| Mit seiner am 12.10.2015 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 06.10.2015 bzw. 09.10.2015. |
|
| Der am ... geborene, verheiratete und gegenüber 2 Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger ist bei der Beklagten jedenfalls seit 1.2.2001 beschäftigt. Zuvor absolvierte er bei der Beklagten eine Ausbildung zum Fahrzeugschlosser. Der Kläger ist gebürtig aus Polen. Seit Juni 2006 ist der Kläger als Triebfahrzeugführer mit einem Monatstabellenentgelt iHv. 2389 EUR brutto beschäftigt. |
|
| Die Beklagte betreibt die Bahn im von Deutschland. Der Kläger war dem Standort H zugeordnet, an dem ca. 150 Mitarbeiter beschäftigt werden. Die Beklagte gehört zum Konzern der D. |
|
| Am 21.9.2015 erhielt die Beklagte von ihrem Betriebsrat eine Beschwerde und wurde darauf hingewiesen, dass ein Mitarbeiter auf seinem Facebook-Nutzerkonto ein Bild bzw. Äußerungen mit rassistischem Hintergrund veröffentlicht habe. Der Betriebsrat teilte jedoch der Beklagten nicht mit, um welchen Mitarbeiter der Beklagten es sich dabei handelte. |
|
| Auf dem betreffenden Facebook-Nutzerkonto hatte der Facebook-Nutzer, nämlich der Kläger (siehe dazu unten), ein Bild geteilt, das das Eingangstor des Konzentrationslagers Auschwitz mit der Tor-Überschrift "Arbeit macht frei" zeigt. Im unteren Bereich des Bildes befindet sich ein Text auf Polnisch (".....KA JEST GOTOWA…….JECIE IMIGRANTÓW" Anmerkung: Der Text ist auf dem dem Schriftsatz beigefügten Foto nur unvollständig zu sehen). Unterhalb des Bildes befindet sich ebenfalls polnischer Text. Auf Nachfrage eines anderen Facebook-Nutzers übersetzte der Kläger den Text auf dem Bild mit "Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme“. Die danach folgenden Kommentare weiterer Facebook-Nutzer lauten u.a.: |
|
| "Aua! Wenn das die guten Menschen aus dem hellen Deutschland mitbekommen, gibt's wieder Schimpfe…" "Ich sag mal nichts dazu! Sonst bekomme ich wieder Nachrichten mir den Inhalt "braune Suppe“..." |
|
| Das Facebook-Nutzerkonto wird unter dem Synonym "...." geführt. Im Profil des Nutzerkontos heißt es: |
|
| Arbeitet.... vorher ... Wohnt ... Verheiratet... Aus ... Geboren ... … |
|
| Auf dem Nutzerkontos befindet sich auch ein Foto, auf dem - angelehnt an einen Triebwagen der Beklagten und in Unternehmenskleidung - der Kläger abgebildet ist. Auf Grund dieser Hinweise kam die Beklagte zu dem Schluss, dass es sich um das Facebook-Nutzerkonto des Klägers handeln könnte. Dies wurde durch den Anruf des Leiters des Arbeitsgebiets des Klägers, Herrn, am 23.09.2015 zur Gewissheit. Am 23.9.2015 wurde der Kläger von Herrn M telefonisch aufgefordert, zu dem Sachverhalt eine Stellungnahme bis zum 28.9.2015 abzugeben. Der Kläger bat um Verlängerung der Frist bis 30.9.2015, da er sich erst noch rechtlich beraten müsse. Der Kläger löschte das Foto am 23.09.2015 von seinem Nutzerkonto. In der am 30.9.2015 bei der Beklagten eingegangenen Stellungnahme (Anl. 3 Aktenblatt 16) schrieb der Kläger: |
|
| "…Diesbezüglich möchte ich mich für diese unüberlegte und dumme Tat vom Herzen entschuldigen und es tut mir sehr leid!!! Mir war es leider nicht klar was ich mit dieser blöden Aktion anrichte. Da ich als gebürtiger Pole nicht diesen Bezug zum Thema Auschwitz habe und ich den Text der auf Polnisch auf dem Foto stand „amüsant“ fand, habe ich das Foto ohne zu überlegen und mit großem Leichtsinn geteilt. Ich habe dieses Foto natürlich sofort nach dem Anruf von meiner Facebook Seite entfernt. Ich werde solche geschmacklosen Sachen, Bilder nie wieder weiterleiten!!
