Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin beginnend mit dem 1. September 2016 über den Betrag von € 2.864,47 brutto (zusammengesetzt aus € 399,60 und € 2.464,87) hinaus jeweils zum Ersten eines Monats € 155,26 brutto zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 869,48 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab dem Tag nach Rechtskraft der Entscheidung zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits – bezogen auf einen Gebührenstreitwert in Höhe von € 5.589,36 – trägt die Beklagte.

5. Der Urteilsstreitwert – maßgeblich für den Wert der Beschwer – wird festgesetzt auf € 7.390,40.

6. Die Berufung wird für die Beklagte unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Höhe der Anpassung klägerischer Betriebsrentenbezüge.

2

Der verstorbene Ehepartner der klagenden Partei war bei einem Unternehmen des B.-Konzerns, zuletzt in Hamburg, beschäftigt, dessen Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Die klagende Partei bezieht seit dem 01.04.2015 eine betriebliche Hinterbliebenenrente, die jeweils am Monatsersten im Voraus für den laufenden Monat gezahlt wird.

3

Die betriebliche Altersversorgung der klagenden Partei beruht auf Gesamtbetriebsvereinbarungen, den „Bestimmungen des betrieblichen Versorgungswerkes“ (BVW) nebst Ausführungsbestimmungen in der Fassung vom 19.04.2002 (Anlage K 1, Bl. 11 – 22 d. A.). Danach werden Gesamtversorgungsbezüge gewährt, die sich unter Berücksichtigung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus Leistungen einer Versorgungskasse (genannt: „V1-Rente“) - jeweils gesteigert um die nach dem Geschäftsplan der Kasse gutzuschreibenden Überschussanteile – und einer Pensionsergänzung (genannt: „V2-Rente“) zusammensetzen.

4

Zur Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge trifft § 6 der Ausführungsbestimmungen zu den BVW unter der Überschrift„Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse“ unter anderem folgende Regelungen:

5

„1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (Der § 49 AVG ist durch Artikel 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.92 in Kraft getreten).

6

2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

7

3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll. Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1 ...

8

Bis einschließlich 2014 folgten die beklagtenseitig vorgenommenen Rentenanpassungen der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung. Deren zum 01.07.2015 und zum 01.07.2016 erfolgten Erhöhungen um 2,0972 und um 4,24512 % wurden jedoch nicht nachvollzogen. Die Beklagte beschloss vielmehr jeweils auf Vorschlag ihres Vorstandes – gegen das Votum diesbezüglich unterrichteter Betriebsräte – eine Rentenerhöhung um jeweils nur 0,5 %. Die Versorgungsbezüge der klagenden Partei gestalteten sich daraufhin wie folgt:

9

Juni 2015

Juli 2015 – Juni 2016

Seit Juli 2016

Gesetzliche Rente

Gesetzliche Rente

Gesetzliche Rente

V2-Rente:

€ 2439,69



€ 2452,61



€ 2464,87

V1-Rente

€ 397,57



€ 397,57



€ 399,60

10

Sie ist der Auffassung, dass eine Anpassung ihrer Gesamtversorgungsbezüge entsprechend der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung hätte erfolgen müssen. Sie errechnet hieraus einen monatlichen Differenzbetrag in Höhe von € 46,58 brutto für den Zeitraum 01.07.2015 bis 30.06.2016 und in Höhe von € 155,26 brutto für die Zeit ab dem 01.07.2016. Hieraus ergibt sich für die Zeit vom 01.07.2015 bis 31.08.2016 nach ihrer Berechnung eine Differenz von € 869,48 brutto.

11

Die klagende Partei trägt vor:

12

Der von ihr geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus § 6 Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen der BVW. Auf § 6 Abs. 3 könne sich die Beklagte aus mehreren Gründen nicht stützen: Diese Regelung sei unwirksam, weil völlig unklar und unangemessen bzw. unverhältnismäßig. Die Unwirksamkeit ergebe sich auch aus einem unzulässigen Verzicht des Gesamtbetriebsrats auf sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Denn nach § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen der BVW werde dem Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten die Möglichkeit gegeben, einseitig zu entscheiden, „was“ geschehen solle, also auch gegebenenfalls die Verteilungsgrundsätze zu ändern.

13

Außerdem sei zu bestreiten, dass die mitgeteilten Beschlüsse formell ordnungsgemäß gefasst worden seien und inhaltlich die durchgeführten Anpassungen zum Gegenstand gehabt hätten. Jedenfalls sei die mitgeteilte Anpassungsentscheidung für 2015 nach dem 01.07.2015 und damit verspätet getroffen worden. Damit habe die Beklagte unzulässig rückwirkend in bereits erworbene Rechte der Rentenbezieher eingegriffen.

14

Selbst ausgehend von der Wirksamkeit des § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen der BVW und der getroffenen Anpassungsentscheidungen bestehe ein Anspruch auf Anpassung der Gesamtversorgung entsprechend der gesetzlichen Rente. Denn § 6 Abs. 3 sei allenfalls dahin zu verstehen, dass eine abweichende Anpassungsentscheidung als absoluter Ausnahmefall nur getroffen werden dürfe, wenn die wirtschaftliche Lage der Beklagten eine andere Entscheidung nicht zulasse. Hierfür fehlten jedoch angesichts öffentlich mitgeteilter Gewinne der Beklagten jegliche Anhaltspunkte. Zudem sei eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der Rentenbezieher unterblieben.

15

Schließlich ergebe sich der geltend gemachte Anspruch auch aus betrieblicher Übung.

