Abs. 2 InsO unwiderleglich ist(Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 130 Rn. 23). Die Vorschrift lässt jedoch die grob fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit nicht genügen (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63). Der Gesetzgeber hat den Begriff der grob fahrlässigen Unkenntnis bewusst vermieden, um Rechtssicherheit zu erzeugen (Bandte FS Beuthien S. 401, 404). Der Begriff der grob fahrlässigen Unkenntnis in § 145 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Regierungsentwurfs einer Insolvenzordnung wurde gestrichen und durch die neue Formulierung in § 145 Abs. 2 der Beschlussempfehlung ersetzt(Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages zum Entwurf einer Insolvenzordnung, BT-Drucks. 12/7302 S. 173 zu § 145 Abs. 1 und 2). Vorausgesetzt wird demgemäß, dass der Insolvenzgläubiger die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Erforderlich ist auch hier positive Kenntnis. Der Tatbestand des § 130 Abs. 2 InsO ist nur dann erfüllt, wenn der Anfechtungsgegner - gleichgültig aus welchen Quellen - die tatsächlichen Umstände positiv kennt, aus denen die Zahlungsunfähigkeit objektiv folgt(MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 34). Ob aufgrund dieser Kenntnis von Umständen der Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag zwingend war, ist eine Rechtsfrage. Der Einwand, er habe den Schluss nicht gezogen, hilft dem Anfechtungsgegner deshalb nicht weiter, wenn ein redlich und vernünftig Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der festgestellten Umstände sich der Einsicht nicht hätte verschließen können, dass der Schuldner tatsächlich zahlungsunfähig oder ein Eröffnungsantrag gestellt war (vgl. BGH 15. Oktober 2009 - IX ZR 201/08 - ZInsO 2009, 2244; 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 29; Huber FS Ganter S. 203, 208). Maßgebend ist nicht der individuelle Schuldvorwurf, sondern der individuelle Wissensstand (Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1670).

29

bb) § 130 Abs. 2 InsO spricht von der Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, ohne die Tatsachen, deren Kenntnis die Vermutung auslösen kann, näher zu beschreiben oder Beispiele für Indizien zu nennen, aus denen regelmäßig auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag geschlossen werden kann. Wann derartige Umstände gegeben sind, lässt sich generell auch nur schwer umschreiben (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 34).

30

(1) Im Schrifttum (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 37 ff.; Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 130 Rn. 20 und 23; FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 41; Ries/Doebert ZInsO 2009, 2367, 2370) werden als Anhaltspunkte und Beweisanzeichen für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von Vermutungstatsachen ua. genannt: Die Kenntnis des Anwachsens von Rückständen, die Kenntnis der Nichteinhaltung von Zahlungszusagen, insbesondere vom Schuldner selbst vorgeschlagener Ratenzahlungen, die Kenntnis des Rückstands mit fälligen Sozialversicherungsbeiträgen, die Kenntnis des erneuten Entstehens von Rückständen nach vorheriger (teilweiser) Befriedigung des Gläubigers, die Kenntnis der Nichtzahlung oder der schleppenden Zahlung von Löhnen und Gehältern, die Kenntnis der Häufung von Klagen und Zwangsvollstreckungen, die Kenntnis der verstärkten Inanspruchnahme von Bürgen des Schuldners, Informationen durch den Schuldner, zB bei Betriebsversammlungen, sowie Presseberichte über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens des Schuldners. Eine mit kurzfristigen Engpässen begründete bloße Stundungsbitte des Schuldners reicht dagegen allein regelmäßig nicht als Zurechnungsgrundlage aus (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 39).

31

(2) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. September 2010 (- GmS-OGB 1/09 - BGHZ 187, 105), wonach für die Klage des Insolvenzverwalters gegen einen Arbeitnehmer des Schuldners auf Rückgewähr vom Schuldner geleisteter Vergütung nach § 143 Abs. 1 InsO der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben ist, hat der Bundesgerichtshof(19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63) angenommen, dass die Kenntnis des Arbeitnehmers, dem der Arbeitgeber in der Krise noch Zahlungen auf rückständige Lohnforderungen erbringt, dass der Arbeitgeber außerdem noch anderen Arbeitnehmern Lohn schuldig ist, allein nicht den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung des Arbeitgebers rechtfertigt. Sei der Gläubiger ein Arbeitnehmer des Schuldners ohne Einblick in die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens, also ein Arbeitnehmer ohne „Insiderkenntnisse“, treffe ihn keine Erkundigungspflicht. An diesen Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 15. Oktober 2009 (- IX ZR 201/08 - Rn. 1, ZInsO 2009, 2244), die die Anfechtung von Entgeltzahlungen desselben Schuldners an einen anderen Arbeitnehmer betraf, festgehalten. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung hervorgehoben, dass jener Arbeitnehmer in seiner Funktion als Bauleiter in der Informationshierarchie nicht auf unterster Ebene gestanden sei, und hat die Würdigung der Vorinstanz nicht beanstandet, die bezüglich der positiven Kenntnis des Beklagten von Vermutungstatsachen maßgeblich auf die zeitliche Dauer und Höhe der eigenen Lohnrückstände, die erheblichen Lohnrückstände bei anderen Arbeitnehmern sowie die Kenntnis des Beklagten von den ökonomischen und wirtschaftlichen Hintergründen des Unternehmens aufgrund seiner langjährigen Stellung als Bauleiter abgestellt hatte.

32

(3) Die Stellung oder Funktion des Arbeitnehmers im Unternehmen des Schuldners ist bei der Beurteilung, ob der Arbeitnehmer positive Kenntnis von Vermutungstatsachen hatte, allerdings nicht per se maßgebend (vgl. Abele FA 2009, 133, 135; Schulz Anm. DZWIR 2009, 256, 257; kritisch wohl auch Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1674; aA Dahl NJW-Spezial 2010, 661, 662). Es trifft zwar zu, dass Arbeitnehmer in herausgehobenen Funktionen in aller Regel eher in der Lage sind, sich über die Liquiditätsgesamtlage des Schuldners zu informieren, als Arbeitnehmer auf unteren Ebenen oder dass sie aufgrund ihrer leitenden Stellung eher um die Situation des Unternehmens wissen (vgl. Bork ZIP 2007, 2337, 2338). Auch mögen Arbeitnehmer, die in der Finanzbuchhaltung tätig sind oder Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrnehmen, häufig über „Insiderkenntnisse“ verfügen (Huber NJW 2009, 1928, 1931). Wenn § 130 Abs. 2 InsO anordnet, dass die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags gleichsteht, schließt dies jedoch nicht die Vermutung ein, dass Arbeitnehmer in herausgehobenen Funktionen oder Arbeitnehmer, die im kaufmännischen Bereich oder in der Finanzbuchhaltung tätig sind, positive Kenntnis von Umständen haben, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Der Unterschied zwischen der nach § 130 Abs. 1 InsO und der nach § 130 Abs. 2 InsO erforderlichen positiven Kenntnis liegt nur im Bezugspunkt. Bei letztgenannter Vorschrift geht es um die Feststellung der positiven Kenntnis der (tatbestandsfremden) Vermutungstatsachen, von denen dann der Schluss auf die Haupttatsache gesetzlich vermutet wird (Huber FS Ganter S. 203, 208). Auch bei Arbeitnehmern ohne herausgehobene Funktion kommt eine positive Kenntnis von Vermutungstatsachen in Betracht, wenn sie zB als Sekretärin oder Chauffeur des Schuldners Umstände erfahren, die zwingend auf dessen Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (Abele FA 2009, 133, 135; vgl. dazu auch Ries/Doebert ZInsO 2009, 2367, 2369). Da § 130 Abs. 2 InsO seinem eindeutigen Wortlaut nach auf die Kenntnis von Umständen und gerade nicht auf die (grob) fahrlässige Unkenntnis von Umständen abstellt, trifft Arbeitnehmer unabhängig davon, ob sie Einblick in die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens haben, keine Erkundigungspflicht. Ein Verstoß gegen eine Erkundigungspflicht könnte zudem keine positive Kenntnis, sondern nur eine schuldhafte Unkenntnis von Vermutungstatsachen begründen (vgl. Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1; Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1669). § 130 Abs. 2 InsO ändert nichts daran, dass der Insolvenzverwalter dem Anfechtungsgegner eingehende Kenntnis über die seinerzeitige Vermögenslage des Schuldners nachweisen muss und damit beweisen muss, dass dem Anfechtungsgegner alle für die Erstellung einer Liquiditätsprognose erforderlichen Informationen über Bestand und Entwicklung der Verbindlichkeiten und kurzfristig verwertbaren Aktiva vorlagen(Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1).

33

cc) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Beklagten dieser Nachweis nicht gelungen ist.

34

(1) Es hat zunächst in Übereinstimmung mit den vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 19. Februar 2009 (- IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63) aufgestellten Grundsätzen angenommen, dass der Kläger am 4. und 7. Mai 2007 die zeitliche Dauer und Höhe der eigenen Gehaltsrückstände gekannt und gewusst hat, dass die Schuldnerin auch gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer seit mehreren Monaten mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand geraten ist, habe noch kein eindeutiges Urteil über die Liquiditäts- und Zahlungslage der Schuldnerin zugelassen, weil für den Kläger nicht erkennbar gewesen sei, welchen Anteil die Lohn- und Gehaltsrückstände an den insgesamt fälligen und eingeforderten Geldschulden hatten. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal das Landesarbeitsgericht berücksichtigen durfte, dass der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte und keine Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen hat. Deshalb hilft dem Beklagten auch seine Rüge nicht weiter, das Landesarbeitsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch verletzt, dass es über seine Behauptung, der Kläger sei über die Lohn- und Gehaltsrückstände informiert gewesen, nicht den von ihm angebotenen Zeugenbeweis erhoben habe.

35

(2) Gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass der Schuldnerin bis Anfang/Mitte Juni 2007 Material noch auf Rechnung geliefert worden ist, richtet sich kein Angriff der Revision. Wenn das Landesarbeitsgericht aus der Materialversorgung der Schuldnerin gegen Rechnung während der Krise abgeleitet hat, dass der Kläger nicht annehmen musste, die Schuldnerin sei zahlungsunfähig, ist diese tatrichterliche Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit das Landesarbeitsgericht durch Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts angenommen hat, die Informationen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007, insbesondere ihr Hinweis auf Fördermittel, hätten nicht zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen lassen.

36

III. Entgegen der Ansicht des Beklagten überschreitet auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Anfechtungsvoraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO seien nicht erfüllt, nicht die Grenzen der tatrichterlichen Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO und ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

37

1. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird diese Kenntnis vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Der Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hinweisen(BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - ZInsO 2009, 2148). Dass der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Insolvenzgläubiger benachteiligte, also ihre Befriedigung beeinträchtigte, hat der Insolvenzverwalter zu beweisen (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 133 Rn. 4 und 22). Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen(vgl. zur tatrichterlichen Verantwortung bei der Beantwortung der Frage nach der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der gläubigerbenachteiligenden Wirkung der angefochtenen Rechtshandlung Ganter WM 2009, 1441, 1445 f.). Insoweit können die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung, bei denen es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt, regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden (vgl. Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1667). Zu beachten ist, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - Rn. 8, ZInsO 2009, 2148). Die Beurteilung, ob die Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit nachgewiesen ist, unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung des Tatrichters (so zutreffend Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). Die allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze bezüglich der Beweislast und der freien Beweiswürdigung gelten auch im insolvenzrechtlichen Anfechtungsprozess (eingehend zum Beweisrecht bei Kongruenzanfechtung rückständiger Lohnzahlungen an Arbeitnehmer Huber FS Ganter S. 203, 204 ff.).

38

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, wonach der Kläger bei den Gehaltszahlungen am 4., 7. und 10. Mai 2007 keine Kenntnis von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hatte und auch nicht wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin drohte und die Gehaltszahlungen die anderen Gläubiger benachteiligten, lässt Rechtsfehler bei der Überzeugungsbildung des Landesarbeitsgerichts nicht erkennen. Die Bewertung, dass die Kenntnis des Klägers von der zeitlichen Dauer und Höhe der eigenen Gehaltsrückstände und seine Kenntnis von Gehalts- und Lohnrückständen gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer kein ausreichendes Indiz dafür ist, dass der Kläger die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder Umstände kannte, die zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hingewiesen haben, ist nicht zu beanstanden, zumal der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte und bis Anfang/Mitte Juni 2007 der Schuldnerin Material noch auf Rechnung geliefert worden ist.

39

IV. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Lorenz    

                 

(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

(2) Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 31. März 2010 - 3 Sa 379/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung von Arbeitsvergütung aufgrund einer Insolvenzanfechtung.

2

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in dem mit Beschluss des Amtsgerichts Hof - Insolvenzgericht - am 10. September 2007 (- IN 382/07 -) über das Vermögen der N e. K. (Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren. Dem Eröffnungsbeschluss liegt ein am 10. Juli 2007 von der A gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugrunde. Der Kläger war vom 3. November 2003 bis zum 15. Juni 2007 bei der Schuldnerin gegen eine monatliche Gesamtbruttovergütung iHv. zuletzt 4.361,08 Euro beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 3. November 2003 ist vereinbart, dass dem Kläger die handwerklich-technische Leitung des Betriebs in R obliegt und der Kläger als handwerklicher Betriebsleiter insbesondere den handwerklich-technischen Arbeitsablauf zu steuern, zu betreuen und zu überwachen hat und für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk verantwortlich ist.

3

Im Jahr 2006 geriet die Schuldnerin mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand. Sie zahlte die Vergütung für Januar 2006 am 27. März 2006, die Vergütung für Februar 2006 am 10. April 2006, die Vergütung für März 2006 am 25. April 2006, die Vergütung für April 2006 am 31. Mai 2006, die Vergütung für Mai 2006 am 30. Juni 2006, die Vergütung für Juni 2006 am 26. Juli 2006, die Vergütung für Juli 2006 am 4. September 2006, die Vergütung für August 2006 am 4. Oktober 2006, die Vergütung für September 2006 am 18. Oktober 2006, die Vergütung für Oktober 2006 am 24. November 2006, die Vergütung für November 2006 am 19. Dezember 2006 und die Vergütung für Dezember 2006 am 8. März 2007. Als im April 2007 ein Großteil der Arbeitnehmer der Schuldnerin die Vergütung für die Monate Januar bis März 2007 noch nicht erhalten hatte, kam es wegen der ausstehenden Lohn- und Gehaltszahlungen zu einer Betriebsversammlung. In dieser erklärte die Schuldnerin, dass Fördermittel beantragt worden seien, die Auszahlung der Fördermittel bevorstehe und dass im Falle der Bewilligung der Fördermittel alle Lohn- und Gehaltsrückstände auf einmal beglichen würden. Die Schuldnerin zahlte dem Kläger am 4. Mai 2007 Vergütung für Januar 2007 iHv. 900,00 Euro netto und am 7. Mai 2007 iHv. 310,12 Euro netto. Seine Vergütung für Februar 2007 iHv. 2.342,19 Euro netto erhielt der Kläger von der Schuldnerin ebenfalls am 7. Mai 2007. Am 10. Mai 2007 zahlte die Schuldnerin dem Kläger Vergütung für März 2007 iHv. 2.310,89 Euro netto. Der Beklagte focht mit Schreiben vom 1. Oktober 2007 die dem Kläger von der Schuldnerin am 4., 7. und 10. Mai 2007 geleisteten Gehaltszahlungen iHv. insgesamt 5.863,20 Euro netto an und forderte den Kläger zugleich ohne Erfolg auf, die erhaltenen Beträge zur Insolvenzmasse zurückzuerstatten.

4

Der Kläger ist der Ansicht, er habe der Insolvenzmasse die ihm im Mai 2007 von der Schuldnerin gezahlte Vergütung nicht zurückzugewähren. Die Schuldnerin sei zum Zeitpunkt der Zahlungen nicht zahlungsunfähig gewesen, jedenfalls habe er keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder von Umständen gehabt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hätten schließen lassen. An der Betriebsversammlung im April 2007 habe er wegen Urlaubs nicht teilgenommen. Im Übrigen würde seine Kenntnis von Lohn- und Gehaltsrückständen gegenüber einem Großteil der Arbeitnehmer der Schuldnerin eine Insolvenzanfechtung nicht rechtfertigen. Er habe weder Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin gehabt noch Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen. Der tägliche Arbeitsablauf im Mai 2007 habe keine Rückschlüsse auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zugelassen. Lieferanten der Schuldnerin, zB die Firmen B, Niederlassung Z, oder H, hätten bis Anfang/Mitte Juni 2007 Waren gegen Rechnung geliefert. Schließlich sei es auch in der Vergangenheit schon zu Verzögerungen bei der Lohn- und Gehaltszahlung gekommen, die rückständigen Löhne und Gehälter seien jedoch jeweils ordnungsgemäß nachbezahlt worden.

5

Der Kläger hat beantragt:

        

Es wird festgestellt, dass der Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von Arbeitsentgelt der Monate Januar 2007, Februar 2007 und März 2007 in Höhe von 5.863,20 Euro gegen den Kläger hat.

6

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, die Gehaltszahlungen der Schuldnerin an den Kläger im Mai 2007 seien anfechtbare Rechtshandlungen im Sinne der § 130 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO. Die Schuldnerin sei im Mai 2007 zahlungsunfähig gewesen. Die Kreditlinie der Schuldnerin bei der Sparkasse F sei nahezu ausgeschöpft gewesen. Auf der anderen Seite hätten Verbindlichkeiten der Schuldnerin aus Lieferung und Leistung sowie aufgrund rückständiger Lohn- und Gehaltszahlungen und nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge iHv. mehr als drei Millionen Euro bestanden. Der Kläger habe bei der Entgegennahme der Gehaltszahlungen im Mai 2007 gewusst, dass sich die Schuldnerin mit der Zahlung der Vergütung auch gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer mehrere Monate im Rückstand befunden habe. Aufgrund der Informationen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 habe der Kläger auch davon Kenntnis gehabt, dass mit Lohn- und Gehaltszahlungen der Schuldnerin nur im Falle der Gewährung von Fördermitteln habe gerechnet werden können. Über die Mitteilungen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 sei der Kläger trotz seines Urlaubs informiert gewesen. Der Kläger habe deshalb gewusst, dass die Schuldnerin ihre Arbeitnehmer frühestens Ende Mai 2007 wieder vergüten werde können, so dass es sich nicht um eine vorübergehende Zahlungsstockung von bis zu drei Wochen gehandelt habe. Auch die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO seien erfüllt. Der Kläger habe bei den Gehaltszahlungen im Mai 2007 Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, weil er zumindest gewusst habe, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gedroht und die Gehaltszahlung der Schuldnerin an ihn andere Gläubiger benachteiligt habe.

7

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der negativen Feststellungsklage des Klägers weiter. Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die Annahme der Vorinstanzen, der Kläger sei nicht gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO iVm. § 130 Abs. 1 InsO bzw. iVm. § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, 5.863,20 Euro zur Insolvenzmasse zurückzugewähren, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

9

I. Die Klage ist zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für die negative Feststellungsklage liegt vor. Zwischen den Parteien besteht Streit, ob der Kläger die im Mai 2007 von der Schuldnerin erhaltenen Gehaltszahlungen iHv. insgesamt 5.863,20 Euro netto zur Insolvenzmasse zurückzugewähren hat, wie dies der Beklagte in seinem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 1. Oktober 2007 verlangt hat. Die Entscheidung über die negative Feststellungsklage des Klägers ist geeignet, den Streit der Parteien über die Anfechtbarkeit der Gehaltszahlungen der Schuldnerin an den Kläger im Mai 2007 zu beenden.

10

II. Der Beklagte hat keinen Anspruch gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO iVm. § 130 Abs. 1 InsO auf Rückzahlung von 5.863,20 Euro zur Insolvenzmasse.

11

1. Die Regelungen in § 130 InsO gelten allerdings uneingeschränkt auch für Anfechtungsklagen eines Insolvenzverwalters bei Lohnzahlungen eines Arbeitgebers in der Krise. Zwar waren im Geltungsbereich der Konkursordnung rückständige Lohnansprüche aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO als Masseschulden vom Insolvenzverwalter voll zu befriedigen, so dass sich die Frage einer Anfechtung von Lohnzahlungen während dieses Zeitraums mangels einer Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich nicht stellte (Huber NJW 2009, 1928, 1929). Dieses Arbeitnehmerprivileg hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung mit Wirkung zum 1. Januar 1999 jedoch abgeschafft und Arbeitnehmer mit Ansprüchen wegen rückständiger Arbeitsvergütung bezüglich der Deckungsanfechtung ungesicherten Insolvenzgläubigern gleichgestellt. Die Deckungsanfechtung dient der Anreicherung der Insolvenzmasse (zu diesem Hauptziel der Insolvenzrechtsreform vgl. Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14) und fußt auf dem das Insolvenzrecht beherrschenden Grundsatz, dass im Insolvenzverfahren alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden sollen (par conditio creditorum, vgl. zum insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz BAG 19. Mai 2011 - 6 AZR 736/09 - ZIP 2011, 1628). Die gleiche Zugriffslage der Gläubiger soll dadurch sichergestellt werden, dass während der wirtschaftlichen Krise vorgenommene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden können. Allerdings soll auch der redliche Verkehr in seinem Vertrauen geschützt werden, dass vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Verfügungen des Schuldners Bestand haben (KPB/Schoppmeyer InsO Stand Mai 2011 § 130 Rn. 104; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Ein komplexer Rechts- und damit Wirtschaftsverkehr ist nicht zu gewährleisten, wenn die Teilnehmer letztlich auf gar nichts mehr vertrauen können und damit faktisch gezwungen werden, sogar jeden bereits erhaltenen Vermögensvorteil nochmals durch ein Sicherungsrecht oder durch ein - wie auch immer eingekleidetes - Vorrecht zu befestigen (Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14).

12

2. Der Kläger hat am 4., 7. und 10. Mai 2007 den Betrag iHv. insgesamt 5.863,20 Euro nicht durch anfechtbare Rechtshandlung im Sinne von § 130 Abs. 1 InsO erlangt.

13

a) Bei der Zahlung des Gehalts für Januar 2007 iHv. 900,00 Euro netto am 4. Mai 2007 und iHv. 310,12 Euro netto am 7. Mai 2007 handelt es sich allerdings nicht um ein Bargeschäft iSv. § 142 InsO, das nach dieser Bestimmung nur anfechtbar ist, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Auch soweit die Schuldnerin mit der Gehaltszahlung iHv. 2.342,19 Euro netto am 7. Mai 2007 Arbeitsleistungen des Klägers in der Zeit vom 1. bis zum 6. Februar 2007 vergütet hat, liegt kein Bargeschäft iSv. § 142 InsO vor. Die Zahlung der Schuldnerin iHv. 2.342,19 Euro netto ist dagegen nicht nach § 130 Abs. 1 InsO anfechtbar, soweit diese Zahlung der Vergütung vom Kläger in der Zeit vom 7. bis zum 28. Februar 2007 erbrachter Arbeitsleistungen diente. Auch die Zahlung des Gehalts für März 2007 iHv. 2.310,89 Euro netto am 10. Mai 2007 unterliegt als Bargeschäft iSv. § 142 InsO nicht der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO.

14

aa) Gemäß § 142 InsO ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Dem Erfordernis der Unmittelbarkeit entsprechen auch solche Geschäfte, bei denen der Schuldner in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner eine gleichwertige Gegenleistung erhält (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190; 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01 - WM 2006, 190; ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24). Einigkeit besteht, dass Leistung und Gegenleistung beim Bargeschäft nicht Zug um Zug erbracht werden müssen (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO; Leithaus in Andres/Leithaus InsO 2. Aufl. § 142 Rn. 4). Anerkannt ist auch, dass länger andauernde Vertragsbeziehungen nicht von vornherein als Bargeschäft ausscheiden, sondern auch Dienstleistungen Bargeschäfte sein können. Allerdings ist bei länger währenden Vertragsbeziehungen für die Annahme eines Bargeschäfts zu verlangen, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar sind und zeitnah ausgetauscht werden (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO). Wie lange der Charakter eines Bargeschäfts erhalten bleibt, lässt sich nicht allgemeingültig bestimmen, sondern ist nach der Verkehrsauffassung zu entscheiden (Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 142 Rn. 3). Ob eine Leistung von der Privilegierung des § 142 InsO erfasst wird, hängt wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und davon ab, in welcher Zeitspanne sich der Austausch nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs vollzieht(BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO; ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24).

15

bb) Unter welchen zeitlichen Voraussetzungen verspätete Entgeltzahlungen des Arbeitgebers noch Bargeschäfte im Sinne von § 142 InsO sind und damit der Privilegierung dieser Vorschrift unterliegen, ist im Schrifttum umstritten(vgl. Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). So soll ein Bargeschäft bereits dann ausgeschlossen sein, wenn die Vergütung nicht nur einige Tage verspätet (Zwanziger BB 2007, 42, 43) oder nicht einigermaßen pünktlich (Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1)gezahlt wird. Als zeitliche Grenze des Bargeschäftscharakters einer verspäteten Lohnzahlung werden auch Fristen von drei Wochen (Huber NJW 2009, 1928, 1929; Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1666; Wegener NZI 2009, 225), von ca. vier Wochen (Abele FA 2009, 133), von nicht mehr als 30 Tagen (Bichlmeier/Wroblewski Das Insolvenzhandbuch für die Praxis 3. Aufl. Teil 1 Rn. 52; Bork ZIP 2007, 2337, 2338 f.) und von nicht mehr als einem Kalendermonat (ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24) genannt.

16

cc) Die genannten Zeitspannen sind zu kurz bemessen. Die für die abschnittsweise Vergütung abschnittsweise erbrachter Leistungen entwickelten Grundsätze passen nicht für Arbeitsverhältnisse (Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). Bei verspäteten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers überzeugt für die Frage eines Bargeschäfts auch die Heranziehung der in § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB geregelten Verzugsfrist von 30 Tagen nicht(vgl. zur Anlehnung an diese Frist bei Zahlung der Anwaltsgebühr BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190 sowie Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 30 und 34).

17

(1) Wenn die Frage, ob eine Leistung von der Privilegierung des § 142 InsO erfasst wird, wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und davon abhängt, in welcher Zeitspanne sich der Austausch nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs vollzieht, spricht als rechtstatsächliches Argument für eine längere Frist bereits, dass in nicht wenigen Branchen eine verzögerte Zahlung der Vergütung schon fast die Regel ist und die nicht selten schlechte Zahlungsmoral der Auftraggeber und Schuldner von Arbeitgebern bewirkt, dass die verspäteten Eingänge von Forderungen auch zu verzögerten Lohn- und Gehaltszahlungen führen(vgl. Bandte FS Beuthien S. 401, 405). Dass im Falle einer Kreditgewährung ein Bargeschäft nicht in Betracht kommt, rechtfertigt zwar noch nicht den Umkehrschluss, ein Bargeschäft liege immer dann vor, wenn kein Kredit gewährt werde (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190). Jedoch sind nach der Verkehrsanschauung Entgeltzahlungen von Arbeitgebern für Arbeitsleistungen in den letzten drei Monaten, die Arbeitnehmer im Hinblick auf den in § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III festgesetzten Insolvenzgeldzeitraum zumeist als abgesichert anzusehen pflegen, nicht nur nicht Tilgung eines Kredits, sondern noch Leistungen im engen zeitlichen Zusammenhang mit der von den Arbeitnehmern erbrachten Gegenleistung.

