Arbeitsgericht Stuttgart Urteil, 07. Apr. 2017 - 26 Ca 1506/16

bei uns veröffentlicht am07.04.2017

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, auf dem Arbeitszeitkonto (Mitarbeiterkonto) des Klägers eine Zeitgutschrift in Höhe von 35 Stunden im Saldo (MK gesamt) vorzunehmen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 944,55 Euro festgesetzt.

4. Die Berufung wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand

 
Die Parteien streiten zuletzt über einen Anspruch des Klägers auf Gutschrift von Zeiten auf das für ihn geführte Arbeitszeitkonto wegen eines Anspruchs des Klägers auf bezahlte Freistellung nach dem Bildungszeitgesetz des Landes Baden-Württemberg vom 17. März 2015 (künftig: BzG BW).
Der am ... geborene Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, seit dem 1984 als Anlagenbediener beschäftigt. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Bestandteile erreichte der Kläger zuletzt - ohne Berücksichtigung von Zuschlägen für Schichtarbeit - ein monatliches Entgelt von 4.108,81 Euro brutto bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden. Eine Arbeitspflicht an Sonntagen besteht nicht. Der Kläger ist Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats und Mitglied der IG Metall.
Unter Verwendung eines hierfür vorgesehenen Formulars (Anlage K1, Bl. 18 d. Akten) beantragte der Kläger unter dem Datum 23. Juni 2016 für den Zeitraum 11. bis 16. Dezember 2016 seine Freistellung nach § 7 BzG BW für die Bildungsmaßnahme „Aktiv im Betrieb“ des IG Metall Bildungszentrums L. Aus dem Programm des Bildungszentrums L ergibt sich für dieses Seminar der folgende Inhalt:
„Aktiv im Betrieb
Arbeitnehmer (innen) und ihre gewählten betrieblichen Interessenvertretungen haben viele formelle Möglichkeiten, Einfluss auf die Arbeitsbedingungen zu nehmen. Zumindest theoretisch. Praktisch stellt sich diese Einfluss oft sehr schwierig dar und nicht selten bewahrheitet sich ein altes Sprichwort: Recht haben ist eine Sache - Recht bekommen eine ganz andere.
In unserem Seminar „Aktiv im Betrieb“ dreht sich alles darum, es nicht soweit kommen zu lassen. Wir beschäftigen uns mit grundlegenden Rechten der Beschäftigten, dem (dualen) System der betrieblichen Interessenvertretung und der Frage, was sowohl Beschäftigte als auch Interessenvertreter(innen) gemeinsam für menschengerechte Arbeitsbedingungen tun können. Dazu analysieren wir unterschiedliche betriebliche und gesellschaftliche Regelungsebenen für gute Arbeit im Betrieb, beschäftigen uns mit Fragen einer erfolgreichen innerbetrieblichen Informationspolitik sowie mit den Basics für eine gelungene Kommunikation untereinander.
Vor dem Hintergrund dieser Inhalte erweitern wir unseren Blick auf die gesellschaftspolitische Dimension: Welche Rolle haben Beteiligung und Mitbestimmung für eine demokratische Gesellschaft? Welche Möglichkeiten haben Arbeitnehmer(innen), ihre Interessen über den Betrieb hinaus wahrzunehmen und durchzusetzen?
Themen im Seminar
- Mitwirkungsmöglichkeiten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie ihre Interessenvertretungen
- innerbetrieblichen Informationspolitik
- Beteiligungsmöglichkeiten der Beschäftigten in der Betriebsversammlung
- Erkennen betrieblicher und gesellschaftlicher Regelungsebenen für gute Arbeit im Betrieb
- gesellschaftspolitische Bedeutung der betrieblichen Beteiligung von Beschäftigten und ihren Interessenvertreterinnen und Vertretern
- aktive Beteiligung in Betrieb und Gesellschaft“
10 
Das Seminar wendet sich nach dem Inhalt des Bildungsprogramms an „interessierte Arbeitnehmer(innen), Mitglieder des Betriebsrates, der Jugend- und Auszubildenden- sowie Schwerbehindertenvertretung“. Die Kosten (Hotel-, Verpflegungs- und eigentliche Seminarkosten) betrugen insgesamt 1.575,50 Euro (inkl. MwSt.). Für deren Mitglieder übernimmt die IG Metall die Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Fahrtkosten und die Seminarkosten. Der „Themenplan“ (Bl. 22 d. Akte) für dieses Seminar sieht folgenden Ablauf und zeitliche Gestaltung vor:
11 
„Montag
V       
Seminareinstieg
Persönliche Motive und Erfahrungen für das eigene Engagement für gute Arbeitsbedingungen im Betrieb
N       
Das duale System der betrieblichen Interessenvertretung: Rechtliche Grundlagen einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Beschäftigten und
ihren gewählten Vertretern
Dienstag
V       
Grundlegende Rechte der Beschäftigten und ihrer betrieblichen Interessenvertreter(innen)
N       
Gemeinsam Handeln für gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen und zukunftssichere Arbeitsplätze
Mittwoch
V       
Miteinander reden: Grundlagen einer gelungenen Kommunikation im betrieblichen Alltag zwischen Beschäftigten und Interessensvertretern
N       
Tue Gutes und rede darüber - betriebliche Verständigung und Kommunikation
Donnerstag
V       
Die Betriebsversammlung als Ort der (betriebs-)politischen Diskussion zwischen Geschäftsleitung, Beschäftigten und ihren Interessenvertretern
N       
Thematische Arbeit in Gruppen: Wie können Betriebsversammlungen gestaltet werden, dass der Informationsaustausch zwischen den betrieblichen
Akteuren (Arbeitgeber, Betriebsrat, Beschäftigte) erreicht werden kann?
Freitag
V       
Beteiligungs- und Beratungsfunktion von Gewerkschaften/der IG Metall für aktive Beschäftigte; Bildungsmöglichkeiten
N       
Seminarrückblick und Ausblick
Die zeitlichen Komponenten der einzelnen Seminareinheiten sind so gestaltet, dass die Vorgaben nach Bildungszeitgesetz, durchschnittlich mindestens 6 Zeitstunden
pro Tag, erreicht werden.“
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Mit Schreiben vom 21. Juli 2016 lehnte die Beklagte die Gewährung von Bildungszeit ab, weil die gewählte Bildungsmaßnahme nicht den Themenbereichen des § 1 BzG BW und damit nicht die Anforderungen des § 6 Abs. 1 BzG BW erfülle (Bl. 20 d. Akte).
13 
Mit der am 27. Oktober 2016 beim Arbeitsgericht Stuttgart, Kammern Ludwigsburg, eingereichten Klage begehrte der Kläger zunächst die Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung vom 11. bis 16. Dezember 2016 zum Zwecke der Teilnahme am Seminar „Aktiv im Betrieb“.
14 
Im Gütetermin vom 7. Dezember 2016 verständigten sich die Parteien darauf, einerseits dem Kläger ein Fernbleiben von der Arbeit vom 12. (Montag) bis 16. Dezember 2016 (Freitag) zum Zwecke der Teilnahme am Seminar zu gestatten und andererseits eine gerichtliche Entscheidung über die Verpflichtung der Beklagten zur Entgeltzahlung im Zeitraum 12. bis 16. Dezember 2016 herbeiführen zu wollen. Daraufhin beantragte der Kläger noch am selben Tag unter Verwendung des hierfür vorgesehenen Formulars die Freistellung im Zeitraum 12. bis 16. Dezember 2016 zum „Abbau Mitarbeiterkonto (MK)“ (Bl. 36 d. Akte). Die Beklagte stellte den Kläger auf seinen Antrag unter Fortzahlung der Vergütung frei und zog ihm 35 Stunden aus dem Mitarbeiterkonto ab.
15 
Im Zeitraum 12. bis 16. Dezember 2016 nahm der Kläger am Seminar „Aktiv im Betrieb“ teil (Teilnahmebescheinigung vom 16. Dezember 2016; Bl. 35 d. Akte).
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Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2016 stellte der Kläger seinen Klageantrag auf Gutschrift von 35 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto um.
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Der Kläger meint im Wesentlichen, er habe Anspruch auf bezahlte Freistellung für die Teilnahme am Seminar „Aktiv im Betrieb“. Die gesetzlichen Voraussetzungen lägen vor. Der Kläger habe ordnungsgemäß einen Antrag für eine unter das BzG BW fallende Bildungsmaßnahme gestellt. Das Seminar wende sich an jedermann, weshalb auch kein Anspruchsausschluss bestehe.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
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die Beklagte zu verurteilen, auf dem Arbeitszeitkonto (Mitarbeiterkonto) des Klägers eine Zeitgutschrift in Höhe von 35 Stunden im Saldo (MK gesamt) vorzunehmen.
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Die Beklagte beantragt,
21 
die Klage abzuweisen.
22 
Die Beklagte meint im Wesentlichen, der Kläger habe schon keinen ausreichenden Antrag gestellt. Vergleiche man zudem das BzG BW mit ähnlichen Gesetzen anderer Bundesländer so zeige sich, dass der Landesgesetzgeber in Baden-Württemberg von einem engen Politikbegriff ausgegangen sei. Das vom Kläger besuchte Seminar „Aktiv im Betrieb“ falle schon deshalb nicht in den Anwendungsbereich des BzG BW. Selbst wenn man von einem weiten Politikbegriff ausgehe, falle der Seminarinhalt nicht unter die „politische Weiterbildung“ iSd. BzG BW. Im Übrigen wende sich das Seminar nicht an jedermann, sondern infolge des mittelbaren Zugangshindernisses „Seminarkosten“ nur an Gewerkschaftsmitglieder.
23 
Im Kammertermin vom 7. April 2017 haben die Parteien nochmals übereinstimmend klargestellt bzw. sich insoweit geeinigt, als dem Kläger dann ein Anspruch auf Zeitgutschrift zustehe, wenn die Voraussetzungen nach dem BzG BW für die besuchte Maßnahme vorliegen.
24 
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens im Einzelnen wird auf die gewechselten Schrift-sätze nebst Anlagen und auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 7. Dezember 2016 und 7. April 2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
A.
25 
Die Klage hat Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf die von der Beklagten vorzunehmende Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto (Mitarbeiterkonto) infolge eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Zeitraum 12. bis 16. Dezember 2016 nach § 1 Abs. 1 BzG BW.
I.
26 
Die Klage ist zulässig. Insbesondere mangelt es dem Antrag nicht an der notwendigen streitgegenständlichen Bestimmtheit.
27 
1. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Gleichermaßen kann der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11 mwN, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 -; BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 27, NZA 2012, 281). Allerdings ist dafür eine Konkretisierung des Leistungsbegehrens dahingehend erforderlich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll (vgl. BAG 28. September 2016 - 7 AZR 248/14 - Rn. 21, NZA 2017, 335; 29. Juni 2016 - 5 AZR 617/15 - Rn. 14, AP BGB § 615 Nr. 148; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 10, AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 611 Nr. 5; 21. März 2012 - 5 AZR 670/11 - Rn. 15, AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 37).
28 
2. Unstreitig führt die Beklagte zugunsten des Klägers zwei Arbeitszeitkonten (Betriebsvereinbarung zur „Flexiblen Arbeitszeit“ vom 30. Mai 2014, kurz: BV Flex ArbZ; Bl. 66-80 d. Akte), auf denen noch Gutschriften erfolgen können. Der Kläger hat das maßgebliche Konto ausreichend individualisiert und dazu angegeben, dass die Gutschrift auf dem Mitarbeiterkonto (Ziffer 3.2 der BV Flex ArbZ) erfolgen soll. Der Kläger hat den Umfang der begehrten Gutschrift und die Stelle, an welcher die Gutschrift erfolgen soll, genügend mit „Saldo (MK gesamt)“ angegeben. Damit ist der Antrag ausreichend bestimmt.
II.
29 
Die Klage ist vollumfänglich begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Wiedergutschrift von 35 Stunden im Saldo seines Mitarbeiterkontos. Die Beklagte hat zu Unrecht 35 Stunden vom Mitarbeiterkonto des Klägers wegen der Seminarteilnahme in Abzug gebracht bzw. bisher noch nicht wieder gutgeschrieben.
30 
1. Geht es um die Korrektur der Arbeitszeiterfassung auf einem Arbeitszeitkonto, kommt dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos aus § 611 Abs. 1 BGB zu, wenn das Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch nach der zugrunde liegenden Abrede verbindlich bestimmt(BAG 27. März 2014 - 6 AZR 621/12 - Rn. 21, ZTR 2014, 409; 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 21, ZTR 2014, 215). Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestandes nicht erbringen musste. Es drückt damit - in anderer Form - seinen Vergütungsanspruch aus (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 767/13 - Rn. 20, NZA 2016, 295; 18. März 2014 - 1 ABR 75/12 - Rn. 20, BAGE 147, 313; 21. März 2012 - 6 AZR 560/10 - Rn. 21, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 6; 16. Juli 2014 - 10 AZR 242/13 - Rn. 16, ZTR 2014, 609). Die nachträgliche Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto setzt voraus, dass der Arbeitnehmer Arbeitsstunden erbrachte oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste und diese bisher nicht vergütet und nicht in das Arbeitszeitkonto eingestellt wurden (vgl. BAG 29. Juni 2016 - 5 AZR 617/15 - Rn. 17, AP BGB § 615 Nr. 148). Wegen der Dokumentationsfunktion des Arbeitszeitkontos darf der Arbeitgeber nicht ohne Befugnis korrigierend in ein Arbeitszeitkonto eingreifen und dort eingestellte Stunden streichen. Kürzt oder streicht der Arbeitgeber zu Unrecht ein Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf (Wieder-)Gutschrift der gestrichenen Stunden (BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 759/12 - Rn. 20, NZA-RR 2015, 28; 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 20, 25 f., BAGE 141, 88).
31 
2. Die Beklagte ist danach verpflichtet, dem Mitarbeiterkonto im Saldo 35 Stunden gutzuschreiben. Dies allerdings noch nicht deshalb, weil die Beklagte den Kläger überhaupt auf seinen Antrag freigestellt hat. Erfüllt der Arbeitgeber den Anspruch auf Freistellung, indem er auf den Antrag des Arbeitnehmers die Freistellung nach dem BzG BW für einen bestimmten Zeitraum zum Besuch einer Bildungsveranstaltung erklärt, so hat der Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BzG BW den Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte, wenn er der Arbeit ferngeblieben ist und die Veranstaltung besucht hat; auf den Inhalt der Veranstaltung kommt es dann nicht mehr an (vgl. zum AWbG NRW: BAG 11. Mai 1993 - 9 AZR 231/89 - zu II der Gründe, BAGE 73, 135). Vorliegend hat die Beklagte den Kläger aber nicht auf seinen Antrag auf Freistellung nach dem BzG BW, sondern auf seinen Antrag auf Freistellung unter Anrechnung aus dem Mitarbeiter-Zeitkonto freigestellt. Die Parteien haben sich bereits im Gütetermin darauf verständigt (siehe Protokoll des Kammertermins), dass die Frage der Entgeltzahlungspflicht gerichtlich geklärt werden und dementsprechend der Kläger einen Anspruch auf (Wieder-)Gutschrift von ausgebuchten Stunden haben soll, wenn die Voraussetzungen nach dem BzG BW in Bezug auf das von ihm besuchte Seminar „Aktiv im Betrieb“ vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger hat im Zeitraum 12. bis 16. Dezember 2016 einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung infolge seines Seminarbesuchs nach § 1 ff. BzG BW.
32 
a) Der Kläger ist Arbeitnehmer der Beklagten und damit nach § 2 Abs. 1 Beschäftigter, also Anspruchsberechtigter iSd. § 1 Abs. 1 BzG für die Inanspruchnahme von Bildungszeit. Ebenso hat der Kläger die Wartezeit (zwölfmonatiger Bestand des Beschäftigungsverhältnisses) nach § 4 BzG BW erfüllt. Unstreitig ist das IG Metall Bildungszentrum L eine nach §§ 9, 10 BzG BW anerkannte Bildungseinrichtung.
33 
b) Der Kläger hat auch das nach § 7 Abs. 1 BzG BW vorgesehene Verfahren für die Inanspruchnahme von Bildungszeit eingehalten und dazu spätestens acht Wochen vor Beginn der Bildungsmaßnahme den Anspruch auf Bildungszeit schriftlich geltend gemacht. Auch wenn der Kläger im Antrag einen Zeitraum vom 11. Dezember (Sonntag) bis 16. Dezember 2016 (Freitag) nennt, so ergibt sich ohne Weiteres aus dem Umstand der fehlenden Arbeitspflicht an Sonntagen, dass der Kläger mit seinem Antrag auch nur einen Anspruch von fünf Arbeitstagen - also den maximalen Anspruch nach § 3 Abs. 1 BzG BW - auf Bildungszeit, dh. bezahlte Freistellung, gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat.
34 
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dem Seminar „Aktiv im Betrieb“ des IG Metall Bildungszentrums L auch im Übrigen um eine Bildungsmaßnahme nach § 6 Abs. 1 BzG BW. Das Seminar wurde unstreitig als Veranstaltung durchgeführt, die durchschnittlich einen Unterrichtsumfang von mindestens sechs Zeitstunden pro Tag umfasste, § 6 Nr. 4 BzG BW. Zudem entsprach die Bildungsmaßnahme dem Themenbereichen des § 1 BzG BW (§ 6 Nr. 2 BzG BW). Neben Maßnahmen für die berufliche Weiterbildung und für die Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten kann Bildungszeit auch für Maßnahmen der politischen Weiterbildung in Anspruch genommen werden, § 1 Abs. 2 BzG BW. Nach § 1 Abs. 4 BzG BW dient die politische Weiterbildung der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeit im politischen Leben. Diesem Informationsziel entsprach die vom Kläger besuchte Veranstaltung.
35 
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz für Nordrhein-Westfalen vom 6. November 1984 (AWbG) dient eine Veranstaltung dann dem Ziel der politischen Weiterbildung, wenn das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert sowie die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf gefördert werden soll. Dazu ist erforderlich, dass nach dem Didaktischen Konzept der Veranstaltung sowie der zeitlichen und sachlichen Ausrichtung der einzelnen Lerneinheiten das Erreichen dieses Ziels uneingeschränkt ermöglicht wird (vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 21, juris; 19. Mai 1998 - 9 AZR 395/97 - zu I 1 der Gründe, EzB AWbG § 1 Nr. 74; 9. Mai 1995 - 9 AZR 185/94 - zu III 1 der Gründe, BAGE 80, 94). Diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lässt sich auf das BzG BW übertragen. Zwar hat der Landesgesetzgeber in Nordrhein-Westfalen in § 1 Abs. 4 AWbG ausdrücklich aufgenommen, dass durch die politische Arbeitnehmerweiterbildung das Verständnis der Beschäftigten für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert und die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf gefördert werden soll. Durch die in § 1 Abs. 4 BzG BW gewählte Formulierung „politische Zusammenhänge“ und „Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen Leben“ hat der Landesgesetzgeber in Baden-Württemberg jedoch keine Einschränkung auf Informationsinhalte über staatsbürgerliche Rechte und Pflichten vorgenommen, sondern „politische Weiterbildung“ in einem sehr viel weiteren, auch Fragen der Mitwirkung und Mitverantwortung in Gesellschaft und Beruf erfassenden Sinne verstanden(ebenso: ArbG Lörrach 24. August 2016 - 5 Ca 198/16 - nV). Dies ergibt die Auslegung der Norm.
36 
(1) Schon aus dem Wortlaut, „politische Weiterbildung dient der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeit im politischen Leben“, ergibt sich keine Einschränkung auf einen engen Politikbegriff im Sinne staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten. Der Begriff „Politik“ stammt vom griechischen Wort „polis“ ab. Die Polis bezeichnete die Gemeinde der Bürger und deren Verbund. Schon aus diesem Wortursprung wird deutlich, dass mit dem Begriff „Politik“ Fragen des Gemeinwohls weitergehend angesprochen sind. Politik bezeichnet alle Maßnahmen, die sich auf die Führung einer Gemeinschaft beziehen und eine Methode, bestimmte eigene Vorstellungen gegen andere Interessen durchzusetzen (vgl. Duden, Bedeutungswörterbuch „Politik“). Sie umfasst allgemein jegliche Einflussnahme, Gestaltung und Durchsetzung von Forderungen und Zielen in privaten oder öffentlichen Bereichen (siehe Wikipedia „Politik“). Dementsprechend fallen auch solche Inhalte unter den Begriff der „politischen“ Zusammenhänge oder des „politischen“ Lebens, welche gesellschaftliche und soziale Dimensionen des Gemeinwesens betreffen und über Mitwirkungsmöglichkeiten in Gesellschaft und Beruf unterrichten. Dem Gesetzeswortlaut kann keine Einschränkung des Politikbegriffs entnommen werden. Vielmehr wurde das Gesetz am 17. März 2015 verkündet, weshalb schon deshalb davon auszugehen ist, dass der Landesgesetzgeber von einem modernen, weiten Politikbegriff ausgegangen ist.
37 
(2) Auch aus Sinn und Zweck des Gesetzes und einer völkerrechtskonformen Auslegung folgt, dass „politische Weiterbildung“ iSv. § 1 Abs. 4 BzG BW weit über die Vermittlung von Inhalten zu staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten hinaus, auch Inhalte umfasst, die das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessern sowie die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf fördern soll. Damit bewegt sich der Landesgesetzgeber in dem durch das Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Rahmen, dh. eine weite Auslegung des Begriffs „politische Weiterbildung“ ist auch verfassungskonform.
38 
(a) Der Landesgesetzgeber verfolgt mit dem BzG BW das Ziel, die Weiterbildungsbereitschaft von Beschäftigten in Baden-Württemberg zu erhöhen und zu fördern (Landtag von Baden-Württemberg, Drucks. 15/6403 S. 1). Vor dem Hintergrund der technologischen Entwicklung, des strukturellen Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft und der demographischen Veränderungen gewinnt vor allem die berufliche Weiterbildung zunehmend an Bedeutung. Daneben geht es in einem funktionierenden demokratischen Gemeinwesen aber auch um die gesellschaftliche Teilhabe seiner Bürgerinnen und Bürger. Deshalb sind nach dem Willen des Gesetzgebers auch die politische Bildung und die Stärkung des ehrenamtlichen Engagements Bestandteil des Gesetzes geworden (Drucks. 15/6403 S. 1, 10). Der Landesgesetzgeber verfolgt ausdrücklich das Ziel, mit der politischen Weiterbildung der Information über gesellschaftliche Zusammenhänge und der Verbesserung der Teilhabe und Mitwirkung am gesellschaftlichen und politischen Leben zu dienen. Diese elementare Grundlage für ein funktionierendes demokratisches Gemeinwesen soll explizit gestärkt werden (Drucks. 15/6403 S. 11). Nach Einschätzung des Landesgesetzgebers dient auch die politische Weiterbildung der Persönlichkeitsentwicklung des Beschäftigten, die sich positiv auf die betrieblichen Belange auswirken kann (Drucks. 15/6402 S. 11). Deshalb versteht des Landesgesetzgeber unter politischer Weiterbildung die Befähigung zur Teilhabe und Mitwirkung am politischen Leben, worunter auch die Teilnahme an Tagungen, Lehrgängen und Veranstaltungen fallen soll, die staatsbürgerlichen Zwecken dienen oder an denen ein öffentliches Interesse besteht (Drucks. 15/6403 S. 13). Damit verfolgt der Gesetzgeber - wenn er ausdrücklich auch Veranstaltungen nennt, an denen bzw. an deren Inhalten ein öffentliches Interesse besteht - ein sehr viel weitergehendes Ziel als die bloße Unterrichtung über staatsbürgerliche Rechte und Pflichten. Vielmehr soll umfassend, anknüpfend an das Gemeinwohl, die Teilhabe in der Gesellschaft gefördert werden. Mitsprache und Mitverantwortung in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen, dh. auch im Beruf soll zur Stärkung des Gemeinwesens gefördert werden.
39 
(b) Das so gefundene Ergebnis entspricht auch einer völkerrechtskonformen Auslegung.
40 
(aa) Mit dem BzG BW will der Landesgesetzgeber ausdrücklich das Übereinkommen Nr. 140 der Internationalen Arbeitsorganisation über den bezahlten Bildungsurlaub vom 24. Juni 1974 (ILO Übereinkommen Nr. 140) umsetzen (Drucks. 15/6403 S. 10). Danach haben sich die Unterzeichnerstaaten verpflichtet, gesetzliche Regelungen zur Bildungsfreistellung zu schaffen. Nachdem jedoch die Bundesrepublik ihrer Verpflichtung hierzu bislang nicht nachgekommen ist, haben mehrere Bundesländer - hierunter nunmehr auch Baden-Württemberg - von ihrer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 Nr. 12 GG) Gebrauch gemacht.
41 
(bb) Nach der deutschen Fassung des Art. 2 des ILO Übereinkommens Nr. 140 hat jedes Mitglied eine Politik festzulegen und durchzuführen, die dazu bestimmt ist, mit Methoden, die den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten angepasst sind, und zwar nötigenfalls schrittweise, die Gewährung von bezahltem Bildungsurlaub zu fördern, und zwar zum Zwecke a) der Berufsbildung auf allen Stufen, b) der allgemeinen und politischen Bildung, c) der gewerkschaftlichen Bildung. Nach Art. 10 des ILO Übereinkommens Nr. 140 können die Voraussetzungen für die Gewährung von bezahltem Bildungsurlaub unterschiedlich sein, je nachdem, ob der bezahlte Bildungsurlaub einem der folgenden Zwecke dienen soll: a) der Berufsbildung auf allen Stufen, b) der allgemeinen und politischen Bildung bzw. c) der gewerkschaftlichen Bildung. Schon nach dem Wortlaut der deutschen Fassung ergibt sich kein Hinweis darauf, dass das Völkerrecht, dh. das ILO Übereinkommen Nr. 140 eine politische Bildung zu staatsbürgerlichen Fragen verlangt bzw. vor Augen hat. Nach Art. 10 Buchst. b des ILO Übereinkommens Nr. 140 wird die allgemeine und die politische Bildung gemeinsam genannt. Schon mit der deutschen Fassung des ILO Übereinkommens Nr. 140 wäre eine verengende Auslegung von „politische Weiterbildung“ als Weiterbildung zu staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten nicht zu vereinbaren. Vor allem ergibt sich aus Art. 3 Buchst. b des ILO Übereinkommens, dass die nach Art. 2 festzulegende und durchzuführende Politik, falls erforderlich auf verschiedene Weise, einen Beitrag zur sachkundigen und aktiven Beteiligung der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter am Geschehen im Betrieb und in der Gemeinschaft und (Buchst. c) zum persönlichen, sozialen und kulturellen Fortschritt der Arbeitnehmer zu leisten hat. Dies setzt ein weites Verständnis von „politischer Bildung“ gerade voraus.
42 
(cc) Die Auslegung des ILO Übereinkommens Nr. 140 selbst hat allerdings nach völkerrechtlichen Grundsätzen und in erster Linie im Wege der authentischen Interpretation (vgl. dazu bspw.: BFH 25. Oktober 2006 - I R 81/04 - Rn. 20, BFHE 215, 237) zu erfolgen, dh. maßgeblich kann nur die französische und die englische Sprachfassung sein (Art. 19 ILO Übereinkommen Nr. 140). Art. 2 der englischen Sprachfassung spricht nicht von „politischer“ Bildung, sondern von „general, social and civic education“ (Buchst. b). Art. 10 der englischen Sprachfassung sieht vor, dass die Voraussetzungen für den bezahlten Bildungsurlaub unterschiedlich sein können, je nachdem, ob dieser vorgesehen ist für „a) training at any level, b) general, social or civic education or c) trade union education“. Aus der maßgeblichen englischen Textfassung ergibt sich aus Art. 2 und Art. 10 des ILO Übereinkommens Nr. 140 ein sehr breiter Bereich für mögliche Bildungsinhalte, insb. auch für soziale (social) und bürgerliche (civic), nicht notwendig staatsbürgerliche Inhalte. Indem in der deutschen Textfassung stattdessen lediglich von „politischer Bildung“ gesprochen wird, zeigt sich, dass diesem Begriff von „politischer Bildung“ ein weites Verständnis zugrunde liegt; nur ein weites Verständnis wird einer authentischen Interpretation gerecht. Wenn der Landesgesetzgeber, wie dies aus den Gesetzesmaterialen ersichtlich ist, von einem weiten Verständnis von „politischer Weiterbildung“ ausgegangen ist, so deckt sich dieses weite Verständnis mit der völkerrechtlichen Verpflichtung, welche die Bundesrepublik Deutschland eingegangen ist.
43 
(c) Mit einem weiten Verständnis von politischer Weiterbildung und der Anknüpfung am öffentlichen Interesse bzw. dem Gemeinwohl verlässt der Landesgesetzgeber auch nicht den verfassungsrechtlichen Rahmen. Wie das Bundesverfassungsgericht schon ausgeführt hat, hilft die Weiterbildung dem Einzelnen, die Folgen des Wandels beruflich und sozial besser zu bewältigen. Wirtschaft und Gesellschaft erhält sie die erforderliche Flexibilität, sich auf veränderte Lagen einzustellen. Da bei Arbeitnehmern die Bereitschaft zur Weiterbildung schon wegen der begrenzten Verfügung über ihre Zeit und des meist engeren finanziellen Rahmens nicht durchweg vorausgesetzt werden kann, liegt es im Interesse des Allgemeinwohls, die Bildungsbereitschaft dieser Gruppe zu verbessern. Unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls begegnet es auch keinen Bedenken, dass Bildungsurlaub nicht nur für berufsbildende, sondern auch für politisch bildende Veranstaltungen vorgesehen ist. Der technische und soziale Wandel bleibt in seinen Auswirkungen nicht auf die Arbeits- und Berufssphäre beschränkt. Er ergreift vielmehr auch Familie, Gesellschaft und Politik und führt zu vielfältigen Verflechtungen zwischen diesen Bereichen. Daraus ergeben sich zwangsläufig Verbindungen zwischen beruflicher und politischer Bildung, die der Gesetzgeber bei der Verfolgung seines Ziels berücksichtigen durfte. Es liegt daher im Gemeinwohl, neben dem erforderlichen Sachwissen für die Berufsausübung auch das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge zu verbessern, um damit die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf zu fördern (vgl. BVerfG 15. Dezember 1987 - 1 BvR 563/85, 1 BvR 582/85, 1 BvR 974/86, 1 BvL 3/86 - zu C II 2 a der Gründe, BVerfGE 77, 308). Diese Bewertung gilt uneingeschränkt auch für das BzG BW. Es ist davon auszugehen, dass der Landesgesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht den Begriff der „politischen Weiterbildung“ verwendet, wofür besonders spricht, dass Tagungen erfasst sein sollen, an denen ein öffentliches Interesse besteht (Drucks. 15/6403 S. 13).
44 
(3) Der Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, infolge des Fehlens eines Maßnahmenanerkennungsverfahrens nach dem BzG BW, dh. aus systematischen Gründen müsse von einem engen Verständnis des Begriffs „politische Weiterbildung“ ausgegangen werden.
45 
(a) Richtig ist zunächst im Ausgangspunkt dass im BzG BW nur eine Trägeranerkennung (§ 9 BzG BW) und ein dazu geschaffenes Trägeranerkennungsverfahren (§ 10 BzG BW), nicht aber eine Maßnahmenanerkennung und ein dazugehöriges Verfahren statuiert wurde. Damit ist die Frage, ob eine vom Arbeitnehmer besuchte bzw. zu besuchende Veranstaltung eine solche im Themenbereich des § 1 BzG BW war bzw. ist und der Arbeitnehmer daher Anspruch auf bezahlte Freistellung zum Besuch dieser Veranstaltung hat, im Streitfall von der Gerichten für Arbeitssachen zu klären.
46 
(b) Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aber aus der in anderen Landesgesetzen (bspw. Bildungsgesetz Hessen) zu findenden Maßnahmenanerkennung gerade nicht, dass mit der Anerkennung der Maßnahme auch über die Voraussetzungen des Bestehens eines Anspruchs auf bezahlte Freistellung entschieden wäre. Vielmehr folgt aus verfassungsrechtlichen Gründen, dass der Anerkennung einer Bildungsveranstaltung nach dem Recht anderer Bundesländer keine weitere Bedeutung als der eines zusätzlichen Tatbestandsmerkmals zukommt, weil anderenfalls die betreffenden Regelungen nicht mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG iVm. Art 12 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar wären. Folglich kann im Streitfall auch nach den Gesetzen anderer Bundesländer - von den Gerichten für Arbeitssachen - überprüft werden, ob eine thematisch umstrittene Bildungsveranstaltung inhaltlich den gesetzlichen Leitvorgaben entspricht (vgl. zum Bildungsurlaubsgesetz Hessen: BAG 9. Februar 1993 - 9 AZR 648/90 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 72, 200; 9. Februar 1993 - 9 AZR 203/90 - zu I 3 der Gründe, AP BildungsurlaubsG Hessen 1984 § 1 Nr. 1 = EzA HBUG § 9 Nr. 1). Damit sind die Anspruchsberechtigten nach den Landesgesetzen anderer Bundesländer nicht dadurch besser gestellt, dass die einzelne Maßnahme in einem gesetzlich bestimmten Verfahren anerkannt wurde. Vielmehr kann in diesem Fall weiter vom Arbeitgeber geltend gemacht werden, die einzelne Maßnahme sei keine in den Anwendungsbereich der maßgeblichen Norm fallende Veranstaltung. Deshalb gebietet es das Fehlen eines Maßnahmenanerkennungsverfahrens auch nicht, die Tatbestandsvoraussetzungen einer „politischen Weiterbildung“ eng bzw. einschränkend auszulegen. Ein gesetzliches Maßnahmenanerkennungsverfahren hat auf die Rechtsschutzmöglichkeiten von Arbeitgebern keinen Einfluss.
47 
(4) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich auch aus der Gesetzgebungshistorie kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber nur Tagungen, die über staatsbürgerliche Rechte und Pflichten unterrichten, unter den Begriff der „politischen Weiterbildung“ fassen wollte.
48 
(a) Richtig ist, dass sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, dass der Landesgesetzgeber im Rahmen der Regelungsfolgenabschätzung und Nachhaltigkeitsprüfung die tatsächliche Inanspruchnahme von Bildungsfreistellungen in anderen Bundesländern mit jährlich ca. einem Prozent der Anspruchsberechtigten herangezogen und angenommen hat, ein solcher Umfang der Inanspruchnahme von Bildungsfreistellungen sei (für die Anspruchsgegner) zumutbar (Drucks. 15/6403 S. 11).
49 
(b) Daraus folgt jedoch gerade nicht, dass der Landesgesetzgeber in Baden-Württemberg von einem engeren Verständnis des Begriffs „politische Weiterbildung“ ausgegangen wäre. Vielmehr zeigt der angestellte Vergleich, dass der Gesetzgeber in Baden-Württemberg davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Bildungsurlaub in den - einen Anspruch vorsehenden - Bundesländern im Wesentlichen gleich sind. Der andernorts zu findende Umfang der Inanspruchnahme ist bei dieser Grundannahme folglich auch für eine Regelungsfolgenabschätzung für Baden-Württemberg tragfähig. Dies ist auch insoweit nachvollziehbar, als die mögliche Reichweite von Bildungsurlaubsregelungen verfassungsrechtlich determiniert (BVerfG 15. Dezember 1987 - 1 BvR 563/85, 1 BvR 582/85, 1 BvR 974/86, 1 BvL 3/86 - aaO) und davon auszugehen ist, dass der Landesgesetzgeber verfassungskonformes Recht schaffen will. Deshalb ergibt sich aus dem vom Gesetzgeber angestellten Vergleich gerade, dass er von einem weiten Anwendungsbereich des BzG BW und damit auch von einem weiten Verständnis des Begriffs der „politischen Weiterbildung“ ausgegangen ist.
50 
bb) Das vom Kläger besuchte Seminar „Aktiv im Betrieb“ fällt nach dem Vorstehenden unter die politische Weiterbildung und diente der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen Leben iSv. § 1 Abs. 4 BzG BW. Dies hat der Kläger unter Vorlage der entsprechenden Seminarunterlagen dargelegt (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast: BAG 9. Februar 1993 - 9 AZR 203/90 - zu II der Gründe, aaO). Maßgeblich ist insoweit zunächst das vom Veranstalter herausgegebene Programm und dessen Erklärungen, bspw. im Einladungsschreiben (vgl. BAG 9. Mai 1995 - 9 AZR 185/94 - zu III 2 der Gründe, aaO). Das einwöchige Seminar informierte und forderte zur Mitwirkung zu Fragen guter Arbeitsbedingungen im Betrieb auf. Es informierte über das System der betrieblichen Interessenvertretung, über die Rechte der Beschäftigten und der Interessenvertreter, forderte zum gemeinsamen Handeln für gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen und zukunftssichere Arbeitsplätze und machte vor allem die betriebliche Kommunikation (insb. auch in der Betriebsversammlung) zum (mitzugestaltenden) Thema. Die gesellschaftspolitische Bedeutung der betrieblichen Beteiligung von Beschäftigten und ihren Vertretern wurde thematisiert. Damit wurde über den Bestand verschiedener Institutionen in Unternehmen und Betrieben und zu Fragen der betriebs-politischen Zusammenarbeit von Arbeitnehmern und ihren Interessenvertretern informiert. Der Kläger erfuhr damit zugleich Grundzüge über den Aufbau demokratisch legitimierter Vertretungen und deren Mitsprache auf betrieblicher Ebene. Für den Kläger als Seminarteilnehmer war damit ein Erkenntnisprozess verbunden, der nicht nur seinem Verständnis über seinen Standort im Betrieb diente. Die Verbesserung seines Wissensstandes über Mitsprache und Mitwirkung für gute Arbeitsbedingungen im Betrieb kommt auch mittelbar der Beklagten als Arbeitgeberin zugute, die mit besser informierten Arbeitnehmern neue Ziele in wirtschaftlicher und betrieblich-sozialer Hinsicht besser verwirklichen kann als mit gleichgültigen, an Veränderungen desinteressierten Mitarbeitern, auch wenn es vordergründig so scheint, als sei der weniger gebildete, uninformierte Arbeitnehmer bequemer und damit leichter zu führen. Es besteht ein öffentliches Interesse daran, dass Arbeitgeber und die bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer möglichst innovationsfähig und auf die Herausforderungen der künftigen Arbeitswelt gut vorbereitet sind. Unschädlich ist, dass der Themenplan auch die Stellung der Gewerkschaften und ihrer Funktionsträger im Betrieb vorsah. Den Gewerkschaften sind durch das Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich bestimmte Aufgaben zugewiesen worden. Ein Seminar, das die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb zum Gegenstand hat, darf auch Stellung und Funktion der Gewerkschaften erörtern, soweit damit die betriebsverfassungsrechtliche Unterstützung der Gewerkschaften, nicht aber ihre allgemeinen Koalitionsaufgaben angesprochen werden (vgl. BAG 9. Februar 1993 - 9 AZR 648/90 - zu II 3 der Gründe, aaO). Letzteres ist - jedenfalls in einem nach § 6 Abs. 4 BzG BW schädlichem Umfang - aus dem Themenplan nicht ersichtlich und wird auch von der Beklagten nicht geltend gemacht. Entscheidend ist, ob insgesamt eine Veranstaltung der politischen oder beruflichen Weiterbildung stattgefunden hat (vgl. BAG 11. Mai 1993 - 9 AZR 289/89 - zu II der Gründe, BAGE 73, 138). Dies ist zu bejahen.
51 
d) Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt auch kein Ausschlussgrund nach § 6 Abs. 2 BzG BW vor, insbesondere war die Teilnahme nicht von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei, Gewerkschaft, einem Berufsverband, einer Religionsgemeinschaft oder einer ähnlichen Vereinigung abgängig gemacht worden, § 6 Abs. 2 Nr. 1 BzG BW.
52 
aa) Der Verwaltungsakt über die Anerkennung einer Bildungsstätte entfaltet allerdings weder Tatbestandswirkung noch begründet er eine Vermutung dafür, dass Veranstaltungen dieser Bildungseinrichtung für jedermann zugänglich sind. Die Zugänglichkeit für jedermann gehört zu den Tatbestandsmerkmalen des Entgeltfortzahlungsanspruchs und ist von demjenigen, der den Anspruch geltend macht, darzulegen und ggf. zu beweisen (vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 26, aaO; 16. August 1990 - 8 AZR 654/88 - zu III 3 b aa der Gründe, BAGE 65, 352).
53 
bb) Die vom Kläger besuchte Veranstaltung stand dem in § 2 Abs. 1 BzG BW als anspruchsberechtigt bezeichneten Personenkreis offen. Weder unmittelbar noch mittelbar hat der Veranstalter die Teilnahme von der Gewerkschaftszugehörigkeit abhängig gemacht.
54 
(1) Wendet sich die Veranstaltung nur an Gewerkschaftsmitglieder, ist sie nicht für jedermann zugänglich. Zur Begründung der Jedermannzugänglichkeit genügt nicht der Hinweis im Bildungsprogramm des Trägers, dass die Veranstaltung auch anderen Personen als Gewerkschaftsmitgliedern offensteht. Er muss außerdem so verlautbart sein, dass auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer davon Kenntnis nehmen können (BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 29, aaO; 9. November 1993 - 9 AZR 9/92 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 75, 58). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Nach der Beschreibung des Seminars wendet sich dieses ausdrücklich an „interessierte Arbeitnehmer(innen), Mitglieder des Betriebsrates, der Jugend- und Auszubildenden- sowie der Schwerbehindertenvertretung“, nicht hingegen nur an Gewerkschaftsmitglieder. Das gesamte Programm des IG Metall Bildungszentrums wird über die Internetseite der IG Metall publik gemacht, dh. auch gewerkschaftlich nicht organisierte Arbeitnehmer können vom Programm Kenntnis nehmen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es hierbei völlig unerheblich, dass die Internetseite - selbstverständlich - mit dem Logo der IG Metall versehen ist. Dies schließt in keiner Weise aus, dass nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer das Programm zu Kenntnis nehmen können. Auch die Beklagte behauptet nicht, das Programm sei nur über einen nicht frei zugänglichen „Mitgliederbereich“ einsehbar. Die Information über das Internet ist anerkannt, gebräuchlich und gewährleistet eine allgemeine Zugänglichkeit (vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 31, aaO).
55 
(2) Ebenso wenig stellen die Gesamtkosten für das einwöchige Seminar iHv. insgesamt 1.575,50 Euro (Hotel-, Verpflegungskosten und Seminarkosten) ein die Zugänglichkeit für Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst ausschließendes Hindernis dar. Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer die Kosten einer Bildungsveranstaltung selbst zu tragen. Die Bildungseinrichtungen sind nicht verpflichtet, die Kosten für die Lehrmaterialien und Referenten sowie für die Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer selbst aufzubringen. Ob ein Arbeitnehmer das Weiterbildungsangebot eines Veranstalters annimmt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Dazu hat jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit, aus den vielfältigen, preislich höher oder niedriger gestalteten Angeboten auszuwählen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, diese Wahlfreiheit zu beschränken (vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 35, aaO). Der Träger einer Weiterbildungsveranstaltung ist nicht verpflichtet, diese kostenfrei anzubieten. Wie das Bundesarbeitsgericht zudem klargestellt hat, kann der individuelle Gewerkschaftsbeitrag kein Kriterium für die ein Jedermannzugänglichkeit ausschließende Kostenbelastung sein; dieser Beitrag deckt den gesamten Aufgabenbereich der Gewerkschaft ab (vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 36, aaO). Anhaltspunkte, die zu weiteren Ausführungen zum Gewerkschaftsbeitrag veranlassen könnten, liegen nicht vor.
56 
(3) Der Zugänglichkeit für jedermann steht nicht entgegen, dass das Seminar als geeignet iSv. § 37 Abs. 7 BetrVG gekennzeichnet war. Grundsätzlich sind alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Die Zugänglichkeit für jedermann wurde auch nicht durch den in das Programm aufgenommenen Hinweis auf eine Anerkennung der Veranstaltung für Betriebsräte nach § 37 Abs. 7 BetrVG aufgehoben. Die Veranstaltung war weder als Spezialschulung für Betriebsräte ausgeschrieben, noch wurden betriebsverfassungsrechtliche Fragen im engeren Sinne behandelt. Im Übrigen sind grundsätzlich alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Diese bezweckt nicht nur die Information über gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge, sondern soll insbesondere auch den Einzelnen befähigen, sein soziales Umfeld mitzugestalten. Hierzu gehört auch die Mitwirkung in Arbeitnehmervertretungen. Eine gesellschaftspolitische Weiterbildung kann deshalb auch Kenntnisse vermitteln, die gleichzeitig Inhalt von Betriebsräteschulungen nach § 37 Abs. 6 oder Abs. 7 BetrVG sind(vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 34 mwN, aaO).
B.
57 
Nachdem die Beklagte unterlegen ist, hat sie die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. §§ 495, 91 Abs. 1 ZPO.
C.
58 
Die Festsetzung des Urteilsstreitwerts beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG, es liegt die fortzuzahlende Vergütung im Zeitraum 12. bis 16. Dezember 2016 zugrunde.
D.
59 
Wegen grundsätzlicher Bedeutung war nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG die Berufung für die Beklagte zuzulassen.

Gründe

 
A.
25 
Die Klage hat Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf die von der Beklagten vorzunehmende Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto (Mitarbeiterkonto) infolge eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Zeitraum 12. bis 16. Dezember 2016 nach § 1 Abs. 1 BzG BW.
I.
26 
Die Klage ist zulässig. Insbesondere mangelt es dem Antrag nicht an der notwendigen streitgegenständlichen Bestimmtheit.
27 
1. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Gleichermaßen kann der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11 mwN, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 -; BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 27, NZA 2012, 281). Allerdings ist dafür eine Konkretisierung des Leistungsbegehrens dahingehend erforderlich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll (vgl. BAG 28. September 2016 - 7 AZR 248/14 - Rn. 21, NZA 2017, 335; 29. Juni 2016 - 5 AZR 617/15 - Rn. 14, AP BGB § 615 Nr. 148; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 10, AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 611 Nr. 5; 21. März 2012 - 5 AZR 670/11 - Rn. 15, AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 37).
28 
2. Unstreitig führt die Beklagte zugunsten des Klägers zwei Arbeitszeitkonten (Betriebsvereinbarung zur „Flexiblen Arbeitszeit“ vom 30. Mai 2014, kurz: BV Flex ArbZ; Bl. 66-80 d. Akte), auf denen noch Gutschriften erfolgen können. Der Kläger hat das maßgebliche Konto ausreichend individualisiert und dazu angegeben, dass die Gutschrift auf dem Mitarbeiterkonto (Ziffer 3.2 der BV Flex ArbZ) erfolgen soll. Der Kläger hat den Umfang der begehrten Gutschrift und die Stelle, an welcher die Gutschrift erfolgen soll, genügend mit „Saldo (MK gesamt)“ angegeben. Damit ist der Antrag ausreichend bestimmt.
II.
29 
Die Klage ist vollumfänglich begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Wiedergutschrift von 35 Stunden im Saldo seines Mitarbeiterkontos. Die Beklagte hat zu Unrecht 35 Stunden vom Mitarbeiterkonto des Klägers wegen der Seminarteilnahme in Abzug gebracht bzw. bisher noch nicht wieder gutgeschrieben.
30 
1. Geht es um die Korrektur der Arbeitszeiterfassung auf einem Arbeitszeitkonto, kommt dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos aus § 611 Abs. 1 BGB zu, wenn das Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch nach der zugrunde liegenden Abrede verbindlich bestimmt(BAG 27. März 2014 - 6 AZR 621/12 - Rn. 21, ZTR 2014, 409; 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 21, ZTR 2014, 215). Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestandes nicht erbringen musste. Es drückt damit - in anderer Form - seinen Vergütungsanspruch aus (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 767/13 - Rn. 20, NZA 2016, 295; 18. März 2014 - 1 ABR 75/12 - Rn. 20, BAGE 147, 313; 21. März 2012 - 6 AZR 560/10 - Rn. 21, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 6; 16. Juli 2014 - 10 AZR 242/13 - Rn. 16, ZTR 2014, 609). Die nachträgliche Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto setzt voraus, dass der Arbeitnehmer Arbeitsstunden erbrachte oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste und diese bisher nicht vergütet und nicht in das Arbeitszeitkonto eingestellt wurden (vgl. BAG 29. Juni 2016 - 5 AZR 617/15 - Rn. 17, AP BGB § 615 Nr. 148). Wegen der Dokumentationsfunktion des Arbeitszeitkontos darf der Arbeitgeber nicht ohne Befugnis korrigierend in ein Arbeitszeitkonto eingreifen und dort eingestellte Stunden streichen. Kürzt oder streicht der Arbeitgeber zu Unrecht ein Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf (Wieder-)Gutschrift der gestrichenen Stunden (BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 759/12 - Rn. 20, NZA-RR 2015, 28; 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 20, 25 f., BAGE 141, 88).
31 
2. Die Beklagte ist danach verpflichtet, dem Mitarbeiterkonto im Saldo 35 Stunden gutzuschreiben. Dies allerdings noch nicht deshalb, weil die Beklagte den Kläger überhaupt auf seinen Antrag freigestellt hat. Erfüllt der Arbeitgeber den Anspruch auf Freistellung, indem er auf den Antrag des Arbeitnehmers die Freistellung nach dem BzG BW für einen bestimmten Zeitraum zum Besuch einer Bildungsveranstaltung erklärt, so hat der Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BzG BW den Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte, wenn er der Arbeit ferngeblieben ist und die Veranstaltung besucht hat; auf den Inhalt der Veranstaltung kommt es dann nicht mehr an (vgl. zum AWbG NRW: BAG 11. Mai 1993 - 9 AZR 231/89 - zu II der Gründe, BAGE 73, 135). Vorliegend hat die Beklagte den Kläger aber nicht auf seinen Antrag auf Freistellung nach dem BzG BW, sondern auf seinen Antrag auf Freistellung unter Anrechnung aus dem Mitarbeiter-Zeitkonto freigestellt. Die Parteien haben sich bereits im Gütetermin darauf verständigt (siehe Protokoll des Kammertermins), dass die Frage der Entgeltzahlungspflicht gerichtlich geklärt werden und dementsprechend der Kläger einen Anspruch auf (Wieder-)Gutschrift von ausgebuchten Stunden haben soll, wenn die Voraussetzungen nach dem BzG BW in Bezug auf das von ihm besuchte Seminar „Aktiv im Betrieb“ vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger hat im Zeitraum 12. bis 16. Dezember 2016 einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung infolge seines Seminarbesuchs nach § 1 ff. BzG BW.
32 
a) Der Kläger ist Arbeitnehmer der Beklagten und damit nach § 2 Abs. 1 Beschäftigter, also Anspruchsberechtigter iSd. § 1 Abs. 1 BzG für die Inanspruchnahme von Bildungszeit. Ebenso hat der Kläger die Wartezeit (zwölfmonatiger Bestand des Beschäftigungsverhältnisses) nach § 4 BzG BW erfüllt. Unstreitig ist das IG Metall Bildungszentrum L eine nach §§ 9, 10 BzG BW anerkannte Bildungseinrichtung.
33 
b) Der Kläger hat auch das nach § 7 Abs. 1 BzG BW vorgesehene Verfahren für die Inanspruchnahme von Bildungszeit eingehalten und dazu spätestens acht Wochen vor Beginn der Bildungsmaßnahme den Anspruch auf Bildungszeit schriftlich geltend gemacht. Auch wenn der Kläger im Antrag einen Zeitraum vom 11. Dezember (Sonntag) bis 16. Dezember 2016 (Freitag) nennt, so ergibt sich ohne Weiteres aus dem Umstand der fehlenden Arbeitspflicht an Sonntagen, dass der Kläger mit seinem Antrag auch nur einen Anspruch von fünf Arbeitstagen - also den maximalen Anspruch nach § 3 Abs. 1 BzG BW - auf Bildungszeit, dh. bezahlte Freistellung, gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat.
34 
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dem Seminar „Aktiv im Betrieb“ des IG Metall Bildungszentrums L auch im Übrigen um eine Bildungsmaßnahme nach § 6 Abs. 1 BzG BW. Das Seminar wurde unstreitig als Veranstaltung durchgeführt, die durchschnittlich einen Unterrichtsumfang von mindestens sechs Zeitstunden pro Tag umfasste, § 6 Nr. 4 BzG BW. Zudem entsprach die Bildungsmaßnahme dem Themenbereichen des § 1 BzG BW (§ 6 Nr. 2 BzG BW). Neben Maßnahmen für die berufliche Weiterbildung und für die Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten kann Bildungszeit auch für Maßnahmen der politischen Weiterbildung in Anspruch genommen werden, § 1 Abs. 2 BzG BW. Nach § 1 Abs. 4 BzG BW dient die politische Weiterbildung der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeit im politischen Leben. Diesem Informationsziel entsprach die vom Kläger besuchte Veranstaltung.
35 
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz für Nordrhein-Westfalen vom 6. November 1984 (AWbG) dient eine Veranstaltung dann dem Ziel der politischen Weiterbildung, wenn das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert sowie die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf gefördert werden soll. Dazu ist erforderlich, dass nach dem Didaktischen Konzept der Veranstaltung sowie der zeitlichen und sachlichen Ausrichtung der einzelnen Lerneinheiten das Erreichen dieses Ziels uneingeschränkt ermöglicht wird (vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 21, juris; 19. Mai 1998 - 9 AZR 395/97 - zu I 1 der Gründe, EzB AWbG § 1 Nr. 74; 9. Mai 1995 - 9 AZR 185/94 - zu III 1 der Gründe, BAGE 80, 94). Diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lässt sich auf das BzG BW übertragen. Zwar hat der Landesgesetzgeber in Nordrhein-Westfalen in § 1 Abs. 4 AWbG ausdrücklich aufgenommen, dass durch die politische Arbeitnehmerweiterbildung das Verständnis der Beschäftigten für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert und die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf gefördert werden soll. Durch die in § 1 Abs. 4 BzG BW gewählte Formulierung „politische Zusammenhänge“ und „Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen Leben“ hat der Landesgesetzgeber in Baden-Württemberg jedoch keine Einschränkung auf Informationsinhalte über staatsbürgerliche Rechte und Pflichten vorgenommen, sondern „politische Weiterbildung“ in einem sehr viel weiteren, auch Fragen der Mitwirkung und Mitverantwortung in Gesellschaft und Beruf erfassenden Sinne verstanden(ebenso: ArbG Lörrach 24. August 2016 - 5 Ca 198/16 - nV). Dies ergibt die Auslegung der Norm.
36 
(1) Schon aus dem Wortlaut, „politische Weiterbildung dient der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeit im politischen Leben“, ergibt sich keine Einschränkung auf einen engen Politikbegriff im Sinne staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten. Der Begriff „Politik“ stammt vom griechischen Wort „polis“ ab. Die Polis bezeichnete die Gemeinde der Bürger und deren Verbund. Schon aus diesem Wortursprung wird deutlich, dass mit dem Begriff „Politik“ Fragen des Gemeinwohls weitergehend angesprochen sind. Politik bezeichnet alle Maßnahmen, die sich auf die Führung einer Gemeinschaft beziehen und eine Methode, bestimmte eigene Vorstellungen gegen andere Interessen durchzusetzen (vgl. Duden, Bedeutungswörterbuch „Politik“). Sie umfasst allgemein jegliche Einflussnahme, Gestaltung und Durchsetzung von Forderungen und Zielen in privaten oder öffentlichen Bereichen (siehe Wikipedia „Politik“). Dementsprechend fallen auch solche Inhalte unter den Begriff der „politischen“ Zusammenhänge oder des „politischen“ Lebens, welche gesellschaftliche und soziale Dimensionen des Gemeinwesens betreffen und über Mitwirkungsmöglichkeiten in Gesellschaft und Beruf unterrichten. Dem Gesetzeswortlaut kann keine Einschränkung des Politikbegriffs entnommen werden. Vielmehr wurde das Gesetz am 17. März 2015 verkündet, weshalb schon deshalb davon auszugehen ist, dass der Landesgesetzgeber von einem modernen, weiten Politikbegriff ausgegangen ist.
37 
(2) Auch aus Sinn und Zweck des Gesetzes und einer völkerrechtskonformen Auslegung folgt, dass „politische Weiterbildung“ iSv. § 1 Abs. 4 BzG BW weit über die Vermittlung von Inhalten zu staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten hinaus, auch Inhalte umfasst, die das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessern sowie die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf fördern soll. Damit bewegt sich der Landesgesetzgeber in dem durch das Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Rahmen, dh. eine weite Auslegung des Begriffs „politische Weiterbildung“ ist auch verfassungskonform.
38 
(a) Der Landesgesetzgeber verfolgt mit dem BzG BW das Ziel, die Weiterbildungsbereitschaft von Beschäftigten in Baden-Württemberg zu erhöhen und zu fördern (Landtag von Baden-Württemberg, Drucks. 15/6403 S. 1). Vor dem Hintergrund der technologischen Entwicklung, des strukturellen Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft und der demographischen Veränderungen gewinnt vor allem die berufliche Weiterbildung zunehmend an Bedeutung. Daneben geht es in einem funktionierenden demokratischen Gemeinwesen aber auch um die gesellschaftliche Teilhabe seiner Bürgerinnen und Bürger. Deshalb sind nach dem Willen des Gesetzgebers auch die politische Bildung und die Stärkung des ehrenamtlichen Engagements Bestandteil des Gesetzes geworden (Drucks. 15/6403 S. 1, 10). Der Landesgesetzgeber verfolgt ausdrücklich das Ziel, mit der politischen Weiterbildung der Information über gesellschaftliche Zusammenhänge und der Verbesserung der Teilhabe und Mitwirkung am gesellschaftlichen und politischen Leben zu dienen. Diese elementare Grundlage für ein funktionierendes demokratisches Gemeinwesen soll explizit gestärkt werden (Drucks. 15/6403 S. 11). Nach Einschätzung des Landesgesetzgebers dient auch die politische Weiterbildung der Persönlichkeitsentwicklung des Beschäftigten, die sich positiv auf die betrieblichen Belange auswirken kann (Drucks. 15/6402 S. 11). Deshalb versteht des Landesgesetzgeber unter politischer Weiterbildung die Befähigung zur Teilhabe und Mitwirkung am politischen Leben, worunter auch die Teilnahme an Tagungen, Lehrgängen und Veranstaltungen fallen soll, die staatsbürgerlichen Zwecken dienen oder an denen ein öffentliches Interesse besteht (Drucks. 15/6403 S. 13). Damit verfolgt der Gesetzgeber - wenn er ausdrücklich auch Veranstaltungen nennt, an denen bzw. an deren Inhalten ein öffentliches Interesse besteht - ein sehr viel weitergehendes Ziel als die bloße Unterrichtung über staatsbürgerliche Rechte und Pflichten. Vielmehr soll umfassend, anknüpfend an das Gemeinwohl, die Teilhabe in der Gesellschaft gefördert werden. Mitsprache und Mitverantwortung in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen, dh. auch im Beruf soll zur Stärkung des Gemeinwesens gefördert werden.
39 
(b) Das so gefundene Ergebnis entspricht auch einer völkerrechtskonformen Auslegung.
40 
(aa) Mit dem BzG BW will der Landesgesetzgeber ausdrücklich das Übereinkommen Nr. 140 der Internationalen Arbeitsorganisation über den bezahlten Bildungsurlaub vom 24. Juni 1974 (ILO Übereinkommen Nr. 140) umsetzen (Drucks. 15/6403 S. 10). Danach haben sich die Unterzeichnerstaaten verpflichtet, gesetzliche Regelungen zur Bildungsfreistellung zu schaffen. Nachdem jedoch die Bundesrepublik ihrer Verpflichtung hierzu bislang nicht nachgekommen ist, haben mehrere Bundesländer - hierunter nunmehr auch Baden-Württemberg - von ihrer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 Nr. 12 GG) Gebrauch gemacht.
41 
(bb) Nach der deutschen Fassung des Art. 2 des ILO Übereinkommens Nr. 140 hat jedes Mitglied eine Politik festzulegen und durchzuführen, die dazu bestimmt ist, mit Methoden, die den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten angepasst sind, und zwar nötigenfalls schrittweise, die Gewährung von bezahltem Bildungsurlaub zu fördern, und zwar zum Zwecke a) der Berufsbildung auf allen Stufen, b) der allgemeinen und politischen Bildung, c) der gewerkschaftlichen Bildung. Nach Art. 10 des ILO Übereinkommens Nr. 140 können die Voraussetzungen für die Gewährung von bezahltem Bildungsurlaub unterschiedlich sein, je nachdem, ob der bezahlte Bildungsurlaub einem der folgenden Zwecke dienen soll: a) der Berufsbildung auf allen Stufen, b) der allgemeinen und politischen Bildung bzw. c) der gewerkschaftlichen Bildung. Schon nach dem Wortlaut der deutschen Fassung ergibt sich kein Hinweis darauf, dass das Völkerrecht, dh. das ILO Übereinkommen Nr. 140 eine politische Bildung zu staatsbürgerlichen Fragen verlangt bzw. vor Augen hat. Nach Art. 10 Buchst. b des ILO Übereinkommens Nr. 140 wird die allgemeine und die politische Bildung gemeinsam genannt. Schon mit der deutschen Fassung des ILO Übereinkommens Nr. 140 wäre eine verengende Auslegung von „politische Weiterbildung“ als Weiterbildung zu staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten nicht zu vereinbaren. Vor allem ergibt sich aus Art. 3 Buchst. b des ILO Übereinkommens, dass die nach Art. 2 festzulegende und durchzuführende Politik, falls erforderlich auf verschiedene Weise, einen Beitrag zur sachkundigen und aktiven Beteiligung der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter am Geschehen im Betrieb und in der Gemeinschaft und (Buchst. c) zum persönlichen, sozialen und kulturellen Fortschritt der Arbeitnehmer zu leisten hat. Dies setzt ein weites Verständnis von „politischer Bildung“ gerade voraus.
42 
(cc) Die Auslegung des ILO Übereinkommens Nr. 140 selbst hat allerdings nach völkerrechtlichen Grundsätzen und in erster Linie im Wege der authentischen Interpretation (vgl. dazu bspw.: BFH 25. Oktober 2006 - I R 81/04 - Rn. 20, BFHE 215, 237) zu erfolgen, dh. maßgeblich kann nur die französische und die englische Sprachfassung sein (Art. 19 ILO Übereinkommen Nr. 140). Art. 2 der englischen Sprachfassung spricht nicht von „politischer“ Bildung, sondern von „general, social and civic education“ (Buchst. b). Art. 10 der englischen Sprachfassung sieht vor, dass die Voraussetzungen für den bezahlten Bildungsurlaub unterschiedlich sein können, je nachdem, ob dieser vorgesehen ist für „a) training at any level, b) general, social or civic education or c) trade union education“. Aus der maßgeblichen englischen Textfassung ergibt sich aus Art. 2 und Art. 10 des ILO Übereinkommens Nr. 140 ein sehr breiter Bereich für mögliche Bildungsinhalte, insb. auch für soziale (social) und bürgerliche (civic), nicht notwendig staatsbürgerliche Inhalte. Indem in der deutschen Textfassung stattdessen lediglich von „politischer Bildung“ gesprochen wird, zeigt sich, dass diesem Begriff von „politischer Bildung“ ein weites Verständnis zugrunde liegt; nur ein weites Verständnis wird einer authentischen Interpretation gerecht. Wenn der Landesgesetzgeber, wie dies aus den Gesetzesmaterialen ersichtlich ist, von einem weiten Verständnis von „politischer Weiterbildung“ ausgegangen ist, so deckt sich dieses weite Verständnis mit der völkerrechtlichen Verpflichtung, welche die Bundesrepublik Deutschland eingegangen ist.
43 
(c) Mit einem weiten Verständnis von politischer Weiterbildung und der Anknüpfung am öffentlichen Interesse bzw. dem Gemeinwohl verlässt der Landesgesetzgeber auch nicht den verfassungsrechtlichen Rahmen. Wie das Bundesverfassungsgericht schon ausgeführt hat, hilft die Weiterbildung dem Einzelnen, die Folgen des Wandels beruflich und sozial besser zu bewältigen. Wirtschaft und Gesellschaft erhält sie die erforderliche Flexibilität, sich auf veränderte Lagen einzustellen. Da bei Arbeitnehmern die Bereitschaft zur Weiterbildung schon wegen der begrenzten Verfügung über ihre Zeit und des meist engeren finanziellen Rahmens nicht durchweg vorausgesetzt werden kann, liegt es im Interesse des Allgemeinwohls, die Bildungsbereitschaft dieser Gruppe zu verbessern. Unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls begegnet es auch keinen Bedenken, dass Bildungsurlaub nicht nur für berufsbildende, sondern auch für politisch bildende Veranstaltungen vorgesehen ist. Der technische und soziale Wandel bleibt in seinen Auswirkungen nicht auf die Arbeits- und Berufssphäre beschränkt. Er ergreift vielmehr auch Familie, Gesellschaft und Politik und führt zu vielfältigen Verflechtungen zwischen diesen Bereichen. Daraus ergeben sich zwangsläufig Verbindungen zwischen beruflicher und politischer Bildung, die der Gesetzgeber bei der Verfolgung seines Ziels berücksichtigen durfte. Es liegt daher im Gemeinwohl, neben dem erforderlichen Sachwissen für die Berufsausübung auch das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge zu verbessern, um damit die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf zu fördern (vgl. BVerfG 15. Dezember 1987 - 1 BvR 563/85, 1 BvR 582/85, 1 BvR 974/86, 1 BvL 3/86 - zu C II 2 a der Gründe, BVerfGE 77, 308). Diese Bewertung gilt uneingeschränkt auch für das BzG BW. Es ist davon auszugehen, dass der Landesgesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht den Begriff der „politischen Weiterbildung“ verwendet, wofür besonders spricht, dass Tagungen erfasst sein sollen, an denen ein öffentliches Interesse besteht (Drucks. 15/6403 S. 13).
44 
(3) Der Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, infolge des Fehlens eines Maßnahmenanerkennungsverfahrens nach dem BzG BW, dh. aus systematischen Gründen müsse von einem engen Verständnis des Begriffs „politische Weiterbildung“ ausgegangen werden.
45 
(a) Richtig ist zunächst im Ausgangspunkt dass im BzG BW nur eine Trägeranerkennung (§ 9 BzG BW) und ein dazu geschaffenes Trägeranerkennungsverfahren (§ 10 BzG BW), nicht aber eine Maßnahmenanerkennung und ein dazugehöriges Verfahren statuiert wurde. Damit ist die Frage, ob eine vom Arbeitnehmer besuchte bzw. zu besuchende Veranstaltung eine solche im Themenbereich des § 1 BzG BW war bzw. ist und der Arbeitnehmer daher Anspruch auf bezahlte Freistellung zum Besuch dieser Veranstaltung hat, im Streitfall von der Gerichten für Arbeitssachen zu klären.
46 
(b) Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aber aus der in anderen Landesgesetzen (bspw. Bildungsgesetz Hessen) zu findenden Maßnahmenanerkennung gerade nicht, dass mit der Anerkennung der Maßnahme auch über die Voraussetzungen des Bestehens eines Anspruchs auf bezahlte Freistellung entschieden wäre. Vielmehr folgt aus verfassungsrechtlichen Gründen, dass der Anerkennung einer Bildungsveranstaltung nach dem Recht anderer Bundesländer keine weitere Bedeutung als der eines zusätzlichen Tatbestandsmerkmals zukommt, weil anderenfalls die betreffenden Regelungen nicht mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG iVm. Art 12 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar wären. Folglich kann im Streitfall auch nach den Gesetzen anderer Bundesländer - von den Gerichten für Arbeitssachen - überprüft werden, ob eine thematisch umstrittene Bildungsveranstaltung inhaltlich den gesetzlichen Leitvorgaben entspricht (vgl. zum Bildungsurlaubsgesetz Hessen: BAG 9. Februar 1993 - 9 AZR 648/90 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 72, 200; 9. Februar 1993 - 9 AZR 203/90 - zu I 3 der Gründe, AP BildungsurlaubsG Hessen 1984 § 1 Nr. 1 = EzA HBUG § 9 Nr. 1). Damit sind die Anspruchsberechtigten nach den Landesgesetzen anderer Bundesländer nicht dadurch besser gestellt, dass die einzelne Maßnahme in einem gesetzlich bestimmten Verfahren anerkannt wurde. Vielmehr kann in diesem Fall weiter vom Arbeitgeber geltend gemacht werden, die einzelne Maßnahme sei keine in den Anwendungsbereich der maßgeblichen Norm fallende Veranstaltung. Deshalb gebietet es das Fehlen eines Maßnahmenanerkennungsverfahrens auch nicht, die Tatbestandsvoraussetzungen einer „politischen Weiterbildung“ eng bzw. einschränkend auszulegen. Ein gesetzliches Maßnahmenanerkennungsverfahren hat auf die Rechtsschutzmöglichkeiten von Arbeitgebern keinen Einfluss.
47 
(4) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich auch aus der Gesetzgebungshistorie kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber nur Tagungen, die über staatsbürgerliche Rechte und Pflichten unterrichten, unter den Begriff der „politischen Weiterbildung“ fassen wollte.
48 
(a) Richtig ist, dass sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, dass der Landesgesetzgeber im Rahmen der Regelungsfolgenabschätzung und Nachhaltigkeitsprüfung die tatsächliche Inanspruchnahme von Bildungsfreistellungen in anderen Bundesländern mit jährlich ca. einem Prozent der Anspruchsberechtigten herangezogen und angenommen hat, ein solcher Umfang der Inanspruchnahme von Bildungsfreistellungen sei (für die Anspruchsgegner) zumutbar (Drucks. 15/6403 S. 11).
49 
(b) Daraus folgt jedoch gerade nicht, dass der Landesgesetzgeber in Baden-Württemberg von einem engeren Verständnis des Begriffs „politische Weiterbildung“ ausgegangen wäre. Vielmehr zeigt der angestellte Vergleich, dass der Gesetzgeber in Baden-Württemberg davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Bildungsurlaub in den - einen Anspruch vorsehenden - Bundesländern im Wesentlichen gleich sind. Der andernorts zu findende Umfang der Inanspruchnahme ist bei dieser Grundannahme folglich auch für eine Regelungsfolgenabschätzung für Baden-Württemberg tragfähig. Dies ist auch insoweit nachvollziehbar, als die mögliche Reichweite von Bildungsurlaubsregelungen verfassungsrechtlich determiniert (BVerfG 15. Dezember 1987 - 1 BvR 563/85, 1 BvR 582/85, 1 BvR 974/86, 1 BvL 3/86 - aaO) und davon auszugehen ist, dass der Landesgesetzgeber verfassungskonformes Recht schaffen will. Deshalb ergibt sich aus dem vom Gesetzgeber angestellten Vergleich gerade, dass er von einem weiten Anwendungsbereich des BzG BW und damit auch von einem weiten Verständnis des Begriffs der „politischen Weiterbildung“ ausgegangen ist.
50 
bb) Das vom Kläger besuchte Seminar „Aktiv im Betrieb“ fällt nach dem Vorstehenden unter die politische Weiterbildung und diente der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen Leben iSv. § 1 Abs. 4 BzG BW. Dies hat der Kläger unter Vorlage der entsprechenden Seminarunterlagen dargelegt (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast: BAG 9. Februar 1993 - 9 AZR 203/90 - zu II der Gründe, aaO). Maßgeblich ist insoweit zunächst das vom Veranstalter herausgegebene Programm und dessen Erklärungen, bspw. im Einladungsschreiben (vgl. BAG 9. Mai 1995 - 9 AZR 185/94 - zu III 2 der Gründe, aaO). Das einwöchige Seminar informierte und forderte zur Mitwirkung zu Fragen guter Arbeitsbedingungen im Betrieb auf. Es informierte über das System der betrieblichen Interessenvertretung, über die Rechte der Beschäftigten und der Interessenvertreter, forderte zum gemeinsamen Handeln für gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen und zukunftssichere Arbeitsplätze und machte vor allem die betriebliche Kommunikation (insb. auch in der Betriebsversammlung) zum (mitzugestaltenden) Thema. Die gesellschaftspolitische Bedeutung der betrieblichen Beteiligung von Beschäftigten und ihren Vertretern wurde thematisiert. Damit wurde über den Bestand verschiedener Institutionen in Unternehmen und Betrieben und zu Fragen der betriebs-politischen Zusammenarbeit von Arbeitnehmern und ihren Interessenvertretern informiert. Der Kläger erfuhr damit zugleich Grundzüge über den Aufbau demokratisch legitimierter Vertretungen und deren Mitsprache auf betrieblicher Ebene. Für den Kläger als Seminarteilnehmer war damit ein Erkenntnisprozess verbunden, der nicht nur seinem Verständnis über seinen Standort im Betrieb diente. Die Verbesserung seines Wissensstandes über Mitsprache und Mitwirkung für gute Arbeitsbedingungen im Betrieb kommt auch mittelbar der Beklagten als Arbeitgeberin zugute, die mit besser informierten Arbeitnehmern neue Ziele in wirtschaftlicher und betrieblich-sozialer Hinsicht besser verwirklichen kann als mit gleichgültigen, an Veränderungen desinteressierten Mitarbeitern, auch wenn es vordergründig so scheint, als sei der weniger gebildete, uninformierte Arbeitnehmer bequemer und damit leichter zu führen. Es besteht ein öffentliches Interesse daran, dass Arbeitgeber und die bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer möglichst innovationsfähig und auf die Herausforderungen der künftigen Arbeitswelt gut vorbereitet sind. Unschädlich ist, dass der Themenplan auch die Stellung der Gewerkschaften und ihrer Funktionsträger im Betrieb vorsah. Den Gewerkschaften sind durch das Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich bestimmte Aufgaben zugewiesen worden. Ein Seminar, das die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb zum Gegenstand hat, darf auch Stellung und Funktion der Gewerkschaften erörtern, soweit damit die betriebsverfassungsrechtliche Unterstützung der Gewerkschaften, nicht aber ihre allgemeinen Koalitionsaufgaben angesprochen werden (vgl. BAG 9. Februar 1993 - 9 AZR 648/90 - zu II 3 der Gründe, aaO). Letzteres ist - jedenfalls in einem nach § 6 Abs. 4 BzG BW schädlichem Umfang - aus dem Themenplan nicht ersichtlich und wird auch von der Beklagten nicht geltend gemacht. Entscheidend ist, ob insgesamt eine Veranstaltung der politischen oder beruflichen Weiterbildung stattgefunden hat (vgl. BAG 11. Mai 1993 - 9 AZR 289/89 - zu II der Gründe, BAGE 73, 138). Dies ist zu bejahen.
51 
d) Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt auch kein Ausschlussgrund nach § 6 Abs. 2 BzG BW vor, insbesondere war die Teilnahme nicht von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei, Gewerkschaft, einem Berufsverband, einer Religionsgemeinschaft oder einer ähnlichen Vereinigung abgängig gemacht worden, § 6 Abs. 2 Nr. 1 BzG BW.
52 
aa) Der Verwaltungsakt über die Anerkennung einer Bildungsstätte entfaltet allerdings weder Tatbestandswirkung noch begründet er eine Vermutung dafür, dass Veranstaltungen dieser Bildungseinrichtung für jedermann zugänglich sind. Die Zugänglichkeit für jedermann gehört zu den Tatbestandsmerkmalen des Entgeltfortzahlungsanspruchs und ist von demjenigen, der den Anspruch geltend macht, darzulegen und ggf. zu beweisen (vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 26, aaO; 16. August 1990 - 8 AZR 654/88 - zu III 3 b aa der Gründe, BAGE 65, 352).
53 
bb) Die vom Kläger besuchte Veranstaltung stand dem in § 2 Abs. 1 BzG BW als anspruchsberechtigt bezeichneten Personenkreis offen. Weder unmittelbar noch mittelbar hat der Veranstalter die Teilnahme von der Gewerkschaftszugehörigkeit abhängig gemacht.
54 
(1) Wendet sich die Veranstaltung nur an Gewerkschaftsmitglieder, ist sie nicht für jedermann zugänglich. Zur Begründung der Jedermannzugänglichkeit genügt nicht der Hinweis im Bildungsprogramm des Trägers, dass die Veranstaltung auch anderen Personen als Gewerkschaftsmitgliedern offensteht. Er muss außerdem so verlautbart sein, dass auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer davon Kenntnis nehmen können (BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 29, aaO; 9. November 1993 - 9 AZR 9/92 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 75, 58). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Nach der Beschreibung des Seminars wendet sich dieses ausdrücklich an „interessierte Arbeitnehmer(innen), Mitglieder des Betriebsrates, der Jugend- und Auszubildenden- sowie der Schwerbehindertenvertretung“, nicht hingegen nur an Gewerkschaftsmitglieder. Das gesamte Programm des IG Metall Bildungszentrums wird über die Internetseite der IG Metall publik gemacht, dh. auch gewerkschaftlich nicht organisierte Arbeitnehmer können vom Programm Kenntnis nehmen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es hierbei völlig unerheblich, dass die Internetseite - selbstverständlich - mit dem Logo der IG Metall versehen ist. Dies schließt in keiner Weise aus, dass nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer das Programm zu Kenntnis nehmen können. Auch die Beklagte behauptet nicht, das Programm sei nur über einen nicht frei zugänglichen „Mitgliederbereich“ einsehbar. Die Information über das Internet ist anerkannt, gebräuchlich und gewährleistet eine allgemeine Zugänglichkeit (vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 31, aaO).
55 
(2) Ebenso wenig stellen die Gesamtkosten für das einwöchige Seminar iHv. insgesamt 1.575,50 Euro (Hotel-, Verpflegungskosten und Seminarkosten) ein die Zugänglichkeit für Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst ausschließendes Hindernis dar. Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer die Kosten einer Bildungsveranstaltung selbst zu tragen. Die Bildungseinrichtungen sind nicht verpflichtet, die Kosten für die Lehrmaterialien und Referenten sowie für die Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer selbst aufzubringen. Ob ein Arbeitnehmer das Weiterbildungsangebot eines Veranstalters annimmt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Dazu hat jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit, aus den vielfältigen, preislich höher oder niedriger gestalteten Angeboten auszuwählen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, diese Wahlfreiheit zu beschränken (vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 35, aaO). Der Träger einer Weiterbildungsveranstaltung ist nicht verpflichtet, diese kostenfrei anzubieten. Wie das Bundesarbeitsgericht zudem klargestellt hat, kann der individuelle Gewerkschaftsbeitrag kein Kriterium für die ein Jedermannzugänglichkeit ausschließende Kostenbelastung sein; dieser Beitrag deckt den gesamten Aufgabenbereich der Gewerkschaft ab (vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 36, aaO). Anhaltspunkte, die zu weiteren Ausführungen zum Gewerkschaftsbeitrag veranlassen könnten, liegen nicht vor.
56 
(3) Der Zugänglichkeit für jedermann steht nicht entgegen, dass das Seminar als geeignet iSv. § 37 Abs. 7 BetrVG gekennzeichnet war. Grundsätzlich sind alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Die Zugänglichkeit für jedermann wurde auch nicht durch den in das Programm aufgenommenen Hinweis auf eine Anerkennung der Veranstaltung für Betriebsräte nach § 37 Abs. 7 BetrVG aufgehoben. Die Veranstaltung war weder als Spezialschulung für Betriebsräte ausgeschrieben, noch wurden betriebsverfassungsrechtliche Fragen im engeren Sinne behandelt. Im Übrigen sind grundsätzlich alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Diese bezweckt nicht nur die Information über gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge, sondern soll insbesondere auch den Einzelnen befähigen, sein soziales Umfeld mitzugestalten. Hierzu gehört auch die Mitwirkung in Arbeitnehmervertretungen. Eine gesellschaftspolitische Weiterbildung kann deshalb auch Kenntnisse vermitteln, die gleichzeitig Inhalt von Betriebsräteschulungen nach § 37 Abs. 6 oder Abs. 7 BetrVG sind(vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 34 mwN, aaO).
B.
57 
Nachdem die Beklagte unterlegen ist, hat sie die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. §§ 495, 91 Abs. 1 ZPO.
C.
58 
Die Festsetzung des Urteilsstreitwerts beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG, es liegt die fortzuzahlende Vergütung im Zeitraum 12. bis 16. Dezember 2016 zugrunde.
D.
59 
Wegen grundsätzlicher Bedeutung war nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG die Berufung für die Beklagte zuzulassen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Arbeitsgericht Stuttgart Urteil, 07. Apr. 2017 - 26 Ca 1506/16

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


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(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung. (2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsger

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 74


(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete: 1. das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 61 Inhalt des Urteils


(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest. (2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen

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Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch de

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 495 Anzuwendende Vorschriften


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Arbeitsgericht Stuttgart Urteil, 07. Apr. 2017 - 26 Ca 1506/16 zitiert oder wird zitiert von 15 Urteil(en).

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 06. Juli 2011 - 4 AZR 424/09

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Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 28. November 2008 - 7 Sa 54/08 - teilweise aufgehoben und zur Klarstellung in

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(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 10. August 2009 - 4 Sa 7/09 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 15. Januar 2009 - 21 Ca 7630/07 - zurückgewiesen hat.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 15. Januar 2009 - 21 Ca 7630/07 - abgeändert, soweit es die Beklagte verurteilt hat, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin für den Zeitraum 1. März bis 30. September 2007 152 Stunden gutzuschreiben. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

3. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 10. August 2009 - 4 Sa 7/09 - wird zurückgewiesen und der Hilfsantrag der Klägerin abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin 43 % und die Beklagte 57 % zu tragen. Die Kosten der Revision hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob und in welchem Umfang dem Arbeitszeitkonto der Klägerin Stunden gutzuschreiben sind.

2

Die Klägerin ist seit Juni 1994 bei der Beklagten beschäftigt. Seit 1. Mai 2005 ist sie Mitglied der Industriegewerkschaft Metall. Die Beklagte trat mit Wirkung zum 31. Dezember 2005 aus dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. aus. Bis zu diesem Zeitpunkt wandte sie auf alle Arbeitsverhältnisse unabhängig von einer Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer die Tarifverträge für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden an.

3

Am 24. Juni 2005 schlossen die Parteien mit Wirkung zum 1. Januar 2006 einen neuen Arbeitsvertrag, in dem sie eine individuelle regelmäßige Wochenarbeitszeit von 40 Stunden vereinbarten und festhielten, dass keine Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fänden.

4

In einer am 7. Dezember 2005 geschlossenen „Betriebsvereinbarung Nr. 02/2005“ heißt es:

        

„…    

        
        

2.    

Dauer der Arbeitszeit

                 

Für die vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer beträgt die persönliche, regelmäßige, wöchentliche Arbeitszeit ab dem 01. Januar 2006 40 Stunden.

        

…       

        
        

4.    

Arbeitszeitkonto

                 

Die Differenz zwischen der geleisteten Arbeitszeit und der Regelarbeitszeit wird 1:1 in ein Arbeitszeitkonto übertragen, welches für jeden einzelnen Arbeitnehmer geführt wird. (…)“

5

Ab 1. Januar 2006 arbeitete die Klägerin 40 Wochenstunden, während der Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 14. Juni 2005 (im Folgenden: MTV) eine tarifliche wöchentliche Arbeitszeit (ohne Pausen) von 35 Stunden vorsah.

6

Mit Anwaltsschreiben vom 29. August 2007 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr bis zum 7. September 2007 zu bestätigen, dass sie für jede ab dem 1. Januar 2006 über 35 Stunden pro Woche hinaus geleistete Arbeitsstunde eine entsprechende Bezahlung erhalte oder jede über 35 Stunden pro Woche geleistete Arbeitsstunde ihrem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werde. Mit ihrer der Beklagten am 5. Oktober 2007 zugestellten Klage hat die Klägerin ua. geltend gemacht, ihrem Arbeitszeitkonto seien für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2007 insgesamt 455 Arbeitsstunden gutzuschreiben.

7

Die Klägerin hat - soweit für die Revision noch von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 30. September 2007 455 Stunden gutzuschreiben.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr an die Tarifverträge für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden gebunden gewesen zu sein. Zudem habe die Klägerin die sechsmonatige Ausschlussfrist des MTV nicht eingehalten.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin für den Zeitraum 1. März bis 30. September 2007 152 Stunden gutzuschreiben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgen die Beklagte ihr Begehren auf vollständige Klageabweisung, die Klägerin ihren ursprünglichen Klageantrag mit der Maßgabe, dass die Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin in der Spalte „FLEX“ erfolgen solle, weiter. Außerdem hat die Klägerin in der Revisionsinstanz ihre Klage um einen Hilfsantrag erweitert, mit dem sie die Zahlung von 6.561,10 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2007 begehrt.

Entscheidungsgründe

10

I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage teilweise stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen.

11

1. Die Klage ist mit dem in den Vorinstanzen gestellten (Haupt-)Antrag mit der in der Revisionsinstanz nachgeholten Konkretisierung dieses Leistungsantrags zulässig.

12

Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können(vgl. BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 1036/06 - Rn. 9, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 42 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 16; 6. Juli 2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 72). Gleichermaßen kann der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3). Seit der im Revisionsverfahren erfolgten Konkretisierung des Leistungsbegehrens (Gutschrift in der Spalte „FLEX“) ist der Klageantrag hinreichend bestimmt.

13

2. Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch, dass die vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2007 über die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden hinaus geleistete Arbeitszeit als Mehrarbeit auf ihrem Arbeitszeitkonto in der Spalte „FLEX“ verbucht wird. Dafür fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.

14

a) Aus der Betriebsvereinbarung Nr. 2/2005 vom 7. Dezember 2005 ergibt sich kein Anspruch darauf, dass die über 35 Wochenstunden hinausgehende Arbeitszeit auf den Arbeitszeitkonten der Arbeitnehmer als Mehrarbeit verbucht wird. Die Betriebsvereinbarung wurde für eine Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden getroffen, nur die Differenz zwischen der geleisteten Arbeitszeit und dieser Regelarbeitszeit wird in ein Arbeitszeitkonto übertragen (Ziff. 2 und Ziff. 4 der Betriebsvereinbarung; vgl. dazu auch BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 13, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 50).

15

b) Ebenso wenig ergibt sich der Klageanspruch aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag vom 24. Juni 2005.

16

aa) Der Sachvortrag der Klägerin enthält keine Anhaltspunkte dafür, aus dem Arbeitsvertrag ließe sich herleiten, dass die Differenz zwischen vertraglicher und tariflicher Wochenarbeitszeit als Mehrarbeit auf dem Arbeitszeitkonto verbucht werden solle.

17

bb) Aus § 611 Abs. 1 BGB kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos haben(vgl. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 10 mwN, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1). Die Gutschrift von Arbeitsstunden setzt aber voraus, dass die gutzuschreibenden Stunden nicht vergütet wurden oder die dafür geleistete Vergütung vom Arbeitgeber wegen eines Entgeltfortzahlungstatbestands auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung hätte erbracht werden müssen (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3).

18

cc) Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum Vergütung für 40 Arbeitsstunden wöchentlich erhalten. Ausgehend von den erteilten Lohnabrechnungen steht dies zwischen den Parteien außer Streit. Damit sind aber die Stunden, die laut Klageantrag auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin in der Spalte „FLEX“ als Mehrarbeit verbucht werden sollen, von der Beklagten laufend vergütet worden. Daran ändert die - zugunsten der Klägerin unterstellte - Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden nach § 4 Abs. 3 TVG nichts. Die Klägerin hat allenfalls für die wöchentlich „zu viel“ geleisteten Arbeitsstunden eine zu geringe Vergütung erhalten, sofern auch die arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung - wozu es allerdings an Sachvortrag der Klägerin fehlt - nach § 4 Abs. 3 TVG unwirksam sein sollte. Eine zu geringe Vergütung von geleisteten Arbeitsstunden begründet aber keinen Anspruch, diese Stunden auf einem Arbeitszeitkonto als Mehrarbeit zu verbuchen, sondern nur auf Zahlung der Vergütungsdifferenz.

19

II. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Für den Anspruch auf Gutschrift von Arbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto fehlt es an einer Grundlage (siehe unter I 2). Der erstmals in der Revisionsinstanz klageerweiternd gestellte Hilfsantrag ist unzulässig.

20

Die Einführung eines zusätzlichen Hilfsantrags in der Revisionsinstanz stellt eine nachträgliche Anspruchshäufung (§ 260 ZPO)und damit eine Klageänderung gem. § 263 ZPO dar, ohne dass lediglich einer der Fälle des § 264 ZPO vorliegen würde. Diese Klageänderung ist in der Revisionsinstanz unzulässig. Das Revisionsgericht kann nicht erstmals ein bisher nicht beschiedenes Begehren beurteilen, welches die Feststellung neuer Tatsachen erfordert (BAG 12. Juli 2006 - 5 AZR 646/05 - Rn. 17, BAGE 119, 62; 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 29, jeweils mwN). Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Die Entscheidung über den Hilfsantrag würde neue Feststellungen zur Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung, der Höhe der tariflichen Vergütung sowie zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist erfordern.

21

III. Unter Berücksichtigung der rechtskräftigen Kostenentscheidung des Landesarbeitsgerichts nach § 91a ZPO hinsichtlich des in der Berufungsinstanz übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits haben von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz die Klägerin 43 % und die Beklagte 57 % zu tragen, § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten der Revision hat die Klägerin gem. § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Feldmeier    

        

    Christen    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 28. November 2008 - 7 Sa 54/08 - teilweise aufgehoben und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst.

Auf die Berufung der Beklagten wird das (Teil-)Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 1. April 2008 - 7 Ca 8901/07 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

a) Es wird festgestellt, dass die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit des Klägers vom 1. Juli 2006 bis zum 3. März 2009 fünfunddreißig Wochenstunden betrug.

b) Im Übrigen wird die Klage einschließlich des hilfsweise gestellten Zahlungsantrags abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu drei Viertel und die Beklagte zu einem Viertel zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die für ihr Arbeitsverhältnis geltenden Tarifverträge, die sich daraus ergebende wöchentliche Arbeitszeit im Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 3. März 2009 und hieraus folgende Leistungsansprüche des Klägers.

2

Der Kläger ist seit dem Jahr 2000 bei der Beklagten gegen einen Bruttomonatsverdienst von zuletzt 2.171,65 Euro als Monteur beschäftigt. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metallindustrie und war bis zum 31. Dezember 2005 Mitglied im Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. - Südwestmetall - (AGV Südwestmetall). Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien wurden bis zu diesem Datum die zwischen dem AGV Südwestmetall und der IG Metall, Bezirk Baden-Württemberg, geschlossenen Tarifverträge kraft betrieblicher Übung angewandt.

3

In der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden wurde zwischen den Tarifvertragsparteien im Jahre 2003 die Einführung eines neuen Entgeltsystems vereinbart. Hierzu schlossen die Tarifvertragsparteien am 16. September 2003 den Entgeltrahmentarifvertrag (ERA-TV) und den Einführungstarifvertrag zum ERA-Tarifvertrag (ETV-ERA) ab, die zum 1. Oktober 2003 in Kraft traten. § 2 ETV-ERA lautet in der Fassung der Tarifrunde 2004 auszugsweise wie folgt:

        

„§ 2   

        

Einführungszeitraum

        

2.1     

Tarifliche Stichtage

        

...     

        
        

2.1.2 

Der Vorbereitungsphase schließt sich eine Einführungsphase von drei Jahren an*). ... Der ERA-TV ersetzt zum Stichtag im Betrieb die entsprechenden Bestimmungen der bestehenden Tarifverträge (§ 24 ERA-TV).

                 

Vor der Einführungsphase kann der ERA-TV nur mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien eingeführt werden.

                 

*)    

Protokollnotiz: Beginn und Ende der Einführungsphase werden bei Vereinbarung der letzten ERA-Strukturkomponente festgelegt.

        

2.1.3 

Im Anschluss an die Einführungsphase gilt der ERA-TV verbindlich für alle Betriebe. Mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien kann der ERA-TV betrieblich auch bis zu 12 Monate nach diesem Zeitpunkt eingeführt werden.

        

...“   

        
                          
        

(Hinweis: Im Rahmen der Tarifrunde 2004 wurde diese Einführungsphase auf die Zeit 1. März 2005 bis zum 29. Februar 2008 festgelegt.)

4

Am 10. März 2006 schlossen die Tarifvertragsparteien einen am 1. Februar 2006 in Kraft tretenden Ergänzungstarifvertrag zum Einführungstarifvertrag zum ERA-TV, wodurch der ETV-ERA in § 4.2 unmittelbar geändert wurde.

5

Für die Betriebe, die den ERA-TV nicht einführten, galt ab 1. April 2005 der Manteltarifvertrag der Tarifparteien (MTV 2005) vom 14. Juni 2005. In diesem war die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit wie in der Vorgängerregelung auf 35 Stunden festgesetzt.

6

Der Kläger unterzeichnete am 25. Juli 2005 mit Wirkung zum 1. Januar 2006 einen neuen Arbeitsvertrag, der auszugsweise wie folgt lautet:

        

„4.     

WOCHENARBEITSZEIT, GLEITZEIT

        

4.1     

Die individuelle regelmäßige Wochenarbeitszeit des Arbeitnehmers beträgt 40 Stunden.

        

…       

        
                          
        

4.3     

Über die vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus geleistete Arbeit ist keine Mehrarbeit, sondern führt lediglich zum Auf- bzw. Abbau des Zeitguthabens des Arbeitnehmers. Eine Auszahlung von Zeitguthaben ist ausgeschlossen.

        

…       

        
                          
        

13.     

SCHLUSSBESTIMMUNGEN, SALVATORISCHE KLAUSEL, GERICHTSSTAND

        

…       

        
        

13.6   

Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass keinerlei Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden.“

7

Auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2005 über Lage und Verteilung der Arbeitszeit wurden von der Beklagten ab 1. Januar 2006 für die Arbeitnehmer Arbeitszeitkonten in geänderter Weise geführt. Seither wurde die Differenz zwischen der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit und einer Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden in die einzelnen Arbeitszeitkonten übertragen. Die Betriebsvereinbarung regelt ferner, dass der Ausgleichszeitraum der Arbeitszeitkonten jeweils am 31. Mai eines jeden Jahres endet. Der Kläger ist seit dem 1. Juli 2006 Mitglied der IG Metall.

8

Mit seiner Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die bis zum Verbandsaustritt der Beklagten am 31. Dezember 2005 vereinbarten Tarifverträge fänden im Hinblick auf seine Mitgliedschaft in der IG Metall ab 1. Juli 2006 im Wege der Nachbindung gem. § 3 Abs. 3 TVG auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung. Demzufolge betrage die von ihm geschuldete wöchentliche Arbeitszeit 35 Stunden. Die Beklagte habe daher auch das Arbeitszeitkonto unter Zugrundelegung einer wöchentlichen Sollarbeitszeit von 35 Arbeitsstunden zu führen. Die im Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 6. September 2007 (einschließlich) aufgelaufenen Differenzstunden seien dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ab dem 1. Juli 2006 die folgenden, zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. und der Industriegewerkschaft Metall, Bezirk Baden-Württemberg, abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung finden bzw. gefunden haben:

                 

a)    

Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 14. Juni 2005 für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 29. Februar 2008 einschließlich,

                 

b)    

Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden zum ERA-TV vom 14. Juni 2005,

                 

c)    

---     

                 

d)    

Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für die Beschäftigten und Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg zum ERA-TV vom 14. Juni 2005,

                 

e)    

Tarifvertrag zur Altersteilzeit für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 14. Juni 2005,

                 

f)    

Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 14. Juni 2005,

                 

g)    

Tarifverträge zum Bruttoaufstockungsmodell Altersteilzeit vom 29. September 2004,

                 

h)    

Urlaubsabkommen für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden zum ERA-TV vom 14. Juni 2005,

                 

i)    

Entgeltrahmentarifvertrag (ERA-TV) vom 16. September 2003,

                 

j)    

Einführungstarifvertrag zum ERA-TV (ETV-ERA) vom 16. September 2003,

                 

k)    

Tarifvertrag für die Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden zum ERA-TV vom 14. Juni 2005,

                 

l)    

Tarifvertrag zur Qualifizierung für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg zum ERA-TV vom 14. Juni 2005 und

                 

m)    

Tarifvertrag ERA-Anpassungsfonds vom 18. Dezember 2003.

        

2.    

festzustellen, dass die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit des Klägers ohne Pausen ab dem 1. Juli 2006 35 Arbeitsstunden betrug.

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, das Arbeitszeitkonto des Klägers ab dem 1. Juli 2006 so zu führen, dass der wöchentlichen Sollarbeitszeit 35 Arbeitsstunden zugrunde gelegt werden.

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 6. September 2007 einschließlich 189,5 Stunden gutzuschreiben.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält die Anträge zu 1) und zu 2) mangels Feststellungsinteresses für unzulässig, im Übrigen ergebe sich aus dem nach Ende ihrer Verbandsmitgliedschaft erfolgten Eintritt des Klägers in die Gewerkschaft keine beiderseitige Tarifgebundenheit. Eine Nachbindung könne den Arbeitgeber nicht „ewig“ binden, sondern sei in sinnvoller Weise zeitlich zu beschränken. Hierfür biete sich die erste ordentliche Kündigungsmöglichkeit nach dem Verbandsaustritt an. Dies sei vorliegend der 28. Februar 2006 gewesen, so dass der Beitritt des Klägers zur IG Metall am 1. Juli 2006 ins Leere gegangen sei. Bei der einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertrages zum 1. Januar 2006 handele es sich um eine andere Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 TVG, welche die Nachwirkung der Tarifverträge beende. Eine Nachbindung an die ERA-Tarifverträge bestehe aber auch schon deshalb nicht, weil diese Tarifverträge nur für solche Betriebe gälten, die den ERA-TV betrieblich eingeführt hätten. Zudem sei eine mögliche Nachbindung der Beklagten spätestens mit dem Ergänzungstarifvertrag zum ETV-ERA vom 10. März 2006 beendet worden. Der nicht auf den ERA-TV bezogene MTV 2005 habe schon deshalb nicht normativ gegolten, weil der MTV 2005 für diejenigen Arbeitgeber, die weiterhin Verbandsmitglied geblieben seien, nicht mehr zwingend gegolten habe, denn diese hätten in dem fraglichen Zeitraum jederzeit den MTV 2005 durch die Einführung des ERA-TV ablösen können. Allerspätestens habe der MTV 2005 jedoch zum 29. Februar 2008 geendet, weil er zu diesem Zeitpunkt nach dem Willen der Tarifvertragsparteien in den kraft Mitgliedschaft tarifgebundenen Betrieben durch den MTV-ERA hätte ersetzt werden müssen. Jedenfalls greife die sechsmonatige Ausschlussfrist, die sowohl der MTV 2005 als auch der MTV-ERA vorsähen.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage - auch hinsichtlich weiterer vom Kläger verfolgter Ansprüche - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das klagestattgebende Urteil in dem in der Revision noch streitgegenständlichen Umfang aufrechterhalten und die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen. Nach Verkündung des Berufungsurteils vereinbarte die Beklagte am 4. März 2009 mit der IG Metall einen Haustarifvertrag, in dem ua. eine regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit von 40 Stunden vorgesehen ist. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte in vollem Umfang ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision mit der Maßgabe, dass die Feststellungsanträge auf die Zeit bis zum 3. März 2009, hilfsweise bis zum 6. September 2007 beschränkt werden, und stellt hilfsweise zum Antrag zu 4) den Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 2.376,33 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2007.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist überwiegend begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten hinsichtlich der Klageanträge zu 1), zu 3) und zu 4) rechtsfehlerhaft zurückgewiesen. Lediglich der Klageantrag zu 2) ist begründet.

13

A. Das Landesarbeitsgericht hat im Hinblick auf die unterschiedlichen Auffassungen der Parteien über die Anwendbarkeit der in Rede stehenden Tarifverträge das erforderliche Interesse an den alsbaldigen Feststellungen gemäß dem Antrag zu 1) angenommen, welches sich allerdings nicht auf den vor dem Landesarbeitsgericht noch unter c) im Antrag zu 1) genannten Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung vom 14. Juni 2005 erstrecke, weil dieser ab dem 1. März 2008 durch den Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung zum ERA-TV vom 14. Juni 2005 abgelöst worden sei und der Kläger nicht aufgezeigt habe, dass sich aus dem Tarifvertrag noch Rechte und Pflichten ergäben. In der Sache fänden die aufgeführten Tarifverträge kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gem. § 3 Abs. 1 und Abs. 3 TVG Anwendung. Unschädlich sei hierbei, dass die noch während der Mitgliedschaft der Beklagten im Arbeitgeberverband abgeschlossenen Tarifverträge teilweise erst nach Beendigung ihrer Mitgliedschaft am 1. März 2008 in Kraft getreten seien und dass der Kläger erst zum 1. Juli 2006 in die zuständige Gewerkschaft eingetreten sei. Der Arbeitsvertrag vom 25. Juli 2005 habe die Anwendbarkeit der Tarifverträge nicht wirksam ausschließen können (§ 4 Abs. 3 TVG).

14

Der Antrag zu 2) sei als Zwischenfeststellungsklage zulässig, da er für das Leistungsbegehren nach dem Antrag zu 3) vorgreiflich sei. Der Antrag zu 2) sei auch begründet, da sich aus § 7.1 MTV 2005 - für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 29. Februar 2008 - bzw. aus § 7.1 MTV-ERA - für die Zeit danach - eine wöchentliche Sollarbeitszeit von 35 Stunden ergebe. Hieraus folge die Verpflichtung der Beklagten, das Arbeitszeitkonto entsprechend zu führen und damit die Begründetheit des Antrages zu 3). Nicht verlangen könne der Kläger insoweit indes die Verurteilung der Beklagten, Arbeitszeit, die er über 35 Stunden geleistet habe und künftig leisten werde, seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Es mangele insoweit an der erforderlichen Bestimmtheit des Streitgegenstandes.

15

Schließlich könne der Kläger eine Gutschrift von 189,50 Arbeitsstunden für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 6. September 2007 verlangen. Der Anspruch sei auch nicht nach § 18.1.2 MTV 2005/MTV-ERA verfallen. Denn die Beklagte könne sich wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht auf die Verwirkung des Anspruchs des Klägers berufen. Mit der durch sie gestellten Vertragsbedingung in § 13.6 des Arbeitsvertrages habe sie den Kläger über die Anwendbarkeit der Tarifverträge kraft Fortwirkung der Tarifbindung der Beklagten auch im Fall eines nachträglichen Eintritts in die Gewerkschaft getäuscht.

16

B. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten ist weitgehend erfolgreich. Die Anträge zu 1) und der Hilfsantrag zu 4) sind unzulässig; die Anträge zu 3) und der Hauptantrag zu 4) sind unbegründet. Lediglich hinsichtlich der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellung der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers ist die Revision zurückzuweisen.

17

I. Die Klage ist nur teilweise zulässig.

18

1. Der Antrag zu 1) ist unzulässig. Es mangelt am erforderlichen Feststellungsinteresse des Klägers.

19

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage -. Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (st. Rspr., s. nur BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165 ).

20

Das Feststellungsinteresse ist nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (st. Rspr., etwa BAG 14. Dezember 2005 - 4 AZR 522/04 - Rn. 12, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 94 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 7; 29. November 2001 - 4 AZR 757/00 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 100, 43). Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen (st. Rspr., etwa BAG 2 9. November 2001 - 4 AZR 757/00 - aaO).

21

Erforderlich ist ferner, dass die Feststellung deshalb nötig erscheint, weil es über das Bestehen oder Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses einen Streit zwischen den Parteien gibt, der sich in irgendeiner Form auf Leistungsverpflichtungen der Parteien auswirkt. Andernfalls würden die Gerichte als Gutachter für Fragen herangezogen werden, die die Parteien lediglich interessieren, deren Beantwortung aber ohne weitere rechtliche oder tatsächliche Folgen bleiben. Die Erstellung eines Rechtsgutachtens ist den Gerichten verwehrt (etwa BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 63/04 - Rn. 19 mwN, AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 61; 20. Mai 2008 - 1 ABR 19/07 - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 81 Nr. 4 = EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 19).

22

b) Dem Kläger steht das erforderliche Rechtsschutzinteresse nicht zur Seite. Der Streit der Parteien betrifft im Kern eine Leistungspflicht des Arbeitgebers, die sich aus einer bestimmten, vom Kläger zu leistenden Wochenarbeitszeit ergeben soll. Das entsprechende Leistungsinteresse des Klägers hat dieser mit den Anträgen auf Feststellung der wöchentlichen Arbeitszeit im Streitzeitraum, mit dem Leistungsantrag auf Führung des Arbeitszeitkontos des Klägers nach näheren Maßgaben und mit dem Antrag auf Verurteilung zur Gutschrift einer bestimmten Anzahl von Arbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers geltend gemacht. Ein darüber hinausgehendes Interesse des Klägers an der Feststellung der Geltung von Tarifverträgen, die teilweise gänzlich andere Regelungsgegenstände betreffen, wie den Urlaub, betriebliche Sonderzahlungen, Altersteilzeit usw., ist nicht erkennbar.

23

Soweit bei den im Antrag zu 1) genannten Tarifverträgen ein Bezug zur Bestimmung der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers in Betracht kommt, wie etwa beim MTV 2005 oder beim MTV-ERA, handelt es sich dabei lediglich um die Rechtsgrundlage für die mögliche Begründetheit des Feststellungsantrages zu 2). Die Zulässigkeit des Antrages zu 1) ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO. Ein insoweit erforderliches Interesse an der Feststellung, dass diese Tarifverträge für das Arbeitsverhältnis gelten, wäre nur gegeben, wenn durch sie noch weitere Streitigkeiten zwischen den Parteien durch eine in Rechtskraft erwachsende Feststellung geklärt oder vermieden werden könnten. Hierfür hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen, wozu es gerade im Hinblick auf die Tatsachen, dass sich das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 4. März 2009 unstreitig nach dem Haustarifvertrag der Beklagten richtet, besonderen Anlass gegeben hätte.

24

2. Der Feststellungsantrag zu 2) ist als Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.

25

a) Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann der Kläger zugleich mit der Hauptklage - hier dem Klageantrag zu 1) - auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, dh. vorgreiflichen Rechtsverhältnisses klagen (BAG 24. April 1996 - 4 AZR 876/94 - zu I der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Waldarbeiter Nr. 1). Damit wird ein Element aus der Gesamtentscheidung verselbständigt und mit eigener Rechtskraft versehen. Grund hierfür ist die Eignung dieses Elements, über den konkreten Einzelfall hinaus, der mit der Hauptklage entschieden wird, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten herzustellen. Eine Zwischenfeststellungsklage bedingt daher, dass die Frage nach dem Bestehen des entsprechenden Rechtsverhältnisses notwendig auch bei der Entscheidung über den Hauptantrag beantwortet werden muss, aber darüber hinaus auch für andere denkbare Folgestreitigkeiten Bedeutung haben kann. Diese Vorgreiflichkeit ersetzt die ansonsten notwendige Voraussetzung eines Feststellungsinteresses (BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 20, BAGE 124, 240).

26

b) Dies ist vorliegend hinsichtlich des Antrages zu 2) der Fall. Die Feststellung der vom Kläger zu leistenden wöchentlichen Arbeitszeit ist zum Einen eine Vorfrage, die jedenfalls bei der Entscheidung über den Leistungsantrag zu 4) beantwortet werden muss. Zugleich reicht sie über das dort erfasste Rechtsschutzziel des Klägers hinaus. Denn der in der Leistungsklage gemäß Antrag zu 4) geltend gemachte Anspruch ist auf den Zeitraum bis zum 6. September 2007 begrenzt.

27

3. Die Anträge zu 3) und 4) sind als Leistungsklagen ohne weiteres zulässig. Der Antrag zu 4) ist aufgrund der Klarstellung des Klägers in der Revisionsverhandlung, er werde mit der Maßgabe gestellt, dass die Gutschrift in der Spalte „FLEX“ erfolgen solle, auch hinreichend bestimmt (vgl. BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3).

28

4. Der Hilfsantrag zum Antrag zu 4) ist eine in der Revisionsinstanz nicht statthafte Klageänderung und daher unzulässig.

29

a) Eine Klageerweiterung ist in der Revision grundsätzlich nicht zulässig. Hiervon kann lediglich dann eine Ausnahme gemacht werden, wenn es sich um eine Klageänderung iSv. § 264 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO handelt und der geänderte Antrag auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt gestützt wird(BAG 10. Februar 2004 - 9 AZR 89/03 -; 9. November 2005 - 5 AZR 105/05 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 196 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 132; GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2011 § 73 Rn. 99 f.; HWK/Bepler 4. Aufl. § 74 ArbGG Rn. 19; deutlich höhere Anforderungen dagegen bei GMP/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 74 Rn. 44 ff.).

30

b) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar beruht die Vergütungsverpflichtung der Beklagten hinsichtlich der Mehrarbeitsstunden im Fall der Führung eines Arbeitszeitkontos auf weitgehend denselben Voraussetzungen wie die vom Kläger begehrte Gutschriftverpflichtung. Von der im Hauptantrag begehrten Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto zur im Hilfsantrag begehrten Zahlungsverpflichtung bedarf es aber noch der Umrechnung von nicht vergüteten Arbeitsstunden in eine zu zahlende Vergütung. Insoweit ist der vom Kläger genannte und seiner Berechnung zugrunde gelegte Bruttostundenlohn von 12,54 Euro vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden. Soweit das Arbeitsgericht diesen Betrag seiner Streitwertberechnung in der Kostenentscheidung zugrunde gelegt hat, hat die Revision zu Recht darauf hingewiesen, dass sich der vom Kläger bezeichnete Stundenlohn allein auf den Monat Juli 2007 und nicht auf den gesamten Streitzeitraum von Juli 2006 bis September 2007 bezieht.

31

II. Die insoweit zulässige Klage ist lediglich hinsichtlich des Antrages zu 2) begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

32

1. Der Antrag zu 2) ist begründet.

33

Aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit an den MTV 2005 und der nach dem Ende des MTV 2005 ab dem 1. März 2008 eingetretenen Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG belief sich im Arbeitsverhältnis der Parteien die regelmäßige Wochenarbeitszeit vom 1. Juli 2006 bis zum 3. März 2009 auf 35 Wochenstunden. Hieran hat sich weder durch den Abschluss von Tarifverträgen zum ERA-TV noch durch die vorhergegangene Änderung des Arbeitsvertrages vom 25. Juli 2005 etwas geändert.

34

a) Die Beklagte war kraft Nachbindung gem. § 3 Abs. 3 TVG bis zum 29. Februar 2008 an den MTV 2005 gebunden.

35

aa) § 3 Abs. 3 TVG bestimmt die Rechtsfolgen beim Wegfall der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG. Die unmittelbare und zwingende Rechtswirkung eines Tarifvertrages, die gem. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG aus der Mitgliedschaft in einer tarifschließenden Koalition folgt, soll nicht durch eine einseitige Maßnahme wie den Verbandsaustritt beseitigt werden können(st. Rspr., vgl. nur BAG 15. Oktober 1986 - 4 AZR 289/85 - BAGE 53, 179). Danach gilt der Tarifvertrag so lange weiter, bis er endet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht dabei dem Ende jede Änderung des Tarifvertrages gleich. Als eine solche Änderung ist jede Änderung der durch den nachbindenden Tarifvertrag geschaffenen materiellen Rechtslage anzusehen (1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 51 f., BAGE 131, 176). Soweit die Beklagte unter Berufung auf die negative Koalitionsfreiheit ein früheres, rein zeitlich bestimmtes Ende des Tarifvertrages geltend macht, hat sich der Senat mit dieser Auffassung in seiner Entscheidung vom 1. Juli 2009 ausführlich auseinandergesetzt (- 4 AZR 261/08 - Rn. 34 bis 49, aaO). Hieran hält der Senat fest. Auf die dortigen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

36

bb) Unter Anlegung dieser Maßstäbe war die Beklagte bis zum 29. Februar 2008 an den MTV 2005 kraft Nachbindung gebunden.