16

Die klagende Partei beantragt,

17

1. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei beginnend mit dem 01.09.2016 über den Betrag von € 2864,47 (der sich aus € 399,60 und € 2464,87 zusammensetzt) hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von € 155,26 brutto zu zahlen;

18

2. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von € 869,48 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von € 46,58 seit dem 01.07.2015, auf € 46,58 seit dem 01.08.2015, auf € 46,58 seit dem 01.09.2015, auf € 46,58 seit dem 01.10.2015, auf € 46,58 seit dem 01.11.2015, auf € 46,58 seit dem 01.12.2015, auf € 46,58 seit dem 01.01.2016, auf € 46,58 seit dem 01.02.2016, auf € 46,58 seit dem 01.03.2016, auf € 46,58 seit dem 01.04.2016, auf € 46,58 seit dem 01.05.2016, auf € 46,58 seit dem 01.06.2016, auf € 155,26 seit dem 01.07.2016 und auf € 155,26 seit dem 01.08.2016 zu zahlen.

19

Die Beklagte beantragt,

20

die Klage abzuweisen.

21

Die Beklagte trägt vor:

22

Weitergehende als die erfolgten Rentenanpassungen könne die klagende Partei nicht verlangen.

23

Sie, die Beklagte, habe die Anpassungsentscheidungen wirksam entsprechend § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen der BVW getroffen. Diese Regelung sei weder unklar noch unter betriebsverfassungsrechtlichen Aspekten unwirksam. Sie sei, entsprechend dem verwendeten Begriff „vertretbar“ (= berechtigt“, „legitim“), dahingehend auszulegen, dass eine an den Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu messende Anpassungsentscheidung nach billigem Ermessen zu treffen sei. Für diese allein aus dem aktiven Dienst ausgeschiedenen Ruhegeldempfänger betreffende Entscheidung bestehe kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, zudem seien die maßgeblichen Anpassungsregelungen durch Betriebsvereinbarung und damit mitbestimmt getroffen worden, ebenso wie die Entscheidung für eine gleichmäßige Verteilung einer etwaigen Anpassung auf alle Betriebsrentner.

24

Die getroffenen Anpassungsentscheidungen entsprächen auch billigem Ermessen. So bestehe ein schwieriges ökonomisches Umfeld durch langanhaltende Niedrigzinsen, demografische Trends und kulturelle Umbrüche (z. B. Digitalisierung, Langlebigkeitsrisiko). Es sei ein sich abschwächendes Wachstum im Versicherungsmarkt zu verzeichnen. Sie, die Beklagte, unterliege steigenden Anforderungen im Bereich der Regulierung und im Bereich der Kundenanforderungen. Schließlich gebe es massive Umstrukturierungen im Branchenumfeld. Diese Rahmenbedingungen hätten den Konzern zu einer neuen Strategie (S.-Konzept) veranlasst, in deren Umsetzung u. a. Personalkosten durch Stellenstreichungen eingespart werden sollten. Aufgrund dessen müssten aktive Mitarbeiter einen erheblichen Beitrag zur Stärkung des Konzerns leisten. Dementsprechend sei es angemessen, hieran auch die Rentner zu beteiligen. Im Übrigen erhielten Rentner anderer Versorgungssysteme eine deutlich niedrigere Anpassung. Das auf die BVW gestützte Versorgungsniveau sei bereits überdurchschnittlich hoch. Der Höhe nach hätten sich die Anpassungen am Verbraucherpreisindex und damit an der Anpassung für Betriebsrentner in anderen Versorgungswerken im Konzern orientiert. Auf ihre konkrete aktuelle wirtschaftliche Lage komme es nicht an.

25

Für den weiteren Vortrag der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I

26

Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, auch liegen die Voraussetzungen zur Geltendmachung künftiger wiederkehrender Leistungen gemäß § 258 ZPO vor.

II

27

Die zulässige Klage ist auch begründet.

28

1. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch folgt dem Grunde nach aus § 6 der Ausführungsbestimmungen zu den BVW. Nach § 6 Abs. 1 werden die Gesamtversorgungsbezüge jeweils entsprechend der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst, und zwar gemäß § 6 Abs. 2 zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

29

Auf § 6 Abs. 3 kann sich die Beklagte für ihre abweichenden Anpassungsentscheidungen nicht berufen. Dies folgt zwar nicht bereits – wie klägerseitig angenommen – aus der Unwirksamkeit dieser Bestimmung (a), aus einer verspätet getroffenen Anpassungsentscheidung (b) oder betrieblicher Übung (c), allerdings daraus, dass die Beklagte keine billigem Ermessen entsprechende Anpassungsentscheidung getroffen hat (d, e).

30

a) § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen ist nicht unwirksam.

31

aa) Die Regelung ist insbesondere nicht wegen Unbestimmtheit und Unverhältnismäßigkeit unwirksam. Sie ist dahingehend auszulegen, dass sie ein Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten konstituiert, das gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Vorgaben der Gesamtsystematik und insbesondere von § 6 Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen der BVW auszuüben ist.

32

Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und den durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl. BAG, 27.07.2010, 1 AZR 874/08).

33

Dies zugrunde gelegt ist vorliegend festzustellen, dass § 6 der Ausführungsbestimmungen nach seiner Überschrift eine Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse bezweckt, und dass die Anpassungsregelungen in § 6 Abs. 1, Abs. 2 und § 6 Abs. 3 nach Wortlaut und Systematik in einem Regel-Ausnahmeverhältnis zueinander stehen. Daraus folgt zweierlei: Zum einen ergibt sich hieraus eine beabsichtigte Anpassungsautomatik für den Regelfall. Zum anderen ergibt sich die zugrunde gelegte Wertung, dass die maßgeblichen Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse typischerweise durch die Rentenentwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung angemessen widergespiegelt werden.

34

Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass eine abweichende Entscheidung nach § 6 Abs. 3 nur im Ausnahmefall erfolgen darf, und sich die nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidungen,ob abgewichen wird und wie abgewichen wird, daran zu orientieren haben, in welchem Verhältnis die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers, bzw. die Lohnentwicklung seiner aktiv Beschäftigten zur „Normalentwicklung“, gespiegelt durch die Rentenentwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung, stehen. Nur wenn dies berücksichtigt ist, entsprechen vom Regelfall abweichende Entscheidungen billigem Ermessen im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB. So ausgelegt ist § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen hinreichend bestimmt und nicht unverhältnismäßig.

