Amtsgericht Stendal Urteil, 17. Okt. 2012 - 3 C 323/11 (3.3)

ECLI:ECLI:DE:AGSTEND:2012:1017.3C323.11.3.3.0A
bei uns veröffentlicht am17.10.2012

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.796,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf 4.082,38 € ab dem 01. Mai 2011 bis zum 25.05.2011 und ab 25.05.2011 auf 4.796,60 € zu zahlen. Wegen der weitergehenden Zinsforderung wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 641,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab 25.05.2011 zu zahlen. Der weitergehende Klagantrag wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung aus einem vorzeitig beendeten Vertrag über eine fondsgebundene Lebensversicherung – hier F. Rentenplan ohne Gesundheitsprüfung – in Anspruch.

2

Im Jahr 2006 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Versicherungsvertrag unter der Bezeichnung "F. Rentenplan", Versicherungsnummer ... ab. Als Versicherungsbeginn wurde der 01.06.2006 vereinbart sowie ein monatlicher Beitrag in Höhe von 100,00 € nebst einer jährlichen planmäßigen Erhöhung um 5 %, die nach 44 Jahren letztmalig am 01.06.2050 erfolgen sollte (Blatt 151 der Akte).

3

Vier Jahre nach Vertragsunterzeichnung kündigte der Kläger in der ersten Jahreshälfte 2010 diesen Vertrag. Die Beklagte bestätigte dem Kläger mit Schreiben vom 04. Juni 2010 die Kündigung zum 01.06.2010.

4

In dem vierjährigen Zeitraum vom 01.06.2006 bis zum 01. Mai 2010 zahlte der Kläger monatliche Prämien in Höhe von 110,50 €, insgesamt 5.304,00 €.

5

Die Beklagte teilte dem Kläger in ihrem vorgenannten Schreiben vom 04. Juni 2010 unter Angabe der einzelnen Fondsanteile das Fondsvermögen zum 01. Juni 2010 wie folgt mit:

6

 Fondvermögen

 2.491,29 €,

                 

 Stornogebühr

 854,31 €

                 

 Auszahlungsbetrag

 1.636,98 €

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Wegen der Einzelheiten der Abrechnung wird auf Anlage K 1 = Blatt 17 ff. der Akte Bezug genommen.

8

Vor Vertragsschluss wurden dem Kläger die Verbraucherinformationen zu seinem Lebensversicherungsvertrag nicht übermittelt. Auf Seite 3 der Police Nr. ... Format DIN A4 befindet sich als letzter Absatz die Widerrufsbelehrung. Diese ist drucktechnisch wie der übrige Vertragstext gestaltet und das Wort "Widerrufsbelehrung" ist mittig in die Seite eingerückt, aber nicht stärker gedruckt als der übrige Vertragstext. Inhaltlich wird auf ein Widerrufsrecht innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Erhalt der Unterlagen in Textform hingewiesen (Blatt 151 der Akte). Der im Schriftsatz vom 02.01.2012 eingereichte Versicherungsschein zum "F. Rentenplan ohne Gesundheitsprüfung" des Klägers ist auf Seite 3 anders gestaltet. Die Widerrufsbelehrung ist mittig gedruckt und ebenso wie zwei weitere Überschriften schwarz eingerahmt. Der Text ist in derselben Stärke gedruckt, wie die übrigen Überschriften der Absätze.

9

Den Zugang der Unterlagen, welche die Widerrufsfrist beginnen lassen, wurde von der Beklagten nicht nachgewiesen (Blatt 6 ff. der Akte).

10

Mit anwaltlichem Schreiben vom 18. März 2011 ließ der Kläger gegenüber der Beklagten den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Versicherungsvertrages gem. § 5 a VVG 2004, den Widerruf gem. §§ 495, 355 BGB und vorsorglich auch Anfechtung gem. § 119 BGB, höchstvorsorglich nach § 123 BGB erklären. Gleichzeitig wurde die Beklagte unter Fristsetzung zum 08. April 2011 aufgefordert, die eingezahlten Beträge in Höhe von 5.304,00 €, abzüglich des ausgezahlten Rückkaufswertes in Höhe von 1.636,00 €, mithin den Differenzbetrag von 3.668 € nebst einer Verzinsung von 5 % p. A., mithin 414,38 €, insgesamt 4.082,38 € zu zahlen. Des Weiteren wurde die Zahlung außergerichtlicher Anwaltskosten auf der Grundlage eines Streitwertes von 4.082,38 € nach einer 1,9 Geschäftsgebühr VV RVG 2300 in Höhe von 518,70 €, zuzüglich Postpauschale in Höhe von 20,00 € und 19 % Mehrwertsteuer, insgesamt 641,05 € bis zum 08. April 2011 gefordert.