37

(1) Die Tariflage in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden war zum Zeitpunkt des Austritts der Beklagten aus dem tarifschließenden Verband durch das gleichzeitige Bestehen zweier unterschiedlicher Tarifsysteme gekennzeichnet. Die im Jahre 2003 grundsätzlich beschlossene und durch den Abschluss mehrerer Tarifverträge im Folgenden ausgestaltete Einführung eines grundlegend neuen Tarifsystems (ERA) ließ für eine Übergangszeit bis zum 29. Februar 2008 das Nebeneinander des vorherigen Systems mit der Ausgestaltung ua. durch den MTV 2005 und des neuen Systems zu. Die normative Bindung an das eine oder andere System entschied sich entsprechend den jeweiligen Geltungsbereichsbestimmungen danach, ob der jeweilige Betrieb innerhalb dieses Zeitraums das neue System (ERA) eingeführt hatte oder nicht. Die normative Geltung des jeweiligen Tarifvertrages unterlag damit der subjektiven Entscheidung über die Einführung von ERA. Solange diese Entscheidung nicht getroffen war, galten ausschließlich die Tarifverträge des bisherigen Systems, ua. der MTV 2005.

38

(2) Die Beklagte hatte zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens ihres Austritts aus dem Arbeitgeberverband das neue Tarifsystem ERA nicht eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt galten demnach allein die Tarifverträge des bisherigen Systems zwingend und unmittelbar. Die durch diese Tarifverträge, insbesondere durch den MTV 2005, gestaltete materielle Rechtslage war damit Gegenstand der Nachbindung. Erst deren Änderung führte zum Ende der Nachbindung. Vor dem 1. März 2008 trat eine solche Änderung nicht ein.

39

(3) Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass auch die in diesem Zeitraum vereinbarten Änderungen der materiellen Rechtslage im neuen System, die durch Vereinbarungen von mehreren Tarifverträgen zum ERA erfolgten, eine Änderung der materiellen Rechtslage bewirkt hätten, ist dies unzutreffend.

40

(a) Die Nachbindung erfasst diejenigen Tarifnormen, an die der ausgetretene Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Austritts zwingend und unmittelbar gebunden ist. Dies umfasst auch die Geltungsbereichsbestimmung. Tarifverträge mit einem anderen Geltungsbereich, die für den Arbeitgeber zu keinem Zeitpunkt galten, können in die Nachbindung nicht einbezogen werden. Ebenso wenig kann eine Änderung dieser Tarifverträge mit einem anderen Geltungsbereich zu einem Ende des nachbindenden Tarifvertrages iSv. § 3 Abs. 3 TVG führen.

41

(b) Die für die Beklagte im Zeitraum ihrer Verbandsmitgliedschaft bis zum 31. Dezember 2005 bestehende Option zum Wechsel in das ERA-System unterfiel nicht der Nachbindung, da der Wechsel des Tarifsystems bis zum 29. Februar 2008 nicht vom bloßen Zeitablauf abhing. Die Beklagte hätte als Nichtmitglied des tarifschließenden Verbandes aufgrund einer eigenen gewillkürten Entscheidung die normative Bindung an ein vom Arbeitgeberverband vorher vereinbartes Tarifwerk nicht mehr herstellen können.

42

(4) Eine Änderung des bisherigen Tarifsystems, insbesondere des MTV 2005, im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 29. Februar 2008, hat die Beklagte nicht dargelegt. Sie ist auch sonst nicht ersichtlich. Erst mit dem Ablauf der Übergangszeit der fakultativen Einführung von ERA in den tarifgebundenen Betrieben am 29. Februar 2008 endete der MTV 2005, da auch die dem bisherigen System bis dahin angehörigen Betriebe zu diesem Zeitpunkt zwingend unter den tariflichen Geltungsbereich der ERA-Tarifverträge fielen. Eine Nachbindung der Beklagten an die ab dem 1. März 2008 für die Verbandsangehörigen gem. § 3 Abs. 1 TVG geltenden ERA-Tarifverträge ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die zum Zeitpunkt des Verbandsaustritts am 31. Dezember 2005 geltenden ERA-Tarifverträge im nachfolgenden Zeitraum mehrfach geändert worden sind, ua. bereits zum 1. Februar 2006 durch den Ergänzungstarifvertrag zum ETV-ERA vom 10. März 2006. Damit war die am 1. März 2008 für die Verbandsmitglieder tariflich gestaltete normative Rechtslage von der früheren Mitgliedschaft der Beklagten im AGV Südwestmetall nicht mehr legitimiert.

43

b) Auch der Kläger war im Streitzeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 29. Februar 2008 an den MTV 2005 gebunden, weil er in dieser Zeit Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft IG Metall war (§ 3 Abs. 1 TVG). Dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Gewerkschaftseintritts des Klägers an den MTV 2005 nicht kraft Mitgliedschaft im tarifschließenden Verband nach § 3 Abs. 1 TVG, sondern kraft Nachbindung gem. § 3 Abs. 3 TVG gebunden war, ändert nichts an der zwingenden und unmittelbaren Wirkung der Tarifnormen auf das Arbeitsverhältnis. § 4 Abs. 1 TVG macht keinen Unterschied in der Art der Bindung an den Tarifvertrag, die zur unmittelbaren und zwingenden Wirkung der Tarifnormen führt(BAG 4. August 1993 - 4 AZR 499/92 - BAGE 74, 41; Däubler/Lorenz TVG 2. Aufl. § 3 Rn. 84; ErfK/Franzen 11. Aufl. § 3 TVG Rn. 23; Kempen/Zachert/Kempen TVG 4. Aufl. § 3 Rn. 42; Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 3 Rn. 67).

44

c) Mit der Beendigung des MTV 2005 am 29. Februar 2008 iSd. § 3 Abs. 3 TVG endete auch die beiderseitige Tarifgebundenheit der Parteien. Die Rechtsnormen des MTV 2005 galten ab dem 1. März 2008 nicht mehr zwingend. Die sich anschließende Nachwirkung endete mit dem Inkrafttreten des Haustarifvertrages am 4. März 2009. Erst dieser stellt eine andere Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 TVG dar.

45

aa) Bei einem Verbandsaustritt schließt sich die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG an das Ende der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 3 TVG an(st. Rspr., vgl. BAG 23. Februar 2005 - 4 AZR 186/04 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 42 = EzA TVG § 3 Verbandsaustritt Nr. 2; 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 56, BAGE 131, 176; Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 3 Rn. 101; ErfK/Franzen aaO Rn. 28; wohl auch Wiedemann/Oetker aaO Rn. 106). Die Nachwirkung dauert so lange, bis die nachwirkenden Tarifnormen durch eine „andere Abmachung“ ersetzt werden.

46

bb) Als eine solche „andere Abmachung“ ist der ab dem 4. März 2009 geltende Haustarifvertrag zwischen der Beklagten und der IG Metall anzusehen. Hiervon gehen auch die Parteien aus.

47

cc) Soweit die Beklagte sich darauf beruft, bereits der am 25. Juli 2005 geschlossene Arbeitsvertrag beinhalte eine solche „andere Abmachung“, ist dies unzutreffend.

48

Zwar ist es grundsätzlich möglich, dass eine derartige Abmachung schon vor dem Eintritt der Nachwirkung vereinbart wird. Maßgeblich ist aber, dass eine Vereinbarung die bevorstehende Nachwirkung eines beendeten Tarifvertrages beseitigen oder deren Eintritt verhindern will (BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 64, BAGE 131, 176; 22. Oktober 2008 - 4 AZR 789/07 - Rn. 29 f., BAGE 128, 175). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses am 25. Juli 2005 galt im Arbeitsverhältnis der Parteien kein Tarifvertrag normativ. Der ab 1. Juli 2006 kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit geltende MTV 2005 wirkte zudem erst seit dem 1. März 2008 nach.

49

2. Der Antrag zu 3) zur Verpflichtung der Beklagten das Arbeitszeitkonto des Klägers auf der Grundlage einer 35-Stunden-Woche zu führen, ist nicht begründet. Eine Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich.

50

Als eine solche kommt allenfalls die Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2005 in Betracht. Diese sieht jedoch ausdrücklich die Führung eines Arbeitszeitkontos für eine Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden vor, nicht dagegen die Führung eines Arbeitszeitkontos für die jeweils verbindliche - sei es vertraglich oder tariflich begründete - Wochenarbeitszeit jedes einzelnen Arbeitnehmers. Daher kann die Zahl „40“ in der Betriebsvereinbarung nicht - unter Weitergeltung der Regelung im Übrigen - für den Kläger einfach in die Zahl „35“ geändert werden. Für eine Arbeitszeit von 35 Wochenstunden gibt es keine Betriebsvereinbarung über die Führung eines Arbeitszeitkontos (vgl. BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 12 f., EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3).

51

3. Der Antrag zu 4) ist gleichfalls unbegründet. Hinsichtlich der begehrten Verurteilung zur Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers besteht keine Anspruchsgrundlage. Eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten folgt nicht aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 25. Juli 2005.

52

a) Nach Nr. 4.3 des Arbeitsvertrages führt nur die über die vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus geleistete Arbeit zum Aufbau eines Zeitguthabens. Vereinbart haben die Parteien eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden, Nr. 4.1 des Arbeitsvertrages. Auch wenn diese Vereinbarung im Hinblick auf eine zu Gunsten des Klägers abweichende Arbeitszeitregelung in einem Tarifvertrag wegen beiderseitiger Tarifgebundenheit ( § 3 Abs. 1 und Abs. 3 TVG ) nach § 4 Abs. 3 TVG keine Wirkung entfaltet, lässt sich aus Nr. 4.3 des Arbeitsvertrages nicht herleiten, dass eine dadurch entstehende Differenz zwischen vertraglicher und tariflicher Wochenarbeitszeit als Mehrarbeit auf dem Arbeitszeitkonto zu verbuchen ist.

53

b) Auch unmittelbar aus § 611 Abs. 1 BGB ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto.

54

aa) Nach § 611 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos haben, wenn dieses nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt. Denn ein Arbeitszeitkonto gibt den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und drückt damit nur in anderer Form seinen Vergütungsanspruch aus ( BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09  - Rn. 13, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 195 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 2). Die Gutschrift von Arbeitsstunden setzt damit voraus, dass die gutzuschreibenden Stunden nicht vergütet wurden oder die dafür geleistete Vergütung vom Arbeitgeber wegen eines Entgeltfortzahlungstatbestands auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung hätte erbracht werden müssen.

55

bb) Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger jedoch nicht vor. Er hat entsprechend Nr. 3.1 und Nr. 4.1 des Arbeitsvertrages vom 25. Juli 2005 im Streitzeitraum Vergütung für 40 Arbeitsstunden wöchentlich erhalten. Hierin sind aber die Stunden, die laut Klageantrag auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers in der Spalte „FLEX“ als Mehrarbeit verbucht werden sollen, enthalten und von der Beklagten damit auch laufend vergütet worden. Ob die dafür geleistete Vergütung den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen der Beklagten entsprach, oder ob sie - etwa wegen der zwingend vorgehenden, geringeren tariflichen Arbeitszeit - zu niedrig vergütet worden sind, ist im Hinblick auf das Arbeitszeitkonto nicht von Bedeutung. Eine zu geringe Vergütung von geleisteten Arbeitsstunden begründet keinen Anspruch, diese Stunden auf einem Arbeitszeitkonto als Mehrarbeit zu verbuchen, sondern lediglich auf die Zahlung der Vergütungsdifferenz (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 17, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3).

56

cc) Da es bereits an einer Anspruchsgrundlage für die begehrte Zeitgutschrift fehlt, kommt es auf einen etwaigen Verfall solcher Ansprüche aufgrund tariflicher Ausschlussfristen nicht an. Den Bedenken gegen die rechtliche Bewertung von Nr. 13.6 des zu diesem Zeitpunkt insoweit rechtlich unbedenklichen Arbeitsvertrages vom 25. Juli 2005 durch das Landesarbeitsgericht war danach nicht nachzugehen.

57

C. Die Kosten sind entsprechend dem Obsiegen und Unterliegen der Parteien zu verteilen (§ 92 Abs. 1 ZPO).

        

    Bepler    

        

    Treber    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    H. Klotz    

        

    Th. Hess    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 27. Februar 2014 - 7 Sa 57/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Einstellung von Stunden in das Überstundenkonto des Klägers.

2

Der Kläger ist seit dem 16. Dezember 1996 bei der Beklagten, einem dem Lufthansa-Konzern angehörenden Dienstleistungsunternehmen, beschäftigt. Er ist seit 2006 Mitglied des Betriebsrats. Seit dem 17. Mai 2010 ist er nach § 38 BetrVG vollständig von der Arbeitsleistung freigestellt.

3

Nach § 5 Abs. 1 des kraft vertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Manteltarifvertrags Nr. 14 für das Bodenpersonal in der Fassung vom 1. Januar 2007 (MTV) beträgt die durchschnittliche Gesamtarbeitszeit während eines Bezugszeitraums von 18 Monaten 37,5 Stunden/Woche. Nach § 5 Abs. 2 MTV kann durch Betriebsvereinbarung geregelt werden, dass am Ende des Bezugszeitraums nicht ausgeglichene Stunden in den folgenden Bezugszeitraum übertragen werden können.

4

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2007 schlossen die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat die „Rahmenbetriebsvereinbarung Flexible Arbeitszeit für das Bodenpersonal der Lufthansa Technik AG in Deutschland“ (RBV). Darin heißt es auszugsweise:

        

Präambel

        

Geschäftsleitung und Gesamtbetriebsrat stimmen darin überein, dass die flexible und effiziente Nutzung der Arbeitszeit entsprechend dem tatsächlichen betrieblichen Kapazitätsbedarf und den Anforderungen seitens des Kunden eine herausragende Bedeutung für die notwendige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Lufthansa Technik und für die zukünftige Sicherung von Beschäftigung hat. …

        

…       

        

§ 1     

Geltungsbereich

        

Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter der Lufthansa Technik AG in der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie unter den Geltungsbereich der anwendbaren Tarifverträge insbesondere des Manteltarifvertrages für das Bodenpersonal (MTV) bzw. des Manteltarifvertrages Neue Bundesländer (MTV NBL) in ihrer jeweils gültigen Fassung fallen.

        

§ 2     

Bezugszeitraum

        

(1)     

Für alle Mitarbeiter gilt - dem Gedanken der ‚Jahresarbeitszeit‘ folgend - grundsätzlich ein erweiterter Bezugszeitraum von 18 Monaten (nach MTV bzw. MTV NBL § 5). Dieser Bezugszeitraum beginnt erstmals mit dem 1. Januar 2007 und endet am 30. Juni 2008, der daran anschließende Bezugszeitraum erstreckt sich vom 1. Juli 2008 bis zum 31.12.2009 und so fort.

        

…       

        
        

§ 3     

Zeiterfassung

        

(1)     

Jeder Mitarbeiter dokumentiert persönlich an dem für ihn vorgesehenen Zeiterfassungsgerät Beginn und Ende seiner Arbeitszeit.

        

(2)     

Die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit des Mitarbeiters wird durch eine Kommt-/Geht Stempelung über das Zeiterfassungssystem erfasst, der täglichen Sollarbeitszeit gegenübergestellt und den jeweils zutreffenden Zeitkonten des Mitarbeiters zugeschrieben bzw. abgezogen.

        

…       

        
        

§ 4     

Flexikonto und Zeitausgleich

        

(1)     

Jeder Mitarbeiter hat ein persönliches Zeitkonto in welchem nur die Plus- und Minuszeiten geführt werden, die aus dem flexiblen Arbeitszeitverhalten auf Basis dieser Betriebsvereinbarung entstehen (Flexikonto). Reisezeiten, Rufbereitschaftszeiten, Überstunden etc. werden auf den dafür eingerichteten weiteren Zeitkonten erfasst (siehe § 6).

                          
        

(2)     

Der Mitarbeiter kann - orientiert an der betrieblichen Einlastungssituation - im Einvernehmen mit seinem betrieblich Verantwortlichen unter Nutzung seines Flexikontos stundenweise, ganz- oder mehrtägig die Arbeit nicht aufnehmen oder die Verlegung der gesamten Arbeitszeit eines oder mehrerer Tage in Anspruch nehmen.

        

…       

        
        

§ 6     

Weitere Zeitkonten

        

(1)     

Für Zeitguthaben aus Überarbeit, Feiertags-/Vorfeiertagsarbeit sowie wg. schichtfreien Wochenfeiertagen (SWF), Rufbereitschaft und Reisezeit soll grundsätzlich und soweit betrieblich möglich während des Bezugszeitraumes, in dem diese Zeitguthaben entstanden sind, ein Freizeitausgleich gewährt werden.

        

…       

        
        

(3)     

Zusätzlich zu den Zeitkonten gem. Abs. (1-2) wird ein Differenzstundenkonto geführt, das insbesondere als Ausgleichskonto für das Verfahren nach § 7 genutzt wird. …

        

…       

        
        

§ 7     

Verfahren am Ende des Bezugszeitraumes

        

(1)     

Das Flexikonto kann am Ende des Bezugszeitraumes einen Saldo von bis zu +75 Stunden bzw. bis zu -75 Stunden aufweisen.

        

(2)     

Am Ende des Bezugszeitraumes erfolgt die Saldierung von Zeitguthaben der weiteren Zeitkonten (§ 6) gegen einen ggf. auf dem Flexikonto vorhandenen Minussaldo sowie nachrangig gegen einen ggf. auf dem Differenzstundenkonto bestehenden Minussaldo in folgender Reihenfolge: ...

        

(3)     

Am Ende des Bezugszeitraumes bestehende Plusstunden des Flexikontos oberhalb von +75 Stunden sind Überarbeit; sie werden faktoriert als Arbeitszeit dem Überstundenkonto gutgeschrieben und in den folgenden Bezugszeitraum vorgetragen. Zeitsalden zwischen 0 und +75 Stunden werden auf das Differenzstundenkonto übertragen.

        

…       

        
        

§ 8     

Flexible Arbeitszeit für Mitarbeiter ohne Dienst-/Schichtpläne

        

(1)     

Jeder Mitarbeiter kann grundsätzlich den Beginn und das Ende seiner täglichen Arbeitszeit innerhalb der Spanne von 06:00 bis 20:00 Uhr im Rahmen der betrieblichen Erfordernisse und seiner persönlichen Belange selbst bestimmen.

        

…“    

        
5

Für die Höhe der „Faktorierung“ verweist § 7 Abs. 3 RBV mit einer Fußnote auf den in § 9 Abs. 2a MTV im ersten Satz genannten Wert. Dieser beträgt 1,25.

6

Die Beklagte behandelte das Arbeitszeitkonto des Klägers vor seiner Freistellung im Bezugszeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2009 nach § 7 Abs. 3 RBV. Im anschließenden Bezugszeitraum wurden im Rahmen der elektronischen Zeiterfassung des Klägers in der Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum Beginn seiner Freistellung am 17. Mai 2010 53,76 Plusstunden aufgezeichnet. Zum Ende dieses Bezugszeitraums am 30. Juni 2011 buchte die Beklagte den gesamten Bestand des Flexikontos des Klägers von +296,54 Stunden in Blöcken von +75 Stunden und +221,54 Stunden dessen Differenzstundenkonto zu. Eine „Faktorierung“ der 221,54 Plusstunden und deren Buchung auf das Überstundenkonto erfolgte nicht.

7

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte sei verpflichtet, sein auf dem Flexikonto bestehendes Guthaben von mehr als 75 Stunden am 30. Juni 2011 mit 1,25 zu „faktorieren“ und die so errechneten Stunden dem Überstundenkonto gutzuschreiben. Die RBV sei auch auf Betriebsratsmitglieder anzuwenden. Da er stets innerhalb des Gleitzeitrahmens von 6:00 Uhr bis 20:00 Uhr anwesend gewesen sei, habe er in der Zeit seiner Freistellung Betriebsratstätigkeit innerhalb der Arbeitszeit durchgeführt. Es sei keine „Betriebsratsmehrarbeit“ iSv. § 37 Abs. 3 BetrVG angefallen. Er sei nicht wesentlich freier im Aufbau von Plusstunden als andere Mitarbeiter der Beklagten. Da die RBV weder Kontrollinstrumente oder Gegenmaßnahmen des Arbeitgebers vorsehe noch die Mitarbeiter zum Abbau von Plusstunden verpflichte, diene ihre Anwendung auf ihn als freigestelltes Betriebsratsmitglied der Gleichbehandlung und nicht seiner Begünstigung. Das Verlangen der Beklagten nach einer Dokumentation der von ihm geleisteten Betriebsratstätigkeit sei treuwidrig. Er habe aufgrund des Verhaltens der Beklagten keinen Anlass gehabt, die von ihm geleistete Betriebsratsarbeit zu dokumentieren.

8

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, auf dem für ihn geführten Mehrarbeitszeitkonto (MAZ-Konto) zum Stichtag 30. Juni 2011 276,93 Stunden einzustellen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Anspruch könne nicht auf § 7 Abs. 3 RBV gestützt werden. Seit der vollständigen Freistellung des Klägers finde diese Regelung auf ihn keine Anwendung, da die Betriebsratstätigkeit nicht mit der beruflichen Tätigkeit gleichzusetzen sei. Da der Kläger die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG nicht vorgetragen habe, bestehe der geltend gemachte Anspruch nicht. Es sei nicht dargelegt, dass der Kläger Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb seiner Arbeitszeit habe durchführen müssen. Die Vergütung der aufgewendeten Zeit „wie Mehrarbeit“ erfordere gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG zudem eine auf betriebsbedingten Gründen beruhende Unmöglichkeit der Gewährung von Arbeitsbefreiung. Dem Kläger sei es möglich gewesen, die auf dem Flexikonto aufgelaufenen Plusstunden innerhalb des Bezugszeitraums auszugleichen. Nur wenn aus betrieblichen Gründen ein Ausgleich nicht möglich sei, habe ab der Grenze von +75 Stunden eine „Faktorierung“ mit dem Faktor 1,25 zu erfolgen. Bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern liege die Verantwortung für den Abbau von Plusstunden bei diesen selbst, da die Arbeitszeit nicht durch einen Vorgesetzten gesteuert werde. Für die Zeit ab dem 1. Dezember 2009 hätten sich die Betriebsparteien auf die gemeinsame Rechtsauffassung verständigt, dass von Betriebsratsmitgliedern für Betriebsratstätigkeiten erfasste Zeiten, die über ihre jeweilige Arbeitszeit hinausgehen, nicht gemäß § 7 Abs. 3 RBV zu „faktorieren“ seien. Der Kläger würde aufgrund seines Amtes unzulässig begünstigt, wenn er nach freiem Belieben Plusstunden aufbauen könnte, obwohl hierfür keine gesetzliche Grundlage bestehe.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 259,55 Stunden stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten insgesamt abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

12

I. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Revision zulässig. Die Revisionsbegründung genügt den gesetzlichen Anforderungen. Sie setzt sich mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung hinreichend auseinander.

13

1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO). Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts in einer Weise verdeutlichen, die Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennen lässt. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Revisionsführer muss darlegen, warum er die Begründung des Berufungsgerichts für unrichtig hält (vgl. etwa BAG 28. September 2016 - 7 AZR 377/14 - Rn. 11; 9. Dezember 2014 - 1 AZR 146/13 - Rn. 15). Hierzu genügt weder die bloße Wiedergabe des bisherigen Vorbringens (BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 482/12 - Rn. 20) noch eine bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils (BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 346/10 - Rn. 10).

14

2. Diesen Erfordernissen wird die Revisionsbegründung gerecht.

15

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein Anspruch auf die begehrte Gutschrift nach § 7 Abs. 3 RBV könne sich nur unter Berücksichtigung der Vorgaben von § 37 Abs. 3 BetrVG ergeben. Es müssten zunächst die Voraussetzungen dieser zwingenden Vorschrift vorliegen. Das sei nicht der Fall. Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich nicht bei jeglicher Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben innerhalb des Gleitzeitrahmens um Betriebsratstätigkeit innerhalb der Arbeitszeit. Ergebe sich am Ende des Bezugszeitraums ein Stundenguthaben, stehe vielmehr fest, dass der Kläger seine individuelle Arbeitszeit überschritten habe. Der Kläger habe weder vorgetragen, dass die Plusstunden für erforderliche Betriebsratstätigkeit aufgewendet wurden und außerhalb seiner Arbeitszeit aus betriebsbedingten Gründen angefallen seien, noch habe er dargetan, dass ein Abbau dieser Plusstunden bis zum Ende des Bezugszeitraums aus betrieblichen Gründen nicht möglich war. Dadurch werde der Kläger nicht unzulässig benachteiligt. Das Verlangen der Beklagten, die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG darzulegen, sei nicht treuwidrig.

16

b) Dagegen wendet sich der Kläger in seiner Revisionsbegründung im Wesentlichen mit dem Argument, das Landesarbeitsgericht habe die nach der Rechtsprechung und gemäß § 78 Satz 2, § 37 Abs. 3 BetrVG vorgegebene Prüfungsreihenfolge verkannt. Er rügt, die Beurteilung, ob er überhaupt Betriebsratstätigkeit außerhalb seiner Arbeitszeit iSv. § 37 Abs. 3 BetrVG erbracht habe, sei nicht nur nach seiner individuell geschuldeten Arbeitszeit, sondern wegen § 78 Satz 2 BetrVG nach der für alle Arbeitnehmer geltenden RBV vorzunehmen. Er sei deshalb nicht verpflichtet, unabhängig von den Regelungen der RBV die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG darzulegen. Arbeitszeit, die er im Einklang mit den Vorgaben der RBV im Gleitzeitrahmen erfasst habe, liege nicht außerhalb der „Arbeitszeit“ iSv. § 37 Abs. 3 BetrVG. Träfe diese Rüge zu, wäre sie geeignet, die angefochtene Entscheidung insgesamt in Frage zu stellen.

17

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den in der Berufung noch anhängigen Antrag des Klägers, die Beklagte zur Einstellung von 259,55 Stunden auf das Mehrarbeitszeitkonto zu verurteilen, zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.

18

1. Die Klage ist zulässig.

19

a) Der Klageantrag ist angesichts dessen, dass die Beklagte das am 30. Juni 2011 bestehende Zeitguthaben des Klägers von mehr als 75 Plusstunden (221,54 Stunden) ohne „Faktorierung“ nach § 7 Abs. 3 RBV auf das Differenzstundenkonto gebucht hat und der Kläger die Zeitgutschrift - wie er in der Verhandlung gegenüber dem Senat bestätigt hat - nicht doppelt begehrt, dahin auszulegen, dass er die geltend gemachte Gutschrift auf dem Mehrarbeitszeitkonto unter Umbuchung der in das Differenzstundenkonto eingestellten Stunden verlangt. Hierbei handelt es sich - nach Abzug der vom Arbeitsgericht rechtskräftig abgewiesenen 13,9 Stunden - um 207,64 Stunden.

20

b) Der so verstandene Antrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

21

aa) Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“ bzw. in ein Arbeitszeitkonto Stunden „einzustellen“, ist hinreichend bestimmt, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können und das Leistungsbegehren konkretisiert, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll (vgl. BAG 29. Juni 2016 - 5 AZR 617/15 - Rn. 14 mwN).

22

bb) Die Beklagte führt für den Kläger das Überstunden- bzw. Mehrarbeitszeitkonto, auf dem die begehrte Gutschrift noch erfolgen kann. Im Antrag kommt auch zum Ausdruck, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll, nämlich zum Stichtag 30. Juni 2011.

23

2. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, auf dem für den Kläger geführten Mehrarbeitszeitkonto zum Stichtag 30. Juni 2011 unter Umbuchung von 207,64 auf dem Differenzstundenkonto befindlichen Stunden 259,55 Stunden einzustellen.

24

a) Der Kläger kann sein Verlangen nicht auf § 7 Abs. 3 RBV stützen.

25

aa) Die RBV findet nach ihrem § 1 zwar grundsätzlich auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung. Danach gilt die RBV für alle Mitarbeiter der Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie unter den Geltungsbereich der anwendbaren Tarifverträge, insbesondere des Manteltarifvertrags für das Bodenpersonal, fallen. Das ist nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien beim Kläger der Fall.

26

bb) Das in § 7 Abs. 3 RBV geregelte Verfahren zur Gutschrift und „Faktorierung“ von auf dem Flexikonto zum Ende des Bezugszeitraums aufgelaufenen Plusstunden ist jedoch auf erfasste Zeitguthaben freigestellter Betriebsratsmitglieder nicht anwendbar. Das in § 7 Abs. 3 RBV geregelte Verfahren setzt ein Zeitguthaben voraus, dem die Erbringung von vergütungspflichtiger Arbeit zugrunde liegt. Freigestellte Betriebsratsmitglieder leisten keine vergütungspflichtige Arbeit, sondern üben ehrenamtliche Tätigkeit aus.

27

(1) § 7 Abs. 3 RBV sieht vor, dass „am Ende des Bezugszeitraums bestehende Plusstunden des Flexikontos oberhalb von +75 Stunden … Überarbeit“ sind und mit dem Faktor 1,25 faktoriert „als Arbeitszeit“ dem Überstundenkonto gutgeschrieben und in den folgenden Bezugszeitraum vorgetragen werden. Die Vorschrift regelt daher das Verfahren für Zeitguthaben, die sich aus der Erbringung vergütungspflichtiger Arbeit ergeben. Für dieses Verständnis spricht auch, dass die RBV in ihrer Präambel und an anderer Stelle mehrfach den Begriff der „Arbeit“ bzw. „Arbeitszeit“ erwähnt. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 RBV regelt die Dokumentation von Beginn und Ende der „Arbeitszeit“ bzw. der „täglich erbrachten Arbeit“, § 4 Abs. 2 RBV ermöglicht dem Mitarbeiter, unter Nutzung seines Flexikontos „die Arbeit nicht aufzunehmen“ oder die „Verlegung der gesamten Arbeitszeit“ eines oder mehrerer Tage in Anspruch zu nehmen. § 6 RBV regelt ua. weitere Zeitkonten für Zeitguthaben aus „Überarbeit“ und „Feiertags-/Vorfeiertagsarbeit“.

28

(2) Freigestellte Betriebsratsmitglieder erbringen im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Betriebsratstätigkeit keine vergütungspflichtige Arbeitsleistung. Von diesen erfasste Anwesenheitszeiten betreffen ausschließlich Betriebsratstätigkeit. Anwesenheitszeiten freigestellter Betriebsratsmitglieder, die über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinausgehen, stellen daher weder „Überarbeit“ iSv. § 7 Abs. 3 RBV dar noch können sie „als Arbeitszeit“ gutgeschrieben werden. Deshalb ist das in § 7 Abs. 3 RBV geregelte Verfahren auf erfasste Zeitguthaben freigestellter Betriebsratsmitglieder nicht anzuwenden.

29

(a) Nach § 37 Abs. 1 BetrVG führen die Mitglieder des Betriebsrats ihr Amt als Ehrenamt. Mitglieder des Betriebsrats sind nach § 37 Abs. 2 BetrVG von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Nach § 38 Abs. 1 BetrVG sind im dort genannten Umfang Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen. Die generelle Freistellung von der beruflichen Tätigkeit gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG hat denselben Zweck wie die zeitweilige Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG. Beide Freistellungen sollen ausschließlich die sachgerechte Wahrnehmung der dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben sicherstellen (BAG 10. Juli 2013 - 7 ABR 22/12 - Rn. 19; 19. Mai 1983 - 6 AZR 290/81 - zu 2 der Gründe, BAGE 42, 405).

30

(b) Für die Dauer der Freistellung besteht daher keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung. An die Stelle der Arbeitspflicht tritt die Verpflichtung des Betriebsratsmitglieds, während seiner arbeitsvertraglichen Arbeitszeit im Betrieb am Sitz des Betriebsrats, dem er angehört, anwesend zu sein und sich dort für anfallende Betriebsratsarbeit bereitzuhalten. Das ist die gesetzliche Rechtsfolge der Freistellung (BAG 10. Juli 2013 - 7 ABR 22/12 - Rn. 20 mwN). Soweit ein Betriebsratsmitglied nicht in diesem Sinne im Umfang seiner Arbeitszeit Betriebsratstätigkeit erbringt, kann dies zu Abzügen vom Arbeitsentgelt führen, weil eine Freistellung nicht für Betriebsratstätigkeit genutzt wurde und deshalb der Anspruch auf Arbeitsentgelt ohne berufliche Arbeitsleistung entfällt (vgl. BAG 19. Mai 1983 - 6 AZR 290/81 - BAGE 42, 405). Daher haben auch freigestellte Betriebsratsmitglieder ein Interesse daran, ihre Anwesenheit im Betrieb zu dokumentieren, weshalb der Arbeitgeber verpflichtet ist, auch diesen die Teilnahme an dem in einer Betriebsvereinbarung geregelten Arbeitszeiterfassungssystem zu ermöglichen (BAG 10. Juli 2013 - 7 ABR 22/12 - Rn. 16). Der Anspruch auf Teilnahme an der Zeiterfassung hat jedoch nicht zur Folge, dass die Erbringung von Betriebsratstätigkeit eine vergütungspflichtige Arbeitsleistung darstellt.

31

(3) Ein Verständnis von § 7 Abs. 3 RBV dahingehend, dass das darin geregelte Verfahren auch auf Zeitguthaben anwendbar ist, die sich aus der Erfassung der Anwesenheitszeiten freigestellter Betriebsratsmitglieder ergeben, wäre zudem nicht gesetzeskonform. Damit würden die zwingenden Vorgaben von § 37 Abs. 3 BetrVG umgangen.

32

(a) Nimmt ein freigestelltes Betriebsratsmitglied an der Erfassung seiner Anwesenheitszeit im Rahmen eines Gleitzeitsystems teil, kann es eine etwaige Überschreitung der persönlichen Arbeitszeit dann, wenn die Betriebsratstätigkeit innerhalb des Gleitzeitrahmens erbracht wird, grundsätzlich im Rahmen des vorgegebenen Zeitrahmens ausgleichen, ohne dass es einer besonderen Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs bedarf (Fitting 28. Aufl. § 37 Rn. 92a). Bei einem derartigen regelmäßigen Ausgleich von kurzfristiger Über- und Unterschreitung der persönlichen Arbeitszeit im Rahmen einer solchen der Arbeitszeitflexibilisierung dienenden Vereinbarung steht nämlich zunächst (für den dem Zeitausgleich zur Verfügung stehenden Zeitraum) nicht fest, ob die Betriebsratstätigkeit außerhalb der persönlichen Arbeitszeit iSv. § 37 Abs. 3 BetrVG lag. Ist der Zeitausgleich am Ende eines Ausgleichszeitraums nicht vollständig erfolgt und zu diesem Zeitpunkt ein positiver Stundensaldo aufgelaufen, steht aber fest, dass das Betriebsratsmitglied durch die Erbringung von Betriebsratstätigkeit seine vertraglich geschuldete Arbeitszeit im Bezugszeitraum überschritten hat. Im Fall des vollständig von der Arbeitsleistung freigestellten Betriebsratsmitglieds kann ein dann bestehender positiver Saldo nämlich nur auf Betriebsratstätigkeit basieren. Dann ist die Betriebsratstätigkeit insoweit als „außerhalb der Arbeitszeit“ iSv. § 37 Abs. 3 BetrVG erbracht anzusehen(vgl. Fitting 28. Aufl. § 37 Rn. 92a).

33

(b) Der Ausgleich für außerhalb der Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit ist in § 37 Abs. 3 BetrVG geregelt. Diese Vorschrift ist als wesentlicher Teil des gesetzlich geregelten Ehrenamtsprinzips und der Konzeption der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern in § 37 BetrVG zwingend und kann weder durch Tarifvertrag noch durch Betriebsvereinbarung abgeändert werden, Regelungen zur Durchführung der Vorschrift müssen sich in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des § 37 BetrVG halten(vgl. zu § 37 Abs. 2 BetrVG BAG 13. Juli 1994 - 7 AZR 477/93 - zu 2 der Gründe, BAGE 77, 195; Fitting 28. Aufl. § 37 Rn. 4; ErfK/Koch 16. Aufl. § 37 BetrVG Rn. 1; Weber GK-BetrVG 10. Aufl. § 37 Rn. 8, 77). § 37 Abs. 3 BetrVG sieht einen Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts als Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, nur dann vor, wenn die Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit erbracht wurde. Eine Vergütung der außerhalb der Arbeitszeit aufgewendeten Zeit wie Mehrarbeit setzt zudem nach § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG voraus, dass Arbeitsbefreiung aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich war.

34

(c) Diese Beschränkungen enthält § 7 Abs. 3 RBV nicht. Die Anwendung der Regelung auf Zeitguthaben freigestellter Betriebsratsmitglieder hätte vielmehr zur Folge, dass aus der Erbringung von Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit Freizeitausgleichsansprüche und mit der zusätzlichen „Faktorierung“ ggf. auch zusätzliche Vergütungsansprüche resultierten, ohne dass dies an die zwingenden weiteren Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG gebunden wäre.

35

cc) Danach kann der Kläger seinen Anspruch nicht auf § 7 Abs. 3 RBV stützen. Das am Ende des Bezugszeitraums am 30. Juni 2011 auf seinem Flexikonto bestehende Zeitguthaben von mehr als 75 Plusstunden, dessen „Faktorierung“ und Gutschrift der Kläger geltend macht, stammt ausschließlich aus der Erbringung von Betriebsratstätigkeit im Rahmen der Freistellung gemäß § 38 BetrVG, die am 17. Mai 2010 begann. Das vor der Freistellung im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 16. Mai 2010 aufgelaufene Stundenguthaben belief sich auf 53,76 Stunden und kann nach § 7 Abs. 3 RBV den geltend gemachten Anspruch schon deshalb nicht begründen, weil es 75 Plusstunden nicht übersteigt. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass das Stundenguthaben von mehr als 75 Plusstunden aus Betriebsratstätigkeit resultiert, die der Kläger „außerhalb seiner Arbeitszeit“ iSv. § 37 Abs. 3 BetrVG erbracht hat. Die persönliche Arbeitszeit des Klägers beträgt nach § 5 Abs. 1 MTV im Durchschnitt 37,5 Stunden pro Woche. Da das Flexikonto des Klägers am Ende des Bezugszeitraums Plusstunden auswies, steht fest, dass er die geschuldete individuelle Arbeitszeit von durchschnittlich 37,5 Stunden im Bezugszeitraum überschritten hat. Damit liegt diesen Plusstunden Betriebsratstätigkeit zugrunde, die „außerhalb der Arbeitszeit“ erbracht wurde. Dies ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Anwesenheitszeiten des Klägers insgesamt innerhalb des Gleitzeitrahmens von 6:00 Uhr bis 20:00 Uhr lagen. Soweit diese Zeiten seine vertraglich geschuldete Arbeitszeit übersteigen, handelt es sich um Betriebsratstätigkeit „außerhalb der Arbeitszeit“ iSv. § 37 Abs. 3 BetrVG. Der Kläger selbst verlangt gerade die Anerkennung dieser Plusstunden als zu „faktorierende“ „Überarbeit“ und deren Gutschrift auf dem „Überstundenkonto“ iSv. § 7 Abs. 3 RBV.

36

b) Der Kläger kann seinen Anspruch auf die begehrte Gutschrift auf dem Überstundenkonto nicht auf § 37 Abs. 3 BetrVG stützen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger nicht dargelegt hat, dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind.

37

aa) Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Nach § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BetrVG ist die Arbeitsbefreiung vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist nach § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten. Mitglieder des Betriebsrats erhalten danach weder eine Amtsvergütung noch ist die Betriebsratstätigkeit eine zu vergütende Arbeitsleistung. Vielmehr gilt das Lohnausfallprinzip. Dieses wird durch § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht durchbrochen. Der dort geregelte Freizeitausgleich für die außerhalb der Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit betrifft lediglich die Folgen einer aus betriebsbedingten Gründen notwendigen Abweichung von dem Grundsatz, dass Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit stattzufinden hat (BAG 28. Mai 2014 - 7 AZR 404/12 - Rn. 20; 5. Mai 2010 - 7 AZR 728/08 - Rn. 29 mwN, BAGE 134, 233). Es handelt sich im Ergebnis um ein zeitlich verschobenes Arbeitsentgelt für eine sonst in der persönlichen Arbeitszeit anfallende Betriebsratstätigkeit, die nur infolge eines dem Arbeitgeber zuzurechnenden Umstands in die Freizeit verlagert worden ist. Soweit § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG ausnahmsweise eine Vergütung der aufgewendeten Zeit wie Mehrarbeit vorsieht, ist damit weder ein anderes gesetzliches Regelungskonzept noch die Aufgabe des Lohnausfallprinzips verbunden. Der in § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG vorgesehene Vergütungsanspruch ist lediglich eine Kompensation dafür, dass der in § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG vorgesehene, gerade nicht auf eine zusätzliche Vergütung gerichtete Freizeitausgleich aus Gründen, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, zeitnah nicht möglich ist. Ein von dem Grundsatz des unentgeltlichen Ehrenamts abweichender gesetzlicher Regelungsplan, dass Freizeitopfer durch die Zahlung einer angemessenen Vergütung auszugleichen wären, liegt darin nicht (BAG 5. Mai 2010 - 7 AZR 728/08 - Rn. 29, aaO).

38

bb) Das bedeutet im Streitfall, dass der Anspruch des Klägers auf Gutschrift des am Ende des Bezugszeitraums bestehenden Stundenguthabens von mehr als 75 Stunden, der aus außerhalb der Arbeitszeit erbrachter Betriebsratstätigkeit resultiert, neben der Erforderlichkeit der Betriebsratstätigkeit voraussetzt, dass diese aus betriebsbedingten Gründen nicht in der zur Verfügung stehenden individuellen Arbeitszeit erbracht werden konnte. Soweit der Kläger zudem die „Faktorierung“ dieses Stundenguthabens mit dem in § 7 Abs. 3 RBV geregelten Faktor 1,25 begehrt, macht er die vergütungsmäßige Behandlung der aufgewendeten Zeit „wie Mehrarbeit“ iSv. § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG geltend. Bei der Bemessung der Höhe der zu vergütenden Mehrarbeit ist zwar gemäß § 78 Satz 2 BetrVG die Regelung des § 7 Abs. 3 RBV zu berücksichtigen. Allerdings kommt eine solche Vergütung der außerhalb der Arbeitszeit aufgewendeten Zeit für die Erledigung erforderlicher Betriebsratstätigkeit nur in Betracht, soweit die Gewährung eines entsprechenden Freizeitausgleichs aus betriebsbedingten Gründen unmöglich ist.

39

cc) Danach hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG erfüllt sind. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, der Kläger habe weder dargetan, dass die Plusstunden für erforderliche Betriebsratstätigkeit aufgewandt wurden und aus betriebsbedingten Gründen angefallen sind, noch dass ein Abbau des Stundenguthabens bis zum Ende des Bezugszeitraums aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich gewesen ist. Der Kläger, der mit seiner Revision nur geltend macht, die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG müssten für den Erfolg seiner Klage nicht erfüllt sein, hat diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts mit seiner Revision nicht angegriffen.

40

c) Die Beklagte verhält sich nicht treuwidrig iSv. § 242 BGB, indem sie die Gewährung der begehrten Gutschrift von der Darlegung der Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG durch den Kläger abhängig macht.

41

aa) Eine Rechtsausübung kann gemäß § 242 BGB unzulässig sein, wenn sich eine Partei damit in Widerspruch zu ihrem eigenen vorausgegangenen Verhalten setzt und für die andere Partei ein schützenswerter Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn sonstige besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen(BAG 9. Juni 2016 - 6 AZR 396/15 - Rn. 37 mwN).

42

bb) Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger damit rechnen musste, Einzelheiten seiner Betriebsratstätigkeit und deren Erforderlichkeit darlegen zu müssen. Der Kläger hat jedenfalls nicht behauptet, dass die Beklagte ihm in irgendeiner Weise zu erkennen gegeben habe, auf Darlegungen dazu verzichten zu wollen, dass die Betriebsratstätigkeiten aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit geleistet wurden und dass die Inanspruchnahme von Freizeitausgleich aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich war. Die Beklagte fordert nur die Darlegung der gesetzlichen Voraussetzungen für den mit der Klage geltend gemachten Anspruch. Soweit der Kläger sich darauf berufen hat, dass die Beklagte sein Arbeitszeitkonto vor seiner Freistellung im Bezugszeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2009 nach § 7 Abs. 3 RBV behandelt hat, folgt daraus nichts anderes. In diesem Zeitraum war der Kläger nicht freigestellt, weshalb den erfassten Zeiten nicht ausschließlich Betriebsratstätigkeit zugrunde lag. Aufgrund der „Faktorierung“ der in diesem Zeitraum aufgelaufenen Plusstunden konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass die Beklagte auf die Darlegung der Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG auch im Rahmen seiner Freistellung verzichten werde.

43

d) Die Nichtgewährung der begehrten Stundengutschrift verstößt nicht gegen das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG.

44

aa) Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Diese Regelung ergänzt § 37 Abs. 1 BetrVG, wonach die Mitglieder des Betriebsrats ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt führen. Das Ehrenamtsprinzip wahrt die innere und äußere Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder (vgl. BAG 18. Mai 2016 - 7 AZR 401/14 - Rn. 21 mwN). Eine Benachteiligung iSv. § 78 Satz 2 BetrVG ist jede Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht. Eine Benachteiligungsabsicht ist nicht erforderlich. Es genügt die objektive Schlechterstellung gegenüber Nichtbetriebsratsmitgliedern (vgl. BAG 20. Januar 2010 - 7 ABR 68/08 - Rn. 11 mwN).

45

bb) Die Beklagte hat den Kläger nicht unzulässig gegenüber Arbeitnehmern ohne Betriebsratsmandat benachteiligt. Zwar hat sie dem Kläger als freigestelltem Betriebsratsmitglied anders als diesen die begehrte „faktorierte“ Gutschrift auf dem Überstundenkonto nicht gewährt. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch dadurch bedingt, dass dem über 75 Plusstunden hinausgehenden Stundenguthaben des Klägers keine vergütungspflichtige Arbeitsleistung, sondern die Erbringung ehrenamtlicher Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit zugrunde lag. Diese Ungleichbehandlung war durch die zwingenden Vorgaben des § 37 Abs. 3 BetrVG geboten. Ungleichbehandlungen, die von der Rechtsordnung gedeckt sind, untersagt § 78 Satz 2 BetrVG nicht(vgl. Kreutz GK-BetrVG 10. Aufl. § 78 Rn. 48, 60).

46

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Gräfl    

        

    M. Rennpferdt     

        

    Waskow     

        

        

        

    R. Gmoser    

        

    Willms     

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 10. September 2015 - 7 Sa 24/15 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt für den 24. und 31. Dezember 2013 Zeitgutschriften auf seinem Arbeitszeitkonto.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Flugzeugindustrie, seit 1988 als Konstruktionsingenieur im Betrieb Hamburg mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Er ist Mitglied der IG Metall. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Metallindustrie in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern Anwendung (MTV), der ua. regelt:

        

§ 3   

        

Arbeitszeit

        

1.    

Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit

        

1.1     

Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt

                 

a.    

für Hamburg und Umgebung sowie Schleswig-Holstein 35 Stunden

                 

…       

        
        

…       

                 
        

4.    

Verteilung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit

        

4.1     

Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kann gleichmäßig oder ungleichmäßig auf die fünf Werktage Montag bis Freitag durch Betriebsvereinbarung verteilt werden.

        

…       

        
        

5.    

Regelmäßige tägliche Arbeitszeit

                 

Die Arbeitszeit an den einzelnen Werktagen sowie Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen werden gemäß § 87 BetrVG durch Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse unter Beachtung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften festgesetzt.

        

…       

        
        

9.    

Arbeitszeit am 24. und 31. Dezember

                 

Am 24. und am 31. Dezember soll nicht länger als bis 13.00 Uhr und darf nicht länger als sechs Stunden gearbeitet werden.

                 

Die an diesen Tagen über eine geleistete Arbeitszeit von sechs Stunden hinausgehende und dadurch ausfallende individuelle regelmäßige Arbeitszeit muss bezahlt werden. Es erfolgt kein Entgeltabzug.

                 

Für Beschäftigte in Schichtarbeit gilt die gleiche Regelung.“

3

Die Beklagte führt für den Kläger ein Arbeitszeitkonto auf Grundlage der Betriebsvereinbarung „Arbeitszeitregelungen am Standort Hamburg“ vom 31. Mai 2000 (im Folgenden BV Arbeitszeit). Darin heißt es auszugsweise:

        

§ 2 Arbeitszeit

        

2.1     

Die regelmäßige tägliche Sollarbeitszeit beträgt ein Fünftel der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit.

        

2.2     

Eine tägliche Kernarbeitszeit ist nicht festgelegt. Die Verfügbarkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Organisationseinheiten muss jedoch durch entsprechende Absprachen mit dem Vorgesetzten bzw. in der Gruppe gewährleistet sein.

        

2.3     

Beginn und Ende der Arbeitszeit, Pausenzeiten, Normalarbeitszeit sowie Rahmenarbeitszeit werden, sofern unter diesem Paragraphen dieser Betriebsvereinbarung nichts anderes geregelt ist, in den Anlagen (Arbeitszeit- bzw. Sonder-Arbeitszeitmodelle) als Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung festgelegt.

        

2.4     

Zum Ausgleich unterschiedlicher betrieblicher Auslastungen und Anforderungen werden Arbeitszeitmodelle vereinbart. Die einzelnen Modelle sind in den Anlagen A1, … der Betriebsvereinbarung näher beschrieben.

        

2.5     

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit im Rahmen der Arbeitszeitmodelle und der Schichtmodelle unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange selbst bestimmen. In Einzelfällen kann zwischen Personalabteilung und Betriebsrat eine individuelle Arbeitszeit festgelegt werden.

        

2.6     

Es wird ein Zeitraum von plus 100 Stunden (Zeitguthaben) und minus 35 Stunden (Zeitschuld) festgelegt. Dieser Zeitrahmen kann zwischen den Betriebsparteien einvernehmlich in besonderen Fällen befristet erweitert werden.

        

…       

        
        

2.9     

Die Zeitentnahme aus dem Zeitkonto ist stundenweise, in Einzeltagen oder in Blöcken von Tagen möglich. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Vorgesetzten und der Betriebsrat werden über die Kontenstände und die Kontenentwicklung monatlich informiert.

        

2.10   

Auf- und Abbau der Konten berücksichtigen neben den betrieblichen Erfordernissen auch individuelle Zeitwünsche der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter/Gruppe. Es ist sicherzustellen, dass durch die Zeitentnahmen auf Wunsch der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter/Gruppe die betrieblichen Abläufe nicht wesentlich eingeschränkt werden.

        

…       

        
        

2.17   

Die in den Arbeitszeitmodellen festgelegte Normalarbeitszeit dient als Grundlage zur Ermittlung von bezahlten und unbezahlten Fehlzeiten.

        

…       

        

§ 4 Arbeitszeitmodelle

        

4.    

Vereinbart werden folgende Arbeitszeitmodelle

                 

• Normalbetrieb

Anlage A 1

                 

…“    

        
4

Für den Kläger gilt das nachfolgende in der Anlage A1 zur BV Arbeitszeit geregelte Arbeitszeitmodell (im Folgenden Arbeitszeitmodell A1):

        

Arbeitszeitmodell - A 1 - Normalbetrieb

                 
        

Arbeitszeitmodell - Normalbetrieb

        

Betriebszeit

Montag bis Freitag

        

Kernzeit

Dieses Arbeitszeitmodell hat keine Kernzeit.

        

Normalarbeitszeit

07.15 Uhr - 15.00 Uhr

        

Rahmenarbeitszeit *

06.30 Uhr - 19.45 Uhr

        

Sollarbeitszeit

7,0 Stunden pro Tag.

        

Pausen

45 Minuten unbezahlt

        

Wird eine abweichende Rahmenarbeitszeit aus betrieblichen Gründen in einzelnen Bereichen benötigt, so muss diese entsprechend über die Personalabteilung beantragt und mit dem Betriebsrat vereinbart werden.

        

…“    

5

Die zwischen der Beklagten und dem am Standort Hamburg gebildeten Betriebsrat geschlossene „Betriebsvereinbarung Betriebsruhe im Kalenderjahr 2012“ regelte ua.:

        

3.    

Betriebsruhe

        

 3.1   

Betriebsruhetage, Zeitausgleich

                 

Es wird vereinbart, dass der Betrieb an folgenden Tagen ruht:

                 

Samstag1),

07.04.2012

                 

Montag,

30.04.2012

                 

Freitag,

18.05.2012 bis Samstag1), 19.05.2012

                 

Montag,

24.12.2012 bis Montag, 31.12.2012

                 

Die an den Betriebsruhetagen ausfallende Arbeitszeit ergibt sich aus der individuellen arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Am 24.12. (Heiligabend) und am 31.12. (Silvester) beträgt die Ausfallzeit jedoch nur 5,5 Stunden pro Arbeitstag, soweit im Arbeitsvertrag keine kürzere Arbeitszeit festgelegt ist.

                 

Der Zeitausgleich für die oben genannten Tage der Betriebsruhe kann durch Tarifurlaub oder durch Entnahme von Zeitguthaben aus dem Arbeitszeitkonto erfolgen.

                 

…“    

6

Entsprechende Betriebsvereinbarungen hatten die Betriebsparteien bereits für die Jahre 2001 bis 2011 geschlossen. Im Jahr 2013 kam es nicht zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Betriebsruhe für den 24. und 31. Dezember.

7

Der Kläger nahm am 24. und 31. Dezember 2013 bezahlten Freizeitausgleich in Anspruch. Die Beklagte brachte im Arbeitszeitkonto des Klägers für diese Tage eine Soll-Arbeitszeit von jeweils sechs Stunden in Ansatz, indem sie entsprechende Minusbeträge in der für den Kläger geführten Zeitnachweisliste Dezember 2013 auswies.

8

Mit der am 22. September 2014 eingereichten Klage verlangt der Kläger, nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung, die Gutschrift von jeweils 0,5 Zeitstunden für den 24. und den 31. Dezember 2013 auf seinem Arbeitszeitkonto. Er hat geltend gemacht, die Soll-Arbeitszeit habe an diesen Tagen lediglich 5,5 Stunden betragen. § 2 Nr. 2.17 BV Arbeitszeit verstoße gegen den Tarifvertrag, indem die Bestimmung zur Ermittlung der Soll-Arbeitszeit und Dauer seiner Fehlzeit am 24. und 31. Dezember 2013 auf die Normalarbeitszeit von 07:15 Uhr bis 15:00 Uhr abstelle. § 3 Nr. 9 MTV gebe am 24. und 31. Dezember zwingend als Arbeitszeitende 13:00 Uhr vor und begrenze den Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien. Nach Abzug von 15 Minuten Pause ergebe sich eine Soll-Arbeitszeit von nur 5,5 Stunden.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für Dezember 2013 1,0 Arbeitsstunde gutzuschreiben.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger habe am 24. und 31. Dezember 2013 Arbeitsleistungen im Umfang von jeweils sechs Stunden geschuldet.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet.

13

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere streitgegenständlich hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

14

1. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können, und das Leistungsbegehren konkretisiert, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll (BAG 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 - Rn. 12; 12. Dezember 2012 - 5 AZR 918/11 - Rn. 33; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 10; 21. Oktober 2015 - 5 AZR 843/14 - Rn. 14, 16).

15

2. Die Beklagte führt für den Kläger ein Zeitkonto, auf dem die begehrte Gutschrift noch erfolgen kann. An welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll, kommt zwar im Wortlaut des Antrags nicht zum Ausdruck, kann aber unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten Zeitnachweisliste durch Auslegung ermittelt werden. Danach begehrt der Kläger die Korrektur des im Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Saldos durch Gutschrift einer Stunde.

16

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann keine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto verlangen.

17

1. Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands(zB § 615 Satz 1 und Satz 3, § 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 37 Abs. 2 BetrVG) nicht erbringen musste und deshalb Vergütung beanspruchen kann bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte und gezahlte Vergütung erbringen muss (BAG 23. September 2015 - 5 AZR 767/13 - Rn. 20). Die nachträgliche Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto setzt voraus, dass der Arbeitnehmer Arbeitsstunden erbrachte oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste und diese bisher nicht vergütet und nicht in das Arbeitszeitkonto eingestellt wurden (BAG 26. Juni 2013 - 5 AZR 428/12 - Rn. 22; 21. August 2013 - 5 AZR 872/12 - Rn. 9).

18

2. Der Kläger erhält ein verstetigtes Monatsentgelt, dessen Zahlung für Dezember 2013 zwischen den Parteien außer Streit steht. Er hat am 24. und 31. Dezember 2013 keine Arbeitsleistung erbracht. Die Beklagte hat für beide Tage zu Recht eine Soll-Arbeitszeit von jeweils sechs Stunden und nicht nur 5,5 Stunden in Ansatz gebracht. Es bestand keine normative oder einzelvertragliche Regelung, aufgrund derer die Arbeitspflicht des Klägers hinsichtlich der in Ansatz gebrachten sechs Soll-Arbeitsstunden als erfüllt galt. Infolgedessen war die Beklagte nicht verpflichtet, dem Arbeitszeitkonto des Klägers, wie von ihm beansprucht, ohne Arbeitsleistung jeweils 0,5 Stunden gutzuschreiben.

19

a) Der 24. und 31. Dezember sind keine gesetzlichen Feiertage. Sie fielen im Jahr 2013 auf Werktage.

20

b) Eine von dem im Arbeitsverhältnis geltenden Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ (vgl. BAG GS 17. Dezember 1959 - GS 2/59 - zu B IV der Gründe, BAGE 8, 285; 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14, BAGE 141, 144) abweichende Vergütungspflicht des Arbeitgebers wird für den 24. und 31. Dezember ausschließlich durch § 3 Nr. 9 Abs. 2 MTV begründet. Danach sind nur die an diesen Tagen über eine geleistete Arbeitszeit von sechs Stunden hinausgehenden und deshalb - ausgehend von der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit - ausfallenden Stunden zu vergüten. Ausschließlich für diese Stunden regelt § 3 Nr. 9 Abs. 2 MTV einen tariflichen Entgeltfortzahlungsanspruch.

21

c) Aus § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 MTV folgt nicht, dass die Arbeitspflicht des Klägers hinsichtlich eines Teils der in Ansatz gebrachten sechs Soll-Arbeitsstunden iHv. 0,5 Arbeitsstunden als erfüllt gilt.

22

aa) § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 MTV begrenzt am 24. und am 31. Dezember den zeitlichen Umfang der geschuldeten Arbeitszeit, abweichend von der an anderen Werktagen geltenden Soll-Arbeitszeit von sieben Stunden (§ 3 Nr. 1.1 a., § 3 Nr. 4.1 MTV iVm. § 2 Nr. 2.1, Nr. 2.4, § 4 Nr. 4 BV Arbeitszeit), auf jeweils sechs Stunden. Die Tarifnorm untersagt dem Arbeitgeber am 24. und am 31. Dezember Arbeitsleistung im Umfang von mehr als sechs Stunden zu fordern. Sie begründet jedoch - für sich genommen - hinsichtlich der ausgefallenen Arbeitsstunden keine Vergütungspflicht des Arbeitgebers, denn die Tarifbestimmung setzt gleichzeitig die Arbeitnehmer außerstande, die Arbeitsleistung zu bewirken, § 297 BGB (vgl. BAG 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 14, BAGE 151, 45 zu den nach § 4 ArbZG einzuhaltenden gesetzlichen Mindestpausen).

23

bb) Nicht entscheidungserheblich ist, ob § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 MTV für den 24. und 31. Dezember ein tarifliches Beschäftigungsverbot nach 13:00 Uhr regelt und insoweit den Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien begrenzt (zu den Anforderungen an ein gesetzliches Beschäftigungsverbot vgl. BAG 18. März 2009 - 5 AZR 192/08 - Rn. 15, BAGE 130, 29; 21. Oktober 2015 - 5 AZR 843/14 - Rn. 31).

24

(1) Auch bei einem Verständnis in diesem Sinne begründete die tarifliche Regelung keinen Vergütungsanspruch für ausfallende Arbeitsstunden, sondern schlösse, wie § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 MTV, lediglich das Recht des Arbeitgebers, Arbeitsleistung zu verlangen, sowie die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers aus.

25

(2) Ebenso wenig ist es entscheidungserheblich, ob die BV Arbeitszeit - wie der Kläger meint - im Widerspruch zu § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 MTV auch für den 24. und 31. Dezember die Normalarbeitszeit von 07:15 Uhr bis 15:00 Uhr und/oder die „Rahmenarbeitszeit“ zwischen 06:30 Uhr und 19:45 Uhr - iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG als Zeitraum festlegt, in dem der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich erbringen kann und der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflichten verlangen kann(vgl. BAG 17. November 2015 - 1 ABR 76/13 - Rn. 24). Selbst wenn die Betriebsparteien die Grenzen der ihnen in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG eingeräumten Regelungsbefugnis überschritten hätten, ließe dies die vergütungsrechtliche Position des Klägers unberührt und begründete keinen Anspruch des Klägers auf die von ihm begehrte Zeitgutschrift.

26

3. Im Einklang mit § 3 Nr. 9 MTV dient nach § 2 Nr. 2.17 BV Arbeitszeit die in den Arbeitszeitmodellen festgelegte „Normalarbeitszeit“ (§ 2 Nr. 2.4, § 4 BV Arbeitszeit)auch für den 24. und 31. Dezember als Grundlage zur Ermittlung von bezahlten und unbezahlten Fehlzeiten. Dabei regelt § 2 Nr. 2.17 BV Arbeitszeit nicht den Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung, sondern bezieht sich auf die Normalarbeitszeit lediglich als Rechengröße. Dies ergibt die Auslegung der BV Arbeitszeit. Hierfür spricht vor allem der Wortlaut, wonach die Normalarbeitszeit „zur Ermittlung“ bezahlter und unbezahlter Fehlzeiten dient. Zudem verbietet die gebotene gesetzeskonforme Auslegung der BV Arbeitszeit (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 1 ABR 40/12 - Rn. 25) die Annahme, § 2 Nr. 2.17 BV Arbeitszeit betreffe die vergütungspflichtige Arbeitszeit und erweitere im Widerspruch zu § 3 Nr. 9 MTV den Umfang der am 24. und am 31. Dezember geschuldeten Arbeitsleistung. Der MTV regelt für den 24. und 31. Dezember in § 3 Nr. 9 Abs. 1 und Abs. 2 MTV den Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung und die vergütungsrechtliche Behandlung ausfallender Arbeitsstunden abschließend. Ein durch die Betriebsparteien auszufüllender Gestaltungsspielraum verbleibt nicht.

27

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber    

        

    Volk     

        

        

        

    Feldmeier     

        

    Reinders    

                 

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. März 2011 - 6 Sa 2330/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, in ein Arbeitszeitkonto eingestellte Stunden zu streichen.

2

Die Klägerin ist bei der Beklagten in deren Betrieb „Niederlassung B“ als Codiererin beschäftigt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 28 Stunden. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund vertraglicher Vereinbarung die für das Unternehmen der Beklagten jeweils geltenden Tarifverträge Anwendung.

3

Zur Arbeitszeit bestimmt der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG (im Folgenden: MTV-DP AG) vom 18. Juni 2003 ua.:

        

㤠22 Arbeitszeit

        

(1)     

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Ruhepausen 38,5 Stunden im wöchentlichen Durchschnitt. Für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer gilt die im Arbeitsvertrag vereinbarte Wochenarbeitszeit als durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit. Eine abweichende Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit ist innerhalb von zwölf Monaten auszugleichen.

        

…       

        
        

(3)     

Bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage hat der Betriebsrat nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes mitzubestimmen.

        

…“    

        
4

Innerhalb der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit erhalten die Arbeitnehmer nach der Anlage 2a zum MTV-DP AG ua. eine Erholungszeit, die zu Kurzpausen zusammenzufassen und im Dienstplan auszuweisen ist. Bis zum 31. März 2008 betrug nach dem Tarifvertrag Nr. 111 die Erholungszeit pro Arbeitsstunde 3,50 Minuten, von denen mindestens 3,14 Minuten je Stunde Arbeitszeit zu Kurzpausen zusammenzufassen waren. Mit Wirkung ab 1. April 2008 wurde durch den Tarifvertrag Nr. 142a die Erholungszeit auf 2,25 Minuten pro Arbeitsstunde verkürzt, von denen mindestens 2,03 Minuten je Stunde Arbeitszeit zu Kurzpausen zusammenzufassen sind.

5

Für Arbeitnehmer, die wie die Klägerin weder ganz noch teilweise Zustelltätigkeit verrichten, regelt zur Arbeitszeit der Tarifvertrag Nr. 37b ua.:

        

„Zweiter Abschnitt: Flexibilisierung der Arbeitszeit

        

...     

        

§ 3

        

Grundsätze für die Gestaltung der Arbeitszeit

        

(1)     

Es sind für alle Arbeitnehmer Dienstpläne aufzustellen.

                 

Grundlage für die Verteilung der Arbeitszeit in Dienstplänen ist die tarifvertraglich (...) bzw. einzelvertraglich vereinbarte Arbeitszeit. Überschreitungen der täglichen dienstplanmäßigen Arbeitszeit werden als nicht zuschlagspflichtige Mehrleistungen, Unterschreitungen als Minderleistungen erfasst.

        

...     

        
        

§ 4

        

Einführung von Arbeitszeitkonten

        

(1)     

Zur Dokumentation der täglichen Abweichungen von den dienstplanmäßigen Arbeitszeiten (Mehr- und Minderleistungen) sind Arbeitszeitkonten IT-gestützt zu führen. Zur Berechnung des täglichen Saldos werden Beginn und Ende der täglichen tatsächlichen Arbeitszeiten, soweit möglich, IT-gestützt erfasst.

        

...     

        
                 

Der Arbeitnehmer erhält einmal monatlich ein Journal seines Arbeitszeitkontos. Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer jederzeit, soweit berechtigte betriebliche Gründe nicht entgegenstehen, Einsicht in sein Arbeitszeitkonto nehmen.

        

(2)     

Die Arbeitszeitkonten werden nicht zu bestimmten Zeitpunkten abgerechnet. Im einzelnen persönlichen Arbeitskonto ist die „Nulllinie“ innerhalb eines Zeitraums von längstens 18 Monaten mindestens einmal zu berühren.

        

(3)     

Die maximal zulässige Schwankungsbreite der Abweichungen beträgt jeweils das 3fache der tarifvertraglich (...) bzw. einzelarbeitsvertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit.

                 

...“   

6

Im Betrieb „Niederlassung B“ ist ein Betriebsrat gebildet. Zur Führung von Arbeitszeitkonten heißt es in der Betriebsvereinbarung Nr. 4 - Betriebsvereinbarung zum Tarifvertrag Nr. 37b:

        

„...   

        

§ 2 Geltungsbereich

        

Diese BV gilt

         ·persönlich im Bereich der Niederlassung Briefpost Berlin Nord für alle Arbeiter, Angestellten und Beamte, die Tätigkeiten im Sinne des TV 37b ausüben, das heißt, die nicht regelmäßig und arbeitsvertraglich vereinbart mit Tätigkeiten eines Briefzustellers/Frachtzustellers beschäftigt sind.
        

...     

        

§ 4 Führung der Arbeitszeitkonten(AZK)

        

(1)     

Der Umfang der Abweichung von der dienstplanmäßigen Arbeitszeit ist konkret in Minuten festzulegen.

        

(2)     

Die Arbeitszeitkonten (AZK) sind unverzüglich, das heißt unmittelbar nach Bekanntwerden von Abweichungen, spätestens jedoch vor der nächsten Arbeitsschicht, zu aktualisieren. In Verbindung mit Sonn- und Feiertagen soll die Aktualisierung spätestens am nächsten Werktag erfolgen.

                 

...“   

7

Die Klägerin arbeitete bis zum 31. Juli 2008 nach Dienstplänen, denen (noch) die Erholungszeit nach dem TV Nr. 111 zugrunde lag. Die Umsetzung der Kürzung der Erholungszeit nach dem TV Nr. 142a in die Dienstpläne erfolgte erst mit Wirkung ab dem 1. August 2008.

8

Am 30. Oktober 2008 kürzte die Beklagte das nach dem Tarifvertrag Nr. 37b geführte Arbeitskonto (im Folgenden: 37b-Konto) der Klägerin um die dort eingestellten 10,37 Stunden und gab dazu unter der Rubrik „Zeitumbuchungsart“ als Grund an: „0950 Verfall Mehrleistungen“. Der außergerichtlichen Aufforderung der Klägerin, die Kürzung ihres Zeitguthabens rückgängig zu machen, kam die Beklagte nicht nach.

9

Mit ihrer am 21. September 2009 eingereichten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte sei zur Kürzung des Guthabens auf dem 37b-Konto nicht berechtigt (gewesen). Sie habe im streitgegenständlichen Zeitraum nach ihr vorgegebenen Dienstplänen gearbeitet und damit die geschuldete Arbeitszeit erbracht. Wenn die Beklagte ihr zu lange bezahlte Pausen gewährte, könne das allenfalls einen (Rück-)Zahlungsanspruch begründen. Zudem verstoße das Vorgehen der Beklagten gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil sie Kürzungen nur bei den Beschäftigten vorgenommen habe, deren Arbeitszeitkonten ein Guthaben aufwies.

10

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin eine Zeitgutschrift iHv. 10,37 Stunden vorzunehmen.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, zur Kürzung des Guthabens auf dem 37b-Konto der Klägerin berechtigt (gewesen) zu sein. Nach der (rückwirkenden) Kürzung der Erholungszeit pro Arbeitsstunde durch den Tarifvertrag Nr. 142a habe die Klägerin die tarifvertraglich geschuldete Arbeitszeit nicht vollständig erbracht. Es sei eine Arbeitszeitschuld entstanden, die sie gegen das Arbeitszeitguthaben habe aufrechnen dürfen. Gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz habe sie schon deshalb nicht verstoßen, weil es an einer verteilenden Entscheidung fehle. Zudem sei es ein sachlicher Grund, Beschäftigte, deren Arbeitszeitkonto kein Guthaben aufwies, nicht ins Minus zu bringen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter mit Ausnahme einer in der Revisionsinstanz zugestanden Zeitgutschrift von 0,2 Stunden.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

14

I. Die Klage ist mit der gebotenen Auslegung des Leistungsantrags zulässig.

15

1. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mehrfach entschieden, der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, sei hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Gleichermaßen könne der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11 mwN, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 -; BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 27, NZA 2012, 281). Allerdings ist dafür eine Konkretisierung des Leistungsbegehrens dahingehend erforderlich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll.

16

2. Dieses für Klagen auf Gutschrift bislang nicht in das Arbeitszeitkonto aufgenommener Stunden entwickelte Bestimmtheitserfordernis kann nicht unbesehen auf einen Antrag übertragen werden, bei dem die begehrte Zeitgutschrift lediglich der Rückgängigmachung der Streichung eines Zeitguthabens dient. Wird in einem solchen Fall dem Antrag auf Gutschrift stattgegeben, weiß der Arbeitgeber, was er zu tun hat, nämlich die von ihm auf einem bestimmten Arbeitszeitkonto vorgenommene Kürzung ungeschehen zu machen.

17

Auf welchem Arbeitszeitkonto die Gutschrift erfolgen soll, kommt im Wortlaut des Antrags nicht zum Ausdruck, kann aber durch Auslegung ermittelt werden. Es steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die Beklagte das 37b-Konto der Klägerin gekürzt hat und die begehrte Gutschrift auf eben diesem erfolgen soll.

18

II. Die Klage ist begründet. Die Beklagte war und ist nicht berechtigt, das streitgegenständliche Zeitguthaben zu streichen. Infolge dessen ist sie verpflichtet, diese Stunden dem 37b-Konto der Klägerin wieder zuzuführen, also „gutzuschreiben“.

19

1. Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands(zB § 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 1 BUrlG, § 37 Abs. 2 BetrVG) nicht erbringen musste. Wegen dieser Dokumentationsfunktion darf der Arbeitgeber nicht ohne Befugnis korrigierend in ein Arbeitszeitkonto eingreifen und dort eingestellte Stunden streichen. Neben der materiellrechtlichen Rechtfertigung muss die der Führung des Arbeitszeitkontos zugrunde liegende Vereinbarung (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) dem Arbeitgeber überhaupt die Möglichkeit eröffnen, in das Arbeitszeitkonto eingestellte und damit grundsätzlich streitlos gestellte (vgl. dazu BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 19, BAGE 135, 197) Arbeitsstunden wieder zu streichen.

20

2. Daran fehlt es im Streitfall. Die dem 37b-Konto zugrunde liegenden Vereinbarungen erlauben es der Beklagten nicht, dieses Arbeitszeitkonto mit Minusstunden zu belasten, die sich - möglicherweise - aus der Nichtausschöpfung der tarifvertraglichen Wochenarbeitszeit in den Dienstplänen ergeben.

21

a) Das 37b-Konto dokumentiert nach § 4 Abs. 1 Tarifvertrag Nr. 37b die „täglichen Abweichungen von den dienstplanmäßigen Arbeitszeiten (Mehr- und Minderleistungen“, wobei § 3 Abs. 1 Tarifvertrag Nr. 37b Mehrleistungen als Überschreitungen, Minderleistungen als Unterschreitungen der täglichen dienstplanmäßigen Arbeitszeit definiert. Auch § 4 Abs. 1 Betriebsvereinbarung Nr. 4 spricht (nur) vom „Umfang der Abweichung von der dienstplanmäßigen Arbeitszeit“. Darum geht es aber bei der von der Beklagten vorgenommenen Streichung nicht. Die Klägerin hat gemäß ihrer Verpflichtung nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unstreitig „nach Dienstplan“ gearbeitet und damit ihre dienstplanmäßige Arbeitszeit erbracht. Weder Tarifvertrag noch Betriebsvereinbarung sehen die Möglichkeit vor, in dem 37b-Konto Minusstunden aus der Nichtausschöpfung der tarifvertraglich tatsächlich zu arbeitenden Zeit durch den bzw. im Dienstplan zu verrechnen.

22

b) Ebenso wenig kann aus § 22 Abs. 1 MTV-DP AG eine entsprechende Befugnis der Beklagten hergeleitet werden. Abgesehen davon, dass die Tarifnorm nur die tarifliche Arbeitszeit regelt, jedoch keine Vorschriften zur Führung des 37b-Kontos enthält, bestimmt § 22 Abs. 1 Satz 3 MTV-DP AG, dass eine abweichende Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit nach Satz 1 bzw. Satz 2 innerhalb von zwölf Monaten auszugleichen ist. Die Kürzung bzw. Streichung eines Guthabens auf dem 37b-Konto, das gerade durch Überschreitung der dienstplanmäßigen Arbeitszeit erworben wurde, ist keine abweichende Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit. Eine solche muss, wie sich zumindest aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt, in die Zukunft gerichtet sein und erfolgt durch die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage, bei der der Betriebsrat nach § 22 Abs. 3 MTV-DP AG iVm. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitzubestimmen hat.

23

Zudem hat die (rückwirkende) Kürzung der Erholungszeit durch den TV Nr. 142a nicht zu einer abweichenden Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit iSd. § 22 Abs. 1 Satz 3 MTV-DP AG geführt. Die nach dem 1. April 2008 geltenden Dienstpläne haben wie zuvor eine regelmäßige Arbeitszeit von 38,5 Stunden im wöchentlichen Durchschnitt verteilt und dabei lediglich die tatsächlich zu arbeitende Zeit insoweit nicht ausgeschöpft, als die Arbeitszeit einen zu hohen Anteil als Erholungszeit bezahlter Pausen enthielt.

24

3. Kürzt oder streicht der Arbeitgeber zu Unrecht ein Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf (Wieder-)Gutschrift der aus dem Arbeitszeitkonto gestrichenen Stunden. Dieser Anspruch ist jeder Vereinbarung über die Führung eines Arbeitszeitkontos immanent.

25

a) Das Bundesarbeitsgericht hat bislang einen Anspruch des Arbeitnehmers auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos bejaht bzw. in Betracht gezogen, wenn das Arbeitszeitkonto nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt (vgl. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 10 mwN, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 -). Doch muss ein Arbeitszeitkonto nicht stets einen Vergütungsanspruch verbindlich bestimmen, es kann auch - wie hier - für die Höhe eines Anspruchs auf Freizeitausgleich oder die Höhe eines Vorschusses maßgebend sein.

26

b) Unabhängig davon, ob ein Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch oder sonstige Ansprüche maßgeblich bestimmt, kann der Arbeitnehmer stets verlangen, dass der Arbeitgeber, der aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag ein Arbeitszeitkonto für den Arbeitnehmer unterhält, dieses den vereinbarten Vorgaben entsprechend führt. Andernfalls vermag das Arbeitszeitkonto seinen Zweck, den zeitlichen Umfang der vom Arbeitnehmer erbrachten Hauptleistungspflicht zu dokumentieren, nicht zu erfüllen. Greift der Arbeitgeber zu Unrecht in den Saldo eines Arbeitszeitkontos ein, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Wiederherstellung des Status quo ante und damit auf (Wieder-)Gutschrift der aus dem Saldo seines Arbeitszeitkontos gestrichenen Stunden.

27

III. Die Kosten der Revision hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Zoller    

        

    Pollert    

        

        

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. Mai 2012 - 11 Sa 1750/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Auswirkungen der Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit für einen gesetzlichen Feiertag gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT auf die Überstundenvergütung nach § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund).

2

Der Kläger ist seit dem 16. Juni 1989 bei der Standortverwaltung R als Diensthundeführer beschäftigt. Er wird im Wachdienst auf einem Kasernengelände eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst im Bereich des Bundes (TVöD [Bund]).

3

§ 6 TVöD-AT lautet auszugsweise:

        

„§ 6 Regelmäßige Arbeitszeit

        

(1) 1Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für

        

a)    

die Beschäftigten des Bundes durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich,

        

…       

        
        

(2) 1Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. 2Abweichend von Satz 1 kann bei Beschäftigten, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit zu leisten haben, ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden.

        

(3) … 3Die regelmäßige Arbeitszeit vermindert sich für jeden gesetzlichen Feiertag, sowie für den 24. Dezember und 31. Dezember, sofern sie auf einen Werktag fallen, um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden.“

4

Die Protokollerklärung zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT lautet:

        

„Die Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit betrifft die Beschäftigten, die wegen des Dienstplans am Feiertag frei haben und deshalb ohne diese Regelung nacharbeiten müssten.“

5

§ 7 Abs. 7 und Abs. 8 TVöD-AT enthalten Regelungen zu Überstunden. § 8 Abs. 1 TVöD-AT bestimmt die Zahlung von Zeitzuschlägen ua. für die Leistung von Feiertagsarbeit. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d TVöD-AT beträgt der Zeitzuschlag bei Feiertagsarbeit je Stunde 135 vH falls kein Freizeitausgleich erfolgt. Mit Freizeitausgleich beläuft sich der Zuschlag auf 35 vH je Stunde.

6

Der TVöD trifft in seinem Besonderen Teil Verwaltung (BT-V [Bund]) vom 13. September 2005 in § 46 „Sonderregelungen für Beschäftigte im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung“. Dort heißt es in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung auszugsweise:

        

„Kapitel I. Beschäftigte im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung

        

Zu Abschnitt I. Allgemeine Vorschriften

        

Nr. 1: Zu § 1 - Geltungsbereich -

        

Die Regelungen dieses Abschnitts gelten für die Beschäftigten des Bundesministeriums der Verteidigung, soweit sie nicht unter Kapitel II oder die Sonderregelung für ins Ausland entsandte Beschäftigte (§ 45) fallen.

        

…       

        

Zu Abschnitt II. Arbeitszeit

        

…       

        

Nr. 4: Zu §§ 7, 8 - Sonderformen der Arbeit und Ausgleich für Sonderformen der Arbeit -

        

…       

        

(3) 1Die Arbeitszeitdauer des Feuerwehrpersonals und des Wachpersonals beträgt, wenn in erheblichem Umfang Bereitschaftsdienst vorliegt, 24 Stunden je Schicht, sofern der Gesundheitsschutz der Beschäftigten durch Gewährung gleichwertiger Ausgleichsruhezeiten in unmittelbarem Anschluss an die verlängerten Arbeitszeiten gewährleistet wird. 2Aus dienstlichen Gründen kann ein kürzerer Schichtturnus festgelegt werden. 3Durch entsprechende Schichteinteilung soll sichergestellt werden, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bis zum Ende des Ausgleichszeitraums nach § 6 Abs. 2 im Durchschnitt nicht überschritten wird. 4Zeitzuschläge nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b, c, d, e werden zu 50 v.H. gezahlt. 5Zeitzuschläge nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f, sowie Zulagen nach Abs. 5 und 6 werden nicht gezahlt. 6Die über 168 Stunden hinausgehende Zeit wird bei der Bemessung des Entgelts mit 50 v.H. als Arbeitszeit gewertet und mit dem Überstundenentgelt vergütet.“

7

Die Arbeitszeit des Klägers bestimmte sich bis zum 30. November 2010 nach einer Dienstplangestaltung, die unter Berücksichtigung eines erheblichen Umfangs an Bereitschaftsdiensten 24-Stunden-Schichten vorsah. Der Dienstplan deckte den Einsatz des Wachpersonals an sieben Tagen pro Woche ab, wobei der einzelne Beschäftigte an wechselnden Wochentagen eingesetzt wurde. Der Kläger wurde höchstens zwölf Mal im Monat zu einer Schicht von 24 Stunden eingeteilt. Die einzelnen Schichten dauerten dabei jeweils von 08:00 Uhr bis 08:00 Uhr des Folgetags. Damit ergab sich eine monatliche Arbeitszeit von maximal 288 Stunden. Die über 168 Stunden hinausgehende Zeit wurde gemäß § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) gewertet und vergütet.

8

Im April 2010 war der Kläger im Dienstplan für elf Schichten von 24 Stunden eingeteilt, dh. für 264 Stunden. Der 5. April 2010 war der Ostermontag. Unabhängig von dem Vorliegen eines Feiertags war der Kläger nach dem Schichtplan an diesem Tag nicht zum Dienst eingeteilt und erbrachte dementsprechend keine Arbeitsleistung. Er erhielt für April 2010 das reguläre Tabellenentgelt nach der Entgeltgruppe 4 Stufe 6 TVöD (Bund). Die Überstunden wurden entsprechend § 24 Abs. 1 Satz 4 TVöD-AT von der Abrechnung des Monats Juni 2010 erfasst. Diese weist 51,9 Überstunden für April 2010 aus. Darin enthalten sind 3,9 Stunden für den Ostermontag. Die Beklagte berechnete für diesen Tag 7,8 Stunden als durchschnittliche tägliche Arbeitszeit im Rahmen einer Fünftagewoche bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a TVöD-AT. Hiervon wurden nach § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) 50 vH, dh. 3,9 Stunden, als Arbeitszeit gewertet und mit dem Überstundenentgelt berechnet. Das Überstundenentgelt für eine Arbeitsstunde beläuft sich auf 16,48 Euro brutto (12,78 Euro Stundenentgelt zuzüglich Überstundenzuschlag von 3,70 Euro brutto). Für 3,9 Stunden wurden demnach 64,27 Euro brutto bezahlt.

9

Nach erfolgloser Geltendmachung mit Schreiben vom 26. August 2010 hat der Kläger mit der vorliegenden Klage die Zahlung weiterer 67,57 Euro brutto als Überstundenvergütung für den Monat April 2010 verlangt. Die Differenz ergebe sich aus der tarifwidrigen Berechnung der Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT bezüglich des Ostermontags als eines gesetzlichen Feiertags. Wäre er an diesem Tag zum Dienst herangezogen worden, hätte er 16 Stunden arbeiten müssen (08:00 Uhr bis 24:00 Uhr). Hiervon seien gemäß § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) 50 vH als Arbeitszeit zu werten, dh. acht Stunden. Um diese acht Stunden habe sich die regelmäßige Arbeitszeit vermindert. Folglich habe die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Überstundenentgelt acht Stunden früher eingesetzt. Da die Beklagte die Verminderung nur im Umfang von 3,9 Stunden angenommen habe, sei sie zur Leistung von Überstundenentgelt bezüglich weiterer 4,1 Stunden verpflichtet. Die Vergütungsdifferenz belaufe sich auf 67,57 Euro brutto (4,1 Stunden x 16,48 Euro brutto).

10

Der Kläger hat daher beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 67,57 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Diskontsatz seit dem 18. September 2010 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT begründe keinen Zahlungsanspruch, sondern nur einen Anspruch auf Verminderung der Sollarbeitszeit zur Erlangung einer dem Feiertag gleichwertigen bezahlten Freizeit. Diese habe der Kläger erhalten, da er die auf den Feiertag fallende Schicht nicht habe nacharbeiten müssen. Er habe sein reguläres Entgelt somit entsprechend § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT trotz verminderter Arbeitsleistung erhalten. Für weitere Zahlungsansprüche fehle eine Rechtsgrundlage. Andernfalls wäre der Kläger bessergestellt, als wenn er an dem fraglichen Feiertag nach dem Dienstplan zur Arbeit eingeteilt gewesen wäre.

12

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Der Kläger hat zwar keinen Vergütungsanspruch für den 5. April 2010. Er hat aber gemäß § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT und § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) für den Monat April 2010 einen Anspruch auf weitere Überstundenvergütung für 4,1 Stunden in unstreitiger Höhe von 67,57 Euro brutto.

14

I. Für den 5. April 2010 stehen dem Kläger allerdings keine Vergütungsansprüche zu.

15

1. Ein Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB besteht nicht, weil der Kläger an diesem Tag keine Arbeitsleistung erbracht hat.

16

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung an einem Feiertag gemäß § 2 Abs. 1 EFZG.

17

a) Nach § 2 Abs. 1 EFZG besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch für einen arbeitsfreien gesetzlichen Feiertag bei Arbeit nach einem Schichtplan nur dann, wenn die planmäßige Freistellung durch die gesetzliche Feiertagsruhe bestimmend beeinflusst ist. § 2 Abs. 1 EFZG begründet dagegen keinen Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn sich die Freistellung aus einem Planschema ergibt, das von der gesetzlichen Feiertagsruhe unabhängig ist, etwa weil der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung durch den Feiertag nicht oder nicht wesentlich geringer ist. Dass der Arbeitnehmer an diesem Tag planmäßig frei hat, liegt dann nicht am Feiertag, sondern dient zB dazu, einen Fünftagesrhythmus einzuhalten (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 43; 15. Januar 2013 - 9 AZR 430/11 - Rn. 39; 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09 - Rn. 12, BAGE 136, 290).

18

b) Der Ostermontag ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Feiertagsgesetz NW ein gesetzlicher Feiertag. Die Parteien haben hier aber unstreitig gestellt, dass die Arbeit des Klägers am Ostermontag, den 5. April 2010, nicht wegen dieses Feiertags ausgefallen ist, sondern wegen der feiertagsunabhängigen Gestaltung des Dienstplans.

19

3. Ein Zahlungsanspruch ergibt sich auch nicht direkt aus § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT. Diese Tarifregelung sieht keine Zahlungspflicht vor. Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT vermindert sich vielmehr die regelmäßige Arbeitszeit(vgl. zur Berechnung der Verminderung BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 19 zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K). Dies entspricht dem Zweck des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT. Danach soll jeder, der an einem Wochenfeiertag nicht zu arbeiten braucht, für weniger Arbeit die gleiche Vergütung erhalten (BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 47). Ohne diese Regelung müssten Beschäftigte, die feiertagsunabhängig allein wegen der Dienstplangestaltung an einem Wochenfeiertag frei haben, ihre regelmäßige Arbeitszeit an einem anderen Tag erbringen. Diese Arbeitnehmer sollen durch § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT ersatzweise in den Genuss einer dem Feiertag gleichwertigen bezahlten Freizeit kommen, also den Beschäftigten, die infolge des Feiertags frei haben und Entgeltfortzahlung erhalten, gleichgestellt werden(BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09 - Rn. 14, BAGE 136, 290; zur Tarifentwicklung vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Juni 2011 E § 6 Rn. 41a).

20

II. Der Kläger hat aber für den April 2010 gemäß § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT und § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) einen Anspruch auf Vergütung von weiteren 4,1 Überstunden. Dies hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.

21

1. Die Rechtsfolge der verminderten regelmäßigen Arbeitszeit des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT muss vom Arbeitgeber bei der Dienstplangestaltung, der Arbeitszeiterfassung und der Vergütung umgesetzt werden. Geschieht das nicht, entstehen nachgelagerte Ansprüche des Arbeitnehmers auf Beseitigung des tarifwidrigen Zustands (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 20 zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K). Geht es um die Korrektur der Arbeitszeiterfassung auf einem Arbeitszeitkonto, kommt dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos aus § 611 Abs. 1 BGB zu, wenn das Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch nach der zugrunde liegenden Abrede verbindlich bestimmt(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 21 zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K). Eine Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT kann auch dazu führen, dass Überstunden in einem zeitlichen Rahmen entstehen, der ohne die Verminderung noch von der regelmäßigen Arbeitszeit umfasst wäre. Überstunden können nach den Vorgaben des TVöD-AT bei den Beschäftigten des Bundes erst dann entstehen, wenn die geleisteten Arbeitsstunden über die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a TVöD-AT hinausgehen (vgl. § 7 Abs. 7 und Abs. 8 TVöD-AT; zu Überstunden bei Schichtarbeit vgl. BAG 25. April 2013 - 6 AZR 800/11 - Rn. 16 f.). Reduziert sich die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT, bewirkt dies eine Absenkung der Stundenzahl, ab deren Erreichen Überstunden geleistet werden. Die Vergütungspflicht umfasst dann die ab dem abgesenkten Schwellenwert geleisteten Stunden als Überstunden unter Berücksichtigung der tariflichen Vergütungsvorgaben.

22

2. Demnach ist die Klage gemäß § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT und § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) begründet.

23

a) Der Ostermontag ist ein gesetzlicher Feiertag, der auf einen Werktag fällt. Folglich wird die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT um die „dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden“ vermindert. Dabei muss individuell festgestellt werden, wie viele Stunden der betreffende Arbeitnehmer hätte arbeiten müssen, wenn er dienstplanmäßig zur Feiertagsarbeit herangezogen worden wäre (BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 48; 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09 - Rn. 16, BAGE 136, 290; kritisch bzgl. der praktischen Umsetzung Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand September 2011 Teil B 1 § 6 Rn. 98).

24

b) Der Kläger hat am 5. April 2010 wegen einer feiertagsunabhängigen Dienstplangestaltung keine Arbeitsleistung erbracht. Er hätte an diesem Tag bei einer Einteilung zum Schichtdienst unstreitig 16 Stunden arbeiten müssen. Hiervon wären ebenfalls unstreitig acht Stunden nach § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund), dessen Regelungen für den Kläger als Beschäftigten des Bundesministeriums der Verteidigung gelten, als Arbeitszeit zu werten gewesen. Um diese acht Stunden hat sich die regelmäßige Arbeitszeit gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT vermindert. Folglich setzte die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Überstundenentgelt acht Stunden früher ein. Da die Beklagte bei der Abrechnung für den Monat April 2010 die Verminderung nur im Umfang von 3,9 Stunden berücksichtigt hat, ist sie zur Leistung von Überstundenentgelt bezüglich weiterer 4,1 Stunden für diesen Monat in unstreitiger Höhe von 67,57 Euro brutto (4,1 Stunden x 16,48 Euro brutto) verpflichtet. Die gesetzliche Verzinsung dieses Betrags ab dem 18. September 2010 steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

25

3. Eine monatsbezogene Betrachtung nach § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) führt zu demselben Ergebnis.

26

a) § 46 Nr. 4 Abs. 3 TVöD-BT-V (Bund) enthält sowohl zur Arbeitszeit als auch zur Vergütung des Feuerwehrpersonals und des Wachpersonals Sonderregelungen, welche im Verhältnis zu § 7 und § 8 TVöD-AT vorrangig sind. Der hier maßgebliche § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) trifft Regelungen zur Bewertung und Vergütung der Arbeitszeit. Soweit die Vorschrift anordnet, dass die über 168 Stunden hinausgehende Zeit bei der Bemessung des Entgelts mit 50 vH als Arbeitszeit gewertet wird, nimmt sie in Abweichung von den Vorgaben des TVöD-AT eine monatsbezogene Pauschalierung bei der Bewertung der Arbeitsleistung vor. Dies entspricht den Vorgängerregelungen.

27

aa) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei dem Wert von 168 Stunden nicht um die monatliche regelmäßige tarifliche Arbeitszeit. Weder der TVöD noch der TVöD-BT-V (Bund) enthalten eine Bestimmung über die Monatsarbeitszeit (BAG 17. November 2009 - 9 AZR 923/08 - Rn. 33). Rechnerisch beträgt die regelmäßige monatliche Arbeitszeit 169,57 Stunden. Diese ergibt sich aus der Multiplikation der wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a TVöD-AT mit dem Faktor 4,348 (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 907/12 - Rn. 40; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Oktober 2008 Teil B 1 § 6 Rn. 29, 30; Bredemeier/Neffke/Cerff TVöD 4. Aufl. § 6 Rn. 31).

28

bb) § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) nimmt vielmehr eine monatsbezogene Pauschalierung bei der Bewertung der Arbeitsleistung vor. Die Vorschrift enthält zwar keine Angabe zum Zeitraum, auf welchen sich der Schwellenwert von 168 Stunden bezieht. Es ergibt sich jedoch bei Berücksichtigung des § 24 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT aus dem Wortlaut der Vorschrift, dass sich die über 168 Stunden hinausgehende Zeit auf den Kalendermonat bezieht. § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) regelt die Bewertung dieser Zeit bei der „Bemessung des Entgelts“. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT ist der Bemessungszeitraum für das Tabellenentgelt und die sonstigen Entgeltbestandteile der Kalendermonat, soweit tarifvertraglich nicht ausdrücklich etwas Abweichendes geregelt ist. Da § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) die Bemessung des Entgelts regelt, ohne den Bemessungszeitraum festzusetzen, ist insoweit auf die allgemeine Vorschrift des § 24 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT zurückzugreifen. Damit ist der Kalendermonat der maßgebliche Bemessungszeitraum.

29

cc) Dies entspricht auch der Tarifgeschichte. Die Sonderregelung SR 2 e I Nr. 5 Abs. 5 Unterabs. 3 zum BAT sah bezüglich der Vergütung von Feuerwehr- und Wachpersonal im Bereich des Bundesministers der Verteidigung vor, dass die über 167,4 Stunden pro Kalendermonat hinausgehende Zeit mit 50 vH als Arbeitszeit zu werten und mit der Überstundenvergütung abzugelten ist (vgl. BAG 26. März 1998 - 6 AZR 537/96 - zu B II 1 c der Gründe). Damit wurde in Abweichung von § 17 Abs. 1 BAT kalendermonatlich festgestellt, ob Überstunden vorliegen(vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand April 1993 Teil II SR 2 e I BAT Nr. 5 Rn. 13). Eine vergleichbare Vorschrift enthielt die Sonderregelung SR 2 a Nr. 7 Abs. 3 der Anlage 2 zum MTArb (Bund) und deren Vorgängerregelung in SR 2 a Nr. 8 Abs. 4 MTB II. Mit dieser Pauschalregelung haben die Tarifvertragsparteien wegen der Besonderheiten im Wachdienst sowohl die anfallenden Arbeitsstunden als auch die Arbeitsbereitschaftszeiten und die Ruhezeiten pro Monat insgesamt bewertet (vgl. zu SR 2 a Nr. 8 Abs. 4 MTB II BAG 30. April 1992 - 6 AZR 508/90 - zu II 2 der Gründe; 6. September 1968 - 3 AZR 158/67 - zu 2 der Gründe). Mit § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) wurde diese Pauschalierung fortgeführt.

30

b) Die durch § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT angeordnete Arbeitszeitverminderung gilt auch im Anwendungsbereich des § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund), der selbst keine Spezialregelung zur Auswirkung eines gesetzlichen Feiertags trifft. Fällt in einem Kalendermonat ein gesetzlicher Feiertag auf einen Werktag, führt dies nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT für diesen Monat zu einer Absenkung des Schwellenwerts von 168 Stunden im Umfang der dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden. Auch hierbei muss individuell festgestellt werden, wie viele Stunden der betreffende Arbeitnehmer hätte arbeiten müssen, wenn er dienstplanmäßig zur Feiertagsarbeit herangezogen worden wäre. Andernfalls wäre die durch § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT bezweckte Gleichstellung mit den Beschäftigten, die infolge des Feiertags frei haben und Entgeltfortzahlung nach § 2 Abs. 1 EFZG erhalten, im Rahmen des § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) nicht zu erreichen.

31

aa) Die ausgefallenen Arbeitsstunden dieser Arbeitnehmer werden entsprechend dem Entgeltausfallprinzip des § 2 Abs. 1 EFZG im Rahmen von § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) wie geleistete Stunden behandelt. Der Arbeitnehmer ist nach § 2 Abs. 1 EFZG so zu stellen, als hätte er an dem Feiertag die schichtplanmäßige Arbeitszeit gearbeitet. Bei Führung eines Arbeitszeitkontos ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Anzahl von Stunden gutzuschreiben, die der Arbeitnehmer schichtplanmäßig an dem Feiertag ohne den Ausfall gearbeitet hätte (BAG 14. August 2002 - 5 AZR 417/01 - zu II 1 der Gründe). Unabhängig von der Frage, ob ein Arbeitszeitkonto iSd. § 10 TVöD-AT geführt wird, setzt § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) jedenfalls eine monatsbezogene Zeiterfassung voraus. Dementsprechend besteht nach § 2 Abs. 1 EFZG ein Anspruch auf Gutschrift der feiertagsbedingt ausgefallenen Arbeit in diesem Zeiterfassungssystem bzw. auf dem Arbeitszeitkonto bei einem unveränderten Schwellenwert von 168 Stunden.

32

bb) Zur Erreichung des Ziels der Gleichstellung gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT erfolgt für diejenigen Arbeitnehmer, die aufgrund einer feiertagsunabhängigen Dienstplangestaltung am Feiertag keine Arbeitsleistung erbringen und daher § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT unterfallen, eine Herabsetzung des Schwellenwerts des § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden. Dadurch müssen beide Arbeitnehmergruppen zum Eingreifen des § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) dieselbe tatsächliche Arbeitsleistung erbringen.

33

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten wird der Kläger damit nicht bessergestellt als die Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsleistung am Feiertag erbracht haben (vgl. BAG 15. Januar 2013 - 9 AZR 430/11 - Rn. 40). Für Arbeitnehmer, die am 5. April 2010 dienstplanmäßig zu arbeiten hatten, bestand ein Entgeltanspruch nach § 611 Abs. 1 BGB. Die geleisteten Stunden waren bei der Monatsstundenzahl im Rahmen von § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) zu berücksichtigen. Diese Arbeitnehmer hatten zudem im Gegensatz zum Kläger Anspruch auf einen Feiertagszuschlag gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d TVöD-AT iVm. § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 4 TVöD-BT-V (Bund) in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung.

34

dd) Die in der Verhandlung vor dem Senat angeführte Regelung des § 4 Abs. 1a EFZG hilft der Beklagten nicht weiter. Die Vorschrift befasst sich angesichts des Verweises auf § 4 Abs. 1 EFZG mit der Höhe der Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 und § 3a Abs. 1 EFZG. Ihr kann keine Regelung zur Vergütung geleisteter Arbeit bei verminderter regelmäßiger Arbeitszeit entnommen werden. Zudem haben die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes von dem nach § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG eröffneten Gestaltungsspielraum durch die Schaffung des § 21 TVöD-AT Gebrauch gemacht. Auch diese Tarifnorm regelt hier nicht einschlägige Fragen der Entgeltfortzahlung.

35

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger den geltend gemachten Anspruch auf Vergütung von weiteren 4,1 Überstunden für April 2010. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT sind - wie dargelegt - erfüllt. Der Schwellenwert des § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) von 168 Stunden wurde damit um die am 5. April 2010 ausgefallenen 16 Stunden auf 152 Stunden abgesenkt. Folglich ist die Arbeitsleistung des Klägers im April 2010 bereits ab der 153. Stunde mit 50 vH als Arbeitszeit zu werten und mit dem Überstundenentgelt zu vergüten. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass bei 264 zu berücksichtigenden Stunden ein Volumen von 112 Stunden zu 50 vH als Arbeitszeit zu bewerten und mit dem Überstundenentgelt von 16,48 Euro brutto zu bezahlen ist. Dies betrifft somit 56 Stunden. Die Beklagte hat davon 51,9 Stunden entsprechend vergütet. Die Differenz von 4,1 Stunden zu 16,48 Euro brutto beläuft sich auf die streitigen 67,57 Euro brutto.

36

4. Der Anspruch des Klägers ist nicht gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT verfallen. Nach dieser Vorschrift verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der/dem Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Das Landesarbeitsgericht hat die erfolglose Geltendmachung des Anspruchs bereits mit Schreiben vom 26. August 2010 festgestellt und in den Entscheidungsgründen angeführt, dass der Kläger damit seinen Anspruch innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht hat. Hiergegen wurden keine Rügen erhoben.

37

III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    M. Jostes    

        

    Sieberts    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. Februar 2012 - 3 Sa 605/11 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Absatz 4 des Tenors die Worte „in der Woche des 24.12. und des 31.12.“ durch die Worte „für den 24.12. und den 31.12.“ ersetzt werden.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verminderung der Sollarbeitszeit für die sog. Vorfeiertage des 24. Dezember und 31. Dezember.

2

Der Kläger arbeitet als Krankenpfleger in dem psychiatrischen Krankenhaus der Beklagten. Er ist in Teilzeit mit 80 % der regelmäßigen tariflichen Wochenarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten beschäftigt. Seine regelmäßige Wochenarbeitszeit beläuft sich auf 30,8 Stunden in der Viertagewoche. Er kann grundsätzlich an allen sieben Tagen der Woche im Schichtdienst eingesetzt werden. Eine Tagesschicht umfasst acht Stunden. Die Dienstpläne für den Schichtdienst wurden von der Beklagten in der Vergangenheit jeweils für den Zeitraum von acht Wochen erstellt. Seit März 2009 werden die Dienste monatlich geplant.

3

Der Kläger gehört der Gewerkschaft ver.di an. Die Beklagte ist Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbands Hessen e. V. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund der originären Tarifbindung der Parteien die durchgeschriebene Fassung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K) Anwendung.

4

In § 6 TVöD-K heißt es auszugsweise:

        

§ 6   

Regelmäßige Arbeitszeit

        

(1)     

1Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für

                 

…       

        
                 

b)    

die Beschäftigten im Tarifgebiet West durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich, ...

                 

... 3Die regelmäßige Arbeitszeit kann auf fünf Tage, aus notwendigen betrieblichen/dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt werden.

        

…       

        
        

(2)     

1Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. 2Abweichend von Satz 1 kann bei Beschäftigten, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit zu leisten haben, ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden.

        

…       

        
        

(3)     

1Soweit es die betrieblichen/dienstlichen Verhältnisse zulassen, wird die/der Beschäftigte am 24. Dezember und am 31. Dezember unter Fortzahlung des Entgelts nach § 21 von der Arbeit freigestellt. 2Kann die Freistellung nach Satz 1 aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht erfolgen, ist entsprechender Freizeitausgleich innerhalb von drei Monaten zu gewähren. 3Die regelmäßige Arbeitszeit vermindert sich für den 24. Dezember und 31. Dezember, sofern sie auf einen Werktag fallen, um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden.“

5

Die Protokollerklärung zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K lautet:

        

„Die Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit betrifft die Beschäftigten, die wegen des Dienstplans frei haben und deshalb ohne diese Regelung nacharbeiten müssten.“

6

§ 6.1 TVöD-K bestimmt:

        

Arbeit an Sonn- und Feiertagen

        
        

In Ergänzung zu § 6 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 5 gilt für Sonn- und Feiertage Folgendes:

        
        

(1)     

1Die Arbeitszeit an einem gesetzlichen Feiertag, der auf einen Werktag fällt, wird durch eine entsprechende Freistellung an einem anderen Werktag bis zum Ende des dritten Kalendermonats - möglichst aber schon bis zum Ende des nächsten Kalendermonats - ausgeglichen, wenn es die betrieblichen Verhältnisse zulassen. 2Kann ein Freizeitausgleich nicht gewährt werden, erhält die/der Beschäftigte je Stunde 100 v.H. des auf eine Stunde entfallenden Anteils des monatlichen Entgelts der jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe nach Maßgabe der Entgelttabelle. 3Ist ein Arbeitszeitkonto eingerichtet, ist eine Buchung gemäß § 10 Abs. 3 zulässig. 4§ 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d bleibt unberührt.

        

(2)     

1Für Beschäftigte, die regelmäßig nach einem Dienstplan eingesetzt werden, der Wechselschicht- oder Schichtdienst an sieben Tagen in der Woche vorsieht, vermindert sich die regelmäßige Wochenarbeitszeit um ein Fünftel der arbeitsvertraglich vereinbarten durchschnittlichen Wochenarbeitszeit, wenn sie an einem gesetzlichen Feiertag, der auf einen Werktag fällt,

                 

a)    

Arbeitsleistung zu erbringen haben oder

                 

b)    

nicht wegen des Feiertags, sondern dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt sind und deswegen an anderen Tagen der Woche ihre regelmäßige Arbeitszeit erbringen müssen.

                 

2Absatz 1 gilt in diesen Fällen nicht. 3§ 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d bleibt unberührt.

        

…“    

        
7

§ 6.1 TVöD-K ist wortgleich mit § 49 Abs. 1 und 2 TVöD - Besonderer Teil Krankenhäuser -(TVöD-BT-K).

8

Am 28. Januar 2009 schloss die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung des Inhalts:

        

„…    

        

Die Dienstpläne, in welche die Vorfesttage (Heiligabend und Silvester) fallen, werden bis zu einer endgültigen Klärung der in Ziff. 2 angesprochenen Rechtsfragen so gestaltet, dass bei der Sollarbeitszeit an diesen Tagen keine Sollreduzierung der Arbeitszeit stattfindet.

        

Nach höchstrichterlicher Klärung der Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD nebst Protokollnotiz in einer Fallkonstellation, die dem hiesigen Dienstplanmodell entspricht, wird die Arbeitgeberin im Nachhinein den Beschäftigten den diesen dann evtl. zustehenden Freizeitausgleich nach dieser Vorschrift gewähren, und zwar für die Jahre ab 2008.

        

Die Arbeitgeberin verzichtet hinsichtlich der in Ziff. 2 erwähnten Freizeitausgleichsansprüche auf die Geltung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist.

        

…“    

9

Seit 1. März 2009 führt die Beklagte Arbeitszeitkonten iSv. § 10 TVöD-K. Dazu schloss sie mit dem Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung zur Dienstplan- und Arbeitszeitregelung (EDV-gestützt) des Pflegedienstes …“ (BV Dienstplan) vom 10. Februar 2009. Darin heißt es:

        

„…    

        
        

3)    

Arbeitszeitkonto

                 

Für alle Beschäftigten im Pflegedienst … werden ab sofort nach § 10 TVöD Arbeitszeitkonten eingerichtet. Betriebliche Vereinbarungen zur Dienstplanerstellung werden hierdurch nicht verändert.

        

…       

        
        

2.    

Auf Wunsch der/des Beschäftigten können auf dem Arbeitszeitkonto gebucht werden:

                 

Überstunden, die Schicht- bzw. die Wechselschichtzulage. Zuschläge für: Überstunden, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit, für Arbeit am 24.12. und am 31.12. und für Arbeit an Samstagen sowie Zeitschulden.

        

…       

        
        

4)    

Personaleinsatzplanung:

                 

Der Planungszeitraum umfasst jeweils einen Kalendermonat.

                 

Die monatlich zu verplanende Sollarbeitszeit ist auf den jeweiligen Kalendermonat systemtechnisch zu ermitteln.

                 

Vollzeitbeschäftigte werden in einer 5-Tagewoche verplant.

                 

Die Tagewoche der Teilzeitbeschäftigten wird individuell vereinbart.

                 

…       

                 

Die Erstellung der Dienstpläne (Sollpläne) erfolgt - widerruflich durch die Betriebsstättenleitung - EDV-gestützt mittels der bereitgestellten Dienstplansoftware durch die zuständige Stationsleitung eigenverantwortlich und unter Beachtung der in der Präambel genannten Grundsätze sowie der oben aufgeführten Dienst- und Pausenzeiten.

                 

Die Dienstpläne werden spätestens am Fünfzehnten des Monats vor dem Gültigkeitszeitraum von der Betriebsstättenleitung geprüft und als Sollplan festgeschrieben. ...

                 

Bei Krankheit, Dienstbefreiung, Jahresurlaub, Zusatzurlaub, Sonderurlaub unter Fortzahlung der Bezüge, geplanter Dienstbefreiung, Mutterschutz, Kur wird die täglich anzurechnende Arbeitszeit mit 8 Arbeitsstunden bewertet.

                 

…       

        

…“    

        
10

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Sollarbeitszeit iSd. tariflich oder einzelvertraglich geschuldeten Arbeitszeit sei nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K für den 24. Dezember und 31. Dezember um jeweils acht Stunden zu vermindern, wenn diese Tage auf einen Werktag fielen und er dienstplanmäßig nicht arbeiten müsse. Die regelmäßige Arbeitszeit iSv. § 6 Abs. 1 TVöD-K sei als wöchentliche Sollarbeitszeit zu verstehen. Eine Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K dahin, dass sich die regelmäßige Arbeitszeit nur dann verringere, wenn allein der Vorfeiertag ursächlich für den Ausfall von Stunden nach dem Dienstplan sei, verbiete sich. § 6 Abs. 3 Satz 1 TVöD-K sehe bezahlte Freistellung von der Arbeit für die Arbeitnehmer vor, die an beiden Vorfeiertagen oder an einem von ihnen zur Arbeit verpflichtet seien, aber unter Berücksichtigung der betrieblichen oder dienstlichen Verhältnisse von der Arbeitspflicht freigestellt werden könnten. § 6 Abs. 3 Satz 2 TVöD-K regle den umgekehrten Fall, in dem eine solche Freistellung nicht möglich sei und deshalb Freizeitausgleich gewährt werden müsse. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K schließlich betreffe die Konstellation, in der Arbeitnehmer an beiden Vorfeiertagen oder an einem von ihnen nach dem Dienstplan nicht arbeiten müssten, sofern die Vorfeiertage auf einen Werktag fielen. Daran werde deutlich, dass allen Arbeitnehmern zusätzliche bezahlte Freizeit an Heiligabend und Silvester verschafft und die unter Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrags aufgetretene Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern in der Verwaltung und Arbeitnehmern im Schichtdienst überwunden werden solle.

11

Der Kläger hat vor dem Landesarbeitsgericht zuletzt, soweit für die Revision von Interesse, beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, seine Sollarbeitszeit in der Woche des 24. Dezember und des 31. Dezember eines Jahres, wenn der 24. Dezember und der 31. Dezember auf einen Werktag fallen und er am 24. Dezember und/oder 31. Dezember des Jahres dienstplanmäßig frei hat, um jeweils acht Stunden zu vermindern.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, dass sich die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K wegen des differenzierenden Merkmals der „dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden“ lediglich dann reduziere, wenn der Vorfeiertag die alleinige Ursache für den Ausfall dienstplanmäßiger Stunden an einem Werktag gewesen sei. Nur die im Dienstplan vorgesehenen Stunden könnten ausfallen. Falle der Vorfeiertag dagegen auf einen nach dem Dienstplan freien Tag, sei die Situation mit der eines Vorfeiertags am Wochenende vergleichbar, wenn die Arbeit gleichförmig von Montag bis Freitag geleistet werde. § 6 Abs. 3 TVöD-K beziehe sich auf die „regelmäßige Arbeitszeit“ und nicht auf die „Sollarbeitszeit“. Die Begriffe seien zu unterscheiden. Durch den in § 6 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 TVöD-K definierten Begriff der „regelmäßigen Arbeitszeit“ werde die Arbeitsleistung bestimmt, die der Arbeitnehmer für sein verstetigtes monatliches Tabellenentgelt schulde. Die „Sollarbeitszeit“, die sich aus den betrieblichen Bedürfnissen ergebe, werde grundsätzlich vom Arbeitgeber im Rahmen des Direktionsrechts durch den Dienstplan vorgegeben. Damit lege der Arbeitgeber konkret-individuell fest, wann und in welchem Umfang Arbeit zu leisten sei. Der TVöD-K kenne daher Arbeitsleistungen, die Teil der „Sollarbeitszeit“, nicht aber der „regelmäßigen Arbeitszeit“ seien, wie etwa Überstunden iSv. § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K oder Mehrarbeit iSv. § 7 Abs. 6 TVöD-K. Als Ausgleichszeitraum für den Durchschnitt der „regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit“ könne bei ständig zu leistender Wechselschicht- oder Schichtarbeit zudem nach § 6 Abs. 2 Satz 2 TVöD-K ein Zeitraum von über einem Jahr zugrunde gelegt werden. Sonst sei die Jahresarbeitsleistung Berechnungsgrundlage der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitsleistung. Unter Berücksichtigung von § 24 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K errechne sich in der 38,5-Stunden-Woche eine konkrete Zahl von 2.008,776 Arbeitsstunden im Jahreszeitraum (4,348 Wochen x 12 Monate x 38,5 Stunden). Als Rechtsfolge des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K vermindere sich die vom Arbeitnehmer zu leistende Stundenzahl automatisch ohne rechtsgeschäftliches oder tatsächliches Handeln des Arbeitgebers. Die Gegenleistung des Arbeitgebers bleibe unverändert.