35

bb) § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen zu den BVW ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 87 Abs. 1 Nr. 8, 10 BetrVG unwirksam.

36

Dies folgt schon daraus, dass der Betriebsrat nur die aktive Belegschaft vertritt und für Maßnahmen in Bezug auf Betriebsrenten nicht zuständig ist (vgl. BAG, 16.03.1956, GS 1/55; 18.05.1977, 3 ZR 371/76). Zudem ist nach Gesamtzusammenhang und Systematik der BVW und ihrer Ausführungsbestimmungen unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Auslegungsüberlegungen nicht ersichtlich, dass dem Arbeitgeber ein von den mitbestimmt festgelegten Verteilungsgrundsätzen abweichendes Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt wäre, mag dieses auch missverständlich so formuliert worden sein.

37

b) Der Beklagten ist es auch nicht verwehrt, sich wegen des Zeitpunktes ihrer Beschlussfassung zur Rentenanpassung 2015 auf § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen zu den BVW zu berufen. Denn diese Regelung enthält keine Bestimmung bezüglich des Zeitpunktes, in dem eine von § 6 Abs. 1 abweichende Entscheidung getroffen sein muss. Aus § 6 Abs. 2 lässt sich kein entsprechendes Zeitregime ableiten, weil darin nur der Wirksamkeitszeitpunkt einer etwaigen Anpassung festgelegt ist. Insofern wird – solange eine Regelanpassung nicht bereits erfolgt ist – auch nicht rückwirkend in bereits erworbene Ansprüche oder diesbezüglich begründetes Vertrauen in zu beanstandender Weise eingegriffen.

38

c) Auch eine betriebliche Übung steht der Berufung auf § 6 Abs. 3 nicht entgegen. Insoweit weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass nicht allein mangels bisheriger Anwendung des Ausnahmetatbestandes davon ausgegangen werden kann, die Beklagte habe auf das ihr eingeräumte Abweichungsrecht verzichten wollen. Diesbezügliche sonstige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich.

39

d) Gleichwohl deckt § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen zu den BVW die hier getroffenen Anpassungsentscheidungen nicht. Denn selbst eine formal ordnungsgemäße Beschlussfassung unterstellt ist nicht ersichtlich, dass diese billigem Ermessen im oben (zu a) dargestellten Sinne entsprächen.

40

Denn die Beklagte hat – von ihrem Standpunkt aus konsequent – keine quantifizierbaren Umstände vorgetragen, aus denen sich ihre wirtschaftliche Lage/Leistungsfähigkeit, bzw. die Lohnentwicklung ihrer aktiven Beschäftigten im Verhältnis zur in der Rentenentwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung gespiegelten „Normalsituation“ ableiten ließe.

41

Wie bereits durch Urteil der Kammer 24 des Arbeitsgerichts Hamburg vom 05.10.2016 (24 Ca 83/16) ausgeführt, kann mangels belastbaren Zahlenmaterials weder festgestellt werden, welcher Aussagewert den von der Beklagten herangezogenen Kriterien in wirtschaftlicher Hinsicht zukommt, noch ist deren Gewichtung zu ermitteln. Dass und warum die wirtschaftliche Lage ausgerechnet eine Anpassung um 0,5 %, nicht mehr und nicht weniger, gebietet und damit weniger als 25 % der planmäßigen Regelanpassung ausmacht, ist nicht nachvollziehbar durch veränderte wirtschaftliche Verhältnisse auf Arbeitgeberseite begründet und daher unbillig.

42

Erst recht ist nicht ersichtlich, dass und warum es der Billigkeit entsprechen soll, dass die Beklagte von der durch § 6 Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen zu den BVW vorgegebenen Anpassungsstruktur abweicht, indem sie eine Erhöhung nur der V2-Rente, nicht aber der Gesamtversorgung vornimmt.

43

Eine Orientierung am Inflationsausgleich zum Zweck einer angestrebten Harmonisierung der Versorgungsleistungen im Konzern ist in diesem Zusammenhang kein im Kontext des § 6 angelegtes und damit zu berücksichtigendes Argument. Das hohe Versorgungsniveau der den BVW unterfallenden Betriebsrentner ist dem Versorgungswerk immanent und daher gewollt.

44

e) Da die Anpassungsentscheidungen der Beklagten unbillig sind, ist die Höhe der von der klagenden Partei zu beanspruchenden Rentenanpassungen gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch das Gericht zu bestimmen.

45

Mangels belastbaren Zahlenmaterials und sonstiger quantifizierbarer Anhaltspunkte für eine eigene gerichtliche Leistungsbestimmung kann insoweit keine Abweichung von der Regelanpassung nach § 6 Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen zu dem BVW erfolgen. Daher ist die gerichtliche Bestimmung auf 100 % der Erhöhungen in der gesetzlichen Rentenversicherung vorzunehmen, und zwar jeweils bezogen auf die Gesamtversorgungsbezüge.

46

2. Die sich hieraus ergebenden Zahlungsbeträge hat die klagende Partei zutreffend berechnet.

47

Die diesbezüglich geltend gemachten Zinsansprüche unterlagen allerdings teilweise der Klagabweisung. Leistungen, die – wie hier – nach billigem Ermessen zu bestimmen sind, werden bei gerichtlicher Bestimmung erst aufgrund eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils fällig (BAG, 10.12.2013, 3 AZR 595/12). Der klagenden Partei stehen Verzugszinsen daher erst ab dem Tag nach Rechtskraft der Entscheidung zu.

III

48

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Danach hat, trotz teilweiser Klageabweisung, die Beklagte die Kosten des Rechtsstreites allein zu tragen, weil die Zuvielforderung der klagenden Partei insgesamt geringfügig ist und keine höheren Kosten veranlasst hat. Die Kosten sind bezogen auf den gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 GKG festgesetzten Gebührenstreitwert zu tragen, der sich auf das 36-fache der geltend gemachten monatlichen Rentendifferenz beläuft.