18

(2) Hinzu kommt, dass im Arbeitsverhältnis Arbeit dauernd und nicht abschnittsweise geleistet wird und die Masse nicht nur von den erbrachten Arbeitsleistungen, sondern vor allem auch vom Fortbestand des Betriebs als funktionaler Einheit profitiert. Dazu ist erforderlich, dass die einzelnen Arbeitnehmer überhaupt „bei der Stange bleiben“ - und auch dies wird mit der Berichtigung von Lohnrückständen „erkauft“ (so zutreffend Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14; aA Wegener NZI 2009, 225, 226). Zwar trifft es zu, dass der Arbeitgeber nach § 614 Satz 2 BGB eine nach Zeitabschnitten bemessene Vergütung nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten hat, der Arbeitnehmer damit Vorleistungen zu erbringen hat und im Allgemeinen derjenige, der an den Schuldner Vorleistungen erbracht hat, wegen seines Anspruchs auf die Gegenleistung nur eine Insolvenzforderung hat(BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190). Allerdings bezweckt die Regelung in § 142 InsO, dem in der Krise befindlichen Schuldner eine weitere Teilnahme am Geschäftsverkehr zu ermöglichen, wenn dies die Gläubigergesamtheit nicht beeinträchtigt. Wenn aber § 142 InsO den Zweck erfüllen soll, dass der Schuldner auch in der Krise vorsichtig weiterwirtschaften kann, ist es in aller Regel erforderlich, dass der Betrieb des Arbeitgebers als funktionale Einheit fortbesteht und die Arbeitnehmer bereit sind, die ihnen obliegenden Arbeitsleistungen trotz des Zahlungsverzugs zu erbringen. Ein Unternehmen in der Krise, das die Unterstützung seiner Arbeitnehmer verliert, weil es sie in die Kündigung oder in die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts treibt, wird umso schneller am Ende sein, so dass die Perspektive einer sanierenden Insolvenz schon im Vorfeld der Antragstellung verloren ginge (Abele FA 2009, 133, 135). In der Regel ist die Mehrzahl der Arbeitnehmer trotz des Zahlungsverzugs des Arbeitgebers zur Weiterarbeit bereit, sofern sie ihre Entgeltansprüche als durch das Insolvenzgeld gesichert ansehen, das nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate gezahlt wird. Hätten Arbeitnehmer Entgeltzahlungen des Arbeitgebers für Arbeitsleistungen, die sie in den letzten drei Monaten erbracht haben, an die Insolvenzmasse zurückzugewähren, würde das der Regelung in § 142 InsO zugrunde liegende Ziel, dass der Schuldner in der Krise nicht praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen ist und seine Geschäfte fortführen kann(FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 142 Rn. 1), in aller Regel verfehlt.

19

b) Die Gehaltszahlungen der Schuldnerin am 4. und 7. Mai 2007 für die Zeit vom 1. Januar bis zum 6. Februar 2007 stellen kongruente Deckungen im Sinne von § 130 Abs. 1 InsO dar. Dem Kläger standen die gezahlten Beträge zu. Dieser erlangte die Zahlungen auch innerhalb der Krise. Die Zahlungen am 4. und 7. Mai 2007 erfolgten innerhalb der letzten drei Monate vor dem am 10. Juli 2007 von der A gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO).

20

c) Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Schuldnerin bei den Gehaltszahlungen an den Kläger im Mai 2007 zahlungsunfähig war. Es hat sich jedoch in vollem Umfang die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht. Dieses hat zu Gunsten des Beklagten unterstellt, dass die Schuldnerin zum Zeitpunkt der an den Kläger im Mai 2007 geleisteten Zahlungen zahlungsunfähig im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO gewesen ist. Davon ist deshalb auch im Revisionsverfahren auszugehen, zumal der Kläger die vom Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht unterstellte Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht mit Gegenrügen angegriffen hat und Umstände, die die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bereits im Mai 2007 in Frage stellen könnten, nicht ersichtlich sind.

21

d) Allerdings setzt die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung nach § 130 Abs. 1 InsO nicht nur voraus, dass der objektive Tatbestand dieser Bestimmung vorliegt und der Schuldner bei Vornahme der Deckungshandlung zahlungsunfähig war. Anfechtbar ist eine Rechtshandlung nach § 130 Abs. 1 InsO nur dann, wenn auch der subjektive Tatbestand dieser Bestimmung erfüllt ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO) oder bei einer nach dem Eröffnungsantrag vorgenommenen Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO) kannte.

22

aa) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe am 4. und 7. Mai 2007 keine positive Kenntnis im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

23

(1) Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Verhalten des Schuldners nach außen hervorgetreten ist, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - Rn. 11, ZInsO 2009, 2148). Die Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gilt auch im Rahmen des § 130 Abs. 1 InsO(BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - Rn. 13, BGHZ 180, 63; 20. November 2001 - IX ZR 48/01 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 149, 178; FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 38). Auf die Merkmale der „Dauer“ und der „Wesentlichkeit“ hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung bei der Umschreibung der Zahlungsunfähigkeit verzichtet (vgl. Gottwald/Uhlenbruck/Gundlach Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 6 Rn. 8). Nach der Gesetzesbegründung (Begr. zu § 20 Eröffnungsgrund und § 21 Zahlungsunfähigkeit RegE, BT-Drucks. 12/2443 S. 114) versteht es sich von selbst - und braucht deshalb nicht besonders zum Ausdruck gebracht zu werden -, dass eine vorübergehende Zahlungsstockung keine Zahlungsunfähigkeit begründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt eine Zahlungsunfähigkeit, die sich voraussichtlich innerhalb kurzer Zeit beheben lässt, lediglich als Zahlungsstockung (24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - BGHZ 163, 134). Der Zeitraum, innerhalb dessen die Zahlungsstockung beseitigt sein musste, andernfalls sie als Zahlungsunfähigkeit behandelt wurde, war unter der Geltung der Konkursordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung auf etwa einen Monat begrenzt worden (BGH 20. November 2001 - IX ZR 48/01 - BGHZ 149, 178). Da der Gesetzgeber der Insolvenzordnung diesen Zeitraum verkürzen wollte, kann eine Illiquidität nur noch dann als Zahlungsstockung angesehen werden, wenn sie den Zeitraum nicht überschreitet, den eine kreditwürdige Person zur Kreditbeschaffung benötigt (FK-InsO/Schmerbach 6. Aufl. § 17 Rn. 20 f.). Die Grenze liegt bei drei Wochen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Dies bedeutet freilich noch nicht, dass ein Schuldner generell bereits dann zahlungsunfähig ist, wenn er seine fälligen Verbindlichkeiten nicht binnen einer dreiwöchigen Frist zu 100 % erfüllen kann. Kann er innerhalb dieser Frist seine Verbindlichkeiten bis auf einen geringfügigen Rest bedienen, ist er nicht als zahlungsunfähig anzusehen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Eine nur geringfügige Liquiditätslücke liegt in der Regel dann nicht mehr vor, wenn innerhalb von drei Wochen 10 % oder mehr der fälligen Gesamtverbindlichkeiten nicht erfüllt werden können (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - ZInsO 2009, 2148). Allerdings erlaubt diese Quote für sich allein genommen noch keine abschließende Bewertung des wirtschaftlich komplexen Sachverhalts der Zahlungsunfähigkeit. Der prozentuale Schwellenwert hat die Bedeutung, dass sein Erreichen eine widerlegbare Vermutung für die Zahlungsunfähigkeit begründet. Liegt eine Unterdeckung von weniger als 10 % vor, genügt sie allein nicht zum Beleg der Zahlungsunfähigkeit. Wenn diese gleichwohl angenommen werden soll, müssen besondere Umstände vorliegen, die diesen Standpunkt stützen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Eine Zahlungseinstellung kann aber auch dann schon vorliegen, wenn der Schuldner noch einzelne beträchtliche Zahlungen erbringt, sofern daneben wesentliche fällige und eingeforderte Schulden unerfüllt bleiben (vgl. zur Zahlungseinstellung im Sinne von § 102 Abs. 2 KO BGH 10. Juli 2003 - IX ZR 89/02 - ZInsO 2003, 755).

24

(2) Kenntnis bedeutet für sicher gehaltenes, positives Wissen (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63; MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 33; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 24; zur positiven Kenntnis von der Zahlungseinstellung im Sinne von § 30 KO vgl. BGH 15. November 1990 - IX ZR 92/90 - WM 1991, 150). Der Gläubiger kennt die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung als komplexen Rechtsbegriff nur, wenn er selbst die Liquidität oder das Zahlungsverhalten des Schuldners wenigstens laienhaft so bewertet (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - aaO). Dieses positive Wissen muss bei der Vornahme der Rechtshandlung und damit grundsätzlich in dem Zeitpunkt vorhanden sein, in dem die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung eintreten (§ 140 Abs. 1 InsO). Dazu ist regelmäßig erforderlich, dass dem Gläubiger zum einen Informationen über den Gesamtbestand der gegen den Schuldner gerichteten, in den nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten und über die in dieser Zeit vorhandenen Geldmittel vorliegen. Zum anderen muss der Gläubiger aus diesen Informationen den Schluss ziehen, dass der Schuldner wesentliche Teile seiner in den nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten nicht wird tilgen können (KPB/Schoppmeyer InsO Stand Mai 2011 § 130 Rn. 110; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Die Kenntnis allein der einzelnen Tatsachen, die eine Zahlungsunfähigkeit begründen, genügt damit für sich nicht (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 33). Nicht ausreichend ist es auch im Einzelfall, wenn der Gläubiger nur die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens fürchtet oder Zweifel an der Kreditwürdigkeit des Schuldners hat (FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 44). Bei der Beurteilung, ob der Gläubiger über ausreichende Informationen über den Gesamtbestand der Verbindlichkeiten und über das vorhandene Vermögen verfügt, kann auch die Rechtsform des Unternehmens von Bedeutung sein, wobei die Unternehmensform des eingetragenen Kaufmanns den Überblick über die Liquiditäts- und Zahlungslage nicht erleichtern muss, sondern auch erschweren kann.

25

(3) Regelmäßig muss der Insolvenzverwalter nicht nur alle objektiven, sondern auch alle subjektiven Voraussetzungen der Deckungsanfechtung beweisen (BGH 12. Juli 2007 - IX ZR 210/04 - ZInsO 2007, 1046; MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 61). Dazu hat er substantiiert die im konkreten Einzelfall einschlägigen Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Eröffnungsantrag ergibt (FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 57; eingehend zum Beweisrecht bei Kongruenzanfechtung rückständiger Lohnzahlungen an Arbeitnehmer Huber FS Ganter S. 203, 204 ff.). Nur gegenüber einer dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestehenden Person im Sinne von § 138 InsO wird gemäß § 130 Abs. 2 InsO vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

26

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, der Beklagte habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen eine positive Kenntnis des Klägers von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bei den Gehaltszahlungen am 4. und 7. Mai 2007 abgeleitet werden könnte. Der Beklagte rügt zwar, das Landesarbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft eine Kenntnis des Klägers von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin verneint. Er hat jedoch auch im Revisionsverfahren nicht dargetan, aufgrund welcher Umstände oder Indizien sicheres Wissen des Klägers zur Liquiditätslage der Schuldnerin im Zeitpunkt der Gehaltszahlungen am 4. und 7. Mai 2007 anzunehmen ist. Der Hinweis des Beklagten auf die Kenntnis des Klägers von den Lohn- und Gehaltsrückständen und die Mitteilungen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 ist dazu unzureichend. Aufgrund der Auskünfte der Schuldnerin mussten ihre Arbeitnehmer zwar damit rechnen, dass ihre Lohn- und Gehaltsansprüche frühestens Ende Mai 2007 und damit nicht innerhalb von drei Wochen erfüllt werden. Jedoch ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht daraus noch keinen Gesamtüberblick der Arbeitnehmer der Schuldnerin über die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens abgeleitet hat.

27

e) Allerdings steht nach § 130 Abs. 2 InsO der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen(Vermutungstatsachen). Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe keine Kenntnis von solchen Tatsachen gehabt, ist jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten nicht rechtsfehlerhaft.

28

aa) § 130 Abs. 2 InsO bezweckt eine Beweiserleichterung für den Insolvenzverwalter(Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Der Rechtsanwendungsvorteil des Insolvenzverwalters besteht darin, dass die Vermutung des § 130 Abs. 2 InsO unwiderleglich ist(Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 130 Rn. 23). Die Vorschrift lässt jedoch die grob fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit nicht genügen (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63). Der Gesetzgeber hat den Begriff der grob fahrlässigen Unkenntnis bewusst vermieden, um Rechtssicherheit zu erzeugen (Bandte FS Beuthien S. 401, 404). Der Begriff der grob fahrlässigen Unkenntnis in § 145 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Regierungsentwurfs einer Insolvenzordnung wurde gestrichen und durch die neue Formulierung in § 145 Abs. 2 der Beschlussempfehlung ersetzt(Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages zum Entwurf einer Insolvenzordnung, BT-Drucks. 12/7302 S. 173 zu § 145 Abs. 1 und 2). Vorausgesetzt wird demgemäß, dass der Insolvenzgläubiger die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Erforderlich ist auch hier positive Kenntnis. Der Tatbestand des § 130 Abs. 2 InsO ist nur dann erfüllt, wenn der Anfechtungsgegner - gleichgültig aus welchen Quellen - die tatsächlichen Umstände positiv kennt, aus denen die Zahlungsunfähigkeit objektiv folgt(MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 34). Ob aufgrund dieser Kenntnis von Umständen der Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag zwingend war, ist eine Rechtsfrage. Der Einwand, er habe den Schluss nicht gezogen, hilft dem Anfechtungsgegner deshalb nicht weiter, wenn ein redlich und vernünftig Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der festgestellten Umstände sich der Einsicht nicht hätte verschließen können, dass der Schuldner tatsächlich zahlungsunfähig oder ein Eröffnungsantrag gestellt war (vgl. BGH 15. Oktober 2009 - IX ZR 201/08 - ZInsO 2009, 2244; 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 29; Huber FS Ganter S. 203, 208). Maßgebend ist nicht der individuelle Schuldvorwurf, sondern der individuelle Wissensstand (Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1670).

29

bb) § 130 Abs. 2 InsO spricht von der Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, ohne die Tatsachen, deren Kenntnis die Vermutung auslösen kann, näher zu beschreiben oder Beispiele für Indizien zu nennen, aus denen regelmäßig auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag geschlossen werden kann. Wann derartige Umstände gegeben sind, lässt sich generell auch nur schwer umschreiben (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 34).

30

(1) Im Schrifttum (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 37 ff.; Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 130 Rn. 20 und 23; FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 41; Ries/Doebert ZInsO 2009, 2367, 2370) werden als Anhaltspunkte und Beweisanzeichen für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von Vermutungstatsachen ua. genannt: Die Kenntnis des Anwachsens von Rückständen, die Kenntnis der Nichteinhaltung von Zahlungszusagen, insbesondere vom Schuldner selbst vorgeschlagener Ratenzahlungen, die Kenntnis des Rückstands mit fälligen Sozialversicherungsbeiträgen, die Kenntnis des erneuten Entstehens von Rückständen nach vorheriger (teilweiser) Befriedigung des Gläubigers, die Kenntnis der Nichtzahlung oder der schleppenden Zahlung von Löhnen und Gehältern, die Kenntnis der Häufung von Klagen und Zwangsvollstreckungen, die Kenntnis der verstärkten Inanspruchnahme von Bürgen des Schuldners, Informationen durch den Schuldner, zB bei Betriebsversammlungen, sowie Presseberichte über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens des Schuldners. Eine mit kurzfristigen Engpässen begründete bloße Stundungsbitte des Schuldners reicht dagegen allein regelmäßig nicht als Zurechnungsgrundlage aus (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 39).

31

(2) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. September 2010 (- GmS-OGB 1/09 - BGHZ 187, 105), wonach für die Klage des Insolvenzverwalters gegen einen Arbeitnehmer des Schuldners auf Rückgewähr vom Schuldner geleisteter Vergütung nach § 143 Abs. 1 InsO der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben ist, hat der Bundesgerichtshof(19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63) angenommen, dass die Kenntnis des Arbeitnehmers, dem der Arbeitgeber in der Krise noch Zahlungen auf rückständige Lohnforderungen erbringt, dass der Arbeitgeber außerdem noch anderen Arbeitnehmern Lohn schuldig ist, allein nicht den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung des Arbeitgebers rechtfertigt. Sei der Gläubiger ein Arbeitnehmer des Schuldners ohne Einblick in die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens, also ein Arbeitnehmer ohne „Insiderkenntnisse“, treffe ihn keine Erkundigungspflicht. An diesen Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 15. Oktober 2009 (- IX ZR 201/08 - Rn. 1, ZInsO 2009, 2244), die die Anfechtung von Entgeltzahlungen desselben Schuldners an einen anderen Arbeitnehmer betraf, festgehalten. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung hervorgehoben, dass jener Arbeitnehmer in seiner Funktion als Bauleiter in der Informationshierarchie nicht auf unterster Ebene gestanden sei, und hat die Würdigung der Vorinstanz nicht beanstandet, die bezüglich der positiven Kenntnis des Beklagten von Vermutungstatsachen maßgeblich auf die zeitliche Dauer und Höhe der eigenen Lohnrückstände, die erheblichen Lohnrückstände bei anderen Arbeitnehmern sowie die Kenntnis des Beklagten von den ökonomischen und wirtschaftlichen Hintergründen des Unternehmens aufgrund seiner langjährigen Stellung als Bauleiter abgestellt hatte.

32

(3) Die Stellung oder Funktion des Arbeitnehmers im Unternehmen des Schuldners ist bei der Beurteilung, ob der Arbeitnehmer positive Kenntnis von Vermutungstatsachen hatte, allerdings nicht per se maßgebend (vgl. Abele FA 2009, 133, 135; Schulz Anm. DZWIR 2009, 256, 257; kritisch wohl auch Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1674; aA Dahl NJW-Spezial 2010, 661, 662). Es trifft zwar zu, dass Arbeitnehmer in herausgehobenen Funktionen in aller Regel eher in der Lage sind, sich über die Liquiditätsgesamtlage des Schuldners zu informieren, als Arbeitnehmer auf unteren Ebenen oder dass sie aufgrund ihrer leitenden Stellung eher um die Situation des Unternehmens wissen (vgl. Bork ZIP 2007, 2337, 2338). Auch mögen Arbeitnehmer, die in der Finanzbuchhaltung tätig sind oder Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrnehmen, häufig über „Insiderkenntnisse“ verfügen (Huber NJW 2009, 1928, 1931). Wenn § 130 Abs. 2 InsO anordnet, dass die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags gleichsteht, schließt dies jedoch nicht die Vermutung ein, dass Arbeitnehmer in herausgehobenen Funktionen oder Arbeitnehmer, die im kaufmännischen Bereich oder in der Finanzbuchhaltung tätig sind, positive Kenntnis von Umständen haben, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Der Unterschied zwischen der nach § 130 Abs. 1 InsO und der nach § 130 Abs. 2 InsO erforderlichen positiven Kenntnis liegt nur im Bezugspunkt. Bei letztgenannter Vorschrift geht es um die Feststellung der positiven Kenntnis der (tatbestandsfremden) Vermutungstatsachen, von denen dann der Schluss auf die Haupttatsache gesetzlich vermutet wird (Huber FS Ganter S. 203, 208). Auch bei Arbeitnehmern ohne herausgehobene Funktion kommt eine positive Kenntnis von Vermutungstatsachen in Betracht, wenn sie zB als Sekretärin oder Chauffeur des Schuldners Umstände erfahren, die zwingend auf dessen Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (Abele FA 2009, 133, 135; vgl. dazu auch Ries/Doebert ZInsO 2009, 2367, 2369). Da § 130 Abs. 2 InsO seinem eindeutigen Wortlaut nach auf die Kenntnis von Umständen und gerade nicht auf die (grob) fahrlässige Unkenntnis von Umständen abstellt, trifft Arbeitnehmer unabhängig davon, ob sie Einblick in die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens haben, keine Erkundigungspflicht. Ein Verstoß gegen eine Erkundigungspflicht könnte zudem keine positive Kenntnis, sondern nur eine schuldhafte Unkenntnis von Vermutungstatsachen begründen (vgl. Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1; Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1669). § 130 Abs. 2 InsO ändert nichts daran, dass der Insolvenzverwalter dem Anfechtungsgegner eingehende Kenntnis über die seinerzeitige Vermögenslage des Schuldners nachweisen muss und damit beweisen muss, dass dem Anfechtungsgegner alle für die Erstellung einer Liquiditätsprognose erforderlichen Informationen über Bestand und Entwicklung der Verbindlichkeiten und kurzfristig verwertbaren Aktiva vorlagen(Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1).

33

cc) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Beklagten dieser Nachweis nicht gelungen ist.

34

(1) Es hat zunächst in Übereinstimmung mit den vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 19. Februar 2009 (- IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63) aufgestellten Grundsätzen angenommen, dass der Kläger am 4. und 7. Mai 2007 die zeitliche Dauer und Höhe der eigenen Gehaltsrückstände gekannt und gewusst hat, dass die Schuldnerin auch gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer seit mehreren Monaten mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand geraten ist, habe noch kein eindeutiges Urteil über die Liquiditäts- und Zahlungslage der Schuldnerin zugelassen, weil für den Kläger nicht erkennbar gewesen sei, welchen Anteil die Lohn- und Gehaltsrückstände an den insgesamt fälligen und eingeforderten Geldschulden hatten. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal das Landesarbeitsgericht berücksichtigen durfte, dass der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte und keine Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen hat. Deshalb hilft dem Beklagten auch seine Rüge nicht weiter, das Landesarbeitsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch verletzt, dass es über seine Behauptung, der Kläger sei über die Lohn- und Gehaltsrückstände informiert gewesen, nicht den von ihm angebotenen Zeugenbeweis erhoben habe.

35

(2) Gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass der Schuldnerin bis Anfang/Mitte Juni 2007 Material noch auf Rechnung geliefert worden ist, richtet sich kein Angriff der Revision. Wenn das Landesarbeitsgericht aus der Materialversorgung der Schuldnerin gegen Rechnung während der Krise abgeleitet hat, dass der Kläger nicht annehmen musste, die Schuldnerin sei zahlungsunfähig, ist diese tatrichterliche Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit das Landesarbeitsgericht durch Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts angenommen hat, die Informationen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007, insbesondere ihr Hinweis auf Fördermittel, hätten nicht zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen lassen.

36

III. Entgegen der Ansicht des Beklagten überschreitet auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Anfechtungsvoraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO seien nicht erfüllt, nicht die Grenzen der tatrichterlichen Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO und ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

37

1. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird diese Kenntnis vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Der Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hinweisen(BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - ZInsO 2009, 2148). Dass der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Insolvenzgläubiger benachteiligte, also ihre Befriedigung beeinträchtigte, hat der Insolvenzverwalter zu beweisen (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 133 Rn. 4 und 22). Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen(vgl. zur tatrichterlichen Verantwortung bei der Beantwortung der Frage nach der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der gläubigerbenachteiligenden Wirkung der angefochtenen Rechtshandlung Ganter WM 2009, 1441, 1445 f.). Insoweit können die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung, bei denen es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt, regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden (vgl. Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1667). Zu beachten ist, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - Rn. 8, ZInsO 2009, 2148). Die Beurteilung, ob die Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit nachgewiesen ist, unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung des Tatrichters (so zutreffend Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). Die allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze bezüglich der Beweislast und der freien Beweiswürdigung gelten auch im insolvenzrechtlichen Anfechtungsprozess (eingehend zum Beweisrecht bei Kongruenzanfechtung rückständiger Lohnzahlungen an Arbeitnehmer Huber FS Ganter S. 203, 204 ff.).

38

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, wonach der Kläger bei den Gehaltszahlungen am 4., 7. und 10. Mai 2007 keine Kenntnis von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hatte und auch nicht wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin drohte und die Gehaltszahlungen die anderen Gläubiger benachteiligten, lässt Rechtsfehler bei der Überzeugungsbildung des Landesarbeitsgerichts nicht erkennen. Die Bewertung, dass die Kenntnis des Klägers von der zeitlichen Dauer und Höhe der eigenen Gehaltsrückstände und seine Kenntnis von Gehalts- und Lohnrückständen gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer kein ausreichendes Indiz dafür ist, dass der Kläger die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder Umstände kannte, die zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hingewiesen haben, ist nicht zu beanstanden, zumal der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte und bis Anfang/Mitte Juni 2007 der Schuldnerin Material noch auf Rechnung geliefert worden ist.

39

IV. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Lorenz    

                 

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 31. März 2010 - 3 Sa 379/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung von Arbeitsvergütung aufgrund einer Insolvenzanfechtung.

2

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in dem mit Beschluss des Amtsgerichts Hof - Insolvenzgericht - am 10. September 2007 (- IN 382/07 -) über das Vermögen der N e. K. (Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren. Dem Eröffnungsbeschluss liegt ein am 10. Juli 2007 von der A gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugrunde. Der Kläger war vom 3. November 2003 bis zum 15. Juni 2007 bei der Schuldnerin gegen eine monatliche Gesamtbruttovergütung iHv. zuletzt 4.361,08 Euro beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 3. November 2003 ist vereinbart, dass dem Kläger die handwerklich-technische Leitung des Betriebs in R obliegt und der Kläger als handwerklicher Betriebsleiter insbesondere den handwerklich-technischen Arbeitsablauf zu steuern, zu betreuen und zu überwachen hat und für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk verantwortlich ist.

3

Im Jahr 2006 geriet die Schuldnerin mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand. Sie zahlte die Vergütung für Januar 2006 am 27. März 2006, die Vergütung für Februar 2006 am 10. April 2006, die Vergütung für März 2006 am 25. April 2006, die Vergütung für April 2006 am 31. Mai 2006, die Vergütung für Mai 2006 am 30. Juni 2006, die Vergütung für Juni 2006 am 26. Juli 2006, die Vergütung für Juli 2006 am 4. September 2006, die Vergütung für August 2006 am 4. Oktober 2006, die Vergütung für September 2006 am 18. Oktober 2006, die Vergütung für Oktober 2006 am 24. November 2006, die Vergütung für November 2006 am 19. Dezember 2006 und die Vergütung für Dezember 2006 am 8. März 2007. Als im April 2007 ein Großteil der Arbeitnehmer der Schuldnerin die Vergütung für die Monate Januar bis März 2007 noch nicht erhalten hatte, kam es wegen der ausstehenden Lohn- und Gehaltszahlungen zu einer Betriebsversammlung. In dieser erklärte die Schuldnerin, dass Fördermittel beantragt worden seien, die Auszahlung der Fördermittel bevorstehe und dass im Falle der Bewilligung der Fördermittel alle Lohn- und Gehaltsrückstände auf einmal beglichen würden. Die Schuldnerin zahlte dem Kläger am 4. Mai 2007 Vergütung für Januar 2007 iHv. 900,00 Euro netto und am 7. Mai 2007 iHv. 310,12 Euro netto. Seine Vergütung für Februar 2007 iHv. 2.342,19 Euro netto erhielt der Kläger von der Schuldnerin ebenfalls am 7. Mai 2007. Am 10. Mai 2007 zahlte die Schuldnerin dem Kläger Vergütung für März 2007 iHv. 2.310,89 Euro netto. Der Beklagte focht mit Schreiben vom 1. Oktober 2007 die dem Kläger von der Schuldnerin am 4., 7. und 10. Mai 2007 geleisteten Gehaltszahlungen iHv. insgesamt 5.863,20 Euro netto an und forderte den Kläger zugleich ohne Erfolg auf, die erhaltenen Beträge zur Insolvenzmasse zurückzuerstatten.

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Der Kläger ist der Ansicht, er habe der Insolvenzmasse die ihm im Mai 2007 von der Schuldnerin gezahlte Vergütung nicht zurückzugewähren. Die Schuldnerin sei zum Zeitpunkt der Zahlungen nicht zahlungsunfähig gewesen, jedenfalls habe er keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder von Umständen gehabt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hätten schließen lassen. An der Betriebsversammlung im April 2007 habe er wegen Urlaubs nicht teilgenommen. Im Übrigen würde seine Kenntnis von Lohn- und Gehaltsrückständen gegenüber einem Großteil der Arbeitnehmer der Schuldnerin eine Insolvenzanfechtung nicht rechtfertigen. Er habe weder Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin gehabt noch Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen. Der tägliche Arbeitsablauf im Mai 2007 habe keine Rückschlüsse auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zugelassen. Lieferanten der Schuldnerin, zB die Firmen B, Niederlassung Z, oder H, hätten bis Anfang/Mitte Juni 2007 Waren gegen Rechnung geliefert. Schließlich sei es auch in der Vergangenheit schon zu Verzögerungen bei der Lohn- und Gehaltszahlung gekommen, die rückständigen Löhne und Gehälter seien jedoch jeweils ordnungsgemäß nachbezahlt worden.