13

Das Arbeitsgericht hat die vor ihm erhobene Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem zuletzt noch rechtshängigen, erstmals in zweiter Instanz gestellten Antrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die klageabweisende Entscheidung erster Instanz hinsichtlich des zuletzt noch gestellten Antrags wiederhergestellt wissen.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der noch rechtshängigen Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

15

A. Die Klage ist zulässig.

16

I. Sie ist auslegungsbedürftig.

17

1. Der Kläger erstrebt nach dem Wortlaut seines noch rechtshängigen Antrags die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, seine Sollarbeitszeit in der Woche des 24. Dezember und des 31. Dezember eines Jahres um jeweils acht Stunden zu vermindern, wenn der 24. Dezember und 31. Dezember auf einen Werktag fallen und er am 24. Dezember und/oder 31. Dezember des Jahres dienstplanmäßig frei hat.

18

2. Das Landesarbeitsgericht hat diesem Antrag stattgegeben. Es hat den Begriff der „Sollarbeitszeit“ mit dem der „regelmäßigen Arbeitszeit“ iSv. § 6 Abs. 1, Abs. 3 Satz 3 TVöD-K gleichgesetzt. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, der dienstplanmäßige Arbeitsausfall am 24. Dezember und 31. Dezember habe zur Folge, dass die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers, die Sollarbeitszeit, nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K um die an diesen Tagen hypothetisch zu leistende Arbeitszeit zu verringern sei.

19

3. Das Landesarbeitsgericht hat übersehen, dass die regelmäßige Arbeitszeit durch § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K nicht durch gestaltenden Akt des Arbeitgebers, sondern von Rechts wegen vermindert wird. Das rügt die Revision zu Recht. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt für die Beschäftigten im Tarifgebiet West nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b TVöD-K durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich ohne Pausen. § 6 Abs. 2 Satz 1 TVöD-K sieht vor, dass für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen ist. Davon abweichend kann bei Beschäftigten, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit zu leisten haben, nach § 6 Abs. 2 Satz 2 TVöD-K ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden. An den Ausgleichszeiträumen zeigt sich, dass die regelmäßige Wochenarbeitszeit iSv. § 6 Abs. 1 TVöD-K nicht in jeder Woche des Jahres gleichmäßig abgefordert werden muss, sondern nur im Wochendurchschnitt eines der Berechnungszeiträume des § 6 Abs. 2 Satz 1 oder 2 TVöD-K einzuhalten ist. Das ermöglicht es, Schwankungen des Arbeitsanfalls bei der Festlegung der konkreten Wochenarbeitszeit zu berücksichtigen. Damit kann der Dienstplan für Zeiten stärkeren Arbeitsanfalls eine höhere als die durchschnittliche Wochenarbeitszeit und für Zeiten schwächeren Arbeitsanfalls eine geringere Wochenarbeitszeit vorsehen (vgl. BAG 17. Dezember 2009 - 6 AZR 729/08 - Rn. 35, BAGE 133, 14). Die mithilfe dieser Ausgleichszeiträume zu berechnende regelmäßige Arbeitszeit verringert sich nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K „automatisch“.

20

4. Die Rechtsfolge der verminderten regelmäßigen Arbeitszeit des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K muss vom Arbeitgeber jedoch bei der Dienstplangestaltung, der Arbeitszeiterfassung und der Vergütung umgesetzt werden. Geschieht das nicht, entstehen nachgelagerte Ansprüche des Arbeitnehmers auf Beseitigung des tarifwidrigen Zustands.

21

a) Geht es um die Korrektur der Arbeitszeiterfassung auf einem Arbeitszeitkonto, kommt dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos aus § 611 Abs. 1 BGB zu, wenn das Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch nach der zugrunde liegenden Abrede verbindlich bestimmt(vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 560/10 - Rn. 21; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, BAGE 136, 152). Solche Arbeitszeitkonten iSv. § 10 TVöD-K wurden im Betrieb der Beklagten durch die BV Dienstplan vom 10. Februar 2009 mit Wirkung vom 1. März 2009 eingerichtet.

22

b) Mit dem zuletzt gestellten Antrag geht es dem Kläger um die allgemeine zukunftsgerichtete Feststellung der für die Vorfeiertage des 24. Dezember und 31. Dezember zu vermindernden Sollarbeitszeit. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K ist Ausgangspunkt für den Inhalt der vorzunehmenden Korrekturbuchung. Ist wegen einer entgegen § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K unterbliebenen Reduzierung der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit Mehrarbeit des Teilzeitbeschäftigten iSv. § 7 Abs. 6 TVöD-K angefallen, sind die arbeitsvertraglichen, betrieblichen oder tariflichen Regelungen zum Ausgleich von Mehrarbeit als Anspruchsgrundlage heranzuziehen.

23

aa) Die Revision räumt selbst ein, dass der TVöD-K Arbeitsleistungen kenne, die Teil der sog. Sollarbeitszeit, nicht aber der regelmäßigen Arbeitszeit seien, wie zB Überstunden iSv. § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K oder Mehrarbeit iSv. § 7 Abs. 6 TVöD-K. Diese Sollarbeitszeit werde grundsätzlich vom Arbeitgeber - ggf. mitbestimmt - vorgegeben, der sein Weisungsrecht durch den Dienstplan ausübe. Die Weisung durch die festgelegte Sollarbeitszeit bestimme im Einzelfall, wann und in welchem Umfang Arbeit zu leisten sei.

24

bb) Der Kläger bezieht sich mit dem Begriff der Sollarbeitszeit demgegenüber auf die BV Dienstplan vom 10. Februar 2009. Danach ist die Sollarbeitszeit die für den Erhalt des verstetigten Tabellenentgelts zu leistende regelmäßige Arbeitszeit. Im Fall des Klägers handelt es sich dabei um die auf seine Teilzeitquote heruntergerechnete regelmäßige tarifliche Arbeitszeit iSv. § 6 Abs. 1 TVöD-K von 30,8 Wochenstunden. In diesem Sinn hat auch das Bundesarbeitsgericht den Begriff der Sollarbeitszeit wiederholt gebraucht (vgl. BAG 25. April 2013 - 6 AZR 800/11 - Rn. 16 ff., 40; 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09 - Rn. 17, BAGE 136, 290; 11. Februar 2009 - 5 AZR 341/08 - Rn. 11). Die Sollarbeitszeit ist monatlich zu verplanen und systemtechnisch auf den jeweiligen Kalendermonat zu ermitteln (Nr. 4 Abs. 2 BV Dienstplan). Die von der Revision unter den Begriff der Sollarbeitszeit gefasste, kraft Direktionsrechts angeordnete individuelle Arbeitszeit einschließlich von Mehrarbeit und Überstunden wird in Nr. 4 Abs. 8 und 9 BV Dienstplan dagegen als „Sollplan“ bezeichnet. Er wird unter Berücksichtigung allgemeiner Regelungen zu Pausen- und Dienstzeiten von der Stationsleitung erstellt und von der Betriebsleitung nach Prüfung festgeschrieben. Die betrieblichen Regelungen zur Dienstplanerstellung und Arbeitszeiterfassung differenzieren demnach zwischen der Sollarbeitszeit als der für das Tabellenentgelt geschuldeten regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit und dem Sollplan als der im jeweiligen Planungszeitraum kraft Weisungsrechts festgelegten Arbeitszeit.

25

cc) Aufgrund der Anknüpfung an die regelmäßige Arbeitszeit in § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K kann nach diesem Verständnis ermittelt werden, ob und in welchem Umfang Mehrarbeit angefallen ist. Der gegen den Arbeitgeber zu richtende Folgeanspruch infolge der „automatischen“ Verringerung der regelmäßigen Arbeitszeit im Umfang der für das Tabellenentgelt geschuldeten regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit durch § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K richtet sich auf die Korrektur der Sollarbeitszeit. Auf diese Weise soll der Arbeitszeitsaldo iSd. der Differenz zwischen der Soll- und der Istarbeitszeit ermittelt werden. Die Zeitgutschrift kann nicht für die Vorfeiertagsstunden, aber für die ggf. infolge der Verminderung der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K an anderen Tagen geleistete Mehrarbeit verlangt werden. Der Senat hat die Entscheidungsformel des Landesarbeitsgerichts deshalb entsprechend der Formulierung im tariflichen Ausgangspunkt des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K klargestellt.

26

II. In der vorzunehmenden Auslegung ist der noch erhobene Feststellungsantrag zulässig.

27

1. Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

28

a) Der auf einem Arbeitszeitkonto ausgewiesene Zeitsaldo gibt Auskunft darüber, in welchem Umfang der Arbeitnehmer Arbeit geleistet hat und daher Vergütung beanspruchen kann oder in welchem Umfang er noch Arbeit für das vereinbarte Entgelt leisten muss. Der Zeitsaldo als Differenz zwischen Soll- und Istarbeitszeit ist Grundlage für Ansprüche des Arbeitnehmers auf Vergütung oder Freizeitausgleich. Der Arbeitnehmer kann entweder die Erhöhung seines Zeitguthabens um eine bestimmte Stundenzahl oder eine Zeitgutschrift in bestimmter Höhe verlangen (vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 560/10 - Rn. 15; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11, BAGE 136, 152). In diesen Fällen ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

29

b) Dem wird der noch gestellte Antrag gerecht. Der Kläger will nach gebotener Auslegung festgestellt wissen, dass die Beklagte verpflichtet ist, seine Sollarbeitszeit für den 24. Dezember und/oder 31. Dezember eines Jahres um jeweils acht Stunden zu vermindern, wenn der 24. Dezember und/oder 31. Dezember auf einen Werktag fallen und er am 24. Dezember und/oder 31. Dezember des Jahres dienstplanmäßig frei hat. Eine für den 24. Dezember und 31. Dezember insgesamt um 16 Stunden zu hoch angesetzte Sollarbeitszeit führt im Abgleich mit der Istarbeitszeit dazu, dass der Zeitsaldo im Umfang von 16 Stunden zuungunsten des Klägers ausfällt, also eine zu geringe Zahl von Plusstunden oder - je nach aktuellem Saldo - eine zu hohe Zahl von Minusstunden ausweist (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 25. Januar 2013 - 6 Sa 405/12 - zu A II 1 b der Gründe).

30

2. Der Feststellungsantrag wahrt die Erfordernisse des § 256 Abs. 1 ZPO.

31

a) Der Kläger will eines seiner Rechte aus dem Arbeitsverhältnis geklärt wissen, das für die Rechtsbeziehungen der Parteien auch gegenwärtig und künftig von Bedeutung ist. Die Auslegung von § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K und die Anwendung dieser Tarifnorm auf das Dienstplanmodell der Beklagten haben unmittelbare Auswirkungen auf den Umfang der vom Kläger geschuldeten Arbeitszeit.

32

b) Da die Beklagte von einer anderen Tarifauslegung als der Kläger ausgeht, kommt dem Kläger ein Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zu. Eine Leistungsklage ist nicht vorrangig. Ausweislich der Betriebsvereinbarung vom 28. Januar 2009 strebt die Beklagte selbst eine höchstrichterliche Klärung der Auslegung von § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K an, um sie danach umzusetzen. Weiterer Streit der Parteien kann deshalb auch durch einen feststellenden Ausspruch vermieden werden.

33

B. Die noch erhobene Feststellungsklage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass der Zeitsaldo auf seinem Arbeitszeitkonto für den 24. Dezember und/oder 31. Dezember eines Jahres zu seinen Gunsten durch Verringerung des Arbeitszeitsolls um jeweils acht Stunden korrigiert wird, wenn der 24. Dezember und/oder 31. Dezember auf einen Werktag fallen und der Kläger am 24. Dezember und/oder 31. Dezember des Jahres dienstplanmäßig frei hat.

34

I. Der festzustellende Anspruch ergibt sich aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K und Nr. 4 BV Dienstplan. Ein Arbeitszeitkonto drückt aus, in welchem Umfang der Arbeitnehmer Arbeit geleistet hat und er daher Vergütung beanspruchen kann bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte Vergütung erbringen muss. Da das von der Beklagten geführte Arbeitszeitkonto nur in anderer Form den Entgeltanspruch des Klägers ausdrückt, hat er einen arbeitsvertraglichen Anspruch darauf, dass das Zeitkonto richtig geführt wird (vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 560/10 - Rn. 21; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, BAGE 136, 152). Die Auszahlung eines verstetigten Tabellenentgelts an den Kläger widerspricht dem nicht. Sie dient nur dazu, ihm gleichmäßige Einkünfte zu sichern. Grundsätzlich besteht aber kein endgültiger Leistungsanspruch des Klägers unabhängig vom Arbeitszeitkonto (vgl. BAG 14. August 2002 - 5 AZR 417/01 - zu II 2 a der Gründe; 13. Februar 2002 - 5 AZR 470/00 - zu I 2 b bb der Gründe, BAGE 100, 256).

35

II. Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K vermindert sich die regelmäßige Arbeitszeit für den 24. Dezember und 31. Dezember, sofern die Tage auf Werktage fallen, um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden.

36

1. Der Kläger arbeitet nach Dienstplan. Er ist an wechselnden Tagen in der Woche eingesetzt. Nr. 4 BV Dienstplan gibt Rahmenbedingungen für die Verteilung der Schichten und der arbeitsfreien Tage sowie Wochenenden und damit ein grobes Schema vor, nach dem festgelegt wird, an welchen Kalendertagen innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zu arbeiten ist (vgl. zu § 15 Abs. 8 Unterabs. 2 BAT schon BAG 27. September 1983 - 3 AZR 159/81 - zu I 1 der Gründe, BAGE 44, 160).

37

2. Auf die Frage, ob der Kläger an den Vorfeiertagen des 24. Dezember und 31. Dezember wegen der Vorfeiertage oder unabhängig von den Vorfeiertagen freigestellt wird, kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht an. Der Kläger hat Anspruch auf Verminderung seiner Sollarbeitszeit für den 24. Dezember und 31. Dezember eines Jahres um seine tägliche Arbeitszeit von jeweils acht Stunden, wenn der 24. Dezember und 31. Dezember auf einen Werktag fallen und er am 24. Dezember und/oder 31. Dezember des Jahres dienstplanmäßig frei hat. Dafür sprechen Wortlaut, Zusammenhang und Zweck des § 6 Abs. 3 TVöD-K. Darauf beruft sich der Kläger zu Recht.

38

a) § 6 Abs. 3 TVöD-K enthält ein differenziertes System zur Regelung der Arbeitszeit an den Vorfeiertagen des 24. Dezember und 31. Dezember. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 TVöD-K sind die Arbeitnehmer gegen Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freizustellen, die an beiden Vorfeiertagen oder an einem von ihnen zur Arbeit verpflichtet sind, aber unter Berücksichtigung der betrieblichen oder dienstlichen Verhältnisse von der Arbeitspflicht freigestellt werden können. § 6 Abs. 3 Satz 2 TVöD-K regelt den umgekehrten Fall, in dem eine solche Freistellung nicht möglich ist und deswegen auf Freizeitausgleich zurückgegriffen werden muss. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K schließt das Regelungsgefüge mit der Sachverhaltsgestaltung ab, in der Arbeitnehmer an beiden Vorfeiertagen oder an einem von ihnen nach dem Dienstplan nicht arbeiten müssen, die Vorfeiertage jedoch auf einen Werktag fallen.

39

b) Arbeitsstunden fallen dienstplanmäßig iSv. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K aus, wenn nach dem Dienstplan an bestimmten Kalendertagen Freizeit vorgesehen ist. Die Protokollerklärung zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K greift diesen Regelungsgehalt auf. Danach betrifft die Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit die Beschäftigten, die wegen des Dienstplans frei haben und daher ohne diese Regelung nacharbeiten müssten. Die Protokollerklärung schränkt den Anwendungsbereich von § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K nicht ein. Sie erläutert ihn nur.

40

c) Die von der Revision vertretene Ansicht, dass sich die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K wegen des differenzierenden Merkmals der „dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden“ nur dann verringere, wenn der Vorfeiertag die alleinige Ursache für den Ausfall dienstplanmäßiger Stunden an einem Werktag gewesen sei, ließe § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K allerdings anders als im Bereich der Feiertagsregelung des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT einen eigenständigen Anwendungsbereich. Die ohne die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K bestehende Verpflichtung zur Nacharbeit steht in einem durch das Wort „deshalb“ bewirkten Kausalzusammenhang zur dienstplanmäßigen Arbeitsbefreiung am Vorfeiertag. Die Arbeitspflicht soll nach der Protokollerklärung „deshalb“ bestehen, weil der Beschäftigte wegen des Dienstplans am Vorfeiertag frei hatte. Das betrifft nur Beschäftigte, bei denen der Dienstplan die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall am Vorfeiertag ist, und nicht solche, bei denen der Arbeitgeber die Vorfeiertage bei der Dienstplangestaltung gezielt ausspart (vgl. BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09 - Rn. 14, BAGE 136, 290). Beschäftigte, die allein wegen der Dienstplangestaltung an einem Vorfeiertag frei haben, müssen ihre regelmäßige Arbeit stets an anderen Tagen der Woche erbringen. Ob die Arbeit vor dem Vorfeiertag oder danach geleistet wird, ist unerheblich. Die Konstellation, in der der Dienstplan die ausschließliche Ursache des Arbeitsausfalls am Vorfeiertag ist, ist aber anders als bei gesetzlichen Feiertagen regelungsbedürftig. An Vorfeiertagen steht solchen Arbeitnehmern nach § 2 Abs. 1 EFZG keine Entgeltfortzahlung zu.

41

d) Der dem Wortlaut, dem Zusammenhang und der Tarifgeschichte zu entnehmende Zweck des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K macht jedoch deutlich, dass auch Arbeitnehmer, die allein wegen des Dienstplans am Vorfeiertag nicht arbeiten müssen, bezahlte Freizeit erlangen sollen. Sie sollen den Beschäftigten, die infolge des Vorfeiertags frei haben, gleichgestellt werden. Allen Beschäftigten soll zusätzliche bezahlte Freizeit für Heiligabend und Silvester zukommen, unabhängig davon, ob sie nach dem Dienstplan zur Arbeit verpflichtet oder nicht zur Arbeit eingeteilt sind. Darauf deuten der tarifliche Gesamtzusammenhang und die Tarifgeschichte hin.

42

aa) Der Tatbestand des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K erschließt sich in seinem Sinngehalt nicht ohne einen Blick auf § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT und die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. Bei der Normsetzung erfüllten die Tarifvertragsparteien eine Forderung nach Gleichstellung der feiertagsunabhängigen und feiertagsbedingten Freistellung an gesetzlichen Feiertagen (vgl. BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09  - Rn. 1 5 , BAGE 136, 290; LAG Rheinland-Pfalz 25. Januar 2013 - 6 Sa 405/12 - zu A II 2 b bb (2) (b) (dd) der Gründe; LAG Hamm 24. Mai 2012 - 11 Sa 1750/11 -). In diese Gleichstellung sollten die Vorfeiertage des 24. Dezember und 31. Dezember einbezogen werden, wie die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT zeigt(vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Juni 2011 E § 6 Rn. 41b; Welkoborsky in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TVöD Stand März 2009 § 6 TVöD-AT Rn. 10a). Entsprechendes gilt für § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K. Die im Ausgangspunkt beabsichtigte Gleichstellung der gesetzlichen Feiertage und der besonderen Vorfeiertage des 24. Dezember und 31. Dezember im Krankenhausbereich geht insbesondere daraus hervor, dass die Sonn- und Feiertagsregelung des § 6.1 TVöD-K nach dessen Eingangssatz § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K(nur) ergänzt.

43

bb) Nach § 2 Abs. 1 EFZG besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch für einen arbeitsfreien gesetzlichen Feiertag bei Arbeit nach einem Schichtplan nur dann, wenn die planmäßige Freistellung durch die gesetzliche Feiertagsruhe bestimmend beeinflusst ist, durch die Ausdünnung oder den Ausfall von Schichten aufgrund eines feiertagsbedingt verminderten Leistungsbedarfs. § 2 Abs. 1 EFZG begründet dagegen keinen Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn sich die Freistellung aus einem Planschema ergibt, das von der gesetzlichen Feiertagsruhe unabhängig ist, etwa weil der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung durch den Feiertag nicht oder nicht wesentlich geringer ist. Dass der Arbeitnehmer an diesem Tag planmäßig frei hat, liegt dann nicht am Feiertag, sondern dient zB dazu, einen Fünftagesrhythmus einzuhalten (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Juni 2011 E § 6 Rn. 41, 41a).

44

cc) Für diese Fälle der feiertagsunabhängigen Freistellung hatten die Vorgängertarifverträge (§ 15 BAT, § 15 MTArb, §§ 14, 15 BMT-G)keine Regelung getroffen. Es blieb insbesondere bei der Verpflichtung der Schichtdienstleistenden, die regelmäßige Wochenarbeitszeit zu leisten. Die planmäßige Freistellung an einem Feiertag wirkte sich darauf ebenso wenig aus wie die Freistellung an einem sonstigen Wochentag. Das wurde als Schlechterstellung der Schichtdienstleistenden gegenüber den Normaldienstleistenden in der Verwaltung kritisiert (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Juni 2011 E § 6 Rn. 41a; Welkoborsky in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TVöD Stand März 2009 § 6 TVöD-AT Rn. 10a).

45

dd) In die bezahlte Freistellung am 24. Dezember und 31. Dezember vor 12:00 Uhr waren die Schichtdienstleistenden, die dienstplanmäßig frei hatten, jedoch bereits nach den Protokollnotizen zu § 16 Abs. 2 BAT und § 16 Abs. 2 MTArb und der Protokollerklärung zu § 15 Abs. 4 BMT-G einbezogen. Das sollte im neuen Tarifrecht beibehalten und weiter integriert werden (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Juni 2011 E § 6 Rn. 41a).

46

ee) Zudem waren gleichförmige Regelungen wie im Beamtenrecht angestrebt. Für Beamte im Schichtdienst war bereits seit 1999 vorgesehen, dass sich ihre regelmäßige Arbeitszeit für jeden gesetzlichen Feiertag sowie für den 24. Dezember und 31. Dezember in demselben Umfang verminderte wie für Beamte desselben Verwaltungszweigs mit fester Arbeitszeit (vgl. § 1 Abs. 2 AZV idF vom 3. August 1999 BGBl. I S. 1745 und § 3 Abs. 3 AZV idF vom 23. Februar 2006 BGBl. I S. 427; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Juni 2011 E § 6 Rn. 41a).

47

ff) Aus dieser tariflichen Entstehungsgeschichte leitet sich zugleich der Zweck des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT und des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K ab. Danach soll jeder, der an einem Wochenfeiertag, am 24. Dezember oder 31. Dezember nicht zu arbeiten braucht, für weniger Arbeit die gleiche Vergütung erhalten. Das gilt selbst dann, wenn dem Beschäftigten wegen feiertags- oder vorfeiertagsunabhängiger planmäßiger Freistellung kein unmittelbarer Anspruch aus § 2 Abs. 1 EFZG oder § 6 Abs. 3 Satz 1 TVöD-K zusteht. Die Gleichstellung der (vor-)feiertagsbedingten und der dienstplanbedingten Freistellung an (Vor-)Feiertagen unterscheidet sich lediglich in der rechtlichen Konstruktion. Bei (vor-)feiertagsbedingter Freistellung bleibt das Arbeitszeitsoll grundsätzlich unverändert. Der Vergütungsausfall wird bei den gesetzlichen Feiertagen durch den gesetzlichen Entgeltfortzahlungsanspruch aus § 2 Abs. 1 EFZG und bei den Vorfeiertagen des 24. Dezember und 31. Dezember durch den tariflichen Entgeltfortzahlungsanspruch aus § 6 Abs. 3 Satz 1 TVöD-K ausgeglichen. Bei (vor-)feiertagsunabhängiger Freistellung wird demgegenüber das für den vollen Vergütungsanspruch maßgebliche Arbeitszeitsoll herabgesetzt (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Juni 2011 E § 6 Rn. 41a, 41b). Ob die Tarifvertragsparteien mit dieser Gleichstellung eine überzeugende Regelung getroffen haben, hat der Senat nicht zu beurteilen. Anhaltspunkte für eine Überschreitung ihrer Regelungsmacht bestehen nicht.

48

gg) Der tarifliche Regelungszusammenhang steht diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K regelt im Unterschied zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT ausschließlich die Vorfeiertage des 24. Dezember und 31. Dezember, nicht auch die gesetzlichen Feiertage. Das beruht auf dem Umstand, dass die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K für die gesetzlichen Feiertage durch § 6.1 TVöD-K ergänzt wird. Diese Norm übernimmt die für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen speziellere Regelung des § 49 TVöD-BT-K. § 6.1 Abs. 2 TVöD-K weicht für Feiertage auf der Tatbestandsseite ausdrücklich von § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K ab. Die Bestimmung regelt zwei Fälle, die dienstplanmäßige Arbeit und die dienstplanmäßige Freistellung. Dagegen betrifft § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K nur die dienstplanmäßige Freistellung. Die Rechtsfolgen sind im Umfang der Verminderung der Arbeitszeit unterschiedlich ausgestaltet. Nach § 6.1 Abs. 2 TVöD-K verringert sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für jeden gesetzlichen Feiertag, der auf einen Werktag fällt, generell um ein Fünftel der arbeitsvertraglich vereinbarten durchschnittlichen Wochenarbeitszeit. Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K, den § 6.1 TVöD-K nach seinem Eingangssatz ergänzt, muss demgegenüber individuell festgestellt werden, wie viele Stunden der betreffende Arbeitnehmer hätte arbeiten müssen, wenn er dienstplanmäßig zur Vorfeiertagsarbeit herangezogen worden wäre. Nur diese Stundenzahl ist von der Sollarbeitszeit abzusetzen (vgl. zu § 49 Abs. 2 TVöD-BT-K BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09  - Rn. 1 6 , BAGE 136, 290).

49

C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Augat    

        

    Cl. Peter    

                 

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

I. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 2. Juli 2013 - 14 Sa 1706/12 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 24. Oktober 2012 - 2 Ca 380/12 - teilweise abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.178,76 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Mai 2012 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz haben die Klägerin 64 % und die Beklagte 36 % zu tragen, von denen des Berufungsverfahrens und der Revision die Klägerin 61 % und die Beklagte 39 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Auszahlung eines Arbeitszeitguthabens.

2

Die Klägerin wurde von der Beklagten, die mehrere Textileinzelhandelsgeschäfte betreibt, zum 1. Juni 2007 als Bürofachkraft eingestellt. Sie erledigte Sekretariats- und Assistenztätigkeiten für die Geschäftsführung und leitete zuletzt das sogenannte „Back Office“. Ihre Hauptaufgaben verrichtete sie im Vorzimmer der Geschäftsführung. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung am 31. März 2012.

3

Grundlage des Arbeitsverhältnisses war zunächst ein schriftlicher, von der Beklagten gestellter Arbeitsvertrag vom 28. April 2007 (im Folgenden Arbeitsvertrag 2007), der unter anderem folgende Regelungen enthielt:

        

„§ 3 Vergütung

        

Die monatliche Bruttovergütung beträgt 2.500 €. Die Vergütung wird jeweils am Letzten eines Monats fällig. Die Zahlung erfolgt bargeldlos auf das der Firma benannte Konto des Arbeitnehmers.

        

…       

        

§ 7 Arbeitszeit

        

Die Arbeitszeit ist flexibel und richtet sich nach der betriebsüblichen Zeit. Vereinbart werden monatlich 163 Stunden ohne die Berücksichtigung von Pausen. Mehr bzw. Minderstunden werden über ein Zeitkonto abgerechnet. Bei Austritt aus dem Unternehmen wird der Saldo mit dem durchschnittlichen Stundenlohn verrechnet. Arbeitsbeginn und Arbeitsende richten sich nach der jeweiligen Personaleinsatzplanung. Die Firma ist berechtigt, aus dringenden betrieblichen Erfordernissen eine Änderung der Arbeitszeiteinteilung vorzunehmen.

        

…       

        

§ 12 Tarifvertrag

        

Ergänzend gelten die Regelungen des Tarifvertrages für den Einzelhandel in NRW in seiner jeweils geltenden Fassung.

        

§ 13 Ausschlussklausel

        

Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis müssen innerhalb eines Monats nach Zugang der letzten Gehaltsabrechnung geltend gemacht werden; anderenfalls sind sie verwirkt.

        

§ 14 Nebenabreden

        

Nebenabreden und Änderungen des Vertrages bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der Schriftform. Dieses Formerfordernis kann weder mündlich noch stillschweigend aufgehoben oder außer Kraft gesetzt werden. Eine etwaige Ungültigkeit einzelner Vertragsbestimmungen berührt die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht.“

4

Am 22. Februar 2008 vereinbarten die Parteien in einem „Nachtrag 1 zum unbefristeten Arbeitsvertrag vom 28. April 2007“ unter Beibehaltung der übrigen vertraglichen Vereinbarungen eine Änderung der Kündigungsfrist und eine Erhöhung der Vergütung der Klägerin zum 1. März 2008 auf 2.750,00 Euro brutto und zum 1. Januar 2009 auf 3.000,00 Euro brutto.

5

Mit Formulararbeitsvertrag vom 13./27. November 2008 (im Folgenden Arbeitsvertrag 2008), der gemäß § 1 Abs. 1 mit Wirkung zum 1. Januar 2009 den Arbeitsvertrag vom 28. April 2007 sowie den Nachtrag 1 vom 22. Februar 2008 ersetzte, vereinbarten die Parteien ua. bei gleichbleibender Vergütung in § 7 Abs. 1 eine Verlängerung der monatlichen Arbeitszeit auf 173 Stunden. Im Übrigen blieb § 7 unverändert. Die §§ 12 bis 14 stimmen mit denen des Arbeitsvertrags 2007 überein.

6

Im Manteltarifvertrag für die Unternehmen des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen vom 25. Juli 2008 (im Folgenden MTV), abgeschlossen mit Wirkung zum 1. Januar 2007, ist ua. geregelt:

        

㤠24 Verfallklausel

        

(1)     

Die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen wie folgt:

                 

a)    

3 Monate nach Fälligkeit:

                          

Ansprüche auf Abgeltung der Überstunden;

                 

b)    

spätestens 3 Monate nach Ende des Urlaubsjahres bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

                          

Ansprüche auf Urlaub, Urlaubsabgeltung und Sonderzahlungen;

                 

c)    

6 Monate nach Fälligkeit:

                          

alle übrigen aus Tarifvertrag und Arbeitsverhältnis entstandenen finanziellen Ansprüche.

        

(2)     

Die Ansprüche verfallen nicht, sofern sie innerhalb der vorgenannten Fristen schriftlich geltend gemacht worden sind.

        

(3)     

Vorstehende Fristen gelten als Ausschlussfristen.

        

(4)     

Unter die Verfallklausel fallen nicht solche Ansprüche eines Arbeitgebers oder eines Arbeitnehmers gegen einen Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, die auf eine strafbare Handlung oder eine unerlaubte Handlung gestützt werden. Für diese Ansprüche gelten die gesetzlichen Vorschriften.“

7

Die Bestimmung wurde in der durch den Ergänzungstarifvertrag vom 29. Juni 2011 geänderten Fassung des MTV beibehalten.

8

Die Beklagte händigte der Klägerin für den Zeitraum 1. Juni 2007 bis 25. November 2008 mit „Bericht Arbeitszeit Verkäufer“ überschriebene Aufstellungen aus, in denen Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit, die Gesamtstunden, die Pausen sowie die bezahlte Arbeitszeit ausgewiesen sind. Die Plus-Differenz zwischen geleisteten und vergüteten Stunden belief sich danach auf 414 Stunden. In der Folgezeit erfasste die Beklagte die Arbeitszeit der Klägerin nicht mehr und händigte ihr keine weiteren Berichte aus.

9

Die Klägerin führte ab dem 26. November 2008 eine eigene Arbeitszeitaufstellung. Darin hat sie für jeden Arbeitstag ihre Regelarbeitszeit, Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit und Pausenzeiten festgehalten sowie Mehr- und Minderarbeit fortlaufend saldiert. Aus dieser Aufstellung ergeben sich für den Zeitraum 26. November 2008 bis 30. Dezember 2011 eine Plus-Differenz von 643 Stunden und 10 Minuten sowie - ergänzend zu den Berichten der Beklagten - für den 30. und 31. August 2008 zusätzlich 1,5 Gutstunden. Die Aufstellung legte die Klägerin der Beklagten nicht vor.

10

Mit Schreiben vom 24. Februar 2012 forderte die Klägerin die Beklagte unter Hinweis auf § 7 Arbeitsvertrag auf, ihr eine Abrechnung des Arbeitszeitkontos zu übersenden. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 28. Februar 2012 mit der Begründung ab, das Arbeitszeitkonto stehe auf null. Ihre Ablehnung wiederholte sie auf eine nochmalige schriftliche Aufforderung vom 6. März 2012.

11

Mit ihrer am 23. März 2012 eingereichten Klage hat die Klägerin zuletzt die Abgeltung des von ihr für den Zeitraum 1. Juni 2007 bis 31. März 2012 behaupteten Zeitguthabens verlangt. Sie hat geltend gemacht, der Geschäftsführer der Beklagten habe sich am 26. Januar 2009, als er ihr das nicht vollständige Arbeitszeitkonto für November 2008 übergeben habe, geweigert ihre Arbeitszeitaufstellungen entgegen zu nehmen und auch für die Zukunft die Führung eines Arbeitszeitkontos abgelehnt. Er habe die Anweisung erteilt, ihre Arbeitszeiten nicht mehr zu erfassen. Zu den in ihren Arbeitszeitaufstellungen genannten Zeiten habe sie im Betrieb der Beklagten gearbeitet. Durch ihre Tätigkeit im Vorzimmer des Geschäftsführers sei dieser auch jederzeit über ihre Arbeitszeit orientiert gewesen. Sie habe Überstunden leisten müssen, weil sämtliche Geschäftsanfälle auf Weisung des Geschäftsführers sofort zu bearbeiten gewesen seien.

12

Die Klägerin hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 18.357,28 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Mai 2012 zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, das Arbeitszeitkonto stehe auf null. Ein Arbeitszeitkonto sei nicht mehr zu führen gewesen, weil die Parteien bereits kurz nach Beginn des Arbeitsverhältnisses Vertrauensarbeitszeit vereinbart hätten. Überstunden seien von ihr nicht angeordnet, gebilligt oder geduldet worden. Sie seien auch nicht zur Erledigung der Arbeit notwendig gewesen. Etwaige Ansprüche seien zudem verfallen und verjährt.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage in dem noch anhängigen Umfang stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.

15

Die Beklagte hat erstmals mit der Revisionsbegründung behauptet, mit der Klägerin in einem Nachtrag zum Arbeitsvertrag 2008 vom 18. Februar 2011 eine auf die tarifliche Ausschlussfrist verweisende Regelung vereinbart zu haben.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision der Beklagten ist zum Teil begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Klägerin zu Unrecht in vollem Umfang stattgegeben. Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet. Die Klägerin hat gemäß § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 7 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Arbeitsvertrag Anspruch auf Vergütung in Höhe von 7.178,76 Euro brutto nebst Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

17

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere streitgegenständlich hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Streitgegenstand der Klage ist die Abgeltung eines bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis behaupteten Zeitguthabens. Zu dessen Bestimmung genügt der Vortrag der Klägerin, eine fortlaufende Saldierung von Mehr- und Minderstunden sei vereinbart worden sowie die Bezifferung des behaupteten Guthabens und des sich hieraus ergebenden Abgeltungsbetrags (vgl. BAG 13. März 2002 - 5 AZR 43/01 - zu I der Gründe).

18

II. Die Klage ist zum Teil begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin zur Abgeltung des bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehenden Zeitguthabens 7.178,76 Euro brutto nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

19

1. Die Klägerin hat ein Zeitguthaben von 414 Stunden schlüssig dargelegt.

20

a) Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste(vgl. BAG 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 20, BAGE 141, 88) und deshalb Vergütung beanspruchen kann, bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte Vergütung erbringen muss. Begehrt der Arbeitnehmer die Abgeltung eines Zeitguthabens, macht er den Vergütungsanspruch für vorgeleistete Arbeit geltend (vgl. BAG 24. September 2003 - 10 AZR 640/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 108, 1; 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 13, BAGE 135,197). Da dieses Zeitguthaben nur in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrückt, genügt für die Schlüssigkeit einer Klage, die auf Ausgleich des Guthabens auf einem Arbeitszeitkonto gerichtet ist, dass der Kläger die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos und das Bestehen eines Guthabens zum vereinbarten Auszahlungszeitpunkt darlegt (BAG 13. März 2002 - 5 AZR 43/01 - zu II 1 der Gründe; 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 13, aaO).

21

b) Die Klägerin hat mit den Regelungen in § 7 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Arbeitsvertrag die Vereinbarung der Führung eines Arbeitszeitkontos und der Abgeltung eines ggf. bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehenden Guthabens schlüssig vorgetragen. Mit Vorlage der von der Beklagten bis 25. November 2008 geführten Berichte und der Behauptung, sie habe in der Folgezeit (jedenfalls) nicht weniger Arbeitsstunden geleistet als geschuldet, hat sie zudem einen sich aus dem Arbeitszeitkonto bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu ihren Gunsten ergebenden Saldo von 414 Stunden schlüssig dargelegt. Dieser ist nach § 7 Abs. 1 Satz 4 Arbeitsvertrag mit dem rechnerisch unstreitigen Stundensatz von 17,34 Euro brutto abzugelten.

22

2. Die Beklagte hat keine Tatsachen dargelegt, die geeignet wären, den sich aus dem Arbeitszeitkonto ergebenden, mit den der Klägerin ausgehändigten Berichten „Arbeitszeit Verkäufer“ streitlos gestellten Saldo zu entkräften.

23

a) Die regelmäßigen Buchungen auf dem Arbeitszeitkonto stellen nicht rechtsgeschäftliche Erklärungen, sondern tatsächliche Handlungen im Sinne sogenannter Wissenserklärungen dar. Der Arbeitnehmer, der Kenntnis von der Buchung erhält, kann nicht annehmen, es handele sich um eine auf Bestätigung oder gar Veränderung der Rechtslage gerichtete Willenserklärung im Sinne eines deklaratorischen oder konstitutiven Schuldanerkenntnisses (vgl. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 26). Der Arbeitgeber stellt jedoch mit der vorbehaltlosen Ausweisung von Guthabenstunden in einem für den einzelnen Arbeitnehmer geführten Arbeitszeitkonto dessen Saldo streitlos (vgl. BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 19, BAGE 135, 197). Er bringt damit regelmäßig zum Ausdruck, dass bestimmte Arbeitsstunden tatsächlich und mit seiner Billigung geleistet wurden. Will der Arbeitgeber im Nachhinein den sich aus dem Arbeitszeitkonto zugunsten des Arbeitnehmers ergebenden Saldo erheblich bestreiten, obliegt es ihm ausgehend von einer gestuften Darlegungslast, im Einzelnen darzulegen, aufgrund welcher Umstände der ausgewiesene Saldo unzutreffend sei oder sich bis zur vereinbarten Schließung des Arbeitszeitkontos reduziert habe. Erst dann hat der Arbeitnehmer vorzutragen, wann er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen habe, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt (vgl. BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14 ff., BAGE 141, 144 zur Darlegungs- und Beweislast im Vergütungsprozess). Trägt der Arbeitgeber hingegen nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der im Arbeitszeitkonto vorbehaltlos ausgewiesene Saldo als zugestanden.

24

b) Ein zugunsten der Klägerin bestehendes Zeitguthaben von 414 Stunden gilt danach als zugestanden.

25

aa) Der Vortrag der Beklagten beschränkt sich auf die pauschale Behauptung, das Arbeitszeitkonto habe bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf null gestanden. In welcher Hinsicht die der Klägerin ausgehändigten Aufstellungen „Bericht Arbeitszeit Verkäufer“ unzutreffend sein sollen und zu welchen der darin angegebenen Zeiten die Klägerin nicht oder nicht auf arbeitgeberseitige Veranlassung gearbeitet haben soll, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Sie hat auch nicht behauptet, die Klägerin habe nach dem 25. November 2008 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als geschuldet gearbeitet, so dass sich das Guthaben reduziert hätte.

26

bb) Unbeachtlich ist, dass die Berichte basierend auf Arbeitszeitangaben der Klägerin erstellt wurden. Die Beklagte hat die Angaben nicht nur widerspruchslos zur Kenntnis genommen (vgl. hierzu BAG 3. November 2004 - 5 AZR 648/03 - zu III 2 der Gründe; 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 c der Gründe), sondern sich zu eigen gemacht, indem sie nach den in der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Klägerin - vergleichbar mit der Abzeichnung von Stunden durch den Arbeitgeber oder einen vertretungsberechtigten Vorgesetzten (vgl. hierzu BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 19) - die Berichte „Arbeitszeit Verkäufer“ aushändigte. Auch unterlassene Rückstellungen für Arbeitszeitguthaben der Klägerin in den Handelsbilanzen der Jahre 2008 bis 2011 - unterstellt man zugunsten der Beklagten, die Klägerin sei für deren Ermittlung verantwortlich gewesen - sind nicht geeignet, das zuvor streitlos gestellte Guthaben in Frage zu stellen.

27

3. Die Parteien haben den Abgeltungsanspruch der Klägerin nicht rechtsgeschäftlich durch Erlass zum Erlöschen gebracht.

28

a) Ein Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllen betrachten. Wenn feststeht, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben. An die Feststellung eines Verzichtswillens sind hohe Anforderungen zu stellen. Ein Erlass liegt im Zweifel nicht vor (vgl. BAG 7. November 2007 - 5 AZR 880/06 - Rn. 17 ff., BAGE 124, 349).

29

b) Es fehlt vorliegend bereits an einer auf einen Erlass gerichteten rechtsgeschäftlichen Erklärung der Klägerin. Eine solche kann nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin die unterlassene Fortführung des Arbeitszeitkontos durch die Beklagte hingenommen hat. Sonstige Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigten, die Klägerin habe den Bestand ihrer Rechte in irgendeiner Weise verändern und dabei auf Ansprüche verzichten wollen, ergeben sich weder aus den unstreitigen noch den von der Beklagten vorgetragenen Umständen.

30

4. Die Parteien haben auch keine von § 7 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Arbeitsvertrag abweichende Vereinbarung getroffen.

31

a) Soweit die Beklagte meint, eine solche sei aus einer mit der Klägerin vereinbarten „Vertrauensarbeitszeit“ abzuleiten, ist ihr Vortrag nicht erheblich. „Vertrauensarbeitszeit“ bedeutet nur, dass der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, der betreffende Arbeitnehmer werde seine Arbeitspflicht in zeitlicher Hinsicht auch ohne Kontrolle erfüllen (vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B II 2 d cc (2) der Gründe, BAGE 106, 111; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 34; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 35). Die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit steht weder der Führung eines Arbeitszeitkontos entgegen noch schließt sie die Abgeltung eines aus Mehrarbeit des Arbeitnehmers resultierenden Zeitguthabens aus.

32

b) Dass zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer mündlich vereinbart worden sei, ein Arbeitszeitkonto werde nicht mehr geführt und ein bestehendes Zeitguthaben nicht abgegolten, hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Sie hat Zeit, Umstände und Inhalt eines nach ihrem Behaupten mit der Klägerin geführten Gesprächs unzureichend dargelegt. Der fehlende Sachvortrag konnte auch nicht durch eine Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten ersetzt werden. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht den Geschäftsführer der Beklagten nicht nach § 448 ZPO als Partei vernommen. Dessen Vernehmung hätte - unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen einer Parteivernehmung - einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dargestellt (vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 368/13 - Rn. 23), zumal eine Präzisierung der Angaben durch den Geschäftsführer anlässlich seiner Anhörung gemäß § 141 ZPO im Berufungstermin nicht erfolgte.

33

5. Der Anspruch der Klägerin auf Abgeltung von 414 Stunden ist nicht verfallen.

34

Die Beklagte hat im Arbeitszeitkonto der Klägerin zum 25. November 2008 414 Guthabenstunden vorbehaltlos ausgewiesen. Damit war wie bei der vorbehaltlosen Ausweisung einer Vergütungsforderung in einer Lohnabrechnung der Zweck der Geltendmachung erreicht. Schon aus diesem Grund war die Klägerin weder nach Maßgabe von § 13 Arbeitsvertrag noch nach § 24 MTV zur Geltendmachung des streitlos gestellten Guthabens innerhalb einer Ausschlussfrist gehalten. Die Notwendigkeit zur Geltendmachung des auf dem Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Guthabens lebte auch nicht wieder auf, als sich dieses nach § 7 Abs. 1 Satz 4 Arbeitsvertrag bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Zahlungsanspruch wandelte(vgl. BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 20, BAGE 135, 197).

35

6. Der Abgeltungsanspruch ist weder verjährt noch verwirkt.

36

a) Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 Arbeitsvertrag war der sich aus dem Arbeitszeitkonto ergebende Saldo „bei Austritt aus dem Unternehmen“ mit dem durchschnittlichen Stundenlohn zu verrechnen. Der Abgeltungsanspruch ist danach bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, dh. mit Ablauf des 31. März 2012, entstanden und fällig geworden. Die von der Beklagten - entgegen den vertraglichen Vereinbarungen - unterlassene Fortführung des Arbeitszeitkontos führte nicht zu einer früheren Fälligkeit.

37

b) Die Klägerin hat die Klage vor Ablauf der nach § 195 BGB für den Abgeltungsanspruch als Vergütungsanspruch einzuhaltenden regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren eingereicht. Das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment konnte vorliegend nicht ausgelöst werden, denn die zunächst als Stufenklage eingereichte Klage wurde der Beklagten vor Fälligkeit des Abgeltungsanspruchs zugestellt. Eine Verwirkung scheidet von vornherein aus, solange das geltend gemachte Recht noch nicht besteht (vgl. BAG 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 - Rn. 69 f.).

38

7. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Landesarbeitsgericht konnte der Klägerin antragsgemäß Zinsen ab 1. Mai 2012 zusprechen, ohne § 193 BGB außer Acht zu lassen. Der 1. April 2012 war ein Sonntag. Die Leistung war nach § 193 BGB am 2. April 2012 zu bewirken. Die Beklagte befand sich ab dem Folgetag im Verzug, ohne dass es einer Mahnung iSv. § 286 Abs. 1 BGB bedurft hätte. Für die Abgeltung des Arbeitszeitguthabens war zwar nicht iSv. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine Zeit nach dem Kalender bestimmt. Eine Mahnung war jedoch nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 24. Februar 2012 und vom 5. März 2012 von der Beklagten wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 7 Arbeitsvertrag die „Abrechnung“ des Arbeitszeitkontos. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 28. Februar 2012 und vom 6. März 2012 generell mit der Begründung ab, das Arbeitszeitkonto stehe auf null. Die Klägerin musste die Schreiben nicht nur bezogen auf eine den Abrechnungs-, sondern auch auf den sich aus § 7 Arbeitsvertrag ergebenden Abgeltungsanspruch als ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung iSv. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB verstehen.

39

III. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat ein über 414 Stunden hinausgehendes Zeitguthaben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht schlüssig dargelegt. Das von der Klägerin behauptete weitergehende Zeitguthaben soll nach ihrem Vortrag aus der Leistung vergütungspflichtiger Überstunden resultieren. Insofern hat die Klägerin zwar die Leistung von Überstunden schlüssig dargelegt, nicht aber eine Pflicht der Beklagten diese zu vergüten.

40

1. Die Grundsätze der Darlegungslast, die gelten, wenn der Arbeitgeber in einem von ihm geführten Arbeitszeitkonto ein Zeitguthaben vorbehaltlos ausgewiesen hat, können nicht übertragen werden, wenn sich der Arbeitnehmer zur Begründung seines Anspruchs auf selbst gefertigte Arbeitszeitaufstellungen beruft, die sich der Arbeitgeber nicht zu eigen gemacht hat. In diesem Fall sind zunächst vom Arbeitnehmer die den behaupteten Saldo begründenden Tatsachen im Einzelnen darzulegen. Erst wenn dies geschehen ist, hat sich der Arbeitgeber hierzu zu erklären. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Arbeitgeber die Führung eines Arbeitszeitkontos vertragswidrig unterlassen hat.

41

2. Die Klägerin stützt sich zur Darlegung des weitergehenden Zeitguthabens nicht auf ein von der Beklagten geführtes Arbeitszeitkonto, sondern auf die von ihr selbst erstellten, der Beklagten erst im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits zur Kenntnis gebrachten Arbeitszeitaufstellungen.

42

a) Behauptet der Arbeitnehmer zur Begründung eines (abzugeltenden) Arbeitszeitguthabens, geleistete Überstunden seien in ein vereinbartes Arbeitszeitkonto einzustellen, kann er sich, hat der Arbeitgeber die Stunden und den sich unter ihrer Berücksichtigung ergebenden Saldo des Arbeitszeitkontos nicht streitlos gestellt, nicht auf die Darlegung der Überstundenleistung beschränken, sondern hat als weitere Voraussetzung für eine Gutschrift die arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung der behaupteten Überstunden darzulegen.

43

Wie im Überstundenprozess hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat und geleistete Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst wurden oder diesem zumindest zuzurechnen sind. Denn der Arbeitgeber muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen, und der Arbeitnehmer kann nicht durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 13).

44

Der eine Zeitgutschrift für Überstunden beanspruchende Arbeitnehmer genügt deshalb seiner Darlegungslast nicht schon, wenn er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Er hat darüber hinaus darzulegen, dass Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen seien (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 a der Gründe; 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 31, BAGE 141, 330; 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 16 ff.).

45

b) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin nicht. Sie hat zwar dargelegt, an welchen Tagen sie von wann bis wann Arbeit geleistet haben will, nicht aber, dass Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen wäre.

46

aa) Auf eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden hat sich die Klägerin nicht berufen. Eine konkludente Anordnung von Überstunden hat sie nicht schlüssig dargelegt. Die Klägerin hat lediglich, ohne dies im Einzelnen zu substantiieren, behauptet, die Überstunden seien aufgrund des Umfangs der ihr übertragenen Aufgaben und auch deshalb angefallen, weil auf Weisung des Geschäftsführers sämtliche Geschäftsanfälle sofort zu bearbeiten gewesen seien. Dieser pauschale Vortrag ist ungeeignet, die Erforderlichkeit der einzelnen Arbeitsstunden darzulegen. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, dass bestimmte angewiesene Arbeiten innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten waren (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 31, BAGE 141, 330). Allein die Anwesenheit der Klägerin im Betrieb begründet keine Vermutung dafür, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 17).

47

bb) Die Klägerin hat die Billigung geleisteter Überstunden durch die Beklagte nicht dargelegt. Auch nach dem Vortrag der Klägerin hat die Beklagte erst im vorliegenden Rechtsstreit Kenntnis davon erlangt hat, welche Überstundenleistungen die Klägerin im Einzelnen behauptet.

48

cc) Ebenso wenig ergibt sich eine Duldung von Überstunden aus dem Vorbringen der Klägerin. Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden künftig zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet, sie vielmehr weiterhin entgegennimmt (BAG 6. Mai 1981 - 5 AZR 73/79 - zu II 3 der Gründe). Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Erst wenn dieses feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 21).

49

Die Klägerin hat nicht durch substantiierten Sachvortrag aufgezeigt, weshalb der Beklagten die behaupteten Überstunden als über die Normalarbeitszeit hinausgehend hätten bekannt sein müssen. Aus ihrer Tätigkeit im Vorzimmer der Geschäftsführung kann nicht geschlossen werden, der Geschäftsführer der Beklagten sei, wie die Klägerin behauptet, jederzeit über ihre Arbeitszeit orientiert gewesen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Geschäftsführer sich zu den von ihr als Überstunden aufgelisteten Zeiten ausnahmslos und ohne Unterbrechungen in seinem Büro aufgehalten habe.

50

3. Dass die Beklagte die weitere Führung des Arbeitszeitkontos vertragswidrig unterlassen hat, rechtfertigt keine abweichende Verteilung der Darlegungslast. Auch bei Fortführung des Arbeitszeitkontos hätte es im Streitfall zunächst der Klägerin oblegen, zur Rechtfertigung eines Guthabens, Tatsachen vorzutragen, die geeignet sind, einen Anspruch auf Einstellung behaupteter Überstunden in das Arbeitszeitkonto zu begründen. Sie hätte auch in diesem Fall nicht nur die Leistung von Überstunden, sondern zusätzlich schlüssig darlegen müssen, dass diese von der Beklagten veranlasst wurden oder ihr zuzurechnen seien.

51

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber     

        

    Volk     

        

        

        

    Dombrowsky     

        

    Zorn     

                 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. Mai 2012 - 8 TaBV 97/11 - aufgehoben.

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 4. November 2011 - 5 BV 150/11 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Vergütung von Samstagsarbeit.

2

Die nicht tarifgebundene Arbeitgeberin ist ein Einzelhandelsunternehmen. In ihrem K Betrieb ist der antragstellende Betriebsrat gebildet. Die Arbeitgeberin veröffentlichte im März 2009 in der Filiale K ein hausinternes Rundschreiben, in dem es hieß:

        

„       

ZEITKONTO/SAMSTAGSVERGÜTUNG

        

Ihr seid super! Für Eure hervorragende Arbeit in den Jahren seit unserer Eröffnung konnte unsere Filiale eine tolle Leistung erzielen. Daher gilt ab sofort folgende Regelung für die Arbeit der Voll- und Teilzeitkräfte am Samstag: 25 % der geleisteten Stundenzahl wird in einem separaten Stundenkonto gesammelt. Die Vergütung dieser Stunden wird noch geregelt. In Kürze erhaltet Ihr weitere Infos.“

3

Die Arbeitgeberin gewährte in der Folgezeit bei einem Einsatz an Samstagen auf den Arbeitszeitkonten ihrer Beschäftigten eine Gutschrift iHv. 25 % für die erbrachte Arbeitsleistung. Den Betriebsrat beteiligte sie hierbei nicht. Seit September 2010 schließt die Arbeitgeberin mit neu eingestellten Arbeitnehmern arbeitsvertraglich eine Zeitgutschrift für die Arbeit an Samstagen aus. Den am 31. August 2010 beschäftigten Arbeitnehmern gewährt sie diese hingegen unverändert weiter.

4

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Arbeitgeberin sei zur Gewährung der Zeitgutschrift an alle Arbeitnehmer verpflichtet. Die Änderung des begünstigten Personenkreises unterliege seinem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Ihre Zusage aus dem Frühjahr 2009 könne die Arbeitgeberin daher nicht ohne seine Zustimmung ändern.

5

Der Betriebsrat hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung - beantragt,

1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, die folgende Regelung: „Für die Arbeit der Voll- und Teilzeitkräfte an Samstagen wird 25 % der geleisteten Stundenzahl in einem separaten Stundenkonto gesammelt.“ einseitig ohne Zustimmung des Betriebsrats oder einen die Einigung ersetzenden Spruch einer Einigungsstelle abzuändern;

2. der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Entscheidung entsprechend dem Antrag zu 1. ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gesetzt wird, anzudrohen.

6

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihnen auf die Beschwerde des Betriebsrats entsprochen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben sich die Beteiligten auf die Einrichtung einer Einigungsstelle zur betrieblichen Lohngestaltung verständigt. In der Anhörung vor dem Senat hat der Betriebsrat hilfsweise die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Regelung von Zeitzuschlägen für die Arbeit an Samstagen beantragt.

8

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Beschwerde des Betriebsrats zu Unrecht entsprochen. Der zu 1. erhobene Antrag ist unbegründet, weshalb der Antrag zu 2. dem Senat ebenso nicht zur Entscheidung anfällt wie der erstmals in der Rechtsbeschwerdeinstanz angebrachte Feststellungsantrag.

9

I. Der Antrag zu 1. ist unbegründet.

10

1. Der Antrag ist in der gebotenen Auslegung zulässig.

11

a) Nach seinem Wortlaut ist der Antrag auf die Unterlassung der im Antrag beschriebenen „Regelung“ gerichtet. Eine solche Auslegung würde aber nach dem dazu heranzuziehenden Vorbringen des Betriebsrats in den Vorinstanzen seinem Antragsziel nicht gerecht. Der Betriebsrat möchte erreichen, dass die Arbeitgeberin auch den Arbeitnehmern für die an Samstagen geleistete Arbeit eine Zeitgutschrift iHv. 25 % auf ihrem Arbeitszeitkonto gewährt, die ab dem 1. September 2010 in der K Filiale der Arbeitgeberin eingestellt worden sind. Dieses Antragsverständnis hat der Betriebsrat in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. Damit handelt es sich bei dem Antrag zu 1. nicht um einen Unterlassungsantrag, der nach ständiger Senatsrechtsprechung zur Sicherung des sich aus § 87 Abs. 1 BetrVG ergebenden Mitbestimmungsrechts zulässig ist. Mit diesem kann der Betriebsrat nur die Beibehaltung eines gegenwärtigen betriebsverfassungsgemäßen Zustands verlangen und dessen Veränderung verhindern. Vorliegend soll die Arbeitgeberin aber durch den Antrag zu einem bestimmten Verhalten angehalten werden.

12

b) Nur der so verstandene Antrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Arbeitgeberin könnte im Fall einer antragsgemäßen Entscheidung erkennen, was von ihr verlangt wird. Sie müsste auch den nach dem 31. August 2010 eingestellten Arbeitnehmern bei deren Einsatz an einem Samstag eine Zeitgutschrift von 25 % gewähren.

13

2. Der Antrag zu 1. ist unbegründet. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat zwar bei der Einführung des Zeitzuschlags für Samstagsarbeit im Frühjahr 2009 sowie bei der Änderung von dessen Anspruchsvoraussetzungen zum 1. September 2010 entgegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht ordnungsgemäß beteiligt. Dennoch kann der Betriebsrat von der Arbeitgeberin nicht die Gewährung eines Zeitzuschlags für die Arbeit an Samstagen auch an die nach dem 31. August 2010 eingestellten Arbeitnehmer verlangen. Es fehlt an einer Vereinbarung der Betriebsparteien, auf deren Grundlage die Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat verpflichtet ist, den an Samstagen beschäftigten Arbeitnehmern einen Zeitzuschlag zu gewähren.

14

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf die Grundsätze, nach denen sich die Entgeltfindung im Betrieb vollzieht. Es soll die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Arbeitgebers orientierten Lohngestaltung schützen. Zugleich soll die Einbeziehung des Betriebsrats zur Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie zur Sicherung der Angemessenheit und Durchsichtigkeit des Lohngefüges beitragen (BAG 10. Dezember 2013 - 1 ABR 39/12 - Rn. 18).

15

aa) Die betriebliche Lohngestaltung betrifft die Festlegung abstrakter Kriterien zur Bemessung der (Gegen-)Leistung des Arbeitgebers, die dieser zur Abgeltung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers oder sonst mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis insgesamt erbringt. Entlohnungsgrundsätze bestimmen das System, nach dem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Entlohnungsgrundsätze müssen Arbeitsentgelt iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zum Gegenstand haben und abstrakte Vorgaben für dessen Verteilung auf die Arbeitnehmer enthalten. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist dabei nicht beschränkt auf die im Synallagma stehenden Entgeltbestandteile, sondern betrifft alle Formen der Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses nach bestimmten Grundsätzen oder nach einem System gewährt werden. Auch bei deren Ausgestaltung soll das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit sicherstellen (BAG 8. November 2011 - 1 ABR 37/10 - Rn. 23, BAGE 139, 369).

16

bb) Der Mitbestimmung aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt die Einführung von Entlohnungsgrundsätzen und deren Änderung. Für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kommt es nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze erfolgt ist. Maßgeblich ist nicht der Geltungsgrund der Entgeltleistung, sondern das Vorliegen eines kollektiven Tatbestands (BAG 14. Januar 2014 - 1 ABR 57/12 - Rn. 15).

17

cc) Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wird bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber durch die Tarifsperre des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG, wonach der Betriebsrat nur mitbestimmen kann, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, weder beschränkt noch ausgeschlossen. Der tarifungebundene Arbeitgeber kann daher kollektivrechtlich das gesamte Volumen der von ihm für die Vergütung der Arbeitnehmer bereitgestellten Mittel mitbestimmungsfrei festlegen. Mangels Tarifbindung leistet er in diesem Fall sämtliche Vergütungsbestandteile „freiwillig“, dh. ohne hierzu normativ verpflichtet zu sein (BAG 26. August 2008 - 1 AZR 354/07 - Rn. 21, BAGE 127, 297). Bei der Entscheidung über die Verteilung der Gesamtvergütung hat der nicht tarifgebundene Arbeitgeber wegen der fehlenden Tarifsperre des Eingangshalbsatzes einen Gestaltungsspielraum, bei dessen Ausgestaltung der Betriebsrat aber mitzubestimmen hat (BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08 - Rn. 32, BAGE 135, 13). Die Betriebsparteien haben für die gesamten Vergütungsbestandteile Entlohnungsgrundsätze iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aufzustellen, durch die eine am Normzweck des Mitbestimmungsrechts ausgerichtete Verteilung erfolgt. Dabei unterliegt nicht nur die Einführung, sondern auch die Änderung der im Betrieb für die Verteilung der Gesamtvergütung aufgestellten Entlohnungsgrundsätze dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (BAG 10. Dezember 2013 - 1 ABR 39/12 - Rn. 19).

18

b) Nach diesen Grundsätzen hatte der Betriebsrat bereits bei der Einführung des Zeitzuschlags für Samstagsarbeit im Frühjahr 2009 nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen. Seither erhalten Arbeitnehmer eine besondere Gutschrift auf ihrem Arbeitszeitkonto als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung an Samstagen. Diese beträgt 25 % für jede Arbeitsstunde. Bei Arbeit an anderen Wochentagen wird die erbrachte Arbeitszeit ohne Zuschlag in das Arbeitskonto der Arbeitnehmer eingestellt. Mit der Gewährung einer solchen Vergütung für Arbeit an Samstagen hat die Arbeitgeberin einen Entlohnungsgrundsatz aufgestellt, durch den das bei ihr bestehende Vergütungssystem geändert worden ist. Diese Maßnahme bedurfte wegen der mit ihr verbundenen Auswirkungen auf die Verteilung der von der Arbeitgeberin gezahlten Gesamtvergütung der Zustimmung des Betriebsrats.

19

aa) Die in Abhängigkeit vom Zeitraum der erbrachten Arbeitsleistung vorgenommene Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto stellt Arbeitsentgelt iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dar.

20

Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestandes nicht erbringen musste. Ein nicht ausgeglichenes Konto weist bei einer verstetigten Arbeitsvergütung - je nach Stand - Vorleistungen der einen oder der anderen Seite aus (BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 - Rn. 38). Es gibt den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und drückt damit - in anderer Form - seinen Vergütungsanspruch aus (BAG 21. März 2012 - 6 AZR 560/10 - Rn. 21).

21

bb) Die Arbeitgeberin hat mit der Gewährung einer Zeitgutschrift für Samstagsarbeit einen Entlohnungsgrundsatz iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aufgestellt.

22

Die Gewährung einer Gutschrift iHv. 25 % für die an Samstagen geleistete Arbeitszeit stellt eine abstrakt-generelle Regelung über die Ausgestaltung des von der Arbeitgeberin gewährten Arbeitsentgelts dar. Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsleistung an diesem Tag erbringen, erhalten ein nach anderen Grundsätzen bemessenes Arbeitsentgelt gegenüber der Arbeit an anderen Wochentagen. Mit der Einführung einer Zeitgutschrift für Samstagsarbeit hat die nicht tarifgebundene Arbeitgeberin das bei ihr bestehende Vergütungssystem um eine Vergütung für die Arbeit zu besonderen Zeiten ergänzt. Dieses umfasste zum Zeitpunkt der Einführung des Zeitzuschlags nur die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung. Über deren Zusammensetzung haben die Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen. Einer darauf gestützten Zurückverweisung zur Sachaufklärung bedarf es indes nicht. Anhaltspunkte dafür, dass die vertraglich vereinbarte Vergütung bereits einen Zeitzuschlag vorgesehen hat, bestehen nach dem Vorbringen der Beteiligten nicht.

23

cc) Die Einführung einer Zeitgutschrift für Samstagsarbeit unterfiel danach dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

24

Die Tarifsperre des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG schließt vorliegend das Beteiligungsrecht nicht aus. Die Arbeitgeberin ist nicht tarifgebunden. Die mit der Einführung einer Zeitgutschrift verbundene unterschiedliche Bemessung der Arbeitsvergütung für die Arbeit an Samstagen berührt die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit. Der das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG begründende kollektive Bezug liegt vor. Die Gutschrift wird allen an Samstagen eingesetzten Arbeitnehmern ohne Rücksicht auf die Besonderheiten einzelner Arbeitsverhältnisse gewährt. Ob die begünstigten Arbeitnehmer diese Leistung aufgrund einer von der Arbeitgeberin erteilten Gesamtzusage beanspruchen können, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, bedarf keiner Entscheidung. Für das Mitbestimmungsrecht ist allein maßgeblich, ob der Arbeitgeber eine geldwerte Leistung tatsächlich erbringt. Auf ihren rechtlichen Geltungsgrund kommt es hingegen nicht an.

25

dd) Die Einordnung der Zeitgutschrift als Entlohnungsgrundsatz iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG steht nicht im Widerspruch zu der von der Rechtsbeschwerde angeführten Senatsentscheidung vom 27. Januar 1998 (- 1 ABR 35/97 -). In dieser hat der Senat das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Gewährung einer Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto für die Zeit eines Betriebsausflugs verneint, weil von einer solchen Maßnahme nicht die betriebliche Lohngestaltung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG betroffen sei. Ob hieran angesichts des Vergütungscharakters von Gutschriften auf Arbeitszeitkonten festzuhalten ist, kann dahinstehen. Gegenstand der genannten Senatsentscheidung war eine Zeitgutschrift, die der Arbeitgeber für Zeiten ohne Arbeitsleistung an alle Arbeitnehmer gewährt hat. Bei der Zeitgutschrift für die Beschäftigung an Samstagen handelt es sich hingegen um eine Gegenleistung für die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung.

26

c) Ebenso unterlag die von der Arbeitgeberin seit dem 1. September 2010 vorgenommene Beschränkung des begünstigten Personenkreises, dem ein besonderer Zuschlag für Samstagsarbeit gewährt wird, dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Durch diese Maßnahme hat sie den im Frühjahr 2009 aufgestellten Entlohnungsgrundsatz geändert.

27

aa) Den Zeitzuschlag für die Samstagsarbeit hat die Arbeitgeberin ursprünglich an alle Arbeitnehmer des K Betriebs erbracht. Sie hat diese Leistung nicht eingestellt, aber den Kreis der anspruchsberechtigten Arbeitnehmer beschränkt. Die Arbeitgeberin gewährt Arbeitnehmern, die ab September 2010 in ihrem Betrieb eingestellt worden sind, für die Arbeit an Samstagen keinen Zuschlag von 25 % für jede Arbeitsstunde. Diesen erhalten nur Arbeitnehmer, die bis zum 31. August 2010 eingestellt worden sind.

28

bb) Diese Maßnahme berührt die Verteilung der den Arbeitnehmern gewährten Gesamtvergütung. Selbst wenn zu Gunsten der Arbeitgeberin unterstellt würde, dass die Gewährung des Zeitzuschlags ohne rechtliche Verpflichtung erfolgt, konnte diese mitbestimmungsfrei lediglich den Leistungszweck und die Höhe des Dotierungsrahmens festlegen (BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 20/09 - Rn. 23, BAGE 135, 382). Bei der Ausgestaltung des begünstigten Personenkreises hat hingegen der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen.

29

cc) Dass die im Frühjahr 2009 eingeführte Leistung nur auf die bis zu diesem Zeitpunkt eingestellten Arbeitnehmer beschränkt war, wie dies erstmals von der Arbeitgeberin in der Rechtsbeschwerdeinstanz behauptet wird, ist weder aus dem Leistungszweck oder den sonstigen Umständen ersichtlich. Aus der von beiden Beteiligten herangezogenen hausinternen Veröffentlichung ergibt sich eine solche Beschränkung nicht. Ebenfalls hat die Arbeitgeberin in den Tatsacheninstanzen keinen Vortrag dazu gehalten, dass sie die besondere Vergütung der Samstagsarbeit stichtagsbezogen auf den bis zum Frühjahr 2009 eingestellten Personenkreis beschränkt hat.

30

d) Ein auf die Gewährung einer Zeitgutschrift für Arbeit an Samstagen gerichteter Durchführungsanspruch des Betriebsrats besteht jedoch nicht. Zwar hat die Arbeitgeberin dessen Mitbestimmungsrecht durch die ohne seine Beteiligung erfolgte Aufstellung und Änderung des Entlohnungsgrundsatzes über die Vergütung von Samstagsarbeit verletzt. Der Betriebsrat kann jedoch nur die Durchführung einer mit der Arbeitgeberin getroffenen Vereinbarung verlangen. Für die Durchsetzung von mitbestimmungswidrigem Verhalten der Arbeitgeberin fehlt es hingegen an einer Anspruchsgrundlage.

31

aa) Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG führt der Arbeitgeber Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, durch. Diese Vorschrift grenzt nicht nur die Kompetenzen der Betriebsparteien zueinander ab, indem sie dem Arbeitgeber die alleinige Führung des Betriebs überlässt und einseitige Eingriffe des Betriebsrats in die Betriebsführung verbietet, sondern sie verpflichtet auch den Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat, solche Vereinbarungen ihrem Inhalt entsprechend im Betrieb anzuwenden (BAG 24. Februar 1987 - 1 ABR 18/85 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 54, 191). Der Betriebsrat kann daher vom Arbeitgeber aus der betreffenden Betriebsvereinbarung iVm. § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auch deren Durchführung im Betrieb verlangen(BAG 18. Mai 2010 - 1 ABR 6/09 - Rn. 16, BAGE 134, 249). Ob ein Durchführungsanspruch des Betriebsrats auch für Regelungsabreden besteht, hat der Senat bisher offengelassen (BAG 27. Oktober 1998 - 1 ABR 3/98 - zu B I 3 b der Gründe, BAGE 90, 76).

32

bb) Eine Betriebsvereinbarung, in der die Betriebsparteien die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zeitgutschrift geregelt haben, besteht nicht.

33

cc) Der Senat muss auch nicht entscheiden, ob der Betriebsrat die Durchführung einer mit dem Arbeitgeber abgeschlossenen Regelungsabrede verlangen kann. Zwar können die Betriebsparteien wechselseitige Rechte und Pflichten nicht nur in einer Betriebsvereinbarung, sondern auch durch eine an keine bestimmte Form gebundene Regelungsabrede treffen (BAG 21. Januar 2003 - 1 ABR 9/02 - zu B II 2 c aa [2] der Gründe). Eine solche Regelungsabrede über die Gewährung einer Zeitgutschrift für die Arbeit an Samstagen haben die Beteiligten aber nicht abgeschlossen. Es ist zwischen ihnen unstreitig, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zu der im Frühjahr 2009 von der Arbeitgeberin eingeführten Leistung nicht erteilt hat. Er hat die Gewährung der Zeitgutschriften lediglich geduldet. Die bloße Hinnahme eines mitbestimmungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers durch den Betriebsrat ist für den Abschluss einer Regelungsabrede jedoch nicht ausreichend. Diese setzt zumindest eine auf die Zustimmung zu der Maßnahme gerichtete Beschlussfassung des Betriebsrats (Fitting 27. Aufl. § 77 Rn. 219) und deren Verlautbarung gegenüber dem Arbeitgeber voraus. Dass beides erfolgt ist, hat der Betriebsrat nicht behauptet.

34

II. Da sich der Antrag zu 1. als unbegründet erweist, fällt dem Senat der demgegenüber nur als Hilfsantrag gestellte Antrag zu 2. nicht zur Entscheidung an.

35

III. Dies gilt gleichermaßen für den in der Rechtsbeschwerdeinstanz gestellten Feststellungsantrag. Dieser steht unter der innerprozessualen Bedingung, dass die in den Vorinstanzen gestellten Anträge unzulässig sind. Diese Bedingung ist nicht eingetreten. Der Antrag zu 1. ist vom Senat als unbegründet abgewiesen worden. Im Übrigen wäre der Feststellungsantrag auch unzulässig, da ihm das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse fehlt. Für den Antrag besteht kein Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Ausgestaltung der Entlohnung für Samstagsarbeit. Die Beteiligten haben sich während des Rechtsbeschwerdeverfahrens auf die Einrichtung einer Einigungsstelle zur betrieblichen Lohngestaltung verständigt. Zu deren Aufgaben gehören die Ausgestaltung der Entlohnungsgrundsätze für die gesamte von der Arbeitgeberin gewährte Vergütung. Es ist nicht Aufgabe des Rechtsbeschwerdegerichts, hierfür einzelne Rechtsfragen im Wege einer gutachterlichen Stellungnahme vorab zu klären.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Wisskirchen    

        

    Seyboth    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 3. August 2010 - 2 Sa 437/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über eine Gutschrift von 2,7 Unterrichtsstunden auf ein Arbeitszeitkonto anlässlich einer im April 2008 durchgeführten Klassenfahrt.

2

Die Klägerin ist beim beklagten Land als Lehrerin beschäftigt und an einem Gymnasium tätig. Die für die Mitglieder der TdL geltenden Tarifverträge finden kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung.

3

Am 15. Dezember 2006 vereinbarten die Parteien Altersteilzeit im modifizierten Blockmodell. Die Freistellungsphase soll am 1. August 2012 beginnen. Das beklagte Land legte die Arbeitszeit der Klägerin in der aktiven Phase der Altersteilzeit auf 18,69 Unterrichtsstunden pro Woche fest.

4

§ 5 des Altersteilzeitvertrages bestimmt:

        

㤠5

        

Zusätzlich zu leistende Arbeitsstunden

        

Der Beschäftigte ist verpflichtet, im Rahmen der Notwendigkeiten in der Dienststelle zusätzliche Arbeitsstunden zu leisten.

        

Diese sind innerhalb der folgenden 3 Monate durch entsprechende Freizeit auszugleichen.“

5

Beim beklagten Land gilt für die Lehrkräfte an öffentlichen Schulen des Landes Sachsen-Anhalt die Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (ArbZVO-Lehr) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. September 2001 (GVBl. LSA S. 376), zuletzt geändert am 30. Oktober 2007 (GVBl. LSA S. 354). Nach deren § 3 beträgt die Regelstundenzahl, dh. die Zahl der Unterrichtsstunden, die vollbeschäftigte Lehrkräfte im Durchschnitt wöchentlich zu erteilen haben, für Lehrkräfte an Gymnasien 25 Unterrichtsstunden. Gemäß § 4 ArbZVO-Lehr kann die jeweilige Unterrichtsverpflichtung einer Lehrkraft wöchentlich bis zu vier Unterrichtsstunden über- oder unterschritten werden. Soweit dafür kein Ausgleich innerhalb des Schuljahres erfolgt, sind höchstens 80 Unterrichtsstunden in das folgende Schuljahr zu übernehmen und in diesem abzugelten.

6

Durch den Tarifvertrag in Ausfüllung des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung zur Sicherung von Arbeitsplätzen an allgemeinbildenden Schulen Sachsen-Anhalts (Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA) vom 1. März 2003 war die Arbeitszeit der vollbeschäftigten Lehrkräfte im für den Klageanspruch maßgeblichen Zeitraum abweichend von der ArbZVO-Lehr auf 20,5 Unterrichtsstunden pro Woche abgesenkt.

7

Beim beklagten Land gilt der Runderlass „Flexibler Unterrichtseinsatz der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen“ (sog. Flexi-Erlass) vom 22. November 2006, zuletzt geändert am 1. Oktober 2007. Dieser regelt ua.:

        

„1.1   

Lehrkräfte können nach § 4 Abs. 2 der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen … im Rahmen ihrer regelmäßigen Arbeitszeit so eingesetzt werden, dass sich der Umfang der tatsächlich wöchentlich zu erteilenden Unterrichtsstunden - je nach Unterrichtsversorgung und Unterrichtsbedarf der Schule - innerhalb einer Bandbreite von vier Unterrichtsstunden über oder unter der jeweiligen Unterrichtsverpflichtung bewegt. Mehr- oder Minderzeiten am Ende des Schuljahres dürfen 80 Unterrichtsstunden nicht überschreiten.

                 

…       

        

2.    

Entstehen von Mehr- und Minderzeiten

        

2.1     

Dieser RdErl. bezieht sich ausschließlich auf die Unterrichtsverpflichtung von Lehrkräften. Durch andere dienstliche Tätigkeiten (z. B. Pausenaufsichten, Arbeiten während der unterrichtsfreien Zeit, Erarbeitung von Prüfungsaufgaben) entstehen weder Mehr- noch Minderzeiten, soweit nicht in Nr. 3 eine abweichende Regelung getroffen wird.

                 

…       

        

2.4     

Mehr- und Minderzeiten entstehen nicht für die jeweils beteiligten Lehrkräfte an Projekttagen, bei Sportfesten, Klassenfahrten, Fortbildungen; anderen ganztägigen dienstlichen Verpflichtungen oder ähnlichen Unterrichtstagen mit ganztägig geänderter Unterrichtsorganisation sowie bei Abwesenheit durch Krankheit.“

8

In der Zeit vom 14. April 2008, 8:30 Uhr, bis zum 16. April 2008, 16:00 Uhr, begleitete die Klägerin eine 11. Klasse auf einer vom beklagten Land genehmigten Klassenfahrt. Hierfür wurden ihr 11,214 Unterrichtsstunden, dh. drei Fünftel der wöchentlichen Arbeitszeit auf Grundlage von 18,69 wöchentlichen Unterrichtsstunden, angerechnet. Am 17. und 18. April 2008 erteilte sie den ihr vom Stundenplan vorgegebenen Unterricht.

9

Mit Schreiben vom 22. April 2008 forderte die Klägerin das beklagte Land vergeblich auf, ihr die während der Klassenfahrt geleisteten Stunden als zusätzliche Freizeit („Plusstunden“) zu gewähren. Mit ihrer am 15. April 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin zunächst eine Gutschrift von 3,786 Unterrichtsstunden für die Klassenfahrt begehrt. Der Klage ist im Umfang von 1,086 Unterrichtsstunden rechtskräftig stattgegeben worden. Dadurch hat die Klägerin für die Klassenfahrt Unterrichtsstunden im selben Umfang wie vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte unter Zugrundelegung der auf 20,5 Unterrichtsstunden abgesenkten Unterrichtsverpflichtung angerechnet erhalten. Streitbefangen ist noch, ob der Klägerin eine Gutschrift über weitere 2,7 Unterrichtsstunden zusteht.

10

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, allein die ArbZVO-Lehr lege den Umfang der Unterrichtsverpflichtung vollzeitbeschäftigter Lehrkräfte fest. Jede Unterschreitung der Regelarbeitszeit der ArbZVO-Lehr sei eine Form der Teilzeitarbeit. Die unter den Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA fallenden Lehrkräfte seien deshalb Teilzeitbeschäftigte.

11

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

das beklagte Land zu verurteilen, ihrem Arbeitszeitkonto weitere 2,7 Stunden gutzuschreiben.

12

Das beklagte Land hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Klägerin könne keine Besserstellung gegenüber den vom Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA betroffenen Lehrkräften verlangen.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage im noch streitbefangenen Umfang abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren, soweit diesem nicht bereits entsprochen worden ist, weiter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie auf § 5 des Altersteilzeitvertrages als Anspruchsgrundlage für ihr Begehren einer Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto verwiesen.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Berufung zurückgewiesen, soweit die Klägerin die Gutschrift weiterer 2,7 Stunden auf ihr Arbeitszeitkonto begehrt. Für eine derartige Gutschrift fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. Auf die von den Parteien und dem Landesarbeitsgericht problematisierte Frage, ob bei dem gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG vorzunehmendem Vergleich zwischen der (alters-)teilzeitbeschäftigten Klägerin und einer vollzeitbeschäftigten Lehrkraft auf die Wochenarbeitszeit von 25 Unterrichtsstunden nach der ArbZVO-Lehr oder auf die durch den Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA auf 20,5 Unterrichtsstunden abgesenkte Unterrichtsverpflichtung abzustellen ist, kommt es darum nicht an.

15

I. Die Klage ist mit dem gestellten Antrag zulässig. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Zeitstunden gutzuschreiben bzw. dessen Saldo um eine genau genannte Anzahl von Zeitstunden zu erhöhen, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dies gilt jedenfalls, solange der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem die Stunden bisher nicht verbucht sind, tatsächlich aber noch gutgeschrieben werden können (BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09 - Rn. 10, AP TVöD § 6 Nr. 2 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 6; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3). Nach Nr. 1.1 und 5.3 Flexi-Erlass können Mehrstunden unter bestimmten Voraussetzungen auf das nächste Schuljahr übertragen werden.

16

II. Die Klage ist unbegründet. Es fehlt an einer Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin, ihr für die Klassenfahrt eine Gutschrift auf ihrem Arbeitszeitkonto zu erteilen.

17

1. § 4 Abs. 2 ArbZVO-Lehr regelt nur die Abgeltung von Unterrichtsstunden. Unterrichtsstunden sind nach § 3 Abs. 1 ArbZVO-Lehr die wöchentlich im Rahmen der Regelstundenzahl zu erteilenden Unterrichtsstunden. Auf Klassenfahrten erbrachte Arbeitsleistungen werden deshalb von dieser Norm nicht erfasst.

18

2. § 10 Abs. 3 Satz 1 TV-L findet gemäß § 44 Nr. 2 Satz 1 TV-L für Lehrkräfte ausdrücklich keine Anwendung.

19

3. Auch aus dem Flexi-Erlass ergibt sich kein Anspruch der Klägerin, ihrem Arbeitszeitkonto 2,7 weitere Unterrichtsstunden gutzuschreiben. Nach Nr. 2.1 Flexi-Erlass bezieht sich dieser ausschließlich auf die Unterrichtsverpflichtung von Lehrkräften. Durch andere dienstliche Tätigkeiten wie etwa Pausenaufsichten entstehen weder Mehr- noch Minderzeiten, soweit nicht in Nr. 3 Flexi-Erlass für die Durchführung von Prüfungen eine andere Regelung getroffen worden ist. In Nr. 2.4 Flexi-Erlass ist ausdrücklich geregelt, dass Mehr- und Minderzeiten für die jeweils beteiligten Lehrkräfte nicht für die Teilnahme an Klassenfahrten entstehen.

20

4. Auch eine vertragliche Abrede über die Führung eines Arbeitszeitkontos besteht nicht.

21

a) Ein Arbeitnehmer hat aus § 611 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos, sofern dieses nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt(BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 10, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1). Ein Arbeitszeitkonto gibt nämlich den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und drückt damit - in anderer Form - seinen Vergütungsanspruch aus (BAG 26. Januar 2011 - 5 AZR 819/09 - Rn. 13, AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 4; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 13, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 195 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 2).

22

b) § 5 des Altersteilzeitvertrages enthält eine solche Abrede zu einem Arbeitszeitkonto, das den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt, nicht. Danach sind lediglich die von der Klägerin im Rahmen der Notwendigkeiten in der Dienststelle zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden innerhalb der folgenden drei Monate durch entsprechende Freizeit auszugleichen. Freizeitausgleich ist bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht (BAG 18. Mai 2011 - 5 AZR 181/10 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 4). Der Freizeitausgleich erfolgt durch Reduzierung der Sollarbeitszeit (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 296/09 - Rn. 17, AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 35 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 1), setzt jedoch nicht die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos voraus. Darüber hinaus sind die im Rahmen der Klassenfahrt im April 2008 von der Klägerin erbrachten zusätzlichen Arbeitsstunden nicht „in der Dienststelle“ geleistet worden.

23

III. Der Antrag der Klägerin, ihrem Arbeitszeitkonto 2,7 Stunden gutzuschreiben, kann auch nicht dahin ausgelegt werden, dass sie eine Vergütung der streitbefangenen Stunden verlangt. Die Klägerin hat von Anfang an - beginnend mit dem Schreiben vom 22. April 2008 - stets nur „Plusstunden“ als Freizeitausgleich begehrt und auch prozessual ausschließlich ihren Antrag hierauf gerichtet, ohne erkennen zu lassen, dass es ihr um die Bezahlung der streitbefangenen Stunden geht. Darüber hinaus läge bei einem solchen Begehren ein Wechsel im Streitgegenstand vor (vgl. BAG 18. Mai 2011 - 5 AZR 181/10 - Rn. 10, EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 4), der in der Revisionsinstanz nicht mehr erfolgen kann.

24

IV. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Mestwerdt    

        

    Spelge    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Döpfert    

                 

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 10. Dezember 2012 - 10 Sa 230/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers für Zeiten seiner Arbeitsunfähigkeit.

2

Der Kläger ist als Mechaniker bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesmanteltarifvertrag für die Süßwarenindustrie vom 14. Mai 2007 (BMTV) kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 3   

        

Arbeitszeit

        

1.    

Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 38 Stunden an in der Regel 5 Werktagen in der Woche.

        

2.    

Zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber werden in Betriebsvereinbarungen die regelmäßigen wöchentlichen betrieblichen Arbeitszeiten festgelegt. Dabei kann eine betriebliche Arbeitszeit von bis zu 48 Stunden in der Woche ohne Mehrarbeitszuschläge vereinbart werden. Näheres dazu regeln die Ziff. 3 bis 11.

        

3.    

a)    

Wird von der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden abgewichen, so ist die sich daraus ergebende Zeitdifferenz einem für jeden Arbeitnehmer zu führenden Arbeitszeitkonto zu belasten bzw. mehrarbeitszuschlagsfrei, aber zuzüglich des Belastungsausgleiches gemäß § 3 Ziff. 4 gutzuschreiben.

                 

b)    

Minusstunden/Arbeitszeitdefizite sind auf 114 Stunden begrenzt.

                 

c)    

Beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb verfallen Arbeitszeitdefizite zu Lasten des Arbeitgebers, soweit die Entstehung dieser Zeitdefizite nicht durch den Arbeitnehmer verursacht wurde und ein nicht erfolgter Zeitausgleich nicht vom Arbeitnehmer zu vertreten ist.

        

4.    

…       

[Belastungsausgleich]

        

5.    

Arbeitszeitguthaben, die sich aus der Differenz zwischen der tariflichen und der betrieblich vereinbarten Arbeitszeit ergeben, entstehen an Tagen mit tatsächlicher Arbeitsleistung, d. h. nicht bei Urlaub, Krankheit und sonstigen arbeitsfreien Tagen mit oder ohne Entgeltfortzahlung.

        

…       

        
        

10.     

Unabhängig von der jeweiligen betrieblichen Wochenarbeitszeit wird in jedem Monat das tarifliche bzw. einzelvertraglich vereinbarte Monatsentgelt gleichbleibend gezahlt.“

3

§ 10 Ziff. 1 BMTV regelt darüber hinaus, dass bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes gelten.

4

Im Betrieb findet eine Betriebsvereinbarung über die Variable Arbeitszeit Anwendung. Auf dieser Grundlage war der Kläger in der Zeit vom 23. Mai bis zum 28. Mai 2011 dienstplanmäßig für 45,6 Stunden zur Arbeit eingeteilt. Vom 26. Mai bis zum 29. Mai 2011 war er arbeitsunfähig erkrankt. Für den 28. Mai 2011, einem Samstag, an dem der Kläger 7,6 Stunden hätte arbeiten sollen, schrieb die Beklagte seinem Arbeitszeitkonto keine Arbeitszeit gut.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf eine Gutschrift auch derjenigen geplanten Arbeitszeit, die die tarifliche Arbeitszeit übersteigt. Nach dem Entgeltausfallprinzip seien die Arbeitnehmer im Krankheitsfall so zu stellen, als hätten sie gearbeitet. § 3 Ziff. 5 BMTV überschreite den Regelungsrahmen des § 4 Abs. 4 EFZG, da ganze Zeiträume und nicht nur die Berechnungsgrundlage der Entgeltfortzahlung abweichend vom Gesetz geregelt würden. Die Norm verstoße auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer, die zu einer von der tariflichen Regelarbeitszeit abweichenden Arbeitszeit eingeteilt wurden, würden gegenüber solchen, die diese Arbeitszeit tatsächlich erbrachten, ohne sachlichen Grund ungleichbehandelt.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm für den 28. Mai 2011 7,6 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Tarifnorm sei wirksam.

8

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

10

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Antrag nach der gebotenen Auslegung hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwischen den Parteien besteht keine Unklarheit, wie die Gutschrift erfolgen soll (vgl. zu dieser Anforderung: BAG 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 16 mwN, BAGE 141, 88).

11

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Gutschrift von 7,6 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto für den 28. Mai 2011.

12

1. Aus § 3 Ziff. 3 Buchst. a BMTV ergibt sich ein solcher Anspruch nicht.

13

a) Zwar galt im streitgegenständlichen Zeitraum betrieblich eine längere als die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden. Einer Gutschrift der begehrten 7,6 Stunden steht jedoch § 3 Ziff. 5 BMTV entgegen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm und der Systematik der tariflichen Regelung kann ein Zeitguthaben aus der Differenz zwischen der tariflichen und einer höheren betrieblichen Arbeitszeit nur an Tagen mit tatsächlicher Arbeitsleistung entstehen, nicht hingegen bei Krankheit oder anderen arbeitsfreien Tagen. An dem Tag, für den der Kläger die Zeitgutschrift begehrt, war er arbeitsunfähig erkrankt.

14

b) Für die vom Kläger in den Vorinstanzen vertretene Auffassung, § 3 Ziff. 5 BMTV erfasse nur Fälle, in denen eine Überschreitung der täglichen Arbeitszeit vorliege, gibt es im Tarifvertrag keine Anhaltspunkte. Entgegen der Auffassung der Revision folgt auch aus § 10 BMTV, nach dessen Ziff. 1 bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes gelten, kein anderes Ergebnis, da nach § 4 Abs. 4 EFZG durch Tarifvertrag eine von den Absätzen 1, 1a und 3 des § 4 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage festgelegt werden kann. Von dieser Möglichkeit haben die Tarifvertragsparteien in § 3 Ziff. 5 BMTV Gebrauch gemacht.

15

2. § 3 Ziff. 5 BMTV hält sich im Rahmen der gesetzlichen Öffnungsklausel des § 4 Abs. 4 EFZG.

16

a) Gemäß § 4 Abs. 1 EFZG ist dem Arbeitnehmer für den in § 3 Abs. 1 EFZG bezeichneten Zeitraum das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Der Entgeltfortzahlung liegt damit ein modifiziertes Lohnausfallprinzip zugrunde. Für die Entgeltfortzahlung ist maßgeblich, welche Arbeitszeit aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ausgefallen ist (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 110, 90). Da Gutschriften auf einem Arbeitszeitkonto nur eine andere Form von Entgelt sind, das lediglich nicht (sofort) ausgezahlt, sondern verrechnet wird, sind im Krankheitsfall grundsätzlich auch Zeitgutschriften zu gewähren, unabhängig davon, ob das Arbeitsentgelt verstetigt ausgezahlt wird (BAG 28. Januar 2004 - 5 AZR 58/03 - zu II 3 der Gründe; 13. Februar 2002 - 5 AZR 470/00 - zu I 2 b bb der Gründe, BAGE 100, 256).

17

b) Durch Tarifvertrag kann allerdings nach § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG eine von den Absätzen 1, 1a und 3 des § 4 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden. „Bemessungsgrundlage“ im Sinne dieser Vorschrift ist die Grundlage für die Bestimmung der Höhe der Entgeltfortzahlung. Hierzu gehören sowohl die Berechnungsmethode (Ausfall- oder Referenzprinzip) als auch die Berechnungsgrundlage. Die Berechnungsgrundlage setzt sich aus Geld- und Zeitfaktor zusammen. Sie betrifft Umfang und Bestandteile des der Entgeltfortzahlung zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts sowie die Arbeitszeit des Arbeitnehmers (BAG 18. November 2009 - 5 AZR 975/08 - Rn. 16; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 der Gründe mwN, BAGE 110, 90; vgl. auch BT-Drs. 12/5798 S. 26). Arbeitszeit iSd. § 4 Abs. 4 EFZG meint dabei diejenige Arbeitszeit, für die der Arbeitnehmer in dem Zeitraum nach § 3 Abs. 1 EFZG Arbeitsentgelt bekommen hätte, wenn er nicht an der Arbeitsleistung verhindert gewesen wäre, sondern gearbeitet hätte(BAG 26. September 2001 - 5 AZR 539/00 - zu I 3 a bb der Gründe, BAGE 99, 112).

18

c) In diesem Rahmen sind Abweichungen auch zulasten des Arbeitnehmers zulässig. Bei der Gestaltung der Bemessungsgrundlage müssen die Tarifvertragsparteien aber darauf achten, dass sie weder unmittelbar noch mittelbar gegen die anderen, nach § 12 EFZG zwingenden und nicht tarifdispositiven Bestimmungen des EFZG verstoßen. Die Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien findet dort ihre Grenze, wo der Anspruch auf Entgeltfortzahlung in seiner Substanz angetastet wird (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 110, 90). Insbesondere sind die Tarifvertragsparteien an den Grundsatz der vollen Entgeltfortzahlung (100 %) im Krankheitsfall gebunden (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - aaO).

19

d) Hinsichtlich des Zeitfaktors erlaubt es § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG danach zwar nicht, die zu berücksichtigende Arbeitszeit lediglich anteilig in die Bemessung der Entgeltfortzahlung einfließen zu lassen. Für die Ermittlung der ausgefallenen Arbeitszeit muss aber nicht die individuelle Arbeitszeit maßgeblich sein, es kann vielmehr auch auf die betriebsübliche oder die regelmäßig tarifliche Arbeitszeit abgestellt werden (BAG 19. Januar 2010 - 9 AZR 426/09 - Rn. 57; 18. November 2009 - 5 AZR 975/08 - Rn. 16; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 a bb der Gründe, BAGE 110, 90).

20

e) Dies ist durch § 3 Ziff. 5 BMTV erfolgt. Diese Bestimmung bewirkt im konkreten Fall - verglichen mit der Lage nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz selbst - eine Reduzierung des Entgeltfortzahlungsanspruchs um 7,6 Stunden, da sich der tarifliche Zeitfaktor für die Berechnung der Höhe des fortzuzahlenden Entgelts nach der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bemisst und nicht nach der individuellen Arbeitszeit des Klägers oder der in diesem Zeitraum vereinbarten betrieblichen Arbeitszeit. Diese Orientierung des Zeitfaktors an der tariflichen Arbeitszeit ist jedoch nach den obigen Grundsätzen zulässig; ein Eingriff in die Substanz des Entgeltfortzahlungsanspruchs liegt nicht vor.

21

3. § 3 Nr. 5 BMTV verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Bezugnahme auf die tarifliche Arbeitszeit ist sachlich begründet (BAG 18. November 2009 - 5 AZR 975/08 - Rn. 18; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 4 der Gründe, BAGE 110, 90).

22

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    Brune    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Thiel    

        

    R. Bicknase    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 10. September 2015 - 7 Sa 24/15 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt für den 24. und 31. Dezember 2013 Zeitgutschriften auf seinem Arbeitszeitkonto.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Flugzeugindustrie, seit 1988 als Konstruktionsingenieur im Betrieb Hamburg mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Er ist Mitglied der IG Metall. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Metallindustrie in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern Anwendung (MTV), der ua. regelt:

        

§ 3   

        

Arbeitszeit

        

1.    

Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit

        

1.1     

Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt

                 

a.    

für Hamburg und Umgebung sowie Schleswig-Holstein 35 Stunden

                 

…       

        
        

…       

                 
        

4.    

Verteilung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit

        

4.1     

Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kann gleichmäßig oder ungleichmäßig auf die fünf Werktage Montag bis Freitag durch Betriebsvereinbarung verteilt werden.

        

…       

        
        

5.    

Regelmäßige tägliche Arbeitszeit

                 

Die Arbeitszeit an den einzelnen Werktagen sowie Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen werden gemäß § 87 BetrVG durch Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse unter Beachtung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften festgesetzt.

        

…       

        
        

9.    

Arbeitszeit am 24. und 31. Dezember

                 

Am 24. und am 31. Dezember soll nicht länger als bis 13.00 Uhr und darf nicht länger als sechs Stunden gearbeitet werden.

                 

Die an diesen Tagen über eine geleistete Arbeitszeit von sechs Stunden hinausgehende und dadurch ausfallende individuelle regelmäßige Arbeitszeit muss bezahlt werden. Es erfolgt kein Entgeltabzug.

                 

Für Beschäftigte in Schichtarbeit gilt die gleiche Regelung.“

3

Die Beklagte führt für den Kläger ein Arbeitszeitkonto auf Grundlage der Betriebsvereinbarung „Arbeitszeitregelungen am Standort Hamburg“ vom 31. Mai 2000 (im Folgenden BV Arbeitszeit). Darin heißt es auszugsweise:

        

§ 2 Arbeitszeit

        

2.1     

Die regelmäßige tägliche Sollarbeitszeit beträgt ein Fünftel der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit.

        

2.2     

Eine tägliche Kernarbeitszeit ist nicht festgelegt. Die Verfügbarkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Organisationseinheiten muss jedoch durch entsprechende Absprachen mit dem Vorgesetzten bzw. in der Gruppe gewährleistet sein.

        

2.3     

Beginn und Ende der Arbeitszeit, Pausenzeiten, Normalarbeitszeit sowie Rahmenarbeitszeit werden, sofern unter diesem Paragraphen dieser Betriebsvereinbarung nichts anderes geregelt ist, in den Anlagen (Arbeitszeit- bzw. Sonder-Arbeitszeitmodelle) als Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung festgelegt.

        

2.4     

Zum Ausgleich unterschiedlicher betrieblicher Auslastungen und Anforderungen werden Arbeitszeitmodelle vereinbart. Die einzelnen Modelle sind in den Anlagen A1, … der Betriebsvereinbarung näher beschrieben.

        

2.5     

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit im Rahmen der Arbeitszeitmodelle und der Schichtmodelle unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange selbst bestimmen. In Einzelfällen kann zwischen Personalabteilung und Betriebsrat eine individuelle Arbeitszeit festgelegt werden.

        

2.6     

Es wird ein Zeitraum von plus 100 Stunden (Zeitguthaben) und minus 35 Stunden (Zeitschuld) festgelegt. Dieser Zeitrahmen kann zwischen den Betriebsparteien einvernehmlich in besonderen Fällen befristet erweitert werden.

        

…       

        
        

2.9     

Die Zeitentnahme aus dem Zeitkonto ist stundenweise, in Einzeltagen oder in Blöcken von Tagen möglich. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Vorgesetzten und der Betriebsrat werden über die Kontenstände und die Kontenentwicklung monatlich informiert.

        

2.10   

Auf- und Abbau der Konten berücksichtigen neben den betrieblichen Erfordernissen auch individuelle Zeitwünsche der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter/Gruppe. Es ist sicherzustellen, dass durch die Zeitentnahmen auf Wunsch der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter/Gruppe die betrieblichen Abläufe nicht wesentlich eingeschränkt werden.

        

…       

        
        

2.17   

Die in den Arbeitszeitmodellen festgelegte Normalarbeitszeit dient als Grundlage zur Ermittlung von bezahlten und unbezahlten Fehlzeiten.

        

…       

        

§ 4 Arbeitszeitmodelle

        

4.    

Vereinbart werden folgende Arbeitszeitmodelle

                 

• Normalbetrieb

Anlage A 1

                 

…“    

        
4

Für den Kläger gilt das nachfolgende in der Anlage A1 zur BV Arbeitszeit geregelte Arbeitszeitmodell (im Folgenden Arbeitszeitmodell A1):

        

Arbeitszeitmodell - A 1 - Normalbetrieb

                 
        

Arbeitszeitmodell - Normalbetrieb

        

Betriebszeit

Montag bis Freitag

        

Kernzeit

Dieses Arbeitszeitmodell hat keine Kernzeit.

        

Normalarbeitszeit

07.15 Uhr - 15.00 Uhr

        

Rahmenarbeitszeit *

06.30 Uhr - 19.45 Uhr

        

Sollarbeitszeit

7,0 Stunden pro Tag.

        

Pausen

45 Minuten unbezahlt

        

Wird eine abweichende Rahmenarbeitszeit aus betrieblichen Gründen in einzelnen Bereichen benötigt, so muss diese entsprechend über die Personalabteilung beantragt und mit dem Betriebsrat vereinbart werden.

        

…“    

5

Die zwischen der Beklagten und dem am Standort Hamburg gebildeten Betriebsrat geschlossene „Betriebsvereinbarung Betriebsruhe im Kalenderjahr 2012“ regelte ua.:

        

3.    

Betriebsruhe

        

 3.1   

Betriebsruhetage, Zeitausgleich

                 

Es wird vereinbart, dass der Betrieb an folgenden Tagen ruht:

                 

Samstag1),

07.04.2012

                 

Montag,

30.04.2012

                 

Freitag,

18.05.2012 bis Samstag1), 19.05.2012

                 

Montag,

24.12.2012 bis Montag, 31.12.2012

                 

Die an den Betriebsruhetagen ausfallende Arbeitszeit ergibt sich aus der individuellen arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Am 24.12. (Heiligabend) und am 31.12. (Silvester) beträgt die Ausfallzeit jedoch nur 5,5 Stunden pro Arbeitstag, soweit im Arbeitsvertrag keine kürzere Arbeitszeit festgelegt ist.

                 

Der Zeitausgleich für die oben genannten Tage der Betriebsruhe kann durch Tarifurlaub oder durch Entnahme von Zeitguthaben aus dem Arbeitszeitkonto erfolgen.

                 

…“    

6

Entsprechende Betriebsvereinbarungen hatten die Betriebsparteien bereits für die Jahre 2001 bis 2011 geschlossen. Im Jahr 2013 kam es nicht zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Betriebsruhe für den 24. und 31. Dezember.

7

Der Kläger nahm am 24. und 31. Dezember 2013 bezahlten Freizeitausgleich in Anspruch. Die Beklagte brachte im Arbeitszeitkonto des Klägers für diese Tage eine Soll-Arbeitszeit von jeweils sechs Stunden in Ansatz, indem sie entsprechende Minusbeträge in der für den Kläger geführten Zeitnachweisliste Dezember 2013 auswies.

8

Mit der am 22. September 2014 eingereichten Klage verlangt der Kläger, nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung, die Gutschrift von jeweils 0,5 Zeitstunden für den 24. und den 31. Dezember 2013 auf seinem Arbeitszeitkonto. Er hat geltend gemacht, die Soll-Arbeitszeit habe an diesen Tagen lediglich 5,5 Stunden betragen. § 2 Nr. 2.17 BV Arbeitszeit verstoße gegen den Tarifvertrag, indem die Bestimmung zur Ermittlung der Soll-Arbeitszeit und Dauer seiner Fehlzeit am 24. und 31. Dezember 2013 auf die Normalarbeitszeit von 07:15 Uhr bis 15:00 Uhr abstelle. § 3 Nr. 9 MTV gebe am 24. und 31. Dezember zwingend als Arbeitszeitende 13:00 Uhr vor und begrenze den Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien. Nach Abzug von 15 Minuten Pause ergebe sich eine Soll-Arbeitszeit von nur 5,5 Stunden.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für Dezember 2013 1,0 Arbeitsstunde gutzuschreiben.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger habe am 24. und 31. Dezember 2013 Arbeitsleistungen im Umfang von jeweils sechs Stunden geschuldet.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet.

13

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere streitgegenständlich hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

14

1. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können, und das Leistungsbegehren konkretisiert, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll (BAG 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 - Rn. 12; 12. Dezember 2012 - 5 AZR 918/11 - Rn. 33; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 10; 21. Oktober 2015 - 5 AZR 843/14 - Rn. 14, 16).

15

2. Die Beklagte führt für den Kläger ein Zeitkonto, auf dem die begehrte Gutschrift noch erfolgen kann. An welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll, kommt zwar im Wortlaut des Antrags nicht zum Ausdruck, kann aber unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten Zeitnachweisliste durch Auslegung ermittelt werden. Danach begehrt der Kläger die Korrektur des im Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Saldos durch Gutschrift einer Stunde.

16

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann keine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto verlangen.

17

1. Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands(zB § 615 Satz 1 und Satz 3, § 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 37 Abs. 2 BetrVG) nicht erbringen musste und deshalb Vergütung beanspruchen kann bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte und gezahlte Vergütung erbringen muss (BAG 23. September 2015 - 5 AZR 767/13 - Rn. 20). Die nachträgliche Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto setzt voraus, dass der Arbeitnehmer Arbeitsstunden erbrachte oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste und diese bisher nicht vergütet und nicht in das Arbeitszeitkonto eingestellt wurden (BAG 26. Juni 2013 - 5 AZR 428/12 - Rn. 22; 21. August 2013 - 5 AZR 872/12 - Rn. 9).

18

2. Der Kläger erhält ein verstetigtes Monatsentgelt, dessen Zahlung für Dezember 2013 zwischen den Parteien außer Streit steht. Er hat am 24. und 31. Dezember 2013 keine Arbeitsleistung erbracht. Die Beklagte hat für beide Tage zu Recht eine Soll-Arbeitszeit von jeweils sechs Stunden und nicht nur 5,5 Stunden in Ansatz gebracht. Es bestand keine normative oder einzelvertragliche Regelung, aufgrund derer die Arbeitspflicht des Klägers hinsichtlich der in Ansatz gebrachten sechs Soll-Arbeitsstunden als erfüllt galt. Infolgedessen war die Beklagte nicht verpflichtet, dem Arbeitszeitkonto des Klägers, wie von ihm beansprucht, ohne Arbeitsleistung jeweils 0,5 Stunden gutzuschreiben.

19

a) Der 24. und 31. Dezember sind keine gesetzlichen Feiertage. Sie fielen im Jahr 2013 auf Werktage.

20

b) Eine von dem im Arbeitsverhältnis geltenden Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ (vgl. BAG GS 17. Dezember 1959 - GS 2/59 - zu B IV der Gründe, BAGE 8, 285; 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14, BAGE 141, 144) abweichende Vergütungspflicht des Arbeitgebers wird für den 24. und 31. Dezember ausschließlich durch § 3 Nr. 9 Abs. 2 MTV begründet. Danach sind nur die an diesen Tagen über eine geleistete Arbeitszeit von sechs Stunden hinausgehenden und deshalb - ausgehend von der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit - ausfallenden Stunden zu vergüten. Ausschließlich für diese Stunden regelt § 3 Nr. 9 Abs. 2 MTV einen tariflichen Entgeltfortzahlungsanspruch.

21

c) Aus § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 MTV folgt nicht, dass die Arbeitspflicht des Klägers hinsichtlich eines Teils der in Ansatz gebrachten sechs Soll-Arbeitsstunden iHv. 0,5 Arbeitsstunden als erfüllt gilt.

22

aa) § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 MTV begrenzt am 24. und am 31. Dezember den zeitlichen Umfang der geschuldeten Arbeitszeit, abweichend von der an anderen Werktagen geltenden Soll-Arbeitszeit von sieben Stunden (§ 3 Nr. 1.1 a., § 3 Nr. 4.1 MTV iVm. § 2 Nr. 2.1, Nr. 2.4, § 4 Nr. 4 BV Arbeitszeit), auf jeweils sechs Stunden. Die Tarifnorm untersagt dem Arbeitgeber am 24. und am 31. Dezember Arbeitsleistung im Umfang von mehr als sechs Stunden zu fordern. Sie begründet jedoch - für sich genommen - hinsichtlich der ausgefallenen Arbeitsstunden keine Vergütungspflicht des Arbeitgebers, denn die Tarifbestimmung setzt gleichzeitig die Arbeitnehmer außerstande, die Arbeitsleistung zu bewirken, § 297 BGB (vgl. BAG 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 14, BAGE 151, 45 zu den nach § 4 ArbZG einzuhaltenden gesetzlichen Mindestpausen).

23

bb) Nicht entscheidungserheblich ist, ob § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 MTV für den 24. und 31. Dezember ein tarifliches Beschäftigungsverbot nach 13:00 Uhr regelt und insoweit den Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien begrenzt (zu den Anforderungen an ein gesetzliches Beschäftigungsverbot vgl. BAG 18. März 2009 - 5 AZR 192/08 - Rn. 15, BAGE 130, 29; 21. Oktober 2015 - 5 AZR 843/14 - Rn. 31).

24

(1) Auch bei einem Verständnis in diesem Sinne begründete die tarifliche Regelung keinen Vergütungsanspruch für ausfallende Arbeitsstunden, sondern schlösse, wie § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 MTV, lediglich das Recht des Arbeitgebers, Arbeitsleistung zu verlangen, sowie die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers aus.

25

(2) Ebenso wenig ist es entscheidungserheblich, ob die BV Arbeitszeit - wie der Kläger meint - im Widerspruch zu § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 MTV auch für den 24. und 31. Dezember die Normalarbeitszeit von 07:15 Uhr bis 15:00 Uhr und/oder die „Rahmenarbeitszeit“ zwischen 06:30 Uhr und 19:45 Uhr - iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG als Zeitraum festlegt, in dem der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich erbringen kann und der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflichten verlangen kann(vgl. BAG 17. November 2015 - 1 ABR 76/13 - Rn. 24). Selbst wenn die Betriebsparteien die Grenzen der ihnen in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG eingeräumten Regelungsbefugnis überschritten hätten, ließe dies die vergütungsrechtliche Position des Klägers unberührt und begründete keinen Anspruch des Klägers auf die von ihm begehrte Zeitgutschrift.

26

3. Im Einklang mit § 3 Nr. 9 MTV dient nach § 2 Nr. 2.17 BV Arbeitszeit die in den Arbeitszeitmodellen festgelegte „Normalarbeitszeit“ (§ 2 Nr. 2.4, § 4 BV Arbeitszeit)auch für den 24. und 31. Dezember als Grundlage zur Ermittlung von bezahlten und unbezahlten Fehlzeiten. Dabei regelt § 2 Nr. 2.17 BV Arbeitszeit nicht den Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung, sondern bezieht sich auf die Normalarbeitszeit lediglich als Rechengröße. Dies ergibt die Auslegung der BV Arbeitszeit. Hierfür spricht vor allem der Wortlaut, wonach die Normalarbeitszeit „zur Ermittlung“ bezahlter und unbezahlter Fehlzeiten dient. Zudem verbietet die gebotene gesetzeskonforme Auslegung der BV Arbeitszeit (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 1 ABR 40/12 - Rn. 25) die Annahme, § 2 Nr. 2.17 BV Arbeitszeit betreffe die vergütungspflichtige Arbeitszeit und erweitere im Widerspruch zu § 3 Nr. 9 MTV den Umfang der am 24. und am 31. Dezember geschuldeten Arbeitsleistung. Der MTV regelt für den 24. und 31. Dezember in § 3 Nr. 9 Abs. 1 und Abs. 2 MTV den Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung und die vergütungsrechtliche Behandlung ausfallender Arbeitsstunden abschließend. Ein durch die Betriebsparteien auszufüllender Gestaltungsspielraum verbleibt nicht.

27

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber    

        

    Volk     

        

        

        

    Feldmeier     

        

    Reinders    

                 

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 28. Juni 2012 - 4 Sa 207/12 - unter Zurückweisung der weiter gehenden Revision teilweise aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 24. Januar 2012 - 3 Ca 2823/11 - wird zurückgewiesen, soweit die Beklagte verurteilt wurde, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin ab März 2010 bis März 2011 herausgebuchte 56,28 Stunden wieder gutzuschreiben.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 82 % zu tragen, die Beklagte 18 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Wiedergutschrift von geleisteten Arbeitsstunden auf ihr Arbeitszeitkonto.