11

Hilfsweise fordert der Kläger die Zahlung des Mindestrückkaufswertes (§ 5 AVVG 2004 gültig ab 08.12.2004 bis 31.12.2007).

12

Der Aufforderung des Klägers, sowohl sein Kündigungsschreiben des Versicherungsvertrages als auch die Versicherungspolice an ihn zu überreichen, entsprach die Beklagte nicht.

13

In der Klage macht der Kläger unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 28. Januar 2004, Az. IV ZR 58/03 zitiert nach Juris) einen Zinsanspruch in Höhe von 7 % p. A. auf die gezahlten Monatsbeiträge geltend, insgesamt 1.129,58 € (Rechnung Blatt 12 der Akte)

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Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigung stehe dem mit Schreiben vom 18. März 2011 erklärten Widerruf nicht entgegen. Aus der Rechtsprechung des BGH (vgl. juris Urteil vom 25.11.2009 zum Az. VIII ZR 318/08) ergebe sich, das der hier bereits beendete und vollständig abgerechnete Vertrag noch widerrufen werden könne. Seine Kündigung sei als Widerruf auszulegen oder als Widerruf umzudeuten (Blatt 5 der Akte). Ein nach § 5 a VVG alte Fassung (a. F.) unzulässiger Widerruf könne ebenso wie eine unwirksame Anfechtung des Versicherungsnehmers gem. § 140 BGB in eine Kündigung zum nächst möglichen Zeitpunkt umgedeutet werden. Den hier relevanten europäischen Vorgaben könne also auch durch eine Umdeutung einer Kündigung in eine Widerspruchserklärung Rechnung getragen werden.

15

Es fehle eine wirksame Widerspruchsbelehrung und die in § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG 2004 geregelte Jahresfrist helfe der Beklagten nicht. Die Jahresfrist widerspreche geltendem Europarecht und sei daher insgesamt unwirksam. Es bestehe daher ein zeitlich unbefristetes Widerrufsrecht, was in der Klagerwiderung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sowie des Bundesgerichtshofes im Einzelnen ausgeführt wird (Blatt 7 ff.). Der Kläger ist daher der Ansicht, ihm habe ein unbefristeter Widerruf gemäß §§ 495, 355 BGB zur Seite gestanden.

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In seinem Versicherungsvertrag seien Ratenzahlungszuschläge vereinbart, weshalb im Schreiben vom 18. März 2011 auch der entsprechende Widerruf erklärt worden sei. Durch die monatliche Zahlung der Jahresprämie mit einem Ratenzahlungszuschlag Einzahlungsaufschub sei ihm ein Darlehen gewährt worden. In diesem Falle bestehe die Rechtsfolge nicht nur in der notwendigen Angabe des effektiven Jahreszinses und den anderen gem. §§ 502, 494 BGB vorgeschriebenen Angaben, sondern das Orderkreditrecht sehe dann auch in § 495 BGB ein generelles Widerrufsrecht gem. § 355 BGB vor. Als Folge seien die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren (§§ 357, 346 BGB).

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Gemäß § 355 Abs. 3 BGB laufe das Widerrufsrecht unbegrenzt, wenn der Verbraucher – der Kläger – nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei.

18

Als Rechtsfolge von Widerspruch und Widerruf ergebe sich die Verpflichtung die gegenseitig empfangenen Leistungen zurück zu gewähren. Sei der Versicherungsvertrag, wie hier leistungsfrei, so habe der Versicherungsnehmer nichts zurück zu erstatten, der Versicherer jedoch gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB die vollen Prämien zuzüglich Zinsen gem. § 818 Abs. 1 BGB zu erstatten.