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Der Kläger hat beantragt:

        

Es wird festgestellt, dass der Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von Arbeitsentgelt der Monate Januar 2007, Februar 2007 und März 2007 in Höhe von 5.863,20 Euro gegen den Kläger hat.

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Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, die Gehaltszahlungen der Schuldnerin an den Kläger im Mai 2007 seien anfechtbare Rechtshandlungen im Sinne der § 130 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO. Die Schuldnerin sei im Mai 2007 zahlungsunfähig gewesen. Die Kreditlinie der Schuldnerin bei der Sparkasse F sei nahezu ausgeschöpft gewesen. Auf der anderen Seite hätten Verbindlichkeiten der Schuldnerin aus Lieferung und Leistung sowie aufgrund rückständiger Lohn- und Gehaltszahlungen und nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge iHv. mehr als drei Millionen Euro bestanden. Der Kläger habe bei der Entgegennahme der Gehaltszahlungen im Mai 2007 gewusst, dass sich die Schuldnerin mit der Zahlung der Vergütung auch gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer mehrere Monate im Rückstand befunden habe. Aufgrund der Informationen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 habe der Kläger auch davon Kenntnis gehabt, dass mit Lohn- und Gehaltszahlungen der Schuldnerin nur im Falle der Gewährung von Fördermitteln habe gerechnet werden können. Über die Mitteilungen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 sei der Kläger trotz seines Urlaubs informiert gewesen. Der Kläger habe deshalb gewusst, dass die Schuldnerin ihre Arbeitnehmer frühestens Ende Mai 2007 wieder vergüten werde können, so dass es sich nicht um eine vorübergehende Zahlungsstockung von bis zu drei Wochen gehandelt habe. Auch die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO seien erfüllt. Der Kläger habe bei den Gehaltszahlungen im Mai 2007 Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, weil er zumindest gewusst habe, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gedroht und die Gehaltszahlung der Schuldnerin an ihn andere Gläubiger benachteiligt habe.

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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der negativen Feststellungsklage des Klägers weiter. Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die Annahme der Vorinstanzen, der Kläger sei nicht gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO iVm. § 130 Abs. 1 InsO bzw. iVm. § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, 5.863,20 Euro zur Insolvenzmasse zurückzugewähren, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

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I. Die Klage ist zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für die negative Feststellungsklage liegt vor. Zwischen den Parteien besteht Streit, ob der Kläger die im Mai 2007 von der Schuldnerin erhaltenen Gehaltszahlungen iHv. insgesamt 5.863,20 Euro netto zur Insolvenzmasse zurückzugewähren hat, wie dies der Beklagte in seinem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 1. Oktober 2007 verlangt hat. Die Entscheidung über die negative Feststellungsklage des Klägers ist geeignet, den Streit der Parteien über die Anfechtbarkeit der Gehaltszahlungen der Schuldnerin an den Kläger im Mai 2007 zu beenden.

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II. Der Beklagte hat keinen Anspruch gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO iVm. § 130 Abs. 1 InsO auf Rückzahlung von 5.863,20 Euro zur Insolvenzmasse.

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1. Die Regelungen in § 130 InsO gelten allerdings uneingeschränkt auch für Anfechtungsklagen eines Insolvenzverwalters bei Lohnzahlungen eines Arbeitgebers in der Krise. Zwar waren im Geltungsbereich der Konkursordnung rückständige Lohnansprüche aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO als Masseschulden vom Insolvenzverwalter voll zu befriedigen, so dass sich die Frage einer Anfechtung von Lohnzahlungen während dieses Zeitraums mangels einer Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich nicht stellte (Huber NJW 2009, 1928, 1929). Dieses Arbeitnehmerprivileg hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung mit Wirkung zum 1. Januar 1999 jedoch abgeschafft und Arbeitnehmer mit Ansprüchen wegen rückständiger Arbeitsvergütung bezüglich der Deckungsanfechtung ungesicherten Insolvenzgläubigern gleichgestellt. Die Deckungsanfechtung dient der Anreicherung der Insolvenzmasse (zu diesem Hauptziel der Insolvenzrechtsreform vgl. Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14) und fußt auf dem das Insolvenzrecht beherrschenden Grundsatz, dass im Insolvenzverfahren alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden sollen (par conditio creditorum, vgl. zum insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz BAG 19. Mai 2011 - 6 AZR 736/09 - ZIP 2011, 1628). Die gleiche Zugriffslage der Gläubiger soll dadurch sichergestellt werden, dass während der wirtschaftlichen Krise vorgenommene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden können. Allerdings soll auch der redliche Verkehr in seinem Vertrauen geschützt werden, dass vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Verfügungen des Schuldners Bestand haben (KPB/Schoppmeyer InsO Stand Mai 2011 § 130 Rn. 104; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Ein komplexer Rechts- und damit Wirtschaftsverkehr ist nicht zu gewährleisten, wenn die Teilnehmer letztlich auf gar nichts mehr vertrauen können und damit faktisch gezwungen werden, sogar jeden bereits erhaltenen Vermögensvorteil nochmals durch ein Sicherungsrecht oder durch ein - wie auch immer eingekleidetes - Vorrecht zu befestigen (Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14).

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2. Der Kläger hat am 4., 7. und 10. Mai 2007 den Betrag iHv. insgesamt 5.863,20 Euro nicht durch anfechtbare Rechtshandlung im Sinne von § 130 Abs. 1 InsO erlangt.

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a) Bei der Zahlung des Gehalts für Januar 2007 iHv. 900,00 Euro netto am 4. Mai 2007 und iHv. 310,12 Euro netto am 7. Mai 2007 handelt es sich allerdings nicht um ein Bargeschäft iSv. § 142 InsO, das nach dieser Bestimmung nur anfechtbar ist, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Auch soweit die Schuldnerin mit der Gehaltszahlung iHv. 2.342,19 Euro netto am 7. Mai 2007 Arbeitsleistungen des Klägers in der Zeit vom 1. bis zum 6. Februar 2007 vergütet hat, liegt kein Bargeschäft iSv. § 142 InsO vor. Die Zahlung der Schuldnerin iHv. 2.342,19 Euro netto ist dagegen nicht nach § 130 Abs. 1 InsO anfechtbar, soweit diese Zahlung der Vergütung vom Kläger in der Zeit vom 7. bis zum 28. Februar 2007 erbrachter Arbeitsleistungen diente. Auch die Zahlung des Gehalts für März 2007 iHv. 2.310,89 Euro netto am 10. Mai 2007 unterliegt als Bargeschäft iSv. § 142 InsO nicht der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO.

14

aa) Gemäß § 142 InsO ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Dem Erfordernis der Unmittelbarkeit entsprechen auch solche Geschäfte, bei denen der Schuldner in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner eine gleichwertige Gegenleistung erhält (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190; 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01 - WM 2006, 190; ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24). Einigkeit besteht, dass Leistung und Gegenleistung beim Bargeschäft nicht Zug um Zug erbracht werden müssen (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO; Leithaus in Andres/Leithaus InsO 2. Aufl. § 142 Rn. 4). Anerkannt ist auch, dass länger andauernde Vertragsbeziehungen nicht von vornherein als Bargeschäft ausscheiden, sondern auch Dienstleistungen Bargeschäfte sein können. Allerdings ist bei länger währenden Vertragsbeziehungen für die Annahme eines Bargeschäfts zu verlangen, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar sind und zeitnah ausgetauscht werden (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO). Wie lange der Charakter eines Bargeschäfts erhalten bleibt, lässt sich nicht allgemeingültig bestimmen, sondern ist nach der Verkehrsauffassung zu entscheiden (Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 142 Rn. 3). Ob eine Leistung von der Privilegierung des § 142 InsO erfasst wird, hängt wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und davon ab, in welcher Zeitspanne sich der Austausch nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs vollzieht(BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO; ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24).

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bb) Unter welchen zeitlichen Voraussetzungen verspätete Entgeltzahlungen des Arbeitgebers noch Bargeschäfte im Sinne von § 142 InsO sind und damit der Privilegierung dieser Vorschrift unterliegen, ist im Schrifttum umstritten(vgl. Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). So soll ein Bargeschäft bereits dann ausgeschlossen sein, wenn die Vergütung nicht nur einige Tage verspätet (Zwanziger BB 2007, 42, 43) oder nicht einigermaßen pünktlich (Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1)gezahlt wird. Als zeitliche Grenze des Bargeschäftscharakters einer verspäteten Lohnzahlung werden auch Fristen von drei Wochen (Huber NJW 2009, 1928, 1929; Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1666; Wegener NZI 2009, 225), von ca. vier Wochen (Abele FA 2009, 133), von nicht mehr als 30 Tagen (Bichlmeier/Wroblewski Das Insolvenzhandbuch für die Praxis 3. Aufl. Teil 1 Rn. 52; Bork ZIP 2007, 2337, 2338 f.) und von nicht mehr als einem Kalendermonat (ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24) genannt.

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cc) Die genannten Zeitspannen sind zu kurz bemessen. Die für die abschnittsweise Vergütung abschnittsweise erbrachter Leistungen entwickelten Grundsätze passen nicht für Arbeitsverhältnisse (Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). Bei verspäteten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers überzeugt für die Frage eines Bargeschäfts auch die Heranziehung der in § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB geregelten Verzugsfrist von 30 Tagen nicht(vgl. zur Anlehnung an diese Frist bei Zahlung der Anwaltsgebühr BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190 sowie Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 30 und 34).

17

(1) Wenn die Frage, ob eine Leistung von der Privilegierung des § 142 InsO erfasst wird, wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und davon abhängt, in welcher Zeitspanne sich der Austausch nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs vollzieht, spricht als rechtstatsächliches Argument für eine längere Frist bereits, dass in nicht wenigen Branchen eine verzögerte Zahlung der Vergütung schon fast die Regel ist und die nicht selten schlechte Zahlungsmoral der Auftraggeber und Schuldner von Arbeitgebern bewirkt, dass die verspäteten Eingänge von Forderungen auch zu verzögerten Lohn- und Gehaltszahlungen führen(vgl. Bandte FS Beuthien S. 401, 405). Dass im Falle einer Kreditgewährung ein Bargeschäft nicht in Betracht kommt, rechtfertigt zwar noch nicht den Umkehrschluss, ein Bargeschäft liege immer dann vor, wenn kein Kredit gewährt werde (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190). Jedoch sind nach der Verkehrsanschauung Entgeltzahlungen von Arbeitgebern für Arbeitsleistungen in den letzten drei Monaten, die Arbeitnehmer im Hinblick auf den in § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III festgesetzten Insolvenzgeldzeitraum zumeist als abgesichert anzusehen pflegen, nicht nur nicht Tilgung eines Kredits, sondern noch Leistungen im engen zeitlichen Zusammenhang mit der von den Arbeitnehmern erbrachten Gegenleistung.

18

(2) Hinzu kommt, dass im Arbeitsverhältnis Arbeit dauernd und nicht abschnittsweise geleistet wird und die Masse nicht nur von den erbrachten Arbeitsleistungen, sondern vor allem auch vom Fortbestand des Betriebs als funktionaler Einheit profitiert. Dazu ist erforderlich, dass die einzelnen Arbeitnehmer überhaupt „bei der Stange bleiben“ - und auch dies wird mit der Berichtigung von Lohnrückständen „erkauft“ (so zutreffend Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14; aA Wegener NZI 2009, 225, 226). Zwar trifft es zu, dass der Arbeitgeber nach § 614 Satz 2 BGB eine nach Zeitabschnitten bemessene Vergütung nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten hat, der Arbeitnehmer damit Vorleistungen zu erbringen hat und im Allgemeinen derjenige, der an den Schuldner Vorleistungen erbracht hat, wegen seines Anspruchs auf die Gegenleistung nur eine Insolvenzforderung hat(BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190). Allerdings bezweckt die Regelung in § 142 InsO, dem in der Krise befindlichen Schuldner eine weitere Teilnahme am Geschäftsverkehr zu ermöglichen, wenn dies die Gläubigergesamtheit nicht beeinträchtigt. Wenn aber § 142 InsO den Zweck erfüllen soll, dass der Schuldner auch in der Krise vorsichtig weiterwirtschaften kann, ist es in aller Regel erforderlich, dass der Betrieb des Arbeitgebers als funktionale Einheit fortbesteht und die Arbeitnehmer bereit sind, die ihnen obliegenden Arbeitsleistungen trotz des Zahlungsverzugs zu erbringen. Ein Unternehmen in der Krise, das die Unterstützung seiner Arbeitnehmer verliert, weil es sie in die Kündigung oder in die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts treibt, wird umso schneller am Ende sein, so dass die Perspektive einer sanierenden Insolvenz schon im Vorfeld der Antragstellung verloren ginge (Abele FA 2009, 133, 135). In der Regel ist die Mehrzahl der Arbeitnehmer trotz des Zahlungsverzugs des Arbeitgebers zur Weiterarbeit bereit, sofern sie ihre Entgeltansprüche als durch das Insolvenzgeld gesichert ansehen, das nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate gezahlt wird. Hätten Arbeitnehmer Entgeltzahlungen des Arbeitgebers für Arbeitsleistungen, die sie in den letzten drei Monaten erbracht haben, an die Insolvenzmasse zurückzugewähren, würde das der Regelung in § 142 InsO zugrunde liegende Ziel, dass der Schuldner in der Krise nicht praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen ist und seine Geschäfte fortführen kann(FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 142 Rn. 1), in aller Regel verfehlt.

19

b) Die Gehaltszahlungen der Schuldnerin am 4. und 7. Mai 2007 für die Zeit vom 1. Januar bis zum 6. Februar 2007 stellen kongruente Deckungen im Sinne von § 130 Abs. 1 InsO dar. Dem Kläger standen die gezahlten Beträge zu. Dieser erlangte die Zahlungen auch innerhalb der Krise. Die Zahlungen am 4. und 7. Mai 2007 erfolgten innerhalb der letzten drei Monate vor dem am 10. Juli 2007 von der A gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO).

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c) Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Schuldnerin bei den Gehaltszahlungen an den Kläger im Mai 2007 zahlungsunfähig war. Es hat sich jedoch in vollem Umfang die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht. Dieses hat zu Gunsten des Beklagten unterstellt, dass die Schuldnerin zum Zeitpunkt der an den Kläger im Mai 2007 geleisteten Zahlungen zahlungsunfähig im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO gewesen ist. Davon ist deshalb auch im Revisionsverfahren auszugehen, zumal der Kläger die vom Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht unterstellte Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht mit Gegenrügen angegriffen hat und Umstände, die die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bereits im Mai 2007 in Frage stellen könnten, nicht ersichtlich sind.

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d) Allerdings setzt die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung nach § 130 Abs. 1 InsO nicht nur voraus, dass der objektive Tatbestand dieser Bestimmung vorliegt und der Schuldner bei Vornahme der Deckungshandlung zahlungsunfähig war. Anfechtbar ist eine Rechtshandlung nach § 130 Abs. 1 InsO nur dann, wenn auch der subjektive Tatbestand dieser Bestimmung erfüllt ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO) oder bei einer nach dem Eröffnungsantrag vorgenommenen Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO) kannte.

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aa) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe am 4. und 7. Mai 2007 keine positive Kenntnis im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

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(1) Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Verhalten des Schuldners nach außen hervorgetreten ist, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - Rn. 11, ZInsO 2009, 2148). Die Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gilt auch im Rahmen des § 130 Abs. 1 InsO(BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - Rn. 13, BGHZ 180, 63; 20. November 2001 - IX ZR 48/01 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 149, 178; FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 38). Auf die Merkmale der „Dauer“ und der „Wesentlichkeit“ hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung bei der Umschreibung der Zahlungsunfähigkeit verzichtet (vgl. Gottwald/Uhlenbruck/Gundlach Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 6 Rn. 8). Nach der Gesetzesbegründung (Begr. zu § 20 Eröffnungsgrund und § 21 Zahlungsunfähigkeit RegE, BT-Drucks. 12/2443 S. 114) versteht es sich von selbst - und braucht deshalb nicht besonders zum Ausdruck gebracht zu werden -, dass eine vorübergehende Zahlungsstockung keine Zahlungsunfähigkeit begründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt eine Zahlungsunfähigkeit, die sich voraussichtlich innerhalb kurzer Zeit beheben lässt, lediglich als Zahlungsstockung (24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - BGHZ 163, 134). Der Zeitraum, innerhalb dessen die Zahlungsstockung beseitigt sein musste, andernfalls sie als Zahlungsunfähigkeit behandelt wurde, war unter der Geltung der Konkursordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung auf etwa einen Monat begrenzt worden (BGH 20. November 2001 - IX ZR 48/01 - BGHZ 149, 178). Da der Gesetzgeber der Insolvenzordnung diesen Zeitraum verkürzen wollte, kann eine Illiquidität nur noch dann als Zahlungsstockung angesehen werden, wenn sie den Zeitraum nicht überschreitet, den eine kreditwürdige Person zur Kreditbeschaffung benötigt (FK-InsO/Schmerbach 6. Aufl. § 17 Rn. 20 f.). Die Grenze liegt bei drei Wochen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Dies bedeutet freilich noch nicht, dass ein Schuldner generell bereits dann zahlungsunfähig ist, wenn er seine fälligen Verbindlichkeiten nicht binnen einer dreiwöchigen Frist zu 100 % erfüllen kann. Kann er innerhalb dieser Frist seine Verbindlichkeiten bis auf einen geringfügigen Rest bedienen, ist er nicht als zahlungsunfähig anzusehen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Eine nur geringfügige Liquiditätslücke liegt in der Regel dann nicht mehr vor, wenn innerhalb von drei Wochen 10 % oder mehr der fälligen Gesamtverbindlichkeiten nicht erfüllt werden können (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - ZInsO 2009, 2148). Allerdings erlaubt diese Quote für sich allein genommen noch keine abschließende Bewertung des wirtschaftlich komplexen Sachverhalts der Zahlungsunfähigkeit. Der prozentuale Schwellenwert hat die Bedeutung, dass sein Erreichen eine widerlegbare Vermutung für die Zahlungsunfähigkeit begründet. Liegt eine Unterdeckung von weniger als 10 % vor, genügt sie allein nicht zum Beleg der Zahlungsunfähigkeit. Wenn diese gleichwohl angenommen werden soll, müssen besondere Umstände vorliegen, die diesen Standpunkt stützen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Eine Zahlungseinstellung kann aber auch dann schon vorliegen, wenn der Schuldner noch einzelne beträchtliche Zahlungen erbringt, sofern daneben wesentliche fällige und eingeforderte Schulden unerfüllt bleiben (vgl. zur Zahlungseinstellung im Sinne von § 102 Abs. 2 KO BGH 10. Juli 2003 - IX ZR 89/02 - ZInsO 2003, 755).

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(2) Kenntnis bedeutet für sicher gehaltenes, positives Wissen (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63; MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 33; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 24; zur positiven Kenntnis von der Zahlungseinstellung im Sinne von § 30 KO vgl. BGH 15. November 1990 - IX ZR 92/90 - WM 1991, 150). Der Gläubiger kennt die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung als komplexen Rechtsbegriff nur, wenn er selbst die Liquidität oder das Zahlungsverhalten des Schuldners wenigstens laienhaft so bewertet (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - aaO). Dieses positive Wissen muss bei der Vornahme der Rechtshandlung und damit grundsätzlich in dem Zeitpunkt vorhanden sein, in dem die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung eintreten (§ 140 Abs. 1 InsO). Dazu ist regelmäßig erforderlich, dass dem Gläubiger zum einen Informationen über den Gesamtbestand der gegen den Schuldner gerichteten, in den nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten und über die in dieser Zeit vorhandenen Geldmittel vorliegen. Zum anderen muss der Gläubiger aus diesen Informationen den Schluss ziehen, dass der Schuldner wesentliche Teile seiner in den nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten nicht wird tilgen können (KPB/Schoppmeyer InsO Stand Mai 2011 § 130 Rn. 110; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Die Kenntnis allein der einzelnen Tatsachen, die eine Zahlungsunfähigkeit begründen, genügt damit für sich nicht (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 33). Nicht ausreichend ist es auch im Einzelfall, wenn der Gläubiger nur die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens fürchtet oder Zweifel an der Kreditwürdigkeit des Schuldners hat (FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 44). Bei der Beurteilung, ob der Gläubiger über ausreichende Informationen über den Gesamtbestand der Verbindlichkeiten und über das vorhandene Vermögen verfügt, kann auch die Rechtsform des Unternehmens von Bedeutung sein, wobei die Unternehmensform des eingetragenen Kaufmanns den Überblick über die Liquiditäts- und Zahlungslage nicht erleichtern muss, sondern auch erschweren kann.

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(3) Regelmäßig muss der Insolvenzverwalter nicht nur alle objektiven, sondern auch alle subjektiven Voraussetzungen der Deckungsanfechtung beweisen (BGH 12. Juli 2007 - IX ZR 210/04 - ZInsO 2007, 1046; MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 61). Dazu hat er substantiiert die im konkreten Einzelfall einschlägigen Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Eröffnungsantrag ergibt (FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 57; eingehend zum Beweisrecht bei Kongruenzanfechtung rückständiger Lohnzahlungen an Arbeitnehmer Huber FS Ganter S. 203, 204 ff.). Nur gegenüber einer dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestehenden Person im Sinne von § 138 InsO wird gemäß § 130 Abs. 2 InsO vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

26

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, der Beklagte habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen eine positive Kenntnis des Klägers von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bei den Gehaltszahlungen am 4. und 7. Mai 2007 abgeleitet werden könnte. Der Beklagte rügt zwar, das Landesarbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft eine Kenntnis des Klägers von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin verneint. Er hat jedoch auch im Revisionsverfahren nicht dargetan, aufgrund welcher Umstände oder Indizien sicheres Wissen des Klägers zur Liquiditätslage der Schuldnerin im Zeitpunkt der Gehaltszahlungen am 4. und 7. Mai 2007 anzunehmen ist. Der Hinweis des Beklagten auf die Kenntnis des Klägers von den Lohn- und Gehaltsrückständen und die Mitteilungen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 ist dazu unzureichend. Aufgrund der Auskünfte der Schuldnerin mussten ihre Arbeitnehmer zwar damit rechnen, dass ihre Lohn- und Gehaltsansprüche frühestens Ende Mai 2007 und damit nicht innerhalb von drei Wochen erfüllt werden. Jedoch ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht daraus noch keinen Gesamtüberblick der Arbeitnehmer der Schuldnerin über die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens abgeleitet hat.

27

e) Allerdings steht nach § 130 Abs. 2 InsO der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen(Vermutungstatsachen). Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe keine Kenntnis von solchen Tatsachen gehabt, ist jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten nicht rechtsfehlerhaft.

28

aa) § 130 Abs. 2 InsO bezweckt eine Beweiserleichterung für den Insolvenzverwalter(Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Der Rechtsanwendungsvorteil des Insolvenzverwalters besteht darin, dass die Vermutung des § 130 Abs. 2 InsO unwiderleglich ist(Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 130 Rn. 23). Die Vorschrift lässt jedoch die grob fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit nicht genügen (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63). Der Gesetzgeber hat den Begriff der grob fahrlässigen Unkenntnis bewusst vermieden, um Rechtssicherheit zu erzeugen (Bandte FS Beuthien S. 401, 404). Der Begriff der grob fahrlässigen Unkenntnis in § 145 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Regierungsentwurfs einer Insolvenzordnung wurde gestrichen und durch die neue Formulierung in § 145 Abs. 2 der Beschlussempfehlung ersetzt(Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages zum Entwurf einer Insolvenzordnung, BT-Drucks. 12/7302 S. 173 zu § 145 Abs. 1 und 2). Vorausgesetzt wird demgemäß, dass der Insolvenzgläubiger die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Erforderlich ist auch hier positive Kenntnis. Der Tatbestand des § 130 Abs. 2 InsO ist nur dann erfüllt, wenn der Anfechtungsgegner - gleichgültig aus welchen Quellen - die tatsächlichen Umstände positiv kennt, aus denen die Zahlungsunfähigkeit objektiv folgt(MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 34). Ob aufgrund dieser Kenntnis von Umständen der Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag zwingend war, ist eine Rechtsfrage. Der Einwand, er habe den Schluss nicht gezogen, hilft dem Anfechtungsgegner deshalb nicht weiter, wenn ein redlich und vernünftig Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der festgestellten Umstände sich der Einsicht nicht hätte verschließen können, dass der Schuldner tatsächlich zahlungsunfähig oder ein Eröffnungsantrag gestellt war (vgl. BGH 15. Oktober 2009 - IX ZR 201/08 - ZInsO 2009, 2244; 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 29; Huber FS Ganter S. 203, 208). Maßgebend ist nicht der individuelle Schuldvorwurf, sondern der individuelle Wissensstand (Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1670).

29

bb) § 130 Abs. 2 InsO spricht von der Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, ohne die Tatsachen, deren Kenntnis die Vermutung auslösen kann, näher zu beschreiben oder Beispiele für Indizien zu nennen, aus denen regelmäßig auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag geschlossen werden kann. Wann derartige Umstände gegeben sind, lässt sich generell auch nur schwer umschreiben (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 34).

30

(1) Im Schrifttum (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 37 ff.; Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 130 Rn. 20 und 23; FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 41; Ries/Doebert ZInsO 2009, 2367, 2370) werden als Anhaltspunkte und Beweisanzeichen für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von Vermutungstatsachen ua. genannt: Die Kenntnis des Anwachsens von Rückständen, die Kenntnis der Nichteinhaltung von Zahlungszusagen, insbesondere vom Schuldner selbst vorgeschlagener Ratenzahlungen, die Kenntnis des Rückstands mit fälligen Sozialversicherungsbeiträgen, die Kenntnis des erneuten Entstehens von Rückständen nach vorheriger (teilweiser) Befriedigung des Gläubigers, die Kenntnis der Nichtzahlung oder der schleppenden Zahlung von Löhnen und Gehältern, die Kenntnis der Häufung von Klagen und Zwangsvollstreckungen, die Kenntnis der verstärkten Inanspruchnahme von Bürgen des Schuldners, Informationen durch den Schuldner, zB bei Betriebsversammlungen, sowie Presseberichte über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens des Schuldners. Eine mit kurzfristigen Engpässen begründete bloße Stundungsbitte des Schuldners reicht dagegen allein regelmäßig nicht als Zurechnungsgrundlage aus (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 39).

31

(2) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. September 2010 (- GmS-OGB 1/09 - BGHZ 187, 105), wonach für die Klage des Insolvenzverwalters gegen einen Arbeitnehmer des Schuldners auf Rückgewähr vom Schuldner geleisteter Vergütung nach § 143 Abs. 1 InsO der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben ist, hat der Bundesgerichtshof(19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63) angenommen, dass die Kenntnis des Arbeitnehmers, dem der Arbeitgeber in der Krise noch Zahlungen auf rückständige Lohnforderungen erbringt, dass der Arbeitgeber außerdem noch anderen Arbeitnehmern Lohn schuldig ist, allein nicht den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung des Arbeitgebers rechtfertigt. Sei der Gläubiger ein Arbeitnehmer des Schuldners ohne Einblick in die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens, also ein Arbeitnehmer ohne „Insiderkenntnisse“, treffe ihn keine Erkundigungspflicht. An diesen Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 15. Oktober 2009 (- IX ZR 201/08 - Rn. 1, ZInsO 2009, 2244), die die Anfechtung von Entgeltzahlungen desselben Schuldners an einen anderen Arbeitnehmer betraf, festgehalten. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung hervorgehoben, dass jener Arbeitnehmer in seiner Funktion als Bauleiter in der Informationshierarchie nicht auf unterster Ebene gestanden sei, und hat die Würdigung der Vorinstanz nicht beanstandet, die bezüglich der positiven Kenntnis des Beklagten von Vermutungstatsachen maßgeblich auf die zeitliche Dauer und Höhe der eigenen Lohnrückstände, die erheblichen Lohnrückstände bei anderen Arbeitnehmern sowie die Kenntnis des Beklagten von den ökonomischen und wirtschaftlichen Hintergründen des Unternehmens aufgrund seiner langjährigen Stellung als Bauleiter abgestellt hatte.