2

Die Klägerin ist seit 1991 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Anfang 2002 wechselte sie in den Beschäftigungsbetrieb „Vivento“ und von dort zum 1. Mai 2005 in den Betrieb „Deutsche Telekom Direktvertrieb und Beratung“ (Telekom Direkt bzw. DTDB).

3

Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin finden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung sowie beiderseitiger Tarifbindung die bei der Beklagten geltenden Firmentarifverträge Anwendung. Diese bestehen neben dem Manteltarifvertrag (MTV) aus einer Vielzahl ergänzender Tarifverträge. Zur Geltendmachung von Ansprüchen regelt § 31 MTV auszugsweise Folgendes:

        

§ 31 Ausschlussfrist

        

(1)     

Die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

                 

Bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen bedarf es keiner erneuten schriftlichen Geltendmachung, sofern der nicht oder unzutreffend erfüllte Anspruch auf dem selben Fehler beruht. ...

        

…       

        
        

(4)     

Werden die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis trotz Geltendmachung durch Bestreiten in Schriftform nicht erfüllt oder nur teilweise erfüllt, ist innerhalb einer Frist von zwei Monaten Klage zu erheben. Wird keine Klage erhoben, verfallen die Ansprüche.“

4

Mit dem zum 1. März 2004 in Kraft getretenen Tarifvertrag Beschäftigungsbündnis (TV BB) haben die Tarifvertragsparteien verschiedene beschäftigungssichernde Maßnahmen vereinbart. Zu diesen gehört nach § 2 Abs. 1 TV BB eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 34 Stunden mit Teilentgeltausgleich. Nach § 4 Abs. 1 TV BB sind hiervon allerdings bestimmte Arbeitnehmergruppen ausgenommen. Im Ausnahmefall können nach § 4 Abs. 2 TV BB auch einzelne Beschäftigte herausgenommen werden. Gemäß § 2 Abs. 2 iVm. § 6 TV BB erfolgt die betriebliche Umsetzung der verkürzten Arbeitszeit nach Maßgabe von § 11 MTV und durch die Regelungen des Arbeitszeitkonten-Tarifvertrags (TV Azk). § 11 MTV lautet in der Fassung vom 1. März 2004 auszugsweise wie folgt:

      

§ 11 

Regelmäßige Arbeitszeit

        

(1)     

1Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 34 Stunden (verkürzte Arbeitszeit). …

        

(2)     

1Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt für einzelne Arbeitnehmer und besondere Arbeitnehmergruppen ausschließlich der Pausen 38 Stunden. 2Die Arbeitnehmergruppen sind in der Anlage 1 zum MTV aufgeführt.

                 

3Herausnahmen sind möglich für einzelne oder mehrere Arbeitnehmer mit vergleichbarem Anforderungsprofil (spezielles Fachwissen bzw. spezielle Ausbildung/Qualifikation), wenn diese aus Vivento, gegebenenfalls auch nach zumutbaren Qualifikationsmaßnahmen, nicht ersetzt werden können und für sie ansonsten nachweisbar externe Einstellungen erforderlich werden. …

                 

7Die Anwendung dieser Regelung darf nicht dazu führen, dass der Grundsatz der 34-Stundenwoche nach Absatz 1 im Unternehmen unterlaufen wird.“

5

Nach § 4 Abs. 1 TV Azk wird für jeden Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto (Azk) eingerichtet. Hinsichtlich der Führung des Kontos treffen § 5 und § 6 TV Azk ua. folgende Regelungen:

      

§ 5   

Im Arbeitszeitkonto zu erfassende Zeiten

        

…       

        
        

(8)     

Zu Beginn eines jeden Kalendermonats werden aus dem Azk von Arbeitnehmern, die aus der Wochenarbeitszeitverkürzung herausgenommen sind, obligatorisch 4 Stunden und 20 Minuten herausgebucht.

                 

…       

        

§ 6     

Abrechnungszeitraum

        

(1)     

Die Arbeitszeitkonten werden nicht zu bestimmten Zeiten abgerechnet. Das individuelle Arbeitszeitkonto hat ... einmal innerhalb von längstens 18 Monaten (Abrechnungszeitraum) die ‚Null-Linie‘ zu berühren. Mit dem Durchschreiten bzw. Verlassen der ‚Null-Linie‘ beginnt ein neuer Abrechnungszeitraum.

        

…“    

        
6

Für den Betrieb DTDB wurde der Tarifvertrag über Pilotkonditionen im Betrieb Direktvertrieb und Beratung der Deutschen Telekom AG (TV Pilotkonditionen) vereinbart. Dieser galt vom 1. Oktober 2005 nach mehrmaliger Verlängerung bis zum 30. Juni 2011 und bestimmte ua. Folgendes:

        

§ 1   

        

Persönlicher Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmer, die am Tag vor ihrem Wechsel in den Betrieb ‚Deutsche Telekom Direktvertrieb und Beratung‘ (Telekom Direkt) Transfermitarbeiter der Vivento waren und am Tag nach ihrem Wechsel unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages der Deutschen Telekom AG fallen.

        

§ 2     

        

Anwendung von Vorschriften

        

Es gelten die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG, soweit nicht nachfolgend etwas Abweichendes geregelt ist.

        

…       

        

§ 4     

        

Regelmäßige Arbeitszeit

        

Abweichend von § 11 Absatz 1 Satz 1 Manteltarifvertrag beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen 38 Stunden.

        

…“    

7

Zum 1. Juli 2011 wurden die Arbeitsverhältnisse der DTDB teilweise aus dem Anwendungsbereich der bei der Beklagten geltenden Tarifverträge herausgenommen. Es sollten insoweit nunmehr die Tarifverträge der Telekom Deutschland GmbH gelten (vgl. § 2 des Tarifvertrags zur Bereichsausnahme für den Betrieb „Deutsche Telekom Direktvertrieb und Beratung“ der Deutschen Telekom AG und zur Anwendung der Tarifverträge der Telekom Deutschland GmbH (TV Bereichsausnahme DTDB) vom 21. Juni 2011). Begleitend schlossen die Tarifvertragsparteien am 21. Juni 2011 für die DTDB den Tarifvertrag über besondere Arbeitsbedingungen bei der Überführung der Arbeitsverhältnisse in die Bereichsausnahme für den Betrieb „Deutsche Telekom Direktvertrieb und Beratung“ der Deutschen Telekom AG (TV SR-T-Direkt). § 12 TV SR-T-Direkt regelt, dass die Arbeitnehmer der DTDB in das Arbeitszeitsystem nach den tariflichen Regelungen der Telekom Deutschland GmbH überführt werden. Nach der Protokollnotiz zu § 12 TV SR-T-Direkt gelten die bisher auf Grundlage einer Wochenarbeitszeit von 38 Stunden beschäftigten Arbeitnehmer nach der Überführung als Herausgenommene iSd. § 11 Abs. 2 MTV Telekom Deutschland GmbH. Dieser entspricht § 11 Abs. 2 des bei der Beklagten geltenden MTV. Für die Fortdauer der Beschäftigung auf dem Arbeitsplatz im Anschluss an die Überführung gilt der Herausnahmegrund als gegeben.

8

Die Klägerin ist für die DTDB seit Beginn in einer 38-Stunden-Woche tätig. Für sie ist ein Arbeitszeitkonto eingerichtet, welches seit seinem Bestehen bei der DTDB die „Null-Linie“ zu keinem Zeitpunkt berührt hat. Weder die Klägerin persönlich noch Beschäftigte der DTDB sind in der Anlage 1 zum MTV oder in § 4 TV BB aufgeführt. Dennoch buchte die Beklagte im Zeitraum von Mai 2005 bis März 2011 entsprechend § 5 Abs. 8 TV Azk monatlich gleichbleibend 4 Stunden und 20 Minuten aus dem Arbeitszeitkonto der Klägerin heraus. Mit Schreiben vom 27. August 2010 hatte die Klägerin die Beklagte aufgefordert, diese monatlichen Negativbuchungen künftig zu unterlassen und die bislang abgezogenen Stunden ihrem Arbeitszeitkonto wieder gutzuschreiben. Hierauf reagierte die Beklagte nicht.

9

Mit ihrer am 10. März 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin weiterhin die Auffassung vertreten, die vorgenommenen Abzüge seien zu Unrecht erfolgt. § 5 Abs. 8 TV Azk habe keine Anwendung gefunden. Sie sei nicht nach § 11 Abs. 2 MTV aus einer verkürzten Arbeitszeit von 34 Wochenstunden herausgenommen gewesen. Maßgeblich sei die spezielle Arbeitszeitregelung nach § 4 TV Pilotkonditionen gewesen. Diese habe ein eigenes Arbeitszeitregime mit einer ausnahmslosen Wochenarbeitszeit von 38 Stunden vorgesehen. Hierbei habe es sich um keine Herausnahme iSd. § 11 Abs. 2 MTV gehandelt. Ihre Ansprüche seien auch nicht nach § 31 Abs. 1 MTV verfallen. Die Ausschlussfrist laufe erst mit Beendigung des Abrechnungszeitraumes an. Da ihr Arbeitszeitkonto bei der DTDB die „Null-Linie“ nie berührt habe, habe der mit ihrem Wechsel in die DTDB begonnene Abrechnungszeitraum nach § 6 Abs. 1 TV Azk noch nicht geendet. Folglich stehe ihr bei einem monatlichen Abzug von 4,33 Stunden bezogen auf die Zeit von Mai 2005 bis März 2011 ein Anspruch auf Wiedergutschrift von insgesamt 307,6 Stunden zu.

10

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihr 307,6 Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto zu verbuchen.

11

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass der monatliche Abzug nach § 5 Abs. 8 TV Azk berechtigt gewesen sei. Die Klägerin sei durch § 4 TV Pilotkonditionen iSv. § 11 Abs. 2 MTV aus der grundsätzlich verkürzten Arbeitszeit herausgenommen worden. Indem § 4 TV Pilotkonditionen eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden vorgesehen habe, habe er sich auf § 11 Abs. 2 MTV bezogen und die von der Herausnahme betroffenen Arbeitnehmergruppen ergänzt. Eine solche Ergänzung sei auch ohne Änderung der Anlage 1 zum MTV möglich gewesen. § 5 Abs. 8 TV Azk nehme nicht nur auf diese Anlage Bezug, sondern erfasse alle Arbeitnehmer, die von tariflichen Vorschriften aus der Arbeitszeitverkürzung herausgenommen werden. Bei einem anderen Auslegungsergebnis wäre durch § 4 TV Pilotkonditionen systemfremd eine dritte Gruppe von Beschäftigten geschaffen worden. Neben Arbeitnehmern mit verkürzter regelmäßiger Wochenarbeitszeit von 34 Stunden (§ 11 Abs. 1 MTV) und den aus dieser Wochenarbeitszeit herausgenommenen Arbeitnehmern mit 38 Wochenstunden, die aber einen Abzug von 4 Stunden und 20 Minuten monatlich aus ihrem Arbeitszeitkonto hinnehmen müssen (§ 5 Abs. 8 TV Azk iVm. § 11 Abs. 2 MTV), hätte es dann noch Beschäftigte der DTDB mit 38 Wochenstunden ohne Abzug aus dem Arbeitszeitkonto gegeben. Dem widerspreche der im TV BB zum Ausdruck kommende betriebsübergreifende Solidaritätsgedanke, auf dem die Abbuchung bei Beschäftigten mit einer 38-Stunden-Woche beruhe. Die Herausnahme von Beschäftigten der DTDB aus einer verkürzten Arbeitszeit hätten die Tarifvertragsparteien zudem durch die Protokollnotiz zu § 12 TV SR-T-Direkt klargestellt. Diese Protokollnotiz sei eingefügt worden, um Rechtsunsicherheiten zu klären, die Rechtsstreitigkeiten wie die vorliegende aufgeworfen hätten.

12

Jedenfalls seien etwaige Ansprüche der Klägerin weitgehend verfallen. Ein Anspruch auf Wiedergutschrift wäre unmittelbar nach dem Abzug am Monatsanfang fällig geworden. Er hätte daher monatlich innerhalb der Ausschlussfrist des § 31 Abs. 1 MTV geltend gemacht werden können und müssen.

13

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten insgesamt abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist teilweise begründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war die Beklagte jedenfalls seit Inkrafttreten des TV Pilotkonditionen zur Herausbuchung von Arbeitsstunden aus dem Arbeitszeitkonto der Klägerin nicht berechtigt. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Wiedergutschrift aber nur für die Zeit ab März 2010 bis März 2011 in Höhe von insgesamt 56,28 Stunden. Im Übrigen sind ihre Ansprüche nach § 31 Abs. 1 MTV verfallen.

15

I. Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

16

1. Bei einem Streit über die Führung eines Arbeitszeitkontos kann der Arbeitnehmer entweder die Erhöhung seines Zeitguthabens um eine bestimmte Stundenzahl oder eine Zeitgutschrift in bestimmter Höhe verlangen (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 28 mwN; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11, BAGE 136, 152). Dient die begehrte Zeitgutschrift der Rückgängigmachung der Streichung eines Zeitguthabens, ist keine Konkretisierung des Leistungsbegehrens dahingehend erforderlich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll. Wird in einem solchen Fall dem Antrag auf Gutschrift stattgegeben, weiß der Arbeitgeber, was er zu tun hat, nämlich die von ihm auf einem bestimmten Arbeitszeitkonto vorgenommene Kürzung ungeschehen zu machen (BAG 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 17, BAGE 141, 88).

17

2. Dem entspricht der gestellte Antrag nach der gebotenen Auslegung. Er ist dahingehend zu verstehen, dass in Höhe der verlangten Verbuchung von „Gutstunden“ eine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto erfolgen soll. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Gutschrift in dem nach dem TV Azk geführten Arbeitszeitkonto erfolgen soll.

18

II. Die Klage ist teilweise begründet.

19

1. Die Klägerin hat jedenfalls für die Zeit ab dem 1. Oktober 2005 nach § 611 Abs. 1 BGB dem Grunde nach einen Anspruch auf Wiedergutschrift der seit dem Inkrafttreten des TV Pilotkonditionen von ihrem Arbeitszeitkonto abgezogenen Stunden.

20

a) Geht es um die Korrektur der Arbeitszeiterfassung auf einem Arbeitszeitkonto, kommt dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos aus § 611 Abs. 1 BGB zu, wenn das Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch nach der zugrunde liegenden Abrede verbindlich bestimmt(BAG 27. März 2014 - 6 AZR 621/12 - Rn. 21; 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 21). Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestandes nicht erbringen musste. Es drückt damit - in anderer Form - seinen Vergütungsanspruch aus (vgl. BAG 18. März 2014 - 1 ABR 75/12 - Rn. 20; 21. März 2012 - 6 AZR 560/10 - Rn. 21; 16. Juli 2014 - 10 AZR 242/13 - Rn. 16). Wegen dieser Dokumentationsfunktion darf der Arbeitgeber nicht ohne Befugnis korrigierend in ein Arbeitszeitkonto eingreifen und dort eingestellte Stunden streichen. Kürzt oder streicht der Arbeitgeber zu Unrecht ein Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf (Wieder-)Gutschrift der gestrichenen Stunden (BAG 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 20, 25 f., BAGE 141, 88).

21

b) Vorliegend hat die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig entweder ihre Arbeitsleistung erbracht oder einen Entgeltfortzahlungsanspruch gehabt. Fraglich ist allein, ob die Beklagte nach § 5 Abs. 8 TV Azk berechtigt war, die grundsätzlich nach § 611 Abs. 1 BGB zu vergütenden Stunden aus dem Arbeitszeitkonto der Klägerin „herauszubuchen“ und damit letztlich unbezahlt zu lassen. § 5 Abs. 8 TV Azk setzt voraus, dass der Arbeitnehmer, für den das Arbeitszeitkonto geführt wird, der Wochenarbeitszeitverkürzung unterliegt und von dieser herausgenommen ist. Dies war bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls ab dem Inkrafttreten des TV Pilotkonditionen zum 1. Oktober 2005 nicht der Fall. § 4 TV Pilotkonditionen installierte bis zum 30. Juni 2011 ein eigenständiges Arbeitszeitregime ohne eine verkürzte Arbeitszeit. Dies stellte keine Herausnahme iSd. § 11 Abs. 2 MTV dar.

22

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann (BAG 18. Februar 2014 - 3 AZR 808/11 - Rn. 29; 21. November 2013 - 6 AZR 664/12 - Rn. 28).

23

bb) Nach § 4 TV Pilotkonditionen betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit abweichend von § 11 Abs. 1 Satz 1 MTV 38 Stunden. Es handelte sich gemäß § 2 TV Pilotkonditionen um eine Spezialvorschrift für den Betrieb DTDB, welche die in § 11 Abs. 1 Satz 1 MTV vorgesehene Verkürzung der Arbeitszeit auf 34 Stunden nicht zur Anwendung kommen ließ. Stattdessen sollte im Betrieb DTDB für die von Vivento dorthin gewechselten Arbeitnehmer (§ 1 TV Pilotkonditionen) die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 38 Stunden betragen. § 4 TV Pilotkonditionen installierte nach seinem Wortlaut damit ein eigenständiges Arbeitszeitregime. Dies entsprach dem durch die Verwendung des Begriffs „Pilotkonditionen“ zum Ausdruck kommenden Gedanken der Schaffung von etwas Neuem zu besonderen Konditionen.

24

cc) Dem steht nicht entgegen, dass § 4 TV Pilotkonditionen damit eine „dritte Beschäftigtengruppe“ geschaffen hat, welche weder der verkürzten Wochenarbeitszeit unterfiel noch aus dieser herausgenommen wurde. Ein etwaiger Wille der Tarifvertragsparteien zur Umsetzung des Arbeitszeitkonzepts von § 11 Abs. 1 iVm. Abs. 2 MTV für alle Beschäftigten in allen Betrieben - und damit auch die in der DTDB - hätte keinen Niederschlag in den tariflichen Regelungen gefunden.

25

(1) § 4 TV Pilotkonditionen wies keinen Bezug zu § 11 Abs. 2 MTV auf, auch wenn beide eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden vorsehen. § 11 Abs. 2 MTV ist eine Spezialregelung im Sinne einer Ausnahmevorschrift zu § 11 Abs. 1 Satz 1 MTV, die für „einzelne“ Arbeitnehmer und „besondere“ Arbeitnehmergruppen abweichend von § 11 Abs. 1 Satz 1 MTV eine Arbeitszeit von 38 Stunden anordnet. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis von § 11 Abs. 1 und Abs. 2 MTV kommt dadurch deutlich zum Ausdruck, dass nach § 11 Abs. 2 Satz 7 MTV die Anwendung der Herausnahmemöglichkeit nach § 11 Abs. 2 MTV nicht dazu führen darf, dass der Grundsatz der 34-Stunden-Woche nach § 11 Abs. 1 MTV im Unternehmen unterlaufen wird. Da § 4 TV Pilotkonditionen gerade die Geltung dieses Grundsatzes sperrte, stand er in keinem Zusammenhang mit der diesbezüglichen Ausnahmevorschrift des § 11 Abs. 2 MTV. Konsequenterweise wurden auch keine Beschäftigten der DTDB in der zu § 11 Abs. 2 MTV erstellten Anlage 1 zum MTV aufgeführt.

26

(2) Die Begründung einer eigenständigen betrieblichen Arbeitszeitregelung durch § 4 TV Pilotkonditionen fügte sich in den tariflichen Gesamtzusammenhang ein. Tarifvertragsparteien können im Rahmen eines Haustarifvertrags für einzelne Betriebe spezifische Arbeitszeitregelungen vereinbaren, um den dortigen besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Sie können dabei auch in den Grenzen des Art. 3 Abs. 1 GG in Kauf nehmen, dass die Beschäftigten eines Betriebs gegenüber denjenigen in anderen Betrieben besser gestellt werden. Das war hier der Fall, da sich zumindest die von Vivento kommenden Arbeitnehmer im Betrieb DTDB wegen ihrer eigenständigen Arbeitszeitregelung nicht an dem von § 2 TV BB iVm. § 11 Abs. 1 MTV verfolgten Ziel der Beschäftigungssicherung durch Arbeitszeitverkürzung beteiligten und auch keinen „Solidaritätsbeitrag“ durch Leistung unbezahlter Arbeitsstunden gemäß § 5 Abs. 8 TV Azk iVm. § 11 Abs. 2 MTV erbrachten. Dies könnte den Tarifvertragsparteien aber durch den mit dem TV Pilotkonditionen bezweckten Erfolg des Aufbaus einer neuen Direktvertriebsorganisation als gerechtfertigt erschienen sein. Die finanziell vorteilhafte Regelung des § 4 TV Pilotkonditionen hatte zweifellos eine motivierende Wirkung für die früheren Transfermitarbeiter, welche bei Vivento nach § 11 Abs. 2 MTV iVm. der Anlage 1 zum MTV von der Herausnahme betroffen waren. Zwingende Gründe für eine Herausnahme dieser Beschäftigten bei der DTDB iSd. § 11 Abs. 2 MTV bzw. § 4 TV BB sind jedenfalls nicht ersichtlich. Hätten die Tarifvertragsparteien eine solche Herausnahme gewollt, hätten sie dies zumindest ansatzweise zum Ausdruck bringen müssen.

27

(3) Dies ist auch nicht durch die Protokollnotiz zu § 12 TV SR-T-Direkt geschehen. Nach dieser gelten die bisher auf Grundlage einer Wochenarbeitszeit von 38 Stunden beschäftigten Arbeitnehmer zwar nach der Überführung zum 1. Juli 2011 als Herausgenommene iSd. § 11 Abs. 2 MTV Telekom Deutschland GmbH. Für die Vergangenheit, dh. für die Zeit der Geltung des TV Pilotkonditionen, enthält die Protokollnotiz aber keine Aussage. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien nur eine schon vorher geltende Regelung klarstellen wollten. Dies hätte ausdrücklich erfolgen können. Eine vergangenheitsbezogene Klarstellung wäre besonders dann veranlasst gewesen, wenn Hintergrund der Protokollerklärung - wie von der Beklagten behauptet - gerade die Rechtsstreitigkeiten um die Berechtigung von Abzügen nach § 5 Abs. 8 TV Azk gewesen wären.

28

dd) Die Klägerin wechselte zum 1. Mai 2005 von Vivento zur DTDB und unterfiel damit unstreitig dem persönlichen Geltungsbereich des TV Pilotkonditionen. Für ihr Arbeitsverhältnis galt daher ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV Pilotkonditionen zum 1. Oktober 2005 dessen Arbeitszeitregime. Eine tarifliche Anordnung einer Herausnahme aus der Wochenarbeitszeitverkürzung iSv. § 5 Abs. 8 TV Azk bestand daher im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls ab dem 1. Oktober 2005 nicht mehr.

29

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte bis zum 30. September 2005 zu den vorgenommenen Abbuchungen berechtigt war. Hinsichtlich der Abzüge für die Monate Mai 2005 bis einschließlich Februar 2010 ist die Klage ohnehin unbegründet. Insoweit greift die Ausschlussfrist des § 31 Abs. 1 MTV, wonach Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind.

30

a) Die Ausschlussfristenregelung findet auf die streitgegenständlichen Ansprüche auf Gutschrift von Arbeitsstunden Anwendung. Die Beklagte wollte hier mit der Belastung des Arbeitszeitkontos der Klägerin mit Minusstunden keinen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Vergütung bzw. eines nicht ins Verdienen gebrachten Vorschusses durchsetzen (vgl. zu dieser Konstellation BAG 26. Januar 2011 - 5 AZR 819/09 - Rn. 20, BAGE 137, 38). Vielmehr verfolgt die Klägerin eigene Ansprüche gemäß § 611 Abs. 1 BGB.

31

b) Ein Anspruch ist regelmäßig erst dann im Sinne einer Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann. Die Forderung muss in ihrem Bestand feststellbar sein und geltend gemacht werden können (vgl. BAG 14. März 2012 - 10 AZR 172/11 - Rn. 39; 18. August 2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 43). Bei Führung eines Arbeitszeitkontos kann der Arbeitnehmer etwaige Ansprüche ggf. einer Mitteilung des Arbeitgebers über den Stand des Kontos entnehmen (vgl. zur Vergleichbarkeit mit einer Lohnabrechnung BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 19, BAGE 135, 197). Hängt das Bestehen von Ausgleichsansprüchen einer Vertragspartei allerdings nach der Ausgestaltung der Kontoführungsregelungen von dem Kontostand zu einem bestimmten Abrechnungszeitpunkt ab, so ist vorher nicht feststellbar, ob entsprechende Ansprüche bestehen (vgl. BAG 5. September 2002 - 9 AZR 244/01 - zu B III 1 b aa der Gründe, BAGE 102, 321). Der Sinn eines Arbeitszeitkontos besteht typischerweise gerade in der Flexibilisierung der Arbeitszeit, die es gestattet für einen bestimmten Zeitraum Plus- oder Minusstunden anzusammeln und erst zu einem bestimmten Stichtag oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Bilanz zu ziehen. Hiervon zu unterscheiden ist jedoch der Streit, ob bestimmte Zeiten - zB Mehrarbeit - zu Unrecht nicht in das Arbeitszeitkonto eingebucht wurden. Etwaige Ansprüche auf Gutschrift solcher Stunden bestehen unabhängig von dem Ausgleichszeitraum, denn sie wirken sich auf jedweden Saldo zum Abrechnungsstichtag aus.

32

c) Gleiches ist hier der Fall. Streitgegenstand ist kein zu einem bestimmten Zeitpunkt abzurechnender oder auszugleichender Saldo, sondern der monatlich gleichbleibende Abzug von 4 Stunden und 20 Minuten. Er wirkt sich bei der Saldierung in jedem Fall zu Lasten der Klägerin aus. Der Abrechnungszeitraum nach § 6 Abs. 1 TV Azk hat daher keine Bedeutung für die Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs. Die Klägerin konnte die Wiedergutschrift der zu Beginn eines jeden Kalendermonats herausgebuchten Stunden sofort im ebenfalls monatlichen Turnus verlangen (§ 271 Abs. 1 BGB). Dies war ihr auch möglich, da sie nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Kenntnis von den monatlich erfolgten Minusbuchungen hatte. Dies entspricht der Konstanz dieser Abbuchungen hinsichtlich Höhe und Zeitpunkt.

33

d) Die streitgegenständlichen Ansprüche sind daher nach § 31 Abs. 1 MTV für den Zeitraum bis einschließlich Februar 2010 verfallen. Die Geltendmachung vom 27. August 2010 hat die sechsmonatige Ausschlussfrist nur für die Ansprüche ab März 2010 gewahrt. Entsprechend der Herausbuchung zu Beginn des Monats Februar 2010 wären die daraus folgenden Ansprüche nämlich bis Anfang August 2010 geltend zu machen gewesen. Folglich sind auch die Ansprüche für die vorherigen Monate nicht rechtzeitig geltend gemacht.

34

3. Die Ansprüche ab März 2010 sind nicht verfallen. Die Klägerin kann insoweit eine Gutschrift in Höhe von insgesamt 56,28 Stunden beanspruchen.

35

a) Bezüglich dieser Ansprüche bedurfte es keiner erneuten schriftlichen Geltendmachung. Nach § 31 Abs. 1 Unterabs. 2 MTV ist eine solche nicht erforderlich, sofern der nicht oder unzutreffend erfüllte Anspruch auf demselben Fehler beruht. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, denn die monatlich entstehenden Ansprüche auf Wiedergutschrift beruhen auf derselben fehlerhaften Anwendung des § 5 Abs. 8 TV Azk.

36

b) Auch die zweite Stufe der Ausschlussfrist kann der Geltendmachung der verbleibenden Ansprüche nicht entgegenstehen. Sie greift nach § 31 Abs. 4 MTV nur ein, wenn nach der Geltendmachung der Ansprüche ein Bestreiten in Schriftform erfolgte. Ein solches Bestreiten ist den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen. Auch die Beklagte hat sich auf ein solches Bestreiten nicht berufen.

37

c) Die nicht verfallenen Ansprüche belaufen sich der Höhe nach auf insgesamt 56,28 Stunden. Die Klägerin berechnet ihre Klageforderung mit 4,33 Stunden pro Monat und verlangt demzufolge für März bis August 2010 eine Gutschrift von 25,98 Stunden. Für die Zeit von September 2010 bis März 2011 hat sie ausweislich der Klageerweiterung vom 18. April 2011 insgesamt 30,3 Stunden geltend gemacht. Es ergibt sich für die Zeitspanne von März 2010 bis März 2011 eine Summe von 56,28 Stunden. Die Höhe dieser Forderung steht zwischen den Parteien nicht in Streit.

38

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Kammann    

        

    Cl. Peter    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. März 2011 - 5 Sa 2328/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, in ein Arbeitszeitkonto eingestellte Stunden zu streichen.

2

Die Klägerin ist bei der Beklagten in deren Betrieb „Niederlassung B“ als Zustellerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund vertraglicher Vereinbarung die für das Unternehmen der Beklagten jeweils geltenden Tarifverträge Anwendung.

3

Zur Arbeitszeit bestimmt der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG (im Folgenden: MTV-DP AG) vom 18. Juni 2003 ua.:

        

㤠22 Arbeitszeit

        

(1)     

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Ruhepausen 38,5 Stunden im wöchentlichen Durchschnitt. Für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer gilt die im Arbeitsvertrag vereinbarte Wochenarbeitszeit als durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit. Eine abweichende Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit ist innerhalb von zwölf Monaten auszugleichen.

        

…       

        
        

(3)     

Bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage hat der Betriebsrat nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes mitzubestimmen.

        

…“    

        
4

Innerhalb der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit erhalten die Arbeitnehmer nach der Anlage 2a zum MTV-DP AG ua. eine Erholungszeit, die zu Kurzpausen zusammenzufassen und im Dienstplan auszuweisen ist. Bis zum 31. März 2008 betrug nach dem Tarifvertrag Nr. 111 die Erholungszeit pro Arbeitsstunde 3,50 Minuten, von denen mindestens 3,14 Minuten je Stunde Arbeitszeit zu Kurzpausen zusammenzufassen waren. Mit Wirkung ab 1. April 2008 wurde durch den Tarifvertrag Nr. 142a die Erholungszeit auf 2,25 Minuten pro Arbeitsstunde verkürzt, von denen mindestens 2,03 Minuten je Stunde Arbeitszeit zu Kurzpausen zusammenzufassen sind.

5

Zur Überzeitarbeit heißt es in dem mit Wirkung vom 1. September 2003 in Kraft getretenen Entgelttarifvertrag für Arbeitnehmer der Deutschen Post AG (im Folgenden: ETV-DP AG):

        

㤠14

        

Überzeitarbeit

        

(1)     

Arbeitsstunden, die auf Anordnung, Anforderung oder mit Billigung des Dienstvorgesetzten bzw. des von ihm hierfür Beauftragten über die tägliche dienstplanmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet werden, sind Überstunden. Sie dürfen nur angeordnet bzw. geleistet werden, wenn zwingende dienstliche Gründe dies erfordern.

        

…       

        
        

(4)     

Überstunden werden durch Freizeit ausgeglichen. Für jede Überstunde wird ein Überstundenzuschlag gemäß Abs. 5 UAbs. 2 gewährt. Er wird ebenfalls in Freizeit ausgeglichen. Der Freizeitausgleich für Überstunden und Überstundenzuschläge muss innerhalb von zwölf Monaten nach dem Entstehen erfolgen. Ist dies bis zum Ende des zwölften Kalendermonats nach dem Monat, in dem die Überstunden entstanden sind, nicht möglich, werden mit der Entgeltabrechnung für den darauffolgenden Kalendermonat das jeweilige Stundenentgelt der für den Arbeitnehmer maßgebenden Entgeltgruppe und der Überstundenzuschlag gezahlt.

                 

Beim Freizeitausgleich sind die betrieblichen Erfordernisse und die Interessen des einzelnen Arbeitnehmers gleichgewichtig zu berücksichtigen.

        

…“    

        
6

Im Betrieb „Niederlassung B“ ist ein Betriebsrat gebildet. Die Arbeitszeit in der Zustellung ist in der Betriebsvereinbarung Nr. 11 geregelt, die den Arbeitnehmern die Wahl zwischen zwei Arbeitszeitmodellen lässt. Zu dem von der Klägerin gewählten „Arbeitszeitmodell B“ heißt es in der Betriebsvereinbarung:

        

㤠12 Arbeitszeitregelungen

        

1.    

Für Beschäftigte, die innerhalb des Modells B arbeiten, gilt die dienstplanmäßige Arbeitszeit als erbracht.

                 
        

§ 13 Überzeitarbeit

        

1.    

Überzeitarbeit entsteht

                  ·       

anlässlich von Wochenfeiertagen entsprechend der Berechnungsregelung lt. ETV Arb § 14 Absatz 7

                  ·       

bei Arbeitsleistungen in besonderer Schicht

                  ·       

bei Dienstplanwechsel und Dienstplanänderung

                  ·       

bei Übertragungen von Zustellabschnitten in Höhe des zeitlichen Anteils der zu übernehmenden Zustellabschnitte

                  ·       

bei Warten vor Ablagekästen und Havarien in Höhe der aus diesem Anlass verbrauchten Arbeitszeit.

        

2.    

Überzeitarbeit aus überprüfungsbedürftiger Bemessung wird - auch rückwirkend - anerkannt.“

7

           

Zur Überzeitarbeit bestimmt die Betriebsvereinbarung Nr. 1 vom 12. Juli 1996 ua.:

        

㤠2 Geltungsbereich

        
        

…       

                 
        

2.    

Überzeitarbeit im Sinne dieser Betriebsvereinbarung beinhaltet die Überstunden bei Arbeitern und Angestellten und die Mehrarbeit bei Beamten. Als Überzeitarbeit gelten alle Arbeitszeiten, die über die individuelle tägliche dienstplanmäßige Arbeitszeit hinausgehen. Hierzu zählt auch die ÜZA infolge der zusätzlichen Übernahme eines Teiles eines anderen Zustellbezirks (Übertragung) sowie die ÜZA infolge von Wartezeit aus Störungen des Regelablaufes (z. B. durch verspäteten Verteilschluss oder nicht zeitgerechte Bedienung von Ablagestellen) und ÜZA infolge des unmittelbaren Wechsels in einen anderen Dienstplan (…).

        
        

…       

                 
        

§ 4 Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates

        
        

…       

                 
        

4.    

Um dem einzelnen Beschäftigten die notwendige Kontrolle über seine Freizeitansprüche aus ÜZA zu ermöglichen, stellt der Arbeitgeber sicher, daß der Beschäftigte sich jederzeit über die Höhe seiner noch auszugleichenden Freizeitansprüche aus Überzeitarbeit informieren kann.

        
        

…       

                 
        

§ 6 Freizeitausgleich für geleistete Überzeitarbeit

        
        

1.    

Auch unvorhersehbare Überzeitarbeit ist entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen in Freizeit auszugleichen. Der Ausgleich soll zeitnah innerhalb von 3 Monaten erfolgen. Dieser Zeitraum soll dazu beitragen, den geleisteten Freizeitausgleich gegenüber der Bezahlung in den Vordergrund zu stellen und auch zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen zu können. Dabei gehen die Betriebsparteien von der Erwartung aus, daß der Freizeitausgleich innerhalb der tarifvertraglichen Frist gewährt wird und hinsichtlich der zeitlichen Lage die Wünsche der Arbeitnehmer im Rahmen des Möglichen berücksichtigt werden.

        
        

…“    

                 
8

Die Klägerin arbeitete bis zum 30. Juni 2008 nach Dienstplänen, denen (noch) die Erholungszeit nach dem TV Nr. 111 zugrunde lag. Die Umsetzung der Kürzung der Erholungszeit nach dem TV Nr. 142a in die Dienstpläne erfolgte erst mit Wirkung ab dem 1. Juli 2008.

9

Am 6. November 2008 kürzte die Beklagte das Überzeitarbeitskonto (im Folgenden: ÜZA-Konto) der Klägerin um die dort eingestellten 7,20 Stunden und gab dazu unter der Rubrik „Zeitumbuchungsart“ als Grund an: „0073 Verfall ÜZA“. Der außergerichtlichen Aufforderung der Klägerin, die Kürzung ihres Zeitguthabens rückgängig zu machen, kam die Beklagte nicht nach.

10

Mit ihrer am 21. September 2009 eingereichten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte sei zur Kürzung des Guthabens auf dem ÜZA-Konto nicht berechtigt (gewesen). Sie habe im streitgegenständlichen Zeitraum nach ihr vorgegebenen Dienstplänen gearbeitet und damit die geschuldete Arbeitszeit erbracht. Wenn die Beklagte ihr zu lange bezahlte Pausen gewährte, könne das allenfalls einen (Rück-)Zahlungsanspruch begründen. Zudem verstoße das Vorgehen der Beklagten gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil sie Kürzungen nur bei den Beschäftigten vorgenommen habe, deren ÜZA-Konto ein Guthaben aufwies.

11

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin eine Zeitgutschrift iHv. 7,20 Stunden vorzunehmen.

12

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, zur Kürzung des Guthabens auf dem ÜZA-Konto der Klägerin berechtigt (gewesen) zu sein. Nach der (rückwirkenden) Kürzung der Erholungszeit pro Arbeitsstunde durch den Tarifvertrag Nr. 142a habe die Klägerin die tarifvertraglich geschuldete Arbeitszeit nicht vollständig erbracht. Es sei eine Arbeitszeitschuld entstanden, die sie gegen das Arbeitszeitguthaben habe aufrechnen dürfen. Gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz habe sie schon deshalb nicht verstoßen, weil es an einer verteilenden Entscheidung fehle. Zudem sei es ein sachlicher Grund, Beschäftigte, deren ÜZA-Konto kein Guthaben aufwies, nicht ins Minus zu bringen.

13

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

15

I. Die Klage ist mit der gebotenen Auslegung des Leistungsantrags zulässig.

16

1. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mehrfach entschieden, der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, sei hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Gleichermaßen könne der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11 mwN, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 -; BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 27, NZA 2012, 281). Allerdings ist dafür eine Konkretisierung des Leistungsbegehrens erforderlich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll.

17

2. Dieses für Klagen auf Gutschrift bislang nicht in das Arbeitszeitkonto aufgenommener Stunden entwickelte Bestimmtheitserfordernis kann nicht unbesehen auf einen Antrag übertragen werden, bei dem die begehrte Zeitgutschrift lediglich der Rückgängigmachung der Streichung eines Zeitguthabens dient. Wird in einem solchen Fall dem Antrag auf Gutschrift stattgegeben, weiß der Arbeitgeber, was er zu tun hat, nämlich die von ihm auf einem bestimmten Arbeitszeitkonto vorgenommene Kürzung ungeschehen zu machen.

18

Auf welchem Arbeitszeitkonto die Gutschrift erfolgen soll, kommt im Wortlaut des Antrags nicht zum Ausdruck, kann aber durch Auslegung ermittelt werden. Es steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die Beklagte das ÜZA-Konto der Klägerin gekürzt hat und die begehrte Gutschrift auf eben diesem erfolgen soll.

19

II. Die Klage ist begründet. Die Beklagte war und ist nicht berechtigt, das streitgegenständliche Zeitguthaben zu streichen. Infolge dessen ist sie verpflichtet, diese Stunden dem ÜZA-Konto der Klägerin wieder zuzuführen, also „gutzuschreiben“.

20

1. Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands(zB § 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 1 BUrlG, § 37 Abs. 2 BetrVG) nicht erbringen musste. Wegen dieser Dokumentationsfunktion darf der Arbeitgeber nicht ohne Befugnis korrigierend in ein Arbeitszeitkonto eingreifen und dort eingestellte Stunden streichen. Neben der materiellrechtlichen Rechtfertigung muss die der Führung des Arbeitszeitkontos zugrunde liegende Vereinbarung (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) dem Arbeitgeber überhaupt die Möglichkeit eröffnen, in das Arbeitszeitkonto eingestellte und damit grundsätzlich streitlos gestellte (vgl. dazu BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 19, BAGE 135, 197) Arbeitsstunden wieder zu streichen.

21

2. Daran fehlt es im Streitfall. Die dem ÜZA-Konto zugrunde liegenden Vereinbarungen erlauben es der Beklagten nicht, dieses Arbeitszeitkonto mit Minusstunden zu belasten, die sich - möglicherweise - aus der Nichtausschöpfung der tarifvertraglichen Wochenarbeitszeit in den Dienstplänen ergeben.

22

a) Das ÜZA-Konto ist ein spezielles Arbeitszeitkonto, das nur die aus Überzeitarbeit erworbenen „Gutstunden“, die grundsätzlich in Freizeit auszugleichen sind, erfasst und dokumentiert. Weder § 14 ETV-DP AG, der die Überzeitarbeit materiellrechtlich regelt, noch die Betriebsvereinbarungen Nr. 1 und Nr. 11 sehen die Möglichkeit vor, in dem ÜZA-Konto Minusstunden aus der Nichtausschöpfung der tarifvertraglich tatsächlich zu arbeitenden Zeit durch den bzw. im Dienstplan zu verrechnen.

23

b) Ebenso wenig kann aus § 22 Abs. 1 MTV-DP AG eine entsprechende Befugnis der Beklagten hergeleitet werden. Abgesehen davon, dass die Tarifnorm nur die tarifliche Arbeitszeit regelt, jedoch keine Vorschriften zur Führung des ÜZA-Kontos enthält, bestimmt § 22 Abs. 1 Satz 3 MTV-DP AG, dass eine abweichende Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit nach Satz 1 und Satz 2 innerhalb von zwölf Monaten auszugleichen ist. Die Kürzung bzw. Streichung eines Guthabens auf dem ÜZA-Konto, das gerade durch Arbeit außerhalb der dienstplanmäßigen Arbeitszeit erworben wurde, ist keine abweichende Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit. Eine solche muss, wie sich zumindest aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt, in die Zukunft gerichtet sein und erfolgt durch die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage, bei der der Betriebsrat nach § 22 Abs. 3 MTV-DP AG iVm. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitzubestimmen hat.

24

Zudem hat die (rückwirkende) Kürzung der Erholungszeit durch den TV Nr. 142a nicht zu einer abweichenden Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit iSd. § 22 Abs. 1 Satz 3 MTV-DP AG geführt. Die nach dem 1. April 2008 geltenden Dienstpläne haben wie zuvor eine regelmäßige Arbeitszeit von 38,5 Stunden im wöchentlichen Durchschnitt verteilt und dabei lediglich die tatsächlich zu arbeitende Zeit insoweit nicht ausgeschöpft, als die Arbeitszeit einen zu hohen Anteil als Erholungszeit bezahlter Pausen enthielt. Überdies gilt für Zusteller, die wie die Klägerin im Arbeitszeitmodell B arbeiten, die dienstplanmäßige Arbeitszeit nach § 12 Ziff. 1 Betriebsvereinbarung Nr. 11 als erbracht, unabhängig davon, wie lange sie für die von ihnen zu erledigende Zustelltätigkeit tatsächlich brauchen. Die tarifvertraglich zu arbeitende Zeit ist für diese Beschäftigten daher ohne Belang, wobei der Senat nicht zu entscheiden braucht, ob die Betriebsvereinbarung Nr. 11 insoweit tarifwidrig ist.

25

3. Kürzt oder streicht der Arbeitgeber zu Unrecht ein Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf (Wieder-)Gutschrift der auf dem Arbeitszeitkonto gestrichenen Stunden. Dieser Anspruch ist jeder Vereinbarung über die Führung eines Arbeitszeitkontos immanent.

26

a) Das Bundesarbeitsgericht hat bislang einen Anspruch des Arbeitnehmers auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos bejaht bzw. in Betracht gezogen, wenn das Arbeitszeitkonto nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt (vgl. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 10 mwN, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 -). Doch muss ein Arbeitszeitkonto nicht stets einen Vergütungsanspruch verbindlich bestimmen, es kann auch - wie hier - für die Höhe eines Anspruchs auf Freizeitausgleich oder die Höhe eines Vorschusses maßgebend sein.

27

b) Unabhängig davon, ob ein Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch oder sonstige Ansprüche maßgeblich bestimmt, kann der Arbeitnehmer stets verlangen, dass der Arbeitgeber, der aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag ein Arbeitszeitkonto für den Arbeitnehmer unterhält, dieses den vereinbarten Vorgaben entsprechend führt. Andernfalls vermag das Arbeitszeitkonto seinen Zweck, den zeitlichen Umfang der vom Arbeitnehmer erbrachten Hauptleistungspflicht zu dokumentieren, nicht zu erfüllen. Greift der Arbeitgeber zu Unrecht in den Saldo eines Arbeitszeitkontos ein, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Wiederherstellung des Status quo ante und damit auf (Wieder-)Gutschrift der aus dem Saldo seines Arbeitszeitkontos gestrichenen Stunden.

28

III. Die Kosten der Revision hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Zoller    

        

    Pollert    

        

        

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. Februar 2014 - 16 Sa 777/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach dem Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung - Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen (AWbG) vom 6. November 1984.

2

Unter dem 18. Oktober 2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe im laufenden Jahr 2011 seinen Bildungsurlaub nach dem AWbG noch nicht in Anspruch genommen. Er beabsichtige im folgenden Jahr die Zusammenfassung der Ansprüche und mache daher die Übertragung von fünf Tagen Bildungsurlaub in das Jahr 2012 geltend.

3

Mit Schreiben vom 25. Juni 2012 lud die IG Metall, Verwaltungsstelle H, den Kläger zu einem Seminar mit dem Thema „Weimarer Demokratie und faschistische Diktatur - Arbeitergeschichte im 20. Jahrhundert - Der Kampf um soziale Rechte“ für die Zeit vom 2. bis zum 14. September 2012 ein. In der Seminarausschreibung hieß es hierzu ua.:

        

„Das Seminar wendet sich an interessierte Arbeitnehmer(innen) und Betriebsräte. Empfehlenswert ist der vorherige Besuch der Seminarreihe ‚Leben und Arbeiten: Interessenvertretung in Betrieb und Gesellschaft‘ sowie des Seminars ‚Die Entstehung der Arbeiterbewegung als Lernprozess‘ …“

4

Der Themenplan lautete wie folgt:

        

„…    

                 
        

Inhalte

                 
        

Sonntag

        

Anreise, Abendessen, Begrüßung und Informationen zum Haus

        

Montag

V       

Vorstellungsrunde und organisatorische Hinweise

                          

Darstellung des Seminarprogramms und Vereinbarungen über den Seminarablauf, Einstieg ins Thema

                 

N       

Erfolge und Niederlagen in der organisierten Arbeiterschaft in der Novemberrevolution 1918

        

Dienstag

V       

Der Kampf um das Betriebsrätegesetz 1920

                 

N       

Das erste Betriebsrätegesetz und die Realität betrieblicher Interessenvertretung im Vergleich mit dem BetrVG 2001

        

Mittwoch

V       

Der Beitrag des Betriebsrätegesetzes zur Demokratisierung der Gesellschaft am Beispiel der Reaktion auf den Kapp-Putsch

                 

N       

Die Entwicklung von Arbeitsrecht und Betriebsverfassung bis 1933

        

Donnerstag

V       

Die Gegner der demokratischen Republik und der Kampf um ihre Verteidigung

                 

N       

Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und staatliche Krisenpolitik

        

Freitag

V       

Das Betriebsrätegesetz als Instrument zur Krisenbewältigung im Vergleich zum BetrVG (Möglichkeiten der Krisenbewältigung mit dem BetrVG heute im Vergleich zum Betriebsrätegesetz von 1920)

                 

N       

Das Betriebsrätegesetz als untaugliches Mittel im Abwehrkampf gegen den Aufstieg der NS-Bewegung

        

Samstag

V       

Sozialgesetzgebung im Vergleich zu heute

                                   
                          

Rückblick auf die Woche, Ausblick auf die kommende Woche

        

Montag

V       

Die Zerschlagung der Weimarer Betriebsverfassung und der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten

                 

N       

Betriebsverfassung im ‚Dritten Reich‘: die Deutsche Arbeitsfront als antidemokratisches Herrschaftsinstrument

        

Dienstag

V       

‚Betriebsführer‘ und ‚Gefolgschaft‘ als Beispiele für nationalsozialistische Volksgemeinschaftspolitik

                 

N       

Tarifordnungen unter diktatorischen Bedingungen

        

Mittwoch

V       

Staatliche Wirtschaftspolitik und Kriegsvorbereitung

                 

N       

Arbeitspolitik in der Kriegswirtschaft - Zwangsarbeit

        

Donnerstag

V       

Widerstand und Emigration: Konzepte für die betriebliche Interessenvertretung nach 1945

                 

N       

Auswirkungen der Erfahrungen aus Weimarer Republik und NS auf die Betriebsverfassung der Bundesrepublik

        

Freitag

V       

Aus der Geschichte gelernt: Betriebsvereinbarungen gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung

                          

Abreise“

5

Unter dem 26. April 2010 wurde das das Seminar veranstaltende IG Metall-Bildungszentrum Berlin durch die Bezirksregierung Detmold als Einrichtung der Arbeitnehmerweiterbildung nach §§ 10 ff. AWbG anerkannt. Mit Schreiben vom 2. Juli 2012 an die Beklagte „im Haus“ erklärte der Kläger die Inanspruchnahme von Bildungsurlaub in der Zeit vom 2. bis zum 14. September 2012. Mit Schreiben vom 11. Juli 2012 lehnte die Beklagte die Freistellung des Klägers mit der Begründung ab, es sei nicht erkennbar, dass es sich um ein Seminar handele, welches jedermann zugänglich sei. Mit Schreiben vom 12. Juli 2012 übersandte der Kläger der Beklagten „im Hause“ die „Jedermannerklärung“ der IG Metall-Verwaltungsstelle H für dieses Seminar. Mit Schreiben vom 13. Juli 2012, das der Beklagten am 19. Juli 2012 zuging, erklärte der Kläger, er werde trotz der Weigerung der Beklagten am Seminar teilnehmen. Mit Schreiben vom 18. Juli 2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, der Betriebsratsvorsitzende habe ihm mitgeteilt, ein an ihn adressiertes Schreiben der Personalabteilung sei beim Betriebsratsvorsitzenden eingegangen. Danach habe er erfahren, dass die Beklagte wegen Fehlens der „Jedermannerklärung“ den Bildungsurlaub ablehne. Diese sei der Beklagten aber per Fax noch fristgerecht am 13. Juli 2012 und als Kopie mit der Hauspost zugegangen. Mit Schreiben vom 27. Juli 2012 bescheinigte die IG Metall-Verwaltungsstelle H dem Kläger Folgendes:

        

„Hiermit bescheinigen wir, dass bei Teilnahme an Seminaren der IG Metall der Teilnehmer sich bewerben muss und erst nach dieser Bewerbung bekommen diese Interessenten eine Einladung bzw. einen Bescheid, dass sie auf der Warteliste des Seminars stehen.

        

Es ist also nicht der Fall, dass die IG Metall sich Mitglieder aussucht, und diese dann zu einem Seminar einlädt.“

6

Für dieses Seminar wurde im Bildungsprogramm 2012 der IG Metall, einsehbar in allen IG Metall-Verwaltungsstellen, sowie im Internet auf der Webseite des Bildungszentrums geworben.

7

Das Seminar fand montags bis freitags von 8:30 Uhr bis 10:00 Uhr, 10:15 Uhr bis 12:30 Uhr, 14:30 Uhr bis 15:45 Uhr und 16:00 Uhr bis 17:00 Uhr statt. Die Kosten für ein zweiwöchiges Seminar beliefen sich im Bildungszentrum Berlin im Jahre 2012 auf insgesamt 2.741,40 Euro, wovon 840,00 Euro auf die Übernachtung und 540,00 Euro auf die Verpflegung entfielen. Dies ergibt einschließlich der Mehrwertsteuer einen Betrag in Höhe von 1.541,40 Euro. Hinzu kamen steuerfreie Seminarkosten in Höhe von 1.200,00 Euro.

8

Die Beklagte kürzte die Vergütung des Klägers für den Monat September 2012 wegen seiner Teilnahme an der Bildungsveranstaltung in Höhe von 1.458,90 Euro brutto. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 machte die IG Metall für den Kläger gegenüber der Beklagten dessen Zahlungsanspruch erfolglos geltend. Der Entgeltausfall für September 2012 wurde dem Kläger von der IG Metall erstattet.

9

Mit seiner am 12. November 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, er habe für die Zeit der Seminarteilnahme Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 7 AWbG.

10

Er hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.458,90 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Oktober 2012 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen des AWbG seien nicht erfüllt. Insbesondere sei die Weiterbildungsmaßnahme nicht jedermann zugänglich gewesen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ( § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Aufgrund der festgestellten Tatsachen kann der Senat nicht abschließend darüber befinden, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit seiner Teilnahme an dem Seminar „Weimarer Demokratie und faschistische Diktatur - Arbeitergeschichte im 20. Jahrhundert - Der Kampf um soziale Rechte“ Vergütung zu zahlen.

14

I. Die allgemeinen und formellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Fortzahlung von Arbeitsentgelt gemäß § 7 AWbG sind erfüllt.

15

1. Der Kläger war Arbeitnehmer (§ 2 Satz 1 AWbG). Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bestand seit mehreren Jahren. Die Wartezeit des § 3 Abs. 3 AWbG von sechs Monaten war damit bei Antragstellung im Juli 2012 erfüllt. Der Kläger durfte entgegen der Auffassung der Beklagten auch zwei Wochen Weiterbildung in Anspruch nehmen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AWbG kann der jährliche Anspruch von fünf Arbeitstagen für zwei Kalenderjahre zusammengefasst werden. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 hatte der Kläger gegenüber der Beklagten die Übertragung seines Bildungsurlaubsanspruchs aus dem Jahr 2011 in das Jahr 2012 erklärt.

16

2. Das IG Metall-Bildungszentrum Berlin war auch eine anerkannte Einrichtung der Arbeitnehmerweiterbildung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 AWbG. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Die nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 AWbG notwendige tägliche Mindestunterrichtsdauer von sechs Stunden war ebenso erfüllt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dauerte der Unterricht täglich acht Unterrichtsstunden, mindestens aber sechs Unterrichtsstunden mit Einheiten von jeweils 45 Minuten. Der Kläger teilte der Beklagten die Inanspruchnahme und den Zeitraum der Arbeitnehmerweiterbildung auch mindestens sechs Wochen vor deren Beginn schriftlich unter Beifügung der Unterlagen mit (§ 5 Abs. 1 AWbG). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beantragte der Kläger im Juni 2012 seine Teilnahme.

17

3. Es kann nicht festgestellt werden, ob dem Zahlungsanspruch entgegensteht, dass die Beklagte die Freistellung des Klägers zur Seminarteilnahme mit Schreiben vom 11. Juli 2012 mit der Begründung verweigerte, das Seminar sei nicht für jedermann zugänglich.

18

a) § 1 Abs. 1 AWbG verpflichtet den Arbeitgeber, den anspruchsberechtigten Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freizustellen. Die Freistellungspflicht ist ferner aus § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 7, § 4 sowie aus § 5 Abs. 3 und Abs. 4 AWbG zu ersehen. Der Weiterbildungsanspruch ist damit ein gesetzlich begründeter Freistellungsanspruch. Erfüllt der Arbeitgeber den gesetzlichen Freistellungsanspruch, ist er nach § 7 Satz 1 AWbG zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Erfolgt keine Freistellung, besteht grundsätzlich auch kein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers, wenn er gleichwohl an der Veranstaltung teilnimmt. Hiervon regelt § 5 Abs. 4 Satz 1 iVm. Satz 3 AWbG eine Ausnahme. Danach hat der Arbeitnehmer auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn der Arbeitgeber die Freistellung aus anderen als den in § 5 Abs. 2 AWbG genannten Gründen verweigert und der Arbeitnehmer ihm seine „Gleichwohl-Teilnahme“ innerhalb einer Woche seit Mitteilung der Verweigerung schriftlich mitteilt.

19

b) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts verweigerte die Beklagte die Freistellung mit Schreiben vom 11. Juli 2012, da nicht erkennbar sei, dass die Veranstaltung für jedermann zugänglich sei. Das sind andere als die in § 5 Abs. 2 AWbG genannten betrieblichen Gründe. Mit dem am 19. Juli 2012 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 13. Juli 2012 erklärte der Kläger sodann gegenüber der Beklagten, dass er gemäß § 5 Abs. 4 AWbG gleichwohl an der Bildungsveranstaltung teilnehmen werde („Gleichwohl-Teilnahme“). Es fehlen allerdings Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dazu, wann das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 dem Kläger zuging. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwar sei der Zugang dieses Schreibens von den Parteien nicht mitgeteilt worden, er dürfte dieses Schreiben aber über den Betriebsrat erhalten haben und somit von dessen Inhalt nicht vor dem 12. Juli 2012 Kenntnis erlangt haben. Damit vermutet das Landesarbeitsgericht lediglich einen Zugang an den Kläger nicht vor dem 12. Juli 2012. Tatsachen hat es hierzu nicht festgestellt. Auch unterstellt es zu Unrecht, die Einhaltung der Wochenfrist sei zwischen den Parteien unstreitig. Tatsächlich haben die Parteien hierzu nichts vorgetragen. Dies deutet darauf hin, dass sie diese Anspruchsvoraussetzung für den Zahlungsanspruch übersehen haben. Das Revisionsgericht kann deshalb nicht prüfen, ob der Kläger die Wochenfrist des § 5 Abs. 4 Satz 1 AWbG wahrte. Hierzu muss das Berufungsgericht noch aufklären, ob dem Kläger das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 am selben Tag zugegangen war. Es kann nicht der normale Postlauf unterstellt werden, da das Schreiben auch betriebsintern versandt worden sein kann. So sind auch der Antrag des Klägers vom 2. Juli 2012 und seine Erklärung über die „Gleichwohl-Teilnahme“ betriebsintern verschickt worden. Aus dem Schreiben des Klägers vom 18. Juli 2012 an die Personalabteilung der Beklagten kann nicht geschlossen werden, dass ihm das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 frühestens am 12. Juli 2012 zugegangen war. Zwar beruft sich der Kläger in seinem Schreiben darauf, dass ein an ihn gerichtetes Schreiben der Beklagten über die Ablehnung der Weiterbildung beim Betriebsratsvorsitzenden eingegangen sei. Es fehlen aber Feststellungen dazu, dass es sich um das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 handelt, ob die Beklagte das an den Kläger gerichtete Schreiben dem Betriebsrat nur zusätzlich zur Kenntnis übersandte und ob eine mögliche Alleinversendung an den Betriebsrat auf Veranlassung des Klägers erfolgte. Diese nachzuholende Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht ist auch entscheidungserheblich. Denn die Zahlungsklage wäre nur bei Einhaltung der Wochenfrist des § 5 Abs. 4 Satz 1 AWbG begründet.

20

4. Das Landesarbeitsgericht hat im Übrigen zu Recht angenommen, dass es sich um eine politische Arbeitnehmerweiterbildung iSv. § 1 Abs. 4 AWbG handelte.

21

a) Eine Veranstaltung dient dann dem Ziel der politischen Weiterbildung, wenn das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert sowie die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf gefördert werden soll. Dazu ist erforderlich, dass nach dem didaktischen Konzept der Veranstaltung sowie der zeitlichen und sachlichen Ausrichtung der einzelnen Lerneinheiten das Erreichen dieses Ziels uneingeschränkt ermöglicht wird (BAG 19. Mai 1998 - 9 AZR 395/97 - zu I 1 der Gründe; 9. Mai 1995 - 9 AZR 185/94 - zu III 1 der Gründe, BAGE 80, 94; 15. Juni 1993 - 9 AZR 411/89 - zu 3 a der Gründe).

22

b) Das Tatbestandsmerkmal „dient der politischen Weiterbildung“ (§ 1 Abs. 2 AWbG) ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Da bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe den Tatsacheninstanzen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Beurteilungsspielraum zukommt, unterliegt die Anwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs in der Revisionsinstanz nur einer eingeschränkten Überprüfung. Es kann nur geprüft werden, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Tatumstände berücksichtigt hat (BAG 17. November 1998 - 9 AZR 503/97 - zu I 3 b der Gründe).

23

c) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das sich insoweit die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht hat, hält diesem Prüfungsmaßstab stand. Danach befasste sich der Themenplan im Sinne einer politischen Weiterbildung mit der Weimarer Demokratie, deren Bedeutung und Auswirkung auf Arbeitnehmerrechte und ihrem Scheitern durch Aufstieg der faschistischen Diktatur. Es ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Themen dienten der Verbesserung und Förderung des Verständnisses der Arbeitnehmer für die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhänge auf den Gebieten der Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik.

24

Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang allerdings zu Unrecht geprüft, ob es sich um eine den Tatbestand der politischen Weiterbildung ausschließende Spezialschulung für Betriebsräte handelte. Das ist keine Frage der politischen Weiterbildung, sondern der Allgemeinzugänglichkeit der Veranstaltung (BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 466/97 - zu II 2 b bb der Gründe).

25

5. Entgegen der Auffassung der Revision war die Weiterbildungsmaßnahme auch allen Arbeitnehmern zugänglich (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 AWbG).

26

a) Der Verwaltungsakt über die Anerkennung einer Bildungsstätte entfaltet insoweit weder Tatbestandswirkung noch begründet er eine Vermutung dafür, dass Veranstaltungen dieser Bildungseinrichtung für jedermann zugänglich sind. Die Zugänglichkeit für jedermann gehört zu den Tatbestandsmerkmalen des Entgeltfortzahlungsanspruchs. Ihre Voraussetzungen sind von demjenigen, der den Anspruch geltend macht, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 654/88 - zu III 3 b aa der Gründe, BAGE 65, 352).

27

b) Zugänglich iSd. § 9 Abs. 1 Nr. 3 AWbG ist eine Bildungsveranstaltung, wenn sie mindestens dem in § 2 AWbG genannten Personenkreis (Arbeitnehmer, in Heimarbeit Beschäftigte sowie ihnen Gleichgestellte, arbeitnehmerähnliche Personen) offensteht.

28

c) Die Revision rügt zu Unrecht, die Einladung sei nicht genügend bekannt gemacht worden und deshalb nur für Gewerkschaftsmitglieder zugänglich gewesen.

29

aa) Wendet sich die Veranstaltung nur an Gewerkschaftsmitglieder, ist sie nicht für jedermann zugänglich. Zur Begründung der Jedermannzugänglichkeit genügt nicht der Hinweis im Bildungsprogramm des Trägers, dass die Veranstaltung auch anderen Personen als Gewerkschaftsmitgliedern offensteht. Er muss außerdem so verlautbart sein, dass auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer davon Kenntnis nehmen können (BAG 9. November 1993 - 9 AZR 9/92 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 75, 58).

30

bb) Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

31

(1) Das Seminar wendete sich ausdrücklich an „interessierte Arbeitnehmer(innen)“ und nicht nur an Gewerkschaftsmitglieder. Hiervon hätten auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer Kenntnis nehmen können. Das Bildungsprogramm der IG Metall ist für jedermann im Internet zugänglich. Hierbei handelt es sich mittlerweile um ein anerkanntes und gebräuchliches Informationsmedium, welches eine allgemein zugängliche Kenntnisnahmemöglichkeit gewährleistet.

32

(2) Die Bildungsveranstaltung war entgegen ihrer Ausschreibung auch nicht deshalb nur für Gewerkschaftsmitglieder zugänglich, weil die IG Metall-Verwaltungsstelle H dem Kläger in einem Schreiben vom 27. Juli 2012 mitteilte, der „Teilnehmer“ müsse sich „bewerben“. Daran sollte sich kein Auswahlverfahren nur zugunsten von Gewerkschaftsmitgliedern anschließen. Es wurde damit nur der Tatsache Rechnung getragen, dass die Anzahl der Anmeldenden die Teilnehmerkapazität hätte überschreiten können. Nicht nachvollziehbar ist das Argument der Beklagten, aus der „Du-Form“ der an den Kläger gerichteten Schreiben sei herzuleiten, es würden nur Gewerkschaftsmitglieder angesprochen. Die allgemein zugängliche Seminarausschreibung und der Themenplan enthielten diese „Du-Form“ nicht.

33

d) Der Zugänglichkeit für jedermann steht nicht entgegen, dass das Seminar als geeignet iSv. § 37 Abs. 7 BetrVG gekennzeichnet war und dieses politische Themen im Kontext mit dem Betriebsrätegesetz und der Betriebsverfassung behandelte.

34

Soweit die Revision geltend macht, es habe sich um eine unzulässige Funktionärsschulung gehandelt, betrifft dies nicht die vermittelten Bildungsinhalte, sondern die Allgemeinzugänglichkeit der Veranstaltung. Grundsätzlich sind alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Die Zugänglichkeit für jedermann wurde auch nicht durch den in das Programm aufgenommenen Hinweis auf eine Anerkennung der Veranstaltung für Betriebsräte nach § 37 Abs. 7 BetrVG aufgehoben. Die Veranstaltung war weder als Spezialschulung für Betriebsräte ausgeschrieben, noch wurden betriebsverfassungsrechtliche Fragen im engeren Sinne behandelt. Im Übrigen sind grundsätzlich alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Diese bezweckt nicht nur die Information über gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge, sondern soll insbesondere auch den Einzelnen befähigen, sein soziales Umfeld mitzugestalten. Hierzu gehört auch die Mitwirkung in Arbeitnehmervertretungen. Eine gesellschaftspolitische Weiterbildung kann deshalb auch Kenntnisse vermitteln, die gleichzeitig Inhalt von Betriebsräteschulungen nach § 37 Abs. 6 oder Abs. 7 BetrVG sind(vgl. zu § 3 BFG BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 468/97 - zu II 2 b bb der Gründe).

35

e) Ebenso wenig stellen die Gesamtkosten für das zweiwöchige Seminar ein die Jedermannzugänglichkeit ausschließendes Hindernis dar. Entgegen der Ansicht der Revision sind die Kosten für die hotelmäßige Unterbringung und Verpflegung in Höhe von 1.541,40 Euro und die Seminarkosten in Höhe von 1.200,00 Euro keine für Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst unzumutbare Kostenhürde. Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer die Kosten einer Bildungsveranstaltung selbst zu tragen. Die Bildungseinrichtungen sind nicht verpflichtet, die Kosten für die Lehrmaterialien und Referenten sowie für die Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer selbst aufzubringen. Ob ein Arbeitnehmer das Weiterbildungsangebot eines Veranstalters annimmt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Dazu hat jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit, aus den vielfältigen, preislich höher oder niedriger gestalteten Angeboten auszuwählen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, diese Wahlfreiheit zu beschränken. Der Träger einer Weiterbildungsveranstaltung ist nicht verpflichtet, diese kostenfrei anzubieten.

36

Entgegen der Auffassung der Revision kann der individuelle Gewerkschaftsbeitrag eines Teilnehmers kein Kriterium für die eine Jedermannzugänglichkeit ausschließende Kostenbelastung sein. Der Gewerkschaftsbeitrag ist schon nach seinem Zweck keine Ratenzahlung für die Kosten künftiger Seminare. Er ist Beitrag für den gesamten Aufgabenbereich der Gewerkschaft. Ob im Einzelfall ein besonders hoher Beitrag interessierte nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer von einer Teilnahme abschrecken kann und deshalb die Zugänglichkeit für jedermann zu verneinen ist, kann dahinstehen. Der Streitfall bietet zur Erörterung dieser Frage keinen Anlass (vgl. BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 466/97 - zu II 2 c cc der Gründe).

37

f) Auch der Umstand, dass der Kläger ein Aufbauseminar besucht hat, steht der Jedermannzugänglichkeit der Veranstaltung nicht entgegen. Die Teilnahme war nicht vom vorherigen Besuch der Seminarreihe „Leben und Arbeiten: Interessenvertretung in Betrieb und Gesellschaft“ sowie des Seminars „Die Entstehung der Arbeiterbewegung als Lernprozess“ abhängig gemacht worden. Deren vorherige Teilnahme war nur empfohlen worden. Deshalb war nicht zu prüfen, ob auch diese Grundseminare jedermann zugänglich waren (vgl. BAG 2. Dezember 1997 - 9 AZR 584/96 - zu I 2 a ff der Gründe).

38

6. Die Beklagte rügt in der Revision zu Unrecht, das Landesarbeitsgericht habe ihren Vortrag in der Klageerwiderung vom 4. Februar 2013, die Bildungsveranstaltung sei nicht vom IG Metall-Bildungszentrum Berlin durchgeführt worden, übergangen. Eine Veranstaltung wird dann von einem anerkannten Träger der Weiterbildung durchgeführt, wenn die betreffende Einrichtung bestimmenden Einfluss darauf ausübt, ob die Veranstaltung stattfindet, wie sie inhaltlich gestaltet wird, wer unterrichtet und wer teilnimmt (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 220/88 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 65, 347). Das hat die Beklagte nicht bestritten. Sie hat vorgetragen, es sei „im Grundsatz unstrittig“, dass die IG Metall das Seminar durchgeführt habe. Der Kläger habe lediglich nicht dargelegt, dass die Veranstaltung im IG Metall-Bildungszentrum Berlin tatsächlich von einem anerkannten Träger der Weiterbildung durchgeführt worden sei. Damit hat sie nur die Anerkennung bestritten, die aber im weiteren Verlauf des Verfahrens unstreitig gestellt worden ist.

39

II. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Kläger auch aktivlegitimiert. Die IG Metall erstattete dem Kläger zwar den Entgeltausfall. Sie leistete aber nicht mit dem Willen, die Entgeltfortzahlungspflicht der Beklagten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 1 BGB zu erfüllen. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass einem Fremdtilgungswillen bereits das Schreiben der IG Metall vom 2. Oktober 2012 entgegensteht. Sie machte dort für den Kläger gegenüber der Beklagten dessen Entgeltfortzahlungsanspruch geltend.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Pielenz    

        

    M. Dipper    

                 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger vom 29. August 2016 bis 2. September 2016 zum Zwecke der Teilnahme an dem Seminar SH03516 "Unsere Arbeitswelt gestalten" von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des vertragsgemäßen Arbeitsentgelts freizustellen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 83 % und der Kläger zu 17 %.

3. Der Streitwert wird 1.228,25 EUR festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

 
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf bezahlte Freistellung nach dem Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg (BzG BW).
Der Kläger ist am ...1964 geboren, verheiratet und ... schulpflichtigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet, bei der Beklagten seit ...1988 beschäftigt und derzeit als Vorsitzender des Betriebsrates von der beruflichen Tätigkeit gem. § 38 BetrVG freigestellt. Sein Arbeitsentgelt beläuft sich monatlich auf 5.343,00 EUR brutto. Die Beklagte stellt Gussteile für die Automobilindustrie her und beschäftigt aktuell ca. 1.070 Personen; es besteht Tarifbindung.
Der Kläger hat bei der Beklagten am 18. April 2016 beantragt, zum Zwecke der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme „Unsere Arbeitswelt gestalten“ veranstaltet vom IG-Metall Bildungszentrum ..., dem mit Bescheid des Regierungspräsidiums ... vom 09.07.2015 die Eigenschaft als anerkannte Bildungseinrichtung nach dem BzG BW verliehen wurde, im Zeitraum vom 28. August bis 2. September 2016 nach dem BzG BW freigestellt zu werden.
In der Seminarbeschreibung heißt es hierzu u.a.:
„Unsere Arbeitswelt und damit auch unsere betriebliche Realität ist seit jeher einem ständigen Veränderungsprozess unterworfen. Voraussetzung dafür, dass wir ungeregelte Arbeitsbeziehungen und Abwehrstreiks als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diese Prozesse eingreifen und sie mitgestalten können, ist es, unsere Handlungsbedingungen und Rechte zu kennen. Mit dem Seminar stärken wir euch bei der Ausgestaltung betrieblicher Handlungsmöglichkeiten als Beschäftigte und Interessenvertreter(innen). Dazu gehört zuerst, eure jeweilige betriebliche Situation zu analysieren. Wir identifizieren damit Problemlagen und finden Ansatzpunkte für euer betriebliches Handeln als aktive Beschäftigte … Bei der Gestaltung der Digitalisierung der Arbeitswelt und der Industrie 4.0 müssen die Beschäftigten im Mittelpunkt des Innovationsgeschehens stehen. Wir werden von der Fabrikordnung bis zu aktuellen Herausforderungen der Digitalisierung und des Arbeitens 4.0 aus Erfahrungen lernen und mögliche Perspektiven und Gestaltungsbedarfe für die Zukunft entwickeln.“
Der Themenplan lautet wie folgt:
Inhalte:
Sonntag
        
Anreise und Begrüßung, Einführung in das Seminar
Montag
V       
Begrüßung, Vorstellungsrunde und organisatorische Hinweise
                 
Darstellung des Programms und Vereinbarungen über den Seminarablauf
                 
Einstieg ins Thema: Arbeitswelt und Arbeitsbeziehungen - Veränderungen
                 
auf dem Hintergrund eigener Arbeitserfahrungen
        
N       
Ungeregelte Arbeitsbeziehungen im Frühkapitalismus: Auswirkungen auf
                 
Arbeitsverhältnisse und Lebenslagen
Dienstag
V       
Arbeiterprotest und Abwehrstreiks - erste Versuche zur Regulierung und
                 
Verbesserung der modernen Arbeitswelt
        
N       
Kollektivvertragliche und gesetzliche Regelungen von Löhnen und Arbeitszeiten gestern und heute als Rahmenbedingungen für betriebliche Interessenvertretung
Mittwoch
V       
Veränderungen der Arbeitsbeziehungen in Deutschland durch
                 
a) Tarifautonomie und Flächentarifvertrag
        
N       
b) gesetzliche Interessenvertretung im Betrieb und Mitbestimmungsrechte (besonders der Betriebsräte)
Donnerstag
V       
Perspektiven und Gestaltungsaufgaben:
                 
Wie wird die Arbeitswelt der Zukunft aussehen?
                 
Können sich alternative Unternehmensstrategien unter den Bedingungen globalisierten Wettbewerbs durchsetzen und
welche Rolle spielt Mitbestimmung und Partizipation der Beschäftigten?
        
N       
Erfahrungen in der Defensive: Unternehmensstrategien zur Deregulierung der Arbeitsbeziehungen (betrieblich, gesetzlich, tarifpolitisch)
und betrieblich Handlungsmöglichkeiten von Betriebsräten und Beschäftigten
Freitag
V       
Zusammenfassung: Mittel, Instrumente und Verbündete einer neuen
                 
Regulierung und Humanisierung der Arbeitswelt
                 
Seminarauswertung und Seminarabschluss
Das Seminar richtet sich an Vertrauensleute, Betriebsräte und interessierte Beschäftigte. Der Seminarpreis beträgt 1.475,50 EUR (inkl. Verpflegung und Unterkunft). In den Hinweisen für die Teilnahme an zentralen Seminaren der IG Metall heißt es u.a.:
10 
„2. Wer kann teilnehmen?
11 
Für alle zentralen Seminare der IG Metall gilt, dass sie grundsätzlich für jedermann offen sind, das heißt, auch nicht in der IG Metall organisierte Arbeitnehmer(innen) können sich zu diesen Seminaren anmelden.
12 
6. Kosten
13 
…Bei Seminaren nach § 37.7 BetrVG und nach einem Bildungsfreistellungsgesetz übernimmt die IG Metall für ihre Mitglieder die Seminargebühren sowie die Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Nichtmitglieder tragen die Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Seminargebühren und Anreise selbst…“
14 
Die Beklagte hat den Antrag auf Bildungszeit für die Maßnahme „Unsere Arbeitswelt gestalten“ mit Email vom 27. April 2016 abgelehnt und zur Begründung angeführt, dass es sich bei der Veranstaltung „Unsere Arbeitswelt gestalten“ nicht um eine „politische“, sondern um eine „gesellschaftspolitische“ Weiterbildung handele.
15 
Mit seiner am 01.06.2016 beim Arbeitsgericht Lörrach - Kammern Radolfzell - eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Er ist der Auffassung, dass es sich bei dem Seminar „Unsere Arbeitswelt gestalten“ um eine Maßnahme der politischen Weiterbildung im Sinne des § 1 Abs. 2 BzG BW handele. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 4 BzG BW liege eine solche immer dann vor, wenn dabei „Information(en) über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeit im politischen Leben“ vermittelt werden. Die politische Weiterbildung sei damit Mittel zum Zweck zur Verwirklichung des Zieles gesellschaftlicher Teilhabe und hat „der Teilhabe und Mitwirkung am gesellschaftlichen, sozialen und politischen Leben“ zu dienen Der Landesgesetzgeber habe offensichtlich davon abgesehen, den Begriff der politischen Weiterbildung auf einzelne Aspekte des Politischen, wie etwa gesellschafts-, wirtschafts- oder sozialpolitisch, zu beschränken. Die ausweislich dem Themenplan des streitgegenständlichen Seminars „Unsere Arbeitswelt gestalten“ zu behandelnden Themen würden fraglos der Information über gesellschaftliche Zusammenhänge dienen und schaffe die Voraussetzungen für eine Verbesserung der Teilhabe und Mitwirkung am gesellschaftlichen, sozialen und politischen Leben. Hinsichtlich der erstmals im Klageverfahren geltend gemachten Einwendungen seien diese präkludiert. Bei der Veranstaltung handele es sich um eine allgemein zugängliche Bildungsmaßnahme. So habe die Veranstalterin das Bildungsprogramm durch Ausliegen in ihren Geschäftsstellen, so z. B. auch in ... und ..., allgemein öffentlich bekanntgemacht. Außerdem liege die vorerwähnte Broschüre in den Büroräumlichkeiten des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrates aus. Nicht zuletzt sei es im Internet unter: „www.igmetall.de/bildung“ einsehbar.
16 
Der Kläger beantragt zuletzt:
17 
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger vom 29. August 2016 bis 2. September 2016 zum Zwecke der Teilnahme an dem Seminar SH03516 "Unsere Arbeitswelt gestalten" von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des arbeitsvertragsgemäßen Arbeitsentgelts freizustellen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Die Beklagte ist der Auffassung, dass es sich bei der Veranstaltung nicht um eine politische Weiterbildung im Sinne des § 1 Abs. 4 BzG BW handele. Denn gemäß § 1 Abs. 4 BzG BW werde eine Maßnahme von der politischen Weiterbildung nur dann erfasst, wenn diese der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeit im politischen Leben diene. Bei der Formulierung des Gesetzeswortlauts habe der baden-württembergische Landesgesetzgeber in § 1 Abs. 4 BzG BW - im Gegensatz zu anderslautenden Regelungen in anderen Bundesländern - davon abgesehen, einen Bezug auf gesellschafts-, wirtschafts- oder sozialpolitische Zusammenhänge herzustellen. Vielmehr habe dieser lediglich politische Weiterbildungen im engeren Sinne einer Freistellung nach dem BzG BW unterwerfen wollen. Dies werde auch durch die Gesetzesbegründung zu § 1 BzG BW zum Ausdruck gebracht. Maßgeblich hierfür sei die im besonderen Teil enthaltene Einzelbegründung zu § 1 BzG BW. Politische Weiterbildungsmaßnahmen im Sinne des § 1 Abs. 4 BzG BW seien demnach nur solche, die Kenntnisse über den Aufbau des Staates, die demokratischen Institutionen und die Verfahren der Verfassung sowie die Rechte und Pflichten der Staatsbürger vermitteln. Diese strenge Voraussetzung erfülle die vom Kläger begehrte Veranstaltung indes nicht. Vielmehr würden darin lediglich Inhalte vermittelt, die sich größtenteils auf gewerkschafts-, wirtschafts-, gesellschafts- und betriebspolitische Themen stützen. Des Weiteren werde die Uferlosigkeit der Maßnahmen, die unter den vom Kläger aufgestellten weiten Politikbegriff fallen, in den meisten anderen Bundesländern dadurch verhindert, dass eine Maßnahmenanerkennung durch öffentliche Stellen erfolge. In Baden-Württemberg finde dementgegen nur eine Trägeranerkennung statt. Dies bestätige ebenfalls, dass der Landesgesetzgeber den Begriff „politisch“ im BzG BW eng verstehen wollte. Denn bei einer Maßnahmenanerkennung könne die jeweilige anerkennende Behörde die entsprechenden Grenzen bezüglich einer zu weit gehenden politischen Weiterbildung ziehen. In Baden-Württemberg bedürfe es dieser Eingrenzung bereits durch eine enge Auslegung des Begriffs der politischen Weiterbildung. Zudem handele es sich nicht um eine allgemein zugängliche Bildungsmaßnahme. Die Kosten der Veranstaltung würden von der IG Metall für ihre Mitglieder übernommen. Durch ein solches Vorgehen werde ein faktisches Zugangshindernis für Nicht-IG Metall-Mitglieder geschaffen, die die hohen Kosten von 1.475,50 EUR für das streitgegenständliche Seminar selbst tragen müssten. Damit werde jedenfalls mittelbar der Besuch der Veranstaltung von einer Mitgliedschaft in der IG Metall abhängig gemacht. Eine Präklusion sehe das BzG BW nicht vor. Ferner habe der Kläger schon keinen ordnungsgemäßen Antrag gestellt, nachdem auch eine Freistellung und Bezahlung für Sonntag, den 28.08.2016 begehrt worden sei.
21 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird vollinhaltlich auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren sowie auf das Protokoll des Kammertermins Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
22 
Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für den streitgegenständlichen Klageantrag ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) zulässig. Das Arbeitsgericht Lörrach ist örtlich zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits gem. den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12, 17 Zivilprozessordnung (ZPO) zuständig. Im Übrigen bestehen keine Zulässigkeitsbedenken an dem Klagantrag.
II.
23 
Die Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf bezahlte Freistellung während der Dauer des Seminars „Unsere Arbeitswelt gestalten“ vom 29. August bis 2. September 2016 nach dem BzG BW.
24 
Die allgemeinen und formellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Fortzahlung von Arbeitsentgelt gemäß §§ 1 Abs. 1 und 8 BzG BW sind erfüllt.
25 
1.) Das Verfahren zur Inanspruchnahme der Bildungszeit gem. § 7 BzG BW wurde eingehalten. Ein wirksamer und rechtzeitiger Antrag des Klägers liegt vor. Der Umstand, dass der Kläger bereits den Sonntag, den 28.08.2016 - der unstreitig für den Kläger kein Arbeitstag ist - in seinem Antrag mit aufgenommen hat, macht diesen nicht unwirksam. Es ist offenkundig, dass der Kläger die Terminsdaten des Seminars (28.08.2016 bis 02.09.2016) in den Antrag übernommen hat. In der mündlichen Verhandlung stellte der Kläger klar, dass erst ab 29.08.2016 die bezahlte Freistellung begehrt werde.
26 
2.) Der Kläger ist Arbeitnehmer (§ 2 Satz Ziffer 1 BzG BW). Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten besteht seit 1988. Die Wartezeit des § 4 BzG BW von zwölf Monaten war damit bei Antragstellung am 18. April 2016 erfüllt. Das IG-Metall Bildungszentrum ... ist auch eine anerkannte Bildungseinrichtung nach § 9 BzG BW. Die Dauer des streitgegenständlichen Seminars beträgt 5 Arbeitstage und ist daher von § 3 Abs. 1 BzG BW gedeckt.
27 
3.) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Seminar „Unsere Arbeitswelt gestalten“ auch eine Bildungsmaßnahme im Sinne des § 6 BzG BW. Die Teilnahmemöglichkeit an der Maßnahme wurde nicht abhängig gemacht von der Gewerkschaftszugehörigkeit (§ 6 Abs. 2 Ziffer 1 BzG BW).
28 
a) Keine Bildungsmaßnahme im Sinne des BzG BW sind u.a. Veranstaltungen, bei denen die Teilnahme von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei, Gewerkschaft, einem Berufsverband, einer Religionsgemeinschaft oder einer ähnlichen Vereinigung abhängig gemacht wird ( § 6 Abs. 2 Nr. 1 BzG BW). Damit will das Gesetz sicherstellen, dass zumindest jeder Anspruchsberechtigte nach § 2 BzG BW Zugang zu den Bildungsmaßnahmen hat.
29 
b) Der Verwaltungsakt über die Anerkennung einer Bildungseinrichtung entfaltet insoweit weder Tatbestandswirkung noch begründet er eine Vermutung dafür, dass Veranstaltungen dieser Bildungseinrichtung für jedermann zugänglich sind. Die Zugänglichkeit für jedermann gehört zu den Tatbestandsmerkmalen des Entgeltfortzahlungsanspruchs. Ihre Voraussetzungen sind von demjenigen, der den Anspruch geltend macht, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 654/88 - zu III 3 b aa der Gründe, BAGE 65, 352).
30 
c) Wendet sich die Veranstaltung nur an Gewerkschaftsmitglieder, ist sie nicht für jedermann zugänglich. Zur Begründung der Jedermannzugänglichkeit genügt nicht der Hinweis im Bildungsprogramm des Trägers, dass die Veranstaltung auch anderen Personen als Gewerkschaftsmitgliedern offensteht. Er muss außerdem so verlautbart sein, dass auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer davon Kenntnis nehmen können (BAG 9. November 1993 - 9 AZR 9/92 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 75, 58). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Das Seminar wendet sich ausdrücklich an „interessierte Beschäftigte“ und nicht nur an Gewerkschaftsmitglieder. In den Hinweisen für die Teilnahme an zentralen Seminaren der IG Metall wird unter 2. weiter ausdrücklich festgehalten, „dass die Seminare grundsätzlich für jedermann offen sind, das heißt, auch nicht in der IG Metall organisierte Arbeitnehmer(innen) können sich zu diesen Seminaren anmelden“. Hiervon hätten auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer Kenntnis nehmen können. Das Bildungsprogramm der IG Metall ist für jedermann im Internet unter „www.igmetall.de/bildung“ zugänglich. Hierbei handelt es sich mittlerweile um ein anerkanntes und gebräuchliches Informationsmedium, welches eine allgemein zugängliche Kenntnisnahmemöglichkeit gewährleistet.
31 
d) Ebenso wenig stellen die Gesamtkosten für das fünftägige Seminar ein die Jedermannzugänglichkeit ausschließendes Hindernis dar. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Kosten für die hotelmäßige Unterbringung und Verpflegung in Höhe von 725,50 Euro und die Seminarkosten in Höhe von 750,00 Euro keine für Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst unzumutbare Kostenhürde. Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer die Kosten einer Bildungsveranstaltung selbst zu tragen. Die Bildungseinrichtungen sind nicht verpflichtet, die Kosten für die Lehrmaterialien und Referenten sowie für die Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer selbst aufzubringen. Ob ein Arbeitnehmer das Weiterbildungsangebot eines Veranstalters annimmt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Dazu hat jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit, aus den vielfältigen, preislich höher oder niedriger gestalteten Angeboten auszuwählen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, diese Wahlfreiheit zu beschränken. Der Träger einer Weiterbildungsveranstaltung ist nicht verpflichtet, diese kostenfrei anzubieten (vgl. BAG vom 21. Juli 2015 – 9 AZR 418/14 –, juris). Der Umstand, dass die IG-Metall für ihre Mitglieder die Seminargebühren sowie die Kosten für Unterkunft und Verpflegung übernimmt (Ziffer 6 der zentralen Hinweise) ändert an der Jedermannzugänglichkeit nichts.
32 
4.) Bei dem Seminar „Unsere Arbeitswelt gestalten“ handelt es sich um eine politische Weiterbildung im Sinne von § 1 Abs. 4 BzG BW.
33 
a) Politische Weiterbildung dient der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen Leben (§ 1 Abs. 4 BzG BW).
34 
b) Das Tatbestandsmerkmal „politische Weiterbildung“ (§ 1 Abs. 4 BzG BW) ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe kommt den Tatsacheninstanzen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Beurteilungsspielraum zu.
35 
Die Gesetzesbegründung führt zur Zielsetzung und zur Regelungsfolgenabschätzung sowie Nachhaltigkeitsprüfung des BzG BW aus, dass neben der wirtschaftlichen Dimension es in einem funktionierenden demokratischen Gemeinwesen aber auch um die gesellschaftliche Teilhabe und damit um die politische Bildung gehen muss. Die politische Weiterbildung dient der Information über gesellschaftliche Zusammenhänge und einer Verbesserung der Teilhabe und Mitwirkung am gesellschaftlichen, sozialen und politischen Leben. Daraus wird nach Auffassung der Kammer deutlich, dass der Gesetzgeber von einem weiten Politikverständnis ausgegangen ist. Dreh- und Angelpunkt des Gesetzes und der Gesetzesbegründung im Hinblick auf den Begriff der „Politik“ ist die Gesellschaft und die Teilhabe an dieser. Somit ist mit Politik die aktive Teilnahme an der Gestaltung und Regelung menschlicher Gemeinwesen gemeint. Hierunter fallen nicht nur staatspolitische Themen (Staatsaufbau, demokratische Institutionen; Verfassung), sondern auch sozial-, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitische Themen. Gegen diese Auslegung spricht auch nicht die von der Beklagten herangezogene Gesetzesbegründung zu § 1 BzG BW. Danach ist unter politischer Weiterbildung die Befähigung zur Teilhabe und Mitwirkung am politischen Leben zu sehen. Darunter ist auch die Teilnahme an Tagungen, Lehrgängen und Veranstaltungen zu verstehen, die staatsbürgerlichen Zwecken dienen oder an denen ein öffentliches Interesse besteht. Der Politikbegriff wird hier nicht näher definiert. Durch die Einbeziehung (…auch…) von Veranstaltungen, die staatsbürgerlichen Zwecken dienen, in den Anwendungsbereich des BzG BW und der Verweis auf das „öffentliche Interesse“, spricht dies aus Sicht der Kammer für einen weiten Politikbegriff. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich einen sehr engen Politikbegriff verwenden wollen, so hätte er dies - entweder im Gesetzestext oder in der Gesetzesbegründung - eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Die aus Sicht des Beklagten damit einhergehende Uferlosigkeit des weiten Politikbegriffs wird durch den Negativkatalog des § 6 Abs. 2 BzG BW begrenzt.
36 
c) Bei Zugrundelegung des weiten Politikbegriffs befasst sich das Seminar in der Zusammenschau mit der Seminarbeschreibung und dem Themenplan mit arbeitsmarkt-, sozial- und gesellschaftspolitischen Themen. Es dient der Verbesserung und Förderung des Verständnisses der Arbeitnehmer für die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhänge auf den Gebieten der Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Veranstaltung zugleich als Schulungsveranstaltung für Betriebsräte nach § 37 Abs. 7 BetrVG ausgeschrieben war. Zwar wurden Fragen der Betriebsverfassung behandelt, es handelte sich jedoch nicht um eine Spezialschulung für Betriebsräte. Das zu erwerbende Wissen bezog sich auch insoweit auf allgemeine politische Inhalte (s. auch BAG vom 21.10.1997, 9 AZR 253/96, NZA 1998, 760 Rdnr. 32).
37 
5.) Nachdem auch die erstmals im Klageverfahren erhobenen Einwendungen der Beklagten unbegründet sind, kommt es auf die Frage, ob diese Einwendungen präkludiert sind, nicht mehr an.
III.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 1 ZPO, wobei bei der Kostenquotelung die teilweise Klagrücknahme zu berücksichtigen war.
39 
Der Streitwert erfolgt aus § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO. Er richtet sich nach dem Arbeitsentgelt für den maßgeblichen Zeitraum (arbeitstäglicher Verdienst 245,65 EUR x 5 Arbeitstage).
40 
Soweit die Berufung nicht bereits kraft Gesetzes statthaft ist, war sie nicht zuzulassen. Ein Zulassungsgrund nach § 64 Abs. 3 ArbGG liegt nicht vor.

Gründe

 
I.
22 
Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für den streitgegenständlichen Klageantrag ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) zulässig. Das Arbeitsgericht Lörrach ist örtlich zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits gem. den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12, 17 Zivilprozessordnung (ZPO) zuständig. Im Übrigen bestehen keine Zulässigkeitsbedenken an dem Klagantrag.
II.
23 
Die Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf bezahlte Freistellung während der Dauer des Seminars „Unsere Arbeitswelt gestalten“ vom 29. August bis 2. September 2016 nach dem BzG BW.
24 
Die allgemeinen und formellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Fortzahlung von Arbeitsentgelt gemäß §§ 1 Abs. 1 und 8 BzG BW sind erfüllt.
25 
1.) Das Verfahren zur Inanspruchnahme der Bildungszeit gem. § 7 BzG BW wurde eingehalten. Ein wirksamer und rechtzeitiger Antrag des Klägers liegt vor. Der Umstand, dass der Kläger bereits den Sonntag, den 28.08.2016 - der unstreitig für den Kläger kein Arbeitstag ist - in seinem Antrag mit aufgenommen hat, macht diesen nicht unwirksam. Es ist offenkundig, dass der Kläger die Terminsdaten des Seminars (28.08.2016 bis 02.09.2016) in den Antrag übernommen hat. In der mündlichen Verhandlung stellte der Kläger klar, dass erst ab 29.08.2016 die bezahlte Freistellung begehrt werde.
26 
2.) Der Kläger ist Arbeitnehmer (§ 2 Satz Ziffer 1 BzG BW). Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten besteht seit 1988. Die Wartezeit des § 4 BzG BW von zwölf Monaten war damit bei Antragstellung am 18. April 2016 erfüllt. Das IG-Metall Bildungszentrum ... ist auch eine anerkannte Bildungseinrichtung nach § 9 BzG BW. Die Dauer des streitgegenständlichen Seminars beträgt 5 Arbeitstage und ist daher von § 3 Abs. 1 BzG BW gedeckt.
27 
3.) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Seminar „Unsere Arbeitswelt gestalten“ auch eine Bildungsmaßnahme im Sinne des § 6 BzG BW. Die Teilnahmemöglichkeit an der Maßnahme wurde nicht abhängig gemacht von der Gewerkschaftszugehörigkeit (§ 6 Abs. 2 Ziffer 1 BzG BW).
28 
a) Keine Bildungsmaßnahme im Sinne des BzG BW sind u.a. Veranstaltungen, bei denen die Teilnahme von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei, Gewerkschaft, einem Berufsverband, einer Religionsgemeinschaft oder einer ähnlichen Vereinigung abhängig gemacht wird ( § 6 Abs. 2 Nr. 1 BzG BW). Damit will das Gesetz sicherstellen, dass zumindest jeder Anspruchsberechtigte nach § 2 BzG BW Zugang zu den Bildungsmaßnahmen hat.
29 
b) Der Verwaltungsakt über die Anerkennung einer Bildungseinrichtung entfaltet insoweit weder Tatbestandswirkung noch begründet er eine Vermutung dafür, dass Veranstaltungen dieser Bildungseinrichtung für jedermann zugänglich sind. Die Zugänglichkeit für jedermann gehört zu den Tatbestandsmerkmalen des Entgeltfortzahlungsanspruchs. Ihre Voraussetzungen sind von demjenigen, der den Anspruch geltend macht, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 654/88 - zu III 3 b aa der Gründe, BAGE 65, 352).
30 
c) Wendet sich die Veranstaltung nur an Gewerkschaftsmitglieder, ist sie nicht für jedermann zugänglich. Zur Begründung der Jedermannzugänglichkeit genügt nicht der Hinweis im Bildungsprogramm des Trägers, dass die Veranstaltung auch anderen Personen als Gewerkschaftsmitgliedern offensteht. Er muss außerdem so verlautbart sein, dass auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer davon Kenntnis nehmen können (BAG 9. November 1993 - 9 AZR 9/92 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 75, 58). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Das Seminar wendet sich ausdrücklich an „interessierte Beschäftigte“ und nicht nur an Gewerkschaftsmitglieder. In den Hinweisen für die Teilnahme an zentralen Seminaren der IG Metall wird unter 2. weiter ausdrücklich festgehalten, „dass die Seminare grundsätzlich für jedermann offen sind, das heißt, auch nicht in der IG Metall organisierte Arbeitnehmer(innen) können sich zu diesen Seminaren anmelden“. Hiervon hätten auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer Kenntnis nehmen können. Das Bildungsprogramm der IG Metall ist für jedermann im Internet unter „www.igmetall.de/bildung“ zugänglich. Hierbei handelt es sich mittlerweile um ein anerkanntes und gebräuchliches Informationsmedium, welches eine allgemein zugängliche Kenntnisnahmemöglichkeit gewährleistet.
31 
d) Ebenso wenig stellen die Gesamtkosten für das fünftägige Seminar ein die Jedermannzugänglichkeit ausschließendes Hindernis dar. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Kosten für die hotelmäßige Unterbringung und Verpflegung in Höhe von 725,50 Euro und die Seminarkosten in Höhe von 750,00 Euro keine für Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst unzumutbare Kostenhürde. Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer die Kosten einer Bildungsveranstaltung selbst zu tragen. Die Bildungseinrichtungen sind nicht verpflichtet, die Kosten für die Lehrmaterialien und Referenten sowie für die Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer selbst aufzubringen. Ob ein Arbeitnehmer das Weiterbildungsangebot eines Veranstalters annimmt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Dazu hat jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit, aus den vielfältigen, preislich höher oder niedriger gestalteten Angeboten auszuwählen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, diese Wahlfreiheit zu beschränken. Der Träger einer Weiterbildungsveranstaltung ist nicht verpflichtet, diese kostenfrei anzubieten (vgl. BAG vom 21. Juli 2015 – 9 AZR 418/14 –, juris). Der Umstand, dass die IG-Metall für ihre Mitglieder die Seminargebühren sowie die Kosten für Unterkunft und Verpflegung übernimmt (Ziffer 6 der zentralen Hinweise) ändert an der Jedermannzugänglichkeit nichts.
32 
4.) Bei dem Seminar „Unsere Arbeitswelt gestalten“ handelt es sich um eine politische Weiterbildung im Sinne von § 1 Abs. 4 BzG BW.
33 
a) Politische Weiterbildung dient der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen Leben (§ 1 Abs. 4 BzG BW).
34 
b) Das Tatbestandsmerkmal „politische Weiterbildung“ (§ 1 Abs. 4 BzG BW) ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe kommt den Tatsacheninstanzen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Beurteilungsspielraum zu.
35 
Die Gesetzesbegründung führt zur Zielsetzung und zur Regelungsfolgenabschätzung sowie Nachhaltigkeitsprüfung des BzG BW aus, dass neben der wirtschaftlichen Dimension es in einem funktionierenden demokratischen Gemeinwesen aber auch um die gesellschaftliche Teilhabe und damit um die politische Bildung gehen muss. Die politische Weiterbildung dient der Information über gesellschaftliche Zusammenhänge und einer Verbesserung der Teilhabe und Mitwirkung am gesellschaftlichen, sozialen und politischen Leben. Daraus wird nach Auffassung der Kammer deutlich, dass der Gesetzgeber von einem weiten Politikverständnis ausgegangen ist. Dreh- und Angelpunkt des Gesetzes und der Gesetzesbegründung im Hinblick auf den Begriff der „Politik“ ist die Gesellschaft und die Teilhabe an dieser. Somit ist mit Politik die aktive Teilnahme an der Gestaltung und Regelung menschlicher Gemeinwesen gemeint. Hierunter fallen nicht nur staatspolitische Themen (Staatsaufbau, demokratische Institutionen; Verfassung), sondern auch sozial-, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitische Themen. Gegen diese Auslegung spricht auch nicht die von der Beklagten herangezogene Gesetzesbegründung zu § 1 BzG BW. Danach ist unter politischer Weiterbildung die Befähigung zur Teilhabe und Mitwirkung am politischen Leben zu sehen. Darunter ist auch die Teilnahme an Tagungen, Lehrgängen und Veranstaltungen zu verstehen, die staatsbürgerlichen Zwecken dienen oder an denen ein öffentliches Interesse besteht. Der Politikbegriff wird hier nicht näher definiert. Durch die Einbeziehung (…auch…) von Veranstaltungen, die staatsbürgerlichen Zwecken dienen, in den Anwendungsbereich des BzG BW und der Verweis auf das „öffentliche Interesse“, spricht dies aus Sicht der Kammer für einen weiten Politikbegriff. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich einen sehr engen Politikbegriff verwenden wollen, so hätte er dies - entweder im Gesetzestext oder in der Gesetzesbegründung - eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Die aus Sicht des Beklagten damit einhergehende Uferlosigkeit des weiten Politikbegriffs wird durch den Negativkatalog des § 6 Abs. 2 BzG BW begrenzt.
36 
c) Bei Zugrundelegung des weiten Politikbegriffs befasst sich das Seminar in der Zusammenschau mit der Seminarbeschreibung und dem Themenplan mit arbeitsmarkt-, sozial- und gesellschaftspolitischen Themen. Es dient der Verbesserung und Förderung des Verständnisses der Arbeitnehmer für die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhänge auf den Gebieten der Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Veranstaltung zugleich als Schulungsveranstaltung für Betriebsräte nach § 37 Abs. 7 BetrVG ausgeschrieben war. Zwar wurden Fragen der Betriebsverfassung behandelt, es handelte sich jedoch nicht um eine Spezialschulung für Betriebsräte. Das zu erwerbende Wissen bezog sich auch insoweit auf allgemeine politische Inhalte (s. auch BAG vom 21.10.1997, 9 AZR 253/96, NZA 1998, 760 Rdnr. 32).
37 
5.) Nachdem auch die erstmals im Klageverfahren erhobenen Einwendungen der Beklagten unbegründet sind, kommt es auf die Frage, ob diese Einwendungen präkludiert sind, nicht mehr an.
III.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 1 ZPO, wobei bei der Kostenquotelung die teilweise Klagrücknahme zu berücksichtigen war.
39 
Der Streitwert erfolgt aus § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO. Er richtet sich nach dem Arbeitsentgelt für den maßgeblichen Zeitraum (arbeitstäglicher Verdienst 245,65 EUR x 5 Arbeitstage).
40 
Soweit die Berufung nicht bereits kraft Gesetzes statthaft ist, war sie nicht zuzulassen. Ein Zulassungsgrund nach § 64 Abs. 3 ArbGG liegt nicht vor.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. Februar 2014 - 16 Sa 777/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach dem Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung - Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen (AWbG) vom 6. November 1984.

2

Unter dem 18. Oktober 2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe im laufenden Jahr 2011 seinen Bildungsurlaub nach dem AWbG noch nicht in Anspruch genommen. Er beabsichtige im folgenden Jahr die Zusammenfassung der Ansprüche und mache daher die Übertragung von fünf Tagen Bildungsurlaub in das Jahr 2012 geltend.

3

Mit Schreiben vom 25. Juni 2012 lud die IG Metall, Verwaltungsstelle H, den Kläger zu einem Seminar mit dem Thema „Weimarer Demokratie und faschistische Diktatur - Arbeitergeschichte im 20. Jahrhundert - Der Kampf um soziale Rechte“ für die Zeit vom 2. bis zum 14. September 2012 ein. In der Seminarausschreibung hieß es hierzu ua.:

        

„Das Seminar wendet sich an interessierte Arbeitnehmer(innen) und Betriebsräte. Empfehlenswert ist der vorherige Besuch der Seminarreihe ‚Leben und Arbeiten: Interessenvertretung in Betrieb und Gesellschaft‘ sowie des Seminars ‚Die Entstehung der Arbeiterbewegung als Lernprozess‘ …“

4

Der Themenplan lautete wie folgt:

        

„…    

                 
        

Inhalte

                 
        

Sonntag

        

Anreise, Abendessen, Begrüßung und Informationen zum Haus

        

Montag

V       

Vorstellungsrunde und organisatorische Hinweise

                          

Darstellung des Seminarprogramms und Vereinbarungen über den Seminarablauf, Einstieg ins Thema

                 

N       

Erfolge und Niederlagen in der organisierten Arbeiterschaft in der Novemberrevolution 1918

        

Dienstag

V       

Der Kampf um das Betriebsrätegesetz 1920

                 

N       

Das erste Betriebsrätegesetz und die Realität betrieblicher Interessenvertretung im Vergleich mit dem BetrVG 2001

        

Mittwoch

V       

Der Beitrag des Betriebsrätegesetzes zur Demokratisierung der Gesellschaft am Beispiel der Reaktion auf den Kapp-Putsch

                 

N       

Die Entwicklung von Arbeitsrecht und Betriebsverfassung bis 1933

        

Donnerstag

V       

Die Gegner der demokratischen Republik und der Kampf um ihre Verteidigung

                 

N       

Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und staatliche Krisenpolitik

        

Freitag

V       

Das Betriebsrätegesetz als Instrument zur Krisenbewältigung im Vergleich zum BetrVG (Möglichkeiten der Krisenbewältigung mit dem BetrVG heute im Vergleich zum Betriebsrätegesetz von 1920)

                 

N       

Das Betriebsrätegesetz als untaugliches Mittel im Abwehrkampf gegen den Aufstieg der NS-Bewegung

        

Samstag

V       

Sozialgesetzgebung im Vergleich zu heute

                                   
                          

Rückblick auf die Woche, Ausblick auf die kommende Woche

        

Montag

V       

Die Zerschlagung der Weimarer Betriebsverfassung und der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten

                 

N       

Betriebsverfassung im ‚Dritten Reich‘: die Deutsche Arbeitsfront als antidemokratisches Herrschaftsinstrument

        

Dienstag

V       

‚Betriebsführer‘ und ‚Gefolgschaft‘ als Beispiele für nationalsozialistische Volksgemeinschaftspolitik

                 

N       

Tarifordnungen unter diktatorischen Bedingungen

        

Mittwoch

V       

Staatliche Wirtschaftspolitik und Kriegsvorbereitung

                 

N       

Arbeitspolitik in der Kriegswirtschaft - Zwangsarbeit

        

Donnerstag

V       

Widerstand und Emigration: Konzepte für die betriebliche Interessenvertretung nach 1945

                 

N       

Auswirkungen der Erfahrungen aus Weimarer Republik und NS auf die Betriebsverfassung der Bundesrepublik

        

Freitag

V       

Aus der Geschichte gelernt: Betriebsvereinbarungen gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung

                          

Abreise“

5

Unter dem 26. April 2010 wurde das das Seminar veranstaltende IG Metall-Bildungszentrum Berlin durch die Bezirksregierung Detmold als Einrichtung der Arbeitnehmerweiterbildung nach §§ 10 ff. AWbG anerkannt. Mit Schreiben vom 2. Juli 2012 an die Beklagte „im Haus“ erklärte der Kläger die Inanspruchnahme von Bildungsurlaub in der Zeit vom 2. bis zum 14. September 2012. Mit Schreiben vom 11. Juli 2012 lehnte die Beklagte die Freistellung des Klägers mit der Begründung ab, es sei nicht erkennbar, dass es sich um ein Seminar handele, welches jedermann zugänglich sei. Mit Schreiben vom 12. Juli 2012 übersandte der Kläger der Beklagten „im Hause“ die „Jedermannerklärung“ der IG Metall-Verwaltungsstelle H für dieses Seminar. Mit Schreiben vom 13. Juli 2012, das der Beklagten am 19. Juli 2012 zuging, erklärte der Kläger, er werde trotz der Weigerung der Beklagten am Seminar teilnehmen. Mit Schreiben vom 18. Juli 2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, der Betriebsratsvorsitzende habe ihm mitgeteilt, ein an ihn adressiertes Schreiben der Personalabteilung sei beim Betriebsratsvorsitzenden eingegangen. Danach habe er erfahren, dass die Beklagte wegen Fehlens der „Jedermannerklärung“ den Bildungsurlaub ablehne. Diese sei der Beklagten aber per Fax noch fristgerecht am 13. Juli 2012 und als Kopie mit der Hauspost zugegangen. Mit Schreiben vom 27. Juli 2012 bescheinigte die IG Metall-Verwaltungsstelle H dem Kläger Folgendes:

        

„Hiermit bescheinigen wir, dass bei Teilnahme an Seminaren der IG Metall der Teilnehmer sich bewerben muss und erst nach dieser Bewerbung bekommen diese Interessenten eine Einladung bzw. einen Bescheid, dass sie auf der Warteliste des Seminars stehen.

        

Es ist also nicht der Fall, dass die IG Metall sich Mitglieder aussucht, und diese dann zu einem Seminar einlädt.“

6

Für dieses Seminar wurde im Bildungsprogramm 2012 der IG Metall, einsehbar in allen IG Metall-Verwaltungsstellen, sowie im Internet auf der Webseite des Bildungszentrums geworben.

7

Das Seminar fand montags bis freitags von 8:30 Uhr bis 10:00 Uhr, 10:15 Uhr bis 12:30 Uhr, 14:30 Uhr bis 15:45 Uhr und 16:00 Uhr bis 17:00 Uhr statt. Die Kosten für ein zweiwöchiges Seminar beliefen sich im Bildungszentrum Berlin im Jahre 2012 auf insgesamt 2.741,40 Euro, wovon 840,00 Euro auf die Übernachtung und 540,00 Euro auf die Verpflegung entfielen. Dies ergibt einschließlich der Mehrwertsteuer einen Betrag in Höhe von 1.541,40 Euro. Hinzu kamen steuerfreie Seminarkosten in Höhe von 1.200,00 Euro.

8

Die Beklagte kürzte die Vergütung des Klägers für den Monat September 2012 wegen seiner Teilnahme an der Bildungsveranstaltung in Höhe von 1.458,90 Euro brutto. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 machte die IG Metall für den Kläger gegenüber der Beklagten dessen Zahlungsanspruch erfolglos geltend. Der Entgeltausfall für September 2012 wurde dem Kläger von der IG Metall erstattet.

9

Mit seiner am 12. November 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, er habe für die Zeit der Seminarteilnahme Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 7 AWbG.

10

Er hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.458,90 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Oktober 2012 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen des AWbG seien nicht erfüllt. Insbesondere sei die Weiterbildungsmaßnahme nicht jedermann zugänglich gewesen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ( § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Aufgrund der festgestellten Tatsachen kann der Senat nicht abschließend darüber befinden, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit seiner Teilnahme an dem Seminar „Weimarer Demokratie und faschistische Diktatur - Arbeitergeschichte im 20. Jahrhundert - Der Kampf um soziale Rechte“ Vergütung zu zahlen.

14

I. Die allgemeinen und formellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Fortzahlung von Arbeitsentgelt gemäß § 7 AWbG sind erfüllt.

15

1. Der Kläger war Arbeitnehmer (§ 2 Satz 1 AWbG). Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bestand seit mehreren Jahren. Die Wartezeit des § 3 Abs. 3 AWbG von sechs Monaten war damit bei Antragstellung im Juli 2012 erfüllt. Der Kläger durfte entgegen der Auffassung der Beklagten auch zwei Wochen Weiterbildung in Anspruch nehmen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AWbG kann der jährliche Anspruch von fünf Arbeitstagen für zwei Kalenderjahre zusammengefasst werden. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 hatte der Kläger gegenüber der Beklagten die Übertragung seines Bildungsurlaubsanspruchs aus dem Jahr 2011 in das Jahr 2012 erklärt.

16

2. Das IG Metall-Bildungszentrum Berlin war auch eine anerkannte Einrichtung der Arbeitnehmerweiterbildung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 AWbG. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Die nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 AWbG notwendige tägliche Mindestunterrichtsdauer von sechs Stunden war ebenso erfüllt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dauerte der Unterricht täglich acht Unterrichtsstunden, mindestens aber sechs Unterrichtsstunden mit Einheiten von jeweils 45 Minuten. Der Kläger teilte der Beklagten die Inanspruchnahme und den Zeitraum der Arbeitnehmerweiterbildung auch mindestens sechs Wochen vor deren Beginn schriftlich unter Beifügung der Unterlagen mit (§ 5 Abs. 1 AWbG). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beantragte der Kläger im Juni 2012 seine Teilnahme.

17

3. Es kann nicht festgestellt werden, ob dem Zahlungsanspruch entgegensteht, dass die Beklagte die Freistellung des Klägers zur Seminarteilnahme mit Schreiben vom 11. Juli 2012 mit der Begründung verweigerte, das Seminar sei nicht für jedermann zugänglich.

18

a) § 1 Abs. 1 AWbG verpflichtet den Arbeitgeber, den anspruchsberechtigten Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freizustellen. Die Freistellungspflicht ist ferner aus § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 7, § 4 sowie aus § 5 Abs. 3 und Abs. 4 AWbG zu ersehen. Der Weiterbildungsanspruch ist damit ein gesetzlich begründeter Freistellungsanspruch. Erfüllt der Arbeitgeber den gesetzlichen Freistellungsanspruch, ist er nach § 7 Satz 1 AWbG zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Erfolgt keine Freistellung, besteht grundsätzlich auch kein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers, wenn er gleichwohl an der Veranstaltung teilnimmt. Hiervon regelt § 5 Abs. 4 Satz 1 iVm. Satz 3 AWbG eine Ausnahme. Danach hat der Arbeitnehmer auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn der Arbeitgeber die Freistellung aus anderen als den in § 5 Abs. 2 AWbG genannten Gründen verweigert und der Arbeitnehmer ihm seine „Gleichwohl-Teilnahme“ innerhalb einer Woche seit Mitteilung der Verweigerung schriftlich mitteilt.