49

Der Rechtsmittelstreitwert wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG unter Berücksichtigung von § 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO in Höhe der 42-fachen monatlichen Klageforderung zuzüglich der für die Vergangenheit bezifferten Beträge im Urteil festgesetzt.

50

Eine gesonderte Zulassung der Berufung unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes hatte gemäß § 64 Abs. 3 a ArbGG für die Beklagte zu erfolgen, weil die Auslegung von § 6 der Ausführungsbestimmungen der BVW eine Vielzahl von Parallelverfahren betrifft und damit grundsätzliche Bedeutung hat. Für die klagende Partei war demgegenüber mangels vorliegender Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG eine gesonderte Zulassung der Berufung nicht veranlasst.

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(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest. (2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen

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Arbeitsgericht Hamburg Urteil, 13. Juli 2017 - 15 Ca 157/17 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

Bei wiederkehrenden Leistungen kann auch wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden.

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21. August 2008 - 17 Sa 1554/06 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Gehaltserhöhung und ein höheres Weihnachtsgeld.

2

Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der beiden Betriebskrankenkassen Aktiv (BKK Aktiv) und Opel (BKK Opel), die sich zum 1. Januar 2004 zur BKK Aktiv zusammenschlossen.

3

Der Kläger wurde im Jahr 1982 von der Adam Opel AG in deren Werk Bochum eingestellt. Mit Wirkung zum 1. Januar 1996 übernahm die BKK Opel die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer der Adam Opel AG, zu denen auch der Kläger gehörte. Am 29. Mai 1995 schlossen die Adam Opel AG, der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat und die BKK Opel eine Betriebsvereinbarung zum „Übergang der Personalhoheit BKK“ (BV 225), die auszugsweise lautet:

       

I       

Geltungsbereich            

                 

Diese Vereinbarung gilt sachlich für die Betriebskrankenkasse der Adam Opel AG, räumlich für deren Geschäftsstellen in ... Bochum ... und persönlich für alle Beschäftigten der Betriebskrankenkasse der Adam Opel AG, die am 01.01.1995 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Adam Opel AG standen.

        

II       

Regelungsgegenstand            

                 

Mit Wirkung zum 01.01.1996 wird die Personalhoheit bezüglich sämtlicher Beschäftigter der BKK, die am 01.01.1995 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Adam Opel AG standen, von dieser auf die BKK übertragen.

        

III      

Auswirkungen für die Beschäftigten            

        

1)    

Die Beschäftigten werden von der BKK unbefristet weiterhin wie Opel-Mitarbeiter behandelt, wobei die jeweils geltenden Konditionen am jeweiligen Standort der Adam Opel AG maßgeblich sind.

                 

…“    

4

Bei der Adam Opel AG galt seit dem 1. Juli 2002 eine Betriebsvereinbarung „Weihnachtsgratifikation“ vom 5. Juli 2002 (BV 2002/0082/A). Nach deren Nr. 1 Abs. 4 sollten Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 2003 bzw. 2004 eingetreten waren, im Jahr 2005 eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 130 % eines regelmäßigen Monatseinkommens erhalten. Am 17. März 2005 vereinbarte die Adam Opel AG mit ihrem Gesamtbetriebsrat eine „Betriebsvereinbarung Zukunftsvertrag 2010“ (BV 2005/0130/A). Diese sah ua. vor, dass abweichend von der BV 2002/0082/A für den Standort Bochum im Jahr 2005 eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 85 % des regelmäßigen Monatseinkommens gewährt wird.

5

Die BKK Opel schloss mit dem bei ihr gebildeten Gesamtpersonalrat am 19. Juli 2002 zur Umsetzung der Tarifrunde für das Jahr 2002 eine Dienstvereinbarung Nr. 8 (DV Nr. 8), die auszugsweise lautet:

       

„1.     

Umsetzung der Tarifrunde 2002 für Mitarbeiter, die unter die Betriebsvereinbarung 225 (BV 225) der Adam Opel AG fallen:

                 

Über die Verweisung in der BV 225 gelten die Arbeitsbedingungen der Adam Opel AG für tarifliche und außertarifliche Mitarbeiter entsprechend. Dies gilt auch für die Umsetzung der Tarifrunde 2002.

        

1.1     

Die einzelnen Ergebnisse der Tarifvertragsparteien aus der Tarifrunde 2002 an den einzelnen Standorten werden entsprechend der zwischen den betrieblichen Partnern der Adam Opel AG abgeschlossenen Betriebsvereinbarung zur Umsetzung der Tarifrunde 2002 umgesetzt.

                 

Dies schließt ein, dass die tariflich vereinbarten ERA Struktur-Komponenten in den Jahren 2002 und 2003 nicht ausgezahlt werden.

                 

In den Jahren 2004 und 2005 wird eine Sonderzahlung nach Maßgabe der betrieblichen Regelung bei der Adam Opel gezahlt.

        

…       

        
        

3.    

Die Adam Opel AG hat eine Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung (2002/0084/A) vom 5.7.2002 mit Folgevereinbarungen zur Behandlung von Dienstjubiläen und der Weihnachtsgratifikationen für die Jahre 2002 bis 2005 abgeschlossen. Diese Dienstvereinbarung gilt für die Mitarbeiter, die unter die BV 225 fallen entsprechend, soweit die Regelungen anwendbar sind.

                 

Für Mitarbeiter, die nicht unter die BV 225 fallen, wird die Regelung über die Zahlung der Weihnachtsgratifikationen entsprechend angewandt. ...“

6

Der Kläger erhielt für das Jahr 2005 eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 85 % seines regelmäßigen Monatseinkommens.

7

Die BKK Aktiv erhöhte zum 1. Oktober 2005 die Gehälter der AT-Angestellten um 1,5 %. Von dieser Maßnahme nahm sie die acht AT-Angestellten aus, die - wie der Kläger - unter den Geltungsbereich der BV 225 fielen. Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt dieser Mitarbeiter belief sich im September 2005 auf 6.675,00 Euro, während das der anderen AT-Angestellten bei 5.640,00 Euro lag.