19

Darüber hinaus stütze der Kläger seinen Zahlungsanspruch auf den Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Beratungsverschuldens. Es liege eine Verletzung der Beratungspflicht vor. Die Beklagte habe ihn nicht über die so genannten Kick-Back-Zahlungen, über die Anlagestruktur, das Verlustrisiko und die Renditeerwartung sowie den Abzug der Abschlusskosten von den Prämien und ebenso wenig über das Widerrufsrecht und die Jahresfristenregelung beraten. Ebenso wenig habe er die Versicherungsbedingungen erhalten. Auf die Versicherungsbedingungen könne die Beklagte sich zur vermeintlichen Erläuterung der Punkte nicht berufen. Die Klauseln, zu den insoweit relevanten Fragen, seien nicht transparent und nach der BGH-Rechtsprechung und eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts unwirksam.

20

Die Beklagte habe auch gegen ihre aus dem europäischen Recht folgende Verpflichtung verstoßen, dem Kläger bei nicht erfolgter Belehrung ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht einzuräumen.

21

Diese Pflichtverletzungen der Beklagten seien ursächlich für den dem Kläger entstandenen Schaden, der Klagforderung.

22

Der Anspruch des Klägers sei weder verjährt noch verwirkt, was ausgeführt wird (Blatt 13 ff.).

23

Die Berechnung der 7 % Zinsen p. a. auf die Monatsrate für den Zeitraum vom 01.06.2006 bis zum 30.04.2011 wird in Anlage K 11 (= Bl. 84, 85 d. A. Bd. I) unter Berücksichtigung des gezahlten Rückkaufwertes per 04.06.2010 dargelegt:

24

Die Klagforderung berechne sich wie folgt:

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 Beitragszahlung

 5.304,00 €

 ./. Rückkaufswert

 1.636,98 €

 + Zinsen

 1.129,58 €

 Klageforderung

 4.796,60 €

26

Die Klage wurde der Beklagten am 25. Mai 2011 zugestellt.

27

Die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des Amtsgerichts Stendal unter Hinweis auf § 215 VVG wurde in der mündlichen Verhandlung nach dem Hinweis des Gerichts nicht mehr aufrecht erhalten. Die Parteien haben vielmehr rügelos zur Sache verhandelt, so dass die Zuständigkeit des Amtsgerichts Stendal auch unter diesem Gesichtspunkt gegeben ist und ein Zwischenurteil – dazu AG Stendal, 3 C 321/11 vom 21.06.2011 – in dieser Sache entbehrlich war.

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Der Kläger beantragt,

29

1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.796,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01. Mai 2011 zu zahlen.

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2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 704,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

31

Die Beklagte zu verurteilen,

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a. dem Kläger in prüfbarer und – soweit für die Prüfung erforderlich – belegter Form darüber Auskunft zu erteilen, mit welchen Abschlusskosten die Beklagte den Zeitwert nach § 176 III VVG und welchem Abzug sie die Auszahlungsbeträge für den mit dem Kläger abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag belastet hat,

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b. die von der Beklagten erteilten Auskünfte durch die Vorlage entsprechender Unterlagen zu belegen,

34

c. gegebenenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte an Eides Statt zu versichern und

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d. die Beklagte zur Zahlung eines Betrags an den Kläger in einer nach der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 29.01.2011 zu verurteilen.

36

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

38

Die Beklagte ist der Ansicht, dem Kläger stehe nach der Kündigung des Vertrages kein weitergehender Anspruch als der ausgezahlte Betrag zu. Ein Widerrufsrecht habe zu dem Zeitpunkt nicht mehr bestanden. Der übersandte Versicherungsschein vom 11. Mai 2006 enthalte auf Seite 4 eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung gem. § 5 a Abs. 2 VVG alte Fassung (Anlage K 1 = Blatt 151 der Akte). Selbst wenn er keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erhalten habe, sei der gegenständliche Versicherungsvertrag gem. § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG alte Fassung spätestens nach Ablauf der Jahresfrist rückwirkend wirksam geworden. Das gelte auch, wenn wie hier, der Versicherungsnehmer unwiderlegt behauptet, keine AVB erhalten zu haben. Die Beklagte könne sich daher auf § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG alte Fassung berufen. Diese sei nach dem Willen des Gesetzgebers geschaffen worden, um den Versicherer nach Ablauf der Jahresfrist Rechtsicherheit zu verschaffen.