19

b) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts verweigerte die Beklagte die Freistellung mit Schreiben vom 11. Juli 2012, da nicht erkennbar sei, dass die Veranstaltung für jedermann zugänglich sei. Das sind andere als die in § 5 Abs. 2 AWbG genannten betrieblichen Gründe. Mit dem am 19. Juli 2012 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 13. Juli 2012 erklärte der Kläger sodann gegenüber der Beklagten, dass er gemäß § 5 Abs. 4 AWbG gleichwohl an der Bildungsveranstaltung teilnehmen werde („Gleichwohl-Teilnahme“). Es fehlen allerdings Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dazu, wann das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 dem Kläger zuging. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwar sei der Zugang dieses Schreibens von den Parteien nicht mitgeteilt worden, er dürfte dieses Schreiben aber über den Betriebsrat erhalten haben und somit von dessen Inhalt nicht vor dem 12. Juli 2012 Kenntnis erlangt haben. Damit vermutet das Landesarbeitsgericht lediglich einen Zugang an den Kläger nicht vor dem 12. Juli 2012. Tatsachen hat es hierzu nicht festgestellt. Auch unterstellt es zu Unrecht, die Einhaltung der Wochenfrist sei zwischen den Parteien unstreitig. Tatsächlich haben die Parteien hierzu nichts vorgetragen. Dies deutet darauf hin, dass sie diese Anspruchsvoraussetzung für den Zahlungsanspruch übersehen haben. Das Revisionsgericht kann deshalb nicht prüfen, ob der Kläger die Wochenfrist des § 5 Abs. 4 Satz 1 AWbG wahrte. Hierzu muss das Berufungsgericht noch aufklären, ob dem Kläger das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 am selben Tag zugegangen war. Es kann nicht der normale Postlauf unterstellt werden, da das Schreiben auch betriebsintern versandt worden sein kann. So sind auch der Antrag des Klägers vom 2. Juli 2012 und seine Erklärung über die „Gleichwohl-Teilnahme“ betriebsintern verschickt worden. Aus dem Schreiben des Klägers vom 18. Juli 2012 an die Personalabteilung der Beklagten kann nicht geschlossen werden, dass ihm das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 frühestens am 12. Juli 2012 zugegangen war. Zwar beruft sich der Kläger in seinem Schreiben darauf, dass ein an ihn gerichtetes Schreiben der Beklagten über die Ablehnung der Weiterbildung beim Betriebsratsvorsitzenden eingegangen sei. Es fehlen aber Feststellungen dazu, dass es sich um das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 handelt, ob die Beklagte das an den Kläger gerichtete Schreiben dem Betriebsrat nur zusätzlich zur Kenntnis übersandte und ob eine mögliche Alleinversendung an den Betriebsrat auf Veranlassung des Klägers erfolgte. Diese nachzuholende Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht ist auch entscheidungserheblich. Denn die Zahlungsklage wäre nur bei Einhaltung der Wochenfrist des § 5 Abs. 4 Satz 1 AWbG begründet.

20

4. Das Landesarbeitsgericht hat im Übrigen zu Recht angenommen, dass es sich um eine politische Arbeitnehmerweiterbildung iSv. § 1 Abs. 4 AWbG handelte.

21

a) Eine Veranstaltung dient dann dem Ziel der politischen Weiterbildung, wenn das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert sowie die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf gefördert werden soll. Dazu ist erforderlich, dass nach dem didaktischen Konzept der Veranstaltung sowie der zeitlichen und sachlichen Ausrichtung der einzelnen Lerneinheiten das Erreichen dieses Ziels uneingeschränkt ermöglicht wird (BAG 19. Mai 1998 - 9 AZR 395/97 - zu I 1 der Gründe; 9. Mai 1995 - 9 AZR 185/94 - zu III 1 der Gründe, BAGE 80, 94; 15. Juni 1993 - 9 AZR 411/89 - zu 3 a der Gründe).

22

b) Das Tatbestandsmerkmal „dient der politischen Weiterbildung“ (§ 1 Abs. 2 AWbG) ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Da bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe den Tatsacheninstanzen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Beurteilungsspielraum zukommt, unterliegt die Anwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs in der Revisionsinstanz nur einer eingeschränkten Überprüfung. Es kann nur geprüft werden, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Tatumstände berücksichtigt hat (BAG 17. November 1998 - 9 AZR 503/97 - zu I 3 b der Gründe).

23

c) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das sich insoweit die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht hat, hält diesem Prüfungsmaßstab stand. Danach befasste sich der Themenplan im Sinne einer politischen Weiterbildung mit der Weimarer Demokratie, deren Bedeutung und Auswirkung auf Arbeitnehmerrechte und ihrem Scheitern durch Aufstieg der faschistischen Diktatur. Es ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Themen dienten der Verbesserung und Förderung des Verständnisses der Arbeitnehmer für die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhänge auf den Gebieten der Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik.

24

Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang allerdings zu Unrecht geprüft, ob es sich um eine den Tatbestand der politischen Weiterbildung ausschließende Spezialschulung für Betriebsräte handelte. Das ist keine Frage der politischen Weiterbildung, sondern der Allgemeinzugänglichkeit der Veranstaltung (BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 466/97 - zu II 2 b bb der Gründe).

25

5. Entgegen der Auffassung der Revision war die Weiterbildungsmaßnahme auch allen Arbeitnehmern zugänglich (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 AWbG).

26

a) Der Verwaltungsakt über die Anerkennung einer Bildungsstätte entfaltet insoweit weder Tatbestandswirkung noch begründet er eine Vermutung dafür, dass Veranstaltungen dieser Bildungseinrichtung für jedermann zugänglich sind. Die Zugänglichkeit für jedermann gehört zu den Tatbestandsmerkmalen des Entgeltfortzahlungsanspruchs. Ihre Voraussetzungen sind von demjenigen, der den Anspruch geltend macht, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 654/88 - zu III 3 b aa der Gründe, BAGE 65, 352).

27

b) Zugänglich iSd. § 9 Abs. 1 Nr. 3 AWbG ist eine Bildungsveranstaltung, wenn sie mindestens dem in § 2 AWbG genannten Personenkreis (Arbeitnehmer, in Heimarbeit Beschäftigte sowie ihnen Gleichgestellte, arbeitnehmerähnliche Personen) offensteht.

28

c) Die Revision rügt zu Unrecht, die Einladung sei nicht genügend bekannt gemacht worden und deshalb nur für Gewerkschaftsmitglieder zugänglich gewesen.

29

aa) Wendet sich die Veranstaltung nur an Gewerkschaftsmitglieder, ist sie nicht für jedermann zugänglich. Zur Begründung der Jedermannzugänglichkeit genügt nicht der Hinweis im Bildungsprogramm des Trägers, dass die Veranstaltung auch anderen Personen als Gewerkschaftsmitgliedern offensteht. Er muss außerdem so verlautbart sein, dass auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer davon Kenntnis nehmen können (BAG 9. November 1993 - 9 AZR 9/92 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 75, 58).

30

bb) Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

31

(1) Das Seminar wendete sich ausdrücklich an „interessierte Arbeitnehmer(innen)“ und nicht nur an Gewerkschaftsmitglieder. Hiervon hätten auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer Kenntnis nehmen können. Das Bildungsprogramm der IG Metall ist für jedermann im Internet zugänglich. Hierbei handelt es sich mittlerweile um ein anerkanntes und gebräuchliches Informationsmedium, welches eine allgemein zugängliche Kenntnisnahmemöglichkeit gewährleistet.

32

(2) Die Bildungsveranstaltung war entgegen ihrer Ausschreibung auch nicht deshalb nur für Gewerkschaftsmitglieder zugänglich, weil die IG Metall-Verwaltungsstelle H dem Kläger in einem Schreiben vom 27. Juli 2012 mitteilte, der „Teilnehmer“ müsse sich „bewerben“. Daran sollte sich kein Auswahlverfahren nur zugunsten von Gewerkschaftsmitgliedern anschließen. Es wurde damit nur der Tatsache Rechnung getragen, dass die Anzahl der Anmeldenden die Teilnehmerkapazität hätte überschreiten können. Nicht nachvollziehbar ist das Argument der Beklagten, aus der „Du-Form“ der an den Kläger gerichteten Schreiben sei herzuleiten, es würden nur Gewerkschaftsmitglieder angesprochen. Die allgemein zugängliche Seminarausschreibung und der Themenplan enthielten diese „Du-Form“ nicht.

33

d) Der Zugänglichkeit für jedermann steht nicht entgegen, dass das Seminar als geeignet iSv. § 37 Abs. 7 BetrVG gekennzeichnet war und dieses politische Themen im Kontext mit dem Betriebsrätegesetz und der Betriebsverfassung behandelte.

34

Soweit die Revision geltend macht, es habe sich um eine unzulässige Funktionärsschulung gehandelt, betrifft dies nicht die vermittelten Bildungsinhalte, sondern die Allgemeinzugänglichkeit der Veranstaltung. Grundsätzlich sind alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Die Zugänglichkeit für jedermann wurde auch nicht durch den in das Programm aufgenommenen Hinweis auf eine Anerkennung der Veranstaltung für Betriebsräte nach § 37 Abs. 7 BetrVG aufgehoben. Die Veranstaltung war weder als Spezialschulung für Betriebsräte ausgeschrieben, noch wurden betriebsverfassungsrechtliche Fragen im engeren Sinne behandelt. Im Übrigen sind grundsätzlich alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Diese bezweckt nicht nur die Information über gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge, sondern soll insbesondere auch den Einzelnen befähigen, sein soziales Umfeld mitzugestalten. Hierzu gehört auch die Mitwirkung in Arbeitnehmervertretungen. Eine gesellschaftspolitische Weiterbildung kann deshalb auch Kenntnisse vermitteln, die gleichzeitig Inhalt von Betriebsräteschulungen nach § 37 Abs. 6 oder Abs. 7 BetrVG sind(vgl. zu § 3 BFG BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 468/97 - zu II 2 b bb der Gründe).

35

e) Ebenso wenig stellen die Gesamtkosten für das zweiwöchige Seminar ein die Jedermannzugänglichkeit ausschließendes Hindernis dar. Entgegen der Ansicht der Revision sind die Kosten für die hotelmäßige Unterbringung und Verpflegung in Höhe von 1.541,40 Euro und die Seminarkosten in Höhe von 1.200,00 Euro keine für Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst unzumutbare Kostenhürde. Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer die Kosten einer Bildungsveranstaltung selbst zu tragen. Die Bildungseinrichtungen sind nicht verpflichtet, die Kosten für die Lehrmaterialien und Referenten sowie für die Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer selbst aufzubringen. Ob ein Arbeitnehmer das Weiterbildungsangebot eines Veranstalters annimmt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Dazu hat jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit, aus den vielfältigen, preislich höher oder niedriger gestalteten Angeboten auszuwählen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, diese Wahlfreiheit zu beschränken. Der Träger einer Weiterbildungsveranstaltung ist nicht verpflichtet, diese kostenfrei anzubieten.

36

Entgegen der Auffassung der Revision kann der individuelle Gewerkschaftsbeitrag eines Teilnehmers kein Kriterium für die eine Jedermannzugänglichkeit ausschließende Kostenbelastung sein. Der Gewerkschaftsbeitrag ist schon nach seinem Zweck keine Ratenzahlung für die Kosten künftiger Seminare. Er ist Beitrag für den gesamten Aufgabenbereich der Gewerkschaft. Ob im Einzelfall ein besonders hoher Beitrag interessierte nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer von einer Teilnahme abschrecken kann und deshalb die Zugänglichkeit für jedermann zu verneinen ist, kann dahinstehen. Der Streitfall bietet zur Erörterung dieser Frage keinen Anlass (vgl. BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 466/97 - zu II 2 c cc der Gründe).

37

f) Auch der Umstand, dass der Kläger ein Aufbauseminar besucht hat, steht der Jedermannzugänglichkeit der Veranstaltung nicht entgegen. Die Teilnahme war nicht vom vorherigen Besuch der Seminarreihe „Leben und Arbeiten: Interessenvertretung in Betrieb und Gesellschaft“ sowie des Seminars „Die Entstehung der Arbeiterbewegung als Lernprozess“ abhängig gemacht worden. Deren vorherige Teilnahme war nur empfohlen worden. Deshalb war nicht zu prüfen, ob auch diese Grundseminare jedermann zugänglich waren (vgl. BAG 2. Dezember 1997 - 9 AZR 584/96 - zu I 2 a ff der Gründe).

38

6. Die Beklagte rügt in der Revision zu Unrecht, das Landesarbeitsgericht habe ihren Vortrag in der Klageerwiderung vom 4. Februar 2013, die Bildungsveranstaltung sei nicht vom IG Metall-Bildungszentrum Berlin durchgeführt worden, übergangen. Eine Veranstaltung wird dann von einem anerkannten Träger der Weiterbildung durchgeführt, wenn die betreffende Einrichtung bestimmenden Einfluss darauf ausübt, ob die Veranstaltung stattfindet, wie sie inhaltlich gestaltet wird, wer unterrichtet und wer teilnimmt (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 220/88 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 65, 347). Das hat die Beklagte nicht bestritten. Sie hat vorgetragen, es sei „im Grundsatz unstrittig“, dass die IG Metall das Seminar durchgeführt habe. Der Kläger habe lediglich nicht dargelegt, dass die Veranstaltung im IG Metall-Bildungszentrum Berlin tatsächlich von einem anerkannten Träger der Weiterbildung durchgeführt worden sei. Damit hat sie nur die Anerkennung bestritten, die aber im weiteren Verlauf des Verfahrens unstreitig gestellt worden ist.

39

II. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Kläger auch aktivlegitimiert. Die IG Metall erstattete dem Kläger zwar den Entgeltausfall. Sie leistete aber nicht mit dem Willen, die Entgeltfortzahlungspflicht der Beklagten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 1 BGB zu erfüllen. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass einem Fremdtilgungswillen bereits das Schreiben der IG Metall vom 2. Oktober 2012 entgegensteht. Sie machte dort für den Kläger gegenüber der Beklagten dessen Entgeltfortzahlungsanspruch geltend.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Pielenz    

        

    M. Dipper    

                 

(1) Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.

(2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

(3) Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. Die Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten.

(4) Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers.

(5) Soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, dürfen Mitglieder des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten der in Absatz 4 genannten Arbeitnehmer gleichwertig sind.

(6) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Betriebsbedingte Gründe im Sinne des Absatzes 3 liegen auch vor, wenn wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung die Schulung des Betriebsratsmitglieds außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgt; in diesem Fall ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs unter Einbeziehung der Arbeitsbefreiung nach Absatz 2 pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Er hat dem Arbeitgeber die Teilnahme und die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen rechtzeitig bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten für nicht ausreichend berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(7) Unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 6 hat jedes Mitglied des Betriebsrats während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt drei Wochen zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde des Landes nach Beratung mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände als geeignet anerkannt sind. Der Anspruch nach Satz 1 erhöht sich für Arbeitnehmer, die erstmals das Amt eines Betriebsratsmitglieds übernehmen und auch nicht zuvor Jugend- und Auszubildendenvertreter waren, auf vier Wochen. Absatz 6 Satz 2 bis 6 findet Anwendung.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. Februar 2014 - 16 Sa 777/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach dem Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung - Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen (AWbG) vom 6. November 1984.

2

Unter dem 18. Oktober 2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe im laufenden Jahr 2011 seinen Bildungsurlaub nach dem AWbG noch nicht in Anspruch genommen. Er beabsichtige im folgenden Jahr die Zusammenfassung der Ansprüche und mache daher die Übertragung von fünf Tagen Bildungsurlaub in das Jahr 2012 geltend.

3

Mit Schreiben vom 25. Juni 2012 lud die IG Metall, Verwaltungsstelle H, den Kläger zu einem Seminar mit dem Thema „Weimarer Demokratie und faschistische Diktatur - Arbeitergeschichte im 20. Jahrhundert - Der Kampf um soziale Rechte“ für die Zeit vom 2. bis zum 14. September 2012 ein. In der Seminarausschreibung hieß es hierzu ua.:

        

„Das Seminar wendet sich an interessierte Arbeitnehmer(innen) und Betriebsräte. Empfehlenswert ist der vorherige Besuch der Seminarreihe ‚Leben und Arbeiten: Interessenvertretung in Betrieb und Gesellschaft‘ sowie des Seminars ‚Die Entstehung der Arbeiterbewegung als Lernprozess‘ …“

4

Der Themenplan lautete wie folgt:

        

„…    

                 
        

Inhalte

                 
        

Sonntag

        

Anreise, Abendessen, Begrüßung und Informationen zum Haus

        

Montag

V       

Vorstellungsrunde und organisatorische Hinweise

                          

Darstellung des Seminarprogramms und Vereinbarungen über den Seminarablauf, Einstieg ins Thema

                 

N       

Erfolge und Niederlagen in der organisierten Arbeiterschaft in der Novemberrevolution 1918

        

Dienstag

V       

Der Kampf um das Betriebsrätegesetz 1920

                 

N       

Das erste Betriebsrätegesetz und die Realität betrieblicher Interessenvertretung im Vergleich mit dem BetrVG 2001

        

Mittwoch

V       

Der Beitrag des Betriebsrätegesetzes zur Demokratisierung der Gesellschaft am Beispiel der Reaktion auf den Kapp-Putsch

                 

N       

Die Entwicklung von Arbeitsrecht und Betriebsverfassung bis 1933

        

Donnerstag

V       

Die Gegner der demokratischen Republik und der Kampf um ihre Verteidigung

                 

N       

Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und staatliche Krisenpolitik

        

Freitag

V       

Das Betriebsrätegesetz als Instrument zur Krisenbewältigung im Vergleich zum BetrVG (Möglichkeiten der Krisenbewältigung mit dem BetrVG heute im Vergleich zum Betriebsrätegesetz von 1920)

                 

N       

Das Betriebsrätegesetz als untaugliches Mittel im Abwehrkampf gegen den Aufstieg der NS-Bewegung

        

Samstag

V       

Sozialgesetzgebung im Vergleich zu heute

                                   
                          

Rückblick auf die Woche, Ausblick auf die kommende Woche

        

Montag

V       

Die Zerschlagung der Weimarer Betriebsverfassung und der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten

                 

N       

Betriebsverfassung im ‚Dritten Reich‘: die Deutsche Arbeitsfront als antidemokratisches Herrschaftsinstrument

        

Dienstag

V       

‚Betriebsführer‘ und ‚Gefolgschaft‘ als Beispiele für nationalsozialistische Volksgemeinschaftspolitik

                 

N       

Tarifordnungen unter diktatorischen Bedingungen

        

Mittwoch

V       

Staatliche Wirtschaftspolitik und Kriegsvorbereitung

                 

N       

Arbeitspolitik in der Kriegswirtschaft - Zwangsarbeit

        

Donnerstag

V       

Widerstand und Emigration: Konzepte für die betriebliche Interessenvertretung nach 1945

                 

N       

Auswirkungen der Erfahrungen aus Weimarer Republik und NS auf die Betriebsverfassung der Bundesrepublik

        

Freitag

V       

Aus der Geschichte gelernt: Betriebsvereinbarungen gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung

                          

Abreise“

5

Unter dem 26. April 2010 wurde das das Seminar veranstaltende IG Metall-Bildungszentrum Berlin durch die Bezirksregierung Detmold als Einrichtung der Arbeitnehmerweiterbildung nach §§ 10 ff. AWbG anerkannt. Mit Schreiben vom 2. Juli 2012 an die Beklagte „im Haus“ erklärte der Kläger die Inanspruchnahme von Bildungsurlaub in der Zeit vom 2. bis zum 14. September 2012. Mit Schreiben vom 11. Juli 2012 lehnte die Beklagte die Freistellung des Klägers mit der Begründung ab, es sei nicht erkennbar, dass es sich um ein Seminar handele, welches jedermann zugänglich sei. Mit Schreiben vom 12. Juli 2012 übersandte der Kläger der Beklagten „im Hause“ die „Jedermannerklärung“ der IG Metall-Verwaltungsstelle H für dieses Seminar. Mit Schreiben vom 13. Juli 2012, das der Beklagten am 19. Juli 2012 zuging, erklärte der Kläger, er werde trotz der Weigerung der Beklagten am Seminar teilnehmen. Mit Schreiben vom 18. Juli 2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, der Betriebsratsvorsitzende habe ihm mitgeteilt, ein an ihn adressiertes Schreiben der Personalabteilung sei beim Betriebsratsvorsitzenden eingegangen. Danach habe er erfahren, dass die Beklagte wegen Fehlens der „Jedermannerklärung“ den Bildungsurlaub ablehne. Diese sei der Beklagten aber per Fax noch fristgerecht am 13. Juli 2012 und als Kopie mit der Hauspost zugegangen. Mit Schreiben vom 27. Juli 2012 bescheinigte die IG Metall-Verwaltungsstelle H dem Kläger Folgendes:

        

„Hiermit bescheinigen wir, dass bei Teilnahme an Seminaren der IG Metall der Teilnehmer sich bewerben muss und erst nach dieser Bewerbung bekommen diese Interessenten eine Einladung bzw. einen Bescheid, dass sie auf der Warteliste des Seminars stehen.

        

Es ist also nicht der Fall, dass die IG Metall sich Mitglieder aussucht, und diese dann zu einem Seminar einlädt.“

6

Für dieses Seminar wurde im Bildungsprogramm 2012 der IG Metall, einsehbar in allen IG Metall-Verwaltungsstellen, sowie im Internet auf der Webseite des Bildungszentrums geworben.

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Das Seminar fand montags bis freitags von 8:30 Uhr bis 10:00 Uhr, 10:15 Uhr bis 12:30 Uhr, 14:30 Uhr bis 15:45 Uhr und 16:00 Uhr bis 17:00 Uhr statt. Die Kosten für ein zweiwöchiges Seminar beliefen sich im Bildungszentrum Berlin im Jahre 2012 auf insgesamt 2.741,40 Euro, wovon 840,00 Euro auf die Übernachtung und 540,00 Euro auf die Verpflegung entfielen. Dies ergibt einschließlich der Mehrwertsteuer einen Betrag in Höhe von 1.541,40 Euro. Hinzu kamen steuerfreie Seminarkosten in Höhe von 1.200,00 Euro.

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Die Beklagte kürzte die Vergütung des Klägers für den Monat September 2012 wegen seiner Teilnahme an der Bildungsveranstaltung in Höhe von 1.458,90 Euro brutto. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 machte die IG Metall für den Kläger gegenüber der Beklagten dessen Zahlungsanspruch erfolglos geltend. Der Entgeltausfall für September 2012 wurde dem Kläger von der IG Metall erstattet.

9

Mit seiner am 12. November 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, er habe für die Zeit der Seminarteilnahme Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 7 AWbG.

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Er hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.458,90 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Oktober 2012 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen des AWbG seien nicht erfüllt. Insbesondere sei die Weiterbildungsmaßnahme nicht jedermann zugänglich gewesen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ( § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Aufgrund der festgestellten Tatsachen kann der Senat nicht abschließend darüber befinden, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit seiner Teilnahme an dem Seminar „Weimarer Demokratie und faschistische Diktatur - Arbeitergeschichte im 20. Jahrhundert - Der Kampf um soziale Rechte“ Vergütung zu zahlen.

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I. Die allgemeinen und formellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Fortzahlung von Arbeitsentgelt gemäß § 7 AWbG sind erfüllt.

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1. Der Kläger war Arbeitnehmer (§ 2 Satz 1 AWbG). Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bestand seit mehreren Jahren. Die Wartezeit des § 3 Abs. 3 AWbG von sechs Monaten war damit bei Antragstellung im Juli 2012 erfüllt. Der Kläger durfte entgegen der Auffassung der Beklagten auch zwei Wochen Weiterbildung in Anspruch nehmen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AWbG kann der jährliche Anspruch von fünf Arbeitstagen für zwei Kalenderjahre zusammengefasst werden. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 hatte der Kläger gegenüber der Beklagten die Übertragung seines Bildungsurlaubsanspruchs aus dem Jahr 2011 in das Jahr 2012 erklärt.

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2. Das IG Metall-Bildungszentrum Berlin war auch eine anerkannte Einrichtung der Arbeitnehmerweiterbildung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 AWbG. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Die nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 AWbG notwendige tägliche Mindestunterrichtsdauer von sechs Stunden war ebenso erfüllt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dauerte der Unterricht täglich acht Unterrichtsstunden, mindestens aber sechs Unterrichtsstunden mit Einheiten von jeweils 45 Minuten. Der Kläger teilte der Beklagten die Inanspruchnahme und den Zeitraum der Arbeitnehmerweiterbildung auch mindestens sechs Wochen vor deren Beginn schriftlich unter Beifügung der Unterlagen mit (§ 5 Abs. 1 AWbG). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beantragte der Kläger im Juni 2012 seine Teilnahme.

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3. Es kann nicht festgestellt werden, ob dem Zahlungsanspruch entgegensteht, dass die Beklagte die Freistellung des Klägers zur Seminarteilnahme mit Schreiben vom 11. Juli 2012 mit der Begründung verweigerte, das Seminar sei nicht für jedermann zugänglich.

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a) § 1 Abs. 1 AWbG verpflichtet den Arbeitgeber, den anspruchsberechtigten Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freizustellen. Die Freistellungspflicht ist ferner aus § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 7, § 4 sowie aus § 5 Abs. 3 und Abs. 4 AWbG zu ersehen. Der Weiterbildungsanspruch ist damit ein gesetzlich begründeter Freistellungsanspruch. Erfüllt der Arbeitgeber den gesetzlichen Freistellungsanspruch, ist er nach § 7 Satz 1 AWbG zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Erfolgt keine Freistellung, besteht grundsätzlich auch kein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers, wenn er gleichwohl an der Veranstaltung teilnimmt. Hiervon regelt § 5 Abs. 4 Satz 1 iVm. Satz 3 AWbG eine Ausnahme. Danach hat der Arbeitnehmer auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn der Arbeitgeber die Freistellung aus anderen als den in § 5 Abs. 2 AWbG genannten Gründen verweigert und der Arbeitnehmer ihm seine „Gleichwohl-Teilnahme“ innerhalb einer Woche seit Mitteilung der Verweigerung schriftlich mitteilt.

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b) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts verweigerte die Beklagte die Freistellung mit Schreiben vom 11. Juli 2012, da nicht erkennbar sei, dass die Veranstaltung für jedermann zugänglich sei. Das sind andere als die in § 5 Abs. 2 AWbG genannten betrieblichen Gründe. Mit dem am 19. Juli 2012 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 13. Juli 2012 erklärte der Kläger sodann gegenüber der Beklagten, dass er gemäß § 5 Abs. 4 AWbG gleichwohl an der Bildungsveranstaltung teilnehmen werde („Gleichwohl-Teilnahme“). Es fehlen allerdings Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dazu, wann das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 dem Kläger zuging. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwar sei der Zugang dieses Schreibens von den Parteien nicht mitgeteilt worden, er dürfte dieses Schreiben aber über den Betriebsrat erhalten haben und somit von dessen Inhalt nicht vor dem 12. Juli 2012 Kenntnis erlangt haben. Damit vermutet das Landesarbeitsgericht lediglich einen Zugang an den Kläger nicht vor dem 12. Juli 2012. Tatsachen hat es hierzu nicht festgestellt. Auch unterstellt es zu Unrecht, die Einhaltung der Wochenfrist sei zwischen den Parteien unstreitig. Tatsächlich haben die Parteien hierzu nichts vorgetragen. Dies deutet darauf hin, dass sie diese Anspruchsvoraussetzung für den Zahlungsanspruch übersehen haben. Das Revisionsgericht kann deshalb nicht prüfen, ob der Kläger die Wochenfrist des § 5 Abs. 4 Satz 1 AWbG wahrte. Hierzu muss das Berufungsgericht noch aufklären, ob dem Kläger das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 am selben Tag zugegangen war. Es kann nicht der normale Postlauf unterstellt werden, da das Schreiben auch betriebsintern versandt worden sein kann. So sind auch der Antrag des Klägers vom 2. Juli 2012 und seine Erklärung über die „Gleichwohl-Teilnahme“ betriebsintern verschickt worden. Aus dem Schreiben des Klägers vom 18. Juli 2012 an die Personalabteilung der Beklagten kann nicht geschlossen werden, dass ihm das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 frühestens am 12. Juli 2012 zugegangen war. Zwar beruft sich der Kläger in seinem Schreiben darauf, dass ein an ihn gerichtetes Schreiben der Beklagten über die Ablehnung der Weiterbildung beim Betriebsratsvorsitzenden eingegangen sei. Es fehlen aber Feststellungen dazu, dass es sich um das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 handelt, ob die Beklagte das an den Kläger gerichtete Schreiben dem Betriebsrat nur zusätzlich zur Kenntnis übersandte und ob eine mögliche Alleinversendung an den Betriebsrat auf Veranlassung des Klägers erfolgte. Diese nachzuholende Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht ist auch entscheidungserheblich. Denn die Zahlungsklage wäre nur bei Einhaltung der Wochenfrist des § 5 Abs. 4 Satz 1 AWbG begründet.

20

4. Das Landesarbeitsgericht hat im Übrigen zu Recht angenommen, dass es sich um eine politische Arbeitnehmerweiterbildung iSv. § 1 Abs. 4 AWbG handelte.

21

a) Eine Veranstaltung dient dann dem Ziel der politischen Weiterbildung, wenn das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert sowie die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf gefördert werden soll. Dazu ist erforderlich, dass nach dem didaktischen Konzept der Veranstaltung sowie der zeitlichen und sachlichen Ausrichtung der einzelnen Lerneinheiten das Erreichen dieses Ziels uneingeschränkt ermöglicht wird (BAG 19. Mai 1998 - 9 AZR 395/97 - zu I 1 der Gründe; 9. Mai 1995 - 9 AZR 185/94 - zu III 1 der Gründe, BAGE 80, 94; 15. Juni 1993 - 9 AZR 411/89 - zu 3 a der Gründe).

22

b) Das Tatbestandsmerkmal „dient der politischen Weiterbildung“ (§ 1 Abs. 2 AWbG) ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Da bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe den Tatsacheninstanzen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Beurteilungsspielraum zukommt, unterliegt die Anwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs in der Revisionsinstanz nur einer eingeschränkten Überprüfung. Es kann nur geprüft werden, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Tatumstände berücksichtigt hat (BAG 17. November 1998 - 9 AZR 503/97 - zu I 3 b der Gründe).

23

c) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das sich insoweit die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht hat, hält diesem Prüfungsmaßstab stand. Danach befasste sich der Themenplan im Sinne einer politischen Weiterbildung mit der Weimarer Demokratie, deren Bedeutung und Auswirkung auf Arbeitnehmerrechte und ihrem Scheitern durch Aufstieg der faschistischen Diktatur. Es ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Themen dienten der Verbesserung und Förderung des Verständnisses der Arbeitnehmer für die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhänge auf den Gebieten der Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik.

24

Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang allerdings zu Unrecht geprüft, ob es sich um eine den Tatbestand der politischen Weiterbildung ausschließende Spezialschulung für Betriebsräte handelte. Das ist keine Frage der politischen Weiterbildung, sondern der Allgemeinzugänglichkeit der Veranstaltung (BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 466/97 - zu II 2 b bb der Gründe).

25

5. Entgegen der Auffassung der Revision war die Weiterbildungsmaßnahme auch allen Arbeitnehmern zugänglich (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 AWbG).

26

a) Der Verwaltungsakt über die Anerkennung einer Bildungsstätte entfaltet insoweit weder Tatbestandswirkung noch begründet er eine Vermutung dafür, dass Veranstaltungen dieser Bildungseinrichtung für jedermann zugänglich sind. Die Zugänglichkeit für jedermann gehört zu den Tatbestandsmerkmalen des Entgeltfortzahlungsanspruchs. Ihre Voraussetzungen sind von demjenigen, der den Anspruch geltend macht, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 654/88 - zu III 3 b aa der Gründe, BAGE 65, 352).

27

b) Zugänglich iSd. § 9 Abs. 1 Nr. 3 AWbG ist eine Bildungsveranstaltung, wenn sie mindestens dem in § 2 AWbG genannten Personenkreis (Arbeitnehmer, in Heimarbeit Beschäftigte sowie ihnen Gleichgestellte, arbeitnehmerähnliche Personen) offensteht.

28

c) Die Revision rügt zu Unrecht, die Einladung sei nicht genügend bekannt gemacht worden und deshalb nur für Gewerkschaftsmitglieder zugänglich gewesen.

29

aa) Wendet sich die Veranstaltung nur an Gewerkschaftsmitglieder, ist sie nicht für jedermann zugänglich. Zur Begründung der Jedermannzugänglichkeit genügt nicht der Hinweis im Bildungsprogramm des Trägers, dass die Veranstaltung auch anderen Personen als Gewerkschaftsmitgliedern offensteht. Er muss außerdem so verlautbart sein, dass auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer davon Kenntnis nehmen können (BAG 9. November 1993 - 9 AZR 9/92 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 75, 58).

30

bb) Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

31

(1) Das Seminar wendete sich ausdrücklich an „interessierte Arbeitnehmer(innen)“ und nicht nur an Gewerkschaftsmitglieder. Hiervon hätten auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer Kenntnis nehmen können. Das Bildungsprogramm der IG Metall ist für jedermann im Internet zugänglich. Hierbei handelt es sich mittlerweile um ein anerkanntes und gebräuchliches Informationsmedium, welches eine allgemein zugängliche Kenntnisnahmemöglichkeit gewährleistet.

32

(2) Die Bildungsveranstaltung war entgegen ihrer Ausschreibung auch nicht deshalb nur für Gewerkschaftsmitglieder zugänglich, weil die IG Metall-Verwaltungsstelle H dem Kläger in einem Schreiben vom 27. Juli 2012 mitteilte, der „Teilnehmer“ müsse sich „bewerben“. Daran sollte sich kein Auswahlverfahren nur zugunsten von Gewerkschaftsmitgliedern anschließen. Es wurde damit nur der Tatsache Rechnung getragen, dass die Anzahl der Anmeldenden die Teilnehmerkapazität hätte überschreiten können. Nicht nachvollziehbar ist das Argument der Beklagten, aus der „Du-Form“ der an den Kläger gerichteten Schreiben sei herzuleiten, es würden nur Gewerkschaftsmitglieder angesprochen. Die allgemein zugängliche Seminarausschreibung und der Themenplan enthielten diese „Du-Form“ nicht.

33

d) Der Zugänglichkeit für jedermann steht nicht entgegen, dass das Seminar als geeignet iSv. § 37 Abs. 7 BetrVG gekennzeichnet war und dieses politische Themen im Kontext mit dem Betriebsrätegesetz und der Betriebsverfassung behandelte.

34

Soweit die Revision geltend macht, es habe sich um eine unzulässige Funktionärsschulung gehandelt, betrifft dies nicht die vermittelten Bildungsinhalte, sondern die Allgemeinzugänglichkeit der Veranstaltung. Grundsätzlich sind alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Die Zugänglichkeit für jedermann wurde auch nicht durch den in das Programm aufgenommenen Hinweis auf eine Anerkennung der Veranstaltung für Betriebsräte nach § 37 Abs. 7 BetrVG aufgehoben. Die Veranstaltung war weder als Spezialschulung für Betriebsräte ausgeschrieben, noch wurden betriebsverfassungsrechtliche Fragen im engeren Sinne behandelt. Im Übrigen sind grundsätzlich alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Diese bezweckt nicht nur die Information über gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge, sondern soll insbesondere auch den Einzelnen befähigen, sein soziales Umfeld mitzugestalten. Hierzu gehört auch die Mitwirkung in Arbeitnehmervertretungen. Eine gesellschaftspolitische Weiterbildung kann deshalb auch Kenntnisse vermitteln, die gleichzeitig Inhalt von Betriebsräteschulungen nach § 37 Abs. 6 oder Abs. 7 BetrVG sind(vgl. zu § 3 BFG BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 468/97 - zu II 2 b bb der Gründe).

35

e) Ebenso wenig stellen die Gesamtkosten für das zweiwöchige Seminar ein die Jedermannzugänglichkeit ausschließendes Hindernis dar. Entgegen der Ansicht der Revision sind die Kosten für die hotelmäßige Unterbringung und Verpflegung in Höhe von 1.541,40 Euro und die Seminarkosten in Höhe von 1.200,00 Euro keine für Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst unzumutbare Kostenhürde. Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer die Kosten einer Bildungsveranstaltung selbst zu tragen. Die Bildungseinrichtungen sind nicht verpflichtet, die Kosten für die Lehrmaterialien und Referenten sowie für die Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer selbst aufzubringen. Ob ein Arbeitnehmer das Weiterbildungsangebot eines Veranstalters annimmt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Dazu hat jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit, aus den vielfältigen, preislich höher oder niedriger gestalteten Angeboten auszuwählen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, diese Wahlfreiheit zu beschränken. Der Träger einer Weiterbildungsveranstaltung ist nicht verpflichtet, diese kostenfrei anzubieten.

36

Entgegen der Auffassung der Revision kann der individuelle Gewerkschaftsbeitrag eines Teilnehmers kein Kriterium für die eine Jedermannzugänglichkeit ausschließende Kostenbelastung sein. Der Gewerkschaftsbeitrag ist schon nach seinem Zweck keine Ratenzahlung für die Kosten künftiger Seminare. Er ist Beitrag für den gesamten Aufgabenbereich der Gewerkschaft. Ob im Einzelfall ein besonders hoher Beitrag interessierte nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer von einer Teilnahme abschrecken kann und deshalb die Zugänglichkeit für jedermann zu verneinen ist, kann dahinstehen. Der Streitfall bietet zur Erörterung dieser Frage keinen Anlass (vgl. BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 466/97 - zu II 2 c cc der Gründe).

37

f) Auch der Umstand, dass der Kläger ein Aufbauseminar besucht hat, steht der Jedermannzugänglichkeit der Veranstaltung nicht entgegen. Die Teilnahme war nicht vom vorherigen Besuch der Seminarreihe „Leben und Arbeiten: Interessenvertretung in Betrieb und Gesellschaft“ sowie des Seminars „Die Entstehung der Arbeiterbewegung als Lernprozess“ abhängig gemacht worden. Deren vorherige Teilnahme war nur empfohlen worden. Deshalb war nicht zu prüfen, ob auch diese Grundseminare jedermann zugänglich waren (vgl. BAG 2. Dezember 1997 - 9 AZR 584/96 - zu I 2 a ff der Gründe).

38

6. Die Beklagte rügt in der Revision zu Unrecht, das Landesarbeitsgericht habe ihren Vortrag in der Klageerwiderung vom 4. Februar 2013, die Bildungsveranstaltung sei nicht vom IG Metall-Bildungszentrum Berlin durchgeführt worden, übergangen. Eine Veranstaltung wird dann von einem anerkannten Träger der Weiterbildung durchgeführt, wenn die betreffende Einrichtung bestimmenden Einfluss darauf ausübt, ob die Veranstaltung stattfindet, wie sie inhaltlich gestaltet wird, wer unterrichtet und wer teilnimmt (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 220/88 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 65, 347). Das hat die Beklagte nicht bestritten. Sie hat vorgetragen, es sei „im Grundsatz unstrittig“, dass die IG Metall das Seminar durchgeführt habe. Der Kläger habe lediglich nicht dargelegt, dass die Veranstaltung im IG Metall-Bildungszentrum Berlin tatsächlich von einem anerkannten Träger der Weiterbildung durchgeführt worden sei. Damit hat sie nur die Anerkennung bestritten, die aber im weiteren Verlauf des Verfahrens unstreitig gestellt worden ist.

39

II. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Kläger auch aktivlegitimiert. Die IG Metall erstattete dem Kläger zwar den Entgeltausfall. Sie leistete aber nicht mit dem Willen, die Entgeltfortzahlungspflicht der Beklagten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 1 BGB zu erfüllen. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass einem Fremdtilgungswillen bereits das Schreiben der IG Metall vom 2. Oktober 2012 entgegensteht. Sie machte dort für den Kläger gegenüber der Beklagten dessen Entgeltfortzahlungsanspruch geltend.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Pielenz    

        

    M. Dipper    

                 

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Für das Verfahren vor den Amtsgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten, soweit nicht aus den allgemeinen Vorschriften des Buches 1, aus den nachfolgenden besonderen Bestimmungen und aus der Verfassung der Amtsgerichte sich Abweichungen ergeben.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 10. August 2009 - 4 Sa 7/09 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 15. Januar 2009 - 21 Ca 7630/07 - zurückgewiesen hat.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 15. Januar 2009 - 21 Ca 7630/07 - abgeändert, soweit es die Beklagte verurteilt hat, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin für den Zeitraum 1. März bis 30. September 2007 152 Stunden gutzuschreiben. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

3. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 10. August 2009 - 4 Sa 7/09 - wird zurückgewiesen und der Hilfsantrag der Klägerin abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin 43 % und die Beklagte 57 % zu tragen. Die Kosten der Revision hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob und in welchem Umfang dem Arbeitszeitkonto der Klägerin Stunden gutzuschreiben sind.

2

Die Klägerin ist seit Juni 1994 bei der Beklagten beschäftigt. Seit 1. Mai 2005 ist sie Mitglied der Industriegewerkschaft Metall. Die Beklagte trat mit Wirkung zum 31. Dezember 2005 aus dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. aus. Bis zu diesem Zeitpunkt wandte sie auf alle Arbeitsverhältnisse unabhängig von einer Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer die Tarifverträge für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden an.

3

Am 24. Juni 2005 schlossen die Parteien mit Wirkung zum 1. Januar 2006 einen neuen Arbeitsvertrag, in dem sie eine individuelle regelmäßige Wochenarbeitszeit von 40 Stunden vereinbarten und festhielten, dass keine Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fänden.

4

In einer am 7. Dezember 2005 geschlossenen „Betriebsvereinbarung Nr. 02/2005“ heißt es:

        

„…    

        
        

2.    

Dauer der Arbeitszeit

                 

Für die vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer beträgt die persönliche, regelmäßige, wöchentliche Arbeitszeit ab dem 01. Januar 2006 40 Stunden.

        

…       

        
        

4.    

Arbeitszeitkonto

                 

Die Differenz zwischen der geleisteten Arbeitszeit und der Regelarbeitszeit wird 1:1 in ein Arbeitszeitkonto übertragen, welches für jeden einzelnen Arbeitnehmer geführt wird. (…)“

5

Ab 1. Januar 2006 arbeitete die Klägerin 40 Wochenstunden, während der Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 14. Juni 2005 (im Folgenden: MTV) eine tarifliche wöchentliche Arbeitszeit (ohne Pausen) von 35 Stunden vorsah.

6

Mit Anwaltsschreiben vom 29. August 2007 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr bis zum 7. September 2007 zu bestätigen, dass sie für jede ab dem 1. Januar 2006 über 35 Stunden pro Woche hinaus geleistete Arbeitsstunde eine entsprechende Bezahlung erhalte oder jede über 35 Stunden pro Woche geleistete Arbeitsstunde ihrem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werde. Mit ihrer der Beklagten am 5. Oktober 2007 zugestellten Klage hat die Klägerin ua. geltend gemacht, ihrem Arbeitszeitkonto seien für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2007 insgesamt 455 Arbeitsstunden gutzuschreiben.

7

Die Klägerin hat - soweit für die Revision noch von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 30. September 2007 455 Stunden gutzuschreiben.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr an die Tarifverträge für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden gebunden gewesen zu sein. Zudem habe die Klägerin die sechsmonatige Ausschlussfrist des MTV nicht eingehalten.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin für den Zeitraum 1. März bis 30. September 2007 152 Stunden gutzuschreiben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgen die Beklagte ihr Begehren auf vollständige Klageabweisung, die Klägerin ihren ursprünglichen Klageantrag mit der Maßgabe, dass die Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin in der Spalte „FLEX“ erfolgen solle, weiter. Außerdem hat die Klägerin in der Revisionsinstanz ihre Klage um einen Hilfsantrag erweitert, mit dem sie die Zahlung von 6.561,10 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2007 begehrt.

Entscheidungsgründe

10

I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage teilweise stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen.

11

1. Die Klage ist mit dem in den Vorinstanzen gestellten (Haupt-)Antrag mit der in der Revisionsinstanz nachgeholten Konkretisierung dieses Leistungsantrags zulässig.

12

Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können(vgl. BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 1036/06 - Rn. 9, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 42 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 16; 6. Juli 2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 72). Gleichermaßen kann der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3). Seit der im Revisionsverfahren erfolgten Konkretisierung des Leistungsbegehrens (Gutschrift in der Spalte „FLEX“) ist der Klageantrag hinreichend bestimmt.

13

2. Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch, dass die vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2007 über die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden hinaus geleistete Arbeitszeit als Mehrarbeit auf ihrem Arbeitszeitkonto in der Spalte „FLEX“ verbucht wird. Dafür fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.

14

a) Aus der Betriebsvereinbarung Nr. 2/2005 vom 7. Dezember 2005 ergibt sich kein Anspruch darauf, dass die über 35 Wochenstunden hinausgehende Arbeitszeit auf den Arbeitszeitkonten der Arbeitnehmer als Mehrarbeit verbucht wird. Die Betriebsvereinbarung wurde für eine Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden getroffen, nur die Differenz zwischen der geleisteten Arbeitszeit und dieser Regelarbeitszeit wird in ein Arbeitszeitkonto übertragen (Ziff. 2 und Ziff. 4 der Betriebsvereinbarung; vgl. dazu auch BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 13, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 50).

15

b) Ebenso wenig ergibt sich der Klageanspruch aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag vom 24. Juni 2005.

16

aa) Der Sachvortrag der Klägerin enthält keine Anhaltspunkte dafür, aus dem Arbeitsvertrag ließe sich herleiten, dass die Differenz zwischen vertraglicher und tariflicher Wochenarbeitszeit als Mehrarbeit auf dem Arbeitszeitkonto verbucht werden solle.

17

bb) Aus § 611 Abs. 1 BGB kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos haben(vgl. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 10 mwN, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1). Die Gutschrift von Arbeitsstunden setzt aber voraus, dass die gutzuschreibenden Stunden nicht vergütet wurden oder die dafür geleistete Vergütung vom Arbeitgeber wegen eines Entgeltfortzahlungstatbestands auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung hätte erbracht werden müssen (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3).

18

cc) Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum Vergütung für 40 Arbeitsstunden wöchentlich erhalten. Ausgehend von den erteilten Lohnabrechnungen steht dies zwischen den Parteien außer Streit. Damit sind aber die Stunden, die laut Klageantrag auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin in der Spalte „FLEX“ als Mehrarbeit verbucht werden sollen, von der Beklagten laufend vergütet worden. Daran ändert die - zugunsten der Klägerin unterstellte - Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden nach § 4 Abs. 3 TVG nichts. Die Klägerin hat allenfalls für die wöchentlich „zu viel“ geleisteten Arbeitsstunden eine zu geringe Vergütung erhalten, sofern auch die arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung - wozu es allerdings an Sachvortrag der Klägerin fehlt - nach § 4 Abs. 3 TVG unwirksam sein sollte. Eine zu geringe Vergütung von geleisteten Arbeitsstunden begründet aber keinen Anspruch, diese Stunden auf einem Arbeitszeitkonto als Mehrarbeit zu verbuchen, sondern nur auf Zahlung der Vergütungsdifferenz.

19

II. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Für den Anspruch auf Gutschrift von Arbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto fehlt es an einer Grundlage (siehe unter I 2). Der erstmals in der Revisionsinstanz klageerweiternd gestellte Hilfsantrag ist unzulässig.

20

Die Einführung eines zusätzlichen Hilfsantrags in der Revisionsinstanz stellt eine nachträgliche Anspruchshäufung (§ 260 ZPO)und damit eine Klageänderung gem. § 263 ZPO dar, ohne dass lediglich einer der Fälle des § 264 ZPO vorliegen würde. Diese Klageänderung ist in der Revisionsinstanz unzulässig. Das Revisionsgericht kann nicht erstmals ein bisher nicht beschiedenes Begehren beurteilen, welches die Feststellung neuer Tatsachen erfordert (BAG 12. Juli 2006 - 5 AZR 646/05 - Rn. 17, BAGE 119, 62; 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 29, jeweils mwN). Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Die Entscheidung über den Hilfsantrag würde neue Feststellungen zur Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung, der Höhe der tariflichen Vergütung sowie zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist erfordern.

21

III. Unter Berücksichtigung der rechtskräftigen Kostenentscheidung des Landesarbeitsgerichts nach § 91a ZPO hinsichtlich des in der Berufungsinstanz übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits haben von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz die Klägerin 43 % und die Beklagte 57 % zu tragen, § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten der Revision hat die Klägerin gem. § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Feldmeier    

        

    Christen    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 28. November 2008 - 7 Sa 54/08 - teilweise aufgehoben und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst.

Auf die Berufung der Beklagten wird das (Teil-)Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 1. April 2008 - 7 Ca 8901/07 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

a) Es wird festgestellt, dass die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit des Klägers vom 1. Juli 2006 bis zum 3. März 2009 fünfunddreißig Wochenstunden betrug.

b) Im Übrigen wird die Klage einschließlich des hilfsweise gestellten Zahlungsantrags abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu drei Viertel und die Beklagte zu einem Viertel zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die für ihr Arbeitsverhältnis geltenden Tarifverträge, die sich daraus ergebende wöchentliche Arbeitszeit im Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 3. März 2009 und hieraus folgende Leistungsansprüche des Klägers.

2

Der Kläger ist seit dem Jahr 2000 bei der Beklagten gegen einen Bruttomonatsverdienst von zuletzt 2.171,65 Euro als Monteur beschäftigt. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metallindustrie und war bis zum 31. Dezember 2005 Mitglied im Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. - Südwestmetall - (AGV Südwestmetall). Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien wurden bis zu diesem Datum die zwischen dem AGV Südwestmetall und der IG Metall, Bezirk Baden-Württemberg, geschlossenen Tarifverträge kraft betrieblicher Übung angewandt.

3

In der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden wurde zwischen den Tarifvertragsparteien im Jahre 2003 die Einführung eines neuen Entgeltsystems vereinbart. Hierzu schlossen die Tarifvertragsparteien am 16. September 2003 den Entgeltrahmentarifvertrag (ERA-TV) und den Einführungstarifvertrag zum ERA-Tarifvertrag (ETV-ERA) ab, die zum 1. Oktober 2003 in Kraft traten. § 2 ETV-ERA lautet in der Fassung der Tarifrunde 2004 auszugsweise wie folgt:

        

„§ 2   

        

Einführungszeitraum

        

2.1     

Tarifliche Stichtage

        

...     

        
        

2.1.2 

Der Vorbereitungsphase schließt sich eine Einführungsphase von drei Jahren an*). ... Der ERA-TV ersetzt zum Stichtag im Betrieb die entsprechenden Bestimmungen der bestehenden Tarifverträge (§ 24 ERA-TV).

                 

Vor der Einführungsphase kann der ERA-TV nur mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien eingeführt werden.

                 

*)    

Protokollnotiz: Beginn und Ende der Einführungsphase werden bei Vereinbarung der letzten ERA-Strukturkomponente festgelegt.

        

2.1.3 

Im Anschluss an die Einführungsphase gilt der ERA-TV verbindlich für alle Betriebe. Mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien kann der ERA-TV betrieblich auch bis zu 12 Monate nach diesem Zeitpunkt eingeführt werden.

        

...“   

        
                          
        

(Hinweis: Im Rahmen der Tarifrunde 2004 wurde diese Einführungsphase auf die Zeit 1. März 2005 bis zum 29. Februar 2008 festgelegt.)

4

Am 10. März 2006 schlossen die Tarifvertragsparteien einen am 1. Februar 2006 in Kraft tretenden Ergänzungstarifvertrag zum Einführungstarifvertrag zum ERA-TV, wodurch der ETV-ERA in § 4.2 unmittelbar geändert wurde.

5

Für die Betriebe, die den ERA-TV nicht einführten, galt ab 1. April 2005 der Manteltarifvertrag der Tarifparteien (MTV 2005) vom 14. Juni 2005. In diesem war die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit wie in der Vorgängerregelung auf 35 Stunden festgesetzt.

6

Der Kläger unterzeichnete am 25. Juli 2005 mit Wirkung zum 1. Januar 2006 einen neuen Arbeitsvertrag, der auszugsweise wie folgt lautet:

        

„4.     

WOCHENARBEITSZEIT, GLEITZEIT

        

4.1     

Die individuelle regelmäßige Wochenarbeitszeit des Arbeitnehmers beträgt 40 Stunden.

        

…       

        
                          
        

4.3     

Über die vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus geleistete Arbeit ist keine Mehrarbeit, sondern führt lediglich zum Auf- bzw. Abbau des Zeitguthabens des Arbeitnehmers. Eine Auszahlung von Zeitguthaben ist ausgeschlossen.

        

…       

        
                          
        

13.     

SCHLUSSBESTIMMUNGEN, SALVATORISCHE KLAUSEL, GERICHTSSTAND

        

…       

        
        

13.6   

Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass keinerlei Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden.“

7

Auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2005 über Lage und Verteilung der Arbeitszeit wurden von der Beklagten ab 1. Januar 2006 für die Arbeitnehmer Arbeitszeitkonten in geänderter Weise geführt. Seither wurde die Differenz zwischen der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit und einer Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden in die einzelnen Arbeitszeitkonten übertragen. Die Betriebsvereinbarung regelt ferner, dass der Ausgleichszeitraum der Arbeitszeitkonten jeweils am 31. Mai eines jeden Jahres endet. Der Kläger ist seit dem 1. Juli 2006 Mitglied der IG Metall.

8

Mit seiner Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die bis zum Verbandsaustritt der Beklagten am 31. Dezember 2005 vereinbarten Tarifverträge fänden im Hinblick auf seine Mitgliedschaft in der IG Metall ab 1. Juli 2006 im Wege der Nachbindung gem. § 3 Abs. 3 TVG auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung. Demzufolge betrage die von ihm geschuldete wöchentliche Arbeitszeit 35 Stunden. Die Beklagte habe daher auch das Arbeitszeitkonto unter Zugrundelegung einer wöchentlichen Sollarbeitszeit von 35 Arbeitsstunden zu führen. Die im Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 6. September 2007 (einschließlich) aufgelaufenen Differenzstunden seien dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ab dem 1. Juli 2006 die folgenden, zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. und der Industriegewerkschaft Metall, Bezirk Baden-Württemberg, abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung finden bzw. gefunden haben:

                 

a)    

Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 14. Juni 2005 für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 29. Februar 2008 einschließlich,

                 

b)    

Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden zum ERA-TV vom 14. Juni 2005,

                 

c)    

---     

                 

d)    

Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für die Beschäftigten und Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg zum ERA-TV vom 14. Juni 2005,

                 

e)    

Tarifvertrag zur Altersteilzeit für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 14. Juni 2005,

                 

f)    

Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 14. Juni 2005,

                 

g)    

Tarifverträge zum Bruttoaufstockungsmodell Altersteilzeit vom 29. September 2004,

                 

h)    

Urlaubsabkommen für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden zum ERA-TV vom 14. Juni 2005,

                 

i)    

Entgeltrahmentarifvertrag (ERA-TV) vom 16. September 2003,

                 

j)    

Einführungstarifvertrag zum ERA-TV (ETV-ERA) vom 16. September 2003,

                 

k)    

Tarifvertrag für die Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden zum ERA-TV vom 14. Juni 2005,

                 

l)    

Tarifvertrag zur Qualifizierung für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg zum ERA-TV vom 14. Juni 2005 und

                 

m)    

Tarifvertrag ERA-Anpassungsfonds vom 18. Dezember 2003.

        

2.    

festzustellen, dass die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit des Klägers ohne Pausen ab dem 1. Juli 2006 35 Arbeitsstunden betrug.

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, das Arbeitszeitkonto des Klägers ab dem 1. Juli 2006 so zu führen, dass der wöchentlichen Sollarbeitszeit 35 Arbeitsstunden zugrunde gelegt werden.

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 6. September 2007 einschließlich 189,5 Stunden gutzuschreiben.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält die Anträge zu 1) und zu 2) mangels Feststellungsinteresses für unzulässig, im Übrigen ergebe sich aus dem nach Ende ihrer Verbandsmitgliedschaft erfolgten Eintritt des Klägers in die Gewerkschaft keine beiderseitige Tarifgebundenheit. Eine Nachbindung könne den Arbeitgeber nicht „ewig“ binden, sondern sei in sinnvoller Weise zeitlich zu beschränken. Hierfür biete sich die erste ordentliche Kündigungsmöglichkeit nach dem Verbandsaustritt an. Dies sei vorliegend der 28. Februar 2006 gewesen, so dass der Beitritt des Klägers zur IG Metall am 1. Juli 2006 ins Leere gegangen sei. Bei der einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertrages zum 1. Januar 2006 handele es sich um eine andere Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 TVG, welche die Nachwirkung der Tarifverträge beende. Eine Nachbindung an die ERA-Tarifverträge bestehe aber auch schon deshalb nicht, weil diese Tarifverträge nur für solche Betriebe gälten, die den ERA-TV betrieblich eingeführt hätten. Zudem sei eine mögliche Nachbindung der Beklagten spätestens mit dem Ergänzungstarifvertrag zum ETV-ERA vom 10. März 2006 beendet worden. Der nicht auf den ERA-TV bezogene MTV 2005 habe schon deshalb nicht normativ gegolten, weil der MTV 2005 für diejenigen Arbeitgeber, die weiterhin Verbandsmitglied geblieben seien, nicht mehr zwingend gegolten habe, denn diese hätten in dem fraglichen Zeitraum jederzeit den MTV 2005 durch die Einführung des ERA-TV ablösen können. Allerspätestens habe der MTV 2005 jedoch zum 29. Februar 2008 geendet, weil er zu diesem Zeitpunkt nach dem Willen der Tarifvertragsparteien in den kraft Mitgliedschaft tarifgebundenen Betrieben durch den MTV-ERA hätte ersetzt werden müssen. Jedenfalls greife die sechsmonatige Ausschlussfrist, die sowohl der MTV 2005 als auch der MTV-ERA vorsähen.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage - auch hinsichtlich weiterer vom Kläger verfolgter Ansprüche - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das klagestattgebende Urteil in dem in der Revision noch streitgegenständlichen Umfang aufrechterhalten und die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen. Nach Verkündung des Berufungsurteils vereinbarte die Beklagte am 4. März 2009 mit der IG Metall einen Haustarifvertrag, in dem ua. eine regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit von 40 Stunden vorgesehen ist. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte in vollem Umfang ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision mit der Maßgabe, dass die Feststellungsanträge auf die Zeit bis zum 3. März 2009, hilfsweise bis zum 6. September 2007 beschränkt werden, und stellt hilfsweise zum Antrag zu 4) den Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 2.376,33 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2007.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist überwiegend begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten hinsichtlich der Klageanträge zu 1), zu 3) und zu 4) rechtsfehlerhaft zurückgewiesen. Lediglich der Klageantrag zu 2) ist begründet.

13

A. Das Landesarbeitsgericht hat im Hinblick auf die unterschiedlichen Auffassungen der Parteien über die Anwendbarkeit der in Rede stehenden Tarifverträge das erforderliche Interesse an den alsbaldigen Feststellungen gemäß dem Antrag zu 1) angenommen, welches sich allerdings nicht auf den vor dem Landesarbeitsgericht noch unter c) im Antrag zu 1) genannten Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung vom 14. Juni 2005 erstrecke, weil dieser ab dem 1. März 2008 durch den Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung zum ERA-TV vom 14. Juni 2005 abgelöst worden sei und der Kläger nicht aufgezeigt habe, dass sich aus dem Tarifvertrag noch Rechte und Pflichten ergäben. In der Sache fänden die aufgeführten Tarifverträge kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gem. § 3 Abs. 1 und Abs. 3 TVG Anwendung. Unschädlich sei hierbei, dass die noch während der Mitgliedschaft der Beklagten im Arbeitgeberverband abgeschlossenen Tarifverträge teilweise erst nach Beendigung ihrer Mitgliedschaft am 1. März 2008 in Kraft getreten seien und dass der Kläger erst zum 1. Juli 2006 in die zuständige Gewerkschaft eingetreten sei. Der Arbeitsvertrag vom 25. Juli 2005 habe die Anwendbarkeit der Tarifverträge nicht wirksam ausschließen können (§ 4 Abs. 3 TVG).

14

Der Antrag zu 2) sei als Zwischenfeststellungsklage zulässig, da er für das Leistungsbegehren nach dem Antrag zu 3) vorgreiflich sei. Der Antrag zu 2) sei auch begründet, da sich aus § 7.1 MTV 2005 - für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 29. Februar 2008 - bzw. aus § 7.1 MTV-ERA - für die Zeit danach - eine wöchentliche Sollarbeitszeit von 35 Stunden ergebe. Hieraus folge die Verpflichtung der Beklagten, das Arbeitszeitkonto entsprechend zu führen und damit die Begründetheit des Antrages zu 3). Nicht verlangen könne der Kläger insoweit indes die Verurteilung der Beklagten, Arbeitszeit, die er über 35 Stunden geleistet habe und künftig leisten werde, seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Es mangele insoweit an der erforderlichen Bestimmtheit des Streitgegenstandes.

15

Schließlich könne der Kläger eine Gutschrift von 189,50 Arbeitsstunden für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 6. September 2007 verlangen. Der Anspruch sei auch nicht nach § 18.1.2 MTV 2005/MTV-ERA verfallen. Denn die Beklagte könne sich wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht auf die Verwirkung des Anspruchs des Klägers berufen. Mit der durch sie gestellten Vertragsbedingung in § 13.6 des Arbeitsvertrages habe sie den Kläger über die Anwendbarkeit der Tarifverträge kraft Fortwirkung der Tarifbindung der Beklagten auch im Fall eines nachträglichen Eintritts in die Gewerkschaft getäuscht.

16

B. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten ist weitgehend erfolgreich. Die Anträge zu 1) und der Hilfsantrag zu 4) sind unzulässig; die Anträge zu 3) und der Hauptantrag zu 4) sind unbegründet. Lediglich hinsichtlich der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellung der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers ist die Revision zurückzuweisen.

17

I. Die Klage ist nur teilweise zulässig.

18

1. Der Antrag zu 1) ist unzulässig. Es mangelt am erforderlichen Feststellungsinteresse des Klägers.

19

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage -. Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (st. Rspr., s. nur BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165 ).

20

Das Feststellungsinteresse ist nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (st. Rspr., etwa BAG 14. Dezember 2005 - 4 AZR 522/04 - Rn. 12, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 94 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 7; 29. November 2001 - 4 AZR 757/00 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 100, 43). Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen (st. Rspr., etwa BAG 2 9. November 2001 - 4 AZR 757/00 - aaO).

21

Erforderlich ist ferner, dass die Feststellung deshalb nötig erscheint, weil es über das Bestehen oder Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses einen Streit zwischen den Parteien gibt, der sich in irgendeiner Form auf Leistungsverpflichtungen der Parteien auswirkt. Andernfalls würden die Gerichte als Gutachter für Fragen herangezogen werden, die die Parteien lediglich interessieren, deren Beantwortung aber ohne weitere rechtliche oder tatsächliche Folgen bleiben. Die Erstellung eines Rechtsgutachtens ist den Gerichten verwehrt (etwa BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 63/04 - Rn. 19 mwN, AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 61; 20. Mai 2008 - 1 ABR 19/07 - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 81 Nr. 4 = EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 19).

22

b) Dem Kläger steht das erforderliche Rechtsschutzinteresse nicht zur Seite. Der Streit der Parteien betrifft im Kern eine Leistungspflicht des Arbeitgebers, die sich aus einer bestimmten, vom Kläger zu leistenden Wochenarbeitszeit ergeben soll. Das entsprechende Leistungsinteresse des Klägers hat dieser mit den Anträgen auf Feststellung der wöchentlichen Arbeitszeit im Streitzeitraum, mit dem Leistungsantrag auf Führung des Arbeitszeitkontos des Klägers nach näheren Maßgaben und mit dem Antrag auf Verurteilung zur Gutschrift einer bestimmten Anzahl von Arbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers geltend gemacht. Ein darüber hinausgehendes Interesse des Klägers an der Feststellung der Geltung von Tarifverträgen, die teilweise gänzlich andere Regelungsgegenstände betreffen, wie den Urlaub, betriebliche Sonderzahlungen, Altersteilzeit usw., ist nicht erkennbar.

23

Soweit bei den im Antrag zu 1) genannten Tarifverträgen ein Bezug zur Bestimmung der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers in Betracht kommt, wie etwa beim MTV 2005 oder beim MTV-ERA, handelt es sich dabei lediglich um die Rechtsgrundlage für die mögliche Begründetheit des Feststellungsantrages zu 2). Die Zulässigkeit des Antrages zu 1) ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO. Ein insoweit erforderliches Interesse an der Feststellung, dass diese Tarifverträge für das Arbeitsverhältnis gelten, wäre nur gegeben, wenn durch sie noch weitere Streitigkeiten zwischen den Parteien durch eine in Rechtskraft erwachsende Feststellung geklärt oder vermieden werden könnten. Hierfür hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen, wozu es gerade im Hinblick auf die Tatsachen, dass sich das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 4. März 2009 unstreitig nach dem Haustarifvertrag der Beklagten richtet, besonderen Anlass gegeben hätte.

24

2. Der Feststellungsantrag zu 2) ist als Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.

25

a) Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann der Kläger zugleich mit der Hauptklage - hier dem Klageantrag zu 1) - auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, dh. vorgreiflichen Rechtsverhältnisses klagen (BAG 24. April 1996 - 4 AZR 876/94 - zu I der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Waldarbeiter Nr. 1). Damit wird ein Element aus der Gesamtentscheidung verselbständigt und mit eigener Rechtskraft versehen. Grund hierfür ist die Eignung dieses Elements, über den konkreten Einzelfall hinaus, der mit der Hauptklage entschieden wird, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten herzustellen. Eine Zwischenfeststellungsklage bedingt daher, dass die Frage nach dem Bestehen des entsprechenden Rechtsverhältnisses notwendig auch bei der Entscheidung über den Hauptantrag beantwortet werden muss, aber darüber hinaus auch für andere denkbare Folgestreitigkeiten Bedeutung haben kann. Diese Vorgreiflichkeit ersetzt die ansonsten notwendige Voraussetzung eines Feststellungsinteresses (BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 20, BAGE 124, 240).

26

b) Dies ist vorliegend hinsichtlich des Antrages zu 2) der Fall. Die Feststellung der vom Kläger zu leistenden wöchentlichen Arbeitszeit ist zum Einen eine Vorfrage, die jedenfalls bei der Entscheidung über den Leistungsantrag zu 4) beantwortet werden muss. Zugleich reicht sie über das dort erfasste Rechtsschutzziel des Klägers hinaus. Denn der in der Leistungsklage gemäß Antrag zu 4) geltend gemachte Anspruch ist auf den Zeitraum bis zum 6. September 2007 begrenzt.

27

3. Die Anträge zu 3) und 4) sind als Leistungsklagen ohne weiteres zulässig. Der Antrag zu 4) ist aufgrund der Klarstellung des Klägers in der Revisionsverhandlung, er werde mit der Maßgabe gestellt, dass die Gutschrift in der Spalte „FLEX“ erfolgen solle, auch hinreichend bestimmt (vgl. BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3).

28

4. Der Hilfsantrag zum Antrag zu 4) ist eine in der Revisionsinstanz nicht statthafte Klageänderung und daher unzulässig.

29

a) Eine Klageerweiterung ist in der Revision grundsätzlich nicht zulässig. Hiervon kann lediglich dann eine Ausnahme gemacht werden, wenn es sich um eine Klageänderung iSv. § 264 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO handelt und der geänderte Antrag auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt gestützt wird(BAG 10. Februar 2004 - 9 AZR 89/03 -; 9. November 2005 - 5 AZR 105/05 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 196 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 132; GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2011 § 73 Rn. 99 f.; HWK/Bepler 4. Aufl. § 74 ArbGG Rn. 19; deutlich höhere Anforderungen dagegen bei GMP/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 74 Rn. 44 ff.).

30

b) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar beruht die Vergütungsverpflichtung der Beklagten hinsichtlich der Mehrarbeitsstunden im Fall der Führung eines Arbeitszeitkontos auf weitgehend denselben Voraussetzungen wie die vom Kläger begehrte Gutschriftverpflichtung. Von der im Hauptantrag begehrten Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto zur im Hilfsantrag begehrten Zahlungsverpflichtung bedarf es aber noch der Umrechnung von nicht vergüteten Arbeitsstunden in eine zu zahlende Vergütung. Insoweit ist der vom Kläger genannte und seiner Berechnung zugrunde gelegte Bruttostundenlohn von 12,54 Euro vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden. Soweit das Arbeitsgericht diesen Betrag seiner Streitwertberechnung in der Kostenentscheidung zugrunde gelegt hat, hat die Revision zu Recht darauf hingewiesen, dass sich der vom Kläger bezeichnete Stundenlohn allein auf den Monat Juli 2007 und nicht auf den gesamten Streitzeitraum von Juli 2006 bis September 2007 bezieht.

31

II. Die insoweit zulässige Klage ist lediglich hinsichtlich des Antrages zu 2) begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

32

1. Der Antrag zu 2) ist begründet.

33

Aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit an den MTV 2005 und der nach dem Ende des MTV 2005 ab dem 1. März 2008 eingetretenen Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG belief sich im Arbeitsverhältnis der Parteien die regelmäßige Wochenarbeitszeit vom 1. Juli 2006 bis zum 3. März 2009 auf 35 Wochenstunden. Hieran hat sich weder durch den Abschluss von Tarifverträgen zum ERA-TV noch durch die vorhergegangene Änderung des Arbeitsvertrages vom 25. Juli 2005 etwas geändert.

34

a) Die Beklagte war kraft Nachbindung gem. § 3 Abs. 3 TVG bis zum 29. Februar 2008 an den MTV 2005 gebunden.

35

aa) § 3 Abs. 3 TVG bestimmt die Rechtsfolgen beim Wegfall der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG. Die unmittelbare und zwingende Rechtswirkung eines Tarifvertrages, die gem. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG aus der Mitgliedschaft in einer tarifschließenden Koalition folgt, soll nicht durch eine einseitige Maßnahme wie den Verbandsaustritt beseitigt werden können(st. Rspr., vgl. nur BAG 15. Oktober 1986 - 4 AZR 289/85 - BAGE 53, 179). Danach gilt der Tarifvertrag so lange weiter, bis er endet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht dabei dem Ende jede Änderung des Tarifvertrages gleich. Als eine solche Änderung ist jede Änderung der durch den nachbindenden Tarifvertrag geschaffenen materiellen Rechtslage anzusehen (1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 51 f., BAGE 131, 176). Soweit die Beklagte unter Berufung auf die negative Koalitionsfreiheit ein früheres, rein zeitlich bestimmtes Ende des Tarifvertrages geltend macht, hat sich der Senat mit dieser Auffassung in seiner Entscheidung vom 1. Juli 2009 ausführlich auseinandergesetzt (- 4 AZR 261/08 - Rn. 34 bis 49, aaO). Hieran hält der Senat fest. Auf die dortigen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

36

bb) Unter Anlegung dieser Maßstäbe war die Beklagte bis zum 29. Februar 2008 an den MTV 2005 kraft Nachbindung gebunden.

37

(1) Die Tariflage in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden war zum Zeitpunkt des Austritts der Beklagten aus dem tarifschließenden Verband durch das gleichzeitige Bestehen zweier unterschiedlicher Tarifsysteme gekennzeichnet. Die im Jahre 2003 grundsätzlich beschlossene und durch den Abschluss mehrerer Tarifverträge im Folgenden ausgestaltete Einführung eines grundlegend neuen Tarifsystems (ERA) ließ für eine Übergangszeit bis zum 29. Februar 2008 das Nebeneinander des vorherigen Systems mit der Ausgestaltung ua. durch den MTV 2005 und des neuen Systems zu. Die normative Bindung an das eine oder andere System entschied sich entsprechend den jeweiligen Geltungsbereichsbestimmungen danach, ob der jeweilige Betrieb innerhalb dieses Zeitraums das neue System (ERA) eingeführt hatte oder nicht. Die normative Geltung des jeweiligen Tarifvertrages unterlag damit der subjektiven Entscheidung über die Einführung von ERA. Solange diese Entscheidung nicht getroffen war, galten ausschließlich die Tarifverträge des bisherigen Systems, ua. der MTV 2005.

38

(2) Die Beklagte hatte zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens ihres Austritts aus dem Arbeitgeberverband das neue Tarifsystem ERA nicht eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt galten demnach allein die Tarifverträge des bisherigen Systems zwingend und unmittelbar. Die durch diese Tarifverträge, insbesondere durch den MTV 2005, gestaltete materielle Rechtslage war damit Gegenstand der Nachbindung. Erst deren Änderung führte zum Ende der Nachbindung. Vor dem 1. März 2008 trat eine solche Änderung nicht ein.

39

(3) Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass auch die in diesem Zeitraum vereinbarten Änderungen der materiellen Rechtslage im neuen System, die durch Vereinbarungen von mehreren Tarifverträgen zum ERA erfolgten, eine Änderung der materiellen Rechtslage bewirkt hätten, ist dies unzutreffend.

40

(a) Die Nachbindung erfasst diejenigen Tarifnormen, an die der ausgetretene Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Austritts zwingend und unmittelbar gebunden ist. Dies umfasst auch die Geltungsbereichsbestimmung. Tarifverträge mit einem anderen Geltungsbereich, die für den Arbeitgeber zu keinem Zeitpunkt galten, können in die Nachbindung nicht einbezogen werden. Ebenso wenig kann eine Änderung dieser Tarifverträge mit einem anderen Geltungsbereich zu einem Ende des nachbindenden Tarifvertrages iSv. § 3 Abs. 3 TVG führen.

41

(b) Die für die Beklagte im Zeitraum ihrer Verbandsmitgliedschaft bis zum 31. Dezember 2005 bestehende Option zum Wechsel in das ERA-System unterfiel nicht der Nachbindung, da der Wechsel des Tarifsystems bis zum 29. Februar 2008 nicht vom bloßen Zeitablauf abhing. Die Beklagte hätte als Nichtmitglied des tarifschließenden Verbandes aufgrund einer eigenen gewillkürten Entscheidung die normative Bindung an ein vom Arbeitgeberverband vorher vereinbartes Tarifwerk nicht mehr herstellen können.

42

(4) Eine Änderung des bisherigen Tarifsystems, insbesondere des MTV 2005, im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 29. Februar 2008, hat die Beklagte nicht dargelegt. Sie ist auch sonst nicht ersichtlich. Erst mit dem Ablauf der Übergangszeit der fakultativen Einführung von ERA in den tarifgebundenen Betrieben am 29. Februar 2008 endete der MTV 2005, da auch die dem bisherigen System bis dahin angehörigen Betriebe zu diesem Zeitpunkt zwingend unter den tariflichen Geltungsbereich der ERA-Tarifverträge fielen. Eine Nachbindung der Beklagten an die ab dem 1. März 2008 für die Verbandsangehörigen gem. § 3 Abs. 1 TVG geltenden ERA-Tarifverträge ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die zum Zeitpunkt des Verbandsaustritts am 31. Dezember 2005 geltenden ERA-Tarifverträge im nachfolgenden Zeitraum mehrfach geändert worden sind, ua. bereits zum 1. Februar 2006 durch den Ergänzungstarifvertrag zum ETV-ERA vom 10. März 2006. Damit war die am 1. März 2008 für die Verbandsmitglieder tariflich gestaltete normative Rechtslage von der früheren Mitgliedschaft der Beklagten im AGV Südwestmetall nicht mehr legitimiert.

43

b) Auch der Kläger war im Streitzeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 29. Februar 2008 an den MTV 2005 gebunden, weil er in dieser Zeit Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft IG Metall war (§ 3 Abs. 1 TVG). Dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Gewerkschaftseintritts des Klägers an den MTV 2005 nicht kraft Mitgliedschaft im tarifschließenden Verband nach § 3 Abs. 1 TVG, sondern kraft Nachbindung gem. § 3 Abs. 3 TVG gebunden war, ändert nichts an der zwingenden und unmittelbaren Wirkung der Tarifnormen auf das Arbeitsverhältnis. § 4 Abs. 1 TVG macht keinen Unterschied in der Art der Bindung an den Tarifvertrag, die zur unmittelbaren und zwingenden Wirkung der Tarifnormen führt(BAG 4. August 1993 - 4 AZR 499/92 - BAGE 74, 41; Däubler/Lorenz TVG 2. Aufl. § 3 Rn. 84; ErfK/Franzen 11. Aufl. § 3 TVG Rn. 23; Kempen/Zachert/Kempen TVG 4. Aufl. § 3 Rn. 42; Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 3 Rn. 67).

44

c) Mit der Beendigung des MTV 2005 am 29. Februar 2008 iSd. § 3 Abs. 3 TVG endete auch die beiderseitige Tarifgebundenheit der Parteien. Die Rechtsnormen des MTV 2005 galten ab dem 1. März 2008 nicht mehr zwingend. Die sich anschließende Nachwirkung endete mit dem Inkrafttreten des Haustarifvertrages am 4. März 2009. Erst dieser stellt eine andere Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 TVG dar.

45

aa) Bei einem Verbandsaustritt schließt sich die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG an das Ende der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 3 TVG an(st. Rspr., vgl. BAG 23. Februar 2005 - 4 AZR 186/04 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 42 = EzA TVG § 3 Verbandsaustritt Nr. 2; 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 56, BAGE 131, 176; Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 3 Rn. 101; ErfK/Franzen aaO Rn. 28; wohl auch Wiedemann/Oetker aaO Rn. 106). Die Nachwirkung dauert so lange, bis die nachwirkenden Tarifnormen durch eine „andere Abmachung“ ersetzt werden.

46

bb) Als eine solche „andere Abmachung“ ist der ab dem 4. März 2009 geltende Haustarifvertrag zwischen der Beklagten und der IG Metall anzusehen. Hiervon gehen auch die Parteien aus.

47

cc) Soweit die Beklagte sich darauf beruft, bereits der am 25. Juli 2005 geschlossene Arbeitsvertrag beinhalte eine solche „andere Abmachung“, ist dies unzutreffend.

48

Zwar ist es grundsätzlich möglich, dass eine derartige Abmachung schon vor dem Eintritt der Nachwirkung vereinbart wird. Maßgeblich ist aber, dass eine Vereinbarung die bevorstehende Nachwirkung eines beendeten Tarifvertrages beseitigen oder deren Eintritt verhindern will (BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 64, BAGE 131, 176; 22. Oktober 2008 - 4 AZR 789/07 - Rn. 29 f., BAGE 128, 175). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses am 25. Juli 2005 galt im Arbeitsverhältnis der Parteien kein Tarifvertrag normativ. Der ab 1. Juli 2006 kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit geltende MTV 2005 wirkte zudem erst seit dem 1. März 2008 nach.

49

2. Der Antrag zu 3) zur Verpflichtung der Beklagten das Arbeitszeitkonto des Klägers auf der Grundlage einer 35-Stunden-Woche zu führen, ist nicht begründet. Eine Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich.

50

Als eine solche kommt allenfalls die Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2005 in Betracht. Diese sieht jedoch ausdrücklich die Führung eines Arbeitszeitkontos für eine Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden vor, nicht dagegen die Führung eines Arbeitszeitkontos für die jeweils verbindliche - sei es vertraglich oder tariflich begründete - Wochenarbeitszeit jedes einzelnen Arbeitnehmers. Daher kann die Zahl „40“ in der Betriebsvereinbarung nicht - unter Weitergeltung der Regelung im Übrigen - für den Kläger einfach in die Zahl „35“ geändert werden. Für eine Arbeitszeit von 35 Wochenstunden gibt es keine Betriebsvereinbarung über die Führung eines Arbeitszeitkontos (vgl. BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 12 f., EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3).

51

3. Der Antrag zu 4) ist gleichfalls unbegründet. Hinsichtlich der begehrten Verurteilung zur Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers besteht keine Anspruchsgrundlage. Eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten folgt nicht aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 25. Juli 2005.

52

a) Nach Nr. 4.3 des Arbeitsvertrages führt nur die über die vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus geleistete Arbeit zum Aufbau eines Zeitguthabens. Vereinbart haben die Parteien eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden, Nr. 4.1 des Arbeitsvertrages. Auch wenn diese Vereinbarung im Hinblick auf eine zu Gunsten des Klägers abweichende Arbeitszeitregelung in einem Tarifvertrag wegen beiderseitiger Tarifgebundenheit ( § 3 Abs. 1 und Abs. 3 TVG ) nach § 4 Abs. 3 TVG keine Wirkung entfaltet, lässt sich aus Nr. 4.3 des Arbeitsvertrages nicht herleiten, dass eine dadurch entstehende Differenz zwischen vertraglicher und tariflicher Wochenarbeitszeit als Mehrarbeit auf dem Arbeitszeitkonto zu verbuchen ist.

53

b) Auch unmittelbar aus § 611 Abs. 1 BGB ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto.

54

aa) Nach § 611 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos haben, wenn dieses nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt. Denn ein Arbeitszeitkonto gibt den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und drückt damit nur in anderer Form seinen Vergütungsanspruch aus ( BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09  - Rn. 13, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 195 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 2). Die Gutschrift von Arbeitsstunden setzt damit voraus, dass die gutzuschreibenden Stunden nicht vergütet wurden oder die dafür geleistete Vergütung vom Arbeitgeber wegen eines Entgeltfortzahlungstatbestands auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung hätte erbracht werden müssen.

55

bb) Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger jedoch nicht vor. Er hat entsprechend Nr. 3.1 und Nr. 4.1 des Arbeitsvertrages vom 25. Juli 2005 im Streitzeitraum Vergütung für 40 Arbeitsstunden wöchentlich erhalten. Hierin sind aber die Stunden, die laut Klageantrag auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers in der Spalte „FLEX“ als Mehrarbeit verbucht werden sollen, enthalten und von der Beklagten damit auch laufend vergütet worden. Ob die dafür geleistete Vergütung den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen der Beklagten entsprach, oder ob sie - etwa wegen der zwingend vorgehenden, geringeren tariflichen Arbeitszeit - zu niedrig vergütet worden sind, ist im Hinblick auf das Arbeitszeitkonto nicht von Bedeutung. Eine zu geringe Vergütung von geleisteten Arbeitsstunden begründet keinen Anspruch, diese Stunden auf einem Arbeitszeitkonto als Mehrarbeit zu verbuchen, sondern lediglich auf die Zahlung der Vergütungsdifferenz (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 17, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3).

56

cc) Da es bereits an einer Anspruchsgrundlage für die begehrte Zeitgutschrift fehlt, kommt es auf einen etwaigen Verfall solcher Ansprüche aufgrund tariflicher Ausschlussfristen nicht an. Den Bedenken gegen die rechtliche Bewertung von Nr. 13.6 des zu diesem Zeitpunkt insoweit rechtlich unbedenklichen Arbeitsvertrages vom 25. Juli 2005 durch das Landesarbeitsgericht war danach nicht nachzugehen.

57

C. Die Kosten sind entsprechend dem Obsiegen und Unterliegen der Parteien zu verteilen (§ 92 Abs. 1 ZPO).

        

    Bepler    

        

    Treber    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    H. Klotz    

        

    Th. Hess    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 27. Februar 2014 - 7 Sa 57/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Einstellung von Stunden in das Überstundenkonto des Klägers.

2

Der Kläger ist seit dem 16. Dezember 1996 bei der Beklagten, einem dem Lufthansa-Konzern angehörenden Dienstleistungsunternehmen, beschäftigt. Er ist seit 2006 Mitglied des Betriebsrats. Seit dem 17. Mai 2010 ist er nach § 38 BetrVG vollständig von der Arbeitsleistung freigestellt.

3

Nach § 5 Abs. 1 des kraft vertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Manteltarifvertrags Nr. 14 für das Bodenpersonal in der Fassung vom 1. Januar 2007 (MTV) beträgt die durchschnittliche Gesamtarbeitszeit während eines Bezugszeitraums von 18 Monaten 37,5 Stunden/Woche. Nach § 5 Abs. 2 MTV kann durch Betriebsvereinbarung geregelt werden, dass am Ende des Bezugszeitraums nicht ausgeglichene Stunden in den folgenden Bezugszeitraum übertragen werden können.

4

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2007 schlossen die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat die „Rahmenbetriebsvereinbarung Flexible Arbeitszeit für das Bodenpersonal der Lufthansa Technik AG in Deutschland“ (RBV). Darin heißt es auszugsweise:

        

Präambel

        

Geschäftsleitung und Gesamtbetriebsrat stimmen darin überein, dass die flexible und effiziente Nutzung der Arbeitszeit entsprechend dem tatsächlichen betrieblichen Kapazitätsbedarf und den Anforderungen seitens des Kunden eine herausragende Bedeutung für die notwendige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Lufthansa Technik und für die zukünftige Sicherung von Beschäftigung hat. …

        

…       

        

§ 1     

Geltungsbereich

        

Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter der Lufthansa Technik AG in der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie unter den Geltungsbereich der anwendbaren Tarifverträge insbesondere des Manteltarifvertrages für das Bodenpersonal (MTV) bzw. des Manteltarifvertrages Neue Bundesländer (MTV NBL) in ihrer jeweils gültigen Fassung fallen.

        

§ 2     

Bezugszeitraum

        

(1)     

Für alle Mitarbeiter gilt - dem Gedanken der ‚Jahresarbeitszeit‘ folgend - grundsätzlich ein erweiterter Bezugszeitraum von 18 Monaten (nach MTV bzw. MTV NBL § 5). Dieser Bezugszeitraum beginnt erstmals mit dem 1. Januar 2007 und endet am 30. Juni 2008, der daran anschließende Bezugszeitraum erstreckt sich vom 1. Juli 2008 bis zum 31.12.2009 und so fort.

        

…       

        
        

§ 3     

Zeiterfassung

        

(1)     

Jeder Mitarbeiter dokumentiert persönlich an dem für ihn vorgesehenen Zeiterfassungsgerät Beginn und Ende seiner Arbeitszeit.

        

(2)     

Die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit des Mitarbeiters wird durch eine Kommt-/Geht Stempelung über das Zeiterfassungssystem erfasst, der täglichen Sollarbeitszeit gegenübergestellt und den jeweils zutreffenden Zeitkonten des Mitarbeiters zugeschrieben bzw. abgezogen.

        

…       

        
        

§ 4     

Flexikonto und Zeitausgleich

        

(1)     

Jeder Mitarbeiter hat ein persönliches Zeitkonto in welchem nur die Plus- und Minuszeiten geführt werden, die aus dem flexiblen Arbeitszeitverhalten auf Basis dieser Betriebsvereinbarung entstehen (Flexikonto). Reisezeiten, Rufbereitschaftszeiten, Überstunden etc. werden auf den dafür eingerichteten weiteren Zeitkonten erfasst (siehe § 6).

                          
        

(2)     

Der Mitarbeiter kann - orientiert an der betrieblichen Einlastungssituation - im Einvernehmen mit seinem betrieblich Verantwortlichen unter Nutzung seines Flexikontos stundenweise, ganz- oder mehrtägig die Arbeit nicht aufnehmen oder die Verlegung der gesamten Arbeitszeit eines oder mehrerer Tage in Anspruch nehmen.

        

…       

        
        

§ 6     

Weitere Zeitkonten

        

(1)     

Für Zeitguthaben aus Überarbeit, Feiertags-/Vorfeiertagsarbeit sowie wg. schichtfreien Wochenfeiertagen (SWF), Rufbereitschaft und Reisezeit soll grundsätzlich und soweit betrieblich möglich während des Bezugszeitraumes, in dem diese Zeitguthaben entstanden sind, ein Freizeitausgleich gewährt werden.

        

…       

        
        

(3)     

Zusätzlich zu den Zeitkonten gem. Abs. (1-2) wird ein Differenzstundenkonto geführt, das insbesondere als Ausgleichskonto für das Verfahren nach § 7 genutzt wird. …

        

…       

        
        

§ 7     

Verfahren am Ende des Bezugszeitraumes

        

(1)     

Das Flexikonto kann am Ende des Bezugszeitraumes einen Saldo von bis zu +75 Stunden bzw. bis zu -75 Stunden aufweisen.

        

(2)     

Am Ende des Bezugszeitraumes erfolgt die Saldierung von Zeitguthaben der weiteren Zeitkonten (§ 6) gegen einen ggf. auf dem Flexikonto vorhandenen Minussaldo sowie nachrangig gegen einen ggf. auf dem Differenzstundenkonto bestehenden Minussaldo in folgender Reihenfolge: ...

        

(3)     

Am Ende des Bezugszeitraumes bestehende Plusstunden des Flexikontos oberhalb von +75 Stunden sind Überarbeit; sie werden faktoriert als Arbeitszeit dem Überstundenkonto gutgeschrieben und in den folgenden Bezugszeitraum vorgetragen. Zeitsalden zwischen 0 und +75 Stunden werden auf das Differenzstundenkonto übertragen.

        

…       

        
        

§ 8     

Flexible Arbeitszeit für Mitarbeiter ohne Dienst-/Schichtpläne

        

(1)     

Jeder Mitarbeiter kann grundsätzlich den Beginn und das Ende seiner täglichen Arbeitszeit innerhalb der Spanne von 06:00 bis 20:00 Uhr im Rahmen der betrieblichen Erfordernisse und seiner persönlichen Belange selbst bestimmen.

        

…“    

        
5

Für die Höhe der „Faktorierung“ verweist § 7 Abs. 3 RBV mit einer Fußnote auf den in § 9 Abs. 2a MTV im ersten Satz genannten Wert. Dieser beträgt 1,25.

6

Die Beklagte behandelte das Arbeitszeitkonto des Klägers vor seiner Freistellung im Bezugszeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2009 nach § 7 Abs. 3 RBV. Im anschließenden Bezugszeitraum wurden im Rahmen der elektronischen Zeiterfassung des Klägers in der Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum Beginn seiner Freistellung am 17. Mai 2010 53,76 Plusstunden aufgezeichnet. Zum Ende dieses Bezugszeitraums am 30. Juni 2011 buchte die Beklagte den gesamten Bestand des Flexikontos des Klägers von +296,54 Stunden in Blöcken von +75 Stunden und +221,54 Stunden dessen Differenzstundenkonto zu. Eine „Faktorierung“ der 221,54 Plusstunden und deren Buchung auf das Überstundenkonto erfolgte nicht.

7

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte sei verpflichtet, sein auf dem Flexikonto bestehendes Guthaben von mehr als 75 Stunden am 30. Juni 2011 mit 1,25 zu „faktorieren“ und die so errechneten Stunden dem Überstundenkonto gutzuschreiben. Die RBV sei auch auf Betriebsratsmitglieder anzuwenden. Da er stets innerhalb des Gleitzeitrahmens von 6:00 Uhr bis 20:00 Uhr anwesend gewesen sei, habe er in der Zeit seiner Freistellung Betriebsratstätigkeit innerhalb der Arbeitszeit durchgeführt. Es sei keine „Betriebsratsmehrarbeit“ iSv. § 37 Abs. 3 BetrVG angefallen. Er sei nicht wesentlich freier im Aufbau von Plusstunden als andere Mitarbeiter der Beklagten. Da die RBV weder Kontrollinstrumente oder Gegenmaßnahmen des Arbeitgebers vorsehe noch die Mitarbeiter zum Abbau von Plusstunden verpflichte, diene ihre Anwendung auf ihn als freigestelltes Betriebsratsmitglied der Gleichbehandlung und nicht seiner Begünstigung. Das Verlangen der Beklagten nach einer Dokumentation der von ihm geleisteten Betriebsratstätigkeit sei treuwidrig. Er habe aufgrund des Verhaltens der Beklagten keinen Anlass gehabt, die von ihm geleistete Betriebsratsarbeit zu dokumentieren.

8

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, auf dem für ihn geführten Mehrarbeitszeitkonto (MAZ-Konto) zum Stichtag 30. Juni 2011 276,93 Stunden einzustellen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Anspruch könne nicht auf § 7 Abs. 3 RBV gestützt werden. Seit der vollständigen Freistellung des Klägers finde diese Regelung auf ihn keine Anwendung, da die Betriebsratstätigkeit nicht mit der beruflichen Tätigkeit gleichzusetzen sei. Da der Kläger die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG nicht vorgetragen habe, bestehe der geltend gemachte Anspruch nicht. Es sei nicht dargelegt, dass der Kläger Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb seiner Arbeitszeit habe durchführen müssen. Die Vergütung der aufgewendeten Zeit „wie Mehrarbeit“ erfordere gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG zudem eine auf betriebsbedingten Gründen beruhende Unmöglichkeit der Gewährung von Arbeitsbefreiung. Dem Kläger sei es möglich gewesen, die auf dem Flexikonto aufgelaufenen Plusstunden innerhalb des Bezugszeitraums auszugleichen. Nur wenn aus betrieblichen Gründen ein Ausgleich nicht möglich sei, habe ab der Grenze von +75 Stunden eine „Faktorierung“ mit dem Faktor 1,25 zu erfolgen. Bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern liege die Verantwortung für den Abbau von Plusstunden bei diesen selbst, da die Arbeitszeit nicht durch einen Vorgesetzten gesteuert werde. Für die Zeit ab dem 1. Dezember 2009 hätten sich die Betriebsparteien auf die gemeinsame Rechtsauffassung verständigt, dass von Betriebsratsmitgliedern für Betriebsratstätigkeiten erfasste Zeiten, die über ihre jeweilige Arbeitszeit hinausgehen, nicht gemäß § 7 Abs. 3 RBV zu „faktorieren“ seien. Der Kläger würde aufgrund seines Amtes unzulässig begünstigt, wenn er nach freiem Belieben Plusstunden aufbauen könnte, obwohl hierfür keine gesetzliche Grundlage bestehe.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 259,55 Stunden stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten insgesamt abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

12

I. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Revision zulässig. Die Revisionsbegründung genügt den gesetzlichen Anforderungen. Sie setzt sich mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung hinreichend auseinander.

13

1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO). Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts in einer Weise verdeutlichen, die Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennen lässt. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Revisionsführer muss darlegen, warum er die Begründung des Berufungsgerichts für unrichtig hält (vgl. etwa BAG 28. September 2016 - 7 AZR 377/14 - Rn. 11; 9. Dezember 2014 - 1 AZR 146/13 - Rn. 15). Hierzu genügt weder die bloße Wiedergabe des bisherigen Vorbringens (BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 482/12 - Rn. 20) noch eine bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils (BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 346/10 - Rn. 10).

14

2. Diesen Erfordernissen wird die Revisionsbegründung gerecht.

15

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein Anspruch auf die begehrte Gutschrift nach § 7 Abs. 3 RBV könne sich nur unter Berücksichtigung der Vorgaben von § 37 Abs. 3 BetrVG ergeben. Es müssten zunächst die Voraussetzungen dieser zwingenden Vorschrift vorliegen. Das sei nicht der Fall. Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich nicht bei jeglicher Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben innerhalb des Gleitzeitrahmens um Betriebsratstätigkeit innerhalb der Arbeitszeit. Ergebe sich am Ende des Bezugszeitraums ein Stundenguthaben, stehe vielmehr fest, dass der Kläger seine individuelle Arbeitszeit überschritten habe. Der Kläger habe weder vorgetragen, dass die Plusstunden für erforderliche Betriebsratstätigkeit aufgewendet wurden und außerhalb seiner Arbeitszeit aus betriebsbedingten Gründen angefallen seien, noch habe er dargetan, dass ein Abbau dieser Plusstunden bis zum Ende des Bezugszeitraums aus betrieblichen Gründen nicht möglich war. Dadurch werde der Kläger nicht unzulässig benachteiligt. Das Verlangen der Beklagten, die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG darzulegen, sei nicht treuwidrig.

16

b) Dagegen wendet sich der Kläger in seiner Revisionsbegründung im Wesentlichen mit dem Argument, das Landesarbeitsgericht habe die nach der Rechtsprechung und gemäß § 78 Satz 2, § 37 Abs. 3 BetrVG vorgegebene Prüfungsreihenfolge verkannt. Er rügt, die Beurteilung, ob er überhaupt Betriebsratstätigkeit außerhalb seiner Arbeitszeit iSv. § 37 Abs. 3 BetrVG erbracht habe, sei nicht nur nach seiner individuell geschuldeten Arbeitszeit, sondern wegen § 78 Satz 2 BetrVG nach der für alle Arbeitnehmer geltenden RBV vorzunehmen. Er sei deshalb nicht verpflichtet, unabhängig von den Regelungen der RBV die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG darzulegen. Arbeitszeit, die er im Einklang mit den Vorgaben der RBV im Gleitzeitrahmen erfasst habe, liege nicht außerhalb der „Arbeitszeit“ iSv. § 37 Abs. 3 BetrVG. Träfe diese Rüge zu, wäre sie geeignet, die angefochtene Entscheidung insgesamt in Frage zu stellen.

17

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den in der Berufung noch anhängigen Antrag des Klägers, die Beklagte zur Einstellung von 259,55 Stunden auf das Mehrarbeitszeitkonto zu verurteilen, zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.

18

1. Die Klage ist zulässig.

19

a) Der Klageantrag ist angesichts dessen, dass die Beklagte das am 30. Juni 2011 bestehende Zeitguthaben des Klägers von mehr als 75 Plusstunden (221,54 Stunden) ohne „Faktorierung“ nach § 7 Abs. 3 RBV auf das Differenzstundenkonto gebucht hat und der Kläger die Zeitgutschrift - wie er in der Verhandlung gegenüber dem Senat bestätigt hat - nicht doppelt begehrt, dahin auszulegen, dass er die geltend gemachte Gutschrift auf dem Mehrarbeitszeitkonto unter Umbuchung der in das Differenzstundenkonto eingestellten Stunden verlangt. Hierbei handelt es sich - nach Abzug der vom Arbeitsgericht rechtskräftig abgewiesenen 13,9 Stunden - um 207,64 Stunden.

20

b) Der so verstandene Antrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

21

aa) Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“ bzw. in ein Arbeitszeitkonto Stunden „einzustellen“, ist hinreichend bestimmt, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können und das Leistungsbegehren konkretisiert, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll (vgl. BAG 29. Juni 2016 - 5 AZR 617/15 - Rn. 14 mwN).

22

bb) Die Beklagte führt für den Kläger das Überstunden- bzw. Mehrarbeitszeitkonto, auf dem die begehrte Gutschrift noch erfolgen kann. Im Antrag kommt auch zum Ausdruck, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll, nämlich zum Stichtag 30. Juni 2011.

23

2. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, auf dem für den Kläger geführten Mehrarbeitszeitkonto zum Stichtag 30. Juni 2011 unter Umbuchung von 207,64 auf dem Differenzstundenkonto befindlichen Stunden 259,55 Stunden einzustellen.

24

a) Der Kläger kann sein Verlangen nicht auf § 7 Abs. 3 RBV stützen.

25

aa) Die RBV findet nach ihrem § 1 zwar grundsätzlich auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung. Danach gilt die RBV für alle Mitarbeiter der Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie unter den Geltungsbereich der anwendbaren Tarifverträge, insbesondere des Manteltarifvertrags für das Bodenpersonal, fallen. Das ist nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien beim Kläger der Fall.

26

bb) Das in § 7 Abs. 3 RBV geregelte Verfahren zur Gutschrift und „Faktorierung“ von auf dem Flexikonto zum Ende des Bezugszeitraums aufgelaufenen Plusstunden ist jedoch auf erfasste Zeitguthaben freigestellter Betriebsratsmitglieder nicht anwendbar. Das in § 7 Abs. 3 RBV geregelte Verfahren setzt ein Zeitguthaben voraus, dem die Erbringung von vergütungspflichtiger Arbeit zugrunde liegt. Freigestellte Betriebsratsmitglieder leisten keine vergütungspflichtige Arbeit, sondern üben ehrenamtliche Tätigkeit aus.

27

(1) § 7 Abs. 3 RBV sieht vor, dass „am Ende des Bezugszeitraums bestehende Plusstunden des Flexikontos oberhalb von +75 Stunden … Überarbeit“ sind und mit dem Faktor 1,25 faktoriert „als Arbeitszeit“ dem Überstundenkonto gutgeschrieben und in den folgenden Bezugszeitraum vorgetragen werden. Die Vorschrift regelt daher das Verfahren für Zeitguthaben, die sich aus der Erbringung vergütungspflichtiger Arbeit ergeben. Für dieses Verständnis spricht auch, dass die RBV in ihrer Präambel und an anderer Stelle mehrfach den Begriff der „Arbeit“ bzw. „Arbeitszeit“ erwähnt. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 RBV regelt die Dokumentation von Beginn und Ende der „Arbeitszeit“ bzw. der „täglich erbrachten Arbeit“, § 4 Abs. 2 RBV ermöglicht dem Mitarbeiter, unter Nutzung seines Flexikontos „die Arbeit nicht aufzunehmen“ oder die „Verlegung der gesamten Arbeitszeit“ eines oder mehrerer Tage in Anspruch zu nehmen. § 6 RBV regelt ua. weitere Zeitkonten für Zeitguthaben aus „Überarbeit“ und „Feiertags-/Vorfeiertagsarbeit“.

28

(2) Freigestellte Betriebsratsmitglieder erbringen im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Betriebsratstätigkeit keine vergütungspflichtige Arbeitsleistung. Von diesen erfasste Anwesenheitszeiten betreffen ausschließlich Betriebsratstätigkeit. Anwesenheitszeiten freigestellter Betriebsratsmitglieder, die über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinausgehen, stellen daher weder „Überarbeit“ iSv. § 7 Abs. 3 RBV dar noch können sie „als Arbeitszeit“ gutgeschrieben werden. Deshalb ist das in § 7 Abs. 3 RBV geregelte Verfahren auf erfasste Zeitguthaben freigestellter Betriebsratsmitglieder nicht anzuwenden.

29

(a) Nach § 37 Abs. 1 BetrVG führen die Mitglieder des Betriebsrats ihr Amt als Ehrenamt. Mitglieder des Betriebsrats sind nach § 37 Abs. 2 BetrVG von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Nach § 38 Abs. 1 BetrVG sind im dort genannten Umfang Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen. Die generelle Freistellung von der beruflichen Tätigkeit gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG hat denselben Zweck wie die zeitweilige Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG. Beide Freistellungen sollen ausschließlich die sachgerechte Wahrnehmung der dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben sicherstellen (BAG 10. Juli 2013 - 7 ABR 22/12 - Rn. 19; 19. Mai 1983 - 6 AZR 290/81 - zu 2 der Gründe, BAGE 42, 405).

30

(b) Für die Dauer der Freistellung besteht daher keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung. An die Stelle der Arbeitspflicht tritt die Verpflichtung des Betriebsratsmitglieds, während seiner arbeitsvertraglichen Arbeitszeit im Betrieb am Sitz des Betriebsrats, dem er angehört, anwesend zu sein und sich dort für anfallende Betriebsratsarbeit bereitzuhalten. Das ist die gesetzliche Rechtsfolge der Freistellung (BAG 10. Juli 2013 - 7 ABR 22/12 - Rn. 20 mwN). Soweit ein Betriebsratsmitglied nicht in diesem Sinne im Umfang seiner Arbeitszeit Betriebsratstätigkeit erbringt, kann dies zu Abzügen vom Arbeitsentgelt führen, weil eine Freistellung nicht für Betriebsratstätigkeit genutzt wurde und deshalb der Anspruch auf Arbeitsentgelt ohne berufliche Arbeitsleistung entfällt (vgl. BAG 19. Mai 1983 - 6 AZR 290/81 - BAGE 42, 405). Daher haben auch freigestellte Betriebsratsmitglieder ein Interesse daran, ihre Anwesenheit im Betrieb zu dokumentieren, weshalb der Arbeitgeber verpflichtet ist, auch diesen die Teilnahme an dem in einer Betriebsvereinbarung geregelten Arbeitszeiterfassungssystem zu ermöglichen (BAG 10. Juli 2013 - 7 ABR 22/12 - Rn. 16). Der Anspruch auf Teilnahme an der Zeiterfassung hat jedoch nicht zur Folge, dass die Erbringung von Betriebsratstätigkeit eine vergütungspflichtige Arbeitsleistung darstellt.

31

(3) Ein Verständnis von § 7 Abs. 3 RBV dahingehend, dass das darin geregelte Verfahren auch auf Zeitguthaben anwendbar ist, die sich aus der Erfassung der Anwesenheitszeiten freigestellter Betriebsratsmitglieder ergeben, wäre zudem nicht gesetzeskonform. Damit würden die zwingenden Vorgaben von § 37 Abs. 3 BetrVG umgangen.

32

(a) Nimmt ein freigestelltes Betriebsratsmitglied an der Erfassung seiner Anwesenheitszeit im Rahmen eines Gleitzeitsystems teil, kann es eine etwaige Überschreitung der persönlichen Arbeitszeit dann, wenn die Betriebsratstätigkeit innerhalb des Gleitzeitrahmens erbracht wird, grundsätzlich im Rahmen des vorgegebenen Zeitrahmens ausgleichen, ohne dass es einer besonderen Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs bedarf (Fitting 28. Aufl. § 37 Rn. 92a). Bei einem derartigen regelmäßigen Ausgleich von kurzfristiger Über- und Unterschreitung der persönlichen Arbeitszeit im Rahmen einer solchen der Arbeitszeitflexibilisierung dienenden Vereinbarung steht nämlich zunächst (für den dem Zeitausgleich zur Verfügung stehenden Zeitraum) nicht fest, ob die Betriebsratstätigkeit außerhalb der persönlichen Arbeitszeit iSv. § 37 Abs. 3 BetrVG lag. Ist der Zeitausgleich am Ende eines Ausgleichszeitraums nicht vollständig erfolgt und zu diesem Zeitpunkt ein positiver Stundensaldo aufgelaufen, steht aber fest, dass das Betriebsratsmitglied durch die Erbringung von Betriebsratstätigkeit seine vertraglich geschuldete Arbeitszeit im Bezugszeitraum überschritten hat. Im Fall des vollständig von der Arbeitsleistung freigestellten Betriebsratsmitglieds kann ein dann bestehender positiver Saldo nämlich nur auf Betriebsratstätigkeit basieren. Dann ist die Betriebsratstätigkeit insoweit als „außerhalb der Arbeitszeit“ iSv. § 37 Abs. 3 BetrVG erbracht anzusehen(vgl. Fitting 28. Aufl. § 37 Rn. 92a).

33

(b) Der Ausgleich für außerhalb der Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit ist in § 37 Abs. 3 BetrVG geregelt. Diese Vorschrift ist als wesentlicher Teil des gesetzlich geregelten Ehrenamtsprinzips und der Konzeption der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern in § 37 BetrVG zwingend und kann weder durch Tarifvertrag noch durch Betriebsvereinbarung abgeändert werden, Regelungen zur Durchführung der Vorschrift müssen sich in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des § 37 BetrVG halten(vgl. zu § 37 Abs. 2 BetrVG BAG 13. Juli 1994 - 7 AZR 477/93 - zu 2 der Gründe, BAGE 77, 195; Fitting 28. Aufl. § 37 Rn. 4; ErfK/Koch 16. Aufl. § 37 BetrVG Rn. 1; Weber GK-BetrVG 10. Aufl. § 37 Rn. 8, 77). § 37 Abs. 3 BetrVG sieht einen Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts als Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, nur dann vor, wenn die Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit erbracht wurde. Eine Vergütung der außerhalb der Arbeitszeit aufgewendeten Zeit wie Mehrarbeit setzt zudem nach § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG voraus, dass Arbeitsbefreiung aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich war.

34

(c) Diese Beschränkungen enthält § 7 Abs. 3 RBV nicht. Die Anwendung der Regelung auf Zeitguthaben freigestellter Betriebsratsmitglieder hätte vielmehr zur Folge, dass aus der Erbringung von Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit Freizeitausgleichsansprüche und mit der zusätzlichen „Faktorierung“ ggf. auch zusätzliche Vergütungsansprüche resultierten, ohne dass dies an die zwingenden weiteren Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG gebunden wäre.

35

cc) Danach kann der Kläger seinen Anspruch nicht auf § 7 Abs. 3 RBV stützen. Das am Ende des Bezugszeitraums am 30. Juni 2011 auf seinem Flexikonto bestehende Zeitguthaben von mehr als 75 Plusstunden, dessen „Faktorierung“ und Gutschrift der Kläger geltend macht, stammt ausschließlich aus der Erbringung von Betriebsratstätigkeit im Rahmen der Freistellung gemäß § 38 BetrVG, die am 17. Mai 2010 begann. Das vor der Freistellung im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 16. Mai 2010 aufgelaufene Stundenguthaben belief sich auf 53,76 Stunden und kann nach § 7 Abs. 3 RBV den geltend gemachten Anspruch schon deshalb nicht begründen, weil es 75 Plusstunden nicht übersteigt. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass das Stundenguthaben von mehr als 75 Plusstunden aus Betriebsratstätigkeit resultiert, die der Kläger „außerhalb seiner Arbeitszeit“ iSv. § 37 Abs. 3 BetrVG erbracht hat. Die persönliche Arbeitszeit des Klägers beträgt nach § 5 Abs. 1 MTV im Durchschnitt 37,5 Stunden pro Woche. Da das Flexikonto des Klägers am Ende des Bezugszeitraums Plusstunden auswies, steht fest, dass er die geschuldete individuelle Arbeitszeit von durchschnittlich 37,5 Stunden im Bezugszeitraum überschritten hat. Damit liegt diesen Plusstunden Betriebsratstätigkeit zugrunde, die „außerhalb der Arbeitszeit“ erbracht wurde. Dies ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Anwesenheitszeiten des Klägers insgesamt innerhalb des Gleitzeitrahmens von 6:00 Uhr bis 20:00 Uhr lagen. Soweit diese Zeiten seine vertraglich geschuldete Arbeitszeit übersteigen, handelt es sich um Betriebsratstätigkeit „außerhalb der Arbeitszeit“ iSv. § 37 Abs. 3 BetrVG. Der Kläger selbst verlangt gerade die Anerkennung dieser Plusstunden als zu „faktorierende“ „Überarbeit“ und deren Gutschrift auf dem „Überstundenkonto“ iSv. § 7 Abs. 3 RBV.

36

b) Der Kläger kann seinen Anspruch auf die begehrte Gutschrift auf dem Überstundenkonto nicht auf § 37 Abs. 3 BetrVG stützen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger nicht dargelegt hat, dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind.

37

aa) Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Nach § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BetrVG ist die Arbeitsbefreiung vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist nach § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten. Mitglieder des Betriebsrats erhalten danach weder eine Amtsvergütung noch ist die Betriebsratstätigkeit eine zu vergütende Arbeitsleistung. Vielmehr gilt das Lohnausfallprinzip. Dieses wird durch § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht durchbrochen. Der dort geregelte Freizeitausgleich für die außerhalb der Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit betrifft lediglich die Folgen einer aus betriebsbedingten Gründen notwendigen Abweichung von dem Grundsatz, dass Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit stattzufinden hat (BAG 28. Mai 2014 - 7 AZR 404/12 - Rn. 20; 5. Mai 2010 - 7 AZR 728/08 - Rn. 29 mwN, BAGE 134, 233). Es handelt sich im Ergebnis um ein zeitlich verschobenes Arbeitsentgelt für eine sonst in der persönlichen Arbeitszeit anfallende Betriebsratstätigkeit, die nur infolge eines dem Arbeitgeber zuzurechnenden Umstands in die Freizeit verlagert worden ist. Soweit § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG ausnahmsweise eine Vergütung der aufgewendeten Zeit wie Mehrarbeit vorsieht, ist damit weder ein anderes gesetzliches Regelungskonzept noch die Aufgabe des Lohnausfallprinzips verbunden. Der in § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG vorgesehene Vergütungsanspruch ist lediglich eine Kompensation dafür, dass der in § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG vorgesehene, gerade nicht auf eine zusätzliche Vergütung gerichtete Freizeitausgleich aus Gründen, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, zeitnah nicht möglich ist. Ein von dem Grundsatz des unentgeltlichen Ehrenamts abweichender gesetzlicher Regelungsplan, dass Freizeitopfer durch die Zahlung einer angemessenen Vergütung auszugleichen wären, liegt darin nicht (BAG 5. Mai 2010 - 7 AZR 728/08 - Rn. 29, aaO).