8

Mit Schreiben vom 12. Januar 2006 machte der seit Juni 2004 wegen seiner Aufgaben als Vorsitzender des Gesamtpersonalrats von der Arbeit freigestellte Kläger erfolglos die Gehaltserhöhung ab dem 1. Oktober 2005 sowie eine Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2005 iHv. 130 % geltend.

9

Der Kläger hat gemeint, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die unter die BV 225 fallenden AT-Angestellten von der im Oktober 2005 erfolgten Entgelterhöhung auszunehmen. Der Anspruch auf die höhere Weihnachtsgratifikation ergebe sich aus der DV Nr. 8, nach der die Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Bemessungssatzes von 130 % des regelmäßigen Monatseinkommens zu zahlen sei.

10

Der Kläger, der nach einem vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Teilvergleich jedenfalls am 1. Oktober 2005 bei der BKK Aktiv als AT-Angestellter beschäftigt war und seinen Anspruch auf die Gehaltserhöhung erst ab 1. August 2006 verfolgt, hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.804,72 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. April 2006 zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 1. August 2006 über das gezahlte Gehalt in Höhe von 6.021,00 Euro brutto hinaus monatlich weitere 91,00 Euro brutto zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Gruppenbildung bei der Entgelterhöhung für gerechtfertigt gehalten, weil sie mit dieser beabsichtigt habe, das unterschiedliche Vergütungsniveau zwischen den AT-Angestellten auszugleichen. Ein Anspruch auf eine höhere Weihnachtsgratifikation bestehe ebenfalls nicht. Die Höhe der Weihnachtsgratifikation in der DV Nr. 8 richte sich nach den bei der Adam Opel AG geltenden Regelungen und betrage für den am Standort Bochum beschäftigten Kläger 85 % seines regelmäßigen Monatseinkommens.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Die Beklagte ist weder zur Erhöhung der laufenden Bezüge des Klägers noch zur Zahlung eines weiteren Betrags als Weihnachtsgratifikation verpflichtet.

14

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Gehaltserhöhung aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

15

1. a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (BAG 15. April 2008 - 1 AZR 65/07 - Rn. 17, BAGE 126, 237). Im Bereich der Arbeitsvergütung ist der Gleichbehandlungsgrundsatz trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt (BAG 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - Rn. 19 mwN, BAGE 122, 1).

16

b) Dem Arbeitgeber ist es danach verwehrt, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen aus unsachlichen Gründen von einer Erhöhung der Arbeitsentgelte auszuschließen. Eine sachfremde Benachteiligung liegt nicht vor, wenn nach dem Leistungszweck Gründe bestehen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, diesen Arbeitnehmern die den anderen gewährte Entgelterhöhung vorzuenthalten. Die Gründe müssen auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen und dürfen nicht gegen höherrangige Wertentscheidungen verstoßen. Die Gruppenbildung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Unterscheidung einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist. Die Zweckbestimmung ergibt sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Entgelterhöhung abhängig gemacht wird. Die unterschiedliche Leistungsgewährung muss stets im Sinne materieller Gerechtigkeit sachgerecht sein (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 15 f. mwN, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 211).

17

Bestehen in einem Betrieb oder Unternehmen unterschiedlich hohe Vergütungen, rechtfertigt dies für sich allein genommen nicht die Angleichung der Vergütungsdifferenzen. Vielmehr kommt es auf die Gründe für die unterschiedlichen Vergütungen an und welche materielle Rechtfertigung den Vergütungsunterschieden (noch) zugrunde liegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei einer Entgelterhöhung eine Differenzierung zwischen der bisherigen Belegschaft und den übernommenen Arbeitnehmern zulässig, sofern diese zur Reduzierung der Vergütungsunterschiede zwischen der Stammbelegschaft und den durch § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB begünstigten Arbeitnehmern führt. Die Herstellung einheitlicher Arbeitsbedingungen durch den Ausgleich von Nachteilen und die Angleichung an die Bedingungen der übernommenen Belegschaft rechtfertigt eine differenzierte Behandlung der verschiedenen Gruppen (14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - Rn. 27, BAGE 122, 1). Unerheblich ist, ob der Arbeitgeber einen gänzlichen oder nur teilweisen Ausgleich vornimmt (BAG 15. Juli 2009 - 5 AZR 486/08 - Rn. 19, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 209 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 20).

18

c) Steht eine Gruppenbildung fest, hat der Arbeitgeber die Gründe für die Differenzierung offenzulegen und so substantiiert darzutun, dass die Beurteilung möglich ist, ob die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entspricht. Liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Regel auf alle Arbeitnehmer anzuwenden und diese entsprechend zu begünstigen. Der benachteiligte Arbeitnehmer hat Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 17 mwN, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 211).

19

2. Danach ist die Beklagte nicht verpflichtet, die Vergütung des Klägers ab dem 1. August 2006 um 1,5 % zu erhöhen.

20

a) Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist anwendbar. Die Beklagte hat zwei Gruppen gebildet. Die Vergütung für die AT-Angestellten, die nicht vom persönlichen Geltungsbereich der BV 225 erfasst werden, hat sie ab dem 1. Oktober 2005 um 1,5 % erhöht. Die Vergütung der unter die BV 225 fallenden AT-Angestellten hat sie hingegen unverändert gelassen.

21

b) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass Gründe bestehen, die es nach dem Leistungszweck unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, die Entgelterhöhung auf den Kreis der nicht unter die BV 225 fallenden AT-Angestellten zu beschränken.

22

aa) Mit der im Oktober 2005 erfolgten Gehaltserhöhung beabsichtigte die BKK Aktiv einen teilweisen Ausgleich der innerhalb der Gruppe der AT-Angestellten bestehenden Vergütungsdifferenzen. Dies folgt aus Art und Inhalt der von ihr gewährten Leistung sowie aus den Voraussetzungen, von deren Vorliegen sie die Entgelterhöhung abhängig gemacht hat. Begünstigt waren nur AT-Angestellte, die nicht vom persönlichen Geltungsbereich der BV 225 erfasst waren.