39

§ 5 a VVG alte Fassung verstoße auch nicht gegen Europarecht. Die Lebensversicherungsrichtlinie strebe nur eine europaweite Harmonisierung des Aufsichtsrechts an, so dass der nationale Gesetzgeber vertragsrechtlich Gestaltungsspielraum habe, deren Grenzen durch § 5 a VVG alte Fassung nicht überschritten worden sei. § 5 a VVG alte Fassung werde den europarechtlichen Anforderungen inhaltlich gerecht, was im Einzelnen in den Schriftsätzen ausgeführt wird.

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Es bestehe auch keine Veranlassung, den Rechtstreit an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft gem. Artikel 234 EG vorzulegen. Zweifel hinsichtlich der Auslegung der fraglichen Richtlinie bestünden nicht.

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Dem Kläger stehe auch kein Widerruf gem. §§ 191, 355 BGB zu. Ratenzahlungszuschläge bei Versicherungsverträgen fallen nicht unter §§ 499 ff. BGB alte Fassung. Der Gesetzgeber habe dies in der amtlichen Begründung klargestellt.

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Die Beklagte bestreite, dass Ratenzahlungszuschläge für eine monatliche Zahlungsweise vereinbart seien.

43

Dem Kläger stehe auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Verletzung einer Informationspflicht/Beratungsverschulden der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

44

Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur sogenannten Kick-Back-Zahlung bei Fondsanlagevermittlungen sei auf den Abschluss fondsgebundener Lebensversicherungsverträge nicht übertragbar. Durch den Abschluss der Lebensversicherung erwerbe der Versicherungsnehmer nicht unmittelbar Fondsanteile, für die er sich aufgrund der Beratung durch die Bank entschieden habe und bei deren Ausfall es von Interesse sei, zu erfahren, ob und in welcher Höhe jeweils unterschiedliche Rückflüsse an die Bank erfolgen. Vielmehr stünde es dem Versicherer frei zu entscheiden, ob oder welche Fondsanteile er kauft, ohne das die Fondsauswahl dem Versicherungsnehmer bekannt zu machen sei. Der Versicherer kann auch auf andere Weise dafür sorgen, dass das Deckungskapital des Vertrages der Entwicklung des zugrundeliegenden Fonds entspreche.

45

Der Kläger könne die Beklagte auch nicht im Rahmen seines Hilfsantrages auf Auskunft in Anspruch nehmen. Die von ihm zitierte Rechtsprechung sei hier nicht anwendbar. Darüber hinaus habe die Beklagte bereits im Jahr 2006 die zitierte Rechtsprechung berücksichtigt und ihre Versicherungsbedingungen so geändert, dass die im Wege der Zillmerung verrechneten Abschlusskosten transparent aus den entsprechenden Bestimmungen hervorgingen.

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Selbst nach der Rechtsprechung stünde dem Kläger nur ein Mindestrückkaufwert in Höhe von 50 % der eingezahlten Beträge (50 % des ungezillmerten Deckungskapitals) zu. Dies ergebe bei Beiträgen in Höhe von insgesamt 5.304,00 € einen Betrag von 2.121,50 €. Nach Abzug des bereits gezahlten Rückkaufwertes in Höhe von 1.516,30 € verbleibe maximal ein Betrag von 605,30 € (Blatt 94 der Akte).

47

Selbst im Fall eines wirksamen Widerrufs wäre der Zahlungsanspruch des Klägers nicht gegeben. Ihm sei der vertraglich geschuldete Versicherungsschutz gewährt worden und dieser hierdurch erlangte Vermögensvorteil könne nicht herausgegeben werden (Blatt 209 der Akte).

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist, bis auf einen kleinen Teil der Nebenforderung (Antrag zu 2), begründet.

I.