38

bb) Das bedeutet im Streitfall, dass der Anspruch des Klägers auf Gutschrift des am Ende des Bezugszeitraums bestehenden Stundenguthabens von mehr als 75 Stunden, der aus außerhalb der Arbeitszeit erbrachter Betriebsratstätigkeit resultiert, neben der Erforderlichkeit der Betriebsratstätigkeit voraussetzt, dass diese aus betriebsbedingten Gründen nicht in der zur Verfügung stehenden individuellen Arbeitszeit erbracht werden konnte. Soweit der Kläger zudem die „Faktorierung“ dieses Stundenguthabens mit dem in § 7 Abs. 3 RBV geregelten Faktor 1,25 begehrt, macht er die vergütungsmäßige Behandlung der aufgewendeten Zeit „wie Mehrarbeit“ iSv. § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG geltend. Bei der Bemessung der Höhe der zu vergütenden Mehrarbeit ist zwar gemäß § 78 Satz 2 BetrVG die Regelung des § 7 Abs. 3 RBV zu berücksichtigen. Allerdings kommt eine solche Vergütung der außerhalb der Arbeitszeit aufgewendeten Zeit für die Erledigung erforderlicher Betriebsratstätigkeit nur in Betracht, soweit die Gewährung eines entsprechenden Freizeitausgleichs aus betriebsbedingten Gründen unmöglich ist.

39

cc) Danach hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG erfüllt sind. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, der Kläger habe weder dargetan, dass die Plusstunden für erforderliche Betriebsratstätigkeit aufgewandt wurden und aus betriebsbedingten Gründen angefallen sind, noch dass ein Abbau des Stundenguthabens bis zum Ende des Bezugszeitraums aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich gewesen ist. Der Kläger, der mit seiner Revision nur geltend macht, die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG müssten für den Erfolg seiner Klage nicht erfüllt sein, hat diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts mit seiner Revision nicht angegriffen.

40

c) Die Beklagte verhält sich nicht treuwidrig iSv. § 242 BGB, indem sie die Gewährung der begehrten Gutschrift von der Darlegung der Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG durch den Kläger abhängig macht.

41

aa) Eine Rechtsausübung kann gemäß § 242 BGB unzulässig sein, wenn sich eine Partei damit in Widerspruch zu ihrem eigenen vorausgegangenen Verhalten setzt und für die andere Partei ein schützenswerter Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn sonstige besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen(BAG 9. Juni 2016 - 6 AZR 396/15 - Rn. 37 mwN).

42

bb) Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger damit rechnen musste, Einzelheiten seiner Betriebsratstätigkeit und deren Erforderlichkeit darlegen zu müssen. Der Kläger hat jedenfalls nicht behauptet, dass die Beklagte ihm in irgendeiner Weise zu erkennen gegeben habe, auf Darlegungen dazu verzichten zu wollen, dass die Betriebsratstätigkeiten aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit geleistet wurden und dass die Inanspruchnahme von Freizeitausgleich aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich war. Die Beklagte fordert nur die Darlegung der gesetzlichen Voraussetzungen für den mit der Klage geltend gemachten Anspruch. Soweit der Kläger sich darauf berufen hat, dass die Beklagte sein Arbeitszeitkonto vor seiner Freistellung im Bezugszeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2009 nach § 7 Abs. 3 RBV behandelt hat, folgt daraus nichts anderes. In diesem Zeitraum war der Kläger nicht freigestellt, weshalb den erfassten Zeiten nicht ausschließlich Betriebsratstätigkeit zugrunde lag. Aufgrund der „Faktorierung“ der in diesem Zeitraum aufgelaufenen Plusstunden konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass die Beklagte auf die Darlegung der Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG auch im Rahmen seiner Freistellung verzichten werde.

43

d) Die Nichtgewährung der begehrten Stundengutschrift verstößt nicht gegen das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG.

44

aa) Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Diese Regelung ergänzt § 37 Abs. 1 BetrVG, wonach die Mitglieder des Betriebsrats ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt führen. Das Ehrenamtsprinzip wahrt die innere und äußere Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder (vgl. BAG 18. Mai 2016 - 7 AZR 401/14 - Rn. 21 mwN). Eine Benachteiligung iSv. § 78 Satz 2 BetrVG ist jede Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht. Eine Benachteiligungsabsicht ist nicht erforderlich. Es genügt die objektive Schlechterstellung gegenüber Nichtbetriebsratsmitgliedern (vgl. BAG 20. Januar 2010 - 7 ABR 68/08 - Rn. 11 mwN).

45

bb) Die Beklagte hat den Kläger nicht unzulässig gegenüber Arbeitnehmern ohne Betriebsratsmandat benachteiligt. Zwar hat sie dem Kläger als freigestelltem Betriebsratsmitglied anders als diesen die begehrte „faktorierte“ Gutschrift auf dem Überstundenkonto nicht gewährt. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch dadurch bedingt, dass dem über 75 Plusstunden hinausgehenden Stundenguthaben des Klägers keine vergütungspflichtige Arbeitsleistung, sondern die Erbringung ehrenamtlicher Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit zugrunde lag. Diese Ungleichbehandlung war durch die zwingenden Vorgaben des § 37 Abs. 3 BetrVG geboten. Ungleichbehandlungen, die von der Rechtsordnung gedeckt sind, untersagt § 78 Satz 2 BetrVG nicht(vgl. Kreutz GK-BetrVG 10. Aufl. § 78 Rn. 48, 60).

46

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Gräfl    

        

    M. Rennpferdt     

        

    Waskow     

        

        

        

    R. Gmoser    

        

    Willms     

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 10. September 2015 - 7 Sa 24/15 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt für den 24. und 31. Dezember 2013 Zeitgutschriften auf seinem Arbeitszeitkonto.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Flugzeugindustrie, seit 1988 als Konstruktionsingenieur im Betrieb Hamburg mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Er ist Mitglied der IG Metall. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Metallindustrie in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern Anwendung (MTV), der ua. regelt:

        

§ 3   

        

Arbeitszeit

        

1.    

Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit

        

1.1     

Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt

                 

a.    

für Hamburg und Umgebung sowie Schleswig-Holstein 35 Stunden

                 

…       

        
        

…       

                 
        

4.    

Verteilung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit

        

4.1     

Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kann gleichmäßig oder ungleichmäßig auf die fünf Werktage Montag bis Freitag durch Betriebsvereinbarung verteilt werden.

        

…       

        
        

5.    

Regelmäßige tägliche Arbeitszeit

                 

Die Arbeitszeit an den einzelnen Werktagen sowie Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen werden gemäß § 87 BetrVG durch Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse unter Beachtung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften festgesetzt.

        

…       

        
        

9.    

Arbeitszeit am 24. und 31. Dezember

                 

Am 24. und am 31. Dezember soll nicht länger als bis 13.00 Uhr und darf nicht länger als sechs Stunden gearbeitet werden.

                 

Die an diesen Tagen über eine geleistete Arbeitszeit von sechs Stunden hinausgehende und dadurch ausfallende individuelle regelmäßige Arbeitszeit muss bezahlt werden. Es erfolgt kein Entgeltabzug.

                 

Für Beschäftigte in Schichtarbeit gilt die gleiche Regelung.“

3

Die Beklagte führt für den Kläger ein Arbeitszeitkonto auf Grundlage der Betriebsvereinbarung „Arbeitszeitregelungen am Standort Hamburg“ vom 31. Mai 2000 (im Folgenden BV Arbeitszeit). Darin heißt es auszugsweise:

        

§ 2 Arbeitszeit

        

2.1     

Die regelmäßige tägliche Sollarbeitszeit beträgt ein Fünftel der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit.

        

2.2     

Eine tägliche Kernarbeitszeit ist nicht festgelegt. Die Verfügbarkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Organisationseinheiten muss jedoch durch entsprechende Absprachen mit dem Vorgesetzten bzw. in der Gruppe gewährleistet sein.

        

2.3     

Beginn und Ende der Arbeitszeit, Pausenzeiten, Normalarbeitszeit sowie Rahmenarbeitszeit werden, sofern unter diesem Paragraphen dieser Betriebsvereinbarung nichts anderes geregelt ist, in den Anlagen (Arbeitszeit- bzw. Sonder-Arbeitszeitmodelle) als Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung festgelegt.

        

2.4     

Zum Ausgleich unterschiedlicher betrieblicher Auslastungen und Anforderungen werden Arbeitszeitmodelle vereinbart. Die einzelnen Modelle sind in den Anlagen A1, … der Betriebsvereinbarung näher beschrieben.

        

2.5     

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit im Rahmen der Arbeitszeitmodelle und der Schichtmodelle unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange selbst bestimmen. In Einzelfällen kann zwischen Personalabteilung und Betriebsrat eine individuelle Arbeitszeit festgelegt werden.

        

2.6     

Es wird ein Zeitraum von plus 100 Stunden (Zeitguthaben) und minus 35 Stunden (Zeitschuld) festgelegt. Dieser Zeitrahmen kann zwischen den Betriebsparteien einvernehmlich in besonderen Fällen befristet erweitert werden.

        

…       

        
        

2.9     

Die Zeitentnahme aus dem Zeitkonto ist stundenweise, in Einzeltagen oder in Blöcken von Tagen möglich. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Vorgesetzten und der Betriebsrat werden über die Kontenstände und die Kontenentwicklung monatlich informiert.

        

2.10   

Auf- und Abbau der Konten berücksichtigen neben den betrieblichen Erfordernissen auch individuelle Zeitwünsche der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter/Gruppe. Es ist sicherzustellen, dass durch die Zeitentnahmen auf Wunsch der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter/Gruppe die betrieblichen Abläufe nicht wesentlich eingeschränkt werden.

        

…       

        
        

2.17   

Die in den Arbeitszeitmodellen festgelegte Normalarbeitszeit dient als Grundlage zur Ermittlung von bezahlten und unbezahlten Fehlzeiten.

        

…       

        

§ 4 Arbeitszeitmodelle

        

4.    

Vereinbart werden folgende Arbeitszeitmodelle

                 

• Normalbetrieb

Anlage A 1

                 

…“    

        
4

Für den Kläger gilt das nachfolgende in der Anlage A1 zur BV Arbeitszeit geregelte Arbeitszeitmodell (im Folgenden Arbeitszeitmodell A1):

        

Arbeitszeitmodell - A 1 - Normalbetrieb

                 
        

Arbeitszeitmodell - Normalbetrieb

        

Betriebszeit

Montag bis Freitag

        

Kernzeit

Dieses Arbeitszeitmodell hat keine Kernzeit.

        

Normalarbeitszeit

07.15 Uhr - 15.00 Uhr

        

Rahmenarbeitszeit *

06.30 Uhr - 19.45 Uhr

        

Sollarbeitszeit

7,0 Stunden pro Tag.

        

Pausen

45 Minuten unbezahlt

        

Wird eine abweichende Rahmenarbeitszeit aus betrieblichen Gründen in einzelnen Bereichen benötigt, so muss diese entsprechend über die Personalabteilung beantragt und mit dem Betriebsrat vereinbart werden.

        

…“    

5

Die zwischen der Beklagten und dem am Standort Hamburg gebildeten Betriebsrat geschlossene „Betriebsvereinbarung Betriebsruhe im Kalenderjahr 2012“ regelte ua.:

        

3.    

Betriebsruhe

        

 3.1   

Betriebsruhetage, Zeitausgleich

                 

Es wird vereinbart, dass der Betrieb an folgenden Tagen ruht:

                 

Samstag1),

07.04.2012

                 

Montag,

30.04.2012

                 

Freitag,

18.05.2012 bis Samstag1), 19.05.2012

                 

Montag,

24.12.2012 bis Montag, 31.12.2012

                 

Die an den Betriebsruhetagen ausfallende Arbeitszeit ergibt sich aus der individuellen arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Am 24.12. (Heiligabend) und am 31.12. (Silvester) beträgt die Ausfallzeit jedoch nur 5,5 Stunden pro Arbeitstag, soweit im Arbeitsvertrag keine kürzere Arbeitszeit festgelegt ist.

                 

Der Zeitausgleich für die oben genannten Tage der Betriebsruhe kann durch Tarifurlaub oder durch Entnahme von Zeitguthaben aus dem Arbeitszeitkonto erfolgen.

                 

…“    

6

Entsprechende Betriebsvereinbarungen hatten die Betriebsparteien bereits für die Jahre 2001 bis 2011 geschlossen. Im Jahr 2013 kam es nicht zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Betriebsruhe für den 24. und 31. Dezember.

7

Der Kläger nahm am 24. und 31. Dezember 2013 bezahlten Freizeitausgleich in Anspruch. Die Beklagte brachte im Arbeitszeitkonto des Klägers für diese Tage eine Soll-Arbeitszeit von jeweils sechs Stunden in Ansatz, indem sie entsprechende Minusbeträge in der für den Kläger geführten Zeitnachweisliste Dezember 2013 auswies.

8

Mit der am 22. September 2014 eingereichten Klage verlangt der Kläger, nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung, die Gutschrift von jeweils 0,5 Zeitstunden für den 24. und den 31. Dezember 2013 auf seinem Arbeitszeitkonto. Er hat geltend gemacht, die Soll-Arbeitszeit habe an diesen Tagen lediglich 5,5 Stunden betragen. § 2 Nr. 2.17 BV Arbeitszeit verstoße gegen den Tarifvertrag, indem die Bestimmung zur Ermittlung der Soll-Arbeitszeit und Dauer seiner Fehlzeit am 24. und 31. Dezember 2013 auf die Normalarbeitszeit von 07:15 Uhr bis 15:00 Uhr abstelle. § 3 Nr. 9 MTV gebe am 24. und 31. Dezember zwingend als Arbeitszeitende 13:00 Uhr vor und begrenze den Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien. Nach Abzug von 15 Minuten Pause ergebe sich eine Soll-Arbeitszeit von nur 5,5 Stunden.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für Dezember 2013 1,0 Arbeitsstunde gutzuschreiben.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger habe am 24. und 31. Dezember 2013 Arbeitsleistungen im Umfang von jeweils sechs Stunden geschuldet.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet.

13

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere streitgegenständlich hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

14

1. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können, und das Leistungsbegehren konkretisiert, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll (BAG 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 - Rn. 12; 12. Dezember 2012 - 5 AZR 918/11 - Rn. 33; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 10; 21. Oktober 2015 - 5 AZR 843/14 - Rn. 14, 16).

15

2. Die Beklagte führt für den Kläger ein Zeitkonto, auf dem die begehrte Gutschrift noch erfolgen kann. An welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll, kommt zwar im Wortlaut des Antrags nicht zum Ausdruck, kann aber unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten Zeitnachweisliste durch Auslegung ermittelt werden. Danach begehrt der Kläger die Korrektur des im Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Saldos durch Gutschrift einer Stunde.

16

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann keine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto verlangen.

17

1. Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands(zB § 615 Satz 1 und Satz 3, § 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 37 Abs. 2 BetrVG) nicht erbringen musste und deshalb Vergütung beanspruchen kann bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte und gezahlte Vergütung erbringen muss (BAG 23. September 2015 - 5 AZR 767/13 - Rn. 20). Die nachträgliche Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto setzt voraus, dass der Arbeitnehmer Arbeitsstunden erbrachte oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste und diese bisher nicht vergütet und nicht in das Arbeitszeitkonto eingestellt wurden (BAG 26. Juni 2013 - 5 AZR 428/12 - Rn. 22; 21. August 2013 - 5 AZR 872/12 - Rn. 9).

18

2. Der Kläger erhält ein verstetigtes Monatsentgelt, dessen Zahlung für Dezember 2013 zwischen den Parteien außer Streit steht. Er hat am 24. und 31. Dezember 2013 keine Arbeitsleistung erbracht. Die Beklagte hat für beide Tage zu Recht eine Soll-Arbeitszeit von jeweils sechs Stunden und nicht nur 5,5 Stunden in Ansatz gebracht. Es bestand keine normative oder einzelvertragliche Regelung, aufgrund derer die Arbeitspflicht des Klägers hinsichtlich der in Ansatz gebrachten sechs Soll-Arbeitsstunden als erfüllt galt. Infolgedessen war die Beklagte nicht verpflichtet, dem Arbeitszeitkonto des Klägers, wie von ihm beansprucht, ohne Arbeitsleistung jeweils 0,5 Stunden gutzuschreiben.

19

a) Der 24. und 31. Dezember sind keine gesetzlichen Feiertage. Sie fielen im Jahr 2013 auf Werktage.

20

b) Eine von dem im Arbeitsverhältnis geltenden Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ (vgl. BAG GS 17. Dezember 1959 - GS 2/59 - zu B IV der Gründe, BAGE 8, 285; 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14, BAGE 141, 144) abweichende Vergütungspflicht des Arbeitgebers wird für den 24. und 31. Dezember ausschließlich durch § 3 Nr. 9 Abs. 2 MTV begründet. Danach sind nur die an diesen Tagen über eine geleistete Arbeitszeit von sechs Stunden hinausgehenden und deshalb - ausgehend von der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit - ausfallenden Stunden zu vergüten. Ausschließlich für diese Stunden regelt § 3 Nr. 9 Abs. 2 MTV einen tariflichen Entgeltfortzahlungsanspruch.

21

c) Aus § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 MTV folgt nicht, dass die Arbeitspflicht des Klägers hinsichtlich eines Teils der in Ansatz gebrachten sechs Soll-Arbeitsstunden iHv. 0,5 Arbeitsstunden als erfüllt gilt.

22

aa) § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 MTV begrenzt am 24. und am 31. Dezember den zeitlichen Umfang der geschuldeten Arbeitszeit, abweichend von der an anderen Werktagen geltenden Soll-Arbeitszeit von sieben Stunden (§ 3 Nr. 1.1 a., § 3 Nr. 4.1 MTV iVm. § 2 Nr. 2.1, Nr. 2.4, § 4 Nr. 4 BV Arbeitszeit), auf jeweils sechs Stunden. Die Tarifnorm untersagt dem Arbeitgeber am 24. und am 31. Dezember Arbeitsleistung im Umfang von mehr als sechs Stunden zu fordern. Sie begründet jedoch - für sich genommen - hinsichtlich der ausgefallenen Arbeitsstunden keine Vergütungspflicht des Arbeitgebers, denn die Tarifbestimmung setzt gleichzeitig die Arbeitnehmer außerstande, die Arbeitsleistung zu bewirken, § 297 BGB (vgl. BAG 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 14, BAGE 151, 45 zu den nach § 4 ArbZG einzuhaltenden gesetzlichen Mindestpausen).

23

bb) Nicht entscheidungserheblich ist, ob § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 MTV für den 24. und 31. Dezember ein tarifliches Beschäftigungsverbot nach 13:00 Uhr regelt und insoweit den Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien begrenzt (zu den Anforderungen an ein gesetzliches Beschäftigungsverbot vgl. BAG 18. März 2009 - 5 AZR 192/08 - Rn. 15, BAGE 130, 29; 21. Oktober 2015 - 5 AZR 843/14 - Rn. 31).

24

(1) Auch bei einem Verständnis in diesem Sinne begründete die tarifliche Regelung keinen Vergütungsanspruch für ausfallende Arbeitsstunden, sondern schlösse, wie § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 MTV, lediglich das Recht des Arbeitgebers, Arbeitsleistung zu verlangen, sowie die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers aus.

25

(2) Ebenso wenig ist es entscheidungserheblich, ob die BV Arbeitszeit - wie der Kläger meint - im Widerspruch zu § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 MTV auch für den 24. und 31. Dezember die Normalarbeitszeit von 07:15 Uhr bis 15:00 Uhr und/oder die „Rahmenarbeitszeit“ zwischen 06:30 Uhr und 19:45 Uhr - iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG als Zeitraum festlegt, in dem der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich erbringen kann und der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflichten verlangen kann(vgl. BAG 17. November 2015 - 1 ABR 76/13 - Rn. 24). Selbst wenn die Betriebsparteien die Grenzen der ihnen in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG eingeräumten Regelungsbefugnis überschritten hätten, ließe dies die vergütungsrechtliche Position des Klägers unberührt und begründete keinen Anspruch des Klägers auf die von ihm begehrte Zeitgutschrift.

26

3. Im Einklang mit § 3 Nr. 9 MTV dient nach § 2 Nr. 2.17 BV Arbeitszeit die in den Arbeitszeitmodellen festgelegte „Normalarbeitszeit“ (§ 2 Nr. 2.4, § 4 BV Arbeitszeit)auch für den 24. und 31. Dezember als Grundlage zur Ermittlung von bezahlten und unbezahlten Fehlzeiten. Dabei regelt § 2 Nr. 2.17 BV Arbeitszeit nicht den Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung, sondern bezieht sich auf die Normalarbeitszeit lediglich als Rechengröße. Dies ergibt die Auslegung der BV Arbeitszeit. Hierfür spricht vor allem der Wortlaut, wonach die Normalarbeitszeit „zur Ermittlung“ bezahlter und unbezahlter Fehlzeiten dient. Zudem verbietet die gebotene gesetzeskonforme Auslegung der BV Arbeitszeit (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 1 ABR 40/12 - Rn. 25) die Annahme, § 2 Nr. 2.17 BV Arbeitszeit betreffe die vergütungspflichtige Arbeitszeit und erweitere im Widerspruch zu § 3 Nr. 9 MTV den Umfang der am 24. und am 31. Dezember geschuldeten Arbeitsleistung. Der MTV regelt für den 24. und 31. Dezember in § 3 Nr. 9 Abs. 1 und Abs. 2 MTV den Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung und die vergütungsrechtliche Behandlung ausfallender Arbeitsstunden abschließend. Ein durch die Betriebsparteien auszufüllender Gestaltungsspielraum verbleibt nicht.

27

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber    

        

    Volk     

        

        

        

    Feldmeier     

        

    Reinders    

                 

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. März 2011 - 6 Sa 2330/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, in ein Arbeitszeitkonto eingestellte Stunden zu streichen.

2

Die Klägerin ist bei der Beklagten in deren Betrieb „Niederlassung B“ als Codiererin beschäftigt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 28 Stunden. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund vertraglicher Vereinbarung die für das Unternehmen der Beklagten jeweils geltenden Tarifverträge Anwendung.

3

Zur Arbeitszeit bestimmt der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG (im Folgenden: MTV-DP AG) vom 18. Juni 2003 ua.:

        

㤠22 Arbeitszeit

        

(1)     

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Ruhepausen 38,5 Stunden im wöchentlichen Durchschnitt. Für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer gilt die im Arbeitsvertrag vereinbarte Wochenarbeitszeit als durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit. Eine abweichende Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit ist innerhalb von zwölf Monaten auszugleichen.

        

…       

        
        

(3)     

Bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage hat der Betriebsrat nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes mitzubestimmen.

        

…“    

        
4

Innerhalb der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit erhalten die Arbeitnehmer nach der Anlage 2a zum MTV-DP AG ua. eine Erholungszeit, die zu Kurzpausen zusammenzufassen und im Dienstplan auszuweisen ist. Bis zum 31. März 2008 betrug nach dem Tarifvertrag Nr. 111 die Erholungszeit pro Arbeitsstunde 3,50 Minuten, von denen mindestens 3,14 Minuten je Stunde Arbeitszeit zu Kurzpausen zusammenzufassen waren. Mit Wirkung ab 1. April 2008 wurde durch den Tarifvertrag Nr. 142a die Erholungszeit auf 2,25 Minuten pro Arbeitsstunde verkürzt, von denen mindestens 2,03 Minuten je Stunde Arbeitszeit zu Kurzpausen zusammenzufassen sind.

5

Für Arbeitnehmer, die wie die Klägerin weder ganz noch teilweise Zustelltätigkeit verrichten, regelt zur Arbeitszeit der Tarifvertrag Nr. 37b ua.:

        

„Zweiter Abschnitt: Flexibilisierung der Arbeitszeit

        

...     

        

§ 3

        

Grundsätze für die Gestaltung der Arbeitszeit

        

(1)     

Es sind für alle Arbeitnehmer Dienstpläne aufzustellen.

                 

Grundlage für die Verteilung der Arbeitszeit in Dienstplänen ist die tarifvertraglich (...) bzw. einzelvertraglich vereinbarte Arbeitszeit. Überschreitungen der täglichen dienstplanmäßigen Arbeitszeit werden als nicht zuschlagspflichtige Mehrleistungen, Unterschreitungen als Minderleistungen erfasst.

        

...     

        
        

§ 4

        

Einführung von Arbeitszeitkonten

        

(1)     

Zur Dokumentation der täglichen Abweichungen von den dienstplanmäßigen Arbeitszeiten (Mehr- und Minderleistungen) sind Arbeitszeitkonten IT-gestützt zu führen. Zur Berechnung des täglichen Saldos werden Beginn und Ende der täglichen tatsächlichen Arbeitszeiten, soweit möglich, IT-gestützt erfasst.

        

...     

        
                 

Der Arbeitnehmer erhält einmal monatlich ein Journal seines Arbeitszeitkontos. Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer jederzeit, soweit berechtigte betriebliche Gründe nicht entgegenstehen, Einsicht in sein Arbeitszeitkonto nehmen.

        

(2)     

Die Arbeitszeitkonten werden nicht zu bestimmten Zeitpunkten abgerechnet. Im einzelnen persönlichen Arbeitskonto ist die „Nulllinie“ innerhalb eines Zeitraums von längstens 18 Monaten mindestens einmal zu berühren.

        

(3)     

Die maximal zulässige Schwankungsbreite der Abweichungen beträgt jeweils das 3fache der tarifvertraglich (...) bzw. einzelarbeitsvertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit.

                 

...“   

6

Im Betrieb „Niederlassung B“ ist ein Betriebsrat gebildet. Zur Führung von Arbeitszeitkonten heißt es in der Betriebsvereinbarung Nr. 4 - Betriebsvereinbarung zum Tarifvertrag Nr. 37b:

        

„...   

        

§ 2 Geltungsbereich

        

Diese BV gilt

         ·persönlich im Bereich der Niederlassung Briefpost Berlin Nord für alle Arbeiter, Angestellten und Beamte, die Tätigkeiten im Sinne des TV 37b ausüben, das heißt, die nicht regelmäßig und arbeitsvertraglich vereinbart mit Tätigkeiten eines Briefzustellers/Frachtzustellers beschäftigt sind.
        

...     

        

§ 4 Führung der Arbeitszeitkonten(AZK)

        

(1)     

Der Umfang der Abweichung von der dienstplanmäßigen Arbeitszeit ist konkret in Minuten festzulegen.

        

(2)     

Die Arbeitszeitkonten (AZK) sind unverzüglich, das heißt unmittelbar nach Bekanntwerden von Abweichungen, spätestens jedoch vor der nächsten Arbeitsschicht, zu aktualisieren. In Verbindung mit Sonn- und Feiertagen soll die Aktualisierung spätestens am nächsten Werktag erfolgen.

                 

...“   

7

Die Klägerin arbeitete bis zum 31. Juli 2008 nach Dienstplänen, denen (noch) die Erholungszeit nach dem TV Nr. 111 zugrunde lag. Die Umsetzung der Kürzung der Erholungszeit nach dem TV Nr. 142a in die Dienstpläne erfolgte erst mit Wirkung ab dem 1. August 2008.

8

Am 30. Oktober 2008 kürzte die Beklagte das nach dem Tarifvertrag Nr. 37b geführte Arbeitskonto (im Folgenden: 37b-Konto) der Klägerin um die dort eingestellten 10,37 Stunden und gab dazu unter der Rubrik „Zeitumbuchungsart“ als Grund an: „0950 Verfall Mehrleistungen“. Der außergerichtlichen Aufforderung der Klägerin, die Kürzung ihres Zeitguthabens rückgängig zu machen, kam die Beklagte nicht nach.

9

Mit ihrer am 21. September 2009 eingereichten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte sei zur Kürzung des Guthabens auf dem 37b-Konto nicht berechtigt (gewesen). Sie habe im streitgegenständlichen Zeitraum nach ihr vorgegebenen Dienstplänen gearbeitet und damit die geschuldete Arbeitszeit erbracht. Wenn die Beklagte ihr zu lange bezahlte Pausen gewährte, könne das allenfalls einen (Rück-)Zahlungsanspruch begründen. Zudem verstoße das Vorgehen der Beklagten gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil sie Kürzungen nur bei den Beschäftigten vorgenommen habe, deren Arbeitszeitkonten ein Guthaben aufwies.

10

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin eine Zeitgutschrift iHv. 10,37 Stunden vorzunehmen.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, zur Kürzung des Guthabens auf dem 37b-Konto der Klägerin berechtigt (gewesen) zu sein. Nach der (rückwirkenden) Kürzung der Erholungszeit pro Arbeitsstunde durch den Tarifvertrag Nr. 142a habe die Klägerin die tarifvertraglich geschuldete Arbeitszeit nicht vollständig erbracht. Es sei eine Arbeitszeitschuld entstanden, die sie gegen das Arbeitszeitguthaben habe aufrechnen dürfen. Gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz habe sie schon deshalb nicht verstoßen, weil es an einer verteilenden Entscheidung fehle. Zudem sei es ein sachlicher Grund, Beschäftigte, deren Arbeitszeitkonto kein Guthaben aufwies, nicht ins Minus zu bringen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter mit Ausnahme einer in der Revisionsinstanz zugestanden Zeitgutschrift von 0,2 Stunden.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

14

I. Die Klage ist mit der gebotenen Auslegung des Leistungsantrags zulässig.

15

1. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mehrfach entschieden, der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, sei hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Gleichermaßen könne der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11 mwN, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 -; BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 27, NZA 2012, 281). Allerdings ist dafür eine Konkretisierung des Leistungsbegehrens dahingehend erforderlich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll.

16

2. Dieses für Klagen auf Gutschrift bislang nicht in das Arbeitszeitkonto aufgenommener Stunden entwickelte Bestimmtheitserfordernis kann nicht unbesehen auf einen Antrag übertragen werden, bei dem die begehrte Zeitgutschrift lediglich der Rückgängigmachung der Streichung eines Zeitguthabens dient. Wird in einem solchen Fall dem Antrag auf Gutschrift stattgegeben, weiß der Arbeitgeber, was er zu tun hat, nämlich die von ihm auf einem bestimmten Arbeitszeitkonto vorgenommene Kürzung ungeschehen zu machen.

17

Auf welchem Arbeitszeitkonto die Gutschrift erfolgen soll, kommt im Wortlaut des Antrags nicht zum Ausdruck, kann aber durch Auslegung ermittelt werden. Es steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die Beklagte das 37b-Konto der Klägerin gekürzt hat und die begehrte Gutschrift auf eben diesem erfolgen soll.

18

II. Die Klage ist begründet. Die Beklagte war und ist nicht berechtigt, das streitgegenständliche Zeitguthaben zu streichen. Infolge dessen ist sie verpflichtet, diese Stunden dem 37b-Konto der Klägerin wieder zuzuführen, also „gutzuschreiben“.

19

1. Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands(zB § 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 1 BUrlG, § 37 Abs. 2 BetrVG) nicht erbringen musste. Wegen dieser Dokumentationsfunktion darf der Arbeitgeber nicht ohne Befugnis korrigierend in ein Arbeitszeitkonto eingreifen und dort eingestellte Stunden streichen. Neben der materiellrechtlichen Rechtfertigung muss die der Führung des Arbeitszeitkontos zugrunde liegende Vereinbarung (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) dem Arbeitgeber überhaupt die Möglichkeit eröffnen, in das Arbeitszeitkonto eingestellte und damit grundsätzlich streitlos gestellte (vgl. dazu BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 19, BAGE 135, 197) Arbeitsstunden wieder zu streichen.

20

2. Daran fehlt es im Streitfall. Die dem 37b-Konto zugrunde liegenden Vereinbarungen erlauben es der Beklagten nicht, dieses Arbeitszeitkonto mit Minusstunden zu belasten, die sich - möglicherweise - aus der Nichtausschöpfung der tarifvertraglichen Wochenarbeitszeit in den Dienstplänen ergeben.

21

a) Das 37b-Konto dokumentiert nach § 4 Abs. 1 Tarifvertrag Nr. 37b die „täglichen Abweichungen von den dienstplanmäßigen Arbeitszeiten (Mehr- und Minderleistungen“, wobei § 3 Abs. 1 Tarifvertrag Nr. 37b Mehrleistungen als Überschreitungen, Minderleistungen als Unterschreitungen der täglichen dienstplanmäßigen Arbeitszeit definiert. Auch § 4 Abs. 1 Betriebsvereinbarung Nr. 4 spricht (nur) vom „Umfang der Abweichung von der dienstplanmäßigen Arbeitszeit“. Darum geht es aber bei der von der Beklagten vorgenommenen Streichung nicht. Die Klägerin hat gemäß ihrer Verpflichtung nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unstreitig „nach Dienstplan“ gearbeitet und damit ihre dienstplanmäßige Arbeitszeit erbracht. Weder Tarifvertrag noch Betriebsvereinbarung sehen die Möglichkeit vor, in dem 37b-Konto Minusstunden aus der Nichtausschöpfung der tarifvertraglich tatsächlich zu arbeitenden Zeit durch den bzw. im Dienstplan zu verrechnen.

22

b) Ebenso wenig kann aus § 22 Abs. 1 MTV-DP AG eine entsprechende Befugnis der Beklagten hergeleitet werden. Abgesehen davon, dass die Tarifnorm nur die tarifliche Arbeitszeit regelt, jedoch keine Vorschriften zur Führung des 37b-Kontos enthält, bestimmt § 22 Abs. 1 Satz 3 MTV-DP AG, dass eine abweichende Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit nach Satz 1 bzw. Satz 2 innerhalb von zwölf Monaten auszugleichen ist. Die Kürzung bzw. Streichung eines Guthabens auf dem 37b-Konto, das gerade durch Überschreitung der dienstplanmäßigen Arbeitszeit erworben wurde, ist keine abweichende Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit. Eine solche muss, wie sich zumindest aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt, in die Zukunft gerichtet sein und erfolgt durch die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage, bei der der Betriebsrat nach § 22 Abs. 3 MTV-DP AG iVm. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitzubestimmen hat.

23

Zudem hat die (rückwirkende) Kürzung der Erholungszeit durch den TV Nr. 142a nicht zu einer abweichenden Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit iSd. § 22 Abs. 1 Satz 3 MTV-DP AG geführt. Die nach dem 1. April 2008 geltenden Dienstpläne haben wie zuvor eine regelmäßige Arbeitszeit von 38,5 Stunden im wöchentlichen Durchschnitt verteilt und dabei lediglich die tatsächlich zu arbeitende Zeit insoweit nicht ausgeschöpft, als die Arbeitszeit einen zu hohen Anteil als Erholungszeit bezahlter Pausen enthielt.

24

3. Kürzt oder streicht der Arbeitgeber zu Unrecht ein Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf (Wieder-)Gutschrift der aus dem Arbeitszeitkonto gestrichenen Stunden. Dieser Anspruch ist jeder Vereinbarung über die Führung eines Arbeitszeitkontos immanent.

25

a) Das Bundesarbeitsgericht hat bislang einen Anspruch des Arbeitnehmers auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos bejaht bzw. in Betracht gezogen, wenn das Arbeitszeitkonto nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt (vgl. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 10 mwN, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 -). Doch muss ein Arbeitszeitkonto nicht stets einen Vergütungsanspruch verbindlich bestimmen, es kann auch - wie hier - für die Höhe eines Anspruchs auf Freizeitausgleich oder die Höhe eines Vorschusses maßgebend sein.

26

b) Unabhängig davon, ob ein Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch oder sonstige Ansprüche maßgeblich bestimmt, kann der Arbeitnehmer stets verlangen, dass der Arbeitgeber, der aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag ein Arbeitszeitkonto für den Arbeitnehmer unterhält, dieses den vereinbarten Vorgaben entsprechend führt. Andernfalls vermag das Arbeitszeitkonto seinen Zweck, den zeitlichen Umfang der vom Arbeitnehmer erbrachten Hauptleistungspflicht zu dokumentieren, nicht zu erfüllen. Greift der Arbeitgeber zu Unrecht in den Saldo eines Arbeitszeitkontos ein, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Wiederherstellung des Status quo ante und damit auf (Wieder-)Gutschrift der aus dem Saldo seines Arbeitszeitkontos gestrichenen Stunden.

27

III. Die Kosten der Revision hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Zoller    

        

    Pollert    

        

        

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. Mai 2012 - 11 Sa 1750/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Auswirkungen der Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit für einen gesetzlichen Feiertag gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT auf die Überstundenvergütung nach § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund).

2

Der Kläger ist seit dem 16. Juni 1989 bei der Standortverwaltung R als Diensthundeführer beschäftigt. Er wird im Wachdienst auf einem Kasernengelände eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst im Bereich des Bundes (TVöD [Bund]).

3

§ 6 TVöD-AT lautet auszugsweise:

        

„§ 6 Regelmäßige Arbeitszeit

        

(1) 1Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für

        

a)    

die Beschäftigten des Bundes durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich,

        

…       

        
        

(2) 1Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. 2Abweichend von Satz 1 kann bei Beschäftigten, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit zu leisten haben, ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden.

        

(3) … 3Die regelmäßige Arbeitszeit vermindert sich für jeden gesetzlichen Feiertag, sowie für den 24. Dezember und 31. Dezember, sofern sie auf einen Werktag fallen, um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden.“

4

Die Protokollerklärung zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT lautet:

        

„Die Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit betrifft die Beschäftigten, die wegen des Dienstplans am Feiertag frei haben und deshalb ohne diese Regelung nacharbeiten müssten.“

5

§ 7 Abs. 7 und Abs. 8 TVöD-AT enthalten Regelungen zu Überstunden. § 8 Abs. 1 TVöD-AT bestimmt die Zahlung von Zeitzuschlägen ua. für die Leistung von Feiertagsarbeit. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d TVöD-AT beträgt der Zeitzuschlag bei Feiertagsarbeit je Stunde 135 vH falls kein Freizeitausgleich erfolgt. Mit Freizeitausgleich beläuft sich der Zuschlag auf 35 vH je Stunde.

6

Der TVöD trifft in seinem Besonderen Teil Verwaltung (BT-V [Bund]) vom 13. September 2005 in § 46 „Sonderregelungen für Beschäftigte im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung“. Dort heißt es in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung auszugsweise:

        

„Kapitel I. Beschäftigte im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung

        

Zu Abschnitt I. Allgemeine Vorschriften

        

Nr. 1: Zu § 1 - Geltungsbereich -

        

Die Regelungen dieses Abschnitts gelten für die Beschäftigten des Bundesministeriums der Verteidigung, soweit sie nicht unter Kapitel II oder die Sonderregelung für ins Ausland entsandte Beschäftigte (§ 45) fallen.

        

…       

        

Zu Abschnitt II. Arbeitszeit

        

…       

        

Nr. 4: Zu §§ 7, 8 - Sonderformen der Arbeit und Ausgleich für Sonderformen der Arbeit -

        

…       

        

(3) 1Die Arbeitszeitdauer des Feuerwehrpersonals und des Wachpersonals beträgt, wenn in erheblichem Umfang Bereitschaftsdienst vorliegt, 24 Stunden je Schicht, sofern der Gesundheitsschutz der Beschäftigten durch Gewährung gleichwertiger Ausgleichsruhezeiten in unmittelbarem Anschluss an die verlängerten Arbeitszeiten gewährleistet wird. 2Aus dienstlichen Gründen kann ein kürzerer Schichtturnus festgelegt werden. 3Durch entsprechende Schichteinteilung soll sichergestellt werden, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bis zum Ende des Ausgleichszeitraums nach § 6 Abs. 2 im Durchschnitt nicht überschritten wird. 4Zeitzuschläge nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b, c, d, e werden zu 50 v.H. gezahlt. 5Zeitzuschläge nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f, sowie Zulagen nach Abs. 5 und 6 werden nicht gezahlt. 6Die über 168 Stunden hinausgehende Zeit wird bei der Bemessung des Entgelts mit 50 v.H. als Arbeitszeit gewertet und mit dem Überstundenentgelt vergütet.“

7

Die Arbeitszeit des Klägers bestimmte sich bis zum 30. November 2010 nach einer Dienstplangestaltung, die unter Berücksichtigung eines erheblichen Umfangs an Bereitschaftsdiensten 24-Stunden-Schichten vorsah. Der Dienstplan deckte den Einsatz des Wachpersonals an sieben Tagen pro Woche ab, wobei der einzelne Beschäftigte an wechselnden Wochentagen eingesetzt wurde. Der Kläger wurde höchstens zwölf Mal im Monat zu einer Schicht von 24 Stunden eingeteilt. Die einzelnen Schichten dauerten dabei jeweils von 08:00 Uhr bis 08:00 Uhr des Folgetags. Damit ergab sich eine monatliche Arbeitszeit von maximal 288 Stunden. Die über 168 Stunden hinausgehende Zeit wurde gemäß § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) gewertet und vergütet.

8

Im April 2010 war der Kläger im Dienstplan für elf Schichten von 24 Stunden eingeteilt, dh. für 264 Stunden. Der 5. April 2010 war der Ostermontag. Unabhängig von dem Vorliegen eines Feiertags war der Kläger nach dem Schichtplan an diesem Tag nicht zum Dienst eingeteilt und erbrachte dementsprechend keine Arbeitsleistung. Er erhielt für April 2010 das reguläre Tabellenentgelt nach der Entgeltgruppe 4 Stufe 6 TVöD (Bund). Die Überstunden wurden entsprechend § 24 Abs. 1 Satz 4 TVöD-AT von der Abrechnung des Monats Juni 2010 erfasst. Diese weist 51,9 Überstunden für April 2010 aus. Darin enthalten sind 3,9 Stunden für den Ostermontag. Die Beklagte berechnete für diesen Tag 7,8 Stunden als durchschnittliche tägliche Arbeitszeit im Rahmen einer Fünftagewoche bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a TVöD-AT. Hiervon wurden nach § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) 50 vH, dh. 3,9 Stunden, als Arbeitszeit gewertet und mit dem Überstundenentgelt berechnet. Das Überstundenentgelt für eine Arbeitsstunde beläuft sich auf 16,48 Euro brutto (12,78 Euro Stundenentgelt zuzüglich Überstundenzuschlag von 3,70 Euro brutto). Für 3,9 Stunden wurden demnach 64,27 Euro brutto bezahlt.

9

Nach erfolgloser Geltendmachung mit Schreiben vom 26. August 2010 hat der Kläger mit der vorliegenden Klage die Zahlung weiterer 67,57 Euro brutto als Überstundenvergütung für den Monat April 2010 verlangt. Die Differenz ergebe sich aus der tarifwidrigen Berechnung der Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT bezüglich des Ostermontags als eines gesetzlichen Feiertags. Wäre er an diesem Tag zum Dienst herangezogen worden, hätte er 16 Stunden arbeiten müssen (08:00 Uhr bis 24:00 Uhr). Hiervon seien gemäß § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) 50 vH als Arbeitszeit zu werten, dh. acht Stunden. Um diese acht Stunden habe sich die regelmäßige Arbeitszeit vermindert. Folglich habe die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Überstundenentgelt acht Stunden früher eingesetzt. Da die Beklagte die Verminderung nur im Umfang von 3,9 Stunden angenommen habe, sei sie zur Leistung von Überstundenentgelt bezüglich weiterer 4,1 Stunden verpflichtet. Die Vergütungsdifferenz belaufe sich auf 67,57 Euro brutto (4,1 Stunden x 16,48 Euro brutto).

10

Der Kläger hat daher beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 67,57 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Diskontsatz seit dem 18. September 2010 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT begründe keinen Zahlungsanspruch, sondern nur einen Anspruch auf Verminderung der Sollarbeitszeit zur Erlangung einer dem Feiertag gleichwertigen bezahlten Freizeit. Diese habe der Kläger erhalten, da er die auf den Feiertag fallende Schicht nicht habe nacharbeiten müssen. Er habe sein reguläres Entgelt somit entsprechend § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT trotz verminderter Arbeitsleistung erhalten. Für weitere Zahlungsansprüche fehle eine Rechtsgrundlage. Andernfalls wäre der Kläger bessergestellt, als wenn er an dem fraglichen Feiertag nach dem Dienstplan zur Arbeit eingeteilt gewesen wäre.

12

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Der Kläger hat zwar keinen Vergütungsanspruch für den 5. April 2010. Er hat aber gemäß § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT und § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) für den Monat April 2010 einen Anspruch auf weitere Überstundenvergütung für 4,1 Stunden in unstreitiger Höhe von 67,57 Euro brutto.

14

I. Für den 5. April 2010 stehen dem Kläger allerdings keine Vergütungsansprüche zu.

15

1. Ein Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB besteht nicht, weil der Kläger an diesem Tag keine Arbeitsleistung erbracht hat.

16

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung an einem Feiertag gemäß § 2 Abs. 1 EFZG.

17

a) Nach § 2 Abs. 1 EFZG besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch für einen arbeitsfreien gesetzlichen Feiertag bei Arbeit nach einem Schichtplan nur dann, wenn die planmäßige Freistellung durch die gesetzliche Feiertagsruhe bestimmend beeinflusst ist. § 2 Abs. 1 EFZG begründet dagegen keinen Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn sich die Freistellung aus einem Planschema ergibt, das von der gesetzlichen Feiertagsruhe unabhängig ist, etwa weil der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung durch den Feiertag nicht oder nicht wesentlich geringer ist. Dass der Arbeitnehmer an diesem Tag planmäßig frei hat, liegt dann nicht am Feiertag, sondern dient zB dazu, einen Fünftagesrhythmus einzuhalten (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 43; 15. Januar 2013 - 9 AZR 430/11 - Rn. 39; 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09 - Rn. 12, BAGE 136, 290).

18

b) Der Ostermontag ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Feiertagsgesetz NW ein gesetzlicher Feiertag. Die Parteien haben hier aber unstreitig gestellt, dass die Arbeit des Klägers am Ostermontag, den 5. April 2010, nicht wegen dieses Feiertags ausgefallen ist, sondern wegen der feiertagsunabhängigen Gestaltung des Dienstplans.

19

3. Ein Zahlungsanspruch ergibt sich auch nicht direkt aus § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT. Diese Tarifregelung sieht keine Zahlungspflicht vor. Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT vermindert sich vielmehr die regelmäßige Arbeitszeit(vgl. zur Berechnung der Verminderung BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 19 zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K). Dies entspricht dem Zweck des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT. Danach soll jeder, der an einem Wochenfeiertag nicht zu arbeiten braucht, für weniger Arbeit die gleiche Vergütung erhalten (BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 47). Ohne diese Regelung müssten Beschäftigte, die feiertagsunabhängig allein wegen der Dienstplangestaltung an einem Wochenfeiertag frei haben, ihre regelmäßige Arbeitszeit an einem anderen Tag erbringen. Diese Arbeitnehmer sollen durch § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT ersatzweise in den Genuss einer dem Feiertag gleichwertigen bezahlten Freizeit kommen, also den Beschäftigten, die infolge des Feiertags frei haben und Entgeltfortzahlung erhalten, gleichgestellt werden(BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09 - Rn. 14, BAGE 136, 290; zur Tarifentwicklung vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Juni 2011 E § 6 Rn. 41a).

20

II. Der Kläger hat aber für den April 2010 gemäß § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT und § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) einen Anspruch auf Vergütung von weiteren 4,1 Überstunden. Dies hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.

21

1. Die Rechtsfolge der verminderten regelmäßigen Arbeitszeit des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT muss vom Arbeitgeber bei der Dienstplangestaltung, der Arbeitszeiterfassung und der Vergütung umgesetzt werden. Geschieht das nicht, entstehen nachgelagerte Ansprüche des Arbeitnehmers auf Beseitigung des tarifwidrigen Zustands (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 20 zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K). Geht es um die Korrektur der Arbeitszeiterfassung auf einem Arbeitszeitkonto, kommt dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos aus § 611 Abs. 1 BGB zu, wenn das Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch nach der zugrunde liegenden Abrede verbindlich bestimmt(BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 21 zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K). Eine Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT kann auch dazu führen, dass Überstunden in einem zeitlichen Rahmen entstehen, der ohne die Verminderung noch von der regelmäßigen Arbeitszeit umfasst wäre. Überstunden können nach den Vorgaben des TVöD-AT bei den Beschäftigten des Bundes erst dann entstehen, wenn die geleisteten Arbeitsstunden über die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a TVöD-AT hinausgehen (vgl. § 7 Abs. 7 und Abs. 8 TVöD-AT; zu Überstunden bei Schichtarbeit vgl. BAG 25. April 2013 - 6 AZR 800/11 - Rn. 16 f.). Reduziert sich die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT, bewirkt dies eine Absenkung der Stundenzahl, ab deren Erreichen Überstunden geleistet werden. Die Vergütungspflicht umfasst dann die ab dem abgesenkten Schwellenwert geleisteten Stunden als Überstunden unter Berücksichtigung der tariflichen Vergütungsvorgaben.

22

2. Demnach ist die Klage gemäß § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT und § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) begründet.

23

a) Der Ostermontag ist ein gesetzlicher Feiertag, der auf einen Werktag fällt. Folglich wird die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT um die „dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden“ vermindert. Dabei muss individuell festgestellt werden, wie viele Stunden der betreffende Arbeitnehmer hätte arbeiten müssen, wenn er dienstplanmäßig zur Feiertagsarbeit herangezogen worden wäre (BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 48; 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09 - Rn. 16, BAGE 136, 290; kritisch bzgl. der praktischen Umsetzung Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand September 2011 Teil B 1 § 6 Rn. 98).

24

b) Der Kläger hat am 5. April 2010 wegen einer feiertagsunabhängigen Dienstplangestaltung keine Arbeitsleistung erbracht. Er hätte an diesem Tag bei einer Einteilung zum Schichtdienst unstreitig 16 Stunden arbeiten müssen. Hiervon wären ebenfalls unstreitig acht Stunden nach § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund), dessen Regelungen für den Kläger als Beschäftigten des Bundesministeriums der Verteidigung gelten, als Arbeitszeit zu werten gewesen. Um diese acht Stunden hat sich die regelmäßige Arbeitszeit gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT vermindert. Folglich setzte die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Überstundenentgelt acht Stunden früher ein. Da die Beklagte bei der Abrechnung für den Monat April 2010 die Verminderung nur im Umfang von 3,9 Stunden berücksichtigt hat, ist sie zur Leistung von Überstundenentgelt bezüglich weiterer 4,1 Stunden für diesen Monat in unstreitiger Höhe von 67,57 Euro brutto (4,1 Stunden x 16,48 Euro brutto) verpflichtet. Die gesetzliche Verzinsung dieses Betrags ab dem 18. September 2010 steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

25

3. Eine monatsbezogene Betrachtung nach § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) führt zu demselben Ergebnis.

26

a) § 46 Nr. 4 Abs. 3 TVöD-BT-V (Bund) enthält sowohl zur Arbeitszeit als auch zur Vergütung des Feuerwehrpersonals und des Wachpersonals Sonderregelungen, welche im Verhältnis zu § 7 und § 8 TVöD-AT vorrangig sind. Der hier maßgebliche § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) trifft Regelungen zur Bewertung und Vergütung der Arbeitszeit. Soweit die Vorschrift anordnet, dass die über 168 Stunden hinausgehende Zeit bei der Bemessung des Entgelts mit 50 vH als Arbeitszeit gewertet wird, nimmt sie in Abweichung von den Vorgaben des TVöD-AT eine monatsbezogene Pauschalierung bei der Bewertung der Arbeitsleistung vor. Dies entspricht den Vorgängerregelungen.

27

aa) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei dem Wert von 168 Stunden nicht um die monatliche regelmäßige tarifliche Arbeitszeit. Weder der TVöD noch der TVöD-BT-V (Bund) enthalten eine Bestimmung über die Monatsarbeitszeit (BAG 17. November 2009 - 9 AZR 923/08 - Rn. 33). Rechnerisch beträgt die regelmäßige monatliche Arbeitszeit 169,57 Stunden. Diese ergibt sich aus der Multiplikation der wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a TVöD-AT mit dem Faktor 4,348 (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 907/12 - Rn. 40; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Oktober 2008 Teil B 1 § 6 Rn. 29, 30; Bredemeier/Neffke/Cerff TVöD 4. Aufl. § 6 Rn. 31).

28

bb) § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) nimmt vielmehr eine monatsbezogene Pauschalierung bei der Bewertung der Arbeitsleistung vor. Die Vorschrift enthält zwar keine Angabe zum Zeitraum, auf welchen sich der Schwellenwert von 168 Stunden bezieht. Es ergibt sich jedoch bei Berücksichtigung des § 24 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT aus dem Wortlaut der Vorschrift, dass sich die über 168 Stunden hinausgehende Zeit auf den Kalendermonat bezieht. § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) regelt die Bewertung dieser Zeit bei der „Bemessung des Entgelts“. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT ist der Bemessungszeitraum für das Tabellenentgelt und die sonstigen Entgeltbestandteile der Kalendermonat, soweit tarifvertraglich nicht ausdrücklich etwas Abweichendes geregelt ist. Da § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) die Bemessung des Entgelts regelt, ohne den Bemessungszeitraum festzusetzen, ist insoweit auf die allgemeine Vorschrift des § 24 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT zurückzugreifen. Damit ist der Kalendermonat der maßgebliche Bemessungszeitraum.

29

cc) Dies entspricht auch der Tarifgeschichte. Die Sonderregelung SR 2 e I Nr. 5 Abs. 5 Unterabs. 3 zum BAT sah bezüglich der Vergütung von Feuerwehr- und Wachpersonal im Bereich des Bundesministers der Verteidigung vor, dass die über 167,4 Stunden pro Kalendermonat hinausgehende Zeit mit 50 vH als Arbeitszeit zu werten und mit der Überstundenvergütung abzugelten ist (vgl. BAG 26. März 1998 - 6 AZR 537/96 - zu B II 1 c der Gründe). Damit wurde in Abweichung von § 17 Abs. 1 BAT kalendermonatlich festgestellt, ob Überstunden vorliegen(vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand April 1993 Teil II SR 2 e I BAT Nr. 5 Rn. 13). Eine vergleichbare Vorschrift enthielt die Sonderregelung SR 2 a Nr. 7 Abs. 3 der Anlage 2 zum MTArb (Bund) und deren Vorgängerregelung in SR 2 a Nr. 8 Abs. 4 MTB II. Mit dieser Pauschalregelung haben die Tarifvertragsparteien wegen der Besonderheiten im Wachdienst sowohl die anfallenden Arbeitsstunden als auch die Arbeitsbereitschaftszeiten und die Ruhezeiten pro Monat insgesamt bewertet (vgl. zu SR 2 a Nr. 8 Abs. 4 MTB II BAG 30. April 1992 - 6 AZR 508/90 - zu II 2 der Gründe; 6. September 1968 - 3 AZR 158/67 - zu 2 der Gründe). Mit § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) wurde diese Pauschalierung fortgeführt.

30

b) Die durch § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT angeordnete Arbeitszeitverminderung gilt auch im Anwendungsbereich des § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund), der selbst keine Spezialregelung zur Auswirkung eines gesetzlichen Feiertags trifft. Fällt in einem Kalendermonat ein gesetzlicher Feiertag auf einen Werktag, führt dies nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT für diesen Monat zu einer Absenkung des Schwellenwerts von 168 Stunden im Umfang der dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden. Auch hierbei muss individuell festgestellt werden, wie viele Stunden der betreffende Arbeitnehmer hätte arbeiten müssen, wenn er dienstplanmäßig zur Feiertagsarbeit herangezogen worden wäre. Andernfalls wäre die durch § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT bezweckte Gleichstellung mit den Beschäftigten, die infolge des Feiertags frei haben und Entgeltfortzahlung nach § 2 Abs. 1 EFZG erhalten, im Rahmen des § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) nicht zu erreichen.

31

aa) Die ausgefallenen Arbeitsstunden dieser Arbeitnehmer werden entsprechend dem Entgeltausfallprinzip des § 2 Abs. 1 EFZG im Rahmen von § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) wie geleistete Stunden behandelt. Der Arbeitnehmer ist nach § 2 Abs. 1 EFZG so zu stellen, als hätte er an dem Feiertag die schichtplanmäßige Arbeitszeit gearbeitet. Bei Führung eines Arbeitszeitkontos ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Anzahl von Stunden gutzuschreiben, die der Arbeitnehmer schichtplanmäßig an dem Feiertag ohne den Ausfall gearbeitet hätte (BAG 14. August 2002 - 5 AZR 417/01 - zu II 1 der Gründe). Unabhängig von der Frage, ob ein Arbeitszeitkonto iSd. § 10 TVöD-AT geführt wird, setzt § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) jedenfalls eine monatsbezogene Zeiterfassung voraus. Dementsprechend besteht nach § 2 Abs. 1 EFZG ein Anspruch auf Gutschrift der feiertagsbedingt ausgefallenen Arbeit in diesem Zeiterfassungssystem bzw. auf dem Arbeitszeitkonto bei einem unveränderten Schwellenwert von 168 Stunden.

32

bb) Zur Erreichung des Ziels der Gleichstellung gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT erfolgt für diejenigen Arbeitnehmer, die aufgrund einer feiertagsunabhängigen Dienstplangestaltung am Feiertag keine Arbeitsleistung erbringen und daher § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT unterfallen, eine Herabsetzung des Schwellenwerts des § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden. Dadurch müssen beide Arbeitnehmergruppen zum Eingreifen des § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) dieselbe tatsächliche Arbeitsleistung erbringen.

33

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten wird der Kläger damit nicht bessergestellt als die Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsleistung am Feiertag erbracht haben (vgl. BAG 15. Januar 2013 - 9 AZR 430/11 - Rn. 40). Für Arbeitnehmer, die am 5. April 2010 dienstplanmäßig zu arbeiten hatten, bestand ein Entgeltanspruch nach § 611 Abs. 1 BGB. Die geleisteten Stunden waren bei der Monatsstundenzahl im Rahmen von § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) zu berücksichtigen. Diese Arbeitnehmer hatten zudem im Gegensatz zum Kläger Anspruch auf einen Feiertagszuschlag gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d TVöD-AT iVm. § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 4 TVöD-BT-V (Bund) in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung.

34

dd) Die in der Verhandlung vor dem Senat angeführte Regelung des § 4 Abs. 1a EFZG hilft der Beklagten nicht weiter. Die Vorschrift befasst sich angesichts des Verweises auf § 4 Abs. 1 EFZG mit der Höhe der Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 und § 3a Abs. 1 EFZG. Ihr kann keine Regelung zur Vergütung geleisteter Arbeit bei verminderter regelmäßiger Arbeitszeit entnommen werden. Zudem haben die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes von dem nach § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG eröffneten Gestaltungsspielraum durch die Schaffung des § 21 TVöD-AT Gebrauch gemacht. Auch diese Tarifnorm regelt hier nicht einschlägige Fragen der Entgeltfortzahlung.

35

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger den geltend gemachten Anspruch auf Vergütung von weiteren 4,1 Überstunden für April 2010. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT sind - wie dargelegt - erfüllt. Der Schwellenwert des § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) von 168 Stunden wurde damit um die am 5. April 2010 ausgefallenen 16 Stunden auf 152 Stunden abgesenkt. Folglich ist die Arbeitsleistung des Klägers im April 2010 bereits ab der 153. Stunde mit 50 vH als Arbeitszeit zu werten und mit dem Überstundenentgelt zu vergüten. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass bei 264 zu berücksichtigenden Stunden ein Volumen von 112 Stunden zu 50 vH als Arbeitszeit zu bewerten und mit dem Überstundenentgelt von 16,48 Euro brutto zu bezahlen ist. Dies betrifft somit 56 Stunden. Die Beklagte hat davon 51,9 Stunden entsprechend vergütet. Die Differenz von 4,1 Stunden zu 16,48 Euro brutto beläuft sich auf die streitigen 67,57 Euro brutto.

36

4. Der Anspruch des Klägers ist nicht gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT verfallen. Nach dieser Vorschrift verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der/dem Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Das Landesarbeitsgericht hat die erfolglose Geltendmachung des Anspruchs bereits mit Schreiben vom 26. August 2010 festgestellt und in den Entscheidungsgründen angeführt, dass der Kläger damit seinen Anspruch innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht hat. Hiergegen wurden keine Rügen erhoben.

37

III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    M. Jostes    

        

    Sieberts    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. Februar 2012 - 3 Sa 605/11 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Absatz 4 des Tenors die Worte „in der Woche des 24.12. und des 31.12.“ durch die Worte „für den 24.12. und den 31.12.“ ersetzt werden.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verminderung der Sollarbeitszeit für die sog. Vorfeiertage des 24. Dezember und 31. Dezember.

2

Der Kläger arbeitet als Krankenpfleger in dem psychiatrischen Krankenhaus der Beklagten. Er ist in Teilzeit mit 80 % der regelmäßigen tariflichen Wochenarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten beschäftigt. Seine regelmäßige Wochenarbeitszeit beläuft sich auf 30,8 Stunden in der Viertagewoche. Er kann grundsätzlich an allen sieben Tagen der Woche im Schichtdienst eingesetzt werden. Eine Tagesschicht umfasst acht Stunden. Die Dienstpläne für den Schichtdienst wurden von der Beklagten in der Vergangenheit jeweils für den Zeitraum von acht Wochen erstellt. Seit März 2009 werden die Dienste monatlich geplant.

3

Der Kläger gehört der Gewerkschaft ver.di an. Die Beklagte ist Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbands Hessen e. V. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund der originären Tarifbindung der Parteien die durchgeschriebene Fassung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K) Anwendung.

4

In § 6 TVöD-K heißt es auszugsweise:

        

§ 6   

Regelmäßige Arbeitszeit

        

(1)     

1Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für

                 

…       

        
                 

b)    

die Beschäftigten im Tarifgebiet West durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich, ...

                 

... 3Die regelmäßige Arbeitszeit kann auf fünf Tage, aus notwendigen betrieblichen/dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt werden.

        

…       

        
        

(2)     

1Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. 2Abweichend von Satz 1 kann bei Beschäftigten, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit zu leisten haben, ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden.

        

…       

        
        

(3)     

1Soweit es die betrieblichen/dienstlichen Verhältnisse zulassen, wird die/der Beschäftigte am 24. Dezember und am 31. Dezember unter Fortzahlung des Entgelts nach § 21 von der Arbeit freigestellt. 2Kann die Freistellung nach Satz 1 aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht erfolgen, ist entsprechender Freizeitausgleich innerhalb von drei Monaten zu gewähren. 3Die regelmäßige Arbeitszeit vermindert sich für den 24. Dezember und 31. Dezember, sofern sie auf einen Werktag fallen, um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden.“

5

Die Protokollerklärung zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K lautet:

        

„Die Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit betrifft die Beschäftigten, die wegen des Dienstplans frei haben und deshalb ohne diese Regelung nacharbeiten müssten.“

6

§ 6.1 TVöD-K bestimmt:

        

Arbeit an Sonn- und Feiertagen

        
        

In Ergänzung zu § 6 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 5 gilt für Sonn- und Feiertage Folgendes:

        
        

(1)     

1Die Arbeitszeit an einem gesetzlichen Feiertag, der auf einen Werktag fällt, wird durch eine entsprechende Freistellung an einem anderen Werktag bis zum Ende des dritten Kalendermonats - möglichst aber schon bis zum Ende des nächsten Kalendermonats - ausgeglichen, wenn es die betrieblichen Verhältnisse zulassen. 2Kann ein Freizeitausgleich nicht gewährt werden, erhält die/der Beschäftigte je Stunde 100 v.H. des auf eine Stunde entfallenden Anteils des monatlichen Entgelts der jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe nach Maßgabe der Entgelttabelle. 3Ist ein Arbeitszeitkonto eingerichtet, ist eine Buchung gemäß § 10 Abs. 3 zulässig. 4§ 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d bleibt unberührt.

        

(2)     

1Für Beschäftigte, die regelmäßig nach einem Dienstplan eingesetzt werden, der Wechselschicht- oder Schichtdienst an sieben Tagen in der Woche vorsieht, vermindert sich die regelmäßige Wochenarbeitszeit um ein Fünftel der arbeitsvertraglich vereinbarten durchschnittlichen Wochenarbeitszeit, wenn sie an einem gesetzlichen Feiertag, der auf einen Werktag fällt,

                 

a)    

Arbeitsleistung zu erbringen haben oder

                 

b)    

nicht wegen des Feiertags, sondern dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt sind und deswegen an anderen Tagen der Woche ihre regelmäßige Arbeitszeit erbringen müssen.

                 

2Absatz 1 gilt in diesen Fällen nicht. 3§ 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d bleibt unberührt.

        

…“    

        
7

§ 6.1 TVöD-K ist wortgleich mit § 49 Abs. 1 und 2 TVöD - Besonderer Teil Krankenhäuser -(TVöD-BT-K).

8

Am 28. Januar 2009 schloss die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung des Inhalts:

        

„…    

        

Die Dienstpläne, in welche die Vorfesttage (Heiligabend und Silvester) fallen, werden bis zu einer endgültigen Klärung der in Ziff. 2 angesprochenen Rechtsfragen so gestaltet, dass bei der Sollarbeitszeit an diesen Tagen keine Sollreduzierung der Arbeitszeit stattfindet.

        

Nach höchstrichterlicher Klärung der Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD nebst Protokollnotiz in einer Fallkonstellation, die dem hiesigen Dienstplanmodell entspricht, wird die Arbeitgeberin im Nachhinein den Beschäftigten den diesen dann evtl. zustehenden Freizeitausgleich nach dieser Vorschrift gewähren, und zwar für die Jahre ab 2008.

        

Die Arbeitgeberin verzichtet hinsichtlich der in Ziff. 2 erwähnten Freizeitausgleichsansprüche auf die Geltung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist.

        

…“    

9

Seit 1. März 2009 führt die Beklagte Arbeitszeitkonten iSv. § 10 TVöD-K. Dazu schloss sie mit dem Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung zur Dienstplan- und Arbeitszeitregelung (EDV-gestützt) des Pflegedienstes …“ (BV Dienstplan) vom 10. Februar 2009. Darin heißt es:

        

„…    

        
        

3)    

Arbeitszeitkonto

                 

Für alle Beschäftigten im Pflegedienst … werden ab sofort nach § 10 TVöD Arbeitszeitkonten eingerichtet. Betriebliche Vereinbarungen zur Dienstplanerstellung werden hierdurch nicht verändert.

        

…       

        
        

2.    

Auf Wunsch der/des Beschäftigten können auf dem Arbeitszeitkonto gebucht werden:

                 

Überstunden, die Schicht- bzw. die Wechselschichtzulage. Zuschläge für: Überstunden, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit, für Arbeit am 24.12. und am 31.12. und für Arbeit an Samstagen sowie Zeitschulden.

        

…       

        
        

4)    

Personaleinsatzplanung:

                 

Der Planungszeitraum umfasst jeweils einen Kalendermonat.

                 

Die monatlich zu verplanende Sollarbeitszeit ist auf den jeweiligen Kalendermonat systemtechnisch zu ermitteln.

                 

Vollzeitbeschäftigte werden in einer 5-Tagewoche verplant.

                 

Die Tagewoche der Teilzeitbeschäftigten wird individuell vereinbart.

                 

…       

                 

Die Erstellung der Dienstpläne (Sollpläne) erfolgt - widerruflich durch die Betriebsstättenleitung - EDV-gestützt mittels der bereitgestellten Dienstplansoftware durch die zuständige Stationsleitung eigenverantwortlich und unter Beachtung der in der Präambel genannten Grundsätze sowie der oben aufgeführten Dienst- und Pausenzeiten.

                 

Die Dienstpläne werden spätestens am Fünfzehnten des Monats vor dem Gültigkeitszeitraum von der Betriebsstättenleitung geprüft und als Sollplan festgeschrieben. ...

                 

Bei Krankheit, Dienstbefreiung, Jahresurlaub, Zusatzurlaub, Sonderurlaub unter Fortzahlung der Bezüge, geplanter Dienstbefreiung, Mutterschutz, Kur wird die täglich anzurechnende Arbeitszeit mit 8 Arbeitsstunden bewertet.

                 

…       

        

…“    

        
10

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Sollarbeitszeit iSd. tariflich oder einzelvertraglich geschuldeten Arbeitszeit sei nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K für den 24. Dezember und 31. Dezember um jeweils acht Stunden zu vermindern, wenn diese Tage auf einen Werktag fielen und er dienstplanmäßig nicht arbeiten müsse. Die regelmäßige Arbeitszeit iSv. § 6 Abs. 1 TVöD-K sei als wöchentliche Sollarbeitszeit zu verstehen. Eine Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K dahin, dass sich die regelmäßige Arbeitszeit nur dann verringere, wenn allein der Vorfeiertag ursächlich für den Ausfall von Stunden nach dem Dienstplan sei, verbiete sich. § 6 Abs. 3 Satz 1 TVöD-K sehe bezahlte Freistellung von der Arbeit für die Arbeitnehmer vor, die an beiden Vorfeiertagen oder an einem von ihnen zur Arbeit verpflichtet seien, aber unter Berücksichtigung der betrieblichen oder dienstlichen Verhältnisse von der Arbeitspflicht freigestellt werden könnten. § 6 Abs. 3 Satz 2 TVöD-K regle den umgekehrten Fall, in dem eine solche Freistellung nicht möglich sei und deshalb Freizeitausgleich gewährt werden müsse. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K schließlich betreffe die Konstellation, in der Arbeitnehmer an beiden Vorfeiertagen oder an einem von ihnen nach dem Dienstplan nicht arbeiten müssten, sofern die Vorfeiertage auf einen Werktag fielen. Daran werde deutlich, dass allen Arbeitnehmern zusätzliche bezahlte Freizeit an Heiligabend und Silvester verschafft und die unter Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrags aufgetretene Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern in der Verwaltung und Arbeitnehmern im Schichtdienst überwunden werden solle.

11

Der Kläger hat vor dem Landesarbeitsgericht zuletzt, soweit für die Revision von Interesse, beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, seine Sollarbeitszeit in der Woche des 24. Dezember und des 31. Dezember eines Jahres, wenn der 24. Dezember und der 31. Dezember auf einen Werktag fallen und er am 24. Dezember und/oder 31. Dezember des Jahres dienstplanmäßig frei hat, um jeweils acht Stunden zu vermindern.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, dass sich die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K wegen des differenzierenden Merkmals der „dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden“ lediglich dann reduziere, wenn der Vorfeiertag die alleinige Ursache für den Ausfall dienstplanmäßiger Stunden an einem Werktag gewesen sei. Nur die im Dienstplan vorgesehenen Stunden könnten ausfallen. Falle der Vorfeiertag dagegen auf einen nach dem Dienstplan freien Tag, sei die Situation mit der eines Vorfeiertags am Wochenende vergleichbar, wenn die Arbeit gleichförmig von Montag bis Freitag geleistet werde. § 6 Abs. 3 TVöD-K beziehe sich auf die „regelmäßige Arbeitszeit“ und nicht auf die „Sollarbeitszeit“. Die Begriffe seien zu unterscheiden. Durch den in § 6 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 TVöD-K definierten Begriff der „regelmäßigen Arbeitszeit“ werde die Arbeitsleistung bestimmt, die der Arbeitnehmer für sein verstetigtes monatliches Tabellenentgelt schulde. Die „Sollarbeitszeit“, die sich aus den betrieblichen Bedürfnissen ergebe, werde grundsätzlich vom Arbeitgeber im Rahmen des Direktionsrechts durch den Dienstplan vorgegeben. Damit lege der Arbeitgeber konkret-individuell fest, wann und in welchem Umfang Arbeit zu leisten sei. Der TVöD-K kenne daher Arbeitsleistungen, die Teil der „Sollarbeitszeit“, nicht aber der „regelmäßigen Arbeitszeit“ seien, wie etwa Überstunden iSv. § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K oder Mehrarbeit iSv. § 7 Abs. 6 TVöD-K. Als Ausgleichszeitraum für den Durchschnitt der „regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit“ könne bei ständig zu leistender Wechselschicht- oder Schichtarbeit zudem nach § 6 Abs. 2 Satz 2 TVöD-K ein Zeitraum von über einem Jahr zugrunde gelegt werden. Sonst sei die Jahresarbeitsleistung Berechnungsgrundlage der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitsleistung. Unter Berücksichtigung von § 24 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K errechne sich in der 38,5-Stunden-Woche eine konkrete Zahl von 2.008,776 Arbeitsstunden im Jahreszeitraum (4,348 Wochen x 12 Monate x 38,5 Stunden). Als Rechtsfolge des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K vermindere sich die vom Arbeitnehmer zu leistende Stundenzahl automatisch ohne rechtsgeschäftliches oder tatsächliches Handeln des Arbeitgebers. Die Gegenleistung des Arbeitgebers bleibe unverändert.

13

Das Arbeitsgericht hat die vor ihm erhobene Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem zuletzt noch rechtshängigen, erstmals in zweiter Instanz gestellten Antrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die klageabweisende Entscheidung erster Instanz hinsichtlich des zuletzt noch gestellten Antrags wiederhergestellt wissen.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der noch rechtshängigen Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

15

A. Die Klage ist zulässig.

16

I. Sie ist auslegungsbedürftig.

17

1. Der Kläger erstrebt nach dem Wortlaut seines noch rechtshängigen Antrags die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, seine Sollarbeitszeit in der Woche des 24. Dezember und des 31. Dezember eines Jahres um jeweils acht Stunden zu vermindern, wenn der 24. Dezember und 31. Dezember auf einen Werktag fallen und er am 24. Dezember und/oder 31. Dezember des Jahres dienstplanmäßig frei hat.

18

2. Das Landesarbeitsgericht hat diesem Antrag stattgegeben. Es hat den Begriff der „Sollarbeitszeit“ mit dem der „regelmäßigen Arbeitszeit“ iSv. § 6 Abs. 1, Abs. 3 Satz 3 TVöD-K gleichgesetzt. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, der dienstplanmäßige Arbeitsausfall am 24. Dezember und 31. Dezember habe zur Folge, dass die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers, die Sollarbeitszeit, nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K um die an diesen Tagen hypothetisch zu leistende Arbeitszeit zu verringern sei.

19

3. Das Landesarbeitsgericht hat übersehen, dass die regelmäßige Arbeitszeit durch § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K nicht durch gestaltenden Akt des Arbeitgebers, sondern von Rechts wegen vermindert wird. Das rügt die Revision zu Recht. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt für die Beschäftigten im Tarifgebiet West nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b TVöD-K durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich ohne Pausen. § 6 Abs. 2 Satz 1 TVöD-K sieht vor, dass für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen ist. Davon abweichend kann bei Beschäftigten, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit zu leisten haben, nach § 6 Abs. 2 Satz 2 TVöD-K ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden. An den Ausgleichszeiträumen zeigt sich, dass die regelmäßige Wochenarbeitszeit iSv. § 6 Abs. 1 TVöD-K nicht in jeder Woche des Jahres gleichmäßig abgefordert werden muss, sondern nur im Wochendurchschnitt eines der Berechnungszeiträume des § 6 Abs. 2 Satz 1 oder 2 TVöD-K einzuhalten ist. Das ermöglicht es, Schwankungen des Arbeitsanfalls bei der Festlegung der konkreten Wochenarbeitszeit zu berücksichtigen. Damit kann der Dienstplan für Zeiten stärkeren Arbeitsanfalls eine höhere als die durchschnittliche Wochenarbeitszeit und für Zeiten schwächeren Arbeitsanfalls eine geringere Wochenarbeitszeit vorsehen (vgl. BAG 17. Dezember 2009 - 6 AZR 729/08 - Rn. 35, BAGE 133, 14). Die mithilfe dieser Ausgleichszeiträume zu berechnende regelmäßige Arbeitszeit verringert sich nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K „automatisch“.

20

4. Die Rechtsfolge der verminderten regelmäßigen Arbeitszeit des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K muss vom Arbeitgeber jedoch bei der Dienstplangestaltung, der Arbeitszeiterfassung und der Vergütung umgesetzt werden. Geschieht das nicht, entstehen nachgelagerte Ansprüche des Arbeitnehmers auf Beseitigung des tarifwidrigen Zustands.

21

a) Geht es um die Korrektur der Arbeitszeiterfassung auf einem Arbeitszeitkonto, kommt dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos aus § 611 Abs. 1 BGB zu, wenn das Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch nach der zugrunde liegenden Abrede verbindlich bestimmt(vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 560/10 - Rn. 21; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, BAGE 136, 152). Solche Arbeitszeitkonten iSv. § 10 TVöD-K wurden im Betrieb der Beklagten durch die BV Dienstplan vom 10. Februar 2009 mit Wirkung vom 1. März 2009 eingerichtet.

22

b) Mit dem zuletzt gestellten Antrag geht es dem Kläger um die allgemeine zukunftsgerichtete Feststellung der für die Vorfeiertage des 24. Dezember und 31. Dezember zu vermindernden Sollarbeitszeit. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K ist Ausgangspunkt für den Inhalt der vorzunehmenden Korrekturbuchung. Ist wegen einer entgegen § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K unterbliebenen Reduzierung der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit Mehrarbeit des Teilzeitbeschäftigten iSv. § 7 Abs. 6 TVöD-K angefallen, sind die arbeitsvertraglichen, betrieblichen oder tariflichen Regelungen zum Ausgleich von Mehrarbeit als Anspruchsgrundlage heranzuziehen.

23

aa) Die Revision räumt selbst ein, dass der TVöD-K Arbeitsleistungen kenne, die Teil der sog. Sollarbeitszeit, nicht aber der regelmäßigen Arbeitszeit seien, wie zB Überstunden iSv. § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K oder Mehrarbeit iSv. § 7 Abs. 6 TVöD-K. Diese Sollarbeitszeit werde grundsätzlich vom Arbeitgeber - ggf. mitbestimmt - vorgegeben, der sein Weisungsrecht durch den Dienstplan ausübe. Die Weisung durch die festgelegte Sollarbeitszeit bestimme im Einzelfall, wann und in welchem Umfang Arbeit zu leisten sei.

24

bb) Der Kläger bezieht sich mit dem Begriff der Sollarbeitszeit demgegenüber auf die BV Dienstplan vom 10. Februar 2009. Danach ist die Sollarbeitszeit die für den Erhalt des verstetigten Tabellenentgelts zu leistende regelmäßige Arbeitszeit. Im Fall des Klägers handelt es sich dabei um die auf seine Teilzeitquote heruntergerechnete regelmäßige tarifliche Arbeitszeit iSv. § 6 Abs. 1 TVöD-K von 30,8 Wochenstunden. In diesem Sinn hat auch das Bundesarbeitsgericht den Begriff der Sollarbeitszeit wiederholt gebraucht (vgl. BAG 25. April 2013 - 6 AZR 800/11 - Rn. 16 ff., 40; 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09 - Rn. 17, BAGE 136, 290; 11. Februar 2009 - 5 AZR 341/08 - Rn. 11). Die Sollarbeitszeit ist monatlich zu verplanen und systemtechnisch auf den jeweiligen Kalendermonat zu ermitteln (Nr. 4 Abs. 2 BV Dienstplan). Die von der Revision unter den Begriff der Sollarbeitszeit gefasste, kraft Direktionsrechts angeordnete individuelle Arbeitszeit einschließlich von Mehrarbeit und Überstunden wird in Nr. 4 Abs. 8 und 9 BV Dienstplan dagegen als „Sollplan“ bezeichnet. Er wird unter Berücksichtigung allgemeiner Regelungen zu Pausen- und Dienstzeiten von der Stationsleitung erstellt und von der Betriebsleitung nach Prüfung festgeschrieben. Die betrieblichen Regelungen zur Dienstplanerstellung und Arbeitszeiterfassung differenzieren demnach zwischen der Sollarbeitszeit als der für das Tabellenentgelt geschuldeten regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit und dem Sollplan als der im jeweiligen Planungszeitraum kraft Weisungsrechts festgelegten Arbeitszeit.

25

cc) Aufgrund der Anknüpfung an die regelmäßige Arbeitszeit in § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K kann nach diesem Verständnis ermittelt werden, ob und in welchem Umfang Mehrarbeit angefallen ist. Der gegen den Arbeitgeber zu richtende Folgeanspruch infolge der „automatischen“ Verringerung der regelmäßigen Arbeitszeit im Umfang der für das Tabellenentgelt geschuldeten regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit durch § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K richtet sich auf die Korrektur der Sollarbeitszeit. Auf diese Weise soll der Arbeitszeitsaldo iSd. der Differenz zwischen der Soll- und der Istarbeitszeit ermittelt werden. Die Zeitgutschrift kann nicht für die Vorfeiertagsstunden, aber für die ggf. infolge der Verminderung der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K an anderen Tagen geleistete Mehrarbeit verlangt werden. Der Senat hat die Entscheidungsformel des Landesarbeitsgerichts deshalb entsprechend der Formulierung im tariflichen Ausgangspunkt des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K klargestellt.

26

II. In der vorzunehmenden Auslegung ist der noch erhobene Feststellungsantrag zulässig.

27

1. Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

28

a) Der auf einem Arbeitszeitkonto ausgewiesene Zeitsaldo gibt Auskunft darüber, in welchem Umfang der Arbeitnehmer Arbeit geleistet hat und daher Vergütung beanspruchen kann oder in welchem Umfang er noch Arbeit für das vereinbarte Entgelt leisten muss. Der Zeitsaldo als Differenz zwischen Soll- und Istarbeitszeit ist Grundlage für Ansprüche des Arbeitnehmers auf Vergütung oder Freizeitausgleich. Der Arbeitnehmer kann entweder die Erhöhung seines Zeitguthabens um eine bestimmte Stundenzahl oder eine Zeitgutschrift in bestimmter Höhe verlangen (vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 560/10 - Rn. 15; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11, BAGE 136, 152). In diesen Fällen ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

29

b) Dem wird der noch gestellte Antrag gerecht. Der Kläger will nach gebotener Auslegung festgestellt wissen, dass die Beklagte verpflichtet ist, seine Sollarbeitszeit für den 24. Dezember und/oder 31. Dezember eines Jahres um jeweils acht Stunden zu vermindern, wenn der 24. Dezember und/oder 31. Dezember auf einen Werktag fallen und er am 24. Dezember und/oder 31. Dezember des Jahres dienstplanmäßig frei hat. Eine für den 24. Dezember und 31. Dezember insgesamt um 16 Stunden zu hoch angesetzte Sollarbeitszeit führt im Abgleich mit der Istarbeitszeit dazu, dass der Zeitsaldo im Umfang von 16 Stunden zuungunsten des Klägers ausfällt, also eine zu geringe Zahl von Plusstunden oder - je nach aktuellem Saldo - eine zu hohe Zahl von Minusstunden ausweist (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 25. Januar 2013 - 6 Sa 405/12 - zu A II 1 b der Gründe).

30

2. Der Feststellungsantrag wahrt die Erfordernisse des § 256 Abs. 1 ZPO.

31

a) Der Kläger will eines seiner Rechte aus dem Arbeitsverhältnis geklärt wissen, das für die Rechtsbeziehungen der Parteien auch gegenwärtig und künftig von Bedeutung ist. Die Auslegung von § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K und die Anwendung dieser Tarifnorm auf das Dienstplanmodell der Beklagten haben unmittelbare Auswirkungen auf den Umfang der vom Kläger geschuldeten Arbeitszeit.

32

b) Da die Beklagte von einer anderen Tarifauslegung als der Kläger ausgeht, kommt dem Kläger ein Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zu. Eine Leistungsklage ist nicht vorrangig. Ausweislich der Betriebsvereinbarung vom 28. Januar 2009 strebt die Beklagte selbst eine höchstrichterliche Klärung der Auslegung von § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K an, um sie danach umzusetzen. Weiterer Streit der Parteien kann deshalb auch durch einen feststellenden Ausspruch vermieden werden.

33

B. Die noch erhobene Feststellungsklage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass der Zeitsaldo auf seinem Arbeitszeitkonto für den 24. Dezember und/oder 31. Dezember eines Jahres zu seinen Gunsten durch Verringerung des Arbeitszeitsolls um jeweils acht Stunden korrigiert wird, wenn der 24. Dezember und/oder 31. Dezember auf einen Werktag fallen und der Kläger am 24. Dezember und/oder 31. Dezember des Jahres dienstplanmäßig frei hat.

34

I. Der festzustellende Anspruch ergibt sich aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K und Nr. 4 BV Dienstplan. Ein Arbeitszeitkonto drückt aus, in welchem Umfang der Arbeitnehmer Arbeit geleistet hat und er daher Vergütung beanspruchen kann bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte Vergütung erbringen muss. Da das von der Beklagten geführte Arbeitszeitkonto nur in anderer Form den Entgeltanspruch des Klägers ausdrückt, hat er einen arbeitsvertraglichen Anspruch darauf, dass das Zeitkonto richtig geführt wird (vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 560/10 - Rn. 21; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, BAGE 136, 152). Die Auszahlung eines verstetigten Tabellenentgelts an den Kläger widerspricht dem nicht. Sie dient nur dazu, ihm gleichmäßige Einkünfte zu sichern. Grundsätzlich besteht aber kein endgültiger Leistungsanspruch des Klägers unabhängig vom Arbeitszeitkonto (vgl. BAG 14. August 2002 - 5 AZR 417/01 - zu II 2 a der Gründe; 13. Februar 2002 - 5 AZR 470/00 - zu I 2 b bb der Gründe, BAGE 100, 256).

35

II. Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K vermindert sich die regelmäßige Arbeitszeit für den 24. Dezember und 31. Dezember, sofern die Tage auf Werktage fallen, um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden.

36

1. Der Kläger arbeitet nach Dienstplan. Er ist an wechselnden Tagen in der Woche eingesetzt. Nr. 4 BV Dienstplan gibt Rahmenbedingungen für die Verteilung der Schichten und der arbeitsfreien Tage sowie Wochenenden und damit ein grobes Schema vor, nach dem festgelegt wird, an welchen Kalendertagen innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zu arbeiten ist (vgl. zu § 15 Abs. 8 Unterabs. 2 BAT schon BAG 27. September 1983 - 3 AZR 159/81 - zu I 1 der Gründe, BAGE 44, 160).

37

2. Auf die Frage, ob der Kläger an den Vorfeiertagen des 24. Dezember und 31. Dezember wegen der Vorfeiertage oder unabhängig von den Vorfeiertagen freigestellt wird, kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht an. Der Kläger hat Anspruch auf Verminderung seiner Sollarbeitszeit für den 24. Dezember und 31. Dezember eines Jahres um seine tägliche Arbeitszeit von jeweils acht Stunden, wenn der 24. Dezember und 31. Dezember auf einen Werktag fallen und er am 24. Dezember und/oder 31. Dezember des Jahres dienstplanmäßig frei hat. Dafür sprechen Wortlaut, Zusammenhang und Zweck des § 6 Abs. 3 TVöD-K. Darauf beruft sich der Kläger zu Recht.

38

a) § 6 Abs. 3 TVöD-K enthält ein differenziertes System zur Regelung der Arbeitszeit an den Vorfeiertagen des 24. Dezember und 31. Dezember. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 TVöD-K sind die Arbeitnehmer gegen Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freizustellen, die an beiden Vorfeiertagen oder an einem von ihnen zur Arbeit verpflichtet sind, aber unter Berücksichtigung der betrieblichen oder dienstlichen Verhältnisse von der Arbeitspflicht freigestellt werden können. § 6 Abs. 3 Satz 2 TVöD-K regelt den umgekehrten Fall, in dem eine solche Freistellung nicht möglich ist und deswegen auf Freizeitausgleich zurückgegriffen werden muss. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K schließt das Regelungsgefüge mit der Sachverhaltsgestaltung ab, in der Arbeitnehmer an beiden Vorfeiertagen oder an einem von ihnen nach dem Dienstplan nicht arbeiten müssen, die Vorfeiertage jedoch auf einen Werktag fallen.

39

b) Arbeitsstunden fallen dienstplanmäßig iSv. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K aus, wenn nach dem Dienstplan an bestimmten Kalendertagen Freizeit vorgesehen ist. Die Protokollerklärung zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K greift diesen Regelungsgehalt auf. Danach betrifft die Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit die Beschäftigten, die wegen des Dienstplans frei haben und daher ohne diese Regelung nacharbeiten müssten. Die Protokollerklärung schränkt den Anwendungsbereich von § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K nicht ein. Sie erläutert ihn nur.

40

c) Die von der Revision vertretene Ansicht, dass sich die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K wegen des differenzierenden Merkmals der „dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden“ nur dann verringere, wenn der Vorfeiertag die alleinige Ursache für den Ausfall dienstplanmäßiger Stunden an einem Werktag gewesen sei, ließe § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K allerdings anders als im Bereich der Feiertagsregelung des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT einen eigenständigen Anwendungsbereich. Die ohne die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K bestehende Verpflichtung zur Nacharbeit steht in einem durch das Wort „deshalb“ bewirkten Kausalzusammenhang zur dienstplanmäßigen Arbeitsbefreiung am Vorfeiertag. Die Arbeitspflicht soll nach der Protokollerklärung „deshalb“ bestehen, weil der Beschäftigte wegen des Dienstplans am Vorfeiertag frei hatte. Das betrifft nur Beschäftigte, bei denen der Dienstplan die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall am Vorfeiertag ist, und nicht solche, bei denen der Arbeitgeber die Vorfeiertage bei der Dienstplangestaltung gezielt ausspart (vgl. BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09 - Rn. 14, BAGE 136, 290). Beschäftigte, die allein wegen der Dienstplangestaltung an einem Vorfeiertag frei haben, müssen ihre regelmäßige Arbeit stets an anderen Tagen der Woche erbringen. Ob die Arbeit vor dem Vorfeiertag oder danach geleistet wird, ist unerheblich. Die Konstellation, in der der Dienstplan die ausschließliche Ursache des Arbeitsausfalls am Vorfeiertag ist, ist aber anders als bei gesetzlichen Feiertagen regelungsbedürftig. An Vorfeiertagen steht solchen Arbeitnehmern nach § 2 Abs. 1 EFZG keine Entgeltfortzahlung zu.

41

d) Der dem Wortlaut, dem Zusammenhang und der Tarifgeschichte zu entnehmende Zweck des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K macht jedoch deutlich, dass auch Arbeitnehmer, die allein wegen des Dienstplans am Vorfeiertag nicht arbeiten müssen, bezahlte Freizeit erlangen sollen. Sie sollen den Beschäftigten, die infolge des Vorfeiertags frei haben, gleichgestellt werden. Allen Beschäftigten soll zusätzliche bezahlte Freizeit für Heiligabend und Silvester zukommen, unabhängig davon, ob sie nach dem Dienstplan zur Arbeit verpflichtet oder nicht zur Arbeit eingeteilt sind. Darauf deuten der tarifliche Gesamtzusammenhang und die Tarifgeschichte hin.

42

aa) Der Tatbestand des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K erschließt sich in seinem Sinngehalt nicht ohne einen Blick auf § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT und die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. Bei der Normsetzung erfüllten die Tarifvertragsparteien eine Forderung nach Gleichstellung der feiertagsunabhängigen und feiertagsbedingten Freistellung an gesetzlichen Feiertagen (vgl. BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09  - Rn. 1 5 , BAGE 136, 290; LAG Rheinland-Pfalz 25. Januar 2013 - 6 Sa 405/12 - zu A II 2 b bb (2) (b) (dd) der Gründe; LAG Hamm 24. Mai 2012 - 11 Sa 1750/11 -). In diese Gleichstellung sollten die Vorfeiertage des 24. Dezember und 31. Dezember einbezogen werden, wie die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT zeigt(vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Juni 2011 E § 6 Rn. 41b; Welkoborsky in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TVöD Stand März 2009 § 6 TVöD-AT Rn. 10a). Entsprechendes gilt für § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K. Die im Ausgangspunkt beabsichtigte Gleichstellung der gesetzlichen Feiertage und der besonderen Vorfeiertage des 24. Dezember und 31. Dezember im Krankenhausbereich geht insbesondere daraus hervor, dass die Sonn- und Feiertagsregelung des § 6.1 TVöD-K nach dessen Eingangssatz § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K(nur) ergänzt.

43

bb) Nach § 2 Abs. 1 EFZG besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch für einen arbeitsfreien gesetzlichen Feiertag bei Arbeit nach einem Schichtplan nur dann, wenn die planmäßige Freistellung durch die gesetzliche Feiertagsruhe bestimmend beeinflusst ist, durch die Ausdünnung oder den Ausfall von Schichten aufgrund eines feiertagsbedingt verminderten Leistungsbedarfs. § 2 Abs. 1 EFZG begründet dagegen keinen Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn sich die Freistellung aus einem Planschema ergibt, das von der gesetzlichen Feiertagsruhe unabhängig ist, etwa weil der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung durch den Feiertag nicht oder nicht wesentlich geringer ist. Dass der Arbeitnehmer an diesem Tag planmäßig frei hat, liegt dann nicht am Feiertag, sondern dient zB dazu, einen Fünftagesrhythmus einzuhalten (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Juni 2011 E § 6 Rn. 41, 41a).

44

cc) Für diese Fälle der feiertagsunabhängigen Freistellung hatten die Vorgängertarifverträge (§ 15 BAT, § 15 MTArb, §§ 14, 15 BMT-G)keine Regelung getroffen. Es blieb insbesondere bei der Verpflichtung der Schichtdienstleistenden, die regelmäßige Wochenarbeitszeit zu leisten. Die planmäßige Freistellung an einem Feiertag wirkte sich darauf ebenso wenig aus wie die Freistellung an einem sonstigen Wochentag. Das wurde als Schlechterstellung der Schichtdienstleistenden gegenüber den Normaldienstleistenden in der Verwaltung kritisiert (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Juni 2011 E § 6 Rn. 41a; Welkoborsky in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TVöD Stand März 2009 § 6 TVöD-AT Rn. 10a).

45

dd) In die bezahlte Freistellung am 24. Dezember und 31. Dezember vor 12:00 Uhr waren die Schichtdienstleistenden, die dienstplanmäßig frei hatten, jedoch bereits nach den Protokollnotizen zu § 16 Abs. 2 BAT und § 16 Abs. 2 MTArb und der Protokollerklärung zu § 15 Abs. 4 BMT-G einbezogen. Das sollte im neuen Tarifrecht beibehalten und weiter integriert werden (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Juni 2011 E § 6 Rn. 41a).

46

ee) Zudem waren gleichförmige Regelungen wie im Beamtenrecht angestrebt. Für Beamte im Schichtdienst war bereits seit 1999 vorgesehen, dass sich ihre regelmäßige Arbeitszeit für jeden gesetzlichen Feiertag sowie für den 24. Dezember und 31. Dezember in demselben Umfang verminderte wie für Beamte desselben Verwaltungszweigs mit fester Arbeitszeit (vgl. § 1 Abs. 2 AZV idF vom 3. August 1999 BGBl. I S. 1745 und § 3 Abs. 3 AZV idF vom 23. Februar 2006 BGBl. I S. 427; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Juni 2011 E § 6 Rn. 41a).

47

ff) Aus dieser tariflichen Entstehungsgeschichte leitet sich zugleich der Zweck des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT und des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K ab. Danach soll jeder, der an einem Wochenfeiertag, am 24. Dezember oder 31. Dezember nicht zu arbeiten braucht, für weniger Arbeit die gleiche Vergütung erhalten. Das gilt selbst dann, wenn dem Beschäftigten wegen feiertags- oder vorfeiertagsunabhängiger planmäßiger Freistellung kein unmittelbarer Anspruch aus § 2 Abs. 1 EFZG oder § 6 Abs. 3 Satz 1 TVöD-K zusteht. Die Gleichstellung der (vor-)feiertagsbedingten und der dienstplanbedingten Freistellung an (Vor-)Feiertagen unterscheidet sich lediglich in der rechtlichen Konstruktion. Bei (vor-)feiertagsbedingter Freistellung bleibt das Arbeitszeitsoll grundsätzlich unverändert. Der Vergütungsausfall wird bei den gesetzlichen Feiertagen durch den gesetzlichen Entgeltfortzahlungsanspruch aus § 2 Abs. 1 EFZG und bei den Vorfeiertagen des 24. Dezember und 31. Dezember durch den tariflichen Entgeltfortzahlungsanspruch aus § 6 Abs. 3 Satz 1 TVöD-K ausgeglichen. Bei (vor-)feiertagsunabhängiger Freistellung wird demgegenüber das für den vollen Vergütungsanspruch maßgebliche Arbeitszeitsoll herabgesetzt (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Juni 2011 E § 6 Rn. 41a, 41b). Ob die Tarifvertragsparteien mit dieser Gleichstellung eine überzeugende Regelung getroffen haben, hat der Senat nicht zu beurteilen. Anhaltspunkte für eine Überschreitung ihrer Regelungsmacht bestehen nicht.

48

gg) Der tarifliche Regelungszusammenhang steht diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K regelt im Unterschied zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT ausschließlich die Vorfeiertage des 24. Dezember und 31. Dezember, nicht auch die gesetzlichen Feiertage. Das beruht auf dem Umstand, dass die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K für die gesetzlichen Feiertage durch § 6.1 TVöD-K ergänzt wird. Diese Norm übernimmt die für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen speziellere Regelung des § 49 TVöD-BT-K. § 6.1 Abs. 2 TVöD-K weicht für Feiertage auf der Tatbestandsseite ausdrücklich von § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K ab. Die Bestimmung regelt zwei Fälle, die dienstplanmäßige Arbeit und die dienstplanmäßige Freistellung. Dagegen betrifft § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K nur die dienstplanmäßige Freistellung. Die Rechtsfolgen sind im Umfang der Verminderung der Arbeitszeit unterschiedlich ausgestaltet. Nach § 6.1 Abs. 2 TVöD-K verringert sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für jeden gesetzlichen Feiertag, der auf einen Werktag fällt, generell um ein Fünftel der arbeitsvertraglich vereinbarten durchschnittlichen Wochenarbeitszeit. Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K, den § 6.1 TVöD-K nach seinem Eingangssatz ergänzt, muss demgegenüber individuell festgestellt werden, wie viele Stunden der betreffende Arbeitnehmer hätte arbeiten müssen, wenn er dienstplanmäßig zur Vorfeiertagsarbeit herangezogen worden wäre. Nur diese Stundenzahl ist von der Sollarbeitszeit abzusetzen (vgl. zu § 49 Abs. 2 TVöD-BT-K BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09  - Rn. 1 6 , BAGE 136, 290).

49

C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Augat    

        

    Cl. Peter    

                 

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

I. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 2. Juli 2013 - 14 Sa 1706/12 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 24. Oktober 2012 - 2 Ca 380/12 - teilweise abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.178,76 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Mai 2012 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz haben die Klägerin 64 % und die Beklagte 36 % zu tragen, von denen des Berufungsverfahrens und der Revision die Klägerin 61 % und die Beklagte 39 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Auszahlung eines Arbeitszeitguthabens.

2

Die Klägerin wurde von der Beklagten, die mehrere Textileinzelhandelsgeschäfte betreibt, zum 1. Juni 2007 als Bürofachkraft eingestellt. Sie erledigte Sekretariats- und Assistenztätigkeiten für die Geschäftsführung und leitete zuletzt das sogenannte „Back Office“. Ihre Hauptaufgaben verrichtete sie im Vorzimmer der Geschäftsführung. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung am 31. März 2012.

3

Grundlage des Arbeitsverhältnisses war zunächst ein schriftlicher, von der Beklagten gestellter Arbeitsvertrag vom 28. April 2007 (im Folgenden Arbeitsvertrag 2007), der unter anderem folgende Regelungen enthielt:

        

„§ 3 Vergütung

        

Die monatliche Bruttovergütung beträgt 2.500 €. Die Vergütung wird jeweils am Letzten eines Monats fällig. Die Zahlung erfolgt bargeldlos auf das der Firma benannte Konto des Arbeitnehmers.

        

…       

        

§ 7 Arbeitszeit

        

Die Arbeitszeit ist flexibel und richtet sich nach der betriebsüblichen Zeit. Vereinbart werden monatlich 163 Stunden ohne die Berücksichtigung von Pausen. Mehr bzw. Minderstunden werden über ein Zeitkonto abgerechnet. Bei Austritt aus dem Unternehmen wird der Saldo mit dem durchschnittlichen Stundenlohn verrechnet. Arbeitsbeginn und Arbeitsende richten sich nach der jeweiligen Personaleinsatzplanung. Die Firma ist berechtigt, aus dringenden betrieblichen Erfordernissen eine Änderung der Arbeitszeiteinteilung vorzunehmen.

        

…       

        

§ 12 Tarifvertrag

        

Ergänzend gelten die Regelungen des Tarifvertrages für den Einzelhandel in NRW in seiner jeweils geltenden Fassung.

        

§ 13 Ausschlussklausel

        

Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis müssen innerhalb eines Monats nach Zugang der letzten Gehaltsabrechnung geltend gemacht werden; anderenfalls sind sie verwirkt.

        

§ 14 Nebenabreden

        

Nebenabreden und Änderungen des Vertrages bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der Schriftform. Dieses Formerfordernis kann weder mündlich noch stillschweigend aufgehoben oder außer Kraft gesetzt werden. Eine etwaige Ungültigkeit einzelner Vertragsbestimmungen berührt die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht.“

4

Am 22. Februar 2008 vereinbarten die Parteien in einem „Nachtrag 1 zum unbefristeten Arbeitsvertrag vom 28. April 2007“ unter Beibehaltung der übrigen vertraglichen Vereinbarungen eine Änderung der Kündigungsfrist und eine Erhöhung der Vergütung der Klägerin zum 1. März 2008 auf 2.750,00 Euro brutto und zum 1. Januar 2009 auf 3.000,00 Euro brutto.

5

Mit Formulararbeitsvertrag vom 13./27. November 2008 (im Folgenden Arbeitsvertrag 2008), der gemäß § 1 Abs. 1 mit Wirkung zum 1. Januar 2009 den Arbeitsvertrag vom 28. April 2007 sowie den Nachtrag 1 vom 22. Februar 2008 ersetzte, vereinbarten die Parteien ua. bei gleichbleibender Vergütung in § 7 Abs. 1 eine Verlängerung der monatlichen Arbeitszeit auf 173 Stunden. Im Übrigen blieb § 7 unverändert. Die §§ 12 bis 14 stimmen mit denen des Arbeitsvertrags 2007 überein.

6

Im Manteltarifvertrag für die Unternehmen des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen vom 25. Juli 2008 (im Folgenden MTV), abgeschlossen mit Wirkung zum 1. Januar 2007, ist ua. geregelt:

        

㤠24 Verfallklausel

        

(1)     

Die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen wie folgt:

                 

a)    

3 Monate nach Fälligkeit:

                          

Ansprüche auf Abgeltung der Überstunden;

                 

b)    

spätestens 3 Monate nach Ende des Urlaubsjahres bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

                          

Ansprüche auf Urlaub, Urlaubsabgeltung und Sonderzahlungen;

                 

c)    

6 Monate nach Fälligkeit:

                          

alle übrigen aus Tarifvertrag und Arbeitsverhältnis entstandenen finanziellen Ansprüche.

        

(2)     

Die Ansprüche verfallen nicht, sofern sie innerhalb der vorgenannten Fristen schriftlich geltend gemacht worden sind.

        

(3)     

Vorstehende Fristen gelten als Ausschlussfristen.

        

(4)     

Unter die Verfallklausel fallen nicht solche Ansprüche eines Arbeitgebers oder eines Arbeitnehmers gegen einen Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, die auf eine strafbare Handlung oder eine unerlaubte Handlung gestützt werden. Für diese Ansprüche gelten die gesetzlichen Vorschriften.“

7

Die Bestimmung wurde in der durch den Ergänzungstarifvertrag vom 29. Juni 2011 geänderten Fassung des MTV beibehalten.

8

Die Beklagte händigte der Klägerin für den Zeitraum 1. Juni 2007 bis 25. November 2008 mit „Bericht Arbeitszeit Verkäufer“ überschriebene Aufstellungen aus, in denen Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit, die Gesamtstunden, die Pausen sowie die bezahlte Arbeitszeit ausgewiesen sind. Die Plus-Differenz zwischen geleisteten und vergüteten Stunden belief sich danach auf 414 Stunden. In der Folgezeit erfasste die Beklagte die Arbeitszeit der Klägerin nicht mehr und händigte ihr keine weiteren Berichte aus.

9

Die Klägerin führte ab dem 26. November 2008 eine eigene Arbeitszeitaufstellung. Darin hat sie für jeden Arbeitstag ihre Regelarbeitszeit, Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit und Pausenzeiten festgehalten sowie Mehr- und Minderarbeit fortlaufend saldiert. Aus dieser Aufstellung ergeben sich für den Zeitraum 26. November 2008 bis 30. Dezember 2011 eine Plus-Differenz von 643 Stunden und 10 Minuten sowie - ergänzend zu den Berichten der Beklagten - für den 30. und 31. August 2008 zusätzlich 1,5 Gutstunden. Die Aufstellung legte die Klägerin der Beklagten nicht vor.

10

Mit Schreiben vom 24. Februar 2012 forderte die Klägerin die Beklagte unter Hinweis auf § 7 Arbeitsvertrag auf, ihr eine Abrechnung des Arbeitszeitkontos zu übersenden. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 28. Februar 2012 mit der Begründung ab, das Arbeitszeitkonto stehe auf null. Ihre Ablehnung wiederholte sie auf eine nochmalige schriftliche Aufforderung vom 6. März 2012.

11

Mit ihrer am 23. März 2012 eingereichten Klage hat die Klägerin zuletzt die Abgeltung des von ihr für den Zeitraum 1. Juni 2007 bis 31. März 2012 behaupteten Zeitguthabens verlangt. Sie hat geltend gemacht, der Geschäftsführer der Beklagten habe sich am 26. Januar 2009, als er ihr das nicht vollständige Arbeitszeitkonto für November 2008 übergeben habe, geweigert ihre Arbeitszeitaufstellungen entgegen zu nehmen und auch für die Zukunft die Führung eines Arbeitszeitkontos abgelehnt. Er habe die Anweisung erteilt, ihre Arbeitszeiten nicht mehr zu erfassen. Zu den in ihren Arbeitszeitaufstellungen genannten Zeiten habe sie im Betrieb der Beklagten gearbeitet. Durch ihre Tätigkeit im Vorzimmer des Geschäftsführers sei dieser auch jederzeit über ihre Arbeitszeit orientiert gewesen. Sie habe Überstunden leisten müssen, weil sämtliche Geschäftsanfälle auf Weisung des Geschäftsführers sofort zu bearbeiten gewesen seien.

12

Die Klägerin hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 18.357,28 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Mai 2012 zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, das Arbeitszeitkonto stehe auf null. Ein Arbeitszeitkonto sei nicht mehr zu führen gewesen, weil die Parteien bereits kurz nach Beginn des Arbeitsverhältnisses Vertrauensarbeitszeit vereinbart hätten. Überstunden seien von ihr nicht angeordnet, gebilligt oder geduldet worden. Sie seien auch nicht zur Erledigung der Arbeit notwendig gewesen. Etwaige Ansprüche seien zudem verfallen und verjährt.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage in dem noch anhängigen Umfang stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.

15

Die Beklagte hat erstmals mit der Revisionsbegründung behauptet, mit der Klägerin in einem Nachtrag zum Arbeitsvertrag 2008 vom 18. Februar 2011 eine auf die tarifliche Ausschlussfrist verweisende Regelung vereinbart zu haben.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision der Beklagten ist zum Teil begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Klägerin zu Unrecht in vollem Umfang stattgegeben. Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet. Die Klägerin hat gemäß § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 7 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Arbeitsvertrag Anspruch auf Vergütung in Höhe von 7.178,76 Euro brutto nebst Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

17

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere streitgegenständlich hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Streitgegenstand der Klage ist die Abgeltung eines bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis behaupteten Zeitguthabens. Zu dessen Bestimmung genügt der Vortrag der Klägerin, eine fortlaufende Saldierung von Mehr- und Minderstunden sei vereinbart worden sowie die Bezifferung des behaupteten Guthabens und des sich hieraus ergebenden Abgeltungsbetrags (vgl. BAG 13. März 2002 - 5 AZR 43/01 - zu I der Gründe).

18

II. Die Klage ist zum Teil begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin zur Abgeltung des bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehenden Zeitguthabens 7.178,76 Euro brutto nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

19

1. Die Klägerin hat ein Zeitguthaben von 414 Stunden schlüssig dargelegt.

20

a) Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste(vgl. BAG 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 20, BAGE 141, 88) und deshalb Vergütung beanspruchen kann, bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte Vergütung erbringen muss. Begehrt der Arbeitnehmer die Abgeltung eines Zeitguthabens, macht er den Vergütungsanspruch für vorgeleistete Arbeit geltend (vgl. BAG 24. September 2003 - 10 AZR 640/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 108, 1; 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 13, BAGE 135,197). Da dieses Zeitguthaben nur in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrückt, genügt für die Schlüssigkeit einer Klage, die auf Ausgleich des Guthabens auf einem Arbeitszeitkonto gerichtet ist, dass der Kläger die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos und das Bestehen eines Guthabens zum vereinbarten Auszahlungszeitpunkt darlegt (BAG 13. März 2002 - 5 AZR 43/01 - zu II 1 der Gründe; 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 13, aaO).

21

b) Die Klägerin hat mit den Regelungen in § 7 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Arbeitsvertrag die Vereinbarung der Führung eines Arbeitszeitkontos und der Abgeltung eines ggf. bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehenden Guthabens schlüssig vorgetragen. Mit Vorlage der von der Beklagten bis 25. November 2008 geführten Berichte und der Behauptung, sie habe in der Folgezeit (jedenfalls) nicht weniger Arbeitsstunden geleistet als geschuldet, hat sie zudem einen sich aus dem Arbeitszeitkonto bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu ihren Gunsten ergebenden Saldo von 414 Stunden schlüssig dargelegt. Dieser ist nach § 7 Abs. 1 Satz 4 Arbeitsvertrag mit dem rechnerisch unstreitigen Stundensatz von 17,34 Euro brutto abzugelten.

22

2. Die Beklagte hat keine Tatsachen dargelegt, die geeignet wären, den sich aus dem Arbeitszeitkonto ergebenden, mit den der Klägerin ausgehändigten Berichten „Arbeitszeit Verkäufer“ streitlos gestellten Saldo zu entkräften.

23

a) Die regelmäßigen Buchungen auf dem Arbeitszeitkonto stellen nicht rechtsgeschäftliche Erklärungen, sondern tatsächliche Handlungen im Sinne sogenannter Wissenserklärungen dar. Der Arbeitnehmer, der Kenntnis von der Buchung erhält, kann nicht annehmen, es handele sich um eine auf Bestätigung oder gar Veränderung der Rechtslage gerichtete Willenserklärung im Sinne eines deklaratorischen oder konstitutiven Schuldanerkenntnisses (vgl. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 26). Der Arbeitgeber stellt jedoch mit der vorbehaltlosen Ausweisung von Guthabenstunden in einem für den einzelnen Arbeitnehmer geführten Arbeitszeitkonto dessen Saldo streitlos (vgl. BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 19, BAGE 135, 197). Er bringt damit regelmäßig zum Ausdruck, dass bestimmte Arbeitsstunden tatsächlich und mit seiner Billigung geleistet wurden. Will der Arbeitgeber im Nachhinein den sich aus dem Arbeitszeitkonto zugunsten des Arbeitnehmers ergebenden Saldo erheblich bestreiten, obliegt es ihm ausgehend von einer gestuften Darlegungslast, im Einzelnen darzulegen, aufgrund welcher Umstände der ausgewiesene Saldo unzutreffend sei oder sich bis zur vereinbarten Schließung des Arbeitszeitkontos reduziert habe. Erst dann hat der Arbeitnehmer vorzutragen, wann er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen habe, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt (vgl. BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14 ff., BAGE 141, 144 zur Darlegungs- und Beweislast im Vergütungsprozess). Trägt der Arbeitgeber hingegen nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der im Arbeitszeitkonto vorbehaltlos ausgewiesene Saldo als zugestanden.

24

b) Ein zugunsten der Klägerin bestehendes Zeitguthaben von 414 Stunden gilt danach als zugestanden.

25

aa) Der Vortrag der Beklagten beschränkt sich auf die pauschale Behauptung, das Arbeitszeitkonto habe bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf null gestanden. In welcher Hinsicht die der Klägerin ausgehändigten Aufstellungen „Bericht Arbeitszeit Verkäufer“ unzutreffend sein sollen und zu welchen der darin angegebenen Zeiten die Klägerin nicht oder nicht auf arbeitgeberseitige Veranlassung gearbeitet haben soll, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Sie hat auch nicht behauptet, die Klägerin habe nach dem 25. November 2008 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als geschuldet gearbeitet, so dass sich das Guthaben reduziert hätte.