32

(3) Die Stellung oder Funktion des Arbeitnehmers im Unternehmen des Schuldners ist bei der Beurteilung, ob der Arbeitnehmer positive Kenntnis von Vermutungstatsachen hatte, allerdings nicht per se maßgebend (vgl. Abele FA 2009, 133, 135; Schulz Anm. DZWIR 2009, 256, 257; kritisch wohl auch Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1674; aA Dahl NJW-Spezial 2010, 661, 662). Es trifft zwar zu, dass Arbeitnehmer in herausgehobenen Funktionen in aller Regel eher in der Lage sind, sich über die Liquiditätsgesamtlage des Schuldners zu informieren, als Arbeitnehmer auf unteren Ebenen oder dass sie aufgrund ihrer leitenden Stellung eher um die Situation des Unternehmens wissen (vgl. Bork ZIP 2007, 2337, 2338). Auch mögen Arbeitnehmer, die in der Finanzbuchhaltung tätig sind oder Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrnehmen, häufig über „Insiderkenntnisse“ verfügen (Huber NJW 2009, 1928, 1931). Wenn § 130 Abs. 2 InsO anordnet, dass die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags gleichsteht, schließt dies jedoch nicht die Vermutung ein, dass Arbeitnehmer in herausgehobenen Funktionen oder Arbeitnehmer, die im kaufmännischen Bereich oder in der Finanzbuchhaltung tätig sind, positive Kenntnis von Umständen haben, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Der Unterschied zwischen der nach § 130 Abs. 1 InsO und der nach § 130 Abs. 2 InsO erforderlichen positiven Kenntnis liegt nur im Bezugspunkt. Bei letztgenannter Vorschrift geht es um die Feststellung der positiven Kenntnis der (tatbestandsfremden) Vermutungstatsachen, von denen dann der Schluss auf die Haupttatsache gesetzlich vermutet wird (Huber FS Ganter S. 203, 208). Auch bei Arbeitnehmern ohne herausgehobene Funktion kommt eine positive Kenntnis von Vermutungstatsachen in Betracht, wenn sie zB als Sekretärin oder Chauffeur des Schuldners Umstände erfahren, die zwingend auf dessen Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (Abele FA 2009, 133, 135; vgl. dazu auch Ries/Doebert ZInsO 2009, 2367, 2369). Da § 130 Abs. 2 InsO seinem eindeutigen Wortlaut nach auf die Kenntnis von Umständen und gerade nicht auf die (grob) fahrlässige Unkenntnis von Umständen abstellt, trifft Arbeitnehmer unabhängig davon, ob sie Einblick in die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens haben, keine Erkundigungspflicht. Ein Verstoß gegen eine Erkundigungspflicht könnte zudem keine positive Kenntnis, sondern nur eine schuldhafte Unkenntnis von Vermutungstatsachen begründen (vgl. Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1; Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1669). § 130 Abs. 2 InsO ändert nichts daran, dass der Insolvenzverwalter dem Anfechtungsgegner eingehende Kenntnis über die seinerzeitige Vermögenslage des Schuldners nachweisen muss und damit beweisen muss, dass dem Anfechtungsgegner alle für die Erstellung einer Liquiditätsprognose erforderlichen Informationen über Bestand und Entwicklung der Verbindlichkeiten und kurzfristig verwertbaren Aktiva vorlagen(Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1).

33

cc) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Beklagten dieser Nachweis nicht gelungen ist.

34

(1) Es hat zunächst in Übereinstimmung mit den vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 19. Februar 2009 (- IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63) aufgestellten Grundsätzen angenommen, dass der Kläger am 4. und 7. Mai 2007 die zeitliche Dauer und Höhe der eigenen Gehaltsrückstände gekannt und gewusst hat, dass die Schuldnerin auch gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer seit mehreren Monaten mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand geraten ist, habe noch kein eindeutiges Urteil über die Liquiditäts- und Zahlungslage der Schuldnerin zugelassen, weil für den Kläger nicht erkennbar gewesen sei, welchen Anteil die Lohn- und Gehaltsrückstände an den insgesamt fälligen und eingeforderten Geldschulden hatten. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal das Landesarbeitsgericht berücksichtigen durfte, dass der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte und keine Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen hat. Deshalb hilft dem Beklagten auch seine Rüge nicht weiter, das Landesarbeitsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch verletzt, dass es über seine Behauptung, der Kläger sei über die Lohn- und Gehaltsrückstände informiert gewesen, nicht den von ihm angebotenen Zeugenbeweis erhoben habe.

35

(2) Gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass der Schuldnerin bis Anfang/Mitte Juni 2007 Material noch auf Rechnung geliefert worden ist, richtet sich kein Angriff der Revision. Wenn das Landesarbeitsgericht aus der Materialversorgung der Schuldnerin gegen Rechnung während der Krise abgeleitet hat, dass der Kläger nicht annehmen musste, die Schuldnerin sei zahlungsunfähig, ist diese tatrichterliche Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit das Landesarbeitsgericht durch Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts angenommen hat, die Informationen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007, insbesondere ihr Hinweis auf Fördermittel, hätten nicht zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen lassen.

36

III. Entgegen der Ansicht des Beklagten überschreitet auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Anfechtungsvoraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO seien nicht erfüllt, nicht die Grenzen der tatrichterlichen Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO und ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

37

1. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird diese Kenntnis vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Der Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hinweisen(BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - ZInsO 2009, 2148). Dass der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Insolvenzgläubiger benachteiligte, also ihre Befriedigung beeinträchtigte, hat der Insolvenzverwalter zu beweisen (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 133 Rn. 4 und 22). Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen(vgl. zur tatrichterlichen Verantwortung bei der Beantwortung der Frage nach der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der gläubigerbenachteiligenden Wirkung der angefochtenen Rechtshandlung Ganter WM 2009, 1441, 1445 f.). Insoweit können die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung, bei denen es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt, regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden (vgl. Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1667). Zu beachten ist, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - Rn. 8, ZInsO 2009, 2148). Die Beurteilung, ob die Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit nachgewiesen ist, unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung des Tatrichters (so zutreffend Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). Die allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze bezüglich der Beweislast und der freien Beweiswürdigung gelten auch im insolvenzrechtlichen Anfechtungsprozess (eingehend zum Beweisrecht bei Kongruenzanfechtung rückständiger Lohnzahlungen an Arbeitnehmer Huber FS Ganter S. 203, 204 ff.).

38

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, wonach der Kläger bei den Gehaltszahlungen am 4., 7. und 10. Mai 2007 keine Kenntnis von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hatte und auch nicht wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin drohte und die Gehaltszahlungen die anderen Gläubiger benachteiligten, lässt Rechtsfehler bei der Überzeugungsbildung des Landesarbeitsgerichts nicht erkennen. Die Bewertung, dass die Kenntnis des Klägers von der zeitlichen Dauer und Höhe der eigenen Gehaltsrückstände und seine Kenntnis von Gehalts- und Lohnrückständen gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer kein ausreichendes Indiz dafür ist, dass der Kläger die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder Umstände kannte, die zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hingewiesen haben, ist nicht zu beanstanden, zumal der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte und bis Anfang/Mitte Juni 2007 der Schuldnerin Material noch auf Rechnung geliefert worden ist.

39

IV. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Lorenz    

                 

(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

(2) Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 31. März 2010 - 3 Sa 379/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung von Arbeitsvergütung aufgrund einer Insolvenzanfechtung.

2

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in dem mit Beschluss des Amtsgerichts Hof - Insolvenzgericht - am 10. September 2007 (- IN 382/07 -) über das Vermögen der N e. K. (Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren. Dem Eröffnungsbeschluss liegt ein am 10. Juli 2007 von der A gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugrunde. Der Kläger war vom 3. November 2003 bis zum 15. Juni 2007 bei der Schuldnerin gegen eine monatliche Gesamtbruttovergütung iHv. zuletzt 4.361,08 Euro beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 3. November 2003 ist vereinbart, dass dem Kläger die handwerklich-technische Leitung des Betriebs in R obliegt und der Kläger als handwerklicher Betriebsleiter insbesondere den handwerklich-technischen Arbeitsablauf zu steuern, zu betreuen und zu überwachen hat und für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk verantwortlich ist.

3

Im Jahr 2006 geriet die Schuldnerin mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand. Sie zahlte die Vergütung für Januar 2006 am 27. März 2006, die Vergütung für Februar 2006 am 10. April 2006, die Vergütung für März 2006 am 25. April 2006, die Vergütung für April 2006 am 31. Mai 2006, die Vergütung für Mai 2006 am 30. Juni 2006, die Vergütung für Juni 2006 am 26. Juli 2006, die Vergütung für Juli 2006 am 4. September 2006, die Vergütung für August 2006 am 4. Oktober 2006, die Vergütung für September 2006 am 18. Oktober 2006, die Vergütung für Oktober 2006 am 24. November 2006, die Vergütung für November 2006 am 19. Dezember 2006 und die Vergütung für Dezember 2006 am 8. März 2007. Als im April 2007 ein Großteil der Arbeitnehmer der Schuldnerin die Vergütung für die Monate Januar bis März 2007 noch nicht erhalten hatte, kam es wegen der ausstehenden Lohn- und Gehaltszahlungen zu einer Betriebsversammlung. In dieser erklärte die Schuldnerin, dass Fördermittel beantragt worden seien, die Auszahlung der Fördermittel bevorstehe und dass im Falle der Bewilligung der Fördermittel alle Lohn- und Gehaltsrückstände auf einmal beglichen würden. Die Schuldnerin zahlte dem Kläger am 4. Mai 2007 Vergütung für Januar 2007 iHv. 900,00 Euro netto und am 7. Mai 2007 iHv. 310,12 Euro netto. Seine Vergütung für Februar 2007 iHv. 2.342,19 Euro netto erhielt der Kläger von der Schuldnerin ebenfalls am 7. Mai 2007. Am 10. Mai 2007 zahlte die Schuldnerin dem Kläger Vergütung für März 2007 iHv. 2.310,89 Euro netto. Der Beklagte focht mit Schreiben vom 1. Oktober 2007 die dem Kläger von der Schuldnerin am 4., 7. und 10. Mai 2007 geleisteten Gehaltszahlungen iHv. insgesamt 5.863,20 Euro netto an und forderte den Kläger zugleich ohne Erfolg auf, die erhaltenen Beträge zur Insolvenzmasse zurückzuerstatten.

4

Der Kläger ist der Ansicht, er habe der Insolvenzmasse die ihm im Mai 2007 von der Schuldnerin gezahlte Vergütung nicht zurückzugewähren. Die Schuldnerin sei zum Zeitpunkt der Zahlungen nicht zahlungsunfähig gewesen, jedenfalls habe er keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder von Umständen gehabt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hätten schließen lassen. An der Betriebsversammlung im April 2007 habe er wegen Urlaubs nicht teilgenommen. Im Übrigen würde seine Kenntnis von Lohn- und Gehaltsrückständen gegenüber einem Großteil der Arbeitnehmer der Schuldnerin eine Insolvenzanfechtung nicht rechtfertigen. Er habe weder Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin gehabt noch Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen. Der tägliche Arbeitsablauf im Mai 2007 habe keine Rückschlüsse auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zugelassen. Lieferanten der Schuldnerin, zB die Firmen B, Niederlassung Z, oder H, hätten bis Anfang/Mitte Juni 2007 Waren gegen Rechnung geliefert. Schließlich sei es auch in der Vergangenheit schon zu Verzögerungen bei der Lohn- und Gehaltszahlung gekommen, die rückständigen Löhne und Gehälter seien jedoch jeweils ordnungsgemäß nachbezahlt worden.

5

Der Kläger hat beantragt:

        

Es wird festgestellt, dass der Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von Arbeitsentgelt der Monate Januar 2007, Februar 2007 und März 2007 in Höhe von 5.863,20 Euro gegen den Kläger hat.

6

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, die Gehaltszahlungen der Schuldnerin an den Kläger im Mai 2007 seien anfechtbare Rechtshandlungen im Sinne der § 130 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO. Die Schuldnerin sei im Mai 2007 zahlungsunfähig gewesen. Die Kreditlinie der Schuldnerin bei der Sparkasse F sei nahezu ausgeschöpft gewesen. Auf der anderen Seite hätten Verbindlichkeiten der Schuldnerin aus Lieferung und Leistung sowie aufgrund rückständiger Lohn- und Gehaltszahlungen und nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge iHv. mehr als drei Millionen Euro bestanden. Der Kläger habe bei der Entgegennahme der Gehaltszahlungen im Mai 2007 gewusst, dass sich die Schuldnerin mit der Zahlung der Vergütung auch gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer mehrere Monate im Rückstand befunden habe. Aufgrund der Informationen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 habe der Kläger auch davon Kenntnis gehabt, dass mit Lohn- und Gehaltszahlungen der Schuldnerin nur im Falle der Gewährung von Fördermitteln habe gerechnet werden können. Über die Mitteilungen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 sei der Kläger trotz seines Urlaubs informiert gewesen. Der Kläger habe deshalb gewusst, dass die Schuldnerin ihre Arbeitnehmer frühestens Ende Mai 2007 wieder vergüten werde können, so dass es sich nicht um eine vorübergehende Zahlungsstockung von bis zu drei Wochen gehandelt habe. Auch die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO seien erfüllt. Der Kläger habe bei den Gehaltszahlungen im Mai 2007 Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, weil er zumindest gewusst habe, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gedroht und die Gehaltszahlung der Schuldnerin an ihn andere Gläubiger benachteiligt habe.

7

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der negativen Feststellungsklage des Klägers weiter. Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die Annahme der Vorinstanzen, der Kläger sei nicht gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO iVm. § 130 Abs. 1 InsO bzw. iVm. § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, 5.863,20 Euro zur Insolvenzmasse zurückzugewähren, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

9

I. Die Klage ist zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für die negative Feststellungsklage liegt vor. Zwischen den Parteien besteht Streit, ob der Kläger die im Mai 2007 von der Schuldnerin erhaltenen Gehaltszahlungen iHv. insgesamt 5.863,20 Euro netto zur Insolvenzmasse zurückzugewähren hat, wie dies der Beklagte in seinem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 1. Oktober 2007 verlangt hat. Die Entscheidung über die negative Feststellungsklage des Klägers ist geeignet, den Streit der Parteien über die Anfechtbarkeit der Gehaltszahlungen der Schuldnerin an den Kläger im Mai 2007 zu beenden.

10

II. Der Beklagte hat keinen Anspruch gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO iVm. § 130 Abs. 1 InsO auf Rückzahlung von 5.863,20 Euro zur Insolvenzmasse.

11

1. Die Regelungen in § 130 InsO gelten allerdings uneingeschränkt auch für Anfechtungsklagen eines Insolvenzverwalters bei Lohnzahlungen eines Arbeitgebers in der Krise. Zwar waren im Geltungsbereich der Konkursordnung rückständige Lohnansprüche aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO als Masseschulden vom Insolvenzverwalter voll zu befriedigen, so dass sich die Frage einer Anfechtung von Lohnzahlungen während dieses Zeitraums mangels einer Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich nicht stellte (Huber NJW 2009, 1928, 1929). Dieses Arbeitnehmerprivileg hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung mit Wirkung zum 1. Januar 1999 jedoch abgeschafft und Arbeitnehmer mit Ansprüchen wegen rückständiger Arbeitsvergütung bezüglich der Deckungsanfechtung ungesicherten Insolvenzgläubigern gleichgestellt. Die Deckungsanfechtung dient der Anreicherung der Insolvenzmasse (zu diesem Hauptziel der Insolvenzrechtsreform vgl. Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14) und fußt auf dem das Insolvenzrecht beherrschenden Grundsatz, dass im Insolvenzverfahren alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden sollen (par conditio creditorum, vgl. zum insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz BAG 19. Mai 2011 - 6 AZR 736/09 - ZIP 2011, 1628). Die gleiche Zugriffslage der Gläubiger soll dadurch sichergestellt werden, dass während der wirtschaftlichen Krise vorgenommene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden können. Allerdings soll auch der redliche Verkehr in seinem Vertrauen geschützt werden, dass vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Verfügungen des Schuldners Bestand haben (KPB/Schoppmeyer InsO Stand Mai 2011 § 130 Rn. 104; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Ein komplexer Rechts- und damit Wirtschaftsverkehr ist nicht zu gewährleisten, wenn die Teilnehmer letztlich auf gar nichts mehr vertrauen können und damit faktisch gezwungen werden, sogar jeden bereits erhaltenen Vermögensvorteil nochmals durch ein Sicherungsrecht oder durch ein - wie auch immer eingekleidetes - Vorrecht zu befestigen (Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14).

12

2. Der Kläger hat am 4., 7. und 10. Mai 2007 den Betrag iHv. insgesamt 5.863,20 Euro nicht durch anfechtbare Rechtshandlung im Sinne von § 130 Abs. 1 InsO erlangt.

13

a) Bei der Zahlung des Gehalts für Januar 2007 iHv. 900,00 Euro netto am 4. Mai 2007 und iHv. 310,12 Euro netto am 7. Mai 2007 handelt es sich allerdings nicht um ein Bargeschäft iSv. § 142 InsO, das nach dieser Bestimmung nur anfechtbar ist, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Auch soweit die Schuldnerin mit der Gehaltszahlung iHv. 2.342,19 Euro netto am 7. Mai 2007 Arbeitsleistungen des Klägers in der Zeit vom 1. bis zum 6. Februar 2007 vergütet hat, liegt kein Bargeschäft iSv. § 142 InsO vor. Die Zahlung der Schuldnerin iHv. 2.342,19 Euro netto ist dagegen nicht nach § 130 Abs. 1 InsO anfechtbar, soweit diese Zahlung der Vergütung vom Kläger in der Zeit vom 7. bis zum 28. Februar 2007 erbrachter Arbeitsleistungen diente. Auch die Zahlung des Gehalts für März 2007 iHv. 2.310,89 Euro netto am 10. Mai 2007 unterliegt als Bargeschäft iSv. § 142 InsO nicht der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO.

14

aa) Gemäß § 142 InsO ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Dem Erfordernis der Unmittelbarkeit entsprechen auch solche Geschäfte, bei denen der Schuldner in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner eine gleichwertige Gegenleistung erhält (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190; 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01 - WM 2006, 190; ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24). Einigkeit besteht, dass Leistung und Gegenleistung beim Bargeschäft nicht Zug um Zug erbracht werden müssen (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO; Leithaus in Andres/Leithaus InsO 2. Aufl. § 142 Rn. 4). Anerkannt ist auch, dass länger andauernde Vertragsbeziehungen nicht von vornherein als Bargeschäft ausscheiden, sondern auch Dienstleistungen Bargeschäfte sein können. Allerdings ist bei länger währenden Vertragsbeziehungen für die Annahme eines Bargeschäfts zu verlangen, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar sind und zeitnah ausgetauscht werden (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO). Wie lange der Charakter eines Bargeschäfts erhalten bleibt, lässt sich nicht allgemeingültig bestimmen, sondern ist nach der Verkehrsauffassung zu entscheiden (Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 142 Rn. 3). Ob eine Leistung von der Privilegierung des § 142 InsO erfasst wird, hängt wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und davon ab, in welcher Zeitspanne sich der Austausch nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs vollzieht(BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO; ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24).

15

bb) Unter welchen zeitlichen Voraussetzungen verspätete Entgeltzahlungen des Arbeitgebers noch Bargeschäfte im Sinne von § 142 InsO sind und damit der Privilegierung dieser Vorschrift unterliegen, ist im Schrifttum umstritten(vgl. Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). So soll ein Bargeschäft bereits dann ausgeschlossen sein, wenn die Vergütung nicht nur einige Tage verspätet (Zwanziger BB 2007, 42, 43) oder nicht einigermaßen pünktlich (Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1)gezahlt wird. Als zeitliche Grenze des Bargeschäftscharakters einer verspäteten Lohnzahlung werden auch Fristen von drei Wochen (Huber NJW 2009, 1928, 1929; Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1666; Wegener NZI 2009, 225), von ca. vier Wochen (Abele FA 2009, 133), von nicht mehr als 30 Tagen (Bichlmeier/Wroblewski Das Insolvenzhandbuch für die Praxis 3. Aufl. Teil 1 Rn. 52; Bork ZIP 2007, 2337, 2338 f.) und von nicht mehr als einem Kalendermonat (ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24) genannt.

16

cc) Die genannten Zeitspannen sind zu kurz bemessen. Die für die abschnittsweise Vergütung abschnittsweise erbrachter Leistungen entwickelten Grundsätze passen nicht für Arbeitsverhältnisse (Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). Bei verspäteten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers überzeugt für die Frage eines Bargeschäfts auch die Heranziehung der in § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB geregelten Verzugsfrist von 30 Tagen nicht(vgl. zur Anlehnung an diese Frist bei Zahlung der Anwaltsgebühr BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190 sowie Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 30 und 34).

17

(1) Wenn die Frage, ob eine Leistung von der Privilegierung des § 142 InsO erfasst wird, wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und davon abhängt, in welcher Zeitspanne sich der Austausch nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs vollzieht, spricht als rechtstatsächliches Argument für eine längere Frist bereits, dass in nicht wenigen Branchen eine verzögerte Zahlung der Vergütung schon fast die Regel ist und die nicht selten schlechte Zahlungsmoral der Auftraggeber und Schuldner von Arbeitgebern bewirkt, dass die verspäteten Eingänge von Forderungen auch zu verzögerten Lohn- und Gehaltszahlungen führen(vgl. Bandte FS Beuthien S. 401, 405). Dass im Falle einer Kreditgewährung ein Bargeschäft nicht in Betracht kommt, rechtfertigt zwar noch nicht den Umkehrschluss, ein Bargeschäft liege immer dann vor, wenn kein Kredit gewährt werde (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190). Jedoch sind nach der Verkehrsanschauung Entgeltzahlungen von Arbeitgebern für Arbeitsleistungen in den letzten drei Monaten, die Arbeitnehmer im Hinblick auf den in § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III festgesetzten Insolvenzgeldzeitraum zumeist als abgesichert anzusehen pflegen, nicht nur nicht Tilgung eines Kredits, sondern noch Leistungen im engen zeitlichen Zusammenhang mit der von den Arbeitnehmern erbrachten Gegenleistung.

18

(2) Hinzu kommt, dass im Arbeitsverhältnis Arbeit dauernd und nicht abschnittsweise geleistet wird und die Masse nicht nur von den erbrachten Arbeitsleistungen, sondern vor allem auch vom Fortbestand des Betriebs als funktionaler Einheit profitiert. Dazu ist erforderlich, dass die einzelnen Arbeitnehmer überhaupt „bei der Stange bleiben“ - und auch dies wird mit der Berichtigung von Lohnrückständen „erkauft“ (so zutreffend Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14; aA Wegener NZI 2009, 225, 226). Zwar trifft es zu, dass der Arbeitgeber nach § 614 Satz 2 BGB eine nach Zeitabschnitten bemessene Vergütung nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten hat, der Arbeitnehmer damit Vorleistungen zu erbringen hat und im Allgemeinen derjenige, der an den Schuldner Vorleistungen erbracht hat, wegen seines Anspruchs auf die Gegenleistung nur eine Insolvenzforderung hat(BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190). Allerdings bezweckt die Regelung in § 142 InsO, dem in der Krise befindlichen Schuldner eine weitere Teilnahme am Geschäftsverkehr zu ermöglichen, wenn dies die Gläubigergesamtheit nicht beeinträchtigt. Wenn aber § 142 InsO den Zweck erfüllen soll, dass der Schuldner auch in der Krise vorsichtig weiterwirtschaften kann, ist es in aller Regel erforderlich, dass der Betrieb des Arbeitgebers als funktionale Einheit fortbesteht und die Arbeitnehmer bereit sind, die ihnen obliegenden Arbeitsleistungen trotz des Zahlungsverzugs zu erbringen. Ein Unternehmen in der Krise, das die Unterstützung seiner Arbeitnehmer verliert, weil es sie in die Kündigung oder in die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts treibt, wird umso schneller am Ende sein, so dass die Perspektive einer sanierenden Insolvenz schon im Vorfeld der Antragstellung verloren ginge (Abele FA 2009, 133, 135). In der Regel ist die Mehrzahl der Arbeitnehmer trotz des Zahlungsverzugs des Arbeitgebers zur Weiterarbeit bereit, sofern sie ihre Entgeltansprüche als durch das Insolvenzgeld gesichert ansehen, das nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate gezahlt wird. Hätten Arbeitnehmer Entgeltzahlungen des Arbeitgebers für Arbeitsleistungen, die sie in den letzten drei Monaten erbracht haben, an die Insolvenzmasse zurückzugewähren, würde das der Regelung in § 142 InsO zugrunde liegende Ziel, dass der Schuldner in der Krise nicht praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen ist und seine Geschäfte fortführen kann(FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 142 Rn. 1), in aller Regel verfehlt.

19

b) Die Gehaltszahlungen der Schuldnerin am 4. und 7. Mai 2007 für die Zeit vom 1. Januar bis zum 6. Februar 2007 stellen kongruente Deckungen im Sinne von § 130 Abs. 1 InsO dar. Dem Kläger standen die gezahlten Beträge zu. Dieser erlangte die Zahlungen auch innerhalb der Krise. Die Zahlungen am 4. und 7. Mai 2007 erfolgten innerhalb der letzten drei Monate vor dem am 10. Juli 2007 von der A gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO).

20

c) Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Schuldnerin bei den Gehaltszahlungen an den Kläger im Mai 2007 zahlungsunfähig war. Es hat sich jedoch in vollem Umfang die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht. Dieses hat zu Gunsten des Beklagten unterstellt, dass die Schuldnerin zum Zeitpunkt der an den Kläger im Mai 2007 geleisteten Zahlungen zahlungsunfähig im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO gewesen ist. Davon ist deshalb auch im Revisionsverfahren auszugehen, zumal der Kläger die vom Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht unterstellte Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht mit Gegenrügen angegriffen hat und Umstände, die die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bereits im Mai 2007 in Frage stellen könnten, nicht ersichtlich sind.

21

d) Allerdings setzt die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung nach § 130 Abs. 1 InsO nicht nur voraus, dass der objektive Tatbestand dieser Bestimmung vorliegt und der Schuldner bei Vornahme der Deckungshandlung zahlungsunfähig war. Anfechtbar ist eine Rechtshandlung nach § 130 Abs. 1 InsO nur dann, wenn auch der subjektive Tatbestand dieser Bestimmung erfüllt ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO) oder bei einer nach dem Eröffnungsantrag vorgenommenen Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO) kannte.