23

bb) Diese Gruppenbildung war sachlich gerechtfertigt.

24

Die von der BKK Aktiv gewährte Leistung war geeignet, die mit ihr verbundene Zwecksetzung zu erfüllen. Das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen der unter die BV 225 fallenden AT-Angestellten lag vor der Entgelterhöhung im Oktober 2005 bei 6.675,00 Euro, während das der anderen AT-Angestellten 5.640,00 Euro betrug. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurden diese Vergütungsdifferenzen nicht durch andere geldwerte Leistungen ausgeglichen. Die unterschiedlichen Entgelthöhen beruhten auf der Regelung in Nr. III 1 BV 225, wonach die BKK Opel die von der Adam Opel AG übernommenen Arbeitnehmer auch nach der Übernahme der Personalhoheit ohne zeitliche Begrenzung wie Opel-Mitarbeiter behandeln musste. Die darauf gestützte Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach die in der BV 225 enthaltene Verpflichtung zu den unterschiedlichen Vergütungshöhen im AT-Bereich geführt hat, lässt einen revisiblen Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von dem Kläger nicht in Zweifel gezogen. Danach ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte das Ausbleiben einer Entgelterhöhung bei der Adam Opel AG im Jahr 2005 nicht zum Anlass genommen hat, die Gehaltsanhebung um 1,5 % auf alle AT-Angestellten zu erstrecken, um damit zumindest einen Teilausgleich der bestehenden Gehaltsdifferenzen zu bewirken. Die durch die BV 225 vermittelte Absicherung der zuvor bei der Adam Opel AG beschäftigten Arbeitnehmer übertrifft den in § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmten Inhaltsschutz. Der Senat muss nicht entscheiden, ob die Vereinbarung in Nr. III 1 BV 225 gegen die Regelungssperre in § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, § 75 Abs. 5 Satz 1 BPersVG verstößt oder die Betriebsparteien überhaupt eine Vereinbarung über die Arbeitsbedingungen für die Zeit nach dem Wechsel der Arbeitnehmer zur BKK Opel treffen konnten(vgl. BAG 18. September 2002 - 1 ABR 54/01 - zu B III 2 b ee der Gründe, BAGE 102, 356). Die BKK Opel hat den in Nr. I BV 225 bezeichneten Personenkreis jedenfalls tatsächlich wie „Opel-Mitarbeiter“ behandelt und den bei ihr beschäftigten AT-Angestellten eine höhere Vergütung gewährt, als diejenige, die vergleichbare AT-Angestellte bei der BKK Aktiv erhalten haben. Diese konnte daher das unterschiedliche Leistungsniveau zum Anlass nehmen, durch die Beschränkung der Entgelterhöhung auf die nicht unter die BV 225 fallenden AT-Angestellten einen Teilausgleich herbeizuführen.

25

c) Der Beklagten ist es nicht verwehrt, sich auf die von der BKK Aktiv herangezogenen Gründe für die Gruppenbildung zu berufen.

26

Zwar hatte der Arbeitgeber nach einer früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Gründe für die Ungleichbehandlung - soweit diese nicht ohnehin aus dem Leistungszweck erkennbar waren - spätestens dann offenzulegen, wenn die Arbeitnehmer, die die geltende Besserstellung für sich in Anspruch nehmen, an ihn herantreten (9. September 1981 - 5 AZR 1182/79 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 36, 187; 22. Dezember 1970 - 3 AZR 52/70 - zu III 3 a, b der Gründe, AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 2 = EzA BGB § 315 Nr. 4). Kam der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig nach, war sein Vorbringen insoweit nicht berücksichtigungsfähig (BAG 5. März 1980 - 5 AZR 881/78 - zu II 4 a der Gründe, BAGE 33, 57). Diese Rechtssätze hat das Bundesarbeitsgericht in nachfolgenden Entscheidungen nicht mehr aufrechterhalten. Vielmehr wird dem Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber ein ggf. im Wege der Stufenklage durchsetzbarer Auskunftsanspruch über die für eine Gehaltserhöhung verwendeten Regeln zugebilligt (BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 113, 55). Dies eröffnet einem Arbeitnehmer eine ausreichende Möglichkeit, sich Kenntnis über die Gründe für die Ungleichbehandlung zu verschaffen und die Chancen für die weitere Rechtsverfolgung einzuschätzen.

27

II. Der Kläger kann weder aus der DV Nr. 8 noch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz die Zahlung eines Betrags von 2.804,72 Euro als weitere Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2005 verlangen.

28

1. Der Kläger hat nach der DV Nr. 8 für das Jahr 2005 nur einen Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 85 % seines regelmäßigen Monatseinkommens. Diesen Anspruch hat die BKK Aktiv erfüllt.

29

a) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts enthält die DV Nr. 8 nicht lediglich eine deklaratorische Regelung für den unter die BV 225 fallenden Personenkreis. Die bis zum 31. Dezember 1995 bei der BKK Opel beschäftigten Arbeitnehmer der Adam Opel AG hatten aufgrund der BV 225 keinen normativen Anspruch auf Leistungen, wie sie die bei der Adam Opel AG beschäftigten Arbeitnehmer erhalten. Dies folgt aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der BV 225. Nach Nr. III 1 BV 225 sollte dieser Personenkreis unbefristet wie die an den jeweiligen Opel-Standorten beschäftigten Mitarbeiter behandelt werden. In der BV 225 hat sich die BKK Opel damit lediglich verpflichtet, den von ihrem persönlichen Geltungsbereich erfassten Arbeitnehmern die gleichen Leistungen wie Opel-Mitarbeitern zu gewähren. Diese Verpflichtung hat die BKK Opel für die in der Tarifrunde 2002 vereinbarten Arbeitsbedingungen in der DV Nr. 8 umgesetzt. Erst durch deren Abschluss haben die BKK Opel und der bei ihr errichtete Gesamtpersonalrat eine normative Anspruchsgrundlage für die sich aus der Tarifrunde 2002 ergebenden Ansprüche der unter die BV 225 fallenden Arbeitnehmer geschaffen.