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Der Kläger kann die Beklagte gemäß § 812 Absatz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der noch nicht ausgezahlten Prämien aus dem nach 4 Jahre beendeten Versicherungsvertrag über die fondgebundene Lebensversicherung mit der Produktbezeichnung "F. Rentenplan ohne Gesundheitsprüfung" in Anspruch nehmen. Die Beklagte kann die Prämien nicht auf der Grundlage des vorgenannten Versicherungsvertrags abrechnen. Der Vertrag ist nicht wirksam geworden. Die bis zum Ablauf der Widerrufsfrist schwebende Unwirksamkeit ist nicht beseitigt worden. Das Kündigungsschreiben des Klägers ist als wirksamer Widerruf des immer noch nur schwebend unwirksamen Versicherungsvertrags anzusehen. Die Beklagte hat dem Kläger keine wirksame Widerrufsbelehrung ausgehändigt. Dem steht der hier anzuwendende § 5 a VVG a. F., der für Versicherungsverträge gilt, die nach dem 13.12.19994 geschlossen wurden, nicht entgegen.

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Hat ein Versicherer dem neuen Versicherungsnehmer bei Antragstellung

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– die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder

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– eine Verbraucherinformation nach § 10 a VAG unterlassen

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gilt nach § 5 a I 1 VVG a. F. der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, den Versicherungsbedingungen und des weiter für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als geschlossen, wenn der VN – beim Policenmodell – nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widerspricht.

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Entgegen der überwiegenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zum Anwendungsbereich des § 5 a VVG a. F. verlangt die europarechtskonforme Auslegung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der zweiten und dritten Richtlinie zu Lebensversicherung, das der zunächst schwebende unwirksame Vertrages erst dann wirksam wird, wenn der künftige Versicherungsnehmer auch eine wirksame, dem europäischen Recht entsprechende "drucktechnisch" richtig gestaltete Widerrufsklausel mit den Vertragsunterlagen erhielt. Die Oberlandesgerichte vertreten im Anwendungsbereich von § 5 a VVG a. F. – soweit ersichtlich – einhellig die Auffassung, dass diese Norm nicht gegen europäisches Recht verstößt (OLG Köln, Urt. v. 02.03.2012 – 20 U 178/11; OLG Celle, Urt. v. 09.02.2012 – 8 U 191/11; OLG Hamm, Beschl. v. 31.08.2011 – 20 U 81/11; OLG Stuttgart, Urt. v. 23.12.2010 – 7 U 187/10 – RuS 2011, 218; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 10.12.2003 – 7 U 15/03 – VersR 2005, 631; OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.12.2000 – 4 U 32/00 – VersR 2001, 837). Zur Begründung wird darauf abgestellt, dass sich § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG als Ausnahmevorschrift darstelle, die gerade auch denjenigen Versicherungsnehmer schütze, dem die notwendigen Verbraucherinformationen nicht oder nicht beweisbar übergeben wurden. Habe er mit der Prämienzahlung begonnen und dementsprechend auf das Bestehen vertraglichen Versicherungsschutzes vertraut, so bedürfe er mangels erkennbaren Informationsinteresses jedenfalls nach Ablauf eines Jahres nach Zahlung der ersten Prämie nicht mehr des von den Richtlinien intendierten Schutzes seines Informationsinteresses, wohl aber des Schutzes seines Vertrauens in das Bestehen von Versicherungsschutz.

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Demgegenüber hält der BGH eine Auslegung für möglich, dass Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG (Zweite Richtlinie vom 08.11.1990) i. V. m. Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG (Dritte Richtlinie vom 10.11.1992) einer einschränkenden Regelung wie in § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. entgegensteht. Zwar enthielten die Richtlinien keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrags und zu den Folgen einer unterbliebenen Belehrung des Versicherungsnehmers über die ihm zustehenden Rechte. Allerdings könnten Sinn und Zweck der Informationspflicht in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG sowie die wirksame Gewährleistung des Rücktrittsrechts nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG eine Auslegung rechtfertigen, dass ein Vertrag nicht ohne Information und Belehrung des Versicherungsnehmers zustande kommen darf, und daher das in § 5 a VVG a. F. vorgesehene Widerspruchsrecht zeitlich unbegrenzt bleiben muss (vgl. juris : Dr. M. Jacob, Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter für Versicherungsrecht, 11.07.2012 Anmerkung zu BGH 4. Zivilsenat, -Vorlagebeschluss vom 28.03.2012 – IV ZR 76/11 –). Der streitgegenständliche Vertrag ist nicht wirksam geworden. Die zeitliche Beschränkung des Widerspruchsrechts in § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. lässt sich nicht mit den Richtlinien vereinbaren, wenn keine wirksame Widerrufsbelehrung übergegeben wurde.