26

bb) Unbeachtlich ist, dass die Berichte basierend auf Arbeitszeitangaben der Klägerin erstellt wurden. Die Beklagte hat die Angaben nicht nur widerspruchslos zur Kenntnis genommen (vgl. hierzu BAG 3. November 2004 - 5 AZR 648/03 - zu III 2 der Gründe; 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 c der Gründe), sondern sich zu eigen gemacht, indem sie nach den in der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Klägerin - vergleichbar mit der Abzeichnung von Stunden durch den Arbeitgeber oder einen vertretungsberechtigten Vorgesetzten (vgl. hierzu BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 19) - die Berichte „Arbeitszeit Verkäufer“ aushändigte. Auch unterlassene Rückstellungen für Arbeitszeitguthaben der Klägerin in den Handelsbilanzen der Jahre 2008 bis 2011 - unterstellt man zugunsten der Beklagten, die Klägerin sei für deren Ermittlung verantwortlich gewesen - sind nicht geeignet, das zuvor streitlos gestellte Guthaben in Frage zu stellen.

27

3. Die Parteien haben den Abgeltungsanspruch der Klägerin nicht rechtsgeschäftlich durch Erlass zum Erlöschen gebracht.

28

a) Ein Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllen betrachten. Wenn feststeht, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben. An die Feststellung eines Verzichtswillens sind hohe Anforderungen zu stellen. Ein Erlass liegt im Zweifel nicht vor (vgl. BAG 7. November 2007 - 5 AZR 880/06 - Rn. 17 ff., BAGE 124, 349).

29

b) Es fehlt vorliegend bereits an einer auf einen Erlass gerichteten rechtsgeschäftlichen Erklärung der Klägerin. Eine solche kann nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin die unterlassene Fortführung des Arbeitszeitkontos durch die Beklagte hingenommen hat. Sonstige Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigten, die Klägerin habe den Bestand ihrer Rechte in irgendeiner Weise verändern und dabei auf Ansprüche verzichten wollen, ergeben sich weder aus den unstreitigen noch den von der Beklagten vorgetragenen Umständen.

30

4. Die Parteien haben auch keine von § 7 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Arbeitsvertrag abweichende Vereinbarung getroffen.

31

a) Soweit die Beklagte meint, eine solche sei aus einer mit der Klägerin vereinbarten „Vertrauensarbeitszeit“ abzuleiten, ist ihr Vortrag nicht erheblich. „Vertrauensarbeitszeit“ bedeutet nur, dass der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, der betreffende Arbeitnehmer werde seine Arbeitspflicht in zeitlicher Hinsicht auch ohne Kontrolle erfüllen (vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B II 2 d cc (2) der Gründe, BAGE 106, 111; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 34; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 35). Die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit steht weder der Führung eines Arbeitszeitkontos entgegen noch schließt sie die Abgeltung eines aus Mehrarbeit des Arbeitnehmers resultierenden Zeitguthabens aus.

32

b) Dass zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer mündlich vereinbart worden sei, ein Arbeitszeitkonto werde nicht mehr geführt und ein bestehendes Zeitguthaben nicht abgegolten, hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Sie hat Zeit, Umstände und Inhalt eines nach ihrem Behaupten mit der Klägerin geführten Gesprächs unzureichend dargelegt. Der fehlende Sachvortrag konnte auch nicht durch eine Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten ersetzt werden. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht den Geschäftsführer der Beklagten nicht nach § 448 ZPO als Partei vernommen. Dessen Vernehmung hätte - unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen einer Parteivernehmung - einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dargestellt (vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 368/13 - Rn. 23), zumal eine Präzisierung der Angaben durch den Geschäftsführer anlässlich seiner Anhörung gemäß § 141 ZPO im Berufungstermin nicht erfolgte.

33

5. Der Anspruch der Klägerin auf Abgeltung von 414 Stunden ist nicht verfallen.

34

Die Beklagte hat im Arbeitszeitkonto der Klägerin zum 25. November 2008 414 Guthabenstunden vorbehaltlos ausgewiesen. Damit war wie bei der vorbehaltlosen Ausweisung einer Vergütungsforderung in einer Lohnabrechnung der Zweck der Geltendmachung erreicht. Schon aus diesem Grund war die Klägerin weder nach Maßgabe von § 13 Arbeitsvertrag noch nach § 24 MTV zur Geltendmachung des streitlos gestellten Guthabens innerhalb einer Ausschlussfrist gehalten. Die Notwendigkeit zur Geltendmachung des auf dem Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Guthabens lebte auch nicht wieder auf, als sich dieses nach § 7 Abs. 1 Satz 4 Arbeitsvertrag bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Zahlungsanspruch wandelte(vgl. BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 20, BAGE 135, 197).

35

6. Der Abgeltungsanspruch ist weder verjährt noch verwirkt.

36

a) Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 Arbeitsvertrag war der sich aus dem Arbeitszeitkonto ergebende Saldo „bei Austritt aus dem Unternehmen“ mit dem durchschnittlichen Stundenlohn zu verrechnen. Der Abgeltungsanspruch ist danach bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, dh. mit Ablauf des 31. März 2012, entstanden und fällig geworden. Die von der Beklagten - entgegen den vertraglichen Vereinbarungen - unterlassene Fortführung des Arbeitszeitkontos führte nicht zu einer früheren Fälligkeit.

37

b) Die Klägerin hat die Klage vor Ablauf der nach § 195 BGB für den Abgeltungsanspruch als Vergütungsanspruch einzuhaltenden regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren eingereicht. Das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment konnte vorliegend nicht ausgelöst werden, denn die zunächst als Stufenklage eingereichte Klage wurde der Beklagten vor Fälligkeit des Abgeltungsanspruchs zugestellt. Eine Verwirkung scheidet von vornherein aus, solange das geltend gemachte Recht noch nicht besteht (vgl. BAG 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 - Rn. 69 f.).

38

7. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Landesarbeitsgericht konnte der Klägerin antragsgemäß Zinsen ab 1. Mai 2012 zusprechen, ohne § 193 BGB außer Acht zu lassen. Der 1. April 2012 war ein Sonntag. Die Leistung war nach § 193 BGB am 2. April 2012 zu bewirken. Die Beklagte befand sich ab dem Folgetag im Verzug, ohne dass es einer Mahnung iSv. § 286 Abs. 1 BGB bedurft hätte. Für die Abgeltung des Arbeitszeitguthabens war zwar nicht iSv. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine Zeit nach dem Kalender bestimmt. Eine Mahnung war jedoch nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 24. Februar 2012 und vom 5. März 2012 von der Beklagten wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 7 Arbeitsvertrag die „Abrechnung“ des Arbeitszeitkontos. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 28. Februar 2012 und vom 6. März 2012 generell mit der Begründung ab, das Arbeitszeitkonto stehe auf null. Die Klägerin musste die Schreiben nicht nur bezogen auf eine den Abrechnungs-, sondern auch auf den sich aus § 7 Arbeitsvertrag ergebenden Abgeltungsanspruch als ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung iSv. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB verstehen.

39

III. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat ein über 414 Stunden hinausgehendes Zeitguthaben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht schlüssig dargelegt. Das von der Klägerin behauptete weitergehende Zeitguthaben soll nach ihrem Vortrag aus der Leistung vergütungspflichtiger Überstunden resultieren. Insofern hat die Klägerin zwar die Leistung von Überstunden schlüssig dargelegt, nicht aber eine Pflicht der Beklagten diese zu vergüten.

40

1. Die Grundsätze der Darlegungslast, die gelten, wenn der Arbeitgeber in einem von ihm geführten Arbeitszeitkonto ein Zeitguthaben vorbehaltlos ausgewiesen hat, können nicht übertragen werden, wenn sich der Arbeitnehmer zur Begründung seines Anspruchs auf selbst gefertigte Arbeitszeitaufstellungen beruft, die sich der Arbeitgeber nicht zu eigen gemacht hat. In diesem Fall sind zunächst vom Arbeitnehmer die den behaupteten Saldo begründenden Tatsachen im Einzelnen darzulegen. Erst wenn dies geschehen ist, hat sich der Arbeitgeber hierzu zu erklären. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Arbeitgeber die Führung eines Arbeitszeitkontos vertragswidrig unterlassen hat.

41

2. Die Klägerin stützt sich zur Darlegung des weitergehenden Zeitguthabens nicht auf ein von der Beklagten geführtes Arbeitszeitkonto, sondern auf die von ihr selbst erstellten, der Beklagten erst im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits zur Kenntnis gebrachten Arbeitszeitaufstellungen.

42

a) Behauptet der Arbeitnehmer zur Begründung eines (abzugeltenden) Arbeitszeitguthabens, geleistete Überstunden seien in ein vereinbartes Arbeitszeitkonto einzustellen, kann er sich, hat der Arbeitgeber die Stunden und den sich unter ihrer Berücksichtigung ergebenden Saldo des Arbeitszeitkontos nicht streitlos gestellt, nicht auf die Darlegung der Überstundenleistung beschränken, sondern hat als weitere Voraussetzung für eine Gutschrift die arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung der behaupteten Überstunden darzulegen.

43

Wie im Überstundenprozess hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat und geleistete Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst wurden oder diesem zumindest zuzurechnen sind. Denn der Arbeitgeber muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen, und der Arbeitnehmer kann nicht durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 13).

44

Der eine Zeitgutschrift für Überstunden beanspruchende Arbeitnehmer genügt deshalb seiner Darlegungslast nicht schon, wenn er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Er hat darüber hinaus darzulegen, dass Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen seien (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 a der Gründe; 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 31, BAGE 141, 330; 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 16 ff.).

45

b) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin nicht. Sie hat zwar dargelegt, an welchen Tagen sie von wann bis wann Arbeit geleistet haben will, nicht aber, dass Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen wäre.

46

aa) Auf eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden hat sich die Klägerin nicht berufen. Eine konkludente Anordnung von Überstunden hat sie nicht schlüssig dargelegt. Die Klägerin hat lediglich, ohne dies im Einzelnen zu substantiieren, behauptet, die Überstunden seien aufgrund des Umfangs der ihr übertragenen Aufgaben und auch deshalb angefallen, weil auf Weisung des Geschäftsführers sämtliche Geschäftsanfälle sofort zu bearbeiten gewesen seien. Dieser pauschale Vortrag ist ungeeignet, die Erforderlichkeit der einzelnen Arbeitsstunden darzulegen. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, dass bestimmte angewiesene Arbeiten innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten waren (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 31, BAGE 141, 330). Allein die Anwesenheit der Klägerin im Betrieb begründet keine Vermutung dafür, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 17).

47

bb) Die Klägerin hat die Billigung geleisteter Überstunden durch die Beklagte nicht dargelegt. Auch nach dem Vortrag der Klägerin hat die Beklagte erst im vorliegenden Rechtsstreit Kenntnis davon erlangt hat, welche Überstundenleistungen die Klägerin im Einzelnen behauptet.

48

cc) Ebenso wenig ergibt sich eine Duldung von Überstunden aus dem Vorbringen der Klägerin. Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden künftig zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet, sie vielmehr weiterhin entgegennimmt (BAG 6. Mai 1981 - 5 AZR 73/79 - zu II 3 der Gründe). Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Erst wenn dieses feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 21).

49

Die Klägerin hat nicht durch substantiierten Sachvortrag aufgezeigt, weshalb der Beklagten die behaupteten Überstunden als über die Normalarbeitszeit hinausgehend hätten bekannt sein müssen. Aus ihrer Tätigkeit im Vorzimmer der Geschäftsführung kann nicht geschlossen werden, der Geschäftsführer der Beklagten sei, wie die Klägerin behauptet, jederzeit über ihre Arbeitszeit orientiert gewesen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Geschäftsführer sich zu den von ihr als Überstunden aufgelisteten Zeiten ausnahmslos und ohne Unterbrechungen in seinem Büro aufgehalten habe.

50

3. Dass die Beklagte die weitere Führung des Arbeitszeitkontos vertragswidrig unterlassen hat, rechtfertigt keine abweichende Verteilung der Darlegungslast. Auch bei Fortführung des Arbeitszeitkontos hätte es im Streitfall zunächst der Klägerin oblegen, zur Rechtfertigung eines Guthabens, Tatsachen vorzutragen, die geeignet sind, einen Anspruch auf Einstellung behaupteter Überstunden in das Arbeitszeitkonto zu begründen. Sie hätte auch in diesem Fall nicht nur die Leistung von Überstunden, sondern zusätzlich schlüssig darlegen müssen, dass diese von der Beklagten veranlasst wurden oder ihr zuzurechnen seien.

51

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber     

        

    Volk     

        

        

        

    Dombrowsky     

        

    Zorn     

                 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. Mai 2012 - 8 TaBV 97/11 - aufgehoben.

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 4. November 2011 - 5 BV 150/11 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Vergütung von Samstagsarbeit.

2

Die nicht tarifgebundene Arbeitgeberin ist ein Einzelhandelsunternehmen. In ihrem K Betrieb ist der antragstellende Betriebsrat gebildet. Die Arbeitgeberin veröffentlichte im März 2009 in der Filiale K ein hausinternes Rundschreiben, in dem es hieß:

        

„       

ZEITKONTO/SAMSTAGSVERGÜTUNG

        

Ihr seid super! Für Eure hervorragende Arbeit in den Jahren seit unserer Eröffnung konnte unsere Filiale eine tolle Leistung erzielen. Daher gilt ab sofort folgende Regelung für die Arbeit der Voll- und Teilzeitkräfte am Samstag: 25 % der geleisteten Stundenzahl wird in einem separaten Stundenkonto gesammelt. Die Vergütung dieser Stunden wird noch geregelt. In Kürze erhaltet Ihr weitere Infos.“

3

Die Arbeitgeberin gewährte in der Folgezeit bei einem Einsatz an Samstagen auf den Arbeitszeitkonten ihrer Beschäftigten eine Gutschrift iHv. 25 % für die erbrachte Arbeitsleistung. Den Betriebsrat beteiligte sie hierbei nicht. Seit September 2010 schließt die Arbeitgeberin mit neu eingestellten Arbeitnehmern arbeitsvertraglich eine Zeitgutschrift für die Arbeit an Samstagen aus. Den am 31. August 2010 beschäftigten Arbeitnehmern gewährt sie diese hingegen unverändert weiter.

4

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Arbeitgeberin sei zur Gewährung der Zeitgutschrift an alle Arbeitnehmer verpflichtet. Die Änderung des begünstigten Personenkreises unterliege seinem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Ihre Zusage aus dem Frühjahr 2009 könne die Arbeitgeberin daher nicht ohne seine Zustimmung ändern.

5

Der Betriebsrat hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung - beantragt,

1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, die folgende Regelung: „Für die Arbeit der Voll- und Teilzeitkräfte an Samstagen wird 25 % der geleisteten Stundenzahl in einem separaten Stundenkonto gesammelt.“ einseitig ohne Zustimmung des Betriebsrats oder einen die Einigung ersetzenden Spruch einer Einigungsstelle abzuändern;

2. der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Entscheidung entsprechend dem Antrag zu 1. ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gesetzt wird, anzudrohen.

6

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihnen auf die Beschwerde des Betriebsrats entsprochen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben sich die Beteiligten auf die Einrichtung einer Einigungsstelle zur betrieblichen Lohngestaltung verständigt. In der Anhörung vor dem Senat hat der Betriebsrat hilfsweise die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Regelung von Zeitzuschlägen für die Arbeit an Samstagen beantragt.

8

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Beschwerde des Betriebsrats zu Unrecht entsprochen. Der zu 1. erhobene Antrag ist unbegründet, weshalb der Antrag zu 2. dem Senat ebenso nicht zur Entscheidung anfällt wie der erstmals in der Rechtsbeschwerdeinstanz angebrachte Feststellungsantrag.

9

I. Der Antrag zu 1. ist unbegründet.

10

1. Der Antrag ist in der gebotenen Auslegung zulässig.

11

a) Nach seinem Wortlaut ist der Antrag auf die Unterlassung der im Antrag beschriebenen „Regelung“ gerichtet. Eine solche Auslegung würde aber nach dem dazu heranzuziehenden Vorbringen des Betriebsrats in den Vorinstanzen seinem Antragsziel nicht gerecht. Der Betriebsrat möchte erreichen, dass die Arbeitgeberin auch den Arbeitnehmern für die an Samstagen geleistete Arbeit eine Zeitgutschrift iHv. 25 % auf ihrem Arbeitszeitkonto gewährt, die ab dem 1. September 2010 in der K Filiale der Arbeitgeberin eingestellt worden sind. Dieses Antragsverständnis hat der Betriebsrat in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. Damit handelt es sich bei dem Antrag zu 1. nicht um einen Unterlassungsantrag, der nach ständiger Senatsrechtsprechung zur Sicherung des sich aus § 87 Abs. 1 BetrVG ergebenden Mitbestimmungsrechts zulässig ist. Mit diesem kann der Betriebsrat nur die Beibehaltung eines gegenwärtigen betriebsverfassungsgemäßen Zustands verlangen und dessen Veränderung verhindern. Vorliegend soll die Arbeitgeberin aber durch den Antrag zu einem bestimmten Verhalten angehalten werden.

12

b) Nur der so verstandene Antrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Arbeitgeberin könnte im Fall einer antragsgemäßen Entscheidung erkennen, was von ihr verlangt wird. Sie müsste auch den nach dem 31. August 2010 eingestellten Arbeitnehmern bei deren Einsatz an einem Samstag eine Zeitgutschrift von 25 % gewähren.

13

2. Der Antrag zu 1. ist unbegründet. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat zwar bei der Einführung des Zeitzuschlags für Samstagsarbeit im Frühjahr 2009 sowie bei der Änderung von dessen Anspruchsvoraussetzungen zum 1. September 2010 entgegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht ordnungsgemäß beteiligt. Dennoch kann der Betriebsrat von der Arbeitgeberin nicht die Gewährung eines Zeitzuschlags für die Arbeit an Samstagen auch an die nach dem 31. August 2010 eingestellten Arbeitnehmer verlangen. Es fehlt an einer Vereinbarung der Betriebsparteien, auf deren Grundlage die Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat verpflichtet ist, den an Samstagen beschäftigten Arbeitnehmern einen Zeitzuschlag zu gewähren.

14

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf die Grundsätze, nach denen sich die Entgeltfindung im Betrieb vollzieht. Es soll die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Arbeitgebers orientierten Lohngestaltung schützen. Zugleich soll die Einbeziehung des Betriebsrats zur Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie zur Sicherung der Angemessenheit und Durchsichtigkeit des Lohngefüges beitragen (BAG 10. Dezember 2013 - 1 ABR 39/12 - Rn. 18).

15

aa) Die betriebliche Lohngestaltung betrifft die Festlegung abstrakter Kriterien zur Bemessung der (Gegen-)Leistung des Arbeitgebers, die dieser zur Abgeltung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers oder sonst mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis insgesamt erbringt. Entlohnungsgrundsätze bestimmen das System, nach dem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Entlohnungsgrundsätze müssen Arbeitsentgelt iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zum Gegenstand haben und abstrakte Vorgaben für dessen Verteilung auf die Arbeitnehmer enthalten. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist dabei nicht beschränkt auf die im Synallagma stehenden Entgeltbestandteile, sondern betrifft alle Formen der Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses nach bestimmten Grundsätzen oder nach einem System gewährt werden. Auch bei deren Ausgestaltung soll das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit sicherstellen (BAG 8. November 2011 - 1 ABR 37/10 - Rn. 23, BAGE 139, 369).

16

bb) Der Mitbestimmung aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt die Einführung von Entlohnungsgrundsätzen und deren Änderung. Für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kommt es nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze erfolgt ist. Maßgeblich ist nicht der Geltungsgrund der Entgeltleistung, sondern das Vorliegen eines kollektiven Tatbestands (BAG 14. Januar 2014 - 1 ABR 57/12 - Rn. 15).

17

cc) Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wird bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber durch die Tarifsperre des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG, wonach der Betriebsrat nur mitbestimmen kann, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, weder beschränkt noch ausgeschlossen. Der tarifungebundene Arbeitgeber kann daher kollektivrechtlich das gesamte Volumen der von ihm für die Vergütung der Arbeitnehmer bereitgestellten Mittel mitbestimmungsfrei festlegen. Mangels Tarifbindung leistet er in diesem Fall sämtliche Vergütungsbestandteile „freiwillig“, dh. ohne hierzu normativ verpflichtet zu sein (BAG 26. August 2008 - 1 AZR 354/07 - Rn. 21, BAGE 127, 297). Bei der Entscheidung über die Verteilung der Gesamtvergütung hat der nicht tarifgebundene Arbeitgeber wegen der fehlenden Tarifsperre des Eingangshalbsatzes einen Gestaltungsspielraum, bei dessen Ausgestaltung der Betriebsrat aber mitzubestimmen hat (BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08 - Rn. 32, BAGE 135, 13). Die Betriebsparteien haben für die gesamten Vergütungsbestandteile Entlohnungsgrundsätze iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aufzustellen, durch die eine am Normzweck des Mitbestimmungsrechts ausgerichtete Verteilung erfolgt. Dabei unterliegt nicht nur die Einführung, sondern auch die Änderung der im Betrieb für die Verteilung der Gesamtvergütung aufgestellten Entlohnungsgrundsätze dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (BAG 10. Dezember 2013 - 1 ABR 39/12 - Rn. 19).

18

b) Nach diesen Grundsätzen hatte der Betriebsrat bereits bei der Einführung des Zeitzuschlags für Samstagsarbeit im Frühjahr 2009 nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen. Seither erhalten Arbeitnehmer eine besondere Gutschrift auf ihrem Arbeitszeitkonto als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung an Samstagen. Diese beträgt 25 % für jede Arbeitsstunde. Bei Arbeit an anderen Wochentagen wird die erbrachte Arbeitszeit ohne Zuschlag in das Arbeitskonto der Arbeitnehmer eingestellt. Mit der Gewährung einer solchen Vergütung für Arbeit an Samstagen hat die Arbeitgeberin einen Entlohnungsgrundsatz aufgestellt, durch den das bei ihr bestehende Vergütungssystem geändert worden ist. Diese Maßnahme bedurfte wegen der mit ihr verbundenen Auswirkungen auf die Verteilung der von der Arbeitgeberin gezahlten Gesamtvergütung der Zustimmung des Betriebsrats.

19

aa) Die in Abhängigkeit vom Zeitraum der erbrachten Arbeitsleistung vorgenommene Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto stellt Arbeitsentgelt iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dar.

20

Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestandes nicht erbringen musste. Ein nicht ausgeglichenes Konto weist bei einer verstetigten Arbeitsvergütung - je nach Stand - Vorleistungen der einen oder der anderen Seite aus (BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 - Rn. 38). Es gibt den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und drückt damit - in anderer Form - seinen Vergütungsanspruch aus (BAG 21. März 2012 - 6 AZR 560/10 - Rn. 21).

21

bb) Die Arbeitgeberin hat mit der Gewährung einer Zeitgutschrift für Samstagsarbeit einen Entlohnungsgrundsatz iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aufgestellt.

22

Die Gewährung einer Gutschrift iHv. 25 % für die an Samstagen geleistete Arbeitszeit stellt eine abstrakt-generelle Regelung über die Ausgestaltung des von der Arbeitgeberin gewährten Arbeitsentgelts dar. Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsleistung an diesem Tag erbringen, erhalten ein nach anderen Grundsätzen bemessenes Arbeitsentgelt gegenüber der Arbeit an anderen Wochentagen. Mit der Einführung einer Zeitgutschrift für Samstagsarbeit hat die nicht tarifgebundene Arbeitgeberin das bei ihr bestehende Vergütungssystem um eine Vergütung für die Arbeit zu besonderen Zeiten ergänzt. Dieses umfasste zum Zeitpunkt der Einführung des Zeitzuschlags nur die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung. Über deren Zusammensetzung haben die Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen. Einer darauf gestützten Zurückverweisung zur Sachaufklärung bedarf es indes nicht. Anhaltspunkte dafür, dass die vertraglich vereinbarte Vergütung bereits einen Zeitzuschlag vorgesehen hat, bestehen nach dem Vorbringen der Beteiligten nicht.

23

cc) Die Einführung einer Zeitgutschrift für Samstagsarbeit unterfiel danach dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

24

Die Tarifsperre des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG schließt vorliegend das Beteiligungsrecht nicht aus. Die Arbeitgeberin ist nicht tarifgebunden. Die mit der Einführung einer Zeitgutschrift verbundene unterschiedliche Bemessung der Arbeitsvergütung für die Arbeit an Samstagen berührt die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit. Der das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG begründende kollektive Bezug liegt vor. Die Gutschrift wird allen an Samstagen eingesetzten Arbeitnehmern ohne Rücksicht auf die Besonderheiten einzelner Arbeitsverhältnisse gewährt. Ob die begünstigten Arbeitnehmer diese Leistung aufgrund einer von der Arbeitgeberin erteilten Gesamtzusage beanspruchen können, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, bedarf keiner Entscheidung. Für das Mitbestimmungsrecht ist allein maßgeblich, ob der Arbeitgeber eine geldwerte Leistung tatsächlich erbringt. Auf ihren rechtlichen Geltungsgrund kommt es hingegen nicht an.

25

dd) Die Einordnung der Zeitgutschrift als Entlohnungsgrundsatz iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG steht nicht im Widerspruch zu der von der Rechtsbeschwerde angeführten Senatsentscheidung vom 27. Januar 1998 (- 1 ABR 35/97 -). In dieser hat der Senat das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Gewährung einer Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto für die Zeit eines Betriebsausflugs verneint, weil von einer solchen Maßnahme nicht die betriebliche Lohngestaltung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG betroffen sei. Ob hieran angesichts des Vergütungscharakters von Gutschriften auf Arbeitszeitkonten festzuhalten ist, kann dahinstehen. Gegenstand der genannten Senatsentscheidung war eine Zeitgutschrift, die der Arbeitgeber für Zeiten ohne Arbeitsleistung an alle Arbeitnehmer gewährt hat. Bei der Zeitgutschrift für die Beschäftigung an Samstagen handelt es sich hingegen um eine Gegenleistung für die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung.

26

c) Ebenso unterlag die von der Arbeitgeberin seit dem 1. September 2010 vorgenommene Beschränkung des begünstigten Personenkreises, dem ein besonderer Zuschlag für Samstagsarbeit gewährt wird, dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Durch diese Maßnahme hat sie den im Frühjahr 2009 aufgestellten Entlohnungsgrundsatz geändert.

27

aa) Den Zeitzuschlag für die Samstagsarbeit hat die Arbeitgeberin ursprünglich an alle Arbeitnehmer des K Betriebs erbracht. Sie hat diese Leistung nicht eingestellt, aber den Kreis der anspruchsberechtigten Arbeitnehmer beschränkt. Die Arbeitgeberin gewährt Arbeitnehmern, die ab September 2010 in ihrem Betrieb eingestellt worden sind, für die Arbeit an Samstagen keinen Zuschlag von 25 % für jede Arbeitsstunde. Diesen erhalten nur Arbeitnehmer, die bis zum 31. August 2010 eingestellt worden sind.

28

bb) Diese Maßnahme berührt die Verteilung der den Arbeitnehmern gewährten Gesamtvergütung. Selbst wenn zu Gunsten der Arbeitgeberin unterstellt würde, dass die Gewährung des Zeitzuschlags ohne rechtliche Verpflichtung erfolgt, konnte diese mitbestimmungsfrei lediglich den Leistungszweck und die Höhe des Dotierungsrahmens festlegen (BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 20/09 - Rn. 23, BAGE 135, 382). Bei der Ausgestaltung des begünstigten Personenkreises hat hingegen der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen.

29

cc) Dass die im Frühjahr 2009 eingeführte Leistung nur auf die bis zu diesem Zeitpunkt eingestellten Arbeitnehmer beschränkt war, wie dies erstmals von der Arbeitgeberin in der Rechtsbeschwerdeinstanz behauptet wird, ist weder aus dem Leistungszweck oder den sonstigen Umständen ersichtlich. Aus der von beiden Beteiligten herangezogenen hausinternen Veröffentlichung ergibt sich eine solche Beschränkung nicht. Ebenfalls hat die Arbeitgeberin in den Tatsacheninstanzen keinen Vortrag dazu gehalten, dass sie die besondere Vergütung der Samstagsarbeit stichtagsbezogen auf den bis zum Frühjahr 2009 eingestellten Personenkreis beschränkt hat.

30

d) Ein auf die Gewährung einer Zeitgutschrift für Arbeit an Samstagen gerichteter Durchführungsanspruch des Betriebsrats besteht jedoch nicht. Zwar hat die Arbeitgeberin dessen Mitbestimmungsrecht durch die ohne seine Beteiligung erfolgte Aufstellung und Änderung des Entlohnungsgrundsatzes über die Vergütung von Samstagsarbeit verletzt. Der Betriebsrat kann jedoch nur die Durchführung einer mit der Arbeitgeberin getroffenen Vereinbarung verlangen. Für die Durchsetzung von mitbestimmungswidrigem Verhalten der Arbeitgeberin fehlt es hingegen an einer Anspruchsgrundlage.

31

aa) Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG führt der Arbeitgeber Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, durch. Diese Vorschrift grenzt nicht nur die Kompetenzen der Betriebsparteien zueinander ab, indem sie dem Arbeitgeber die alleinige Führung des Betriebs überlässt und einseitige Eingriffe des Betriebsrats in die Betriebsführung verbietet, sondern sie verpflichtet auch den Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat, solche Vereinbarungen ihrem Inhalt entsprechend im Betrieb anzuwenden (BAG 24. Februar 1987 - 1 ABR 18/85 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 54, 191). Der Betriebsrat kann daher vom Arbeitgeber aus der betreffenden Betriebsvereinbarung iVm. § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auch deren Durchführung im Betrieb verlangen(BAG 18. Mai 2010 - 1 ABR 6/09 - Rn. 16, BAGE 134, 249). Ob ein Durchführungsanspruch des Betriebsrats auch für Regelungsabreden besteht, hat der Senat bisher offengelassen (BAG 27. Oktober 1998 - 1 ABR 3/98 - zu B I 3 b der Gründe, BAGE 90, 76).

32

bb) Eine Betriebsvereinbarung, in der die Betriebsparteien die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zeitgutschrift geregelt haben, besteht nicht.

33

cc) Der Senat muss auch nicht entscheiden, ob der Betriebsrat die Durchführung einer mit dem Arbeitgeber abgeschlossenen Regelungsabrede verlangen kann. Zwar können die Betriebsparteien wechselseitige Rechte und Pflichten nicht nur in einer Betriebsvereinbarung, sondern auch durch eine an keine bestimmte Form gebundene Regelungsabrede treffen (BAG 21. Januar 2003 - 1 ABR 9/02 - zu B II 2 c aa [2] der Gründe). Eine solche Regelungsabrede über die Gewährung einer Zeitgutschrift für die Arbeit an Samstagen haben die Beteiligten aber nicht abgeschlossen. Es ist zwischen ihnen unstreitig, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zu der im Frühjahr 2009 von der Arbeitgeberin eingeführten Leistung nicht erteilt hat. Er hat die Gewährung der Zeitgutschriften lediglich geduldet. Die bloße Hinnahme eines mitbestimmungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers durch den Betriebsrat ist für den Abschluss einer Regelungsabrede jedoch nicht ausreichend. Diese setzt zumindest eine auf die Zustimmung zu der Maßnahme gerichtete Beschlussfassung des Betriebsrats (Fitting 27. Aufl. § 77 Rn. 219) und deren Verlautbarung gegenüber dem Arbeitgeber voraus. Dass beides erfolgt ist, hat der Betriebsrat nicht behauptet.

34

II. Da sich der Antrag zu 1. als unbegründet erweist, fällt dem Senat der demgegenüber nur als Hilfsantrag gestellte Antrag zu 2. nicht zur Entscheidung an.

35

III. Dies gilt gleichermaßen für den in der Rechtsbeschwerdeinstanz gestellten Feststellungsantrag. Dieser steht unter der innerprozessualen Bedingung, dass die in den Vorinstanzen gestellten Anträge unzulässig sind. Diese Bedingung ist nicht eingetreten. Der Antrag zu 1. ist vom Senat als unbegründet abgewiesen worden. Im Übrigen wäre der Feststellungsantrag auch unzulässig, da ihm das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse fehlt. Für den Antrag besteht kein Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Ausgestaltung der Entlohnung für Samstagsarbeit. Die Beteiligten haben sich während des Rechtsbeschwerdeverfahrens auf die Einrichtung einer Einigungsstelle zur betrieblichen Lohngestaltung verständigt. Zu deren Aufgaben gehören die Ausgestaltung der Entlohnungsgrundsätze für die gesamte von der Arbeitgeberin gewährte Vergütung. Es ist nicht Aufgabe des Rechtsbeschwerdegerichts, hierfür einzelne Rechtsfragen im Wege einer gutachterlichen Stellungnahme vorab zu klären.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Wisskirchen    

        

    Seyboth    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 3. August 2010 - 2 Sa 437/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über eine Gutschrift von 2,7 Unterrichtsstunden auf ein Arbeitszeitkonto anlässlich einer im April 2008 durchgeführten Klassenfahrt.

2

Die Klägerin ist beim beklagten Land als Lehrerin beschäftigt und an einem Gymnasium tätig. Die für die Mitglieder der TdL geltenden Tarifverträge finden kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung.

3

Am 15. Dezember 2006 vereinbarten die Parteien Altersteilzeit im modifizierten Blockmodell. Die Freistellungsphase soll am 1. August 2012 beginnen. Das beklagte Land legte die Arbeitszeit der Klägerin in der aktiven Phase der Altersteilzeit auf 18,69 Unterrichtsstunden pro Woche fest.

4

§ 5 des Altersteilzeitvertrages bestimmt:

        

㤠5

        

Zusätzlich zu leistende Arbeitsstunden

        

Der Beschäftigte ist verpflichtet, im Rahmen der Notwendigkeiten in der Dienststelle zusätzliche Arbeitsstunden zu leisten.

        

Diese sind innerhalb der folgenden 3 Monate durch entsprechende Freizeit auszugleichen.“

5

Beim beklagten Land gilt für die Lehrkräfte an öffentlichen Schulen des Landes Sachsen-Anhalt die Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (ArbZVO-Lehr) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. September 2001 (GVBl. LSA S. 376), zuletzt geändert am 30. Oktober 2007 (GVBl. LSA S. 354). Nach deren § 3 beträgt die Regelstundenzahl, dh. die Zahl der Unterrichtsstunden, die vollbeschäftigte Lehrkräfte im Durchschnitt wöchentlich zu erteilen haben, für Lehrkräfte an Gymnasien 25 Unterrichtsstunden. Gemäß § 4 ArbZVO-Lehr kann die jeweilige Unterrichtsverpflichtung einer Lehrkraft wöchentlich bis zu vier Unterrichtsstunden über- oder unterschritten werden. Soweit dafür kein Ausgleich innerhalb des Schuljahres erfolgt, sind höchstens 80 Unterrichtsstunden in das folgende Schuljahr zu übernehmen und in diesem abzugelten.

6

Durch den Tarifvertrag in Ausfüllung des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung zur Sicherung von Arbeitsplätzen an allgemeinbildenden Schulen Sachsen-Anhalts (Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA) vom 1. März 2003 war die Arbeitszeit der vollbeschäftigten Lehrkräfte im für den Klageanspruch maßgeblichen Zeitraum abweichend von der ArbZVO-Lehr auf 20,5 Unterrichtsstunden pro Woche abgesenkt.

7

Beim beklagten Land gilt der Runderlass „Flexibler Unterrichtseinsatz der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen“ (sog. Flexi-Erlass) vom 22. November 2006, zuletzt geändert am 1. Oktober 2007. Dieser regelt ua.:

        

„1.1   

Lehrkräfte können nach § 4 Abs. 2 der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen … im Rahmen ihrer regelmäßigen Arbeitszeit so eingesetzt werden, dass sich der Umfang der tatsächlich wöchentlich zu erteilenden Unterrichtsstunden - je nach Unterrichtsversorgung und Unterrichtsbedarf der Schule - innerhalb einer Bandbreite von vier Unterrichtsstunden über oder unter der jeweiligen Unterrichtsverpflichtung bewegt. Mehr- oder Minderzeiten am Ende des Schuljahres dürfen 80 Unterrichtsstunden nicht überschreiten.

                 

…       

        

2.    

Entstehen von Mehr- und Minderzeiten

        

2.1     

Dieser RdErl. bezieht sich ausschließlich auf die Unterrichtsverpflichtung von Lehrkräften. Durch andere dienstliche Tätigkeiten (z. B. Pausenaufsichten, Arbeiten während der unterrichtsfreien Zeit, Erarbeitung von Prüfungsaufgaben) entstehen weder Mehr- noch Minderzeiten, soweit nicht in Nr. 3 eine abweichende Regelung getroffen wird.

                 

…       

        

2.4     

Mehr- und Minderzeiten entstehen nicht für die jeweils beteiligten Lehrkräfte an Projekttagen, bei Sportfesten, Klassenfahrten, Fortbildungen; anderen ganztägigen dienstlichen Verpflichtungen oder ähnlichen Unterrichtstagen mit ganztägig geänderter Unterrichtsorganisation sowie bei Abwesenheit durch Krankheit.“

8

In der Zeit vom 14. April 2008, 8:30 Uhr, bis zum 16. April 2008, 16:00 Uhr, begleitete die Klägerin eine 11. Klasse auf einer vom beklagten Land genehmigten Klassenfahrt. Hierfür wurden ihr 11,214 Unterrichtsstunden, dh. drei Fünftel der wöchentlichen Arbeitszeit auf Grundlage von 18,69 wöchentlichen Unterrichtsstunden, angerechnet. Am 17. und 18. April 2008 erteilte sie den ihr vom Stundenplan vorgegebenen Unterricht.

9

Mit Schreiben vom 22. April 2008 forderte die Klägerin das beklagte Land vergeblich auf, ihr die während der Klassenfahrt geleisteten Stunden als zusätzliche Freizeit („Plusstunden“) zu gewähren. Mit ihrer am 15. April 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin zunächst eine Gutschrift von 3,786 Unterrichtsstunden für die Klassenfahrt begehrt. Der Klage ist im Umfang von 1,086 Unterrichtsstunden rechtskräftig stattgegeben worden. Dadurch hat die Klägerin für die Klassenfahrt Unterrichtsstunden im selben Umfang wie vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte unter Zugrundelegung der auf 20,5 Unterrichtsstunden abgesenkten Unterrichtsverpflichtung angerechnet erhalten. Streitbefangen ist noch, ob der Klägerin eine Gutschrift über weitere 2,7 Unterrichtsstunden zusteht.

10

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, allein die ArbZVO-Lehr lege den Umfang der Unterrichtsverpflichtung vollzeitbeschäftigter Lehrkräfte fest. Jede Unterschreitung der Regelarbeitszeit der ArbZVO-Lehr sei eine Form der Teilzeitarbeit. Die unter den Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA fallenden Lehrkräfte seien deshalb Teilzeitbeschäftigte.

11

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

das beklagte Land zu verurteilen, ihrem Arbeitszeitkonto weitere 2,7 Stunden gutzuschreiben.

12

Das beklagte Land hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Klägerin könne keine Besserstellung gegenüber den vom Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA betroffenen Lehrkräften verlangen.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage im noch streitbefangenen Umfang abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren, soweit diesem nicht bereits entsprochen worden ist, weiter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie auf § 5 des Altersteilzeitvertrages als Anspruchsgrundlage für ihr Begehren einer Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto verwiesen.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Berufung zurückgewiesen, soweit die Klägerin die Gutschrift weiterer 2,7 Stunden auf ihr Arbeitszeitkonto begehrt. Für eine derartige Gutschrift fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. Auf die von den Parteien und dem Landesarbeitsgericht problematisierte Frage, ob bei dem gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG vorzunehmendem Vergleich zwischen der (alters-)teilzeitbeschäftigten Klägerin und einer vollzeitbeschäftigten Lehrkraft auf die Wochenarbeitszeit von 25 Unterrichtsstunden nach der ArbZVO-Lehr oder auf die durch den Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA auf 20,5 Unterrichtsstunden abgesenkte Unterrichtsverpflichtung abzustellen ist, kommt es darum nicht an.

15

I. Die Klage ist mit dem gestellten Antrag zulässig. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Zeitstunden gutzuschreiben bzw. dessen Saldo um eine genau genannte Anzahl von Zeitstunden zu erhöhen, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dies gilt jedenfalls, solange der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem die Stunden bisher nicht verbucht sind, tatsächlich aber noch gutgeschrieben werden können (BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09 - Rn. 10, AP TVöD § 6 Nr. 2 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 6; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3). Nach Nr. 1.1 und 5.3 Flexi-Erlass können Mehrstunden unter bestimmten Voraussetzungen auf das nächste Schuljahr übertragen werden.

16

II. Die Klage ist unbegründet. Es fehlt an einer Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin, ihr für die Klassenfahrt eine Gutschrift auf ihrem Arbeitszeitkonto zu erteilen.

17

1. § 4 Abs. 2 ArbZVO-Lehr regelt nur die Abgeltung von Unterrichtsstunden. Unterrichtsstunden sind nach § 3 Abs. 1 ArbZVO-Lehr die wöchentlich im Rahmen der Regelstundenzahl zu erteilenden Unterrichtsstunden. Auf Klassenfahrten erbrachte Arbeitsleistungen werden deshalb von dieser Norm nicht erfasst.

18

2. § 10 Abs. 3 Satz 1 TV-L findet gemäß § 44 Nr. 2 Satz 1 TV-L für Lehrkräfte ausdrücklich keine Anwendung.

19

3. Auch aus dem Flexi-Erlass ergibt sich kein Anspruch der Klägerin, ihrem Arbeitszeitkonto 2,7 weitere Unterrichtsstunden gutzuschreiben. Nach Nr. 2.1 Flexi-Erlass bezieht sich dieser ausschließlich auf die Unterrichtsverpflichtung von Lehrkräften. Durch andere dienstliche Tätigkeiten wie etwa Pausenaufsichten entstehen weder Mehr- noch Minderzeiten, soweit nicht in Nr. 3 Flexi-Erlass für die Durchführung von Prüfungen eine andere Regelung getroffen worden ist. In Nr. 2.4 Flexi-Erlass ist ausdrücklich geregelt, dass Mehr- und Minderzeiten für die jeweils beteiligten Lehrkräfte nicht für die Teilnahme an Klassenfahrten entstehen.

20

4. Auch eine vertragliche Abrede über die Führung eines Arbeitszeitkontos besteht nicht.

21

a) Ein Arbeitnehmer hat aus § 611 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos, sofern dieses nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt(BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 10, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1). Ein Arbeitszeitkonto gibt nämlich den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und drückt damit - in anderer Form - seinen Vergütungsanspruch aus (BAG 26. Januar 2011 - 5 AZR 819/09 - Rn. 13, AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 4; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 13, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 195 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 2).

22

b) § 5 des Altersteilzeitvertrages enthält eine solche Abrede zu einem Arbeitszeitkonto, das den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt, nicht. Danach sind lediglich die von der Klägerin im Rahmen der Notwendigkeiten in der Dienststelle zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden innerhalb der folgenden drei Monate durch entsprechende Freizeit auszugleichen. Freizeitausgleich ist bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht (BAG 18. Mai 2011 - 5 AZR 181/10 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 4). Der Freizeitausgleich erfolgt durch Reduzierung der Sollarbeitszeit (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 296/09 - Rn. 17, AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 35 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 1), setzt jedoch nicht die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos voraus. Darüber hinaus sind die im Rahmen der Klassenfahrt im April 2008 von der Klägerin erbrachten zusätzlichen Arbeitsstunden nicht „in der Dienststelle“ geleistet worden.

23

III. Der Antrag der Klägerin, ihrem Arbeitszeitkonto 2,7 Stunden gutzuschreiben, kann auch nicht dahin ausgelegt werden, dass sie eine Vergütung der streitbefangenen Stunden verlangt. Die Klägerin hat von Anfang an - beginnend mit dem Schreiben vom 22. April 2008 - stets nur „Plusstunden“ als Freizeitausgleich begehrt und auch prozessual ausschließlich ihren Antrag hierauf gerichtet, ohne erkennen zu lassen, dass es ihr um die Bezahlung der streitbefangenen Stunden geht. Darüber hinaus läge bei einem solchen Begehren ein Wechsel im Streitgegenstand vor (vgl. BAG 18. Mai 2011 - 5 AZR 181/10 - Rn. 10, EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 4), der in der Revisionsinstanz nicht mehr erfolgen kann.

24

IV. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Mestwerdt    

        

    Spelge    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Döpfert    

                 

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 10. Dezember 2012 - 10 Sa 230/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers für Zeiten seiner Arbeitsunfähigkeit.

2

Der Kläger ist als Mechaniker bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesmanteltarifvertrag für die Süßwarenindustrie vom 14. Mai 2007 (BMTV) kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 3   

        

Arbeitszeit

        

1.    

Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 38 Stunden an in der Regel 5 Werktagen in der Woche.

        

2.    

Zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber werden in Betriebsvereinbarungen die regelmäßigen wöchentlichen betrieblichen Arbeitszeiten festgelegt. Dabei kann eine betriebliche Arbeitszeit von bis zu 48 Stunden in der Woche ohne Mehrarbeitszuschläge vereinbart werden. Näheres dazu regeln die Ziff. 3 bis 11.

        

3.    

a)    

Wird von der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden abgewichen, so ist die sich daraus ergebende Zeitdifferenz einem für jeden Arbeitnehmer zu führenden Arbeitszeitkonto zu belasten bzw. mehrarbeitszuschlagsfrei, aber zuzüglich des Belastungsausgleiches gemäß § 3 Ziff. 4 gutzuschreiben.

                 

b)    

Minusstunden/Arbeitszeitdefizite sind auf 114 Stunden begrenzt.

                 

c)    

Beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb verfallen Arbeitszeitdefizite zu Lasten des Arbeitgebers, soweit die Entstehung dieser Zeitdefizite nicht durch den Arbeitnehmer verursacht wurde und ein nicht erfolgter Zeitausgleich nicht vom Arbeitnehmer zu vertreten ist.

        

4.    

…       

[Belastungsausgleich]

        

5.    

Arbeitszeitguthaben, die sich aus der Differenz zwischen der tariflichen und der betrieblich vereinbarten Arbeitszeit ergeben, entstehen an Tagen mit tatsächlicher Arbeitsleistung, d. h. nicht bei Urlaub, Krankheit und sonstigen arbeitsfreien Tagen mit oder ohne Entgeltfortzahlung.

        

…       

        
        

10.     

Unabhängig von der jeweiligen betrieblichen Wochenarbeitszeit wird in jedem Monat das tarifliche bzw. einzelvertraglich vereinbarte Monatsentgelt gleichbleibend gezahlt.“

3

§ 10 Ziff. 1 BMTV regelt darüber hinaus, dass bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes gelten.

4

Im Betrieb findet eine Betriebsvereinbarung über die Variable Arbeitszeit Anwendung. Auf dieser Grundlage war der Kläger in der Zeit vom 23. Mai bis zum 28. Mai 2011 dienstplanmäßig für 45,6 Stunden zur Arbeit eingeteilt. Vom 26. Mai bis zum 29. Mai 2011 war er arbeitsunfähig erkrankt. Für den 28. Mai 2011, einem Samstag, an dem der Kläger 7,6 Stunden hätte arbeiten sollen, schrieb die Beklagte seinem Arbeitszeitkonto keine Arbeitszeit gut.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf eine Gutschrift auch derjenigen geplanten Arbeitszeit, die die tarifliche Arbeitszeit übersteigt. Nach dem Entgeltausfallprinzip seien die Arbeitnehmer im Krankheitsfall so zu stellen, als hätten sie gearbeitet. § 3 Ziff. 5 BMTV überschreite den Regelungsrahmen des § 4 Abs. 4 EFZG, da ganze Zeiträume und nicht nur die Berechnungsgrundlage der Entgeltfortzahlung abweichend vom Gesetz geregelt würden. Die Norm verstoße auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer, die zu einer von der tariflichen Regelarbeitszeit abweichenden Arbeitszeit eingeteilt wurden, würden gegenüber solchen, die diese Arbeitszeit tatsächlich erbrachten, ohne sachlichen Grund ungleichbehandelt.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm für den 28. Mai 2011 7,6 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Tarifnorm sei wirksam.

8

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

10

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Antrag nach der gebotenen Auslegung hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwischen den Parteien besteht keine Unklarheit, wie die Gutschrift erfolgen soll (vgl. zu dieser Anforderung: BAG 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 16 mwN, BAGE 141, 88).

11

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Gutschrift von 7,6 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto für den 28. Mai 2011.

12

1. Aus § 3 Ziff. 3 Buchst. a BMTV ergibt sich ein solcher Anspruch nicht.

13

a) Zwar galt im streitgegenständlichen Zeitraum betrieblich eine längere als die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden. Einer Gutschrift der begehrten 7,6 Stunden steht jedoch § 3 Ziff. 5 BMTV entgegen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm und der Systematik der tariflichen Regelung kann ein Zeitguthaben aus der Differenz zwischen der tariflichen und einer höheren betrieblichen Arbeitszeit nur an Tagen mit tatsächlicher Arbeitsleistung entstehen, nicht hingegen bei Krankheit oder anderen arbeitsfreien Tagen. An dem Tag, für den der Kläger die Zeitgutschrift begehrt, war er arbeitsunfähig erkrankt.

14

b) Für die vom Kläger in den Vorinstanzen vertretene Auffassung, § 3 Ziff. 5 BMTV erfasse nur Fälle, in denen eine Überschreitung der täglichen Arbeitszeit vorliege, gibt es im Tarifvertrag keine Anhaltspunkte. Entgegen der Auffassung der Revision folgt auch aus § 10 BMTV, nach dessen Ziff. 1 bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes gelten, kein anderes Ergebnis, da nach § 4 Abs. 4 EFZG durch Tarifvertrag eine von den Absätzen 1, 1a und 3 des § 4 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage festgelegt werden kann. Von dieser Möglichkeit haben die Tarifvertragsparteien in § 3 Ziff. 5 BMTV Gebrauch gemacht.

15

2. § 3 Ziff. 5 BMTV hält sich im Rahmen der gesetzlichen Öffnungsklausel des § 4 Abs. 4 EFZG.

16

a) Gemäß § 4 Abs. 1 EFZG ist dem Arbeitnehmer für den in § 3 Abs. 1 EFZG bezeichneten Zeitraum das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Der Entgeltfortzahlung liegt damit ein modifiziertes Lohnausfallprinzip zugrunde. Für die Entgeltfortzahlung ist maßgeblich, welche Arbeitszeit aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ausgefallen ist (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 110, 90). Da Gutschriften auf einem Arbeitszeitkonto nur eine andere Form von Entgelt sind, das lediglich nicht (sofort) ausgezahlt, sondern verrechnet wird, sind im Krankheitsfall grundsätzlich auch Zeitgutschriften zu gewähren, unabhängig davon, ob das Arbeitsentgelt verstetigt ausgezahlt wird (BAG 28. Januar 2004 - 5 AZR 58/03 - zu II 3 der Gründe; 13. Februar 2002 - 5 AZR 470/00 - zu I 2 b bb der Gründe, BAGE 100, 256).

17

b) Durch Tarifvertrag kann allerdings nach § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG eine von den Absätzen 1, 1a und 3 des § 4 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden. „Bemessungsgrundlage“ im Sinne dieser Vorschrift ist die Grundlage für die Bestimmung der Höhe der Entgeltfortzahlung. Hierzu gehören sowohl die Berechnungsmethode (Ausfall- oder Referenzprinzip) als auch die Berechnungsgrundlage. Die Berechnungsgrundlage setzt sich aus Geld- und Zeitfaktor zusammen. Sie betrifft Umfang und Bestandteile des der Entgeltfortzahlung zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts sowie die Arbeitszeit des Arbeitnehmers (BAG 18. November 2009 - 5 AZR 975/08 - Rn. 16; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 der Gründe mwN, BAGE 110, 90; vgl. auch BT-Drs. 12/5798 S. 26). Arbeitszeit iSd. § 4 Abs. 4 EFZG meint dabei diejenige Arbeitszeit, für die der Arbeitnehmer in dem Zeitraum nach § 3 Abs. 1 EFZG Arbeitsentgelt bekommen hätte, wenn er nicht an der Arbeitsleistung verhindert gewesen wäre, sondern gearbeitet hätte(BAG 26. September 2001 - 5 AZR 539/00 - zu I 3 a bb der Gründe, BAGE 99, 112).

18

c) In diesem Rahmen sind Abweichungen auch zulasten des Arbeitnehmers zulässig. Bei der Gestaltung der Bemessungsgrundlage müssen die Tarifvertragsparteien aber darauf achten, dass sie weder unmittelbar noch mittelbar gegen die anderen, nach § 12 EFZG zwingenden und nicht tarifdispositiven Bestimmungen des EFZG verstoßen. Die Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien findet dort ihre Grenze, wo der Anspruch auf Entgeltfortzahlung in seiner Substanz angetastet wird (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 110, 90). Insbesondere sind die Tarifvertragsparteien an den Grundsatz der vollen Entgeltfortzahlung (100 %) im Krankheitsfall gebunden (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - aaO).

19

d) Hinsichtlich des Zeitfaktors erlaubt es § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG danach zwar nicht, die zu berücksichtigende Arbeitszeit lediglich anteilig in die Bemessung der Entgeltfortzahlung einfließen zu lassen. Für die Ermittlung der ausgefallenen Arbeitszeit muss aber nicht die individuelle Arbeitszeit maßgeblich sein, es kann vielmehr auch auf die betriebsübliche oder die regelmäßig tarifliche Arbeitszeit abgestellt werden (BAG 19. Januar 2010 - 9 AZR 426/09 - Rn. 57; 18. November 2009 - 5 AZR 975/08 - Rn. 16; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 a bb der Gründe, BAGE 110, 90).

20

e) Dies ist durch § 3 Ziff. 5 BMTV erfolgt. Diese Bestimmung bewirkt im konkreten Fall - verglichen mit der Lage nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz selbst - eine Reduzierung des Entgeltfortzahlungsanspruchs um 7,6 Stunden, da sich der tarifliche Zeitfaktor für die Berechnung der Höhe des fortzuzahlenden Entgelts nach der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bemisst und nicht nach der individuellen Arbeitszeit des Klägers oder der in diesem Zeitraum vereinbarten betrieblichen Arbeitszeit. Diese Orientierung des Zeitfaktors an der tariflichen Arbeitszeit ist jedoch nach den obigen Grundsätzen zulässig; ein Eingriff in die Substanz des Entgeltfortzahlungsanspruchs liegt nicht vor.

21

3. § 3 Nr. 5 BMTV verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Bezugnahme auf die tarifliche Arbeitszeit ist sachlich begründet (BAG 18. November 2009 - 5 AZR 975/08 - Rn. 18; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 4 der Gründe, BAGE 110, 90).

22

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    Brune    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Thiel    

        

    R. Bicknase    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 10. September 2015 - 7 Sa 24/15 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt für den 24. und 31. Dezember 2013 Zeitgutschriften auf seinem Arbeitszeitkonto.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Flugzeugindustrie, seit 1988 als Konstruktionsingenieur im Betrieb Hamburg mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Er ist Mitglied der IG Metall. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Metallindustrie in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern Anwendung (MTV), der ua. regelt:

        

§ 3   

        

Arbeitszeit

        

1.    

Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit

        

1.1     

Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt

                 

a.    

für Hamburg und Umgebung sowie Schleswig-Holstein 35 Stunden

                 

…       

        
        

…       

                 
        

4.    

Verteilung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit

        

4.1     

Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kann gleichmäßig oder ungleichmäßig auf die fünf Werktage Montag bis Freitag durch Betriebsvereinbarung verteilt werden.

        

…       

        
        

5.    

Regelmäßige tägliche Arbeitszeit

                 

Die Arbeitszeit an den einzelnen Werktagen sowie Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen werden gemäß § 87 BetrVG durch Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse unter Beachtung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften festgesetzt.

        

…       

        
        

9.    

Arbeitszeit am 24. und 31. Dezember

                 

Am 24. und am 31. Dezember soll nicht länger als bis 13.00 Uhr und darf nicht länger als sechs Stunden gearbeitet werden.

                 

Die an diesen Tagen über eine geleistete Arbeitszeit von sechs Stunden hinausgehende und dadurch ausfallende individuelle regelmäßige Arbeitszeit muss bezahlt werden. Es erfolgt kein Entgeltabzug.

                 

Für Beschäftigte in Schichtarbeit gilt die gleiche Regelung.“

3

Die Beklagte führt für den Kläger ein Arbeitszeitkonto auf Grundlage der Betriebsvereinbarung „Arbeitszeitregelungen am Standort Hamburg“ vom 31. Mai 2000 (im Folgenden BV Arbeitszeit). Darin heißt es auszugsweise:

        

§ 2 Arbeitszeit

        

2.1     

Die regelmäßige tägliche Sollarbeitszeit beträgt ein Fünftel der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit.

        

2.2     

Eine tägliche Kernarbeitszeit ist nicht festgelegt. Die Verfügbarkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Organisationseinheiten muss jedoch durch entsprechende Absprachen mit dem Vorgesetzten bzw. in der Gruppe gewährleistet sein.

        

2.3     

Beginn und Ende der Arbeitszeit, Pausenzeiten, Normalarbeitszeit sowie Rahmenarbeitszeit werden, sofern unter diesem Paragraphen dieser Betriebsvereinbarung nichts anderes geregelt ist, in den Anlagen (Arbeitszeit- bzw. Sonder-Arbeitszeitmodelle) als Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung festgelegt.

        

2.4     

Zum Ausgleich unterschiedlicher betrieblicher Auslastungen und Anforderungen werden Arbeitszeitmodelle vereinbart. Die einzelnen Modelle sind in den Anlagen A1, … der Betriebsvereinbarung näher beschrieben.

        

2.5     

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit im Rahmen der Arbeitszeitmodelle und der Schichtmodelle unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange selbst bestimmen. In Einzelfällen kann zwischen Personalabteilung und Betriebsrat eine individuelle Arbeitszeit festgelegt werden.

        

2.6     

Es wird ein Zeitraum von plus 100 Stunden (Zeitguthaben) und minus 35 Stunden (Zeitschuld) festgelegt. Dieser Zeitrahmen kann zwischen den Betriebsparteien einvernehmlich in besonderen Fällen befristet erweitert werden.

        

…       

        
        

2.9     

Die Zeitentnahme aus dem Zeitkonto ist stundenweise, in Einzeltagen oder in Blöcken von Tagen möglich. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Vorgesetzten und der Betriebsrat werden über die Kontenstände und die Kontenentwicklung monatlich informiert.

        

2.10   

Auf- und Abbau der Konten berücksichtigen neben den betrieblichen Erfordernissen auch individuelle Zeitwünsche der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter/Gruppe. Es ist sicherzustellen, dass durch die Zeitentnahmen auf Wunsch der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter/Gruppe die betrieblichen Abläufe nicht wesentlich eingeschränkt werden.

        

…       

        
        

2.17   

Die in den Arbeitszeitmodellen festgelegte Normalarbeitszeit dient als Grundlage zur Ermittlung von bezahlten und unbezahlten Fehlzeiten.

        

…       

        

§ 4 Arbeitszeitmodelle

        

4.    

Vereinbart werden folgende Arbeitszeitmodelle

                 

• Normalbetrieb

Anlage A 1

                 

…“    

        
4

Für den Kläger gilt das nachfolgende in der Anlage A1 zur BV Arbeitszeit geregelte Arbeitszeitmodell (im Folgenden Arbeitszeitmodell A1):

        

Arbeitszeitmodell - A 1 - Normalbetrieb

                 
        

Arbeitszeitmodell - Normalbetrieb

        

Betriebszeit

Montag bis Freitag

        

Kernzeit

Dieses Arbeitszeitmodell hat keine Kernzeit.

        

Normalarbeitszeit

07.15 Uhr - 15.00 Uhr

        

Rahmenarbeitszeit *

06.30 Uhr - 19.45 Uhr

        

Sollarbeitszeit

7,0 Stunden pro Tag.

        

Pausen

45 Minuten unbezahlt

        

Wird eine abweichende Rahmenarbeitszeit aus betrieblichen Gründen in einzelnen Bereichen benötigt, so muss diese entsprechend über die Personalabteilung beantragt und mit dem Betriebsrat vereinbart werden.

        

…“    

5

Die zwischen der Beklagten und dem am Standort Hamburg gebildeten Betriebsrat geschlossene „Betriebsvereinbarung Betriebsruhe im Kalenderjahr 2012“ regelte ua.:

        

3.    

Betriebsruhe

        

 3.1   

Betriebsruhetage, Zeitausgleich

                 

Es wird vereinbart, dass der Betrieb an folgenden Tagen ruht:

                 

Samstag1),

07.04.2012

                 

Montag,

30.04.2012

                 

Freitag,

18.05.2012 bis Samstag1), 19.05.2012

                 

Montag,

24.12.2012 bis Montag, 31.12.2012

                 

Die an den Betriebsruhetagen ausfallende Arbeitszeit ergibt sich aus der individuellen arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Am 24.12. (Heiligabend) und am 31.12. (Silvester) beträgt die Ausfallzeit jedoch nur 5,5 Stunden pro Arbeitstag, soweit im Arbeitsvertrag keine kürzere Arbeitszeit festgelegt ist.

                 

Der Zeitausgleich für die oben genannten Tage der Betriebsruhe kann durch Tarifurlaub oder durch Entnahme von Zeitguthaben aus dem Arbeitszeitkonto erfolgen.

                 

…“    

6

Entsprechende Betriebsvereinbarungen hatten die Betriebsparteien bereits für die Jahre 2001 bis 2011 geschlossen. Im Jahr 2013 kam es nicht zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Betriebsruhe für den 24. und 31. Dezember.

7

Der Kläger nahm am 24. und 31. Dezember 2013 bezahlten Freizeitausgleich in Anspruch. Die Beklagte brachte im Arbeitszeitkonto des Klägers für diese Tage eine Soll-Arbeitszeit von jeweils sechs Stunden in Ansatz, indem sie entsprechende Minusbeträge in der für den Kläger geführten Zeitnachweisliste Dezember 2013 auswies.

8

Mit der am 22. September 2014 eingereichten Klage verlangt der Kläger, nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung, die Gutschrift von jeweils 0,5 Zeitstunden für den 24. und den 31. Dezember 2013 auf seinem Arbeitszeitkonto. Er hat geltend gemacht, die Soll-Arbeitszeit habe an diesen Tagen lediglich 5,5 Stunden betragen. § 2 Nr. 2.17 BV Arbeitszeit verstoße gegen den Tarifvertrag, indem die Bestimmung zur Ermittlung der Soll-Arbeitszeit und Dauer seiner Fehlzeit am 24. und 31. Dezember 2013 auf die Normalarbeitszeit von 07:15 Uhr bis 15:00 Uhr abstelle. § 3 Nr. 9 MTV gebe am 24. und 31. Dezember zwingend als Arbeitszeitende 13:00 Uhr vor und begrenze den Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien. Nach Abzug von 15 Minuten Pause ergebe sich eine Soll-Arbeitszeit von nur 5,5 Stunden.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für Dezember 2013 1,0 Arbeitsstunde gutzuschreiben.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger habe am 24. und 31. Dezember 2013 Arbeitsleistungen im Umfang von jeweils sechs Stunden geschuldet.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet.

13

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere streitgegenständlich hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

14

1. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können, und das Leistungsbegehren konkretisiert, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll (BAG 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 - Rn. 12; 12. Dezember 2012 - 5 AZR 918/11 - Rn. 33; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 10; 21. Oktober 2015 - 5 AZR 843/14 - Rn. 14, 16).

15

2. Die Beklagte führt für den Kläger ein Zeitkonto, auf dem die begehrte Gutschrift noch erfolgen kann. An welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll, kommt zwar im Wortlaut des Antrags nicht zum Ausdruck, kann aber unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten Zeitnachweisliste durch Auslegung ermittelt werden. Danach begehrt der Kläger die Korrektur des im Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Saldos durch Gutschrift einer Stunde.

16

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann keine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto verlangen.

17

1. Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands(zB § 615 Satz 1 und Satz 3, § 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 37 Abs. 2 BetrVG) nicht erbringen musste und deshalb Vergütung beanspruchen kann bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte und gezahlte Vergütung erbringen muss (BAG 23. September 2015 - 5 AZR 767/13 - Rn. 20). Die nachträgliche Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto setzt voraus, dass der Arbeitnehmer Arbeitsstunden erbrachte oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste und diese bisher nicht vergütet und nicht in das Arbeitszeitkonto eingestellt wurden (BAG 26. Juni 2013 - 5 AZR 428/12 - Rn. 22; 21. August 2013 - 5 AZR 872/12 - Rn. 9).

18

2. Der Kläger erhält ein verstetigtes Monatsentgelt, dessen Zahlung für Dezember 2013 zwischen den Parteien außer Streit steht. Er hat am 24. und 31. Dezember 2013 keine Arbeitsleistung erbracht. Die Beklagte hat für beide Tage zu Recht eine Soll-Arbeitszeit von jeweils sechs Stunden und nicht nur 5,5 Stunden in Ansatz gebracht. Es bestand keine normative oder einzelvertragliche Regelung, aufgrund derer die Arbeitspflicht des Klägers hinsichtlich der in Ansatz gebrachten sechs Soll-Arbeitsstunden als erfüllt galt. Infolgedessen war die Beklagte nicht verpflichtet, dem Arbeitszeitkonto des Klägers, wie von ihm beansprucht, ohne Arbeitsleistung jeweils 0,5 Stunden gutzuschreiben.

19

a) Der 24. und 31. Dezember sind keine gesetzlichen Feiertage. Sie fielen im Jahr 2013 auf Werktage.

20

b) Eine von dem im Arbeitsverhältnis geltenden Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ (vgl. BAG GS 17. Dezember 1959 - GS 2/59 - zu B IV der Gründe, BAGE 8, 285; 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14, BAGE 141, 144) abweichende Vergütungspflicht des Arbeitgebers wird für den 24. und 31. Dezember ausschließlich durch § 3 Nr. 9 Abs. 2 MTV begründet. Danach sind nur die an diesen Tagen über eine geleistete Arbeitszeit von sechs Stunden hinausgehenden und deshalb - ausgehend von der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit - ausfallenden Stunden zu vergüten. Ausschließlich für diese Stunden regelt § 3 Nr. 9 Abs. 2 MTV einen tariflichen Entgeltfortzahlungsanspruch.

21

c) Aus § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 MTV folgt nicht, dass die Arbeitspflicht des Klägers hinsichtlich eines Teils der in Ansatz gebrachten sechs Soll-Arbeitsstunden iHv. 0,5 Arbeitsstunden als erfüllt gilt.

22

aa) § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 MTV begrenzt am 24. und am 31. Dezember den zeitlichen Umfang der geschuldeten Arbeitszeit, abweichend von der an anderen Werktagen geltenden Soll-Arbeitszeit von sieben Stunden (§ 3 Nr. 1.1 a., § 3 Nr. 4.1 MTV iVm. § 2 Nr. 2.1, Nr. 2.4, § 4 Nr. 4 BV Arbeitszeit), auf jeweils sechs Stunden. Die Tarifnorm untersagt dem Arbeitgeber am 24. und am 31. Dezember Arbeitsleistung im Umfang von mehr als sechs Stunden zu fordern. Sie begründet jedoch - für sich genommen - hinsichtlich der ausgefallenen Arbeitsstunden keine Vergütungspflicht des Arbeitgebers, denn die Tarifbestimmung setzt gleichzeitig die Arbeitnehmer außerstande, die Arbeitsleistung zu bewirken, § 297 BGB (vgl. BAG 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 14, BAGE 151, 45 zu den nach § 4 ArbZG einzuhaltenden gesetzlichen Mindestpausen).

23

bb) Nicht entscheidungserheblich ist, ob § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 MTV für den 24. und 31. Dezember ein tarifliches Beschäftigungsverbot nach 13:00 Uhr regelt und insoweit den Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien begrenzt (zu den Anforderungen an ein gesetzliches Beschäftigungsverbot vgl. BAG 18. März 2009 - 5 AZR 192/08 - Rn. 15, BAGE 130, 29; 21. Oktober 2015 - 5 AZR 843/14 - Rn. 31).

24

(1) Auch bei einem Verständnis in diesem Sinne begründete die tarifliche Regelung keinen Vergütungsanspruch für ausfallende Arbeitsstunden, sondern schlösse, wie § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 MTV, lediglich das Recht des Arbeitgebers, Arbeitsleistung zu verlangen, sowie die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers aus.

25

(2) Ebenso wenig ist es entscheidungserheblich, ob die BV Arbeitszeit - wie der Kläger meint - im Widerspruch zu § 3 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 MTV auch für den 24. und 31. Dezember die Normalarbeitszeit von 07:15 Uhr bis 15:00 Uhr und/oder die „Rahmenarbeitszeit“ zwischen 06:30 Uhr und 19:45 Uhr - iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG als Zeitraum festlegt, in dem der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich erbringen kann und der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflichten verlangen kann(vgl. BAG 17. November 2015 - 1 ABR 76/13 - Rn. 24). Selbst wenn die Betriebsparteien die Grenzen der ihnen in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG eingeräumten Regelungsbefugnis überschritten hätten, ließe dies die vergütungsrechtliche Position des Klägers unberührt und begründete keinen Anspruch des Klägers auf die von ihm begehrte Zeitgutschrift.

26

3. Im Einklang mit § 3 Nr. 9 MTV dient nach § 2 Nr. 2.17 BV Arbeitszeit die in den Arbeitszeitmodellen festgelegte „Normalarbeitszeit“ (§ 2 Nr. 2.4, § 4 BV Arbeitszeit)auch für den 24. und 31. Dezember als Grundlage zur Ermittlung von bezahlten und unbezahlten Fehlzeiten. Dabei regelt § 2 Nr. 2.17 BV Arbeitszeit nicht den Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung, sondern bezieht sich auf die Normalarbeitszeit lediglich als Rechengröße. Dies ergibt die Auslegung der BV Arbeitszeit. Hierfür spricht vor allem der Wortlaut, wonach die Normalarbeitszeit „zur Ermittlung“ bezahlter und unbezahlter Fehlzeiten dient. Zudem verbietet die gebotene gesetzeskonforme Auslegung der BV Arbeitszeit (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 1 ABR 40/12 - Rn. 25) die Annahme, § 2 Nr. 2.17 BV Arbeitszeit betreffe die vergütungspflichtige Arbeitszeit und erweitere im Widerspruch zu § 3 Nr. 9 MTV den Umfang der am 24. und am 31. Dezember geschuldeten Arbeitsleistung. Der MTV regelt für den 24. und 31. Dezember in § 3 Nr. 9 Abs. 1 und Abs. 2 MTV den Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung und die vergütungsrechtliche Behandlung ausfallender Arbeitsstunden abschließend. Ein durch die Betriebsparteien auszufüllender Gestaltungsspielraum verbleibt nicht.

27

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber    

        

    Volk     

        

        

        

    Feldmeier     

        

    Reinders    

                 

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 28. Juni 2012 - 4 Sa 207/12 - unter Zurückweisung der weiter gehenden Revision teilweise aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 24. Januar 2012 - 3 Ca 2823/11 - wird zurückgewiesen, soweit die Beklagte verurteilt wurde, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin ab März 2010 bis März 2011 herausgebuchte 56,28 Stunden wieder gutzuschreiben.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 82 % zu tragen, die Beklagte 18 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Wiedergutschrift von geleisteten Arbeitsstunden auf ihr Arbeitszeitkonto.

2

Die Klägerin ist seit 1991 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Anfang 2002 wechselte sie in den Beschäftigungsbetrieb „Vivento“ und von dort zum 1. Mai 2005 in den Betrieb „Deutsche Telekom Direktvertrieb und Beratung“ (Telekom Direkt bzw. DTDB).

3

Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin finden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung sowie beiderseitiger Tarifbindung die bei der Beklagten geltenden Firmentarifverträge Anwendung. Diese bestehen neben dem Manteltarifvertrag (MTV) aus einer Vielzahl ergänzender Tarifverträge. Zur Geltendmachung von Ansprüchen regelt § 31 MTV auszugsweise Folgendes:

        

§ 31 Ausschlussfrist

        

(1)     

Die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

                 

Bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen bedarf es keiner erneuten schriftlichen Geltendmachung, sofern der nicht oder unzutreffend erfüllte Anspruch auf dem selben Fehler beruht. ...

        

…       

        
        

(4)     

Werden die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis trotz Geltendmachung durch Bestreiten in Schriftform nicht erfüllt oder nur teilweise erfüllt, ist innerhalb einer Frist von zwei Monaten Klage zu erheben. Wird keine Klage erhoben, verfallen die Ansprüche.“

4

Mit dem zum 1. März 2004 in Kraft getretenen Tarifvertrag Beschäftigungsbündnis (TV BB) haben die Tarifvertragsparteien verschiedene beschäftigungssichernde Maßnahmen vereinbart. Zu diesen gehört nach § 2 Abs. 1 TV BB eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 34 Stunden mit Teilentgeltausgleich. Nach § 4 Abs. 1 TV BB sind hiervon allerdings bestimmte Arbeitnehmergruppen ausgenommen. Im Ausnahmefall können nach § 4 Abs. 2 TV BB auch einzelne Beschäftigte herausgenommen werden. Gemäß § 2 Abs. 2 iVm. § 6 TV BB erfolgt die betriebliche Umsetzung der verkürzten Arbeitszeit nach Maßgabe von § 11 MTV und durch die Regelungen des Arbeitszeitkonten-Tarifvertrags (TV Azk). § 11 MTV lautet in der Fassung vom 1. März 2004 auszugsweise wie folgt:

      

§ 11 

Regelmäßige Arbeitszeit

        

(1)     

1Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 34 Stunden (verkürzte Arbeitszeit). …

        

(2)     

1Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt für einzelne Arbeitnehmer und besondere Arbeitnehmergruppen ausschließlich der Pausen 38 Stunden. 2Die Arbeitnehmergruppen sind in der Anlage 1 zum MTV aufgeführt.

                 

3Herausnahmen sind möglich für einzelne oder mehrere Arbeitnehmer mit vergleichbarem Anforderungsprofil (spezielles Fachwissen bzw. spezielle Ausbildung/Qualifikation), wenn diese aus Vivento, gegebenenfalls auch nach zumutbaren Qualifikationsmaßnahmen, nicht ersetzt werden können und für sie ansonsten nachweisbar externe Einstellungen erforderlich werden. …

                 

7Die Anwendung dieser Regelung darf nicht dazu führen, dass der Grundsatz der 34-Stundenwoche nach Absatz 1 im Unternehmen unterlaufen wird.“

5

Nach § 4 Abs. 1 TV Azk wird für jeden Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto (Azk) eingerichtet. Hinsichtlich der Führung des Kontos treffen § 5 und § 6 TV Azk ua. folgende Regelungen:

      

§ 5   

Im Arbeitszeitkonto zu erfassende Zeiten

        

…       

        
        

(8)     

Zu Beginn eines jeden Kalendermonats werden aus dem Azk von Arbeitnehmern, die aus der Wochenarbeitszeitverkürzung herausgenommen sind, obligatorisch 4 Stunden und 20 Minuten herausgebucht.

                 

…       

        

§ 6     

Abrechnungszeitraum

        

(1)     

Die Arbeitszeitkonten werden nicht zu bestimmten Zeiten abgerechnet. Das individuelle Arbeitszeitkonto hat ... einmal innerhalb von längstens 18 Monaten (Abrechnungszeitraum) die ‚Null-Linie‘ zu berühren. Mit dem Durchschreiten bzw. Verlassen der ‚Null-Linie‘ beginnt ein neuer Abrechnungszeitraum.

        

…“    

        
6

Für den Betrieb DTDB wurde der Tarifvertrag über Pilotkonditionen im Betrieb Direktvertrieb und Beratung der Deutschen Telekom AG (TV Pilotkonditionen) vereinbart. Dieser galt vom 1. Oktober 2005 nach mehrmaliger Verlängerung bis zum 30. Juni 2011 und bestimmte ua. Folgendes:

        

§ 1   

        

Persönlicher Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmer, die am Tag vor ihrem Wechsel in den Betrieb ‚Deutsche Telekom Direktvertrieb und Beratung‘ (Telekom Direkt) Transfermitarbeiter der Vivento waren und am Tag nach ihrem Wechsel unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages der Deutschen Telekom AG fallen.

        

§ 2     

        

Anwendung von Vorschriften

        

Es gelten die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG, soweit nicht nachfolgend etwas Abweichendes geregelt ist.

        

…       

        

§ 4     

        

Regelmäßige Arbeitszeit

        

Abweichend von § 11 Absatz 1 Satz 1 Manteltarifvertrag beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen 38 Stunden.

        

…“    

7

Zum 1. Juli 2011 wurden die Arbeitsverhältnisse der DTDB teilweise aus dem Anwendungsbereich der bei der Beklagten geltenden Tarifverträge herausgenommen. Es sollten insoweit nunmehr die Tarifverträge der Telekom Deutschland GmbH gelten (vgl. § 2 des Tarifvertrags zur Bereichsausnahme für den Betrieb „Deutsche Telekom Direktvertrieb und Beratung“ der Deutschen Telekom AG und zur Anwendung der Tarifverträge der Telekom Deutschland GmbH (TV Bereichsausnahme DTDB) vom 21. Juni 2011). Begleitend schlossen die Tarifvertragsparteien am 21. Juni 2011 für die DTDB den Tarifvertrag über besondere Arbeitsbedingungen bei der Überführung der Arbeitsverhältnisse in die Bereichsausnahme für den Betrieb „Deutsche Telekom Direktvertrieb und Beratung“ der Deutschen Telekom AG (TV SR-T-Direkt). § 12 TV SR-T-Direkt regelt, dass die Arbeitnehmer der DTDB in das Arbeitszeitsystem nach den tariflichen Regelungen der Telekom Deutschland GmbH überführt werden. Nach der Protokollnotiz zu § 12 TV SR-T-Direkt gelten die bisher auf Grundlage einer Wochenarbeitszeit von 38 Stunden beschäftigten Arbeitnehmer nach der Überführung als Herausgenommene iSd. § 11 Abs. 2 MTV Telekom Deutschland GmbH. Dieser entspricht § 11 Abs. 2 des bei der Beklagten geltenden MTV. Für die Fortdauer der Beschäftigung auf dem Arbeitsplatz im Anschluss an die Überführung gilt der Herausnahmegrund als gegeben.

8

Die Klägerin ist für die DTDB seit Beginn in einer 38-Stunden-Woche tätig. Für sie ist ein Arbeitszeitkonto eingerichtet, welches seit seinem Bestehen bei der DTDB die „Null-Linie“ zu keinem Zeitpunkt berührt hat. Weder die Klägerin persönlich noch Beschäftigte der DTDB sind in der Anlage 1 zum MTV oder in § 4 TV BB aufgeführt. Dennoch buchte die Beklagte im Zeitraum von Mai 2005 bis März 2011 entsprechend § 5 Abs. 8 TV Azk monatlich gleichbleibend 4 Stunden und 20 Minuten aus dem Arbeitszeitkonto der Klägerin heraus. Mit Schreiben vom 27. August 2010 hatte die Klägerin die Beklagte aufgefordert, diese monatlichen Negativbuchungen künftig zu unterlassen und die bislang abgezogenen Stunden ihrem Arbeitszeitkonto wieder gutzuschreiben. Hierauf reagierte die Beklagte nicht.

9

Mit ihrer am 10. März 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin weiterhin die Auffassung vertreten, die vorgenommenen Abzüge seien zu Unrecht erfolgt. § 5 Abs. 8 TV Azk habe keine Anwendung gefunden. Sie sei nicht nach § 11 Abs. 2 MTV aus einer verkürzten Arbeitszeit von 34 Wochenstunden herausgenommen gewesen. Maßgeblich sei die spezielle Arbeitszeitregelung nach § 4 TV Pilotkonditionen gewesen. Diese habe ein eigenes Arbeitszeitregime mit einer ausnahmslosen Wochenarbeitszeit von 38 Stunden vorgesehen. Hierbei habe es sich um keine Herausnahme iSd. § 11 Abs. 2 MTV gehandelt. Ihre Ansprüche seien auch nicht nach § 31 Abs. 1 MTV verfallen. Die Ausschlussfrist laufe erst mit Beendigung des Abrechnungszeitraumes an. Da ihr Arbeitszeitkonto bei der DTDB die „Null-Linie“ nie berührt habe, habe der mit ihrem Wechsel in die DTDB begonnene Abrechnungszeitraum nach § 6 Abs. 1 TV Azk noch nicht geendet. Folglich stehe ihr bei einem monatlichen Abzug von 4,33 Stunden bezogen auf die Zeit von Mai 2005 bis März 2011 ein Anspruch auf Wiedergutschrift von insgesamt 307,6 Stunden zu.

10

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihr 307,6 Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto zu verbuchen.

11

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass der monatliche Abzug nach § 5 Abs. 8 TV Azk berechtigt gewesen sei. Die Klägerin sei durch § 4 TV Pilotkonditionen iSv. § 11 Abs. 2 MTV aus der grundsätzlich verkürzten Arbeitszeit herausgenommen worden. Indem § 4 TV Pilotkonditionen eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden vorgesehen habe, habe er sich auf § 11 Abs. 2 MTV bezogen und die von der Herausnahme betroffenen Arbeitnehmergruppen ergänzt. Eine solche Ergänzung sei auch ohne Änderung der Anlage 1 zum MTV möglich gewesen. § 5 Abs. 8 TV Azk nehme nicht nur auf diese Anlage Bezug, sondern erfasse alle Arbeitnehmer, die von tariflichen Vorschriften aus der Arbeitszeitverkürzung herausgenommen werden. Bei einem anderen Auslegungsergebnis wäre durch § 4 TV Pilotkonditionen systemfremd eine dritte Gruppe von Beschäftigten geschaffen worden. Neben Arbeitnehmern mit verkürzter regelmäßiger Wochenarbeitszeit von 34 Stunden (§ 11 Abs. 1 MTV) und den aus dieser Wochenarbeitszeit herausgenommenen Arbeitnehmern mit 38 Wochenstunden, die aber einen Abzug von 4 Stunden und 20 Minuten monatlich aus ihrem Arbeitszeitkonto hinnehmen müssen (§ 5 Abs. 8 TV Azk iVm. § 11 Abs. 2 MTV), hätte es dann noch Beschäftigte der DTDB mit 38 Wochenstunden ohne Abzug aus dem Arbeitszeitkonto gegeben. Dem widerspreche der im TV BB zum Ausdruck kommende betriebsübergreifende Solidaritätsgedanke, auf dem die Abbuchung bei Beschäftigten mit einer 38-Stunden-Woche beruhe. Die Herausnahme von Beschäftigten der DTDB aus einer verkürzten Arbeitszeit hätten die Tarifvertragsparteien zudem durch die Protokollnotiz zu § 12 TV SR-T-Direkt klargestellt. Diese Protokollnotiz sei eingefügt worden, um Rechtsunsicherheiten zu klären, die Rechtsstreitigkeiten wie die vorliegende aufgeworfen hätten.

12

Jedenfalls seien etwaige Ansprüche der Klägerin weitgehend verfallen. Ein Anspruch auf Wiedergutschrift wäre unmittelbar nach dem Abzug am Monatsanfang fällig geworden. Er hätte daher monatlich innerhalb der Ausschlussfrist des § 31 Abs. 1 MTV geltend gemacht werden können und müssen.

13

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten insgesamt abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist teilweise begründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war die Beklagte jedenfalls seit Inkrafttreten des TV Pilotkonditionen zur Herausbuchung von Arbeitsstunden aus dem Arbeitszeitkonto der Klägerin nicht berechtigt. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Wiedergutschrift aber nur für die Zeit ab März 2010 bis März 2011 in Höhe von insgesamt 56,28 Stunden. Im Übrigen sind ihre Ansprüche nach § 31 Abs. 1 MTV verfallen.

15

I. Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

16

1. Bei einem Streit über die Führung eines Arbeitszeitkontos kann der Arbeitnehmer entweder die Erhöhung seines Zeitguthabens um eine bestimmte Stundenzahl oder eine Zeitgutschrift in bestimmter Höhe verlangen (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 28 mwN; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11, BAGE 136, 152). Dient die begehrte Zeitgutschrift der Rückgängigmachung der Streichung eines Zeitguthabens, ist keine Konkretisierung des Leistungsbegehrens dahingehend erforderlich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll. Wird in einem solchen Fall dem Antrag auf Gutschrift stattgegeben, weiß der Arbeitgeber, was er zu tun hat, nämlich die von ihm auf einem bestimmten Arbeitszeitkonto vorgenommene Kürzung ungeschehen zu machen (BAG 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 17, BAGE 141, 88).

17

2. Dem entspricht der gestellte Antrag nach der gebotenen Auslegung. Er ist dahingehend zu verstehen, dass in Höhe der verlangten Verbuchung von „Gutstunden“ eine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto erfolgen soll. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Gutschrift in dem nach dem TV Azk geführten Arbeitszeitkonto erfolgen soll.

18

II. Die Klage ist teilweise begründet.

19

1. Die Klägerin hat jedenfalls für die Zeit ab dem 1. Oktober 2005 nach § 611 Abs. 1 BGB dem Grunde nach einen Anspruch auf Wiedergutschrift der seit dem Inkrafttreten des TV Pilotkonditionen von ihrem Arbeitszeitkonto abgezogenen Stunden.

20

a) Geht es um die Korrektur der Arbeitszeiterfassung auf einem Arbeitszeitkonto, kommt dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos aus § 611 Abs. 1 BGB zu, wenn das Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch nach der zugrunde liegenden Abrede verbindlich bestimmt(BAG 27. März 2014 - 6 AZR 621/12 - Rn. 21; 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 21). Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestandes nicht erbringen musste. Es drückt damit - in anderer Form - seinen Vergütungsanspruch aus (vgl. BAG 18. März 2014 - 1 ABR 75/12 - Rn. 20; 21. März 2012 - 6 AZR 560/10 - Rn. 21; 16. Juli 2014 - 10 AZR 242/13 - Rn. 16). Wegen dieser Dokumentationsfunktion darf der Arbeitgeber nicht ohne Befugnis korrigierend in ein Arbeitszeitkonto eingreifen und dort eingestellte Stunden streichen. Kürzt oder streicht der Arbeitgeber zu Unrecht ein Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf (Wieder-)Gutschrift der gestrichenen Stunden (BAG 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 20, 25 f., BAGE 141, 88).

21

b) Vorliegend hat die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig entweder ihre Arbeitsleistung erbracht oder einen Entgeltfortzahlungsanspruch gehabt. Fraglich ist allein, ob die Beklagte nach § 5 Abs. 8 TV Azk berechtigt war, die grundsätzlich nach § 611 Abs. 1 BGB zu vergütenden Stunden aus dem Arbeitszeitkonto der Klägerin „herauszubuchen“ und damit letztlich unbezahlt zu lassen. § 5 Abs. 8 TV Azk setzt voraus, dass der Arbeitnehmer, für den das Arbeitszeitkonto geführt wird, der Wochenarbeitszeitverkürzung unterliegt und von dieser herausgenommen ist. Dies war bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls ab dem Inkrafttreten des TV Pilotkonditionen zum 1. Oktober 2005 nicht der Fall. § 4 TV Pilotkonditionen installierte bis zum 30. Juni 2011 ein eigenständiges Arbeitszeitregime ohne eine verkürzte Arbeitszeit. Dies stellte keine Herausnahme iSd. § 11 Abs. 2 MTV dar.

22

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann (BAG 18. Februar 2014 - 3 AZR 808/11 - Rn. 29; 21. November 2013 - 6 AZR 664/12 - Rn. 28).

23

bb) Nach § 4 TV Pilotkonditionen betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit abweichend von § 11 Abs. 1 Satz 1 MTV 38 Stunden. Es handelte sich gemäß § 2 TV Pilotkonditionen um eine Spezialvorschrift für den Betrieb DTDB, welche die in § 11 Abs. 1 Satz 1 MTV vorgesehene Verkürzung der Arbeitszeit auf 34 Stunden nicht zur Anwendung kommen ließ. Stattdessen sollte im Betrieb DTDB für die von Vivento dorthin gewechselten Arbeitnehmer (§ 1 TV Pilotkonditionen) die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 38 Stunden betragen. § 4 TV Pilotkonditionen installierte nach seinem Wortlaut damit ein eigenständiges Arbeitszeitregime. Dies entsprach dem durch die Verwendung des Begriffs „Pilotkonditionen“ zum Ausdruck kommenden Gedanken der Schaffung von etwas Neuem zu besonderen Konditionen.

24

cc) Dem steht nicht entgegen, dass § 4 TV Pilotkonditionen damit eine „dritte Beschäftigtengruppe“ geschaffen hat, welche weder der verkürzten Wochenarbeitszeit unterfiel noch aus dieser herausgenommen wurde. Ein etwaiger Wille der Tarifvertragsparteien zur Umsetzung des Arbeitszeitkonzepts von § 11 Abs. 1 iVm. Abs. 2 MTV für alle Beschäftigten in allen Betrieben - und damit auch die in der DTDB - hätte keinen Niederschlag in den tariflichen Regelungen gefunden.

25

(1) § 4 TV Pilotkonditionen wies keinen Bezug zu § 11 Abs. 2 MTV auf, auch wenn beide eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden vorsehen. § 11 Abs. 2 MTV ist eine Spezialregelung im Sinne einer Ausnahmevorschrift zu § 11 Abs. 1 Satz 1 MTV, die für „einzelne“ Arbeitnehmer und „besondere“ Arbeitnehmergruppen abweichend von § 11 Abs. 1 Satz 1 MTV eine Arbeitszeit von 38 Stunden anordnet. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis von § 11 Abs. 1 und Abs. 2 MTV kommt dadurch deutlich zum Ausdruck, dass nach § 11 Abs. 2 Satz 7 MTV die Anwendung der Herausnahmemöglichkeit nach § 11 Abs. 2 MTV nicht dazu führen darf, dass der Grundsatz der 34-Stunden-Woche nach § 11 Abs. 1 MTV im Unternehmen unterlaufen wird. Da § 4 TV Pilotkonditionen gerade die Geltung dieses Grundsatzes sperrte, stand er in keinem Zusammenhang mit der diesbezüglichen Ausnahmevorschrift des § 11 Abs. 2 MTV. Konsequenterweise wurden auch keine Beschäftigten der DTDB in der zu § 11 Abs. 2 MTV erstellten Anlage 1 zum MTV aufgeführt.

26

(2) Die Begründung einer eigenständigen betrieblichen Arbeitszeitregelung durch § 4 TV Pilotkonditionen fügte sich in den tariflichen Gesamtzusammenhang ein. Tarifvertragsparteien können im Rahmen eines Haustarifvertrags für einzelne Betriebe spezifische Arbeitszeitregelungen vereinbaren, um den dortigen besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Sie können dabei auch in den Grenzen des Art. 3 Abs. 1 GG in Kauf nehmen, dass die Beschäftigten eines Betriebs gegenüber denjenigen in anderen Betrieben besser gestellt werden. Das war hier der Fall, da sich zumindest die von Vivento kommenden Arbeitnehmer im Betrieb DTDB wegen ihrer eigenständigen Arbeitszeitregelung nicht an dem von § 2 TV BB iVm. § 11 Abs. 1 MTV verfolgten Ziel der Beschäftigungssicherung durch Arbeitszeitverkürzung beteiligten und auch keinen „Solidaritätsbeitrag“ durch Leistung unbezahlter Arbeitsstunden gemäß § 5 Abs. 8 TV Azk iVm. § 11 Abs. 2 MTV erbrachten. Dies könnte den Tarifvertragsparteien aber durch den mit dem TV Pilotkonditionen bezweckten Erfolg des Aufbaus einer neuen Direktvertriebsorganisation als gerechtfertigt erschienen sein. Die finanziell vorteilhafte Regelung des § 4 TV Pilotkonditionen hatte zweifellos eine motivierende Wirkung für die früheren Transfermitarbeiter, welche bei Vivento nach § 11 Abs. 2 MTV iVm. der Anlage 1 zum MTV von der Herausnahme betroffen waren. Zwingende Gründe für eine Herausnahme dieser Beschäftigten bei der DTDB iSd. § 11 Abs. 2 MTV bzw. § 4 TV BB sind jedenfalls nicht ersichtlich. Hätten die Tarifvertragsparteien eine solche Herausnahme gewollt, hätten sie dies zumindest ansatzweise zum Ausdruck bringen müssen.

27

(3) Dies ist auch nicht durch die Protokollnotiz zu § 12 TV SR-T-Direkt geschehen. Nach dieser gelten die bisher auf Grundlage einer Wochenarbeitszeit von 38 Stunden beschäftigten Arbeitnehmer zwar nach der Überführung zum 1. Juli 2011 als Herausgenommene iSd. § 11 Abs. 2 MTV Telekom Deutschland GmbH. Für die Vergangenheit, dh. für die Zeit der Geltung des TV Pilotkonditionen, enthält die Protokollnotiz aber keine Aussage. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien nur eine schon vorher geltende Regelung klarstellen wollten. Dies hätte ausdrücklich erfolgen können. Eine vergangenheitsbezogene Klarstellung wäre besonders dann veranlasst gewesen, wenn Hintergrund der Protokollerklärung - wie von der Beklagten behauptet - gerade die Rechtsstreitigkeiten um die Berechtigung von Abzügen nach § 5 Abs. 8 TV Azk gewesen wären.

28

dd) Die Klägerin wechselte zum 1. Mai 2005 von Vivento zur DTDB und unterfiel damit unstreitig dem persönlichen Geltungsbereich des TV Pilotkonditionen. Für ihr Arbeitsverhältnis galt daher ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV Pilotkonditionen zum 1. Oktober 2005 dessen Arbeitszeitregime. Eine tarifliche Anordnung einer Herausnahme aus der Wochenarbeitszeitverkürzung iSv. § 5 Abs. 8 TV Azk bestand daher im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls ab dem 1. Oktober 2005 nicht mehr.

29

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte bis zum 30. September 2005 zu den vorgenommenen Abbuchungen berechtigt war. Hinsichtlich der Abzüge für die Monate Mai 2005 bis einschließlich Februar 2010 ist die Klage ohnehin unbegründet. Insoweit greift die Ausschlussfrist des § 31 Abs. 1 MTV, wonach Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind.

30

a) Die Ausschlussfristenregelung findet auf die streitgegenständlichen Ansprüche auf Gutschrift von Arbeitsstunden Anwendung. Die Beklagte wollte hier mit der Belastung des Arbeitszeitkontos der Klägerin mit Minusstunden keinen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Vergütung bzw. eines nicht ins Verdienen gebrachten Vorschusses durchsetzen (vgl. zu dieser Konstellation BAG 26. Januar 2011 - 5 AZR 819/09 - Rn. 20, BAGE 137, 38). Vielmehr verfolgt die Klägerin eigene Ansprüche gemäß § 611 Abs. 1 BGB.

31

b) Ein Anspruch ist regelmäßig erst dann im Sinne einer Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann. Die Forderung muss in ihrem Bestand feststellbar sein und geltend gemacht werden können (vgl. BAG 14. März 2012 - 10 AZR 172/11 - Rn. 39; 18. August 2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 43). Bei Führung eines Arbeitszeitkontos kann der Arbeitnehmer etwaige Ansprüche ggf. einer Mitteilung des Arbeitgebers über den Stand des Kontos entnehmen (vgl. zur Vergleichbarkeit mit einer Lohnabrechnung BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 19, BAGE 135, 197). Hängt das Bestehen von Ausgleichsansprüchen einer Vertragspartei allerdings nach der Ausgestaltung der Kontoführungsregelungen von dem Kontostand zu einem bestimmten Abrechnungszeitpunkt ab, so ist vorher nicht feststellbar, ob entsprechende Ansprüche bestehen (vgl. BAG 5. September 2002 - 9 AZR 244/01 - zu B III 1 b aa der Gründe, BAGE 102, 321). Der Sinn eines Arbeitszeitkontos besteht typischerweise gerade in der Flexibilisierung der Arbeitszeit, die es gestattet für einen bestimmten Zeitraum Plus- oder Minusstunden anzusammeln und erst zu einem bestimmten Stichtag oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Bilanz zu ziehen. Hiervon zu unterscheiden ist jedoch der Streit, ob bestimmte Zeiten - zB Mehrarbeit - zu Unrecht nicht in das Arbeitszeitkonto eingebucht wurden. Etwaige Ansprüche auf Gutschrift solcher Stunden bestehen unabhängig von dem Ausgleichszeitraum, denn sie wirken sich auf jedweden Saldo zum Abrechnungsstichtag aus.

32

c) Gleiches ist hier der Fall. Streitgegenstand ist kein zu einem bestimmten Zeitpunkt abzurechnender oder auszugleichender Saldo, sondern der monatlich gleichbleibende Abzug von 4 Stunden und 20 Minuten. Er wirkt sich bei der Saldierung in jedem Fall zu Lasten der Klägerin aus. Der Abrechnungszeitraum nach § 6 Abs. 1 TV Azk hat daher keine Bedeutung für die Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs. Die Klägerin konnte die Wiedergutschrift der zu Beginn eines jeden Kalendermonats herausgebuchten Stunden sofort im ebenfalls monatlichen Turnus verlangen (§ 271 Abs. 1 BGB). Dies war ihr auch möglich, da sie nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Kenntnis von den monatlich erfolgten Minusbuchungen hatte. Dies entspricht der Konstanz dieser Abbuchungen hinsichtlich Höhe und Zeitpunkt.

33

d) Die streitgegenständlichen Ansprüche sind daher nach § 31 Abs. 1 MTV für den Zeitraum bis einschließlich Februar 2010 verfallen. Die Geltendmachung vom 27. August 2010 hat die sechsmonatige Ausschlussfrist nur für die Ansprüche ab März 2010 gewahrt. Entsprechend der Herausbuchung zu Beginn des Monats Februar 2010 wären die daraus folgenden Ansprüche nämlich bis Anfang August 2010 geltend zu machen gewesen. Folglich sind auch die Ansprüche für die vorherigen Monate nicht rechtzeitig geltend gemacht.

34

3. Die Ansprüche ab März 2010 sind nicht verfallen. Die Klägerin kann insoweit eine Gutschrift in Höhe von insgesamt 56,28 Stunden beanspruchen.

35

a) Bezüglich dieser Ansprüche bedurfte es keiner erneuten schriftlichen Geltendmachung. Nach § 31 Abs. 1 Unterabs. 2 MTV ist eine solche nicht erforderlich, sofern der nicht oder unzutreffend erfüllte Anspruch auf demselben Fehler beruht. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, denn die monatlich entstehenden Ansprüche auf Wiedergutschrift beruhen auf derselben fehlerhaften Anwendung des § 5 Abs. 8 TV Azk.

36

b) Auch die zweite Stufe der Ausschlussfrist kann der Geltendmachung der verbleibenden Ansprüche nicht entgegenstehen. Sie greift nach § 31 Abs. 4 MTV nur ein, wenn nach der Geltendmachung der Ansprüche ein Bestreiten in Schriftform erfolgte. Ein solches Bestreiten ist den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen. Auch die Beklagte hat sich auf ein solches Bestreiten nicht berufen.

37

c) Die nicht verfallenen Ansprüche belaufen sich der Höhe nach auf insgesamt 56,28 Stunden. Die Klägerin berechnet ihre Klageforderung mit 4,33 Stunden pro Monat und verlangt demzufolge für März bis August 2010 eine Gutschrift von 25,98 Stunden. Für die Zeit von September 2010 bis März 2011 hat sie ausweislich der Klageerweiterung vom 18. April 2011 insgesamt 30,3 Stunden geltend gemacht. Es ergibt sich für die Zeitspanne von März 2010 bis März 2011 eine Summe von 56,28 Stunden. Die Höhe dieser Forderung steht zwischen den Parteien nicht in Streit.

38

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Kammann    

        

    Cl. Peter    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. März 2011 - 5 Sa 2328/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, in ein Arbeitszeitkonto eingestellte Stunden zu streichen.

2

Die Klägerin ist bei der Beklagten in deren Betrieb „Niederlassung B“ als Zustellerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund vertraglicher Vereinbarung die für das Unternehmen der Beklagten jeweils geltenden Tarifverträge Anwendung.

3

Zur Arbeitszeit bestimmt der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG (im Folgenden: MTV-DP AG) vom 18. Juni 2003 ua.:

        

㤠22 Arbeitszeit

        

(1)     

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Ruhepausen 38,5 Stunden im wöchentlichen Durchschnitt. Für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer gilt die im Arbeitsvertrag vereinbarte Wochenarbeitszeit als durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit. Eine abweichende Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit ist innerhalb von zwölf Monaten auszugleichen.

        

…       

        
        

(3)     

Bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage hat der Betriebsrat nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes mitzubestimmen.

        

…“    

        
4

Innerhalb der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit erhalten die Arbeitnehmer nach der Anlage 2a zum MTV-DP AG ua. eine Erholungszeit, die zu Kurzpausen zusammenzufassen und im Dienstplan auszuweisen ist. Bis zum 31. März 2008 betrug nach dem Tarifvertrag Nr. 111 die Erholungszeit pro Arbeitsstunde 3,50 Minuten, von denen mindestens 3,14 Minuten je Stunde Arbeitszeit zu Kurzpausen zusammenzufassen waren. Mit Wirkung ab 1. April 2008 wurde durch den Tarifvertrag Nr. 142a die Erholungszeit auf 2,25 Minuten pro Arbeitsstunde verkürzt, von denen mindestens 2,03 Minuten je Stunde Arbeitszeit zu Kurzpausen zusammenzufassen sind.

5

Zur Überzeitarbeit heißt es in dem mit Wirkung vom 1. September 2003 in Kraft getretenen Entgelttarifvertrag für Arbeitnehmer der Deutschen Post AG (im Folgenden: ETV-DP AG):

        

㤠14

        

Überzeitarbeit

        

(1)     

Arbeitsstunden, die auf Anordnung, Anforderung oder mit Billigung des Dienstvorgesetzten bzw. des von ihm hierfür Beauftragten über die tägliche dienstplanmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet werden, sind Überstunden. Sie dürfen nur angeordnet bzw. geleistet werden, wenn zwingende dienstliche Gründe dies erfordern.

        

…       

        
        

(4)     

Überstunden werden durch Freizeit ausgeglichen. Für jede Überstunde wird ein Überstundenzuschlag gemäß Abs. 5 UAbs. 2 gewährt. Er wird ebenfalls in Freizeit ausgeglichen. Der Freizeitausgleich für Überstunden und Überstundenzuschläge muss innerhalb von zwölf Monaten nach dem Entstehen erfolgen. Ist dies bis zum Ende des zwölften Kalendermonats nach dem Monat, in dem die Überstunden entstanden sind, nicht möglich, werden mit der Entgeltabrechnung für den darauffolgenden Kalendermonat das jeweilige Stundenentgelt der für den Arbeitnehmer maßgebenden Entgeltgruppe und der Überstundenzuschlag gezahlt.

                 

Beim Freizeitausgleich sind die betrieblichen Erfordernisse und die Interessen des einzelnen Arbeitnehmers gleichgewichtig zu berücksichtigen.

        

…“    

        
6

Im Betrieb „Niederlassung B“ ist ein Betriebsrat gebildet. Die Arbeitszeit in der Zustellung ist in der Betriebsvereinbarung Nr. 11 geregelt, die den Arbeitnehmern die Wahl zwischen zwei Arbeitszeitmodellen lässt. Zu dem von der Klägerin gewählten „Arbeitszeitmodell B“ heißt es in der Betriebsvereinbarung:

        

㤠12 Arbeitszeitregelungen

        

1.    

Für Beschäftigte, die innerhalb des Modells B arbeiten, gilt die dienstplanmäßige Arbeitszeit als erbracht.

                 
        

§ 13 Überzeitarbeit

        

1.    

Überzeitarbeit entsteht

                  ·       

anlässlich von Wochenfeiertagen entsprechend der Berechnungsregelung lt. ETV Arb § 14 Absatz 7

                  ·       

bei Arbeitsleistungen in besonderer Schicht

                  ·       

bei Dienstplanwechsel und Dienstplanänderung

                  ·       

bei Übertragungen von Zustellabschnitten in Höhe des zeitlichen Anteils der zu übernehmenden Zustellabschnitte

                  ·       

bei Warten vor Ablagekästen und Havarien in Höhe der aus diesem Anlass verbrauchten Arbeitszeit.

        

2.    

Überzeitarbeit aus überprüfungsbedürftiger Bemessung wird - auch rückwirkend - anerkannt.“

7

           

Zur Überzeitarbeit bestimmt die Betriebsvereinbarung Nr. 1 vom 12. Juli 1996 ua.:

        

㤠2 Geltungsbereich

        
        

…       

                 
        

2.    

Überzeitarbeit im Sinne dieser Betriebsvereinbarung beinhaltet die Überstunden bei Arbeitern und Angestellten und die Mehrarbeit bei Beamten. Als Überzeitarbeit gelten alle Arbeitszeiten, die über die individuelle tägliche dienstplanmäßige Arbeitszeit hinausgehen. Hierzu zählt auch die ÜZA infolge der zusätzlichen Übernahme eines Teiles eines anderen Zustellbezirks (Übertragung) sowie die ÜZA infolge von Wartezeit aus Störungen des Regelablaufes (z. B. durch verspäteten Verteilschluss oder nicht zeitgerechte Bedienung von Ablagestellen) und ÜZA infolge des unmittelbaren Wechsels in einen anderen Dienstplan (…).

        
        

…       

                 
        

§ 4 Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates

        
        

…       

                 
        

4.    

Um dem einzelnen Beschäftigten die notwendige Kontrolle über seine Freizeitansprüche aus ÜZA zu ermöglichen, stellt der Arbeitgeber sicher, daß der Beschäftigte sich jederzeit über die Höhe seiner noch auszugleichenden Freizeitansprüche aus Überzeitarbeit informieren kann.

        
        

…       

                 
        

§ 6 Freizeitausgleich für geleistete Überzeitarbeit

        
        

1.    

Auch unvorhersehbare Überzeitarbeit ist entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen in Freizeit auszugleichen. Der Ausgleich soll zeitnah innerhalb von 3 Monaten erfolgen. Dieser Zeitraum soll dazu beitragen, den geleisteten Freizeitausgleich gegenüber der Bezahlung in den Vordergrund zu stellen und auch zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen zu können. Dabei gehen die Betriebsparteien von der Erwartung aus, daß der Freizeitausgleich innerhalb der tarifvertraglichen Frist gewährt wird und hinsichtlich der zeitlichen Lage die Wünsche der Arbeitnehmer im Rahmen des Möglichen berücksichtigt werden.

        
        

…“    

                 
8

Die Klägerin arbeitete bis zum 30. Juni 2008 nach Dienstplänen, denen (noch) die Erholungszeit nach dem TV Nr. 111 zugrunde lag. Die Umsetzung der Kürzung der Erholungszeit nach dem TV Nr. 142a in die Dienstpläne erfolgte erst mit Wirkung ab dem 1. Juli 2008.

9

Am 6. November 2008 kürzte die Beklagte das Überzeitarbeitskonto (im Folgenden: ÜZA-Konto) der Klägerin um die dort eingestellten 7,20 Stunden und gab dazu unter der Rubrik „Zeitumbuchungsart“ als Grund an: „0073 Verfall ÜZA“. Der außergerichtlichen Aufforderung der Klägerin, die Kürzung ihres Zeitguthabens rückgängig zu machen, kam die Beklagte nicht nach.

10

Mit ihrer am 21. September 2009 eingereichten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte sei zur Kürzung des Guthabens auf dem ÜZA-Konto nicht berechtigt (gewesen). Sie habe im streitgegenständlichen Zeitraum nach ihr vorgegebenen Dienstplänen gearbeitet und damit die geschuldete Arbeitszeit erbracht. Wenn die Beklagte ihr zu lange bezahlte Pausen gewährte, könne das allenfalls einen (Rück-)Zahlungsanspruch begründen. Zudem verstoße das Vorgehen der Beklagten gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil sie Kürzungen nur bei den Beschäftigten vorgenommen habe, deren ÜZA-Konto ein Guthaben aufwies.

11

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin eine Zeitgutschrift iHv. 7,20 Stunden vorzunehmen.

12

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, zur Kürzung des Guthabens auf dem ÜZA-Konto der Klägerin berechtigt (gewesen) zu sein. Nach der (rückwirkenden) Kürzung der Erholungszeit pro Arbeitsstunde durch den Tarifvertrag Nr. 142a habe die Klägerin die tarifvertraglich geschuldete Arbeitszeit nicht vollständig erbracht. Es sei eine Arbeitszeitschuld entstanden, die sie gegen das Arbeitszeitguthaben habe aufrechnen dürfen. Gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz habe sie schon deshalb nicht verstoßen, weil es an einer verteilenden Entscheidung fehle. Zudem sei es ein sachlicher Grund, Beschäftigte, deren ÜZA-Konto kein Guthaben aufwies, nicht ins Minus zu bringen.

13

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

15

I. Die Klage ist mit der gebotenen Auslegung des Leistungsantrags zulässig.

16

1. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mehrfach entschieden, der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, sei hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Gleichermaßen könne der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11 mwN, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 -; BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 27, NZA 2012, 281). Allerdings ist dafür eine Konkretisierung des Leistungsbegehrens erforderlich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll.

17

2. Dieses für Klagen auf Gutschrift bislang nicht in das Arbeitszeitkonto aufgenommener Stunden entwickelte Bestimmtheitserfordernis kann nicht unbesehen auf einen Antrag übertragen werden, bei dem die begehrte Zeitgutschrift lediglich der Rückgängigmachung der Streichung eines Zeitguthabens dient. Wird in einem solchen Fall dem Antrag auf Gutschrift stattgegeben, weiß der Arbeitgeber, was er zu tun hat, nämlich die von ihm auf einem bestimmten Arbeitszeitkonto vorgenommene Kürzung ungeschehen zu machen.

18

Auf welchem Arbeitszeitkonto die Gutschrift erfolgen soll, kommt im Wortlaut des Antrags nicht zum Ausdruck, kann aber durch Auslegung ermittelt werden. Es steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die Beklagte das ÜZA-Konto der Klägerin gekürzt hat und die begehrte Gutschrift auf eben diesem erfolgen soll.

19

II. Die Klage ist begründet. Die Beklagte war und ist nicht berechtigt, das streitgegenständliche Zeitguthaben zu streichen. Infolge dessen ist sie verpflichtet, diese Stunden dem ÜZA-Konto der Klägerin wieder zuzuführen, also „gutzuschreiben“.

20

1. Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands(zB § 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 1 BUrlG, § 37 Abs. 2 BetrVG) nicht erbringen musste. Wegen dieser Dokumentationsfunktion darf der Arbeitgeber nicht ohne Befugnis korrigierend in ein Arbeitszeitkonto eingreifen und dort eingestellte Stunden streichen. Neben der materiellrechtlichen Rechtfertigung muss die der Führung des Arbeitszeitkontos zugrunde liegende Vereinbarung (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) dem Arbeitgeber überhaupt die Möglichkeit eröffnen, in das Arbeitszeitkonto eingestellte und damit grundsätzlich streitlos gestellte (vgl. dazu BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 19, BAGE 135, 197) Arbeitsstunden wieder zu streichen.

21

2. Daran fehlt es im Streitfall. Die dem ÜZA-Konto zugrunde liegenden Vereinbarungen erlauben es der Beklagten nicht, dieses Arbeitszeitkonto mit Minusstunden zu belasten, die sich - möglicherweise - aus der Nichtausschöpfung der tarifvertraglichen Wochenarbeitszeit in den Dienstplänen ergeben.

22

a) Das ÜZA-Konto ist ein spezielles Arbeitszeitkonto, das nur die aus Überzeitarbeit erworbenen „Gutstunden“, die grundsätzlich in Freizeit auszugleichen sind, erfasst und dokumentiert. Weder § 14 ETV-DP AG, der die Überzeitarbeit materiellrechtlich regelt, noch die Betriebsvereinbarungen Nr. 1 und Nr. 11 sehen die Möglichkeit vor, in dem ÜZA-Konto Minusstunden aus der Nichtausschöpfung der tarifvertraglich tatsächlich zu arbeitenden Zeit durch den bzw. im Dienstplan zu verrechnen.