30

b) Nr. 3 DV Nr. 8 enthält eine dynamische Bezugnahme auf die bei der Adam Opel AG geltenden Regelungen über die Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2005. Diese beträgt für Arbeitnehmer am Standort Bochum 85 % des regelmäßigen Monatseinkommens.

31

aa) Die Auslegung von Dienst- und Betriebsvereinbarungen richtet sich wegen ihres normativen Charakters nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 11. Dezember 2007 - 1 AZR 953/06 - Rn. 20 mwN, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 37 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 22).

32

bb) Der Wortlaut der DV Nr. 8 ist nicht eindeutig.

33

In Nr. 3 Satz 1 und 2 DV Nr. 8 werden für die unter die BV 225 fallenden Arbeitnehmer die Regelungen aus der BV 2002/0082/A der Adam Opel AG übernommen. Eine bestimmte Höhe der Weihnachtsgratifikation ist in der DV Nr. 8 allerdings nicht festgelegt, da in Nr. 3 Satz 2 DV Nr. 8 nur die entsprechende Geltung der anwendbaren Regelungen der BV 2002/0082/A bestimmt ist. Nach deren Nr. 1 Abs. 4 beträgt die Höhe der Weihnachtsgratifikation im Jahr 2005 130 % eines regelmäßigen Monatseinkommens. Dieser Bemessungssatz ist jedoch für die am Standort Bochum beschäftigten Arbeitnehmer durch die BV 2005/0130/A für das Kalenderjahr 2005 in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf 85 % ermäßigt worden (BAG 23. Januar 2008 - 1 AZR 988/06 - Rn. 20 ff., AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 40 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 24). Der Wortlaut von Nr. 3 DV Nr. 8 lässt allerdings offen, ob die Übernahme der für die Adam Opel AG geltenden Regelungen über die Weihnachtsgratifikation in der jeweils geltenden oder in der am 5. Juli 2002 vereinbarten Fassung der BV 2002/0082/A erfolgen sollte.

34

cc) Für eine dynamische Bezugnahme auf die bei der Adam Opel AG geltende Regelung über die Weihnachtsgratifikation spricht der Regelungszweck der DV Nr. 8.

35

Die BKK Opel und ihr Gesamtpersonalrat haben durch den Abschluss der DV Nr. 8 der in der BV 225 enthaltenen Gleichstellungsverpflichtung entsprochen und die im Jahr 2002 getroffenen Vereinbarungen über die Beschäftigungssicherung bei der Adam Opel AG übernommen. Dies folgt aus dem in Nr. 1 Satz 1 DV Nr. 8 vorangestellten Hinweis auf die Geltung der BV 225. Zu diesen Arbeitsbedingungen gehörten ua. die Regelungen in der BV 2002/0082/A über die Behandlung der Weihnachtsgratifikation für die Jahre 2002 bis 2005. Für eine Regelungsabsicht, die in der BV 2002/0082/A bestimmte Anspruchshöhe unabhängig von nachfolgenden betrieblichen Vereinbarungen bei der Adam Opel AG festzuschreiben, sind keine Anhaltspunkte erkennbar. Vielmehr spricht gerade die in Nr. III 1 BV 225 festgelegte Verpflichtung, den unter ihren Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmern eine standortsbezogene Entwicklung der bei der Adam Opel AG vereinbarten Arbeitsbedingungen zukommen zu lassen, für eine dynamische Bezugnahme auf die jeweils geltenden Bestimmungen über die Weihnachtsgratifikation. Da danach Nr. 3 Satz 2 DV Nr. 8 eine Bezugnahme auf die jeweils bei der Adam Opel AG geltende Regelung über die Weihnachtsgratifikation enthält, ist mit dem Abschluss der BV 2005/0130/A zugleich der Bemessungssatz für die vormals am Standort Bochum beschäftigten Arbeitnehmer der BKK Opel auf 85 % abgesenkt worden, ohne dass es einer Änderung der DV Nr. 8 bedurfte hätte.

36

2. Ein Anspruch aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kommt nicht in Betracht. Der Kläger hat ein gestaltendes Verhalten der Beklagten, das über den bloßen Normvollzug hinausgeht und Ausgangspunkt für eine von ihr selbst gesetzte Regel sein könnte (BAG 23. Januar 2008 - 1 AZR 988/06 - Rn. 43, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 40 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 24), nicht dargelegt.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Rath    

        

    Hayen    

                 

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. August 2011 - 22 Sa 897/11 -, - 22 Sa 1503/11 - teilweise aufgehoben, soweit die Beklagte zur Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 39,36 Euro seit dem jeweils 1. eines jeden Monats, beginnend ab dem 1. Juli 2008 bis zum 6. Juli 2012 verurteilt wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Februar 2011 - 52 Ca 11920/10 - abgeändert.

Die Klage wird auch insoweit abgewiesen, als die Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.416,96 Euro für Zeiträume vor dem 7. Juli 2012 zu zahlen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch darüber, ab wann die Beklagte verpflichtet ist Verzugszinsen auf Anpassungsforderungen zu zahlen.

2

Der Kläger bezieht von der Beklagten seit dem 1. Juli 2002 eine Betriebsrente iHv. zunächst 639,63 Euro. Die Beklagte passte die Betriebsrente zum Anpassungsstichtag 1. Juli 2005 auf 659,63 Euro und zum 1. Juli 2008 um den Prozentsatz an, um den die Gehälter der aktiven Beschäftigten in den letzten drei Jahren vor dem Anpassungsstichtag gestiegen waren. Der Kläger hat die Beklagte auf Anpassung seiner Betriebsrente in Höhe des seit seinem Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlusts in Anspruch genommen. Zudem hat er die Zahlung von Verzugszinsen auf den jeweiligen monatlichen Erhöhungsbetrag seit dem jeweiligen Monatsersten des jeweiligen Auszahlungsmonats, beginnend ab dem 1. Juli 2008, mithin für einen Zeitraum vor der Rechtskraft der Entscheidung über die Anpassungsverpflichtungen verlangt.