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Die zweite und dritte Richtlinie dient nicht nur der Umsetzung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs und damit der Harmonisierung sowie und Koordination des Versicherungswesens in Europa, sondern auch ausdrücklich dem Verbraucherschutz im Bereich der Lebensversicherungen in dem es die Versicherungsunternehmen auf dem europäischen Markt zu einer umfassenden und verständlichen vorvertraglicher Information potentieller Versicherungsunternehmer verpflichtet (vgl. Gründe zur Dritten Richtlinie Ziffer 1 – 31). Die vorvertragliche Information über die Vertragsbedingungen ist auch bei Versicherungsverträgen Voraussetzung für eine informierte Marktentscheidung (Dritte Richtlinie Ziffer (23)). Der europäische Rat geht in den Gründen von einem erhöhten Informationsbedürfnis aus. Dies ist durch die mit der dritten Richtlinie verbundenen Deregulierung des Versicherungsmarktes – Abschaffung der vorherigen Genehmigung von Versicherungsbedingungen – und die damit freigesetzte Möglichkeit größere Produktvielfalt zurückzuführen. Im Bereich der Schadensversicherung beschränkt sich das europäische Recht auf die Information über das anwendbare Recht oder vom Versicherer vorgeschlagene Recht, über Beschwerdestellen und ggf. des Sitzes oder der Zweigniederlassung der Versicherung. Dagegen sind in Art. 15 I Zweite Richtlinie und Artikel 35 I und 36 Absatz I Dritte Richtlinie in Verbindung mit Anhang II für den Bereich der Lebensversicherungen umfassende Informationspflichten vorgeschrieben über

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(1) Bestand u. Beendigung,

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(2) Rechte und Pflichten,

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(3) Anlageinformationen und

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(4) das anwendbare Recht sowie die anwendbare Steuerregelung

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Dabei bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen die Anwendung ihres eignen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben (Art. 19 Zweite Richtlinie/Art. 36 Dritte Richtlinie). Nach Art. 36 I Dritte Richtlinie (entspricht Art. 15 Zweite Richtlinie) hat jeder Mitgliedstaat vorzuschreiben, das der Versicherungsnehmer eines individuellen Lebensversicherungsvertrages von dem Zeitpunkt an, zu dem er davon in Kenntnis gesetzt wird, das der Vertrag geschlossen ist, über eine Frist verfügt, die zwischen 14 und 30 Tagen betragen kann, um von dem Vertrag zurückzutreten. Dabei richten sich die übrigen rechtlichen Wirkungen des Rücktritts und die dafür erforderlichen Voraussetzungen gemäß Artikel 32 (anwendbares Recht) und Artikel 35 (Rücktrittszeitraum) nach dem Recht des Mitgliedstaates, mithin deutschem Recht. Der vom Gesetzgeber normierte § 5 a VVG zum "Widerspruchsrecht" und die in § 10 a VAG geschaffene "Verbraucherinformation" setzen die europarechtlichen Ziele der Richtlinie, die ausdrücklich nicht allein Informationsrechte, sondern auch als Schutzrechte des Versicherungsnehmer formuliert sind, nach dem Wortlaut nicht effektiv um. Der europarechtlich gewollte und vom Mitgliedstaat nach seinem Recht umzusetzende Schutz der Versicherungsnehmer wird durch die in § 5 a II 4 VVG a. F. normierte Jahresfrist nach Zahlung der ersten Prämie nicht wirksam umgesetzt, sondern unzulässig verkürzt. Sie benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemessen im Verhältnis zur Vertragslaufzeit. Das gesetzwidrige Verhalten des Versicherers wird nicht sanktioniert, sondern führt gleichwohl dazu, dass der VN über Jahre und Jahrzehnte an den Vertrag gebunden ist. Eine fehlerhafte Beratung und unvollständige Unterlagen sind für den Versicherer nicht mit Sanktionen verbunden. Es bleibt ohne Folgen, so dass schon bei der Vertragsanbahnung keine Veranlassung besteht, mündlich auf die Widerrufsmöglichkeit und die Widerrufsklausel hinzuweisen und die Verbraucherinformationen auszuhändigen. Damit wird der VN um die Möglichkeit gebracht, nach dem Beratungsgespräch ohne den Versicherungsvertreter auf der Grundlage auch der Verbraucherinformationen den Vertragsschluss zu überdenken und auch zu widerrufen. Diese in § 5 a VVG enthaltene unangemessene gegen den im deutschen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßende Benachteiligung ist entsprechend der allgemeinen Auslegungsgrundsätze durch eine über den Wortlaut hinausgehende Geltungserhaltende Auslegung zu begegnen. Sie hat sich an Sinn und Zweck der europarechtlichen Richtlinien für die Versicherungsbranche Lebensversicherungen, mithin auch dem Informations- und Verbraucherschutz zu orientieren. Damit die Versicherer ihrer Informationspflicht umfassend bereits im Vorfeld, spätestens mit Übersendung der Vertragsunterlagen nachkommen, ist § 5 a VVG a. F. dahin auszulegen, das die Ausschlussfrist nur dann beginnt, wenn dem VN mindestens eine wirksame Widerrufsklausel bei Vertragsschluss oder mit den Vertragsunterlagen ausgehändigt wurde. Andernfalls beginnt die Jahresfrist des § 5 a II 4 VVG nicht zu laufen, das Widerrufsrecht erlischt nicht und es verbleibt bei einen "immer währenden Widerrufsrecht". Es handelt sich hier um eine vom Versicherer zu erfüllende Rechtspflicht. Der Versicherer ist dadurch nicht unangemessen benachteiligt. Als Hersteller des Versicherungsprodukts ist er dem VN wirtschaftlich und juristisch überlegen. Er wird durch ein gesetzeskonformes Verhalten sowohl vor Vertragsbeginn als auch während der Vertragslaufzeit nicht unangemessen wirtschaftlich benachteiligt. Die Abschlusskosten, zu denen auch der Druck der Vertragsformulare mit einer deutlich gestalteten Widerrufsklausel gehört, zahlt im Ergebnis der VN mit der "Abschlussgebühr". Diese Kosten sind wie Kosten des Vertriebs in der Kalkulation enthalten.