22

aa) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe am 4. und 7. Mai 2007 keine positive Kenntnis im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

23

(1) Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Verhalten des Schuldners nach außen hervorgetreten ist, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - Rn. 11, ZInsO 2009, 2148). Die Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gilt auch im Rahmen des § 130 Abs. 1 InsO(BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - Rn. 13, BGHZ 180, 63; 20. November 2001 - IX ZR 48/01 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 149, 178; FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 38). Auf die Merkmale der „Dauer“ und der „Wesentlichkeit“ hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung bei der Umschreibung der Zahlungsunfähigkeit verzichtet (vgl. Gottwald/Uhlenbruck/Gundlach Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 6 Rn. 8). Nach der Gesetzesbegründung (Begr. zu § 20 Eröffnungsgrund und § 21 Zahlungsunfähigkeit RegE, BT-Drucks. 12/2443 S. 114) versteht es sich von selbst - und braucht deshalb nicht besonders zum Ausdruck gebracht zu werden -, dass eine vorübergehende Zahlungsstockung keine Zahlungsunfähigkeit begründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt eine Zahlungsunfähigkeit, die sich voraussichtlich innerhalb kurzer Zeit beheben lässt, lediglich als Zahlungsstockung (24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - BGHZ 163, 134). Der Zeitraum, innerhalb dessen die Zahlungsstockung beseitigt sein musste, andernfalls sie als Zahlungsunfähigkeit behandelt wurde, war unter der Geltung der Konkursordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung auf etwa einen Monat begrenzt worden (BGH 20. November 2001 - IX ZR 48/01 - BGHZ 149, 178). Da der Gesetzgeber der Insolvenzordnung diesen Zeitraum verkürzen wollte, kann eine Illiquidität nur noch dann als Zahlungsstockung angesehen werden, wenn sie den Zeitraum nicht überschreitet, den eine kreditwürdige Person zur Kreditbeschaffung benötigt (FK-InsO/Schmerbach 6. Aufl. § 17 Rn. 20 f.). Die Grenze liegt bei drei Wochen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Dies bedeutet freilich noch nicht, dass ein Schuldner generell bereits dann zahlungsunfähig ist, wenn er seine fälligen Verbindlichkeiten nicht binnen einer dreiwöchigen Frist zu 100 % erfüllen kann. Kann er innerhalb dieser Frist seine Verbindlichkeiten bis auf einen geringfügigen Rest bedienen, ist er nicht als zahlungsunfähig anzusehen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Eine nur geringfügige Liquiditätslücke liegt in der Regel dann nicht mehr vor, wenn innerhalb von drei Wochen 10 % oder mehr der fälligen Gesamtverbindlichkeiten nicht erfüllt werden können (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - ZInsO 2009, 2148). Allerdings erlaubt diese Quote für sich allein genommen noch keine abschließende Bewertung des wirtschaftlich komplexen Sachverhalts der Zahlungsunfähigkeit. Der prozentuale Schwellenwert hat die Bedeutung, dass sein Erreichen eine widerlegbare Vermutung für die Zahlungsunfähigkeit begründet. Liegt eine Unterdeckung von weniger als 10 % vor, genügt sie allein nicht zum Beleg der Zahlungsunfähigkeit. Wenn diese gleichwohl angenommen werden soll, müssen besondere Umstände vorliegen, die diesen Standpunkt stützen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Eine Zahlungseinstellung kann aber auch dann schon vorliegen, wenn der Schuldner noch einzelne beträchtliche Zahlungen erbringt, sofern daneben wesentliche fällige und eingeforderte Schulden unerfüllt bleiben (vgl. zur Zahlungseinstellung im Sinne von § 102 Abs. 2 KO BGH 10. Juli 2003 - IX ZR 89/02 - ZInsO 2003, 755).

24

(2) Kenntnis bedeutet für sicher gehaltenes, positives Wissen (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63; MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 33; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 24; zur positiven Kenntnis von der Zahlungseinstellung im Sinne von § 30 KO vgl. BGH 15. November 1990 - IX ZR 92/90 - WM 1991, 150). Der Gläubiger kennt die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung als komplexen Rechtsbegriff nur, wenn er selbst die Liquidität oder das Zahlungsverhalten des Schuldners wenigstens laienhaft so bewertet (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - aaO). Dieses positive Wissen muss bei der Vornahme der Rechtshandlung und damit grundsätzlich in dem Zeitpunkt vorhanden sein, in dem die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung eintreten (§ 140 Abs. 1 InsO). Dazu ist regelmäßig erforderlich, dass dem Gläubiger zum einen Informationen über den Gesamtbestand der gegen den Schuldner gerichteten, in den nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten und über die in dieser Zeit vorhandenen Geldmittel vorliegen. Zum anderen muss der Gläubiger aus diesen Informationen den Schluss ziehen, dass der Schuldner wesentliche Teile seiner in den nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten nicht wird tilgen können (KPB/Schoppmeyer InsO Stand Mai 2011 § 130 Rn. 110; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Die Kenntnis allein der einzelnen Tatsachen, die eine Zahlungsunfähigkeit begründen, genügt damit für sich nicht (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 33). Nicht ausreichend ist es auch im Einzelfall, wenn der Gläubiger nur die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens fürchtet oder Zweifel an der Kreditwürdigkeit des Schuldners hat (FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 44). Bei der Beurteilung, ob der Gläubiger über ausreichende Informationen über den Gesamtbestand der Verbindlichkeiten und über das vorhandene Vermögen verfügt, kann auch die Rechtsform des Unternehmens von Bedeutung sein, wobei die Unternehmensform des eingetragenen Kaufmanns den Überblick über die Liquiditäts- und Zahlungslage nicht erleichtern muss, sondern auch erschweren kann.

25

(3) Regelmäßig muss der Insolvenzverwalter nicht nur alle objektiven, sondern auch alle subjektiven Voraussetzungen der Deckungsanfechtung beweisen (BGH 12. Juli 2007 - IX ZR 210/04 - ZInsO 2007, 1046; MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 61). Dazu hat er substantiiert die im konkreten Einzelfall einschlägigen Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Eröffnungsantrag ergibt (FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 57; eingehend zum Beweisrecht bei Kongruenzanfechtung rückständiger Lohnzahlungen an Arbeitnehmer Huber FS Ganter S. 203, 204 ff.). Nur gegenüber einer dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestehenden Person im Sinne von § 138 InsO wird gemäß § 130 Abs. 2 InsO vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

26

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, der Beklagte habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen eine positive Kenntnis des Klägers von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bei den Gehaltszahlungen am 4. und 7. Mai 2007 abgeleitet werden könnte. Der Beklagte rügt zwar, das Landesarbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft eine Kenntnis des Klägers von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin verneint. Er hat jedoch auch im Revisionsverfahren nicht dargetan, aufgrund welcher Umstände oder Indizien sicheres Wissen des Klägers zur Liquiditätslage der Schuldnerin im Zeitpunkt der Gehaltszahlungen am 4. und 7. Mai 2007 anzunehmen ist. Der Hinweis des Beklagten auf die Kenntnis des Klägers von den Lohn- und Gehaltsrückständen und die Mitteilungen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 ist dazu unzureichend. Aufgrund der Auskünfte der Schuldnerin mussten ihre Arbeitnehmer zwar damit rechnen, dass ihre Lohn- und Gehaltsansprüche frühestens Ende Mai 2007 und damit nicht innerhalb von drei Wochen erfüllt werden. Jedoch ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht daraus noch keinen Gesamtüberblick der Arbeitnehmer der Schuldnerin über die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens abgeleitet hat.

27

e) Allerdings steht nach § 130 Abs. 2 InsO der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen(Vermutungstatsachen). Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe keine Kenntnis von solchen Tatsachen gehabt, ist jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten nicht rechtsfehlerhaft.

28

aa) § 130 Abs. 2 InsO bezweckt eine Beweiserleichterung für den Insolvenzverwalter(Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Der Rechtsanwendungsvorteil des Insolvenzverwalters besteht darin, dass die Vermutung des § 130 Abs. 2 InsO unwiderleglich ist(Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 130 Rn. 23). Die Vorschrift lässt jedoch die grob fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit nicht genügen (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63). Der Gesetzgeber hat den Begriff der grob fahrlässigen Unkenntnis bewusst vermieden, um Rechtssicherheit zu erzeugen (Bandte FS Beuthien S. 401, 404). Der Begriff der grob fahrlässigen Unkenntnis in § 145 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Regierungsentwurfs einer Insolvenzordnung wurde gestrichen und durch die neue Formulierung in § 145 Abs. 2 der Beschlussempfehlung ersetzt(Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages zum Entwurf einer Insolvenzordnung, BT-Drucks. 12/7302 S. 173 zu § 145 Abs. 1 und 2). Vorausgesetzt wird demgemäß, dass der Insolvenzgläubiger die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Erforderlich ist auch hier positive Kenntnis. Der Tatbestand des § 130 Abs. 2 InsO ist nur dann erfüllt, wenn der Anfechtungsgegner - gleichgültig aus welchen Quellen - die tatsächlichen Umstände positiv kennt, aus denen die Zahlungsunfähigkeit objektiv folgt(MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 34). Ob aufgrund dieser Kenntnis von Umständen der Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag zwingend war, ist eine Rechtsfrage. Der Einwand, er habe den Schluss nicht gezogen, hilft dem Anfechtungsgegner deshalb nicht weiter, wenn ein redlich und vernünftig Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der festgestellten Umstände sich der Einsicht nicht hätte verschließen können, dass der Schuldner tatsächlich zahlungsunfähig oder ein Eröffnungsantrag gestellt war (vgl. BGH 15. Oktober 2009 - IX ZR 201/08 - ZInsO 2009, 2244; 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 29; Huber FS Ganter S. 203, 208). Maßgebend ist nicht der individuelle Schuldvorwurf, sondern der individuelle Wissensstand (Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1670).

29

bb) § 130 Abs. 2 InsO spricht von der Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, ohne die Tatsachen, deren Kenntnis die Vermutung auslösen kann, näher zu beschreiben oder Beispiele für Indizien zu nennen, aus denen regelmäßig auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag geschlossen werden kann. Wann derartige Umstände gegeben sind, lässt sich generell auch nur schwer umschreiben (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 34).

30

(1) Im Schrifttum (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 37 ff.; Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 130 Rn. 20 und 23; FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 41; Ries/Doebert ZInsO 2009, 2367, 2370) werden als Anhaltspunkte und Beweisanzeichen für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von Vermutungstatsachen ua. genannt: Die Kenntnis des Anwachsens von Rückständen, die Kenntnis der Nichteinhaltung von Zahlungszusagen, insbesondere vom Schuldner selbst vorgeschlagener Ratenzahlungen, die Kenntnis des Rückstands mit fälligen Sozialversicherungsbeiträgen, die Kenntnis des erneuten Entstehens von Rückständen nach vorheriger (teilweiser) Befriedigung des Gläubigers, die Kenntnis der Nichtzahlung oder der schleppenden Zahlung von Löhnen und Gehältern, die Kenntnis der Häufung von Klagen und Zwangsvollstreckungen, die Kenntnis der verstärkten Inanspruchnahme von Bürgen des Schuldners, Informationen durch den Schuldner, zB bei Betriebsversammlungen, sowie Presseberichte über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens des Schuldners. Eine mit kurzfristigen Engpässen begründete bloße Stundungsbitte des Schuldners reicht dagegen allein regelmäßig nicht als Zurechnungsgrundlage aus (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 39).

31

(2) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. September 2010 (- GmS-OGB 1/09 - BGHZ 187, 105), wonach für die Klage des Insolvenzverwalters gegen einen Arbeitnehmer des Schuldners auf Rückgewähr vom Schuldner geleisteter Vergütung nach § 143 Abs. 1 InsO der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben ist, hat der Bundesgerichtshof(19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63) angenommen, dass die Kenntnis des Arbeitnehmers, dem der Arbeitgeber in der Krise noch Zahlungen auf rückständige Lohnforderungen erbringt, dass der Arbeitgeber außerdem noch anderen Arbeitnehmern Lohn schuldig ist, allein nicht den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung des Arbeitgebers rechtfertigt. Sei der Gläubiger ein Arbeitnehmer des Schuldners ohne Einblick in die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens, also ein Arbeitnehmer ohne „Insiderkenntnisse“, treffe ihn keine Erkundigungspflicht. An diesen Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 15. Oktober 2009 (- IX ZR 201/08 - Rn. 1, ZInsO 2009, 2244), die die Anfechtung von Entgeltzahlungen desselben Schuldners an einen anderen Arbeitnehmer betraf, festgehalten. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung hervorgehoben, dass jener Arbeitnehmer in seiner Funktion als Bauleiter in der Informationshierarchie nicht auf unterster Ebene gestanden sei, und hat die Würdigung der Vorinstanz nicht beanstandet, die bezüglich der positiven Kenntnis des Beklagten von Vermutungstatsachen maßgeblich auf die zeitliche Dauer und Höhe der eigenen Lohnrückstände, die erheblichen Lohnrückstände bei anderen Arbeitnehmern sowie die Kenntnis des Beklagten von den ökonomischen und wirtschaftlichen Hintergründen des Unternehmens aufgrund seiner langjährigen Stellung als Bauleiter abgestellt hatte.

32

(3) Die Stellung oder Funktion des Arbeitnehmers im Unternehmen des Schuldners ist bei der Beurteilung, ob der Arbeitnehmer positive Kenntnis von Vermutungstatsachen hatte, allerdings nicht per se maßgebend (vgl. Abele FA 2009, 133, 135; Schulz Anm. DZWIR 2009, 256, 257; kritisch wohl auch Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1674; aA Dahl NJW-Spezial 2010, 661, 662). Es trifft zwar zu, dass Arbeitnehmer in herausgehobenen Funktionen in aller Regel eher in der Lage sind, sich über die Liquiditätsgesamtlage des Schuldners zu informieren, als Arbeitnehmer auf unteren Ebenen oder dass sie aufgrund ihrer leitenden Stellung eher um die Situation des Unternehmens wissen (vgl. Bork ZIP 2007, 2337, 2338). Auch mögen Arbeitnehmer, die in der Finanzbuchhaltung tätig sind oder Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrnehmen, häufig über „Insiderkenntnisse“ verfügen (Huber NJW 2009, 1928, 1931). Wenn § 130 Abs. 2 InsO anordnet, dass die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags gleichsteht, schließt dies jedoch nicht die Vermutung ein, dass Arbeitnehmer in herausgehobenen Funktionen oder Arbeitnehmer, die im kaufmännischen Bereich oder in der Finanzbuchhaltung tätig sind, positive Kenntnis von Umständen haben, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Der Unterschied zwischen der nach § 130 Abs. 1 InsO und der nach § 130 Abs. 2 InsO erforderlichen positiven Kenntnis liegt nur im Bezugspunkt. Bei letztgenannter Vorschrift geht es um die Feststellung der positiven Kenntnis der (tatbestandsfremden) Vermutungstatsachen, von denen dann der Schluss auf die Haupttatsache gesetzlich vermutet wird (Huber FS Ganter S. 203, 208). Auch bei Arbeitnehmern ohne herausgehobene Funktion kommt eine positive Kenntnis von Vermutungstatsachen in Betracht, wenn sie zB als Sekretärin oder Chauffeur des Schuldners Umstände erfahren, die zwingend auf dessen Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (Abele FA 2009, 133, 135; vgl. dazu auch Ries/Doebert ZInsO 2009, 2367, 2369). Da § 130 Abs. 2 InsO seinem eindeutigen Wortlaut nach auf die Kenntnis von Umständen und gerade nicht auf die (grob) fahrlässige Unkenntnis von Umständen abstellt, trifft Arbeitnehmer unabhängig davon, ob sie Einblick in die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens haben, keine Erkundigungspflicht. Ein Verstoß gegen eine Erkundigungspflicht könnte zudem keine positive Kenntnis, sondern nur eine schuldhafte Unkenntnis von Vermutungstatsachen begründen (vgl. Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1; Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1669). § 130 Abs. 2 InsO ändert nichts daran, dass der Insolvenzverwalter dem Anfechtungsgegner eingehende Kenntnis über die seinerzeitige Vermögenslage des Schuldners nachweisen muss und damit beweisen muss, dass dem Anfechtungsgegner alle für die Erstellung einer Liquiditätsprognose erforderlichen Informationen über Bestand und Entwicklung der Verbindlichkeiten und kurzfristig verwertbaren Aktiva vorlagen(Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1).

33

cc) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Beklagten dieser Nachweis nicht gelungen ist.

34

(1) Es hat zunächst in Übereinstimmung mit den vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 19. Februar 2009 (- IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63) aufgestellten Grundsätzen angenommen, dass der Kläger am 4. und 7. Mai 2007 die zeitliche Dauer und Höhe der eigenen Gehaltsrückstände gekannt und gewusst hat, dass die Schuldnerin auch gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer seit mehreren Monaten mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand geraten ist, habe noch kein eindeutiges Urteil über die Liquiditäts- und Zahlungslage der Schuldnerin zugelassen, weil für den Kläger nicht erkennbar gewesen sei, welchen Anteil die Lohn- und Gehaltsrückstände an den insgesamt fälligen und eingeforderten Geldschulden hatten. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal das Landesarbeitsgericht berücksichtigen durfte, dass der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte und keine Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen hat. Deshalb hilft dem Beklagten auch seine Rüge nicht weiter, das Landesarbeitsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch verletzt, dass es über seine Behauptung, der Kläger sei über die Lohn- und Gehaltsrückstände informiert gewesen, nicht den von ihm angebotenen Zeugenbeweis erhoben habe.

35

(2) Gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass der Schuldnerin bis Anfang/Mitte Juni 2007 Material noch auf Rechnung geliefert worden ist, richtet sich kein Angriff der Revision. Wenn das Landesarbeitsgericht aus der Materialversorgung der Schuldnerin gegen Rechnung während der Krise abgeleitet hat, dass der Kläger nicht annehmen musste, die Schuldnerin sei zahlungsunfähig, ist diese tatrichterliche Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit das Landesarbeitsgericht durch Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts angenommen hat, die Informationen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007, insbesondere ihr Hinweis auf Fördermittel, hätten nicht zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen lassen.

36

III. Entgegen der Ansicht des Beklagten überschreitet auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Anfechtungsvoraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO seien nicht erfüllt, nicht die Grenzen der tatrichterlichen Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO und ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

37

1. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird diese Kenntnis vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Der Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hinweisen(BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - ZInsO 2009, 2148). Dass der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Insolvenzgläubiger benachteiligte, also ihre Befriedigung beeinträchtigte, hat der Insolvenzverwalter zu beweisen (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 133 Rn. 4 und 22). Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen(vgl. zur tatrichterlichen Verantwortung bei der Beantwortung der Frage nach der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der gläubigerbenachteiligenden Wirkung der angefochtenen Rechtshandlung Ganter WM 2009, 1441, 1445 f.). Insoweit können die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung, bei denen es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt, regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden (vgl. Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1667). Zu beachten ist, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - Rn. 8, ZInsO 2009, 2148). Die Beurteilung, ob die Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit nachgewiesen ist, unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung des Tatrichters (so zutreffend Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). Die allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze bezüglich der Beweislast und der freien Beweiswürdigung gelten auch im insolvenzrechtlichen Anfechtungsprozess (eingehend zum Beweisrecht bei Kongruenzanfechtung rückständiger Lohnzahlungen an Arbeitnehmer Huber FS Ganter S. 203, 204 ff.).

38

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, wonach der Kläger bei den Gehaltszahlungen am 4., 7. und 10. Mai 2007 keine Kenntnis von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hatte und auch nicht wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin drohte und die Gehaltszahlungen die anderen Gläubiger benachteiligten, lässt Rechtsfehler bei der Überzeugungsbildung des Landesarbeitsgerichts nicht erkennen. Die Bewertung, dass die Kenntnis des Klägers von der zeitlichen Dauer und Höhe der eigenen Gehaltsrückstände und seine Kenntnis von Gehalts- und Lohnrückständen gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer kein ausreichendes Indiz dafür ist, dass der Kläger die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder Umstände kannte, die zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hingewiesen haben, ist nicht zu beanstanden, zumal der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte und bis Anfang/Mitte Juni 2007 der Schuldnerin Material noch auf Rechnung geliefert worden ist.

39

IV. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Lorenz    

                 
28
cc) Aus den vorstehenden Erwägungen kann entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 29. Januar 2014 - 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628 Rn. 15 ff) auch ein etwaiges Existenzminimum des Arbeitnehmers nicht mittels einer beschränkenden Auslegung der §§ 129 ff InsO anfechtungsfrei gestellt werden.

(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

(2) Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.

28
cc) Aus den vorstehenden Erwägungen kann entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 29. Januar 2014 - 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628 Rn. 15 ff) auch ein etwaiges Existenzminimum des Arbeitnehmers nicht mittels einer beschränkenden Auslegung der §§ 129 ff InsO anfechtungsfrei gestellt werden.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

(2) Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.

28
cc) Aus den vorstehenden Erwägungen kann entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 29. Januar 2014 - 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628 Rn. 15 ff) auch ein etwaiges Existenzminimum des Arbeitnehmers nicht mittels einer beschränkenden Auslegung der §§ 129 ff InsO anfechtungsfrei gestellt werden.

(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

(2) Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.

28
cc) Aus den vorstehenden Erwägungen kann entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 29. Januar 2014 - 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628 Rn. 15 ff) auch ein etwaiges Existenzminimum des Arbeitnehmers nicht mittels einer beschränkenden Auslegung der §§ 129 ff InsO anfechtungsfrei gestellt werden.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

(2) Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

46

I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten.

(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

46

I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

(2) Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

46

I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten.

(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

46

I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 31. März 2010 - 3 Sa 379/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung von Arbeitsvergütung aufgrund einer Insolvenzanfechtung.

2

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in dem mit Beschluss des Amtsgerichts Hof - Insolvenzgericht - am 10. September 2007 (- IN 382/07 -) über das Vermögen der N e. K. (Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren. Dem Eröffnungsbeschluss liegt ein am 10. Juli 2007 von der A gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugrunde. Der Kläger war vom 3. November 2003 bis zum 15. Juni 2007 bei der Schuldnerin gegen eine monatliche Gesamtbruttovergütung iHv. zuletzt 4.361,08 Euro beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 3. November 2003 ist vereinbart, dass dem Kläger die handwerklich-technische Leitung des Betriebs in R obliegt und der Kläger als handwerklicher Betriebsleiter insbesondere den handwerklich-technischen Arbeitsablauf zu steuern, zu betreuen und zu überwachen hat und für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk verantwortlich ist.

3

Im Jahr 2006 geriet die Schuldnerin mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand. Sie zahlte die Vergütung für Januar 2006 am 27. März 2006, die Vergütung für Februar 2006 am 10. April 2006, die Vergütung für März 2006 am 25. April 2006, die Vergütung für April 2006 am 31. Mai 2006, die Vergütung für Mai 2006 am 30. Juni 2006, die Vergütung für Juni 2006 am 26. Juli 2006, die Vergütung für Juli 2006 am 4. September 2006, die Vergütung für August 2006 am 4. Oktober 2006, die Vergütung für September 2006 am 18. Oktober 2006, die Vergütung für Oktober 2006 am 24. November 2006, die Vergütung für November 2006 am 19. Dezember 2006 und die Vergütung für Dezember 2006 am 8. März 2007. Als im April 2007 ein Großteil der Arbeitnehmer der Schuldnerin die Vergütung für die Monate Januar bis März 2007 noch nicht erhalten hatte, kam es wegen der ausstehenden Lohn- und Gehaltszahlungen zu einer Betriebsversammlung. In dieser erklärte die Schuldnerin, dass Fördermittel beantragt worden seien, die Auszahlung der Fördermittel bevorstehe und dass im Falle der Bewilligung der Fördermittel alle Lohn- und Gehaltsrückstände auf einmal beglichen würden. Die Schuldnerin zahlte dem Kläger am 4. Mai 2007 Vergütung für Januar 2007 iHv. 900,00 Euro netto und am 7. Mai 2007 iHv. 310,12 Euro netto. Seine Vergütung für Februar 2007 iHv. 2.342,19 Euro netto erhielt der Kläger von der Schuldnerin ebenfalls am 7. Mai 2007. Am 10. Mai 2007 zahlte die Schuldnerin dem Kläger Vergütung für März 2007 iHv. 2.310,89 Euro netto. Der Beklagte focht mit Schreiben vom 1. Oktober 2007 die dem Kläger von der Schuldnerin am 4., 7. und 10. Mai 2007 geleisteten Gehaltszahlungen iHv. insgesamt 5.863,20 Euro netto an und forderte den Kläger zugleich ohne Erfolg auf, die erhaltenen Beträge zur Insolvenzmasse zurückzuerstatten.

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Der Kläger ist der Ansicht, er habe der Insolvenzmasse die ihm im Mai 2007 von der Schuldnerin gezahlte Vergütung nicht zurückzugewähren. Die Schuldnerin sei zum Zeitpunkt der Zahlungen nicht zahlungsunfähig gewesen, jedenfalls habe er keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder von Umständen gehabt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hätten schließen lassen. An der Betriebsversammlung im April 2007 habe er wegen Urlaubs nicht teilgenommen. Im Übrigen würde seine Kenntnis von Lohn- und Gehaltsrückständen gegenüber einem Großteil der Arbeitnehmer der Schuldnerin eine Insolvenzanfechtung nicht rechtfertigen. Er habe weder Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin gehabt noch Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen. Der tägliche Arbeitsablauf im Mai 2007 habe keine Rückschlüsse auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zugelassen. Lieferanten der Schuldnerin, zB die Firmen B, Niederlassung Z, oder H, hätten bis Anfang/Mitte Juni 2007 Waren gegen Rechnung geliefert. Schließlich sei es auch in der Vergangenheit schon zu Verzögerungen bei der Lohn- und Gehaltszahlung gekommen, die rückständigen Löhne und Gehälter seien jedoch jeweils ordnungsgemäß nachbezahlt worden.

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Der Kläger hat beantragt:

        

Es wird festgestellt, dass der Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von Arbeitsentgelt der Monate Januar 2007, Februar 2007 und März 2007 in Höhe von 5.863,20 Euro gegen den Kläger hat.

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Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, die Gehaltszahlungen der Schuldnerin an den Kläger im Mai 2007 seien anfechtbare Rechtshandlungen im Sinne der § 130 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO. Die Schuldnerin sei im Mai 2007 zahlungsunfähig gewesen. Die Kreditlinie der Schuldnerin bei der Sparkasse F sei nahezu ausgeschöpft gewesen. Auf der anderen Seite hätten Verbindlichkeiten der Schuldnerin aus Lieferung und Leistung sowie aufgrund rückständiger Lohn- und Gehaltszahlungen und nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge iHv. mehr als drei Millionen Euro bestanden. Der Kläger habe bei der Entgegennahme der Gehaltszahlungen im Mai 2007 gewusst, dass sich die Schuldnerin mit der Zahlung der Vergütung auch gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer mehrere Monate im Rückstand befunden habe. Aufgrund der Informationen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 habe der Kläger auch davon Kenntnis gehabt, dass mit Lohn- und Gehaltszahlungen der Schuldnerin nur im Falle der Gewährung von Fördermitteln habe gerechnet werden können. Über die Mitteilungen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 sei der Kläger trotz seines Urlaubs informiert gewesen. Der Kläger habe deshalb gewusst, dass die Schuldnerin ihre Arbeitnehmer frühestens Ende Mai 2007 wieder vergüten werde können, so dass es sich nicht um eine vorübergehende Zahlungsstockung von bis zu drei Wochen gehandelt habe. Auch die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO seien erfüllt. Der Kläger habe bei den Gehaltszahlungen im Mai 2007 Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, weil er zumindest gewusst habe, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gedroht und die Gehaltszahlung der Schuldnerin an ihn andere Gläubiger benachteiligt habe.

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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der negativen Feststellungsklage des Klägers weiter. Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die Annahme der Vorinstanzen, der Kläger sei nicht gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO iVm. § 130 Abs. 1 InsO bzw. iVm. § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, 5.863,20 Euro zur Insolvenzmasse zurückzugewähren, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

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I. Die Klage ist zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für die negative Feststellungsklage liegt vor. Zwischen den Parteien besteht Streit, ob der Kläger die im Mai 2007 von der Schuldnerin erhaltenen Gehaltszahlungen iHv. insgesamt 5.863,20 Euro netto zur Insolvenzmasse zurückzugewähren hat, wie dies der Beklagte in seinem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 1. Oktober 2007 verlangt hat. Die Entscheidung über die negative Feststellungsklage des Klägers ist geeignet, den Streit der Parteien über die Anfechtbarkeit der Gehaltszahlungen der Schuldnerin an den Kläger im Mai 2007 zu beenden.

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II. Der Beklagte hat keinen Anspruch gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO iVm. § 130 Abs. 1 InsO auf Rückzahlung von 5.863,20 Euro zur Insolvenzmasse.