3

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei zur Zahlung von Zinsen auf den monatlichen Erhöhungsbetrag iHv. 39,36 Euro ab dem jeweiligen Monatsersten des jeweiligen Auszahlungsmonats, beginnend mit dem 1. Juli 2008, verpflichtet.

4

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 39,36 Euro seit dem jeweils 1. eines jeden Monats, beginnend ab dem 1. Juli 2008, zu zahlen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, sie sei zur Zahlung von Zinsen auf Anpassungsforderungen vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Anpassung der Betriebsrente nicht verpflichtet.

6

Das Arbeitsgericht hat der Klage im noch rechtshängigen Umfang stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten insoweit zurückgewiesen. Hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung von Zinsen hat der Senat mit Beschluss vom 19. Juni 2012 die Revision zugelassen und die Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich der Verurteilung zur Anpassung der Betriebsrente an den Kaufkraftverlust zum 1. Juli 2008 zurückgewiesen. Der Beschluss wurde der Beklagten am 6. Juli 2012 zugestellt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung hinsichtlich der Zinsforderung für Zeiträume vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Anpassungsforderungen weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen auf Anpassungsforderungen für Zeiträume vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Anpassung der Betriebsrente zum 1. Juli 2008 und damit für Zeiten, die vor dem 7. Juli 2012 liegen, dem Tag nach der Zustellung des Beschlusses über die Nichtzulassungsbeschwerde, mit dem die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich der Anpassung der Betriebsrente an den Kaufkraftverlust zum 1. Juli 2008 rechtskräftig wurde.

8

I. Entgegen der Rechtsaufassung der Vorinstanzen stehen dem Kläger Zinsen auf die geltend gemachten monatlichen Erhöhungsbeträge iHv. 39,36 Euro nicht bereits seit dem 1. Juli 2008 und den Folgemonaten zu, sondern erst ab dem Folgetag des Tages, an dem das Urteil hinsichtlich der Anpassungsverpflichtung rechtskräftig wurde. Das ist der 7. Juli 2012. Für die davorliegenden Zeiträume fehlt es an der für den Zinsanspruch notwendigen Fälligkeit der Forderungen.

9

1. Der Anspruch auf Verzugszinsen entsteht - da Verzug erst ab Fälligkeit eintreten kann - frühestens ab der Fälligkeit der Forderung (vgl. Palandt/ Grüneberg 72. Aufl. § 286 Rn. 13). Die Fälligkeit der Anpassungsforderungen des Klägers tritt nicht vor der Rechtskraft des klagestattgebenden Urteils ein. Leistungen, die nach billigem Ermessen zu bestimmen sind, werden bei gerichtlicher Bestimmung erst aufgrund eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils nach § 315 Abs. 3 BGB fällig. Dazu gehören auch die aufgrund einer Anpassungsentscheidung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG zu gewährenden Leistungen(vgl. etwa BAG 19. Juni 2012 - 3 AZR 464/11 - Rn. 49; 28. Juni 2011 - 3 AZR 859/09 - Rn. 32, BAGE 138, 213).

10

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. August 2011 ist hinsichtlich der Anpassungsforderungen mit der Zustellung des Beschlusses über die Nichtzulassungsbeschwerde vom 19. Juni 2012 - 3 AZN 422/12 - an die Beklagte am 6. Juli 2012 rechtskräftig geworden. Verzugszinsen stehen dem Kläger deshalb erst ab dem 7. Juli 2012 zu.

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2. Es kann offenbleiben, ob Prozesszinsen nach § 291 BGB im Falle der Bestimmung der Leistung durch Gestaltungsurteil überhaupt zugesprochen werden können(dagegen BGH 4. April 2006 - X ZR 122/05 - Rn. 23, BGHZ 167, 139; 4. April 2006 - X ZR 80/05 - Rn. 24). Dem könnte entgegenstehen, dass Prozesszinsen keinen Schuldnerverzug voraussetzen, der Schuldner vielmehr durch § 291 BGB schon deshalb einer Zinspflicht unterworfen wird, weil er es zum Prozess hat kommen lassen und für das damit verbundene Risiko einstehen soll; dieses Risiko kann sich nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens nicht mehr verwirklichen. Jedenfalls könnte auch der Anspruch auf Prozesszinsen frühestens ab der Fälligkeit der Forderung (§ 291 Satz 1 Halbs. 2 BGB) entstehen (BAG 19. Juni 2012 - 3 AZR 464/11 - Rn. 50).

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II. Der Kläger hat die Kosten der Revision nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen. Für die Vorinstanzen trifft ihn keine weitergehende Kostenlast. In den Vorinstanzen stellte die Zinsforderung lediglich eine Nebenforderung iSd. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO dar. Sie blieb bei der Wertberechnung deshalb unberücksichtigt und löste auch keine Kosten aus. Erst durch die Zulassung der Revision wurde die Zinsforderung zur Hauptforderung verselbständigt (vgl. Zöller/Herget ZPO 29. Aufl. § 4 Rn. 11). Ab diesem Zeitpunkt fiel sie nicht mehr unter § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO. Die ursprüngliche Hauptforderung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens. Der Zinsforderung ist ab dem Zeitpunkt der Zulassung der Revision ein eigenständiger Wert beizumessen. In diesem Umfang hat der Kläger aufgrund seines Unterliegens die Kosten zu tragen. Dies sind jedoch nur die Kosten des Revisionsverfahrens.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

    Gerda Kanzleiter    

        

    H. Kaiser    

                 

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.