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Die Jahresfrist des § 5 a VVG a. F. stellt daher keineswegs ein Schutz des VN in seinen Versicherungsschutz dar und indiziert auch nicht mangelndes Informationsinteresse oder dessen Verlust. Wenn der VN nicht in der erforderlichen Form über sein Widerrufsrecht informiert wurde, ihm diese Möglichkeit nicht bewusst gemacht wurde, stellt sich die Zahlung der Prämie im Glauben an einen unwiderruflich wirksamen Vertrag nicht als fehlendes Informationsinteresse dar. Die Jahresfrist beschneidet allein die Rechte des Verbrauchers. Sie "heilt" Verstöße der Versicherer gegen den Verbraucherschutz, ohne das wirtschaftliche Nachteile eintreten. Nur wenn die unterlassene Widerrufsbelehrung mit einem immer währenden Widerruf durch den VN sanktioniert wird, hat der Versicherer ein eignes wirtschaftliches Interesse daran, das der VN wirksam, mithin schriftlich und drucktechnisch deutlich, über sein Widerrufsrecht von 14 Tagen nach Vertragsunterzeichnung belehrt wird. Allein der Versicherer kann über seine Vertragsunterlagen und den Vertrieb die Ursache für ein "immer währendes Widerrufsrecht" vermeiden. Für Billigkeits- oder Vernunftserwägungen zu Gunsten des Versicherers ist daher kein Raum. Der Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB schützt nur denjenigen, der sich selbst gesetzes- und vertragstreu verhält und auch seine Pflichten erfüllte.

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Wirksam ist eine Widerrufsklausel nach § 5 a VVG a. F. wenn sie dem VN mit dem Versicherungsschein und der Verbraucherinformation schriftlich und in "drucktechnisch deutlicher Form über das Widerrufsrecht" übergegeben wurden. Diesen Anforderungen genügt keine der von der Beklagten vorgelegten schriftlichen Widerrufsklauseln, die dem Kläger ausgehändigt worden sein sollen.