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1. Die Regelungen in § 130 InsO gelten allerdings uneingeschränkt auch für Anfechtungsklagen eines Insolvenzverwalters bei Lohnzahlungen eines Arbeitgebers in der Krise. Zwar waren im Geltungsbereich der Konkursordnung rückständige Lohnansprüche aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO als Masseschulden vom Insolvenzverwalter voll zu befriedigen, so dass sich die Frage einer Anfechtung von Lohnzahlungen während dieses Zeitraums mangels einer Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich nicht stellte (Huber NJW 2009, 1928, 1929). Dieses Arbeitnehmerprivileg hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung mit Wirkung zum 1. Januar 1999 jedoch abgeschafft und Arbeitnehmer mit Ansprüchen wegen rückständiger Arbeitsvergütung bezüglich der Deckungsanfechtung ungesicherten Insolvenzgläubigern gleichgestellt. Die Deckungsanfechtung dient der Anreicherung der Insolvenzmasse (zu diesem Hauptziel der Insolvenzrechtsreform vgl. Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14) und fußt auf dem das Insolvenzrecht beherrschenden Grundsatz, dass im Insolvenzverfahren alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden sollen (par conditio creditorum, vgl. zum insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz BAG 19. Mai 2011 - 6 AZR 736/09 - ZIP 2011, 1628). Die gleiche Zugriffslage der Gläubiger soll dadurch sichergestellt werden, dass während der wirtschaftlichen Krise vorgenommene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden können. Allerdings soll auch der redliche Verkehr in seinem Vertrauen geschützt werden, dass vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Verfügungen des Schuldners Bestand haben (KPB/Schoppmeyer InsO Stand Mai 2011 § 130 Rn. 104; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Ein komplexer Rechts- und damit Wirtschaftsverkehr ist nicht zu gewährleisten, wenn die Teilnehmer letztlich auf gar nichts mehr vertrauen können und damit faktisch gezwungen werden, sogar jeden bereits erhaltenen Vermögensvorteil nochmals durch ein Sicherungsrecht oder durch ein - wie auch immer eingekleidetes - Vorrecht zu befestigen (Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14).

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2. Der Kläger hat am 4., 7. und 10. Mai 2007 den Betrag iHv. insgesamt 5.863,20 Euro nicht durch anfechtbare Rechtshandlung im Sinne von § 130 Abs. 1 InsO erlangt.

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a) Bei der Zahlung des Gehalts für Januar 2007 iHv. 900,00 Euro netto am 4. Mai 2007 und iHv. 310,12 Euro netto am 7. Mai 2007 handelt es sich allerdings nicht um ein Bargeschäft iSv. § 142 InsO, das nach dieser Bestimmung nur anfechtbar ist, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Auch soweit die Schuldnerin mit der Gehaltszahlung iHv. 2.342,19 Euro netto am 7. Mai 2007 Arbeitsleistungen des Klägers in der Zeit vom 1. bis zum 6. Februar 2007 vergütet hat, liegt kein Bargeschäft iSv. § 142 InsO vor. Die Zahlung der Schuldnerin iHv. 2.342,19 Euro netto ist dagegen nicht nach § 130 Abs. 1 InsO anfechtbar, soweit diese Zahlung der Vergütung vom Kläger in der Zeit vom 7. bis zum 28. Februar 2007 erbrachter Arbeitsleistungen diente. Auch die Zahlung des Gehalts für März 2007 iHv. 2.310,89 Euro netto am 10. Mai 2007 unterliegt als Bargeschäft iSv. § 142 InsO nicht der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO.

14

aa) Gemäß § 142 InsO ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Dem Erfordernis der Unmittelbarkeit entsprechen auch solche Geschäfte, bei denen der Schuldner in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner eine gleichwertige Gegenleistung erhält (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190; 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01 - WM 2006, 190; ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24). Einigkeit besteht, dass Leistung und Gegenleistung beim Bargeschäft nicht Zug um Zug erbracht werden müssen (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO; Leithaus in Andres/Leithaus InsO 2. Aufl. § 142 Rn. 4). Anerkannt ist auch, dass länger andauernde Vertragsbeziehungen nicht von vornherein als Bargeschäft ausscheiden, sondern auch Dienstleistungen Bargeschäfte sein können. Allerdings ist bei länger währenden Vertragsbeziehungen für die Annahme eines Bargeschäfts zu verlangen, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar sind und zeitnah ausgetauscht werden (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO). Wie lange der Charakter eines Bargeschäfts erhalten bleibt, lässt sich nicht allgemeingültig bestimmen, sondern ist nach der Verkehrsauffassung zu entscheiden (Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 142 Rn. 3). Ob eine Leistung von der Privilegierung des § 142 InsO erfasst wird, hängt wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und davon ab, in welcher Zeitspanne sich der Austausch nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs vollzieht(BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - aaO; ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24).

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bb) Unter welchen zeitlichen Voraussetzungen verspätete Entgeltzahlungen des Arbeitgebers noch Bargeschäfte im Sinne von § 142 InsO sind und damit der Privilegierung dieser Vorschrift unterliegen, ist im Schrifttum umstritten(vgl. Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). So soll ein Bargeschäft bereits dann ausgeschlossen sein, wenn die Vergütung nicht nur einige Tage verspätet (Zwanziger BB 2007, 42, 43) oder nicht einigermaßen pünktlich (Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1)gezahlt wird. Als zeitliche Grenze des Bargeschäftscharakters einer verspäteten Lohnzahlung werden auch Fristen von drei Wochen (Huber NJW 2009, 1928, 1929; Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1666; Wegener NZI 2009, 225), von ca. vier Wochen (Abele FA 2009, 133), von nicht mehr als 30 Tagen (Bichlmeier/Wroblewski Das Insolvenzhandbuch für die Praxis 3. Aufl. Teil 1 Rn. 52; Bork ZIP 2007, 2337, 2338 f.) und von nicht mehr als einem Kalendermonat (ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 24) genannt.

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cc) Die genannten Zeitspannen sind zu kurz bemessen. Die für die abschnittsweise Vergütung abschnittsweise erbrachter Leistungen entwickelten Grundsätze passen nicht für Arbeitsverhältnisse (Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). Bei verspäteten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers überzeugt für die Frage eines Bargeschäfts auch die Heranziehung der in § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB geregelten Verzugsfrist von 30 Tagen nicht(vgl. zur Anlehnung an diese Frist bei Zahlung der Anwaltsgebühr BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190 sowie Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 30 und 34).

17

(1) Wenn die Frage, ob eine Leistung von der Privilegierung des § 142 InsO erfasst wird, wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und davon abhängt, in welcher Zeitspanne sich der Austausch nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs vollzieht, spricht als rechtstatsächliches Argument für eine längere Frist bereits, dass in nicht wenigen Branchen eine verzögerte Zahlung der Vergütung schon fast die Regel ist und die nicht selten schlechte Zahlungsmoral der Auftraggeber und Schuldner von Arbeitgebern bewirkt, dass die verspäteten Eingänge von Forderungen auch zu verzögerten Lohn- und Gehaltszahlungen führen(vgl. Bandte FS Beuthien S. 401, 405). Dass im Falle einer Kreditgewährung ein Bargeschäft nicht in Betracht kommt, rechtfertigt zwar noch nicht den Umkehrschluss, ein Bargeschäft liege immer dann vor, wenn kein Kredit gewährt werde (BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190). Jedoch sind nach der Verkehrsanschauung Entgeltzahlungen von Arbeitgebern für Arbeitsleistungen in den letzten drei Monaten, die Arbeitnehmer im Hinblick auf den in § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III festgesetzten Insolvenzgeldzeitraum zumeist als abgesichert anzusehen pflegen, nicht nur nicht Tilgung eines Kredits, sondern noch Leistungen im engen zeitlichen Zusammenhang mit der von den Arbeitnehmern erbrachten Gegenleistung.

18

(2) Hinzu kommt, dass im Arbeitsverhältnis Arbeit dauernd und nicht abschnittsweise geleistet wird und die Masse nicht nur von den erbrachten Arbeitsleistungen, sondern vor allem auch vom Fortbestand des Betriebs als funktionaler Einheit profitiert. Dazu ist erforderlich, dass die einzelnen Arbeitnehmer überhaupt „bei der Stange bleiben“ - und auch dies wird mit der Berichtigung von Lohnrückständen „erkauft“ (so zutreffend Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14; aA Wegener NZI 2009, 225, 226). Zwar trifft es zu, dass der Arbeitgeber nach § 614 Satz 2 BGB eine nach Zeitabschnitten bemessene Vergütung nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten hat, der Arbeitnehmer damit Vorleistungen zu erbringen hat und im Allgemeinen derjenige, der an den Schuldner Vorleistungen erbracht hat, wegen seines Anspruchs auf die Gegenleistung nur eine Insolvenzforderung hat(BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - BGHZ 167, 190). Allerdings bezweckt die Regelung in § 142 InsO, dem in der Krise befindlichen Schuldner eine weitere Teilnahme am Geschäftsverkehr zu ermöglichen, wenn dies die Gläubigergesamtheit nicht beeinträchtigt. Wenn aber § 142 InsO den Zweck erfüllen soll, dass der Schuldner auch in der Krise vorsichtig weiterwirtschaften kann, ist es in aller Regel erforderlich, dass der Betrieb des Arbeitgebers als funktionale Einheit fortbesteht und die Arbeitnehmer bereit sind, die ihnen obliegenden Arbeitsleistungen trotz des Zahlungsverzugs zu erbringen. Ein Unternehmen in der Krise, das die Unterstützung seiner Arbeitnehmer verliert, weil es sie in die Kündigung oder in die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts treibt, wird umso schneller am Ende sein, so dass die Perspektive einer sanierenden Insolvenz schon im Vorfeld der Antragstellung verloren ginge (Abele FA 2009, 133, 135). In der Regel ist die Mehrzahl der Arbeitnehmer trotz des Zahlungsverzugs des Arbeitgebers zur Weiterarbeit bereit, sofern sie ihre Entgeltansprüche als durch das Insolvenzgeld gesichert ansehen, das nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate gezahlt wird. Hätten Arbeitnehmer Entgeltzahlungen des Arbeitgebers für Arbeitsleistungen, die sie in den letzten drei Monaten erbracht haben, an die Insolvenzmasse zurückzugewähren, würde das der Regelung in § 142 InsO zugrunde liegende Ziel, dass der Schuldner in der Krise nicht praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen ist und seine Geschäfte fortführen kann(FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 142 Rn. 1), in aller Regel verfehlt.

19

b) Die Gehaltszahlungen der Schuldnerin am 4. und 7. Mai 2007 für die Zeit vom 1. Januar bis zum 6. Februar 2007 stellen kongruente Deckungen im Sinne von § 130 Abs. 1 InsO dar. Dem Kläger standen die gezahlten Beträge zu. Dieser erlangte die Zahlungen auch innerhalb der Krise. Die Zahlungen am 4. und 7. Mai 2007 erfolgten innerhalb der letzten drei Monate vor dem am 10. Juli 2007 von der A gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO).

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c) Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Schuldnerin bei den Gehaltszahlungen an den Kläger im Mai 2007 zahlungsunfähig war. Es hat sich jedoch in vollem Umfang die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht. Dieses hat zu Gunsten des Beklagten unterstellt, dass die Schuldnerin zum Zeitpunkt der an den Kläger im Mai 2007 geleisteten Zahlungen zahlungsunfähig im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO gewesen ist. Davon ist deshalb auch im Revisionsverfahren auszugehen, zumal der Kläger die vom Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht unterstellte Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht mit Gegenrügen angegriffen hat und Umstände, die die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bereits im Mai 2007 in Frage stellen könnten, nicht ersichtlich sind.

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d) Allerdings setzt die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung nach § 130 Abs. 1 InsO nicht nur voraus, dass der objektive Tatbestand dieser Bestimmung vorliegt und der Schuldner bei Vornahme der Deckungshandlung zahlungsunfähig war. Anfechtbar ist eine Rechtshandlung nach § 130 Abs. 1 InsO nur dann, wenn auch der subjektive Tatbestand dieser Bestimmung erfüllt ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO) oder bei einer nach dem Eröffnungsantrag vorgenommenen Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO) kannte.

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aa) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe am 4. und 7. Mai 2007 keine positive Kenntnis im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

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(1) Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Verhalten des Schuldners nach außen hervorgetreten ist, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - Rn. 11, ZInsO 2009, 2148). Die Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gilt auch im Rahmen des § 130 Abs. 1 InsO(BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - Rn. 13, BGHZ 180, 63; 20. November 2001 - IX ZR 48/01 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 149, 178; FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 38). Auf die Merkmale der „Dauer“ und der „Wesentlichkeit“ hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung bei der Umschreibung der Zahlungsunfähigkeit verzichtet (vgl. Gottwald/Uhlenbruck/Gundlach Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 6 Rn. 8). Nach der Gesetzesbegründung (Begr. zu § 20 Eröffnungsgrund und § 21 Zahlungsunfähigkeit RegE, BT-Drucks. 12/2443 S. 114) versteht es sich von selbst - und braucht deshalb nicht besonders zum Ausdruck gebracht zu werden -, dass eine vorübergehende Zahlungsstockung keine Zahlungsunfähigkeit begründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt eine Zahlungsunfähigkeit, die sich voraussichtlich innerhalb kurzer Zeit beheben lässt, lediglich als Zahlungsstockung (24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - BGHZ 163, 134). Der Zeitraum, innerhalb dessen die Zahlungsstockung beseitigt sein musste, andernfalls sie als Zahlungsunfähigkeit behandelt wurde, war unter der Geltung der Konkursordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung auf etwa einen Monat begrenzt worden (BGH 20. November 2001 - IX ZR 48/01 - BGHZ 149, 178). Da der Gesetzgeber der Insolvenzordnung diesen Zeitraum verkürzen wollte, kann eine Illiquidität nur noch dann als Zahlungsstockung angesehen werden, wenn sie den Zeitraum nicht überschreitet, den eine kreditwürdige Person zur Kreditbeschaffung benötigt (FK-InsO/Schmerbach 6. Aufl. § 17 Rn. 20 f.). Die Grenze liegt bei drei Wochen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Dies bedeutet freilich noch nicht, dass ein Schuldner generell bereits dann zahlungsunfähig ist, wenn er seine fälligen Verbindlichkeiten nicht binnen einer dreiwöchigen Frist zu 100 % erfüllen kann. Kann er innerhalb dieser Frist seine Verbindlichkeiten bis auf einen geringfügigen Rest bedienen, ist er nicht als zahlungsunfähig anzusehen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Eine nur geringfügige Liquiditätslücke liegt in der Regel dann nicht mehr vor, wenn innerhalb von drei Wochen 10 % oder mehr der fälligen Gesamtverbindlichkeiten nicht erfüllt werden können (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - ZInsO 2009, 2148). Allerdings erlaubt diese Quote für sich allein genommen noch keine abschließende Bewertung des wirtschaftlich komplexen Sachverhalts der Zahlungsunfähigkeit. Der prozentuale Schwellenwert hat die Bedeutung, dass sein Erreichen eine widerlegbare Vermutung für die Zahlungsunfähigkeit begründet. Liegt eine Unterdeckung von weniger als 10 % vor, genügt sie allein nicht zum Beleg der Zahlungsunfähigkeit. Wenn diese gleichwohl angenommen werden soll, müssen besondere Umstände vorliegen, die diesen Standpunkt stützen (BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 - aaO). Eine Zahlungseinstellung kann aber auch dann schon vorliegen, wenn der Schuldner noch einzelne beträchtliche Zahlungen erbringt, sofern daneben wesentliche fällige und eingeforderte Schulden unerfüllt bleiben (vgl. zur Zahlungseinstellung im Sinne von § 102 Abs. 2 KO BGH 10. Juli 2003 - IX ZR 89/02 - ZInsO 2003, 755).

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(2) Kenntnis bedeutet für sicher gehaltenes, positives Wissen (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63; MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 33; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 24; zur positiven Kenntnis von der Zahlungseinstellung im Sinne von § 30 KO vgl. BGH 15. November 1990 - IX ZR 92/90 - WM 1991, 150). Der Gläubiger kennt die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung als komplexen Rechtsbegriff nur, wenn er selbst die Liquidität oder das Zahlungsverhalten des Schuldners wenigstens laienhaft so bewertet (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - aaO). Dieses positive Wissen muss bei der Vornahme der Rechtshandlung und damit grundsätzlich in dem Zeitpunkt vorhanden sein, in dem die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung eintreten (§ 140 Abs. 1 InsO). Dazu ist regelmäßig erforderlich, dass dem Gläubiger zum einen Informationen über den Gesamtbestand der gegen den Schuldner gerichteten, in den nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten und über die in dieser Zeit vorhandenen Geldmittel vorliegen. Zum anderen muss der Gläubiger aus diesen Informationen den Schluss ziehen, dass der Schuldner wesentliche Teile seiner in den nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten nicht wird tilgen können (KPB/Schoppmeyer InsO Stand Mai 2011 § 130 Rn. 110; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Die Kenntnis allein der einzelnen Tatsachen, die eine Zahlungsunfähigkeit begründen, genügt damit für sich nicht (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 33). Nicht ausreichend ist es auch im Einzelfall, wenn der Gläubiger nur die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens fürchtet oder Zweifel an der Kreditwürdigkeit des Schuldners hat (FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 44). Bei der Beurteilung, ob der Gläubiger über ausreichende Informationen über den Gesamtbestand der Verbindlichkeiten und über das vorhandene Vermögen verfügt, kann auch die Rechtsform des Unternehmens von Bedeutung sein, wobei die Unternehmensform des eingetragenen Kaufmanns den Überblick über die Liquiditäts- und Zahlungslage nicht erleichtern muss, sondern auch erschweren kann.

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(3) Regelmäßig muss der Insolvenzverwalter nicht nur alle objektiven, sondern auch alle subjektiven Voraussetzungen der Deckungsanfechtung beweisen (BGH 12. Juli 2007 - IX ZR 210/04 - ZInsO 2007, 1046; MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 61). Dazu hat er substantiiert die im konkreten Einzelfall einschlägigen Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Eröffnungsantrag ergibt (FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 57; eingehend zum Beweisrecht bei Kongruenzanfechtung rückständiger Lohnzahlungen an Arbeitnehmer Huber FS Ganter S. 203, 204 ff.). Nur gegenüber einer dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestehenden Person im Sinne von § 138 InsO wird gemäß § 130 Abs. 2 InsO vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

26

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, der Beklagte habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen eine positive Kenntnis des Klägers von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bei den Gehaltszahlungen am 4. und 7. Mai 2007 abgeleitet werden könnte. Der Beklagte rügt zwar, das Landesarbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft eine Kenntnis des Klägers von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin verneint. Er hat jedoch auch im Revisionsverfahren nicht dargetan, aufgrund welcher Umstände oder Indizien sicheres Wissen des Klägers zur Liquiditätslage der Schuldnerin im Zeitpunkt der Gehaltszahlungen am 4. und 7. Mai 2007 anzunehmen ist. Der Hinweis des Beklagten auf die Kenntnis des Klägers von den Lohn- und Gehaltsrückständen und die Mitteilungen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007 ist dazu unzureichend. Aufgrund der Auskünfte der Schuldnerin mussten ihre Arbeitnehmer zwar damit rechnen, dass ihre Lohn- und Gehaltsansprüche frühestens Ende Mai 2007 und damit nicht innerhalb von drei Wochen erfüllt werden. Jedoch ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht daraus noch keinen Gesamtüberblick der Arbeitnehmer der Schuldnerin über die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens abgeleitet hat.

27

e) Allerdings steht nach § 130 Abs. 2 InsO der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen(Vermutungstatsachen). Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe keine Kenntnis von solchen Tatsachen gehabt, ist jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten nicht rechtsfehlerhaft.

28

aa) § 130 Abs. 2 InsO bezweckt eine Beweiserleichterung für den Insolvenzverwalter(Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1). Der Rechtsanwendungsvorteil des Insolvenzverwalters besteht darin, dass die Vermutung des § 130 Abs. 2 InsO unwiderleglich ist(Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 130 Rn. 23). Die Vorschrift lässt jedoch die grob fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit nicht genügen (BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63). Der Gesetzgeber hat den Begriff der grob fahrlässigen Unkenntnis bewusst vermieden, um Rechtssicherheit zu erzeugen (Bandte FS Beuthien S. 401, 404). Der Begriff der grob fahrlässigen Unkenntnis in § 145 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Regierungsentwurfs einer Insolvenzordnung wurde gestrichen und durch die neue Formulierung in § 145 Abs. 2 der Beschlussempfehlung ersetzt(Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages zum Entwurf einer Insolvenzordnung, BT-Drucks. 12/7302 S. 173 zu § 145 Abs. 1 und 2). Vorausgesetzt wird demgemäß, dass der Insolvenzgläubiger die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Erforderlich ist auch hier positive Kenntnis. Der Tatbestand des § 130 Abs. 2 InsO ist nur dann erfüllt, wenn der Anfechtungsgegner - gleichgültig aus welchen Quellen - die tatsächlichen Umstände positiv kennt, aus denen die Zahlungsunfähigkeit objektiv folgt(MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 34). Ob aufgrund dieser Kenntnis von Umständen der Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag zwingend war, ist eine Rechtsfrage. Der Einwand, er habe den Schluss nicht gezogen, hilft dem Anfechtungsgegner deshalb nicht weiter, wenn ein redlich und vernünftig Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der festgestellten Umstände sich der Einsicht nicht hätte verschließen können, dass der Schuldner tatsächlich zahlungsunfähig oder ein Eröffnungsantrag gestellt war (vgl. BGH 15. Oktober 2009 - IX ZR 201/08 - ZInsO 2009, 2244; 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 29; Huber FS Ganter S. 203, 208). Maßgebend ist nicht der individuelle Schuldvorwurf, sondern der individuelle Wissensstand (Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1670).

29

bb) § 130 Abs. 2 InsO spricht von der Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, ohne die Tatsachen, deren Kenntnis die Vermutung auslösen kann, näher zu beschreiben oder Beispiele für Indizien zu nennen, aus denen regelmäßig auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag geschlossen werden kann. Wann derartige Umstände gegeben sind, lässt sich generell auch nur schwer umschreiben (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 130 Rn. 34).

30

(1) Im Schrifttum (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 37 ff.; Huber in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 130 Rn. 20 und 23; FK-InsO/Dauernheim 6. Aufl. § 130 Rn. 41; Ries/Doebert ZInsO 2009, 2367, 2370) werden als Anhaltspunkte und Beweisanzeichen für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von Vermutungstatsachen ua. genannt: Die Kenntnis des Anwachsens von Rückständen, die Kenntnis der Nichteinhaltung von Zahlungszusagen, insbesondere vom Schuldner selbst vorgeschlagener Ratenzahlungen, die Kenntnis des Rückstands mit fälligen Sozialversicherungsbeiträgen, die Kenntnis des erneuten Entstehens von Rückständen nach vorheriger (teilweiser) Befriedigung des Gläubigers, die Kenntnis der Nichtzahlung oder der schleppenden Zahlung von Löhnen und Gehältern, die Kenntnis der Häufung von Klagen und Zwangsvollstreckungen, die Kenntnis der verstärkten Inanspruchnahme von Bürgen des Schuldners, Informationen durch den Schuldner, zB bei Betriebsversammlungen, sowie Presseberichte über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens des Schuldners. Eine mit kurzfristigen Engpässen begründete bloße Stundungsbitte des Schuldners reicht dagegen allein regelmäßig nicht als Zurechnungsgrundlage aus (MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 130 Rn. 39).

31

(2) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. September 2010 (- GmS-OGB 1/09 - BGHZ 187, 105), wonach für die Klage des Insolvenzverwalters gegen einen Arbeitnehmer des Schuldners auf Rückgewähr vom Schuldner geleisteter Vergütung nach § 143 Abs. 1 InsO der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben ist, hat der Bundesgerichtshof(19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63) angenommen, dass die Kenntnis des Arbeitnehmers, dem der Arbeitgeber in der Krise noch Zahlungen auf rückständige Lohnforderungen erbringt, dass der Arbeitgeber außerdem noch anderen Arbeitnehmern Lohn schuldig ist, allein nicht den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung des Arbeitgebers rechtfertigt. Sei der Gläubiger ein Arbeitnehmer des Schuldners ohne Einblick in die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens, also ein Arbeitnehmer ohne „Insiderkenntnisse“, treffe ihn keine Erkundigungspflicht. An diesen Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 15. Oktober 2009 (- IX ZR 201/08 - Rn. 1, ZInsO 2009, 2244), die die Anfechtung von Entgeltzahlungen desselben Schuldners an einen anderen Arbeitnehmer betraf, festgehalten. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung hervorgehoben, dass jener Arbeitnehmer in seiner Funktion als Bauleiter in der Informationshierarchie nicht auf unterster Ebene gestanden sei, und hat die Würdigung der Vorinstanz nicht beanstandet, die bezüglich der positiven Kenntnis des Beklagten von Vermutungstatsachen maßgeblich auf die zeitliche Dauer und Höhe der eigenen Lohnrückstände, die erheblichen Lohnrückstände bei anderen Arbeitnehmern sowie die Kenntnis des Beklagten von den ökonomischen und wirtschaftlichen Hintergründen des Unternehmens aufgrund seiner langjährigen Stellung als Bauleiter abgestellt hatte.

32

(3) Die Stellung oder Funktion des Arbeitnehmers im Unternehmen des Schuldners ist bei der Beurteilung, ob der Arbeitnehmer positive Kenntnis von Vermutungstatsachen hatte, allerdings nicht per se maßgebend (vgl. Abele FA 2009, 133, 135; Schulz Anm. DZWIR 2009, 256, 257; kritisch wohl auch Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1674; aA Dahl NJW-Spezial 2010, 661, 662). Es trifft zwar zu, dass Arbeitnehmer in herausgehobenen Funktionen in aller Regel eher in der Lage sind, sich über die Liquiditätsgesamtlage des Schuldners zu informieren, als Arbeitnehmer auf unteren Ebenen oder dass sie aufgrund ihrer leitenden Stellung eher um die Situation des Unternehmens wissen (vgl. Bork ZIP 2007, 2337, 2338). Auch mögen Arbeitnehmer, die in der Finanzbuchhaltung tätig sind oder Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrnehmen, häufig über „Insiderkenntnisse“ verfügen (Huber NJW 2009, 1928, 1931). Wenn § 130 Abs. 2 InsO anordnet, dass die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags gleichsteht, schließt dies jedoch nicht die Vermutung ein, dass Arbeitnehmer in herausgehobenen Funktionen oder Arbeitnehmer, die im kaufmännischen Bereich oder in der Finanzbuchhaltung tätig sind, positive Kenntnis von Umständen haben, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Der Unterschied zwischen der nach § 130 Abs. 1 InsO und der nach § 130 Abs. 2 InsO erforderlichen positiven Kenntnis liegt nur im Bezugspunkt. Bei letztgenannter Vorschrift geht es um die Feststellung der positiven Kenntnis der (tatbestandsfremden) Vermutungstatsachen, von denen dann der Schluss auf die Haupttatsache gesetzlich vermutet wird (Huber FS Ganter S. 203, 208). Auch bei Arbeitnehmern ohne herausgehobene Funktion kommt eine positive Kenntnis von Vermutungstatsachen in Betracht, wenn sie zB als Sekretärin oder Chauffeur des Schuldners Umstände erfahren, die zwingend auf dessen Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (Abele FA 2009, 133, 135; vgl. dazu auch Ries/Doebert ZInsO 2009, 2367, 2369). Da § 130 Abs. 2 InsO seinem eindeutigen Wortlaut nach auf die Kenntnis von Umständen und gerade nicht auf die (grob) fahrlässige Unkenntnis von Umständen abstellt, trifft Arbeitnehmer unabhängig davon, ob sie Einblick in die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens haben, keine Erkundigungspflicht. Ein Verstoß gegen eine Erkundigungspflicht könnte zudem keine positive Kenntnis, sondern nur eine schuldhafte Unkenntnis von Vermutungstatsachen begründen (vgl. Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1; Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1669). § 130 Abs. 2 InsO ändert nichts daran, dass der Insolvenzverwalter dem Anfechtungsgegner eingehende Kenntnis über die seinerzeitige Vermögenslage des Schuldners nachweisen muss und damit beweisen muss, dass dem Anfechtungsgegner alle für die Erstellung einer Liquiditätsprognose erforderlichen Informationen über Bestand und Entwicklung der Verbindlichkeiten und kurzfristig verwertbaren Aktiva vorlagen(Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 1).