Bitte entschuldigen Sie nochmals diese dumme, leichtsinnige Tat!!!!" |
|
| Das fragliche Bild war ursprünglich auf der polnischen Satire- und Witzeseite "Chamsko.pl" veröffentlicht und auf Facebook verbreitet worden. Diesen Beitrag hatte der Kläger geteilt. Laut eigener Beschreibung der Seite Chamsko.pl handelt es sich um einen Onlinedienst "mit derben Bildern, Witzen und allem, was derb ist! Die tägliche Dosis Derbheit". |
|
| Mit Anhörungsschreiben vom 01.10.2015 (Anl. 6 Aktenblatt 19) hörte die Beklagte ihren Betriebsrat zu einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers an. Der Betriebsrat ließ hinsichtlich beider Kündigungen die Stellungnahmefrist verstreichen. Mit Schreiben vom 06.10.2015 bzw. 09.10.2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos bzw. hilfsweise ordentlich zum 31.3.2015. |
|
| Der Kläger macht geltend, dass ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nicht vorliege. Es sei nicht mitgeteilt worden, welche vertraglichen Pflichten der Kläger mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten verletzt haben soll. Der Kläger habe in einem privaten sozialen Netzwerk unter Pseudonym den Beitrag einer Internetseite geteilt. Dabei sei er nicht als Vertreter der Beklagten in der Öffentlichkeit aufgetreten. Das Verhalten habe keinen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit. Die Eignung, den Betriebsfrieden zu gefährden, reiche nicht aus. Bei außerdienstlichen Äußerungen sei insbesondere das Grundrecht der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG hinreichend zu beachten. |
|
| Bei mehrdeutigen Äußerungen müsse eine ebenfalls mögliche Deutung mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden. Für den Kläger stelle sich das Facebook-Posting als Satire dar bzw. sei ein Ausdruck schwarzen Humors. Man könne das Bild nämlich auch als eine Beschreibung dahingehend verstehen, dass Polen, d.h. entweder der polnischen Regierung oder der polnischen Bevölkerung, unterstellt werde, dass sie die Flüchtlinge in einer mit Auschwitz vergleichbaren Weise willkommen heiße. Damit ergebe sich die Aussage, dass Polen Flüchtlinge gerade nicht willkommen heiße, sondern ihre Aufnahme ablehne. Damit werde auf überspitzte Art Kritik geübt und es solle durch die Verbindung von zwei Gegensätzen ein Lacheffekt erzielt werden. Für den Kläger sei sofort erkennbar gewesen, dass das Posting als Scherz gemeint gewesen sei und nicht als Forderung. Er spreche sehr gut Polnisch und verfolge auch noch die polnische Politik. Der Beitrag sei außerdem in dem Kontext veröffentlicht worden, dass Polen sich zu diesem Zeitpunkt weigerte, bei der Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas teilzunehmen. Der Beitrag stelle sich daher als eine ironische Zuspitzung der Politik der polnischen Regierung dar. |
|
| Die Beklagte habe trotz Anhörung des Klägers die zweite Auslegung nicht als möglich herangezogen. Durch Google-Recherche hätte sie ermitteln können, dass der Beitrag von einer polnischen Witzseite stamme. Die Beklagte hätte alle möglichen Deutungen mit überzeugenden Gründen ausschließen müssen. Auch eine polemische oder verletzende Formulierung entziehe einer Äußerung noch nicht den Schutz der Meinungsfreiheit, ebenso wenig eine satirische. |
|
| Der Kläger vertrete auch nicht die von der Beklagten behauptete Auffassung, Flüchtlinge solle das gleiche Schicksal ereilen, wie den Opfern des Nationalsozialismus im Konzentrationslager Auschwitz. Dies zeige sich an seiner Reaktion, dieses Posting sofort zu entfernen und sich schriftlich zu entschuldigen. Bei oberflächlicher Betrachtung habe er zunächst nur die satirische Komponente des Beitrags erkannt. Er sei nicht auf die Idee gekommen, dass man ihm rassistische Äußerungen unterstellen würde, da er sich vielmehr für Menschen ausländischer Herkunft eingesetzt habe und einsetze. Insofern ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger in der Vergangenheit einen Arbeitskollegen seiner Ehefrau bei der Versendung von Gebrauchsgütern nach Ghana unterstützt hat und er in einer Punkband spielt, die im Jahr ... auf der Veranstaltung "... gegen Rechts“ gespielt hat. Unstreitig ist außerdem, dass der Kläger im Arbeitsumfeld vorher zu keinem Zeitpunkt rassistische oder fremdenfeindliche Äußerungen getätigt hat. Die Zukunftsprognose falle daher zu seinen Gunsten aus, es bestehe keine Wiederholungsgefahr. Seit 1997 sei das Arbeitsverhältnis beanstandungslos verlaufen. |
|
| Die Beklagte habe außerdem die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Mit dem Teilen des Postings sei die Handlung abgeschlossen gewesen, es läge kein Dauertatbestand vor. Die Anhörung des Klägers sei auch rein pro forma erfolgt. Vor der Anhörung des Klägers habe die Entscheidung zur Kündigung bereits festgestanden. |
|
| Der Kläger ist außerdem der Auffassung, dass die Anhörung des Betriebsrats fehlerhaft sei. Die Beklagte hätte u.a. deutlicher mitteilen müssen, dass es sich um außerdienstliches Verhalten handele. Darüber hinaus hätte sie dem Betriebsrat mitteilen müssen, dass man das Bild auch als Satire verstehen könne und dass der Kläger im Betrieb niemals rechtsradikal oder fremdenfeindlich aufgefallen sei. |