23

b) Ebenso wenig kann aus § 22 Abs. 1 MTV-DP AG eine entsprechende Befugnis der Beklagten hergeleitet werden. Abgesehen davon, dass die Tarifnorm nur die tarifliche Arbeitszeit regelt, jedoch keine Vorschriften zur Führung des ÜZA-Kontos enthält, bestimmt § 22 Abs. 1 Satz 3 MTV-DP AG, dass eine abweichende Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit nach Satz 1 und Satz 2 innerhalb von zwölf Monaten auszugleichen ist. Die Kürzung bzw. Streichung eines Guthabens auf dem ÜZA-Konto, das gerade durch Arbeit außerhalb der dienstplanmäßigen Arbeitszeit erworben wurde, ist keine abweichende Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit. Eine solche muss, wie sich zumindest aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt, in die Zukunft gerichtet sein und erfolgt durch die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage, bei der der Betriebsrat nach § 22 Abs. 3 MTV-DP AG iVm. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitzubestimmen hat.

24

Zudem hat die (rückwirkende) Kürzung der Erholungszeit durch den TV Nr. 142a nicht zu einer abweichenden Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit iSd. § 22 Abs. 1 Satz 3 MTV-DP AG geführt. Die nach dem 1. April 2008 geltenden Dienstpläne haben wie zuvor eine regelmäßige Arbeitszeit von 38,5 Stunden im wöchentlichen Durchschnitt verteilt und dabei lediglich die tatsächlich zu arbeitende Zeit insoweit nicht ausgeschöpft, als die Arbeitszeit einen zu hohen Anteil als Erholungszeit bezahlter Pausen enthielt. Überdies gilt für Zusteller, die wie die Klägerin im Arbeitszeitmodell B arbeiten, die dienstplanmäßige Arbeitszeit nach § 12 Ziff. 1 Betriebsvereinbarung Nr. 11 als erbracht, unabhängig davon, wie lange sie für die von ihnen zu erledigende Zustelltätigkeit tatsächlich brauchen. Die tarifvertraglich zu arbeitende Zeit ist für diese Beschäftigten daher ohne Belang, wobei der Senat nicht zu entscheiden braucht, ob die Betriebsvereinbarung Nr. 11 insoweit tarifwidrig ist.

25

3. Kürzt oder streicht der Arbeitgeber zu Unrecht ein Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf (Wieder-)Gutschrift der auf dem Arbeitszeitkonto gestrichenen Stunden. Dieser Anspruch ist jeder Vereinbarung über die Führung eines Arbeitszeitkontos immanent.

26

a) Das Bundesarbeitsgericht hat bislang einen Anspruch des Arbeitnehmers auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos bejaht bzw. in Betracht gezogen, wenn das Arbeitszeitkonto nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt (vgl. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 10 mwN, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 -). Doch muss ein Arbeitszeitkonto nicht stets einen Vergütungsanspruch verbindlich bestimmen, es kann auch - wie hier - für die Höhe eines Anspruchs auf Freizeitausgleich oder die Höhe eines Vorschusses maßgebend sein.

27

b) Unabhängig davon, ob ein Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch oder sonstige Ansprüche maßgeblich bestimmt, kann der Arbeitnehmer stets verlangen, dass der Arbeitgeber, der aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag ein Arbeitszeitkonto für den Arbeitnehmer unterhält, dieses den vereinbarten Vorgaben entsprechend führt. Andernfalls vermag das Arbeitszeitkonto seinen Zweck, den zeitlichen Umfang der vom Arbeitnehmer erbrachten Hauptleistungspflicht zu dokumentieren, nicht zu erfüllen. Greift der Arbeitgeber zu Unrecht in den Saldo eines Arbeitszeitkontos ein, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Wiederherstellung des Status quo ante und damit auf (Wieder-)Gutschrift der aus dem Saldo seines Arbeitszeitkontos gestrichenen Stunden.

28

III. Die Kosten der Revision hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Zoller    

        

    Pollert    

        

        

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. Februar 2014 - 16 Sa 777/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach dem Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung - Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen (AWbG) vom 6. November 1984.

2

Unter dem 18. Oktober 2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe im laufenden Jahr 2011 seinen Bildungsurlaub nach dem AWbG noch nicht in Anspruch genommen. Er beabsichtige im folgenden Jahr die Zusammenfassung der Ansprüche und mache daher die Übertragung von fünf Tagen Bildungsurlaub in das Jahr 2012 geltend.

3

Mit Schreiben vom 25. Juni 2012 lud die IG Metall, Verwaltungsstelle H, den Kläger zu einem Seminar mit dem Thema „Weimarer Demokratie und faschistische Diktatur - Arbeitergeschichte im 20. Jahrhundert - Der Kampf um soziale Rechte“ für die Zeit vom 2. bis zum 14. September 2012 ein. In der Seminarausschreibung hieß es hierzu ua.:

        

„Das Seminar wendet sich an interessierte Arbeitnehmer(innen) und Betriebsräte. Empfehlenswert ist der vorherige Besuch der Seminarreihe ‚Leben und Arbeiten: Interessenvertretung in Betrieb und Gesellschaft‘ sowie des Seminars ‚Die Entstehung der Arbeiterbewegung als Lernprozess‘ …“

4

Der Themenplan lautete wie folgt:

        

„…    

                 
        

Inhalte

                 
        

Sonntag

        

Anreise, Abendessen, Begrüßung und Informationen zum Haus

        

Montag

V       

Vorstellungsrunde und organisatorische Hinweise

                          

Darstellung des Seminarprogramms und Vereinbarungen über den Seminarablauf, Einstieg ins Thema

                 

N       

Erfolge und Niederlagen in der organisierten Arbeiterschaft in der Novemberrevolution 1918

        

Dienstag

V       

Der Kampf um das Betriebsrätegesetz 1920

                 

N       

Das erste Betriebsrätegesetz und die Realität betrieblicher Interessenvertretung im Vergleich mit dem BetrVG 2001

        

Mittwoch

V       

Der Beitrag des Betriebsrätegesetzes zur Demokratisierung der Gesellschaft am Beispiel der Reaktion auf den Kapp-Putsch

                 

N       

Die Entwicklung von Arbeitsrecht und Betriebsverfassung bis 1933

        

Donnerstag

V       

Die Gegner der demokratischen Republik und der Kampf um ihre Verteidigung

                 

N       

Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und staatliche Krisenpolitik

        

Freitag

V       

Das Betriebsrätegesetz als Instrument zur Krisenbewältigung im Vergleich zum BetrVG (Möglichkeiten der Krisenbewältigung mit dem BetrVG heute im Vergleich zum Betriebsrätegesetz von 1920)

                 

N       

Das Betriebsrätegesetz als untaugliches Mittel im Abwehrkampf gegen den Aufstieg der NS-Bewegung

        

Samstag

V       

Sozialgesetzgebung im Vergleich zu heute

                                   
                          

Rückblick auf die Woche, Ausblick auf die kommende Woche

        

Montag

V       

Die Zerschlagung der Weimarer Betriebsverfassung und der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten

                 

N       

Betriebsverfassung im ‚Dritten Reich‘: die Deutsche Arbeitsfront als antidemokratisches Herrschaftsinstrument

        

Dienstag

V       

‚Betriebsführer‘ und ‚Gefolgschaft‘ als Beispiele für nationalsozialistische Volksgemeinschaftspolitik

                 

N       

Tarifordnungen unter diktatorischen Bedingungen

        

Mittwoch

V       

Staatliche Wirtschaftspolitik und Kriegsvorbereitung

                 

N       

Arbeitspolitik in der Kriegswirtschaft - Zwangsarbeit

        

Donnerstag

V       

Widerstand und Emigration: Konzepte für die betriebliche Interessenvertretung nach 1945

                 

N       

Auswirkungen der Erfahrungen aus Weimarer Republik und NS auf die Betriebsverfassung der Bundesrepublik

        

Freitag

V       

Aus der Geschichte gelernt: Betriebsvereinbarungen gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung

                          

Abreise“

5

Unter dem 26. April 2010 wurde das das Seminar veranstaltende IG Metall-Bildungszentrum Berlin durch die Bezirksregierung Detmold als Einrichtung der Arbeitnehmerweiterbildung nach §§ 10 ff. AWbG anerkannt. Mit Schreiben vom 2. Juli 2012 an die Beklagte „im Haus“ erklärte der Kläger die Inanspruchnahme von Bildungsurlaub in der Zeit vom 2. bis zum 14. September 2012. Mit Schreiben vom 11. Juli 2012 lehnte die Beklagte die Freistellung des Klägers mit der Begründung ab, es sei nicht erkennbar, dass es sich um ein Seminar handele, welches jedermann zugänglich sei. Mit Schreiben vom 12. Juli 2012 übersandte der Kläger der Beklagten „im Hause“ die „Jedermannerklärung“ der IG Metall-Verwaltungsstelle H für dieses Seminar. Mit Schreiben vom 13. Juli 2012, das der Beklagten am 19. Juli 2012 zuging, erklärte der Kläger, er werde trotz der Weigerung der Beklagten am Seminar teilnehmen. Mit Schreiben vom 18. Juli 2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, der Betriebsratsvorsitzende habe ihm mitgeteilt, ein an ihn adressiertes Schreiben der Personalabteilung sei beim Betriebsratsvorsitzenden eingegangen. Danach habe er erfahren, dass die Beklagte wegen Fehlens der „Jedermannerklärung“ den Bildungsurlaub ablehne. Diese sei der Beklagten aber per Fax noch fristgerecht am 13. Juli 2012 und als Kopie mit der Hauspost zugegangen. Mit Schreiben vom 27. Juli 2012 bescheinigte die IG Metall-Verwaltungsstelle H dem Kläger Folgendes:

        

„Hiermit bescheinigen wir, dass bei Teilnahme an Seminaren der IG Metall der Teilnehmer sich bewerben muss und erst nach dieser Bewerbung bekommen diese Interessenten eine Einladung bzw. einen Bescheid, dass sie auf der Warteliste des Seminars stehen.

        

Es ist also nicht der Fall, dass die IG Metall sich Mitglieder aussucht, und diese dann zu einem Seminar einlädt.“

6

Für dieses Seminar wurde im Bildungsprogramm 2012 der IG Metall, einsehbar in allen IG Metall-Verwaltungsstellen, sowie im Internet auf der Webseite des Bildungszentrums geworben.

7

Das Seminar fand montags bis freitags von 8:30 Uhr bis 10:00 Uhr, 10:15 Uhr bis 12:30 Uhr, 14:30 Uhr bis 15:45 Uhr und 16:00 Uhr bis 17:00 Uhr statt. Die Kosten für ein zweiwöchiges Seminar beliefen sich im Bildungszentrum Berlin im Jahre 2012 auf insgesamt 2.741,40 Euro, wovon 840,00 Euro auf die Übernachtung und 540,00 Euro auf die Verpflegung entfielen. Dies ergibt einschließlich der Mehrwertsteuer einen Betrag in Höhe von 1.541,40 Euro. Hinzu kamen steuerfreie Seminarkosten in Höhe von 1.200,00 Euro.

8

Die Beklagte kürzte die Vergütung des Klägers für den Monat September 2012 wegen seiner Teilnahme an der Bildungsveranstaltung in Höhe von 1.458,90 Euro brutto. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 machte die IG Metall für den Kläger gegenüber der Beklagten dessen Zahlungsanspruch erfolglos geltend. Der Entgeltausfall für September 2012 wurde dem Kläger von der IG Metall erstattet.

9

Mit seiner am 12. November 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, er habe für die Zeit der Seminarteilnahme Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 7 AWbG.

10

Er hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.458,90 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Oktober 2012 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen des AWbG seien nicht erfüllt. Insbesondere sei die Weiterbildungsmaßnahme nicht jedermann zugänglich gewesen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ( § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Aufgrund der festgestellten Tatsachen kann der Senat nicht abschließend darüber befinden, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit seiner Teilnahme an dem Seminar „Weimarer Demokratie und faschistische Diktatur - Arbeitergeschichte im 20. Jahrhundert - Der Kampf um soziale Rechte“ Vergütung zu zahlen.

14

I. Die allgemeinen und formellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Fortzahlung von Arbeitsentgelt gemäß § 7 AWbG sind erfüllt.

15

1. Der Kläger war Arbeitnehmer (§ 2 Satz 1 AWbG). Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bestand seit mehreren Jahren. Die Wartezeit des § 3 Abs. 3 AWbG von sechs Monaten war damit bei Antragstellung im Juli 2012 erfüllt. Der Kläger durfte entgegen der Auffassung der Beklagten auch zwei Wochen Weiterbildung in Anspruch nehmen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AWbG kann der jährliche Anspruch von fünf Arbeitstagen für zwei Kalenderjahre zusammengefasst werden. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 hatte der Kläger gegenüber der Beklagten die Übertragung seines Bildungsurlaubsanspruchs aus dem Jahr 2011 in das Jahr 2012 erklärt.

16

2. Das IG Metall-Bildungszentrum Berlin war auch eine anerkannte Einrichtung der Arbeitnehmerweiterbildung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 AWbG. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Die nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 AWbG notwendige tägliche Mindestunterrichtsdauer von sechs Stunden war ebenso erfüllt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dauerte der Unterricht täglich acht Unterrichtsstunden, mindestens aber sechs Unterrichtsstunden mit Einheiten von jeweils 45 Minuten. Der Kläger teilte der Beklagten die Inanspruchnahme und den Zeitraum der Arbeitnehmerweiterbildung auch mindestens sechs Wochen vor deren Beginn schriftlich unter Beifügung der Unterlagen mit (§ 5 Abs. 1 AWbG). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beantragte der Kläger im Juni 2012 seine Teilnahme.

17

3. Es kann nicht festgestellt werden, ob dem Zahlungsanspruch entgegensteht, dass die Beklagte die Freistellung des Klägers zur Seminarteilnahme mit Schreiben vom 11. Juli 2012 mit der Begründung verweigerte, das Seminar sei nicht für jedermann zugänglich.

18

a) § 1 Abs. 1 AWbG verpflichtet den Arbeitgeber, den anspruchsberechtigten Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freizustellen. Die Freistellungspflicht ist ferner aus § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 7, § 4 sowie aus § 5 Abs. 3 und Abs. 4 AWbG zu ersehen. Der Weiterbildungsanspruch ist damit ein gesetzlich begründeter Freistellungsanspruch. Erfüllt der Arbeitgeber den gesetzlichen Freistellungsanspruch, ist er nach § 7 Satz 1 AWbG zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Erfolgt keine Freistellung, besteht grundsätzlich auch kein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers, wenn er gleichwohl an der Veranstaltung teilnimmt. Hiervon regelt § 5 Abs. 4 Satz 1 iVm. Satz 3 AWbG eine Ausnahme. Danach hat der Arbeitnehmer auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn der Arbeitgeber die Freistellung aus anderen als den in § 5 Abs. 2 AWbG genannten Gründen verweigert und der Arbeitnehmer ihm seine „Gleichwohl-Teilnahme“ innerhalb einer Woche seit Mitteilung der Verweigerung schriftlich mitteilt.

19

b) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts verweigerte die Beklagte die Freistellung mit Schreiben vom 11. Juli 2012, da nicht erkennbar sei, dass die Veranstaltung für jedermann zugänglich sei. Das sind andere als die in § 5 Abs. 2 AWbG genannten betrieblichen Gründe. Mit dem am 19. Juli 2012 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 13. Juli 2012 erklärte der Kläger sodann gegenüber der Beklagten, dass er gemäß § 5 Abs. 4 AWbG gleichwohl an der Bildungsveranstaltung teilnehmen werde („Gleichwohl-Teilnahme“). Es fehlen allerdings Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dazu, wann das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 dem Kläger zuging. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwar sei der Zugang dieses Schreibens von den Parteien nicht mitgeteilt worden, er dürfte dieses Schreiben aber über den Betriebsrat erhalten haben und somit von dessen Inhalt nicht vor dem 12. Juli 2012 Kenntnis erlangt haben. Damit vermutet das Landesarbeitsgericht lediglich einen Zugang an den Kläger nicht vor dem 12. Juli 2012. Tatsachen hat es hierzu nicht festgestellt. Auch unterstellt es zu Unrecht, die Einhaltung der Wochenfrist sei zwischen den Parteien unstreitig. Tatsächlich haben die Parteien hierzu nichts vorgetragen. Dies deutet darauf hin, dass sie diese Anspruchsvoraussetzung für den Zahlungsanspruch übersehen haben. Das Revisionsgericht kann deshalb nicht prüfen, ob der Kläger die Wochenfrist des § 5 Abs. 4 Satz 1 AWbG wahrte. Hierzu muss das Berufungsgericht noch aufklären, ob dem Kläger das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 am selben Tag zugegangen war. Es kann nicht der normale Postlauf unterstellt werden, da das Schreiben auch betriebsintern versandt worden sein kann. So sind auch der Antrag des Klägers vom 2. Juli 2012 und seine Erklärung über die „Gleichwohl-Teilnahme“ betriebsintern verschickt worden. Aus dem Schreiben des Klägers vom 18. Juli 2012 an die Personalabteilung der Beklagten kann nicht geschlossen werden, dass ihm das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 frühestens am 12. Juli 2012 zugegangen war. Zwar beruft sich der Kläger in seinem Schreiben darauf, dass ein an ihn gerichtetes Schreiben der Beklagten über die Ablehnung der Weiterbildung beim Betriebsratsvorsitzenden eingegangen sei. Es fehlen aber Feststellungen dazu, dass es sich um das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 handelt, ob die Beklagte das an den Kläger gerichtete Schreiben dem Betriebsrat nur zusätzlich zur Kenntnis übersandte und ob eine mögliche Alleinversendung an den Betriebsrat auf Veranlassung des Klägers erfolgte. Diese nachzuholende Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht ist auch entscheidungserheblich. Denn die Zahlungsklage wäre nur bei Einhaltung der Wochenfrist des § 5 Abs. 4 Satz 1 AWbG begründet.

20

4. Das Landesarbeitsgericht hat im Übrigen zu Recht angenommen, dass es sich um eine politische Arbeitnehmerweiterbildung iSv. § 1 Abs. 4 AWbG handelte.

21

a) Eine Veranstaltung dient dann dem Ziel der politischen Weiterbildung, wenn das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert sowie die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf gefördert werden soll. Dazu ist erforderlich, dass nach dem didaktischen Konzept der Veranstaltung sowie der zeitlichen und sachlichen Ausrichtung der einzelnen Lerneinheiten das Erreichen dieses Ziels uneingeschränkt ermöglicht wird (BAG 19. Mai 1998 - 9 AZR 395/97 - zu I 1 der Gründe; 9. Mai 1995 - 9 AZR 185/94 - zu III 1 der Gründe, BAGE 80, 94; 15. Juni 1993 - 9 AZR 411/89 - zu 3 a der Gründe).

22

b) Das Tatbestandsmerkmal „dient der politischen Weiterbildung“ (§ 1 Abs. 2 AWbG) ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Da bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe den Tatsacheninstanzen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Beurteilungsspielraum zukommt, unterliegt die Anwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs in der Revisionsinstanz nur einer eingeschränkten Überprüfung. Es kann nur geprüft werden, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Tatumstände berücksichtigt hat (BAG 17. November 1998 - 9 AZR 503/97 - zu I 3 b der Gründe).

23

c) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das sich insoweit die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht hat, hält diesem Prüfungsmaßstab stand. Danach befasste sich der Themenplan im Sinne einer politischen Weiterbildung mit der Weimarer Demokratie, deren Bedeutung und Auswirkung auf Arbeitnehmerrechte und ihrem Scheitern durch Aufstieg der faschistischen Diktatur. Es ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Themen dienten der Verbesserung und Förderung des Verständnisses der Arbeitnehmer für die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhänge auf den Gebieten der Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik.

24

Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang allerdings zu Unrecht geprüft, ob es sich um eine den Tatbestand der politischen Weiterbildung ausschließende Spezialschulung für Betriebsräte handelte. Das ist keine Frage der politischen Weiterbildung, sondern der Allgemeinzugänglichkeit der Veranstaltung (BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 466/97 - zu II 2 b bb der Gründe).

25

5. Entgegen der Auffassung der Revision war die Weiterbildungsmaßnahme auch allen Arbeitnehmern zugänglich (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 AWbG).

26

a) Der Verwaltungsakt über die Anerkennung einer Bildungsstätte entfaltet insoweit weder Tatbestandswirkung noch begründet er eine Vermutung dafür, dass Veranstaltungen dieser Bildungseinrichtung für jedermann zugänglich sind. Die Zugänglichkeit für jedermann gehört zu den Tatbestandsmerkmalen des Entgeltfortzahlungsanspruchs. Ihre Voraussetzungen sind von demjenigen, der den Anspruch geltend macht, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 654/88 - zu III 3 b aa der Gründe, BAGE 65, 352).

27

b) Zugänglich iSd. § 9 Abs. 1 Nr. 3 AWbG ist eine Bildungsveranstaltung, wenn sie mindestens dem in § 2 AWbG genannten Personenkreis (Arbeitnehmer, in Heimarbeit Beschäftigte sowie ihnen Gleichgestellte, arbeitnehmerähnliche Personen) offensteht.

28

c) Die Revision rügt zu Unrecht, die Einladung sei nicht genügend bekannt gemacht worden und deshalb nur für Gewerkschaftsmitglieder zugänglich gewesen.

29

aa) Wendet sich die Veranstaltung nur an Gewerkschaftsmitglieder, ist sie nicht für jedermann zugänglich. Zur Begründung der Jedermannzugänglichkeit genügt nicht der Hinweis im Bildungsprogramm des Trägers, dass die Veranstaltung auch anderen Personen als Gewerkschaftsmitgliedern offensteht. Er muss außerdem so verlautbart sein, dass auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer davon Kenntnis nehmen können (BAG 9. November 1993 - 9 AZR 9/92 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 75, 58).

30

bb) Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

31

(1) Das Seminar wendete sich ausdrücklich an „interessierte Arbeitnehmer(innen)“ und nicht nur an Gewerkschaftsmitglieder. Hiervon hätten auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer Kenntnis nehmen können. Das Bildungsprogramm der IG Metall ist für jedermann im Internet zugänglich. Hierbei handelt es sich mittlerweile um ein anerkanntes und gebräuchliches Informationsmedium, welches eine allgemein zugängliche Kenntnisnahmemöglichkeit gewährleistet.

32

(2) Die Bildungsveranstaltung war entgegen ihrer Ausschreibung auch nicht deshalb nur für Gewerkschaftsmitglieder zugänglich, weil die IG Metall-Verwaltungsstelle H dem Kläger in einem Schreiben vom 27. Juli 2012 mitteilte, der „Teilnehmer“ müsse sich „bewerben“. Daran sollte sich kein Auswahlverfahren nur zugunsten von Gewerkschaftsmitgliedern anschließen. Es wurde damit nur der Tatsache Rechnung getragen, dass die Anzahl der Anmeldenden die Teilnehmerkapazität hätte überschreiten können. Nicht nachvollziehbar ist das Argument der Beklagten, aus der „Du-Form“ der an den Kläger gerichteten Schreiben sei herzuleiten, es würden nur Gewerkschaftsmitglieder angesprochen. Die allgemein zugängliche Seminarausschreibung und der Themenplan enthielten diese „Du-Form“ nicht.

33

d) Der Zugänglichkeit für jedermann steht nicht entgegen, dass das Seminar als geeignet iSv. § 37 Abs. 7 BetrVG gekennzeichnet war und dieses politische Themen im Kontext mit dem Betriebsrätegesetz und der Betriebsverfassung behandelte.

34

Soweit die Revision geltend macht, es habe sich um eine unzulässige Funktionärsschulung gehandelt, betrifft dies nicht die vermittelten Bildungsinhalte, sondern die Allgemeinzugänglichkeit der Veranstaltung. Grundsätzlich sind alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Die Zugänglichkeit für jedermann wurde auch nicht durch den in das Programm aufgenommenen Hinweis auf eine Anerkennung der Veranstaltung für Betriebsräte nach § 37 Abs. 7 BetrVG aufgehoben. Die Veranstaltung war weder als Spezialschulung für Betriebsräte ausgeschrieben, noch wurden betriebsverfassungsrechtliche Fragen im engeren Sinne behandelt. Im Übrigen sind grundsätzlich alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Diese bezweckt nicht nur die Information über gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge, sondern soll insbesondere auch den Einzelnen befähigen, sein soziales Umfeld mitzugestalten. Hierzu gehört auch die Mitwirkung in Arbeitnehmervertretungen. Eine gesellschaftspolitische Weiterbildung kann deshalb auch Kenntnisse vermitteln, die gleichzeitig Inhalt von Betriebsräteschulungen nach § 37 Abs. 6 oder Abs. 7 BetrVG sind(vgl. zu § 3 BFG BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 468/97 - zu II 2 b bb der Gründe).

35

e) Ebenso wenig stellen die Gesamtkosten für das zweiwöchige Seminar ein die Jedermannzugänglichkeit ausschließendes Hindernis dar. Entgegen der Ansicht der Revision sind die Kosten für die hotelmäßige Unterbringung und Verpflegung in Höhe von 1.541,40 Euro und die Seminarkosten in Höhe von 1.200,00 Euro keine für Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst unzumutbare Kostenhürde. Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer die Kosten einer Bildungsveranstaltung selbst zu tragen. Die Bildungseinrichtungen sind nicht verpflichtet, die Kosten für die Lehrmaterialien und Referenten sowie für die Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer selbst aufzubringen. Ob ein Arbeitnehmer das Weiterbildungsangebot eines Veranstalters annimmt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Dazu hat jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit, aus den vielfältigen, preislich höher oder niedriger gestalteten Angeboten auszuwählen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, diese Wahlfreiheit zu beschränken. Der Träger einer Weiterbildungsveranstaltung ist nicht verpflichtet, diese kostenfrei anzubieten.

36

Entgegen der Auffassung der Revision kann der individuelle Gewerkschaftsbeitrag eines Teilnehmers kein Kriterium für die eine Jedermannzugänglichkeit ausschließende Kostenbelastung sein. Der Gewerkschaftsbeitrag ist schon nach seinem Zweck keine Ratenzahlung für die Kosten künftiger Seminare. Er ist Beitrag für den gesamten Aufgabenbereich der Gewerkschaft. Ob im Einzelfall ein besonders hoher Beitrag interessierte nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer von einer Teilnahme abschrecken kann und deshalb die Zugänglichkeit für jedermann zu verneinen ist, kann dahinstehen. Der Streitfall bietet zur Erörterung dieser Frage keinen Anlass (vgl. BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 466/97 - zu II 2 c cc der Gründe).

37

f) Auch der Umstand, dass der Kläger ein Aufbauseminar besucht hat, steht der Jedermannzugänglichkeit der Veranstaltung nicht entgegen. Die Teilnahme war nicht vom vorherigen Besuch der Seminarreihe „Leben und Arbeiten: Interessenvertretung in Betrieb und Gesellschaft“ sowie des Seminars „Die Entstehung der Arbeiterbewegung als Lernprozess“ abhängig gemacht worden. Deren vorherige Teilnahme war nur empfohlen worden. Deshalb war nicht zu prüfen, ob auch diese Grundseminare jedermann zugänglich waren (vgl. BAG 2. Dezember 1997 - 9 AZR 584/96 - zu I 2 a ff der Gründe).

38

6. Die Beklagte rügt in der Revision zu Unrecht, das Landesarbeitsgericht habe ihren Vortrag in der Klageerwiderung vom 4. Februar 2013, die Bildungsveranstaltung sei nicht vom IG Metall-Bildungszentrum Berlin durchgeführt worden, übergangen. Eine Veranstaltung wird dann von einem anerkannten Träger der Weiterbildung durchgeführt, wenn die betreffende Einrichtung bestimmenden Einfluss darauf ausübt, ob die Veranstaltung stattfindet, wie sie inhaltlich gestaltet wird, wer unterrichtet und wer teilnimmt (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 220/88 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 65, 347). Das hat die Beklagte nicht bestritten. Sie hat vorgetragen, es sei „im Grundsatz unstrittig“, dass die IG Metall das Seminar durchgeführt habe. Der Kläger habe lediglich nicht dargelegt, dass die Veranstaltung im IG Metall-Bildungszentrum Berlin tatsächlich von einem anerkannten Träger der Weiterbildung durchgeführt worden sei. Damit hat sie nur die Anerkennung bestritten, die aber im weiteren Verlauf des Verfahrens unstreitig gestellt worden ist.

39

II. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Kläger auch aktivlegitimiert. Die IG Metall erstattete dem Kläger zwar den Entgeltausfall. Sie leistete aber nicht mit dem Willen, die Entgeltfortzahlungspflicht der Beklagten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 1 BGB zu erfüllen. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass einem Fremdtilgungswillen bereits das Schreiben der IG Metall vom 2. Oktober 2012 entgegensteht. Sie machte dort für den Kläger gegenüber der Beklagten dessen Entgeltfortzahlungsanspruch geltend.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Pielenz    

        

    M. Dipper    

                 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger vom 29. August 2016 bis 2. September 2016 zum Zwecke der Teilnahme an dem Seminar SH03516 "Unsere Arbeitswelt gestalten" von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des vertragsgemäßen Arbeitsentgelts freizustellen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 83 % und der Kläger zu 17 %.

3. Der Streitwert wird 1.228,25 EUR festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

 
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf bezahlte Freistellung nach dem Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg (BzG BW).
Der Kläger ist am ...1964 geboren, verheiratet und ... schulpflichtigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet, bei der Beklagten seit ...1988 beschäftigt und derzeit als Vorsitzender des Betriebsrates von der beruflichen Tätigkeit gem. § 38 BetrVG freigestellt. Sein Arbeitsentgelt beläuft sich monatlich auf 5.343,00 EUR brutto. Die Beklagte stellt Gussteile für die Automobilindustrie her und beschäftigt aktuell ca. 1.070 Personen; es besteht Tarifbindung.
Der Kläger hat bei der Beklagten am 18. April 2016 beantragt, zum Zwecke der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme „Unsere Arbeitswelt gestalten“ veranstaltet vom IG-Metall Bildungszentrum ..., dem mit Bescheid des Regierungspräsidiums ... vom 09.07.2015 die Eigenschaft als anerkannte Bildungseinrichtung nach dem BzG BW verliehen wurde, im Zeitraum vom 28. August bis 2. September 2016 nach dem BzG BW freigestellt zu werden.
In der Seminarbeschreibung heißt es hierzu u.a.:
„Unsere Arbeitswelt und damit auch unsere betriebliche Realität ist seit jeher einem ständigen Veränderungsprozess unterworfen. Voraussetzung dafür, dass wir ungeregelte Arbeitsbeziehungen und Abwehrstreiks als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diese Prozesse eingreifen und sie mitgestalten können, ist es, unsere Handlungsbedingungen und Rechte zu kennen. Mit dem Seminar stärken wir euch bei der Ausgestaltung betrieblicher Handlungsmöglichkeiten als Beschäftigte und Interessenvertreter(innen). Dazu gehört zuerst, eure jeweilige betriebliche Situation zu analysieren. Wir identifizieren damit Problemlagen und finden Ansatzpunkte für euer betriebliches Handeln als aktive Beschäftigte … Bei der Gestaltung der Digitalisierung der Arbeitswelt und der Industrie 4.0 müssen die Beschäftigten im Mittelpunkt des Innovationsgeschehens stehen. Wir werden von der Fabrikordnung bis zu aktuellen Herausforderungen der Digitalisierung und des Arbeitens 4.0 aus Erfahrungen lernen und mögliche Perspektiven und Gestaltungsbedarfe für die Zukunft entwickeln.“
Der Themenplan lautet wie folgt:
Inhalte:
Sonntag
        
Anreise und Begrüßung, Einführung in das Seminar
Montag
V       
Begrüßung, Vorstellungsrunde und organisatorische Hinweise
                 
Darstellung des Programms und Vereinbarungen über den Seminarablauf
                 
Einstieg ins Thema: Arbeitswelt und Arbeitsbeziehungen - Veränderungen
                 
auf dem Hintergrund eigener Arbeitserfahrungen
        
N       
Ungeregelte Arbeitsbeziehungen im Frühkapitalismus: Auswirkungen auf
                 
Arbeitsverhältnisse und Lebenslagen
Dienstag
V       
Arbeiterprotest und Abwehrstreiks - erste Versuche zur Regulierung und
                 
Verbesserung der modernen Arbeitswelt
        
N       
Kollektivvertragliche und gesetzliche Regelungen von Löhnen und Arbeitszeiten gestern und heute als Rahmenbedingungen für betriebliche Interessenvertretung
Mittwoch
V       
Veränderungen der Arbeitsbeziehungen in Deutschland durch
                 
a) Tarifautonomie und Flächentarifvertrag
        
N       
b) gesetzliche Interessenvertretung im Betrieb und Mitbestimmungsrechte (besonders der Betriebsräte)
Donnerstag
V       
Perspektiven und Gestaltungsaufgaben:
                 
Wie wird die Arbeitswelt der Zukunft aussehen?
                 
Können sich alternative Unternehmensstrategien unter den Bedingungen globalisierten Wettbewerbs durchsetzen und
welche Rolle spielt Mitbestimmung und Partizipation der Beschäftigten?
        
N       
Erfahrungen in der Defensive: Unternehmensstrategien zur Deregulierung der Arbeitsbeziehungen (betrieblich, gesetzlich, tarifpolitisch)
und betrieblich Handlungsmöglichkeiten von Betriebsräten und Beschäftigten
Freitag
V       
Zusammenfassung: Mittel, Instrumente und Verbündete einer neuen
                 
Regulierung und Humanisierung der Arbeitswelt
                 
Seminarauswertung und Seminarabschluss
Das Seminar richtet sich an Vertrauensleute, Betriebsräte und interessierte Beschäftigte. Der Seminarpreis beträgt 1.475,50 EUR (inkl. Verpflegung und Unterkunft). In den Hinweisen für die Teilnahme an zentralen Seminaren der IG Metall heißt es u.a.:
10 
„2. Wer kann teilnehmen?
11 
Für alle zentralen Seminare der IG Metall gilt, dass sie grundsätzlich für jedermann offen sind, das heißt, auch nicht in der IG Metall organisierte Arbeitnehmer(innen) können sich zu diesen Seminaren anmelden.
12 
6. Kosten
13 
…Bei Seminaren nach § 37.7 BetrVG und nach einem Bildungsfreistellungsgesetz übernimmt die IG Metall für ihre Mitglieder die Seminargebühren sowie die Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Nichtmitglieder tragen die Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Seminargebühren und Anreise selbst…“
14 
Die Beklagte hat den Antrag auf Bildungszeit für die Maßnahme „Unsere Arbeitswelt gestalten“ mit Email vom 27. April 2016 abgelehnt und zur Begründung angeführt, dass es sich bei der Veranstaltung „Unsere Arbeitswelt gestalten“ nicht um eine „politische“, sondern um eine „gesellschaftspolitische“ Weiterbildung handele.
15 
Mit seiner am 01.06.2016 beim Arbeitsgericht Lörrach - Kammern Radolfzell - eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Er ist der Auffassung, dass es sich bei dem Seminar „Unsere Arbeitswelt gestalten“ um eine Maßnahme der politischen Weiterbildung im Sinne des § 1 Abs. 2 BzG BW handele. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 4 BzG BW liege eine solche immer dann vor, wenn dabei „Information(en) über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeit im politischen Leben“ vermittelt werden. Die politische Weiterbildung sei damit Mittel zum Zweck zur Verwirklichung des Zieles gesellschaftlicher Teilhabe und hat „der Teilhabe und Mitwirkung am gesellschaftlichen, sozialen und politischen Leben“ zu dienen Der Landesgesetzgeber habe offensichtlich davon abgesehen, den Begriff der politischen Weiterbildung auf einzelne Aspekte des Politischen, wie etwa gesellschafts-, wirtschafts- oder sozialpolitisch, zu beschränken. Die ausweislich dem Themenplan des streitgegenständlichen Seminars „Unsere Arbeitswelt gestalten“ zu behandelnden Themen würden fraglos der Information über gesellschaftliche Zusammenhänge dienen und schaffe die Voraussetzungen für eine Verbesserung der Teilhabe und Mitwirkung am gesellschaftlichen, sozialen und politischen Leben. Hinsichtlich der erstmals im Klageverfahren geltend gemachten Einwendungen seien diese präkludiert. Bei der Veranstaltung handele es sich um eine allgemein zugängliche Bildungsmaßnahme. So habe die Veranstalterin das Bildungsprogramm durch Ausliegen in ihren Geschäftsstellen, so z. B. auch in ... und ..., allgemein öffentlich bekanntgemacht. Außerdem liege die vorerwähnte Broschüre in den Büroräumlichkeiten des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrates aus. Nicht zuletzt sei es im Internet unter: „www.igmetall.de/bildung“ einsehbar.
16 
Der Kläger beantragt zuletzt:
17 
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger vom 29. August 2016 bis 2. September 2016 zum Zwecke der Teilnahme an dem Seminar SH03516 "Unsere Arbeitswelt gestalten" von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des arbeitsvertragsgemäßen Arbeitsentgelts freizustellen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Die Beklagte ist der Auffassung, dass es sich bei der Veranstaltung nicht um eine politische Weiterbildung im Sinne des § 1 Abs. 4 BzG BW handele. Denn gemäß § 1 Abs. 4 BzG BW werde eine Maßnahme von der politischen Weiterbildung nur dann erfasst, wenn diese der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeit im politischen Leben diene. Bei der Formulierung des Gesetzeswortlauts habe der baden-württembergische Landesgesetzgeber in § 1 Abs. 4 BzG BW - im Gegensatz zu anderslautenden Regelungen in anderen Bundesländern - davon abgesehen, einen Bezug auf gesellschafts-, wirtschafts- oder sozialpolitische Zusammenhänge herzustellen. Vielmehr habe dieser lediglich politische Weiterbildungen im engeren Sinne einer Freistellung nach dem BzG BW unterwerfen wollen. Dies werde auch durch die Gesetzesbegründung zu § 1 BzG BW zum Ausdruck gebracht. Maßgeblich hierfür sei die im besonderen Teil enthaltene Einzelbegründung zu § 1 BzG BW. Politische Weiterbildungsmaßnahmen im Sinne des § 1 Abs. 4 BzG BW seien demnach nur solche, die Kenntnisse über den Aufbau des Staates, die demokratischen Institutionen und die Verfahren der Verfassung sowie die Rechte und Pflichten der Staatsbürger vermitteln. Diese strenge Voraussetzung erfülle die vom Kläger begehrte Veranstaltung indes nicht. Vielmehr würden darin lediglich Inhalte vermittelt, die sich größtenteils auf gewerkschafts-, wirtschafts-, gesellschafts- und betriebspolitische Themen stützen. Des Weiteren werde die Uferlosigkeit der Maßnahmen, die unter den vom Kläger aufgestellten weiten Politikbegriff fallen, in den meisten anderen Bundesländern dadurch verhindert, dass eine Maßnahmenanerkennung durch öffentliche Stellen erfolge. In Baden-Württemberg finde dementgegen nur eine Trägeranerkennung statt. Dies bestätige ebenfalls, dass der Landesgesetzgeber den Begriff „politisch“ im BzG BW eng verstehen wollte. Denn bei einer Maßnahmenanerkennung könne die jeweilige anerkennende Behörde die entsprechenden Grenzen bezüglich einer zu weit gehenden politischen Weiterbildung ziehen. In Baden-Württemberg bedürfe es dieser Eingrenzung bereits durch eine enge Auslegung des Begriffs der politischen Weiterbildung. Zudem handele es sich nicht um eine allgemein zugängliche Bildungsmaßnahme. Die Kosten der Veranstaltung würden von der IG Metall für ihre Mitglieder übernommen. Durch ein solches Vorgehen werde ein faktisches Zugangshindernis für Nicht-IG Metall-Mitglieder geschaffen, die die hohen Kosten von 1.475,50 EUR für das streitgegenständliche Seminar selbst tragen müssten. Damit werde jedenfalls mittelbar der Besuch der Veranstaltung von einer Mitgliedschaft in der IG Metall abhängig gemacht. Eine Präklusion sehe das BzG BW nicht vor. Ferner habe der Kläger schon keinen ordnungsgemäßen Antrag gestellt, nachdem auch eine Freistellung und Bezahlung für Sonntag, den 28.08.2016 begehrt worden sei.
21 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird vollinhaltlich auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren sowie auf das Protokoll des Kammertermins Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
22 
Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für den streitgegenständlichen Klageantrag ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) zulässig. Das Arbeitsgericht Lörrach ist örtlich zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits gem. den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12, 17 Zivilprozessordnung (ZPO) zuständig. Im Übrigen bestehen keine Zulässigkeitsbedenken an dem Klagantrag.
II.
23 
Die Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf bezahlte Freistellung während der Dauer des Seminars „Unsere Arbeitswelt gestalten“ vom 29. August bis 2. September 2016 nach dem BzG BW.
24 
Die allgemeinen und formellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Fortzahlung von Arbeitsentgelt gemäß §§ 1 Abs. 1 und 8 BzG BW sind erfüllt.
25 
1.) Das Verfahren zur Inanspruchnahme der Bildungszeit gem. § 7 BzG BW wurde eingehalten. Ein wirksamer und rechtzeitiger Antrag des Klägers liegt vor. Der Umstand, dass der Kläger bereits den Sonntag, den 28.08.2016 - der unstreitig für den Kläger kein Arbeitstag ist - in seinem Antrag mit aufgenommen hat, macht diesen nicht unwirksam. Es ist offenkundig, dass der Kläger die Terminsdaten des Seminars (28.08.2016 bis 02.09.2016) in den Antrag übernommen hat. In der mündlichen Verhandlung stellte der Kläger klar, dass erst ab 29.08.2016 die bezahlte Freistellung begehrt werde.
26 
2.) Der Kläger ist Arbeitnehmer (§ 2 Satz Ziffer 1 BzG BW). Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten besteht seit 1988. Die Wartezeit des § 4 BzG BW von zwölf Monaten war damit bei Antragstellung am 18. April 2016 erfüllt. Das IG-Metall Bildungszentrum ... ist auch eine anerkannte Bildungseinrichtung nach § 9 BzG BW. Die Dauer des streitgegenständlichen Seminars beträgt 5 Arbeitstage und ist daher von § 3 Abs. 1 BzG BW gedeckt.
27 
3.) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Seminar „Unsere Arbeitswelt gestalten“ auch eine Bildungsmaßnahme im Sinne des § 6 BzG BW. Die Teilnahmemöglichkeit an der Maßnahme wurde nicht abhängig gemacht von der Gewerkschaftszugehörigkeit (§ 6 Abs. 2 Ziffer 1 BzG BW).
28 
a) Keine Bildungsmaßnahme im Sinne des BzG BW sind u.a. Veranstaltungen, bei denen die Teilnahme von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei, Gewerkschaft, einem Berufsverband, einer Religionsgemeinschaft oder einer ähnlichen Vereinigung abhängig gemacht wird ( § 6 Abs. 2 Nr. 1 BzG BW). Damit will das Gesetz sicherstellen, dass zumindest jeder Anspruchsberechtigte nach § 2 BzG BW Zugang zu den Bildungsmaßnahmen hat.
29 
b) Der Verwaltungsakt über die Anerkennung einer Bildungseinrichtung entfaltet insoweit weder Tatbestandswirkung noch begründet er eine Vermutung dafür, dass Veranstaltungen dieser Bildungseinrichtung für jedermann zugänglich sind. Die Zugänglichkeit für jedermann gehört zu den Tatbestandsmerkmalen des Entgeltfortzahlungsanspruchs. Ihre Voraussetzungen sind von demjenigen, der den Anspruch geltend macht, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 654/88 - zu III 3 b aa der Gründe, BAGE 65, 352).
30 
c) Wendet sich die Veranstaltung nur an Gewerkschaftsmitglieder, ist sie nicht für jedermann zugänglich. Zur Begründung der Jedermannzugänglichkeit genügt nicht der Hinweis im Bildungsprogramm des Trägers, dass die Veranstaltung auch anderen Personen als Gewerkschaftsmitgliedern offensteht. Er muss außerdem so verlautbart sein, dass auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer davon Kenntnis nehmen können (BAG 9. November 1993 - 9 AZR 9/92 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 75, 58). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Das Seminar wendet sich ausdrücklich an „interessierte Beschäftigte“ und nicht nur an Gewerkschaftsmitglieder. In den Hinweisen für die Teilnahme an zentralen Seminaren der IG Metall wird unter 2. weiter ausdrücklich festgehalten, „dass die Seminare grundsätzlich für jedermann offen sind, das heißt, auch nicht in der IG Metall organisierte Arbeitnehmer(innen) können sich zu diesen Seminaren anmelden“. Hiervon hätten auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer Kenntnis nehmen können. Das Bildungsprogramm der IG Metall ist für jedermann im Internet unter „www.igmetall.de/bildung“ zugänglich. Hierbei handelt es sich mittlerweile um ein anerkanntes und gebräuchliches Informationsmedium, welches eine allgemein zugängliche Kenntnisnahmemöglichkeit gewährleistet.
31 
d) Ebenso wenig stellen die Gesamtkosten für das fünftägige Seminar ein die Jedermannzugänglichkeit ausschließendes Hindernis dar. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Kosten für die hotelmäßige Unterbringung und Verpflegung in Höhe von 725,50 Euro und die Seminarkosten in Höhe von 750,00 Euro keine für Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst unzumutbare Kostenhürde. Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer die Kosten einer Bildungsveranstaltung selbst zu tragen. Die Bildungseinrichtungen sind nicht verpflichtet, die Kosten für die Lehrmaterialien und Referenten sowie für die Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer selbst aufzubringen. Ob ein Arbeitnehmer das Weiterbildungsangebot eines Veranstalters annimmt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Dazu hat jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit, aus den vielfältigen, preislich höher oder niedriger gestalteten Angeboten auszuwählen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, diese Wahlfreiheit zu beschränken. Der Träger einer Weiterbildungsveranstaltung ist nicht verpflichtet, diese kostenfrei anzubieten (vgl. BAG vom 21. Juli 2015 – 9 AZR 418/14 –, juris). Der Umstand, dass die IG-Metall für ihre Mitglieder die Seminargebühren sowie die Kosten für Unterkunft und Verpflegung übernimmt (Ziffer 6 der zentralen Hinweise) ändert an der Jedermannzugänglichkeit nichts.
32 
4.) Bei dem Seminar „Unsere Arbeitswelt gestalten“ handelt es sich um eine politische Weiterbildung im Sinne von § 1 Abs. 4 BzG BW.
33 
a) Politische Weiterbildung dient der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen Leben (§ 1 Abs. 4 BzG BW).
34 
b) Das Tatbestandsmerkmal „politische Weiterbildung“ (§ 1 Abs. 4 BzG BW) ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe kommt den Tatsacheninstanzen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Beurteilungsspielraum zu.
35 
Die Gesetzesbegründung führt zur Zielsetzung und zur Regelungsfolgenabschätzung sowie Nachhaltigkeitsprüfung des BzG BW aus, dass neben der wirtschaftlichen Dimension es in einem funktionierenden demokratischen Gemeinwesen aber auch um die gesellschaftliche Teilhabe und damit um die politische Bildung gehen muss. Die politische Weiterbildung dient der Information über gesellschaftliche Zusammenhänge und einer Verbesserung der Teilhabe und Mitwirkung am gesellschaftlichen, sozialen und politischen Leben. Daraus wird nach Auffassung der Kammer deutlich, dass der Gesetzgeber von einem weiten Politikverständnis ausgegangen ist. Dreh- und Angelpunkt des Gesetzes und der Gesetzesbegründung im Hinblick auf den Begriff der „Politik“ ist die Gesellschaft und die Teilhabe an dieser. Somit ist mit Politik die aktive Teilnahme an der Gestaltung und Regelung menschlicher Gemeinwesen gemeint. Hierunter fallen nicht nur staatspolitische Themen (Staatsaufbau, demokratische Institutionen; Verfassung), sondern auch sozial-, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitische Themen. Gegen diese Auslegung spricht auch nicht die von der Beklagten herangezogene Gesetzesbegründung zu § 1 BzG BW. Danach ist unter politischer Weiterbildung die Befähigung zur Teilhabe und Mitwirkung am politischen Leben zu sehen. Darunter ist auch die Teilnahme an Tagungen, Lehrgängen und Veranstaltungen zu verstehen, die staatsbürgerlichen Zwecken dienen oder an denen ein öffentliches Interesse besteht. Der Politikbegriff wird hier nicht näher definiert. Durch die Einbeziehung (…auch…) von Veranstaltungen, die staatsbürgerlichen Zwecken dienen, in den Anwendungsbereich des BzG BW und der Verweis auf das „öffentliche Interesse“, spricht dies aus Sicht der Kammer für einen weiten Politikbegriff. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich einen sehr engen Politikbegriff verwenden wollen, so hätte er dies - entweder im Gesetzestext oder in der Gesetzesbegründung - eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Die aus Sicht des Beklagten damit einhergehende Uferlosigkeit des weiten Politikbegriffs wird durch den Negativkatalog des § 6 Abs. 2 BzG BW begrenzt.
36 
c) Bei Zugrundelegung des weiten Politikbegriffs befasst sich das Seminar in der Zusammenschau mit der Seminarbeschreibung und dem Themenplan mit arbeitsmarkt-, sozial- und gesellschaftspolitischen Themen. Es dient der Verbesserung und Förderung des Verständnisses der Arbeitnehmer für die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhänge auf den Gebieten der Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Veranstaltung zugleich als Schulungsveranstaltung für Betriebsräte nach § 37 Abs. 7 BetrVG ausgeschrieben war. Zwar wurden Fragen der Betriebsverfassung behandelt, es handelte sich jedoch nicht um eine Spezialschulung für Betriebsräte. Das zu erwerbende Wissen bezog sich auch insoweit auf allgemeine politische Inhalte (s. auch BAG vom 21.10.1997, 9 AZR 253/96, NZA 1998, 760 Rdnr. 32).
37 
5.) Nachdem auch die erstmals im Klageverfahren erhobenen Einwendungen der Beklagten unbegründet sind, kommt es auf die Frage, ob diese Einwendungen präkludiert sind, nicht mehr an.
III.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 1 ZPO, wobei bei der Kostenquotelung die teilweise Klagrücknahme zu berücksichtigen war.
39 
Der Streitwert erfolgt aus § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO. Er richtet sich nach dem Arbeitsentgelt für den maßgeblichen Zeitraum (arbeitstäglicher Verdienst 245,65 EUR x 5 Arbeitstage).
40 
Soweit die Berufung nicht bereits kraft Gesetzes statthaft ist, war sie nicht zuzulassen. Ein Zulassungsgrund nach § 64 Abs. 3 ArbGG liegt nicht vor.

Gründe

 
I.
22 
Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für den streitgegenständlichen Klageantrag ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) zulässig. Das Arbeitsgericht Lörrach ist örtlich zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits gem. den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12, 17 Zivilprozessordnung (ZPO) zuständig. Im Übrigen bestehen keine Zulässigkeitsbedenken an dem Klagantrag.
II.
23 
Die Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf bezahlte Freistellung während der Dauer des Seminars „Unsere Arbeitswelt gestalten“ vom 29. August bis 2. September 2016 nach dem BzG BW.
24 
Die allgemeinen und formellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Fortzahlung von Arbeitsentgelt gemäß §§ 1 Abs. 1 und 8 BzG BW sind erfüllt.
25 
1.) Das Verfahren zur Inanspruchnahme der Bildungszeit gem. § 7 BzG BW wurde eingehalten. Ein wirksamer und rechtzeitiger Antrag des Klägers liegt vor. Der Umstand, dass der Kläger bereits den Sonntag, den 28.08.2016 - der unstreitig für den Kläger kein Arbeitstag ist - in seinem Antrag mit aufgenommen hat, macht diesen nicht unwirksam. Es ist offenkundig, dass der Kläger die Terminsdaten des Seminars (28.08.2016 bis 02.09.2016) in den Antrag übernommen hat. In der mündlichen Verhandlung stellte der Kläger klar, dass erst ab 29.08.2016 die bezahlte Freistellung begehrt werde.
26 
2.) Der Kläger ist Arbeitnehmer (§ 2 Satz Ziffer 1 BzG BW). Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten besteht seit 1988. Die Wartezeit des § 4 BzG BW von zwölf Monaten war damit bei Antragstellung am 18. April 2016 erfüllt. Das IG-Metall Bildungszentrum ... ist auch eine anerkannte Bildungseinrichtung nach § 9 BzG BW. Die Dauer des streitgegenständlichen Seminars beträgt 5 Arbeitstage und ist daher von § 3 Abs. 1 BzG BW gedeckt.
27 
3.) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Seminar „Unsere Arbeitswelt gestalten“ auch eine Bildungsmaßnahme im Sinne des § 6 BzG BW. Die Teilnahmemöglichkeit an der Maßnahme wurde nicht abhängig gemacht von der Gewerkschaftszugehörigkeit (§ 6 Abs. 2 Ziffer 1 BzG BW).
28 
a) Keine Bildungsmaßnahme im Sinne des BzG BW sind u.a. Veranstaltungen, bei denen die Teilnahme von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei, Gewerkschaft, einem Berufsverband, einer Religionsgemeinschaft oder einer ähnlichen Vereinigung abhängig gemacht wird ( § 6 Abs. 2 Nr. 1 BzG BW). Damit will das Gesetz sicherstellen, dass zumindest jeder Anspruchsberechtigte nach § 2 BzG BW Zugang zu den Bildungsmaßnahmen hat.
29 
b) Der Verwaltungsakt über die Anerkennung einer Bildungseinrichtung entfaltet insoweit weder Tatbestandswirkung noch begründet er eine Vermutung dafür, dass Veranstaltungen dieser Bildungseinrichtung für jedermann zugänglich sind. Die Zugänglichkeit für jedermann gehört zu den Tatbestandsmerkmalen des Entgeltfortzahlungsanspruchs. Ihre Voraussetzungen sind von demjenigen, der den Anspruch geltend macht, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 654/88 - zu III 3 b aa der Gründe, BAGE 65, 352).
30 
c) Wendet sich die Veranstaltung nur an Gewerkschaftsmitglieder, ist sie nicht für jedermann zugänglich. Zur Begründung der Jedermannzugänglichkeit genügt nicht der Hinweis im Bildungsprogramm des Trägers, dass die Veranstaltung auch anderen Personen als Gewerkschaftsmitgliedern offensteht. Er muss außerdem so verlautbart sein, dass auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer davon Kenntnis nehmen können (BAG 9. November 1993 - 9 AZR 9/92 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 75, 58). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Das Seminar wendet sich ausdrücklich an „interessierte Beschäftigte“ und nicht nur an Gewerkschaftsmitglieder. In den Hinweisen für die Teilnahme an zentralen Seminaren der IG Metall wird unter 2. weiter ausdrücklich festgehalten, „dass die Seminare grundsätzlich für jedermann offen sind, das heißt, auch nicht in der IG Metall organisierte Arbeitnehmer(innen) können sich zu diesen Seminaren anmelden“. Hiervon hätten auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer Kenntnis nehmen können. Das Bildungsprogramm der IG Metall ist für jedermann im Internet unter „www.igmetall.de/bildung“ zugänglich. Hierbei handelt es sich mittlerweile um ein anerkanntes und gebräuchliches Informationsmedium, welches eine allgemein zugängliche Kenntnisnahmemöglichkeit gewährleistet.
31 
d) Ebenso wenig stellen die Gesamtkosten für das fünftägige Seminar ein die Jedermannzugänglichkeit ausschließendes Hindernis dar. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Kosten für die hotelmäßige Unterbringung und Verpflegung in Höhe von 725,50 Euro und die Seminarkosten in Höhe von 750,00 Euro keine für Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst unzumutbare Kostenhürde. Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer die Kosten einer Bildungsveranstaltung selbst zu tragen. Die Bildungseinrichtungen sind nicht verpflichtet, die Kosten für die Lehrmaterialien und Referenten sowie für die Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer selbst aufzubringen. Ob ein Arbeitnehmer das Weiterbildungsangebot eines Veranstalters annimmt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Dazu hat jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit, aus den vielfältigen, preislich höher oder niedriger gestalteten Angeboten auszuwählen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, diese Wahlfreiheit zu beschränken. Der Träger einer Weiterbildungsveranstaltung ist nicht verpflichtet, diese kostenfrei anzubieten (vgl. BAG vom 21. Juli 2015 – 9 AZR 418/14 –, juris). Der Umstand, dass die IG-Metall für ihre Mitglieder die Seminargebühren sowie die Kosten für Unterkunft und Verpflegung übernimmt (Ziffer 6 der zentralen Hinweise) ändert an der Jedermannzugänglichkeit nichts.
32 
4.) Bei dem Seminar „Unsere Arbeitswelt gestalten“ handelt es sich um eine politische Weiterbildung im Sinne von § 1 Abs. 4 BzG BW.
33 
a) Politische Weiterbildung dient der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen Leben (§ 1 Abs. 4 BzG BW).
34 
b) Das Tatbestandsmerkmal „politische Weiterbildung“ (§ 1 Abs. 4 BzG BW) ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe kommt den Tatsacheninstanzen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Beurteilungsspielraum zu.
35 
Die Gesetzesbegründung führt zur Zielsetzung und zur Regelungsfolgenabschätzung sowie Nachhaltigkeitsprüfung des BzG BW aus, dass neben der wirtschaftlichen Dimension es in einem funktionierenden demokratischen Gemeinwesen aber auch um die gesellschaftliche Teilhabe und damit um die politische Bildung gehen muss. Die politische Weiterbildung dient der Information über gesellschaftliche Zusammenhänge und einer Verbesserung der Teilhabe und Mitwirkung am gesellschaftlichen, sozialen und politischen Leben. Daraus wird nach Auffassung der Kammer deutlich, dass der Gesetzgeber von einem weiten Politikverständnis ausgegangen ist. Dreh- und Angelpunkt des Gesetzes und der Gesetzesbegründung im Hinblick auf den Begriff der „Politik“ ist die Gesellschaft und die Teilhabe an dieser. Somit ist mit Politik die aktive Teilnahme an der Gestaltung und Regelung menschlicher Gemeinwesen gemeint. Hierunter fallen nicht nur staatspolitische Themen (Staatsaufbau, demokratische Institutionen; Verfassung), sondern auch sozial-, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitische Themen. Gegen diese Auslegung spricht auch nicht die von der Beklagten herangezogene Gesetzesbegründung zu § 1 BzG BW. Danach ist unter politischer Weiterbildung die Befähigung zur Teilhabe und Mitwirkung am politischen Leben zu sehen. Darunter ist auch die Teilnahme an Tagungen, Lehrgängen und Veranstaltungen zu verstehen, die staatsbürgerlichen Zwecken dienen oder an denen ein öffentliches Interesse besteht. Der Politikbegriff wird hier nicht näher definiert. Durch die Einbeziehung (…auch…) von Veranstaltungen, die staatsbürgerlichen Zwecken dienen, in den Anwendungsbereich des BzG BW und der Verweis auf das „öffentliche Interesse“, spricht dies aus Sicht der Kammer für einen weiten Politikbegriff. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich einen sehr engen Politikbegriff verwenden wollen, so hätte er dies - entweder im Gesetzestext oder in der Gesetzesbegründung - eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Die aus Sicht des Beklagten damit einhergehende Uferlosigkeit des weiten Politikbegriffs wird durch den Negativkatalog des § 6 Abs. 2 BzG BW begrenzt.
36 
c) Bei Zugrundelegung des weiten Politikbegriffs befasst sich das Seminar in der Zusammenschau mit der Seminarbeschreibung und dem Themenplan mit arbeitsmarkt-, sozial- und gesellschaftspolitischen Themen. Es dient der Verbesserung und Förderung des Verständnisses der Arbeitnehmer für die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhänge auf den Gebieten der Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Veranstaltung zugleich als Schulungsveranstaltung für Betriebsräte nach § 37 Abs. 7 BetrVG ausgeschrieben war. Zwar wurden Fragen der Betriebsverfassung behandelt, es handelte sich jedoch nicht um eine Spezialschulung für Betriebsräte. Das zu erwerbende Wissen bezog sich auch insoweit auf allgemeine politische Inhalte (s. auch BAG vom 21.10.1997, 9 AZR 253/96, NZA 1998, 760 Rdnr. 32).
37 
5.) Nachdem auch die erstmals im Klageverfahren erhobenen Einwendungen der Beklagten unbegründet sind, kommt es auf die Frage, ob diese Einwendungen präkludiert sind, nicht mehr an.
III.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 1 ZPO, wobei bei der Kostenquotelung die teilweise Klagrücknahme zu berücksichtigen war.
39 
Der Streitwert erfolgt aus § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO. Er richtet sich nach dem Arbeitsentgelt für den maßgeblichen Zeitraum (arbeitstäglicher Verdienst 245,65 EUR x 5 Arbeitstage).
40 
Soweit die Berufung nicht bereits kraft Gesetzes statthaft ist, war sie nicht zuzulassen. Ein Zulassungsgrund nach § 64 Abs. 3 ArbGG liegt nicht vor.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. Februar 2014 - 16 Sa 777/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach dem Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung - Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen (AWbG) vom 6. November 1984.

2

Unter dem 18. Oktober 2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe im laufenden Jahr 2011 seinen Bildungsurlaub nach dem AWbG noch nicht in Anspruch genommen. Er beabsichtige im folgenden Jahr die Zusammenfassung der Ansprüche und mache daher die Übertragung von fünf Tagen Bildungsurlaub in das Jahr 2012 geltend.

3

Mit Schreiben vom 25. Juni 2012 lud die IG Metall, Verwaltungsstelle H, den Kläger zu einem Seminar mit dem Thema „Weimarer Demokratie und faschistische Diktatur - Arbeitergeschichte im 20. Jahrhundert - Der Kampf um soziale Rechte“ für die Zeit vom 2. bis zum 14. September 2012 ein. In der Seminarausschreibung hieß es hierzu ua.:

        

„Das Seminar wendet sich an interessierte Arbeitnehmer(innen) und Betriebsräte. Empfehlenswert ist der vorherige Besuch der Seminarreihe ‚Leben und Arbeiten: Interessenvertretung in Betrieb und Gesellschaft‘ sowie des Seminars ‚Die Entstehung der Arbeiterbewegung als Lernprozess‘ …“

4

Der Themenplan lautete wie folgt:

        

„…    

                 
        

Inhalte

                 
        

Sonntag

        

Anreise, Abendessen, Begrüßung und Informationen zum Haus

        

Montag

V       

Vorstellungsrunde und organisatorische Hinweise

                          

Darstellung des Seminarprogramms und Vereinbarungen über den Seminarablauf, Einstieg ins Thema

                 

N       

Erfolge und Niederlagen in der organisierten Arbeiterschaft in der Novemberrevolution 1918

        

Dienstag

V       

Der Kampf um das Betriebsrätegesetz 1920

                 

N       

Das erste Betriebsrätegesetz und die Realität betrieblicher Interessenvertretung im Vergleich mit dem BetrVG 2001

        

Mittwoch

V       

Der Beitrag des Betriebsrätegesetzes zur Demokratisierung der Gesellschaft am Beispiel der Reaktion auf den Kapp-Putsch

                 

N       

Die Entwicklung von Arbeitsrecht und Betriebsverfassung bis 1933

        

Donnerstag

V       

Die Gegner der demokratischen Republik und der Kampf um ihre Verteidigung

                 

N       

Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und staatliche Krisenpolitik

        

Freitag

V       

Das Betriebsrätegesetz als Instrument zur Krisenbewältigung im Vergleich zum BetrVG (Möglichkeiten der Krisenbewältigung mit dem BetrVG heute im Vergleich zum Betriebsrätegesetz von 1920)

                 

N       

Das Betriebsrätegesetz als untaugliches Mittel im Abwehrkampf gegen den Aufstieg der NS-Bewegung

        

Samstag

V       

Sozialgesetzgebung im Vergleich zu heute

                                   
                          

Rückblick auf die Woche, Ausblick auf die kommende Woche

        

Montag

V       

Die Zerschlagung der Weimarer Betriebsverfassung und der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten

                 

N       

Betriebsverfassung im ‚Dritten Reich‘: die Deutsche Arbeitsfront als antidemokratisches Herrschaftsinstrument

        

Dienstag

V       

‚Betriebsführer‘ und ‚Gefolgschaft‘ als Beispiele für nationalsozialistische Volksgemeinschaftspolitik

                 

N       

Tarifordnungen unter diktatorischen Bedingungen

        

Mittwoch

V       

Staatliche Wirtschaftspolitik und Kriegsvorbereitung

                 

N       

Arbeitspolitik in der Kriegswirtschaft - Zwangsarbeit

        

Donnerstag

V       

Widerstand und Emigration: Konzepte für die betriebliche Interessenvertretung nach 1945

                 

N       

Auswirkungen der Erfahrungen aus Weimarer Republik und NS auf die Betriebsverfassung der Bundesrepublik

        

Freitag

V       

Aus der Geschichte gelernt: Betriebsvereinbarungen gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung

                          

Abreise“

5

Unter dem 26. April 2010 wurde das das Seminar veranstaltende IG Metall-Bildungszentrum Berlin durch die Bezirksregierung Detmold als Einrichtung der Arbeitnehmerweiterbildung nach §§ 10 ff. AWbG anerkannt. Mit Schreiben vom 2. Juli 2012 an die Beklagte „im Haus“ erklärte der Kläger die Inanspruchnahme von Bildungsurlaub in der Zeit vom 2. bis zum 14. September 2012. Mit Schreiben vom 11. Juli 2012 lehnte die Beklagte die Freistellung des Klägers mit der Begründung ab, es sei nicht erkennbar, dass es sich um ein Seminar handele, welches jedermann zugänglich sei. Mit Schreiben vom 12. Juli 2012 übersandte der Kläger der Beklagten „im Hause“ die „Jedermannerklärung“ der IG Metall-Verwaltungsstelle H für dieses Seminar. Mit Schreiben vom 13. Juli 2012, das der Beklagten am 19. Juli 2012 zuging, erklärte der Kläger, er werde trotz der Weigerung der Beklagten am Seminar teilnehmen. Mit Schreiben vom 18. Juli 2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, der Betriebsratsvorsitzende habe ihm mitgeteilt, ein an ihn adressiertes Schreiben der Personalabteilung sei beim Betriebsratsvorsitzenden eingegangen. Danach habe er erfahren, dass die Beklagte wegen Fehlens der „Jedermannerklärung“ den Bildungsurlaub ablehne. Diese sei der Beklagten aber per Fax noch fristgerecht am 13. Juli 2012 und als Kopie mit der Hauspost zugegangen. Mit Schreiben vom 27. Juli 2012 bescheinigte die IG Metall-Verwaltungsstelle H dem Kläger Folgendes:

        

„Hiermit bescheinigen wir, dass bei Teilnahme an Seminaren der IG Metall der Teilnehmer sich bewerben muss und erst nach dieser Bewerbung bekommen diese Interessenten eine Einladung bzw. einen Bescheid, dass sie auf der Warteliste des Seminars stehen.

        

Es ist also nicht der Fall, dass die IG Metall sich Mitglieder aussucht, und diese dann zu einem Seminar einlädt.“

6

Für dieses Seminar wurde im Bildungsprogramm 2012 der IG Metall, einsehbar in allen IG Metall-Verwaltungsstellen, sowie im Internet auf der Webseite des Bildungszentrums geworben.

7

Das Seminar fand montags bis freitags von 8:30 Uhr bis 10:00 Uhr, 10:15 Uhr bis 12:30 Uhr, 14:30 Uhr bis 15:45 Uhr und 16:00 Uhr bis 17:00 Uhr statt. Die Kosten für ein zweiwöchiges Seminar beliefen sich im Bildungszentrum Berlin im Jahre 2012 auf insgesamt 2.741,40 Euro, wovon 840,00 Euro auf die Übernachtung und 540,00 Euro auf die Verpflegung entfielen. Dies ergibt einschließlich der Mehrwertsteuer einen Betrag in Höhe von 1.541,40 Euro. Hinzu kamen steuerfreie Seminarkosten in Höhe von 1.200,00 Euro.

8

Die Beklagte kürzte die Vergütung des Klägers für den Monat September 2012 wegen seiner Teilnahme an der Bildungsveranstaltung in Höhe von 1.458,90 Euro brutto. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 machte die IG Metall für den Kläger gegenüber der Beklagten dessen Zahlungsanspruch erfolglos geltend. Der Entgeltausfall für September 2012 wurde dem Kläger von der IG Metall erstattet.

9

Mit seiner am 12. November 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, er habe für die Zeit der Seminarteilnahme Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 7 AWbG.

10

Er hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.458,90 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Oktober 2012 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen des AWbG seien nicht erfüllt. Insbesondere sei die Weiterbildungsmaßnahme nicht jedermann zugänglich gewesen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ( § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Aufgrund der festgestellten Tatsachen kann der Senat nicht abschließend darüber befinden, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit seiner Teilnahme an dem Seminar „Weimarer Demokratie und faschistische Diktatur - Arbeitergeschichte im 20. Jahrhundert - Der Kampf um soziale Rechte“ Vergütung zu zahlen.

14

I. Die allgemeinen und formellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Fortzahlung von Arbeitsentgelt gemäß § 7 AWbG sind erfüllt.

15

1. Der Kläger war Arbeitnehmer (§ 2 Satz 1 AWbG). Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bestand seit mehreren Jahren. Die Wartezeit des § 3 Abs. 3 AWbG von sechs Monaten war damit bei Antragstellung im Juli 2012 erfüllt. Der Kläger durfte entgegen der Auffassung der Beklagten auch zwei Wochen Weiterbildung in Anspruch nehmen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AWbG kann der jährliche Anspruch von fünf Arbeitstagen für zwei Kalenderjahre zusammengefasst werden. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 hatte der Kläger gegenüber der Beklagten die Übertragung seines Bildungsurlaubsanspruchs aus dem Jahr 2011 in das Jahr 2012 erklärt.

16

2. Das IG Metall-Bildungszentrum Berlin war auch eine anerkannte Einrichtung der Arbeitnehmerweiterbildung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 AWbG. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Die nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 AWbG notwendige tägliche Mindestunterrichtsdauer von sechs Stunden war ebenso erfüllt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dauerte der Unterricht täglich acht Unterrichtsstunden, mindestens aber sechs Unterrichtsstunden mit Einheiten von jeweils 45 Minuten. Der Kläger teilte der Beklagten die Inanspruchnahme und den Zeitraum der Arbeitnehmerweiterbildung auch mindestens sechs Wochen vor deren Beginn schriftlich unter Beifügung der Unterlagen mit (§ 5 Abs. 1 AWbG). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beantragte der Kläger im Juni 2012 seine Teilnahme.

17

3. Es kann nicht festgestellt werden, ob dem Zahlungsanspruch entgegensteht, dass die Beklagte die Freistellung des Klägers zur Seminarteilnahme mit Schreiben vom 11. Juli 2012 mit der Begründung verweigerte, das Seminar sei nicht für jedermann zugänglich.

18

a) § 1 Abs. 1 AWbG verpflichtet den Arbeitgeber, den anspruchsberechtigten Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freizustellen. Die Freistellungspflicht ist ferner aus § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 7, § 4 sowie aus § 5 Abs. 3 und Abs. 4 AWbG zu ersehen. Der Weiterbildungsanspruch ist damit ein gesetzlich begründeter Freistellungsanspruch. Erfüllt der Arbeitgeber den gesetzlichen Freistellungsanspruch, ist er nach § 7 Satz 1 AWbG zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Erfolgt keine Freistellung, besteht grundsätzlich auch kein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers, wenn er gleichwohl an der Veranstaltung teilnimmt. Hiervon regelt § 5 Abs. 4 Satz 1 iVm. Satz 3 AWbG eine Ausnahme. Danach hat der Arbeitnehmer auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn der Arbeitgeber die Freistellung aus anderen als den in § 5 Abs. 2 AWbG genannten Gründen verweigert und der Arbeitnehmer ihm seine „Gleichwohl-Teilnahme“ innerhalb einer Woche seit Mitteilung der Verweigerung schriftlich mitteilt.

19

b) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts verweigerte die Beklagte die Freistellung mit Schreiben vom 11. Juli 2012, da nicht erkennbar sei, dass die Veranstaltung für jedermann zugänglich sei. Das sind andere als die in § 5 Abs. 2 AWbG genannten betrieblichen Gründe. Mit dem am 19. Juli 2012 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 13. Juli 2012 erklärte der Kläger sodann gegenüber der Beklagten, dass er gemäß § 5 Abs. 4 AWbG gleichwohl an der Bildungsveranstaltung teilnehmen werde („Gleichwohl-Teilnahme“). Es fehlen allerdings Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dazu, wann das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 dem Kläger zuging. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwar sei der Zugang dieses Schreibens von den Parteien nicht mitgeteilt worden, er dürfte dieses Schreiben aber über den Betriebsrat erhalten haben und somit von dessen Inhalt nicht vor dem 12. Juli 2012 Kenntnis erlangt haben. Damit vermutet das Landesarbeitsgericht lediglich einen Zugang an den Kläger nicht vor dem 12. Juli 2012. Tatsachen hat es hierzu nicht festgestellt. Auch unterstellt es zu Unrecht, die Einhaltung der Wochenfrist sei zwischen den Parteien unstreitig. Tatsächlich haben die Parteien hierzu nichts vorgetragen. Dies deutet darauf hin, dass sie diese Anspruchsvoraussetzung für den Zahlungsanspruch übersehen haben. Das Revisionsgericht kann deshalb nicht prüfen, ob der Kläger die Wochenfrist des § 5 Abs. 4 Satz 1 AWbG wahrte. Hierzu muss das Berufungsgericht noch aufklären, ob dem Kläger das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 am selben Tag zugegangen war. Es kann nicht der normale Postlauf unterstellt werden, da das Schreiben auch betriebsintern versandt worden sein kann. So sind auch der Antrag des Klägers vom 2. Juli 2012 und seine Erklärung über die „Gleichwohl-Teilnahme“ betriebsintern verschickt worden. Aus dem Schreiben des Klägers vom 18. Juli 2012 an die Personalabteilung der Beklagten kann nicht geschlossen werden, dass ihm das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 frühestens am 12. Juli 2012 zugegangen war. Zwar beruft sich der Kläger in seinem Schreiben darauf, dass ein an ihn gerichtetes Schreiben der Beklagten über die Ablehnung der Weiterbildung beim Betriebsratsvorsitzenden eingegangen sei. Es fehlen aber Feststellungen dazu, dass es sich um das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 handelt, ob die Beklagte das an den Kläger gerichtete Schreiben dem Betriebsrat nur zusätzlich zur Kenntnis übersandte und ob eine mögliche Alleinversendung an den Betriebsrat auf Veranlassung des Klägers erfolgte. Diese nachzuholende Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht ist auch entscheidungserheblich. Denn die Zahlungsklage wäre nur bei Einhaltung der Wochenfrist des § 5 Abs. 4 Satz 1 AWbG begründet.

20

4. Das Landesarbeitsgericht hat im Übrigen zu Recht angenommen, dass es sich um eine politische Arbeitnehmerweiterbildung iSv. § 1 Abs. 4 AWbG handelte.

21

a) Eine Veranstaltung dient dann dem Ziel der politischen Weiterbildung, wenn das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert sowie die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf gefördert werden soll. Dazu ist erforderlich, dass nach dem didaktischen Konzept der Veranstaltung sowie der zeitlichen und sachlichen Ausrichtung der einzelnen Lerneinheiten das Erreichen dieses Ziels uneingeschränkt ermöglicht wird (BAG 19. Mai 1998 - 9 AZR 395/97 - zu I 1 der Gründe; 9. Mai 1995 - 9 AZR 185/94 - zu III 1 der Gründe, BAGE 80, 94; 15. Juni 1993 - 9 AZR 411/89 - zu 3 a der Gründe).

22

b) Das Tatbestandsmerkmal „dient der politischen Weiterbildung“ (§ 1 Abs. 2 AWbG) ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Da bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe den Tatsacheninstanzen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Beurteilungsspielraum zukommt, unterliegt die Anwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs in der Revisionsinstanz nur einer eingeschränkten Überprüfung. Es kann nur geprüft werden, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Tatumstände berücksichtigt hat (BAG 17. November 1998 - 9 AZR 503/97 - zu I 3 b der Gründe).

23

c) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das sich insoweit die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht hat, hält diesem Prüfungsmaßstab stand. Danach befasste sich der Themenplan im Sinne einer politischen Weiterbildung mit der Weimarer Demokratie, deren Bedeutung und Auswirkung auf Arbeitnehmerrechte und ihrem Scheitern durch Aufstieg der faschistischen Diktatur. Es ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Themen dienten der Verbesserung und Förderung des Verständnisses der Arbeitnehmer für die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhänge auf den Gebieten der Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik.

24

Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang allerdings zu Unrecht geprüft, ob es sich um eine den Tatbestand der politischen Weiterbildung ausschließende Spezialschulung für Betriebsräte handelte. Das ist keine Frage der politischen Weiterbildung, sondern der Allgemeinzugänglichkeit der Veranstaltung (BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 466/97 - zu II 2 b bb der Gründe).

25

5. Entgegen der Auffassung der Revision war die Weiterbildungsmaßnahme auch allen Arbeitnehmern zugänglich (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 AWbG).

26

a) Der Verwaltungsakt über die Anerkennung einer Bildungsstätte entfaltet insoweit weder Tatbestandswirkung noch begründet er eine Vermutung dafür, dass Veranstaltungen dieser Bildungseinrichtung für jedermann zugänglich sind. Die Zugänglichkeit für jedermann gehört zu den Tatbestandsmerkmalen des Entgeltfortzahlungsanspruchs. Ihre Voraussetzungen sind von demjenigen, der den Anspruch geltend macht, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 654/88 - zu III 3 b aa der Gründe, BAGE 65, 352).

27

b) Zugänglich iSd. § 9 Abs. 1 Nr. 3 AWbG ist eine Bildungsveranstaltung, wenn sie mindestens dem in § 2 AWbG genannten Personenkreis (Arbeitnehmer, in Heimarbeit Beschäftigte sowie ihnen Gleichgestellte, arbeitnehmerähnliche Personen) offensteht.

28

c) Die Revision rügt zu Unrecht, die Einladung sei nicht genügend bekannt gemacht worden und deshalb nur für Gewerkschaftsmitglieder zugänglich gewesen.

29

aa) Wendet sich die Veranstaltung nur an Gewerkschaftsmitglieder, ist sie nicht für jedermann zugänglich. Zur Begründung der Jedermannzugänglichkeit genügt nicht der Hinweis im Bildungsprogramm des Trägers, dass die Veranstaltung auch anderen Personen als Gewerkschaftsmitgliedern offensteht. Er muss außerdem so verlautbart sein, dass auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer davon Kenntnis nehmen können (BAG 9. November 1993 - 9 AZR 9/92 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 75, 58).

30

bb) Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

31

(1) Das Seminar wendete sich ausdrücklich an „interessierte Arbeitnehmer(innen)“ und nicht nur an Gewerkschaftsmitglieder. Hiervon hätten auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer Kenntnis nehmen können. Das Bildungsprogramm der IG Metall ist für jedermann im Internet zugänglich. Hierbei handelt es sich mittlerweile um ein anerkanntes und gebräuchliches Informationsmedium, welches eine allgemein zugängliche Kenntnisnahmemöglichkeit gewährleistet.

32

(2) Die Bildungsveranstaltung war entgegen ihrer Ausschreibung auch nicht deshalb nur für Gewerkschaftsmitglieder zugänglich, weil die IG Metall-Verwaltungsstelle H dem Kläger in einem Schreiben vom 27. Juli 2012 mitteilte, der „Teilnehmer“ müsse sich „bewerben“. Daran sollte sich kein Auswahlverfahren nur zugunsten von Gewerkschaftsmitgliedern anschließen. Es wurde damit nur der Tatsache Rechnung getragen, dass die Anzahl der Anmeldenden die Teilnehmerkapazität hätte überschreiten können. Nicht nachvollziehbar ist das Argument der Beklagten, aus der „Du-Form“ der an den Kläger gerichteten Schreiben sei herzuleiten, es würden nur Gewerkschaftsmitglieder angesprochen. Die allgemein zugängliche Seminarausschreibung und der Themenplan enthielten diese „Du-Form“ nicht.

33

d) Der Zugänglichkeit für jedermann steht nicht entgegen, dass das Seminar als geeignet iSv. § 37 Abs. 7 BetrVG gekennzeichnet war und dieses politische Themen im Kontext mit dem Betriebsrätegesetz und der Betriebsverfassung behandelte.

34

Soweit die Revision geltend macht, es habe sich um eine unzulässige Funktionärsschulung gehandelt, betrifft dies nicht die vermittelten Bildungsinhalte, sondern die Allgemeinzugänglichkeit der Veranstaltung. Grundsätzlich sind alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Die Zugänglichkeit für jedermann wurde auch nicht durch den in das Programm aufgenommenen Hinweis auf eine Anerkennung der Veranstaltung für Betriebsräte nach § 37 Abs. 7 BetrVG aufgehoben. Die Veranstaltung war weder als Spezialschulung für Betriebsräte ausgeschrieben, noch wurden betriebsverfassungsrechtliche Fragen im engeren Sinne behandelt. Im Übrigen sind grundsätzlich alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Diese bezweckt nicht nur die Information über gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge, sondern soll insbesondere auch den Einzelnen befähigen, sein soziales Umfeld mitzugestalten. Hierzu gehört auch die Mitwirkung in Arbeitnehmervertretungen. Eine gesellschaftspolitische Weiterbildung kann deshalb auch Kenntnisse vermitteln, die gleichzeitig Inhalt von Betriebsräteschulungen nach § 37 Abs. 6 oder Abs. 7 BetrVG sind(vgl. zu § 3 BFG BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 468/97 - zu II 2 b bb der Gründe).

35

e) Ebenso wenig stellen die Gesamtkosten für das zweiwöchige Seminar ein die Jedermannzugänglichkeit ausschließendes Hindernis dar. Entgegen der Ansicht der Revision sind die Kosten für die hotelmäßige Unterbringung und Verpflegung in Höhe von 1.541,40 Euro und die Seminarkosten in Höhe von 1.200,00 Euro keine für Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst unzumutbare Kostenhürde. Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer die Kosten einer Bildungsveranstaltung selbst zu tragen. Die Bildungseinrichtungen sind nicht verpflichtet, die Kosten für die Lehrmaterialien und Referenten sowie für die Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer selbst aufzubringen. Ob ein Arbeitnehmer das Weiterbildungsangebot eines Veranstalters annimmt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Dazu hat jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit, aus den vielfältigen, preislich höher oder niedriger gestalteten Angeboten auszuwählen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, diese Wahlfreiheit zu beschränken. Der Träger einer Weiterbildungsveranstaltung ist nicht verpflichtet, diese kostenfrei anzubieten.

36

Entgegen der Auffassung der Revision kann der individuelle Gewerkschaftsbeitrag eines Teilnehmers kein Kriterium für die eine Jedermannzugänglichkeit ausschließende Kostenbelastung sein. Der Gewerkschaftsbeitrag ist schon nach seinem Zweck keine Ratenzahlung für die Kosten künftiger Seminare. Er ist Beitrag für den gesamten Aufgabenbereich der Gewerkschaft. Ob im Einzelfall ein besonders hoher Beitrag interessierte nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer von einer Teilnahme abschrecken kann und deshalb die Zugänglichkeit für jedermann zu verneinen ist, kann dahinstehen. Der Streitfall bietet zur Erörterung dieser Frage keinen Anlass (vgl. BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 466/97 - zu II 2 c cc der Gründe).

37

f) Auch der Umstand, dass der Kläger ein Aufbauseminar besucht hat, steht der Jedermannzugänglichkeit der Veranstaltung nicht entgegen. Die Teilnahme war nicht vom vorherigen Besuch der Seminarreihe „Leben und Arbeiten: Interessenvertretung in Betrieb und Gesellschaft“ sowie des Seminars „Die Entstehung der Arbeiterbewegung als Lernprozess“ abhängig gemacht worden. Deren vorherige Teilnahme war nur empfohlen worden. Deshalb war nicht zu prüfen, ob auch diese Grundseminare jedermann zugänglich waren (vgl. BAG 2. Dezember 1997 - 9 AZR 584/96 - zu I 2 a ff der Gründe).

38

6. Die Beklagte rügt in der Revision zu Unrecht, das Landesarbeitsgericht habe ihren Vortrag in der Klageerwiderung vom 4. Februar 2013, die Bildungsveranstaltung sei nicht vom IG Metall-Bildungszentrum Berlin durchgeführt worden, übergangen. Eine Veranstaltung wird dann von einem anerkannten Träger der Weiterbildung durchgeführt, wenn die betreffende Einrichtung bestimmenden Einfluss darauf ausübt, ob die Veranstaltung stattfindet, wie sie inhaltlich gestaltet wird, wer unterrichtet und wer teilnimmt (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 220/88 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 65, 347). Das hat die Beklagte nicht bestritten. Sie hat vorgetragen, es sei „im Grundsatz unstrittig“, dass die IG Metall das Seminar durchgeführt habe. Der Kläger habe lediglich nicht dargelegt, dass die Veranstaltung im IG Metall-Bildungszentrum Berlin tatsächlich von einem anerkannten Träger der Weiterbildung durchgeführt worden sei. Damit hat sie nur die Anerkennung bestritten, die aber im weiteren Verlauf des Verfahrens unstreitig gestellt worden ist.

39

II. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Kläger auch aktivlegitimiert. Die IG Metall erstattete dem Kläger zwar den Entgeltausfall. Sie leistete aber nicht mit dem Willen, die Entgeltfortzahlungspflicht der Beklagten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 1 BGB zu erfüllen. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass einem Fremdtilgungswillen bereits das Schreiben der IG Metall vom 2. Oktober 2012 entgegensteht. Sie machte dort für den Kläger gegenüber der Beklagten dessen Entgeltfortzahlungsanspruch geltend.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Pielenz    

        

    M. Dipper    

                 

(1) Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.

(2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

(3) Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. Die Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten.

(4) Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers.

(5) Soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, dürfen Mitglieder des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten der in Absatz 4 genannten Arbeitnehmer gleichwertig sind.

(6) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Betriebsbedingte Gründe im Sinne des Absatzes 3 liegen auch vor, wenn wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung die Schulung des Betriebsratsmitglieds außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgt; in diesem Fall ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs unter Einbeziehung der Arbeitsbefreiung nach Absatz 2 pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Er hat dem Arbeitgeber die Teilnahme und die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen rechtzeitig bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten für nicht ausreichend berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(7) Unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 6 hat jedes Mitglied des Betriebsrats während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt drei Wochen zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde des Landes nach Beratung mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände als geeignet anerkannt sind. Der Anspruch nach Satz 1 erhöht sich für Arbeitnehmer, die erstmals das Amt eines Betriebsratsmitglieds übernehmen und auch nicht zuvor Jugend- und Auszubildendenvertreter waren, auf vier Wochen. Absatz 6 Satz 2 bis 6 findet Anwendung.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. Februar 2014 - 16 Sa 777/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach dem Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung - Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen (AWbG) vom 6. November 1984.

2

Unter dem 18. Oktober 2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe im laufenden Jahr 2011 seinen Bildungsurlaub nach dem AWbG noch nicht in Anspruch genommen. Er beabsichtige im folgenden Jahr die Zusammenfassung der Ansprüche und mache daher die Übertragung von fünf Tagen Bildungsurlaub in das Jahr 2012 geltend.

3

Mit Schreiben vom 25. Juni 2012 lud die IG Metall, Verwaltungsstelle H, den Kläger zu einem Seminar mit dem Thema „Weimarer Demokratie und faschistische Diktatur - Arbeitergeschichte im 20. Jahrhundert - Der Kampf um soziale Rechte“ für die Zeit vom 2. bis zum 14. September 2012 ein. In der Seminarausschreibung hieß es hierzu ua.:

        

„Das Seminar wendet sich an interessierte Arbeitnehmer(innen) und Betriebsräte. Empfehlenswert ist der vorherige Besuch der Seminarreihe ‚Leben und Arbeiten: Interessenvertretung in Betrieb und Gesellschaft‘ sowie des Seminars ‚Die Entstehung der Arbeiterbewegung als Lernprozess‘ …“

4

Der Themenplan lautete wie folgt:

        

„…    

                 
        

Inhalte

                 
        

Sonntag

        

Anreise, Abendessen, Begrüßung und Informationen zum Haus

        

Montag

V       

Vorstellungsrunde und organisatorische Hinweise

                          

Darstellung des Seminarprogramms und Vereinbarungen über den Seminarablauf, Einstieg ins Thema

                 

N       

Erfolge und Niederlagen in der organisierten Arbeiterschaft in der Novemberrevolution 1918

        

Dienstag

V       

Der Kampf um das Betriebsrätegesetz 1920

                 

N       

Das erste Betriebsrätegesetz und die Realität betrieblicher Interessenvertretung im Vergleich mit dem BetrVG 2001

        

Mittwoch

V       

Der Beitrag des Betriebsrätegesetzes zur Demokratisierung der Gesellschaft am Beispiel der Reaktion auf den Kapp-Putsch

                 

N       

Die Entwicklung von Arbeitsrecht und Betriebsverfassung bis 1933

        

Donnerstag

V       

Die Gegner der demokratischen Republik und der Kampf um ihre Verteidigung

                 

N       

Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und staatliche Krisenpolitik

        

Freitag

V       

Das Betriebsrätegesetz als Instrument zur Krisenbewältigung im Vergleich zum BetrVG (Möglichkeiten der Krisenbewältigung mit dem BetrVG heute im Vergleich zum Betriebsrätegesetz von 1920)

                 

N       

Das Betriebsrätegesetz als untaugliches Mittel im Abwehrkampf gegen den Aufstieg der NS-Bewegung

        

Samstag

V       

Sozialgesetzgebung im Vergleich zu heute

                                   
                          

Rückblick auf die Woche, Ausblick auf die kommende Woche

        

Montag

V       

Die Zerschlagung der Weimarer Betriebsverfassung und der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten

                 

N       

Betriebsverfassung im ‚Dritten Reich‘: die Deutsche Arbeitsfront als antidemokratisches Herrschaftsinstrument

        

Dienstag

V       

‚Betriebsführer‘ und ‚Gefolgschaft‘ als Beispiele für nationalsozialistische Volksgemeinschaftspolitik

                 

N       

Tarifordnungen unter diktatorischen Bedingungen

        

Mittwoch

V       

Staatliche Wirtschaftspolitik und Kriegsvorbereitung

                 

N       

Arbeitspolitik in der Kriegswirtschaft - Zwangsarbeit

        

Donnerstag

V       

Widerstand und Emigration: Konzepte für die betriebliche Interessenvertretung nach 1945

                 

N       

Auswirkungen der Erfahrungen aus Weimarer Republik und NS auf die Betriebsverfassung der Bundesrepublik

        

Freitag

V       

Aus der Geschichte gelernt: Betriebsvereinbarungen gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung

                          

Abreise“

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Unter dem 26. April 2010 wurde das das Seminar veranstaltende IG Metall-Bildungszentrum Berlin durch die Bezirksregierung Detmold als Einrichtung der Arbeitnehmerweiterbildung nach §§ 10 ff. AWbG anerkannt. Mit Schreiben vom 2. Juli 2012 an die Beklagte „im Haus“ erklärte der Kläger die Inanspruchnahme von Bildungsurlaub in der Zeit vom 2. bis zum 14. September 2012. Mit Schreiben vom 11. Juli 2012 lehnte die Beklagte die Freistellung des Klägers mit der Begründung ab, es sei nicht erkennbar, dass es sich um ein Seminar handele, welches jedermann zugänglich sei. Mit Schreiben vom 12. Juli 2012 übersandte der Kläger der Beklagten „im Hause“ die „Jedermannerklärung“ der IG Metall-Verwaltungsstelle H für dieses Seminar. Mit Schreiben vom 13. Juli 2012, das der Beklagten am 19. Juli 2012 zuging, erklärte der Kläger, er werde trotz der Weigerung der Beklagten am Seminar teilnehmen. Mit Schreiben vom 18. Juli 2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, der Betriebsratsvorsitzende habe ihm mitgeteilt, ein an ihn adressiertes Schreiben der Personalabteilung sei beim Betriebsratsvorsitzenden eingegangen. Danach habe er erfahren, dass die Beklagte wegen Fehlens der „Jedermannerklärung“ den Bildungsurlaub ablehne. Diese sei der Beklagten aber per Fax noch fristgerecht am 13. Juli 2012 und als Kopie mit der Hauspost zugegangen. Mit Schreiben vom 27. Juli 2012 bescheinigte die IG Metall-Verwaltungsstelle H dem Kläger Folgendes:

        

„Hiermit bescheinigen wir, dass bei Teilnahme an Seminaren der IG Metall der Teilnehmer sich bewerben muss und erst nach dieser Bewerbung bekommen diese Interessenten eine Einladung bzw. einen Bescheid, dass sie auf der Warteliste des Seminars stehen.

        

Es ist also nicht der Fall, dass die IG Metall sich Mitglieder aussucht, und diese dann zu einem Seminar einlädt.“

6

Für dieses Seminar wurde im Bildungsprogramm 2012 der IG Metall, einsehbar in allen IG Metall-Verwaltungsstellen, sowie im Internet auf der Webseite des Bildungszentrums geworben.

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Das Seminar fand montags bis freitags von 8:30 Uhr bis 10:00 Uhr, 10:15 Uhr bis 12:30 Uhr, 14:30 Uhr bis 15:45 Uhr und 16:00 Uhr bis 17:00 Uhr statt. Die Kosten für ein zweiwöchiges Seminar beliefen sich im Bildungszentrum Berlin im Jahre 2012 auf insgesamt 2.741,40 Euro, wovon 840,00 Euro auf die Übernachtung und 540,00 Euro auf die Verpflegung entfielen. Dies ergibt einschließlich der Mehrwertsteuer einen Betrag in Höhe von 1.541,40 Euro. Hinzu kamen steuerfreie Seminarkosten in Höhe von 1.200,00 Euro.

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Die Beklagte kürzte die Vergütung des Klägers für den Monat September 2012 wegen seiner Teilnahme an der Bildungsveranstaltung in Höhe von 1.458,90 Euro brutto. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 machte die IG Metall für den Kläger gegenüber der Beklagten dessen Zahlungsanspruch erfolglos geltend. Der Entgeltausfall für September 2012 wurde dem Kläger von der IG Metall erstattet.

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Mit seiner am 12. November 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, er habe für die Zeit der Seminarteilnahme Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 7 AWbG.

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Er hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.458,90 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Oktober 2012 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen des AWbG seien nicht erfüllt. Insbesondere sei die Weiterbildungsmaßnahme nicht jedermann zugänglich gewesen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ( § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Aufgrund der festgestellten Tatsachen kann der Senat nicht abschließend darüber befinden, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit seiner Teilnahme an dem Seminar „Weimarer Demokratie und faschistische Diktatur - Arbeitergeschichte im 20. Jahrhundert - Der Kampf um soziale Rechte“ Vergütung zu zahlen.

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I. Die allgemeinen und formellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Fortzahlung von Arbeitsentgelt gemäß § 7 AWbG sind erfüllt.

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1. Der Kläger war Arbeitnehmer (§ 2 Satz 1 AWbG). Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bestand seit mehreren Jahren. Die Wartezeit des § 3 Abs. 3 AWbG von sechs Monaten war damit bei Antragstellung im Juli 2012 erfüllt. Der Kläger durfte entgegen der Auffassung der Beklagten auch zwei Wochen Weiterbildung in Anspruch nehmen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AWbG kann der jährliche Anspruch von fünf Arbeitstagen für zwei Kalenderjahre zusammengefasst werden. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 hatte der Kläger gegenüber der Beklagten die Übertragung seines Bildungsurlaubsanspruchs aus dem Jahr 2011 in das Jahr 2012 erklärt.

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2. Das IG Metall-Bildungszentrum Berlin war auch eine anerkannte Einrichtung der Arbeitnehmerweiterbildung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 AWbG. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Die nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 AWbG notwendige tägliche Mindestunterrichtsdauer von sechs Stunden war ebenso erfüllt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dauerte der Unterricht täglich acht Unterrichtsstunden, mindestens aber sechs Unterrichtsstunden mit Einheiten von jeweils 45 Minuten. Der Kläger teilte der Beklagten die Inanspruchnahme und den Zeitraum der Arbeitnehmerweiterbildung auch mindestens sechs Wochen vor deren Beginn schriftlich unter Beifügung der Unterlagen mit (§ 5 Abs. 1 AWbG). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beantragte der Kläger im Juni 2012 seine Teilnahme.

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3. Es kann nicht festgestellt werden, ob dem Zahlungsanspruch entgegensteht, dass die Beklagte die Freistellung des Klägers zur Seminarteilnahme mit Schreiben vom 11. Juli 2012 mit der Begründung verweigerte, das Seminar sei nicht für jedermann zugänglich.

18

a) § 1 Abs. 1 AWbG verpflichtet den Arbeitgeber, den anspruchsberechtigten Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freizustellen. Die Freistellungspflicht ist ferner aus § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 7, § 4 sowie aus § 5 Abs. 3 und Abs. 4 AWbG zu ersehen. Der Weiterbildungsanspruch ist damit ein gesetzlich begründeter Freistellungsanspruch. Erfüllt der Arbeitgeber den gesetzlichen Freistellungsanspruch, ist er nach § 7 Satz 1 AWbG zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Erfolgt keine Freistellung, besteht grundsätzlich auch kein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers, wenn er gleichwohl an der Veranstaltung teilnimmt. Hiervon regelt § 5 Abs. 4 Satz 1 iVm. Satz 3 AWbG eine Ausnahme. Danach hat der Arbeitnehmer auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn der Arbeitgeber die Freistellung aus anderen als den in § 5 Abs. 2 AWbG genannten Gründen verweigert und der Arbeitnehmer ihm seine „Gleichwohl-Teilnahme“ innerhalb einer Woche seit Mitteilung der Verweigerung schriftlich mitteilt.

19

b) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts verweigerte die Beklagte die Freistellung mit Schreiben vom 11. Juli 2012, da nicht erkennbar sei, dass die Veranstaltung für jedermann zugänglich sei. Das sind andere als die in § 5 Abs. 2 AWbG genannten betrieblichen Gründe. Mit dem am 19. Juli 2012 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 13. Juli 2012 erklärte der Kläger sodann gegenüber der Beklagten, dass er gemäß § 5 Abs. 4 AWbG gleichwohl an der Bildungsveranstaltung teilnehmen werde („Gleichwohl-Teilnahme“). Es fehlen allerdings Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dazu, wann das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 dem Kläger zuging. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwar sei der Zugang dieses Schreibens von den Parteien nicht mitgeteilt worden, er dürfte dieses Schreiben aber über den Betriebsrat erhalten haben und somit von dessen Inhalt nicht vor dem 12. Juli 2012 Kenntnis erlangt haben. Damit vermutet das Landesarbeitsgericht lediglich einen Zugang an den Kläger nicht vor dem 12. Juli 2012. Tatsachen hat es hierzu nicht festgestellt. Auch unterstellt es zu Unrecht, die Einhaltung der Wochenfrist sei zwischen den Parteien unstreitig. Tatsächlich haben die Parteien hierzu nichts vorgetragen. Dies deutet darauf hin, dass sie diese Anspruchsvoraussetzung für den Zahlungsanspruch übersehen haben. Das Revisionsgericht kann deshalb nicht prüfen, ob der Kläger die Wochenfrist des § 5 Abs. 4 Satz 1 AWbG wahrte. Hierzu muss das Berufungsgericht noch aufklären, ob dem Kläger das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 am selben Tag zugegangen war. Es kann nicht der normale Postlauf unterstellt werden, da das Schreiben auch betriebsintern versandt worden sein kann. So sind auch der Antrag des Klägers vom 2. Juli 2012 und seine Erklärung über die „Gleichwohl-Teilnahme“ betriebsintern verschickt worden. Aus dem Schreiben des Klägers vom 18. Juli 2012 an die Personalabteilung der Beklagten kann nicht geschlossen werden, dass ihm das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 frühestens am 12. Juli 2012 zugegangen war. Zwar beruft sich der Kläger in seinem Schreiben darauf, dass ein an ihn gerichtetes Schreiben der Beklagten über die Ablehnung der Weiterbildung beim Betriebsratsvorsitzenden eingegangen sei. Es fehlen aber Feststellungen dazu, dass es sich um das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2012 handelt, ob die Beklagte das an den Kläger gerichtete Schreiben dem Betriebsrat nur zusätzlich zur Kenntnis übersandte und ob eine mögliche Alleinversendung an den Betriebsrat auf Veranlassung des Klägers erfolgte. Diese nachzuholende Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht ist auch entscheidungserheblich. Denn die Zahlungsklage wäre nur bei Einhaltung der Wochenfrist des § 5 Abs. 4 Satz 1 AWbG begründet.

20

4. Das Landesarbeitsgericht hat im Übrigen zu Recht angenommen, dass es sich um eine politische Arbeitnehmerweiterbildung iSv. § 1 Abs. 4 AWbG handelte.

21

a) Eine Veranstaltung dient dann dem Ziel der politischen Weiterbildung, wenn das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert sowie die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf gefördert werden soll. Dazu ist erforderlich, dass nach dem didaktischen Konzept der Veranstaltung sowie der zeitlichen und sachlichen Ausrichtung der einzelnen Lerneinheiten das Erreichen dieses Ziels uneingeschränkt ermöglicht wird (BAG 19. Mai 1998 - 9 AZR 395/97 - zu I 1 der Gründe; 9. Mai 1995 - 9 AZR 185/94 - zu III 1 der Gründe, BAGE 80, 94; 15. Juni 1993 - 9 AZR 411/89 - zu 3 a der Gründe).

22

b) Das Tatbestandsmerkmal „dient der politischen Weiterbildung“ (§ 1 Abs. 2 AWbG) ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Da bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe den Tatsacheninstanzen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Beurteilungsspielraum zukommt, unterliegt die Anwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs in der Revisionsinstanz nur einer eingeschränkten Überprüfung. Es kann nur geprüft werden, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Tatumstände berücksichtigt hat (BAG 17. November 1998 - 9 AZR 503/97 - zu I 3 b der Gründe).

23

c) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das sich insoweit die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht hat, hält diesem Prüfungsmaßstab stand. Danach befasste sich der Themenplan im Sinne einer politischen Weiterbildung mit der Weimarer Demokratie, deren Bedeutung und Auswirkung auf Arbeitnehmerrechte und ihrem Scheitern durch Aufstieg der faschistischen Diktatur. Es ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Themen dienten der Verbesserung und Förderung des Verständnisses der Arbeitnehmer für die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhänge auf den Gebieten der Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik.

24

Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang allerdings zu Unrecht geprüft, ob es sich um eine den Tatbestand der politischen Weiterbildung ausschließende Spezialschulung für Betriebsräte handelte. Das ist keine Frage der politischen Weiterbildung, sondern der Allgemeinzugänglichkeit der Veranstaltung (BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 466/97 - zu II 2 b bb der Gründe).

25

5. Entgegen der Auffassung der Revision war die Weiterbildungsmaßnahme auch allen Arbeitnehmern zugänglich (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 AWbG).

26

a) Der Verwaltungsakt über die Anerkennung einer Bildungsstätte entfaltet insoweit weder Tatbestandswirkung noch begründet er eine Vermutung dafür, dass Veranstaltungen dieser Bildungseinrichtung für jedermann zugänglich sind. Die Zugänglichkeit für jedermann gehört zu den Tatbestandsmerkmalen des Entgeltfortzahlungsanspruchs. Ihre Voraussetzungen sind von demjenigen, der den Anspruch geltend macht, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 654/88 - zu III 3 b aa der Gründe, BAGE 65, 352).

27

b) Zugänglich iSd. § 9 Abs. 1 Nr. 3 AWbG ist eine Bildungsveranstaltung, wenn sie mindestens dem in § 2 AWbG genannten Personenkreis (Arbeitnehmer, in Heimarbeit Beschäftigte sowie ihnen Gleichgestellte, arbeitnehmerähnliche Personen) offensteht.

28

c) Die Revision rügt zu Unrecht, die Einladung sei nicht genügend bekannt gemacht worden und deshalb nur für Gewerkschaftsmitglieder zugänglich gewesen.

29

aa) Wendet sich die Veranstaltung nur an Gewerkschaftsmitglieder, ist sie nicht für jedermann zugänglich. Zur Begründung der Jedermannzugänglichkeit genügt nicht der Hinweis im Bildungsprogramm des Trägers, dass die Veranstaltung auch anderen Personen als Gewerkschaftsmitgliedern offensteht. Er muss außerdem so verlautbart sein, dass auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer davon Kenntnis nehmen können (BAG 9. November 1993 - 9 AZR 9/92 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 75, 58).

30

bb) Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

31

(1) Das Seminar wendete sich ausdrücklich an „interessierte Arbeitnehmer(innen)“ und nicht nur an Gewerkschaftsmitglieder. Hiervon hätten auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer Kenntnis nehmen können. Das Bildungsprogramm der IG Metall ist für jedermann im Internet zugänglich. Hierbei handelt es sich mittlerweile um ein anerkanntes und gebräuchliches Informationsmedium, welches eine allgemein zugängliche Kenntnisnahmemöglichkeit gewährleistet.

32

(2) Die Bildungsveranstaltung war entgegen ihrer Ausschreibung auch nicht deshalb nur für Gewerkschaftsmitglieder zugänglich, weil die IG Metall-Verwaltungsstelle H dem Kläger in einem Schreiben vom 27. Juli 2012 mitteilte, der „Teilnehmer“ müsse sich „bewerben“. Daran sollte sich kein Auswahlverfahren nur zugunsten von Gewerkschaftsmitgliedern anschließen. Es wurde damit nur der Tatsache Rechnung getragen, dass die Anzahl der Anmeldenden die Teilnehmerkapazität hätte überschreiten können. Nicht nachvollziehbar ist das Argument der Beklagten, aus der „Du-Form“ der an den Kläger gerichteten Schreiben sei herzuleiten, es würden nur Gewerkschaftsmitglieder angesprochen. Die allgemein zugängliche Seminarausschreibung und der Themenplan enthielten diese „Du-Form“ nicht.

33

d) Der Zugänglichkeit für jedermann steht nicht entgegen, dass das Seminar als geeignet iSv. § 37 Abs. 7 BetrVG gekennzeichnet war und dieses politische Themen im Kontext mit dem Betriebsrätegesetz und der Betriebsverfassung behandelte.

34

Soweit die Revision geltend macht, es habe sich um eine unzulässige Funktionärsschulung gehandelt, betrifft dies nicht die vermittelten Bildungsinhalte, sondern die Allgemeinzugänglichkeit der Veranstaltung. Grundsätzlich sind alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Die Zugänglichkeit für jedermann wurde auch nicht durch den in das Programm aufgenommenen Hinweis auf eine Anerkennung der Veranstaltung für Betriebsräte nach § 37 Abs. 7 BetrVG aufgehoben. Die Veranstaltung war weder als Spezialschulung für Betriebsräte ausgeschrieben, noch wurden betriebsverfassungsrechtliche Fragen im engeren Sinne behandelt. Im Übrigen sind grundsätzlich alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Diese bezweckt nicht nur die Information über gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge, sondern soll insbesondere auch den Einzelnen befähigen, sein soziales Umfeld mitzugestalten. Hierzu gehört auch die Mitwirkung in Arbeitnehmervertretungen. Eine gesellschaftspolitische Weiterbildung kann deshalb auch Kenntnisse vermitteln, die gleichzeitig Inhalt von Betriebsräteschulungen nach § 37 Abs. 6 oder Abs. 7 BetrVG sind(vgl. zu § 3 BFG BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 468/97 - zu II 2 b bb der Gründe).

35

e) Ebenso wenig stellen die Gesamtkosten für das zweiwöchige Seminar ein die Jedermannzugänglichkeit ausschließendes Hindernis dar. Entgegen der Ansicht der Revision sind die Kosten für die hotelmäßige Unterbringung und Verpflegung in Höhe von 1.541,40 Euro und die Seminarkosten in Höhe von 1.200,00 Euro keine für Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst unzumutbare Kostenhürde. Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer die Kosten einer Bildungsveranstaltung selbst zu tragen. Die Bildungseinrichtungen sind nicht verpflichtet, die Kosten für die Lehrmaterialien und Referenten sowie für die Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer selbst aufzubringen. Ob ein Arbeitnehmer das Weiterbildungsangebot eines Veranstalters annimmt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Dazu hat jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit, aus den vielfältigen, preislich höher oder niedriger gestalteten Angeboten auszuwählen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, diese Wahlfreiheit zu beschränken. Der Träger einer Weiterbildungsveranstaltung ist nicht verpflichtet, diese kostenfrei anzubieten.

36

Entgegen der Auffassung der Revision kann der individuelle Gewerkschaftsbeitrag eines Teilnehmers kein Kriterium für die eine Jedermannzugänglichkeit ausschließende Kostenbelastung sein. Der Gewerkschaftsbeitrag ist schon nach seinem Zweck keine Ratenzahlung für die Kosten künftiger Seminare. Er ist Beitrag für den gesamten Aufgabenbereich der Gewerkschaft. Ob im Einzelfall ein besonders hoher Beitrag interessierte nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer von einer Teilnahme abschrecken kann und deshalb die Zugänglichkeit für jedermann zu verneinen ist, kann dahinstehen. Der Streitfall bietet zur Erörterung dieser Frage keinen Anlass (vgl. BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 466/97 - zu II 2 c cc der Gründe).

37

f) Auch der Umstand, dass der Kläger ein Aufbauseminar besucht hat, steht der Jedermannzugänglichkeit der Veranstaltung nicht entgegen. Die Teilnahme war nicht vom vorherigen Besuch der Seminarreihe „Leben und Arbeiten: Interessenvertretung in Betrieb und Gesellschaft“ sowie des Seminars „Die Entstehung der Arbeiterbewegung als Lernprozess“ abhängig gemacht worden. Deren vorherige Teilnahme war nur empfohlen worden. Deshalb war nicht zu prüfen, ob auch diese Grundseminare jedermann zugänglich waren (vgl. BAG 2. Dezember 1997 - 9 AZR 584/96 - zu I 2 a ff der Gründe).

38

6. Die Beklagte rügt in der Revision zu Unrecht, das Landesarbeitsgericht habe ihren Vortrag in der Klageerwiderung vom 4. Februar 2013, die Bildungsveranstaltung sei nicht vom IG Metall-Bildungszentrum Berlin durchgeführt worden, übergangen. Eine Veranstaltung wird dann von einem anerkannten Träger der Weiterbildung durchgeführt, wenn die betreffende Einrichtung bestimmenden Einfluss darauf ausübt, ob die Veranstaltung stattfindet, wie sie inhaltlich gestaltet wird, wer unterrichtet und wer teilnimmt (BAG 16. August 1990 - 8 AZR 220/88 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 65, 347). Das hat die Beklagte nicht bestritten. Sie hat vorgetragen, es sei „im Grundsatz unstrittig“, dass die IG Metall das Seminar durchgeführt habe. Der Kläger habe lediglich nicht dargelegt, dass die Veranstaltung im IG Metall-Bildungszentrum Berlin tatsächlich von einem anerkannten Träger der Weiterbildung durchgeführt worden sei. Damit hat sie nur die Anerkennung bestritten, die aber im weiteren Verlauf des Verfahrens unstreitig gestellt worden ist.

39

II. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Kläger auch aktivlegitimiert. Die IG Metall erstattete dem Kläger zwar den Entgeltausfall. Sie leistete aber nicht mit dem Willen, die Entgeltfortzahlungspflicht der Beklagten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 1 BGB zu erfüllen. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass einem Fremdtilgungswillen bereits das Schreiben der IG Metall vom 2. Oktober 2012 entgegensteht. Sie machte dort für den Kläger gegenüber der Beklagten dessen Entgeltfortzahlungsanspruch geltend.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Pielenz    

        

    M. Dipper    

                 

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Für das Verfahren vor den Amtsgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten, soweit nicht aus den allgemeinen Vorschriften des Buches 1, aus den nachfolgenden besonderen Bestimmungen und aus der Verfassung der Amtsgerichte sich Abweichungen ergeben.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.