33

cc) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Beklagten dieser Nachweis nicht gelungen ist.

34

(1) Es hat zunächst in Übereinstimmung mit den vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 19. Februar 2009 (- IX ZR 62/08 - BGHZ 180, 63) aufgestellten Grundsätzen angenommen, dass der Kläger am 4. und 7. Mai 2007 die zeitliche Dauer und Höhe der eigenen Gehaltsrückstände gekannt und gewusst hat, dass die Schuldnerin auch gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer seit mehreren Monaten mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand geraten ist, habe noch kein eindeutiges Urteil über die Liquiditäts- und Zahlungslage der Schuldnerin zugelassen, weil für den Kläger nicht erkennbar gewesen sei, welchen Anteil die Lohn- und Gehaltsrückstände an den insgesamt fälligen und eingeforderten Geldschulden hatten. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal das Landesarbeitsgericht berücksichtigen durfte, dass der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte und keine Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen hat. Deshalb hilft dem Beklagten auch seine Rüge nicht weiter, das Landesarbeitsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch verletzt, dass es über seine Behauptung, der Kläger sei über die Lohn- und Gehaltsrückstände informiert gewesen, nicht den von ihm angebotenen Zeugenbeweis erhoben habe.

35

(2) Gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass der Schuldnerin bis Anfang/Mitte Juni 2007 Material noch auf Rechnung geliefert worden ist, richtet sich kein Angriff der Revision. Wenn das Landesarbeitsgericht aus der Materialversorgung der Schuldnerin gegen Rechnung während der Krise abgeleitet hat, dass der Kläger nicht annehmen musste, die Schuldnerin sei zahlungsunfähig, ist diese tatrichterliche Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit das Landesarbeitsgericht durch Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts angenommen hat, die Informationen der Schuldnerin in der Betriebsversammlung im April 2007, insbesondere ihr Hinweis auf Fördermittel, hätten nicht zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen lassen.

36

III. Entgegen der Ansicht des Beklagten überschreitet auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Anfechtungsvoraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO seien nicht erfüllt, nicht die Grenzen der tatrichterlichen Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO und ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

37

1. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird diese Kenntnis vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Der Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hinweisen(BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - ZInsO 2009, 2148). Dass der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Insolvenzgläubiger benachteiligte, also ihre Befriedigung beeinträchtigte, hat der Insolvenzverwalter zu beweisen (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 133 Rn. 4 und 22). Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen(vgl. zur tatrichterlichen Verantwortung bei der Beantwortung der Frage nach der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der gläubigerbenachteiligenden Wirkung der angefochtenen Rechtshandlung Ganter WM 2009, 1441, 1445 f.). Insoweit können die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung, bei denen es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt, regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden (vgl. Vollrath ZInsO 2011, 1665, 1667). Zu beachten ist, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen (BGH 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 - Rn. 8, ZInsO 2009, 2148). Die Beurteilung, ob die Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit nachgewiesen ist, unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung des Tatrichters (so zutreffend Windel Anm. AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14). Die allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze bezüglich der Beweislast und der freien Beweiswürdigung gelten auch im insolvenzrechtlichen Anfechtungsprozess (eingehend zum Beweisrecht bei Kongruenzanfechtung rückständiger Lohnzahlungen an Arbeitnehmer Huber FS Ganter S. 203, 204 ff.).

38

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, wonach der Kläger bei den Gehaltszahlungen am 4., 7. und 10. Mai 2007 keine Kenntnis von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hatte und auch nicht wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin drohte und die Gehaltszahlungen die anderen Gläubiger benachteiligten, lässt Rechtsfehler bei der Überzeugungsbildung des Landesarbeitsgerichts nicht erkennen. Die Bewertung, dass die Kenntnis des Klägers von der zeitlichen Dauer und Höhe der eigenen Gehaltsrückstände und seine Kenntnis von Gehalts- und Lohnrückständen gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer kein ausreichendes Indiz dafür ist, dass der Kläger die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder Umstände kannte, die zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hingewiesen haben, ist nicht zu beanstanden, zumal der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte und bis Anfang/Mitte Juni 2007 der Schuldnerin Material noch auf Rechnung geliefert worden ist.

39

IV. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Lorenz    

                 
6
Wird von der Insolvenzschuldnerin nach Eintritt der wirtschaftlichen Krise durch weitere Prämienzahlungen der Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöht, so kommt deswegen die Insolvenzanfechtung in Betracht (BGH, Urteil vom 10. Juli 1997 - IX ZR 161/96, NJW 1998, 312, 315, in BGHZ 136, 220 nicht mit abgedruckt). Die Annahme des Berufungsgerichts, die Prämienzahlungen an den Lebensversicherer seien wegen der Gegenleistung des Beklagten im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO nicht gläubigerbenachteiligend (ebenso OLG Brandenburg, NZI 2002, 439, 440 f unter 2.), ist rechtsfehlerhaft. Denn für die Gläubiger der Insolvenzschuldnerin gewähren die erbrachten Tätigkeiten des Beklagten keine Zugriffsmöglichkeit, wie sie die zur Entrichtung der Versicherungsprämien abgeflossenen Zahlungsmittel boten (vgl. Jaeger /Henckel, InsO, § 133 Rn. 19).

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

46

I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

46

I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

Stellt das Gesetz für das Vorhandensein einer Tatsache eine Vermutung auf, so ist der Beweis des Gegenteils zulässig, sofern nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Dieser Beweis kann auch durch den Antrag auf Parteivernehmung nach § 445 geführt werden.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

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c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

46

I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 
10
a) Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtungkönnen - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 8). Insoweit kommt den Beweisanzeichen der erkannten Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der Inkongruenz einer von ihm erbrachten Leistung besondere Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09, WM 2012, 146 Rn. 18; vom 8. März 2012 - IX ZR 51/11, WM 2012, 857 Rn. 41).

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

46

I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

46

I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

86

d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

87

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 
9
a) Außerhalb der wirtschaftlichen Krise des Schuldners, die anfechtungsrechtliche Relevanz gemäß §§ 130 bis 132 InsO höchstens drei Monate vor der Stellung des Insolvenzantrags entfaltet, unterliegen Gläubiger nur der Vorsatzanfechtung. Gemäß § 133 Abs. 1 InsO ist der zahlungsunfähige Schuldner nicht berechtigt, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger vorsätzlich zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind (vgl. BGHZ 162, 143, 150; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 133 Rn. 1; Uhlenbruck/Hirte, InsO 12. Aufl. § 133 Rn. 6, 12; Jaeger/Henckel, InsO § 133 Rn. 2; Schoppmeyer NZI 2005, 185, 187). Die Anfechtungsnorm des § 133 Abs. 1 InsO missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners (vgl. BTDrucks. 12/2443 S. 160). Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Initiative zu dem die Gläubiger benachteiligenden Handeln vom Schuldner ausgeht. Gläubiger , die mit der von § 133 Abs. 1 InsO geforderten Kenntnis den Schuldner zu einer die Gläubigergesamtheit benachteiligenden Rechtshandlung veranlassen, sind deswegen nicht gegen die Anfechtung geschützt (BGHZ 162, 143, 150). Maßgebliche Voraussetzung der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO ist in Abgrenzung zu unanfechtbaren einseitigen Gläubigerhandlungen mithin, ob ein willensgesteuertes Handeln des Schuldners zur Befriedigung beigetra- gen hat. Nur wer darüber entscheiden kann, ob er die angeforderte Leistung erbringt oder verweigert, nimmt selbst eine Rechtshandlung im Sinne des § 129 InsO vor.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. November 2011 - 5 Sa 227/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse aufgrund einer Vorsatzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 10. August 2007 beantragten und am 13. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S AG (künftig: Schuldnerin). Die 1954 geborene Beklagte war seit 2000 bei der Schuldnerin als teilzeitbeschäftigte Buchhalterin tätig. Sie erzielte zuletzt einen Nettoverdienst von monatlich 1.431,90 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 2007.

3

Ausweislich des am 27. September 2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin tätig. Sie war eigenverantwortlich ua. zuständig für alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich, für die Überprüfung der Zahlungseingänge, für die Überwachung der Zahlungstermine, Lohn- und Gehaltszahlungen sowie die vorbereitenden Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz. Von Mai 2006 bis einschließlich Dezember 2006 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Nach ihrer Genesung erarbeitete sie eine als „Arbeits-Bilanz“ bezeichnete interne Bilanz zum 30. April 2007. Diese wies ein gezeichnetes Kapital von rund 256.000,00 Euro, einen Verlustvortrag von rund 478.000,00 Euro sowie einen Verlust von rund 149.000,00 Euro aus. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Die Löhne und Gehälter der etwa 15 Mitarbeiter bezahlte die Schuldnerin jeweils termingerecht zu Beginn des Folgemonats.

4

Der Kläger begehrt mit der am 30. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Rückzahlung des von der Schuldnerin für Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von insgesamt 10.023,30 Euro zur Masse.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen vor. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen und habe daher mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Beklagte habe als Buchhalterin und damit als „Insider“ gewusst, dass sich die Schuldnerin ihre Mitarbeiter nicht mehr habe leisten können und die Lohnzahlungen zulasten der übrigen Gläubiger erfolgt seien. Auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei im Regelfall aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.023,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13. September 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie keinen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage der Schuldnerin gehabt habe. Wenn es in den vergangenen Jahren zu finanziellen Engpässen gekommen sei, hätten die Inhaber der Schuldnerin diese Beträge stets aus ihrem Privatvermögen ausgeglichen. Es hätten weitere Mittel zufließen sollen. Jedenfalls seien die Regelungen der Insolvenzordnung verfassungswidrig, wenn sie auf Arbeitnehmer angewandt würden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 21. März 2012 (- 6 AZN 1881/11 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

9

Die Beklagte hat in der Revisionserwiderung unter Vortrag neuer Tatsachen ausgeführt, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin bei der Zahlung des Nettoentgelts für Januar bis Juli 2007 ohne den nach § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz handelte, jedenfalls aber die Beklagte von einem solchen Vorsatz keine Kenntnis hatte und diese Kenntnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten war.

11

A. Die Beklagte ist Anfechtungsgegnerin. Das gilt auch, soweit der Kläger Entgelt zurückfordert, das für den Insolvenzgeldzeitraum (13. Juni bis 31. Juli 2007) gezahlt worden ist. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 93). Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner deshalb grundsätzlich der Arbeitnehmer. Erst dann, wenn ein Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist, kann die Anfechtung gegen die Bundesagentur für Arbeit zu richten sein.

12

I. § 169 Satz 1 SGB III ordnet allerdings an, dass mit dem Antrag auf Insolvenzgeld die Entgeltansprüche, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen. Gemäß § 169 Satz 3 SGB III findet die gegen Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung gegen die Bundesagentur statt. Soweit daraus gefolgert wird, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Insolvenzgeld gestellt sei, sei die Bundesagentur für Arbeit Anfechtungsgegnerin, weil sie entsprechend dem Zweck des Insolvenzgeldanspruchs während des Insolvenzgeldzeitraums wirtschaftlich das Insolvenzrisiko trage (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 391 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 187 Satz 2 SGB III), folgt dem der Senat nicht.

13

§ 145 InsO regelt die Anfechtung bei Rechtsnachfolge. § 169 Satz 3 SGB III gleicht die Rechtsposition der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen der Stellung der in § 145 Abs. 1 InsO aufgeführten Gesamtrechtsnachfolger an und verwehrt es ihr, sich nach § 145 Abs. 2 InsO auf Vertrauensschutz zu berufen(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 169 Rn. 35). Die Bundesagentur für Arbeit ist also nur und insoweit Anfechtungsgegnerin, als der Anspruch des Arbeitnehmers auf sie übergegangen ist. Der Anspruchsübergang setzt aber nach § 169 Satz 1 SGB III einen Antrag des Arbeitnehmers voraus. Außerdem müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass eine Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht kommt (BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78 - BSGE 48, 269). Nach dieser gesetzlichen Systematik ist die Bundesagentur für Arbeit nur Anfechtungsgegnerin, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Zahlung in Betracht kommt (Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D; vgl. Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 71; Henckel in Jaeger InsO § 145 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 129 InsO Rn. 112).

14

II. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Insolvenzgeldantrag gestellt hat. Sie ist darum Anfechtungsgegnerin hinsichtlich des gesamten angefochtenen Betrags.

15

B. Der Senat hat erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

16

I. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Durch die Vorschriften der Insolvenzanfechtung sollen im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 11; Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 1 Rn. 1). Darüber hinaus bewegen die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung Gläubiger tendenziell dazu, sich im Vorfeld von Insolvenzen bzw. im Geschäftsleben normzweckentsprechend zu verhalten, und helfen so dem Insolvenzrecht, seine Ordnungsfunktion zu erfüllen (Bork ZIP 2008, 1041). Um diese Ziele zu erreichen, beseitigt die Insolvenzordnung Insolvenzvorrechte soweit als möglich. Das Arbeitnehmerprivileg des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KO, wonach Lohnforderungen aus den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung Masseschulden waren, wurde nicht in die Insolvenzordnung übernommen. Dieses Privileg schloss eine Anfechtung weitgehend aus. Wurden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung vom Schuldner erfüllt, erhielten die Arbeitnehmer nur das, was ihnen auch vom Konkursverwalter aus der Masse zu zahlen gewesen wäre. Es fehlte daher regelmäßig an der nach § 30 KO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Konkursanfechtungen von Lohnzahlungen spielten darum in der Praxis keine Rolle (Brinkmann ZZP 2012, 197).

17

II. Der Gesetzgeber hat bei der Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs möglicherweise das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte es iVm. Art. 12 Abs. 1 GG bei kongruenten Deckungen, zumal bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage, gebieten, das Existenzminimum vom Zugriff des Insolvenzverwalters freizustellen, so dass dieser Entgeltbestandteil nicht im Wege der Insolvenzanfechtung im Interesse aller Gläubiger zur Masse gezogen werden könnte.

18

1. Die Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs steht diesen Bedenken des Senats nicht entgegen. Dabei handelt es sich zwar um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters, der ihm eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet, die dem Schuldner verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Für dieses gesetzliche Schuldverhältnis gilt allein das in sich geschlossene Regelungssystem der §§ 129 ff. InsO (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 20 f.; BGH 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - Rn. 6, 12). Auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis steht aber nicht über der Verfassung, sondern muss sich an deren Vorgaben messen lassen.

19

2. Das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Grunde nach unverfügbar. Es bedarf zwar der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, muss aber vom Staat eingelöst werden (BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur einen Anspruch gegen den Staat auf materielle Leistungen an Hilfsbedürftige zur Sicherung des Existenzminimums. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet es dem Staat auch, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Deshalb ist das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der Staat darf dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zur Höhe des Existenzminimums nicht entziehen. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (BVerfG 20. August 1997 - 1 BvR 1300/89 -; 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 ua. - zu C I der Gründe, BVerfGE 87, 153; 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 82, 60).

20

3. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach vorstehenden, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen dem hoheitlich tätig werdenden Staat nicht nur Grenzen bei der Festsetzung der Einkommensteuer setzt. Auch im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis darf der Staat seinen Zwangsapparat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8).

21

a) Im Bereich der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber darum durch Pfändungsfreigrenzen die Sicherung des Existenzminimums (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 38) vorgesehen.

22

aa) In den von § 850c ZPO erfassten Fällen hat der Gesetzgeber einen angemessenen Selbstbehalt für den erwerbstätigen Schuldner berücksichtigt. Er hat dabei im Interesse der Praktikabilität die Pfändungsfreigrenzen pauschaliert und bundeseinheitlich geregelt und davon abgesehen, wie im Sozialhilferecht den Bedarf einzelfallbezogen zu ermitteln (BT-Drucks. 14/6812 S. 8 f.; zum Zweck der §§ 850 ff. ZPO ausführlich MüKoZPO/Smid 4. Aufl. § 850 Rn. 1; vgl. auch Arnold BB 1978, 1314, 1315 f.).

23

bb) Hat der Arbeitgeber vor Wirksamwerden der Lohnpfändung noch einen Vorschuss geleistet, besteht unabhängig von dem Meinungsstreit, wie in einem solchen Fall das pfändbare Einkommen zu berechnen ist (Nachweise bei Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1266; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 614 Rn. 19), Einigkeit darüber, dass dem Arbeitnehmer in jedem Fall das Existenzminimum verbleiben muss (Stöber aaO mwN; ders. Anm. AP ZPO § 850 Nr. 11).

24

b) Auch im Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, dass das Existenzminimum nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO(in der Privatinsolvenz mit beantragter Restschuldbefreiung iVm. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) gehören unpfändbare Forderungen nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 323/12 - Rn. 11). Nur der pfändbare Teil des Arbeitsentgelts fällt in die Insolvenzmasse und kommt daher in der Privatinsolvenz des Arbeitnehmers dessen Gläubigern zugute. So wird dem Schuldner der unantastbare Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt. Gleiches gilt für den selbständig tätigen Schuldner nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Dieser muss gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 295 Abs. 2 InsO nur das fiktive pfändbare Einkommen an die Masse abführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde(BGH 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10 - Rn. 11 ff.). Schließlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Bestimmung des § 850b ZPO über bedingt pfändbare Bezüge im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar. Dies führt dazu, dass von den beschränkt pfändbaren Bezügen dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 -). Damit kommen die verfassungsrechtlichen Erwägungen, durch die die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren zur Geltung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 18 f.; vgl. für § 850b ZPO BGH 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08 - Rn. 13).

25

4. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen jedoch den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Zur Erfüllung des auf das Existenzminimum entfallenden Teils der Rückzahlungspflicht muss er auf Rücklagen zurückgreifen, neue Schulden machen oder sein aktuelles Gehalt einsetzen, ohne dies rückwirkend durch Leistungen des Staates, die das Existenzminimum sichern sollen, ausreichend kompensieren zu können. Unter Umständen ist er gezwungen, Privatinsolvenz zu beantragen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten.

26

a) Muss der Arbeitnehmer Entgelt zurückzahlen, das vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner gezahlt worden ist - wobei diese Verpflichtung bei der Vorsatzanfechtung bis zu zehn Jahre zurückreichen kann - wird er dieses Entgelt bei typisierender Betrachtung für seinen Lebensunterhalt verbraucht haben. Auf Entreicherung kann er sich jedoch nur bei unentgeltlichen Leistungen iSv. § 134 InsO berufen(§ 143 Abs. 2 InsO; vgl. die Konstellation in BGH 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 -).

27

b) Dem Arbeitnehmer kann allerdings das gezahlte Entgelt, mit dem er seinen Lebensunterhalt zunächst bestritten hat, als solches nicht rückwirkend entzogen werden. Der zur Masse zu ziehende Geldbetrag kann nur aus Rücklagen des Arbeitnehmers, an denen es bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann regelmäßig fehlen wird, wenn die Insolvenz wie bei der Beklagten zum Arbeitsplatzverlust geführt hat, geleistet oder durch eine Mobiliarpfändung bzw. - was der Regelfall sein dürfte - durch eine Gehalts- oder Rentenpfändung beigetrieben werden. Bei Pfändungen ist durch das geltende Zwangsvollstreckungsrecht, insbesondere die §§ 850 ff. ZPO, gewährleistet, dass der Anfechtungsgegner das aktuelle Existenzminimum behält. Der Insolvenzverwalter kann nur auf den pfändbaren Betrag zugreifen. Reicht das Einkommen nicht aus, um den der Masse geschuldeten Betrag abzudecken, bleibt dem Anfechtungsgegner nur der Eigenantrag nach §§ 305 ff. InsO, um einer lebenslangen Schuldverpflichtung zu entgehen.

28

c) Es erscheint fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren ist, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum sofort oder nachgelagert erfolgt. Nach Auffassung des Senats könnte maßgeblich darauf abzustellen sein, dass der Arbeitnehmer für die Abrechnungszeiträume, die vom Rückgewähranspruch erfasst sind, in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhält, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags ausgleicht, der das Existenzminimum abdeckte.

29

aa) Der Insolvenzgeldanspruch (§§ 165 ff. SGB III) soll zwar die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 42). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, wegen dieses Anspruchs seien trotz Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs keine sozialen Härten zu erwarten. Ältere Rückstände seien selten von Bedeutung (BR-Drucks. 1/92 S. 90). Dieser Anspruch stellt aber nur sicher, dass der Nettoentgeltanspruch für die letzten drei Monate der Beschäftigung abgesichert ist. Der Gesetzgeber hat dabei die in mehrfacher Hinsicht bestehende Schutzlücke bei der Ausgestaltung des Insolvenzgeldanspruchs nicht erkannt (vgl. dazu Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

30

(1) Bereits die Annahme des Gesetzgebers, ältere, nicht vom Insolvenzgeld abgesicherte Rückstände seien die Ausnahme, trifft nicht uneingeschränkt zu. Das zeigen die Entscheidungen des Senats vom 6. Oktober 2011 (- 6 AZR 585/10 -, - 6 AZR 731/10 -, - 6 AZR 732/10 -), bei denen Zahlungen auf Rückstände von bis zu sechs Monaten angefochten waren, die Zeiträume von bis zu einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung betrafen.

31

(2) Der Gesetzgeber hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Anspruchsdauer (§ 170 Abs. 4 SGB III) oft bereits vollständig durch das Insolvenzeröffnungsverfahren ausgeschöpft wird, wenn eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt (vgl. Brinkmann ZZP 2012, 197, 215).

32

(3) Zahlt der Schuldner das Entgelt - wie im vorliegenden Fall - pünktlich, versagt der Schutz des Insolvenzgeldanspruchs vielfach selbst dann, wenn er nicht durch das Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht worden ist.

33

(a) Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen zwar nachträglich Insolvenzgeld beantragen, wenn die Entgeltzahlung erfolgreich angefochten wird und er das Erlangte zurückgewährt. In diesem Fall lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die (Netto-)Entgeltforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Es wird der Zustand hergestellt, der ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden hätte (Cranshaw ZInsO 2009, 257, 262 f.; Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 144 Rn. 3). § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, der den Insolvenzgeldanspruch ausschließt, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch eine angefochtene Rechtshandlung erworben worden ist, steht dem nicht entgegen, wenn - wie in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle und auch vorliegend - der Entgeltanspruch anfechtungsfrei erworben und nur anfechtbar erfüllt worden ist. Anfechtungsrechtlich ist zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft zu unterschieden. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betrifft nur das Grundgeschäft und hat deshalb vor allem Bedeutung, wenn der Arbeitsvertrag kurz vor der Insolvenz noch geändert worden ist und dadurch höhere Entgeltansprüche entstanden sind(Voelzke in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 166 Rn. 25; vgl. zur Vorgängervorschrift § 184 SGB III Cranshaw ZInsO 2009, 257, 261 f.; Kreft aaO § 129 Rn. 13; aA wohl - ohne auf den Unterschied zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft einzugehen - Berscheid jurisPR-InsR 20/2008 Anm. 3 unter D).

34

(b) Stellt der Arbeitnehmer nachträglich Antrag auf Insolvenzgeld, ist jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III, die unionsrechtskonform an das Insolvenzereignis anknüpft(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - unter Bezug auf EuGH 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Slg. 2003, I-9375), versäumt. Ob die zweimonatige Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dem Arbeitnehmer hilft, hängt vom Einzelfall ab(vgl. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a AL 75/07 B - Rn. 9). Zwar wird im Regelfall die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt sein (vgl. Cranshaw ZInsO 2009, 257, 264). Die Nachfrist beginnt aber mit dem Wegfall des Hindernisses für die Beantragung des Insolvenzgeldes zu laufen, dh. sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt von dem Anspruch Kenntnis hätte haben können (vgl. Radüge in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 324 Rn. 31). Für den Anlauf dieser Frist ist eine Vielzahl von Zeitpunkten denkbar, zB die Anfechtungserklärung durch den Insolvenzverwalter, eine die Anfechtung bejahende Entscheidung der Tatsacheninstanzen oder der Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung. Deshalb wird die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer oft erfolgreich entgegenhalten können, die Nachfrist sei versäumt. Zudem besteht rechtstatsächlich ein erhebliches Risiko, dass auch die Nachfrist mangels deren Kenntnis versäumt wird.

35

bb) Arbeitslosengeld kann der Arbeitnehmer für Zeiträume, in denen er gearbeitet hat, nicht rückwirkend beantragen. Es wird erst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung gezahlt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 321/11 - Rn. 72).

36

cc) Auch Sozialhilfe ist erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis erlangt, dass die Voraussetzungen der Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII). Ausreichend (aber auch erforderlich) für den Anspruch auf Sozialhilfe ist damit, dass für den Träger überhaupt die Notwendigkeit der Hilfe erkennbar ist (BSG 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - Rn. 18). Zahlt der spätere Schuldner das Arbeitsentgelt pünktlich, scheidet damit eine rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfe aus.

37

dd) Anders als der Arbeitnehmer, der einen Vorschuss erhält, den er anschließend nicht verdient und in voller Höhe zurückzahlen muss, kann sich der Arbeitnehmer, dessen pünktlich gezahltes Entgelt - unter Umständen wie im vorliegenden Fall erst nach Jahren - vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird, auf die etwaige Rückforderung nicht einstellen. Zudem unterscheiden sich zurückzuzahlende Vorschüsse und Entgeltüberzahlungen von Insolvenzanfechtungen dadurch, dass das zurückzuzahlende Entgelt in den ersten beiden Fällen zwar gezahlt, tatsächlich aber nicht verdient worden und damit die Entgeltforderung nicht entstanden ist.

38

d) Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt (Bork ZIP 2007, 2337, 2340; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

39

aa) Im Unterschied zu einer Vielzahl von Lieferanten und Geschäftspartnern kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht im Vorhinein absichern.

40

bb) Dem Arbeitnehmer steht bei pünktlichen Entgeltzahlungen weder ein Zurückbehaltungsrecht noch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Kündigt er dennoch fristlos, ist dies rechtswidrig, so dass er mit einer Sperrfrist rechnen muss (vgl. Pieper ZInsO 2009, 1425, 1428, 1437). Zudem nimmt er in Kauf, vom Arbeitgeber wegen Vertragsbruchs mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden und ggf. eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Er ist deshalb nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch praktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Er kann damit dem Anfechtungsrisiko letztlich nicht ausweichen (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989).

41

cc) Bei pünktlichen Gehaltszahlungen kann der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen. Selbst bei Gehaltsrückständen ist ihm ein solcher Antrag in der Regel nicht zumutbar (Bork ZIP 2007, 2337, 2340 spricht vom „schwächsten Glied in der Gläubigerkette“; vgl. auch Brinkmann ZZP 2012, 197, 212; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1437).

42

dd) Sind die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer rechtlich nicht einmal der Verzicht auf das ihm vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt möglich (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG).