|
| Der Kläger beantragt zuletzt: |
|
| |
---|
1. | | Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 6.10.2015 nicht aufgelöst wird. |
|
| |
---|
2. | | Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 9.10.2015 enden wird. |
|
|
|
| |
| Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass der Kläger mit dem Bild eine Parallele zur nationalsozialistischen Propaganda ziehe und die Auffassung vertrete, dass die Flüchtlinge das gleiche Schicksal ereilen sollten, wie die Opfer des Nationalsozialismus, die im Konzentrationslager Auschwitz gestorben seien. Solche rassistischen und menschenverachtenden Äußerungen seien nicht hinnehmbar und stellten eine schwere Pflichtverletzung dar, die geeignet sei, den Betriebsfrieden zu gefährden. Der Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB sei erfüllt. Das Bildmaterial, das sich einmal auf Facebook befinde, lasse sich nicht einfach löschen, da alle Facebook-Freunde des Klägers (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung unstreitig 445 Freunde) und je nach Privatsphäre-Einstellungen weitere Facebook-Nutzer den "Post" sehen könnten. Durch Klicken des "Gefällt mir"- Buttons und durch Kommentare weiterer Nutzer bzw. durch Teilen des Beitrages könne sich damit der "Post" virtuell unkontrolliert weiter verbreiten. |
|
| Der seit vielen Jahren in Deutschland lebende und arbeitende Kläger könne sich nicht auf Unwissenheit berufen und dass er keinen Bezug zu Auschwitz habe. In der Schule lerne jedes Kind - egal in welchem Land - über den Nationalsozialismus und die Deportationen. Die Äußerung des Klägers, dass er das Foto amüsant finde, lasse Zweifel aufkommen, ob der Kläger sich von rassistischen Äußerungen zukünftig distanzieren werde. Derartige rassistische Einträge seien auch unternehmensschädigend. Die D zeige aktuell großes Engagement in der Flüchtlingsfrage. Insbesondere würden Züge für die Beförderung von Flüchtlingen unter anderem von Österreich nach Deutschland eingesetzt. Der Hauptbahnhof M gelte als Drehscheibe für ankommende Flüchtlinge aus den Grenzgebieten. Auch engagiere sich die D bei der Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften, statte Willkommensklassen mit Vorlesekoffern aus etc. |
|
| Die Zweiwochenfrist sei gewahrt. Bei den Einträgen handele es sich um einen Dauertatbestand. Da der Kläger in seiner Stellungnahme vom 29. September angebe, dass er die Einträge am 23.9.2015 auf seiner Facebook Seite gelöscht habe, habe der Dauertatbestand bis zum 23.9.2015 angedauert. Darüber hinaus habe der Kläger um Fristverlängerung für die Abgabe einer Stellungnahme gebeten. Erst nach Eingang der Stellungnahme sei eine abschließende Beurteilung des Sachverhalts möglich gewesen. |
|
| Dadurch, dass der Kläger das Bild auf seinem Profil gepostet, also mit anderen Facebook- Nutzern geteilt habe, habe er es einer breiteren Öffentlichkeit, vor allem Deutsch sprechenden Nutzern, zugänglich gemacht. Der Vortrag des Klägers, er sei ein Kritiker der polnischen Regierung, erscheint der Beklagten sehr weit hergeholt. Dritte hätten dem "Post" nicht entnehmen können, dass es sich hierbei um Satire handele. Im Rahmen seiner Übersetzung habe der Kläger gerade nicht kenntlich gemacht, dass er das Bild als satirische Äußerung ansehe. Der Kontext sei eindeutig rassistisch, was sich insbesondere an dem Kommentar des Facebook-Nutzers Me (“Die Übersetzung steht auf dem Schild in Deutsch“) zeige. Wäre es dem Kläger darauf angekommen sich hiervon zu distanzieren, hätte er die polnische Aussage nicht einfach übersetzen dürfen, sondern hätte den – angeblich – satirischen Gehalt des Bildes deutlich machen müssen. Zwei weitere Facebook-Nutzer hätten den "Post" ebenfalls nicht als Kritik an der polnischen Regierung aufgefasst. Dies betreffe den Kommentar von Frau K und Herrn S . Bei Herrn Me und Frau K handele es sich ebenfalls um Mitarbeiter der Beklagten. |
|
| Das gesamte Betriebsratsgremium, bestehend aus 15 Mitgliedern, sehe in dem vom Kläger verwendeten Post eine rassistische und menschenverachtende Äußerung. Aufgrund dessen habe der Betriebsrat einen offenen Brief vom 21.10.2015 an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Beklagten gerichtet. Darin distanziere sich das Betriebsratsgremium von allen rassistischen Vorfällen jeglicher Art und stelle klar, dass der Betriebsrat alles unternehmen werde, um diese im Keim zu ersticken. |
|
| Auch in der Konzernbetriebsvereinbarung "Für Gleichbehandlung und kollegiales Miteinander – Gegen Fremdenfeindlichkeit und antidemokratische Tendenzen“ vom 20.9.2000 werde klargestellt, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Widerspruch zu den Konzerngrundsätzen stünden. Beschäftigte, die sich rassistisch oder fremdenfeindlich äußerten, hätten danach neben strafrechtlichen auch mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. |
|
| Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen |
|