43

e) Demgegenüber kann der Arbeitnehmer, dem das verdiente Entgelt vor Insolvenzeröffnung nicht mehr gezahlt wird, sein Existenzminimum durch staatliche Sozialleistungen bzw. das Insolvenzgeld decken, ohne dass dieses ihm rückwirkend wieder entzogen werden kann. Liegen erhebliche Entgeltrückstände vor, kann er außerordentlich kündigen und ohne Sperrfrist Arbeitslosengeld beziehen. Zudem ist das rückständige Entgelt für die letzten drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über das Insolvenzgeld, das er im Regelfall unproblematisch fristgerecht beantragen kann, gesichert. Ist das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, ist für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Küttner/Voelzke Personalbuch 2013 Insolvenz des Arbeitgebers Rn. 52). Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (noch) nicht beenden, kann er bei Bedürftigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

44

f) Diese Rechtslage könnte in ihrer Gesamtschau eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO erfordern, um dem Anspruch an den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums effektiv zu genügen. Um eine für die Praxis handhabbare Verfahrensweise zu ermöglichen, läge es nahe, auf die Tabelle nach § 850c ZPO zurückzugreifen, um das anfechtungsfreie Existenzminimum zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat allerdings bei dieser Tabelle den pauschalierten monatlichen Bedarf von 1.705,00 DM für einen erwerbstätigen Hilfeempfänger im Hinblick auf das von ihm für erforderlich gehaltene Abstandsgebot um rund 250,00 DM erhöht (BT-Drucks. 14/6812 S. 9). Dieser im gleichen Umfang wie der zur Abdeckung des Existenzminimums vorgesehene Bedarf dynamisierte Erhöhungsbetrag (BT-Drucks. 14/6812 S. 11 f.) wäre dann jeweils dem Tabellenbetrag zuzuschlagen. Das hätte im Fall der Beklagten zur Folge, dass ein monatlicher Betrag von 395,40 Euro der Anfechtung unterläge, wenn die Beklagte keine Unterhaltspflichten getroffen hätten, bei einem Unterhaltsberechtigten noch monatlich 97,05 Euro von der Anfechtung erfasst wären und ab zwei Unterhaltsberechtigten das monatliche Nettoeinkommen insgesamt anfechtungsfrei zu belassen wäre.

45

C. Der Senat kann die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, im vorliegenden Fall jedoch offenlassen. Der Kläger geht mit dem Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen, auch soweit sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden können, weil es sich dabei um Bargeschäfte iSv. § 142 InsO gehandelt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht jedoch rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

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I. Bei den Nettogehaltszahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für Januar bis Juli 2007 handelte es sich um Bargeschäfte iSd. § 142 InsO.

47

1. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Bestimmung des § 142 InsO(zu diesem Rechtscharakter BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38) beruht auf der Erkenntnis, dass es bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt (Kayser FS Fischer S. 267, 269). § 142 InsO soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Zeit seiner wirtschaftlichen Krise noch wertäquivalente Bargeschäfte, dh. Rechtsgeschäfte, die die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar benachteiligen, anfechtungsfrei abzuwickeln (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122; vgl. auch BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). § 142 InsO greift dabei auch dann ein, wenn das verpflichtende Rechtsgeschäft, das vom Schuldner zeitnah erfüllt worden ist, nicht in dem Zeitraum des § 132 InsO geschlossen worden ist(vgl. BGH 27. September 1984 - IX ZR 3/84 -; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift muss es dem Schuldner, der sich vor Beginn der Krise eine Leistung hat versprechen lassen, auch möglich sein, die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei zu erbringen. Unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssen erfüllbar bleiben (vgl. BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Auf den Zeitpunkt, in dem der dieser Gegenleistung zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an. Nur so lassen sich die Folgen der Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen, die vor der Krise begründet worden sind, insolvenzrechtlich angemessen lösen (vgl. Henckel aaO Rn. 4).

48

2. Ein Bargeschäft iSd. § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner im engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 38). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es zu keiner Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners (und damit bei späterer Insolvenz letztlich zulasten der Gläubiger), sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung.

49

a) Der Senat hat angenommen, dass nach diesen Grundsätzen ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 17, BAGE 139, 235).

50

b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, auf die gegen dieses Verständnis des Bargeschäfts im Schrifttum erhobene Kritik (vgl. zB Huber ZInsO 2013, 1049; ders. EWiR 2011, 817; Ganter ZIP 2012, 2037; Jacobs/Doebert ZInsO 2012, 618; Brinkmann ZZP 2012, 197; Klinck Anm. AP InsO § 130 Nr. 2) einzugehen. Bereits nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt.

51

aa) Die Schuldnerin hat mit den streitbefangenen Zahlungen das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt aus einem vor der Krise geschlossenen Vertrag erfüllt.

52

bb) Die Beklagte hat für das gezahlte Entgelt eine gleichwertige Gegenleistung erbracht. Ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (BGH 7. März 2002 - IX ZR 223/01 - zu III 3 c der Gründe, BGHZ 150, 122). Das Arbeitsverhältnis ist wie jedes gegenseitige Vertragsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass ein Vertragspartner dem anderen die Leistung um der anderen willen verspricht. Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen Leistungsaustausch, wie er für das Bargeschäft typisch ist (Bork ZIP 2007, 2337, 2338; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1430; ein Bargeschäft ohne ausdrückliche Problematisierung der Gleichwertigkeit bejahend BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 13, BAGE 139, 235).

53

cc) Die Entgeltzahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „termingerecht“, dh. zum jeweiligen vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt, zu Beginn des Folgemonats erfolgt. Damit war der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch gegeben. Ist der Anfechtungsgegner - wie die Beklagte als Arbeitnehmerin - vorleistungspflichtig und werden die wechselseitigen Leistungen abschnittsweise ausgetauscht, liegt noch keine Kreditgewährung, sondern ein Bargeschäft vor, wenn die Zahlung zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt (vgl. BGH 13. April 2006 - IX ZR 158/05 - Rn. 33 f., BGHZ 167, 190; 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -; Bork ZIP 2007, 2337, 2339; MünchKomm-InsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 19; Pieper ZInsO 2009, 1425, 1431).

54

II. Bargeschäfte sind gemäß § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die objektiven Tatbestandsmerkmale dieses Anfechtungstatbestands liegen vor.

55

1. Die Erfüllung der Entgeltforderungen ist eine anfechtbare Rechtshandlung (vgl. MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 57).

56

2. Die Gläubiger der Schuldnerin sind mittelbar benachteiligt worden.

57

a) Liegt ein Bargeschäft vor, fehlt es an einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger, weil der Insolvenzmasse eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 9).

58

b) Für die Vorsatzanfechtung genügt jedoch eine mittelbare Benachteiligung (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 273/07 - Rn. 51, BAGE 126, 89; MünchKommInsO/Kirchhof 3. Aufl. § 142 Rn. 24; für § 31 Nr. 1 KO BGH 30. September 1993 - IX ZR 227/92 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 123, 320). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung allein noch keinen (unmittelbaren) Nachteil für die Gläubiger bewirkt hat, aber die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen hat, der zu einer Gläubigerschädigung geführt hat (MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 121). Das ist zB anzunehmen, wenn wie vorliegend der Schuldner die Forderung eines Gläubigers befriedigt, der ohne diese Zahlung Insolvenzgläubiger gewesen wäre. In diesem Fall ist die Masse durch den für die Erfüllung aufgewandten Betrag verkürzt (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 480/00 -), so dass sich die Quote der anderen Insolvenzgläubiger verringert (Henckel in Jaeger InsO § 129 Rn. 118; MünchKommInsO/Kayser § 129 Rn. 104, 123, 163b).

59

c) Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genügt allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen. Zwar erreicht der spätere Schuldner durch die (pünktlichen) Entgeltzahlungen, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange bleiben“ und so der Betrieb als funktionale Einheit weiterbestehen kann. Erst das eröffnet die Chance für einen Fortbestand des Betriebs (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 18, BAGE 139, 235). Die erbrachte Arbeitsleistung gewährt den Insolvenzgläubigern aber nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird (vgl. BGH 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - Rn. 6 f. für Prämienzahlungen, die den Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöhen). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schlüssiges Sanierungskonzept (zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 58, 76 bis 78) vorlag. Die Anfechtbarkeit wird darum vorliegend allein durch die subjektiven Umstände der Rechtshandlung begrenzt (vgl. BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 d bb der Gründe; Bork ZIP 2007, 2337, 2339).

60

III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.

61

1. § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Anfechtungsgegner dies wusste. Das Vorliegen dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale als innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verschiedene Indizien entwickelt und auch bei kongruenten Deckungen insbesondere auf die Kenntnis des Schuldners und des Anfechtungsgegners von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt. Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheinbar allein, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen diese zwingend folgt, kennt (vgl. die Nachweise in BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 51 ff.). Bei oberflächlicher Betrachtung kommt es nach dieser Rechtsprechung für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung praktisch nur auf den ersten Teil der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an. Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung, soll dann aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands folgen. Dreh- und Angelpunkt der Vorsatzanfechtung ist nach diesem Verständnis der Nachweis, dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 - Rn. 10; Kayser WM 2013, 293, 294, 298). Von diesem Verständnis geht auch die Revision aus.

62

2. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Davon hatte die Beklagte Kenntnis, ohne dass allerdings vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, ab wann diese Kenntnis bestand.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Anfang 2007 zahlungsunfähig war und dies erkannt hatte. Diese Tatsachenfeststellungen, die auch in den Entscheidungsgründen getroffen werden können (BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59), hat die Beklagte nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden. Die Beklagte behauptet in der Revisionserwiderung, die Schuldnerin sei nicht überschuldet gewesen. Sie hat sich dabei auf zwei bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Unterlagen sowie auf neues Tatsachenvorbringen gestützt. Von den neu vorgetragenen Tatsachen habe sie erst durch Übermittlung eines Schriftsatzes im Rechtsstreit - 413 HKO 40/12 - vor dem LG Hamburg erfahren.

64

aa) Soweit die Beklagte geltend machen will, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruhe auf der unterlassenen Würdigung vorgelegter Unterlagen, kann sie dies nicht mit einer Gegenrüge erreichen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nicht mit Verfahrensrügen oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden(BGH st. Rspr. zuletzt 2. Oktober 2013 - XII ZB 249/12 - Rn. 28). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt.

65

bb) Die von der Beklagten mit der Revisionserwiderung eingeführten neuen Tatsachen können vom Senat nicht berücksichtigt werden.

66

(1) Neues Tatsachenvorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei von den neu eingeführten Tatsachen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis erlangt hat. Neues tatsächliches Vorbringen kann in der Revision nur dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist, wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde oder wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, auf die es nach Auffassung des Revisionsgerichts ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 34).

67

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht dargelegt. Sie hat sich zwar auf einen letter of intent vom 9. Juli 2007 berufen. „Aufgefunden“ sind Urkunden nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO aber nur dann, wenn ihre Existenz der Partei bis zum Abschluss der letzten Tatsachenverhandlung unverschuldet unbekannt oder sie ihr nicht zugänglich war. Bloße Unkenntnis vom Inhalt der Urkunde genügt nicht (vgl. BGH 24. April 2013 - XII ZB 242/09 - Rn. 19 f.). Zum Zeitpunkt, in dem sie vom letter of intent Kenntnis erhalten hat, hat die Beklagte nichts vorgetragen.

68

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Das ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, ab wann diese Kenntnis bestand.

69

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, die Inhaber der Schuldnerin hätten in der Vergangenheit aus ihrem Privatvermögen wiederholt finanzielle Engpässe ausgeglichen. Ihr sei erklärt worden, zum Jahreswechsel 2006/2007 werde ein neuer Gesellschafter aufgenommen. Wenn dieser seine Einlage geleistet habe, gebe es ausgeglichene Zahlen. Es sei eine Zahlung von 100.000,00 Euro erfolgt. Die zweite Zahlung, deren Höhe der Beklagten nicht bekannt sei, habe noch erfolgen sollen. Es sei ihr dargestellt worden, dass ein Herr H eintreten werde. Ob und zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt dies habe erfolgen sollen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Mit dem Eingang von 100.000,00 Euro sei für sie das, was ihr von der Geschäftsleitung geschildert worden sei, bestätigt gewesen. Aus der von der Beklagten erstellten „Arbeits-Bilanz“ ergibt sich ein Darlehen des Herrn H von 100.000,00 Euro.

70

bb) Aus dem von der Beklagten selbst zusammengestellten Zahlenwerk der „Arbeits-Bilanz“ folgt, dass trotz des Zuflusses des Darlehens von Herrn H die Schuldnerin dauerhaft nicht in der Lage war, die anfallenden Verbindlichkeiten zu mehr als 90 % zu erfüllen. Das konnte der Beklagten nicht entgehen und ist ihr nach ihrem Vortrag auch nicht entgangen. Zudem stand nach ihrem Vortrag noch eine „zweite Zahlung“ aus. Sie hat auf weitere Zuflüsse, sei es aus dem Vermögen des Herrn H, sei es aus dem der Gesellschafter, vertraut. Dies ändert an ihrer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nichts.

71

cc) Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich allerdings nicht, ob sie bereits vor Erstellen der „Arbeits-Bilanz“ Kenntnis vom fehlenden Zufluss ausreichender Mittel hatte. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Beklagte aufgrund der von ihr laufend durchgeführten Buchhaltung spätestens ab Ende Januar 2007 fortlaufend Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

72

3. Auf den konkreten Zeitpunkt, in dem die Beklagte Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt hat, kommt es jedoch nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit habe die Schuldnerin das streitbefangene Entgelt ohne den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt. Jedenfalls habe die Beklagte einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellenden Vorsatz unabhängig davon, ob ihr die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei, nicht gekannt. Gegen diese Feststellungen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind entgegen der Auffassung der Revision nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

73

a) Die vermeintlich einseitige und schematische Orientierung der Rechtsprechung an der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird gerade in jüngster Zeit im insolvenzrechtlichen Schrifttum - zum Teil heftig - kritisiert. Vorsatz und Motiv würden verwechselt (Jensen NZI 2013, 471, 474). Das Stufenverhältnis zu § 130 InsO werde verwischt(Jensen NZI 2013, 471 mwN zu Fn. 1). Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sowie die Zulassung von Bargeschäften würden ausgehöhlt(Foerste ZInsO 2013, 897, 900). Letztlich führe die Rechtsprechung zu einer Umkehrung von Regel- und Ausnahmeverhältnis der Anfechtungstatbestände. §§ 130 und 131 InsO seien nur noch untergeordnete Sonderfälle des § 133 Abs. 1 InsO(Priebe ZInsO 2013, 2479, 2481). Die Vorsatzanfechtung entwickele sich zu einem „Superanfechtungstatbestand“ (Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1990). Faktisch werde durch die Rechtsprechung eine zehn Jahre zurückgreifende Deckungsanfechtung ermöglicht. Das weise auf eine verdeckte Rechtsfortbildung hin, die der Rechtsprechung untersagt sei (Foerste ZInsO 2013, 897, 902). Die Rechtsprechung hat Anlass zu einem Positionspapier des BDI und des ZDH vom 14. Oktober 2013 gegeben, in dem befürchtet wird, dass die „ausufernde Anwendungspraxis“ des § 133 Abs. 1 InsO die Unternehmenspraxis lähme(ZInsO 2013, 2312). Vereinzelt wird im Schrifttum sogar offen dazu aufgerufen, gegen Urteile, die bei Schuldtilgungen vor der Drei-Monats-Frist Anfechtungen zulassen, Verfassungsbeschwerde einzulegen (Foerste aaO).

74

b) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Anlass, sich mit der massiven Kritik im Schrifttum an der vom Bundesgerichtshof angenommenen Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei kongruenten Deckungen auseinanderzusetzen. In den seinen Entscheidungen vom 6. Oktober 2011 zugrunde liegenden Fällen hatten die Vorinstanzen entweder das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO rechtsfehlerfrei verneint(- 6 AZR 262/10 - Rn. 36 ff., BAGE 139, 235; - 6 AZR 731/10 - Rn. 42 ff.; - 6 AZR 732/10 - Rn. 40 ff.) oder zu den Anfechtungsvoraussetzungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen (- 6 AZR 585/10 - Rn. 42 ff.). Die am 12. September 2013 entschiedenen Fälle (- 6 AZR 913/11 -; - 6 AZR 980/11 -; - 6 AZR 981/11 -) betrafen die atypische und zudem inkongruente Vereinbarung und Zahlung von Halteprämien.

75

c) Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird bei richtigem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das übersieht die Revision, wenn sie annimmt, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen eines Bargeschäfts sei aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nur dann nicht auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen, wenn dieser subjektiv überzeugt gewesen sei, er werde kurzfristig ausreichende Mittel erlangen, um alle Verbindlichkeiten erfüllen zu können, und dabei auf die Rechtsprechung zu Sanierungsversuchen zurückgreifen will. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbietet sich. Vielmehr hat das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen (kritisch Smid ZInsO 2014, 275, 280, der eine solche Gesamtbetrachtung für unkonturiert und die Feinabstimmung ausgearbeiteter Tatbestände verwischend hält).

76

aa) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründet keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern ist nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes(BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 66 f.), das allerdings besondere Bedeutung hat (BGH 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 - Rn. 10). Es kann - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden (Kayser WM 2013, 293, 298; vgl. zur Entkräftung des Beweisanzeichens der Inkongruenz BGH 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 17, BGHZ 180, 98) bzw. im Einzelfall eine so geringe Beweiskraft entfalten, dass es den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz als Haupttatsache nicht mehr zulässt (vgl. Huber EWiR 2013, 781, 782; ders. FS Ganter S. 203, 217).

77

(1) Aus den von der Revision herangezogenen Entscheidungen (vgl. nur BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 14; 5. März 2009 - IX ZR 85/07 - Rn. 10, BGHZ 180, 98) ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets nur angenommen, dass aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden „kann“. Erst dann, wenn dies nach den Feststellungen der Tatsachengerichte der Fall ist, kommt es auf das Vorliegen eines Sanierungsversuchs als gegenläufiges Indiz an, durch das im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wieder seine Bedeutung verlieren kann (BGH 10. Januar 2013IX ZR 13/12 - Rn. 17; 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 18; Kayser WM 2013, 293, 298). Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 10. Januar 2013 (- IX ZR 13/12 - Rn. 25) betont, das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewandt werden. In der von der Revision angeführten Entscheidung vom 13. April 2006 (- IX ZR 158/05 - Rn. 17, BGHZ 167, 190) hat der Bundesgerichtshof lediglich angenommen, Umstände, die das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hätten entkräften können, seien weder festgestellt noch ersichtlich (vgl. Kayser FS Fischer S. 267, 281 f.).

78

(2) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt auch aus den gesetzlichen Bestimmungen in der Insolvenzordnung und im Aktiengesetz über die Pflichten des Vorstands bei Zahlungsunfähigkeit nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben ist. Zwar sind die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Vorstandsmitglieder, die Zahlungen leisten, obwohl Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, haften der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 iVm. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Ersatz des durch die Masseschmälerung entstandenen Schadens. Verletzungen dieser Vorschriften sind allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert und haben Schadenersatzpflichten bzw. Ersatzpflichten eigener Art zur Folge. Anfechtungsrechtlich sind diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung. Antrag und Eröffnung sind Anfechtungsvoraussetzungen. Ihr Unterlassen ist keine selbst anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der durch eine Rechtshandlung herbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg (BGH 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - Rn. 16; KPB/Bork InsO Bd. II Stand September 2012 § 133 Rn. 18). Die Verzögerung des Insolvenzantrags wirkt sich allein auf die nach §§ 130 bis 136 InsO maßgeblichen Fristen aus. Schiebt der Schuldner in bewusstem Zusammenwirken mit einem oder mehreren Gläubigern den Eröffnungsantrag hinaus, um eine Rechtshandlung unanfechtbar zu machen, macht er sich unter Umständen strafbar. Die Masse ist in diesen Fällen durch § 826 BGB geschützt(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 3 c und d der Gründe, BGHZ 162, 143). Zahlungen, durch die größere Nachteile von der Insolvenzmasse abgewendet werden, können dagegen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns iSd. § 64 Satz 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG vereinbar sein, so dass bereits eine Haftung des Vertretungsorgans ausscheidet. Das ist etwa der Fall bei Zahlungen, durch die eine sofortige Einstellung des Betriebs vermieden und damit die Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten bleibt (BGH 5. November 2007 - II ZR 262/06 - Rn. 6 unter Bezug auf BGH 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 146, 264).

79

bb) Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt wird (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 279). So wird auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO Rechnung getragen.

80

(1) Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheidet sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO.

81

(a) §§ 130 bis 132 InsO erlegen den Gläubigern zum Schutz der Gläubigergesamtheit die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auf und geben deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang vor dem Prioritätsprinzip. Außerhalb des von diesen Normen besonders geschützten Zeitraums (höchstens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag) muss der Gläubiger bei der Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Schuldner grundsätzlich die Belange der Gläubigergesamtheit nicht beachten. Das Prioritätsprinzip gilt insoweit uneingeschränkt (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 162, 143).

82

(b) Demgegenüber steht § 133 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Rechtshandlungen, die unter den von § 133 InsO missbilligten Umständen erfolgt sind, sollen rückabgewickelt werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einzelne Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind. Sie schützt das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Nur der Leistungsempfänger, der diesen Vorsatz des Schuldners kennt, ist rückgewährpflichtig (BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 162, 143; 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 9). § 133 InsO soll deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren(Bork in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 5 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 1a; Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1986).

83

(2) Der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO darf nicht dazu führen, dass die Vorsatzanfechtung an den Tatbeständen der Deckungsanfechtung „vorbeizieht“, das gesetzlich bestimmte Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO verloren geht und § 142 InsO leer läuft(Kayser FS Fischer S. 267, 280). Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde und damit der letztgenannte Tatbestand im praktischen Ergebnis nicht auf den Drei-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern auf zehn Jahre ausgedehnt würde, stünde im unvereinbaren Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO(BGH 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 162, 143).

84

cc) Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlichen Lagen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Dabei kann nach den Umständen des Einzelfalls die Beweisstärke des Indizes der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit so schwach sein, dass es den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nicht zulässt (vgl. zur Beweisstärke BGH 18. November 2004 - IX ZR 299/00 - zu III 1 a der Gründe [kein „starkes“ Beweisanzeichen]; Huber EWiR 2013, 781, 782; Kayser FS Fischer S. 267, 282 spricht von der fehlenden „Typizität“ des Indizes). Die Revision berücksichtigt diese Besonderheit des Indizienbeweises nicht hinreichend, wenn sie pauschal annimmt, bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liege zwangsläufig ein (bedingter) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor.

85

dd) Dieses Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der Beweisanzeichen, insbesondere auch des Beweisanzeichens der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften oder in bargeschäftsähnlichen Lagen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; vgl. auch 24. September 2009 - IX ZR 178/07 -). Die Entscheidung vom 16. Juli 2009 betraf Zahlungen, die in bargeschäftsähnlicher Lage erfolgt waren und bei deren Vornahme sowohl die Schuldnerin als auch die Anfechtungsgegnerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Die Vorinstanz (OLG Saarbrücken 23. Januar 2007 - 4 U 311/06-95 ua. -) hatte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejaht, allerdings die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, die zu den Hauptlieferanten der Schuldnerin gehörte, von diesem Vorsatz verneint. Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung der gegen diese Entscheidung eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt. Ein Schuldner handele in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Der Bundesgerichtshof hat damit an seine ältere Rechtsprechung angeknüpft, wonach unter diesen Voraussetzungen die Annahme fernliege, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als auf die Zurücksetzung anderer Gläubiger ankomme (BGH 10. Juli 1997 - IX ZR 234/96 - zu 3 der Gründe).

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d) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei bereits den hinreichenden Beweiswert der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint und dabei zu Recht die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 (- IX ZR 28/07 -) und 10. Juli 1997 (- IX ZR 234/96 -) herangezogen.

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aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die streitbefangenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbracht habe. Auch durch die Arbeitsleistung der Beklagten sei es der Schuldnerin möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, was im Interesse aller Gläubiger gewesen sei. Dafür seien die angefochtenen Gehaltszahlungen erforderlich gewesen, die ersichtlich erfolgt seien, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu retten.

88

bb) Die Revision greift diese Würdigung und die Feststellungen, auf denen sie beruht, nur mit rechtlichen Ausführungen an. Auch dann, wenn die Zahlung zur Fortführung des eigenen Unternehmens erfolge und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze, sei der Benachteiligungsvorsatz nur zu verneinen, wenn die Zahlung im Rahmen eines aussichtsreichen Sanierungsversuchs erfolgt sei. Dies trifft, wie ausgeführt, so nicht zu.

89

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es der Schuldnerin gerade nicht auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten, sondern allein auf die Erfüllung ihrer Vertragspflichten angekommen, um so den Betrieb zu retten und auch ihre übrigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die gleichwohl eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ihr nach diesen Feststellungen nicht bewusst geworden. Ihr stand bei der Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts allein die Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen vor Augen. Der daraus vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss, das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit lasse nicht den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu, ist rechtsfehlerfrei. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 69; BGH 16. Juli 2009 - IX ZR 28/07 -; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 33a; Kayser WM 2013, 293, 298; ders. FS Fischer S. 267, 283; Ganter WM 2009, 1441, 1444; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.; Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 48 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 133 InsO Rn. 6; kritisch Foerste ZInsO 2013, 897, 900, der diese Wertung für systemwidrig hält).

90

e) Jedenfalls fehlte es an der Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis war auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt.

91

aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Schuldnerin mit einem insoweit zugunsten des Klägers zu unterstellenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Aus Sicht der Beklagten seien die Zahlungen allein in Erfüllung ihres arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs und in der Absicht erfolgt, die Beklagte dazu anzuhalten, auch künftig im Interesse der Fortführung des Betriebs und damit letztlich zum Wohle aller anderen Gläubiger ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

92

bb) Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.

93

(1) Die Revision macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe seinen Vortrag, die Beklagte habe die buchhalterischen Grundlagen für die „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 erarbeitet, zwar als unstreitig im Tatbestand festgestellt, diesen nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts für die Tätigkeiten und Kenntnisse der Beklagten relevanten Vortrag aber in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt. Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht seinen unter Beweisantritt erfolgten Vortrag, die Beklagte habe positive Kenntnis von der Liquiditätslage und dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, ebenso übergangen wie den Umstand, dass er den Vortrag der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten, bestritten habe.

94

(2) Diese Rügen genügen den formellen, an eine Rüge nach § 286 ZPO zu stellenden Anforderungen(dazu ausführlich BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 32). Sie sind jedoch unbegründet.

95

(a) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte Parteivorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies zwar grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Das gilt aber nur dann, wenn dieser Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

96

(b) Das Landesarbeitsgericht hat - worauf die Revision hinweist - den Vortrag, die Beklagte habe die „Arbeits-Bilanz“ erstellt, im Tatbestand erwähnt und damit zur Kenntnis genommen. Auf diesen nach Auffassung der Revision bei der Entscheidungsfindung übergangenen Vortrag kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aber ebenso wenig an wie auf die Behauptung, die Beklagte habe positive Kenntnis von Liquiditätslage und Zahlungsverhalten der Schuldnerin gehabt, und auf das Bestreiten des Vortrags der Beklagten, es sei ein neuer Gesellschafter eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat allein auf die subjektive Sicht der Beklagten bei Empfang der angefochtenen Zahlungen abgestellt. Es hat im Ergebnis angenommen, die Beklagte habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erkannt, sondern die Zahlung als bloße Vertragserfüllung gewertet. Es hatte daher keinen Anlass, auf den aus Sicht der Revision übergangenen Vortrag ausdrücklich einzugehen.

97

cc) Die einzelfallbezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts der bei den streitbefangenen Zahlungen vorliegenden bargeschäftsähnlichen Lage keine Kenntnis von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Im Gegenteil ist unter solchen Umständen die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners naheliegend. Wird eine Entgeltleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 980/11 - Rn. 70). Besondere Umstände des Einzelfalls, die dem Landesarbeitsgericht dennoch die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hätten verschaffen können(vgl. RG 11. März 1902 - VII 13/02 - RGZ 51, 76, 79 f.; MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 38b), lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Solche Umstände zeigt auch die Revision nicht auf.

98

f) Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, der die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt(vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lütcke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

99

D. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aus(MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 133 Rn. 39; Henckel in Jaeger InsO § 142 Rn. 7). Es kann daher dahinstehen, ob ein Näheverhältnis iSd. § 133 Abs. 2 InsO vorlag.

100

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.

(1) Kennt der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang oder erfährt er ihn später, so ist er von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre.

(2) Verstößt der Empfänger durch die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten, so ist er von dem Empfang der Leistung an in der gleichen Weise verpflichtet.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

(2) Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.