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Die Beklagte hat zwei drucktechnisch unterschiedlich gestaltete Widerrufsklauseln zu dem streitgegenständlichen Vertrag überreicht. Ausweislich der mit Anlage K1 = Bl. 151 befindet sich die erste Widerrufsklausel auf "Seite 3 zur Police Nr. ..." und dort am Ende der Seite. Der letzte Absatz ist mit der mittig eingerückten "Widerspruchsbelehrung" überschrieben, aber in keiner Weise drucktechnisch vom übrigen Vertragstext deutlich abgesetzt. Schriftform und Größe sind identisch. Beim durchblättern der Vertragsseiten fällt diese Klausel nicht auf, sondern verliert sich im Text und ist leicht zu übersehen.

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In der zweiten Druckvariante, die sich auch auf Seite 3 der Police befindet, ist die Überschrift Widerspruchsbelehrung mit einem dünnen schwarzen Stricht eingerahmt und der Text der Klausel ist dicker gedruckt als der übrige Vertragstext. Gleichwohl erfüllt dies nicht die Anforderungen des § 5 a VVG. Die drucktechnische Wirkung geht verloren, weil die folgenden Überschriften "Sonstige Festlegungen" und "Allgemeine Kundeninformationen" identisch gestaltet sind und dieselbe Schriftgröße aufweisen wie der Text der Belehrung. Sie verliert sich im Text und wird übersehen.

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Der schwebend unwirksame Vertrag ist nach Ablauf der Jahresfrist nicht wirksam geworden, so dass die Zahlung der Versicherungsprämie an die Beklagte ohne Rechtsgrund erfolgte und vollständig an den Kläger zurück zu zahlen ist. Die Beklagte ist nicht berechtigt, Abzüge von den Prämien vorzunehmen und dem Kläger nur den Rückkaufwert auf der Grundlage des Versicherungsvertrags auszuzahlen. Die Rechtsprechung des BGH zum Mindestrückkaufwert (BGH 2005, 3559 unter III und IV 2) ist hier nicht einschlägig. Dies hätte vorausgesetzt, dass zwischen den Parteien ein wirksamer Vertrag F. Rentenplan bestand, der schwebe Zustand beendet war, als die "Kündigung" des Klägers bei der Beklagten einging. Hieran fehlt es aus den vorgenannten Gründen. Der Vertrag war zu dem Zeitpunkt immer noch schwebend unwirksam.

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Das der Kläger den Vertrag zunächst dem Wortlaut nach kündigte und erst später nach der Abrechnung der Beklagten widerrief, steht der Zahlungspflicht aus § 812 BGB nicht entgegen. Die Kündigung ist gemäß § 140 BGB als Widerruf zu deuten. Nach der Rechtsprechung des BGH (juris BGH Urteil vom 5.11.2009, VIII ZR 318/08) steht einem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu, wenn nicht Treu und Glauben (§ 242 BGB) etwas anderes gebietet (vgl. z. B. Wendehorst in MünchKommBGB, 5. Aufl., § 312 d Rn 13). Der Widerruf enthält die für den Verbraucher stärkere Rechtsfolge. Die Kündigung bewirkt nur eine Vertragsauflösung für die Zukunft, ein Widerruf führt dagegen zur vollständigen Rückabwicklung des Vertrages gemäß § 812 BGB. Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht der Wirksamkeit des Widerrufs nicht entgegen. Soweit sich die Beklagte auf den Verlust des Widerrufsrechts beruft, stellt sich dies hier vielmehr als unzulässige Rechtsausübung dar. Sie hat sich bei der Vertragsanbahnung, wie oben dargelegt, selbst nicht gesetzes- und vertragstreu verhalten, sondern ihre Rechtsstellung durch eignes unredliches Verhalten erworben. Es ist ihr daher verwehrt, sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben zu berufen (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 70. Aufl., § 242 Rn 38 ff m. w. N).

68

Gegen den Rückzahlungsanspruch kann die Beklagte auch nicht einwenden, der Widerruf sei nicht durchführbar, weil der Vertrag durch Zahlung der Prämien und Gewährung des Versicherungsschutzes vollständig vollzogen sei. Da der Kläger um den von ihr gewährten Versicherungsschutz ungerechtfertigt bereichert beliebe, habe er Wertersatz in Höhe der Klagforderung zu leisten. Diese Rechtsfrage wird in der Literatur kontrovers beurteilt, wobei im Wesentlichen zwischen der Gefahrtragungstheorie, die für eine Anrechnung ist und der Geldleistungstheorie, die die Anrechnung ablehnt, unterschieden werden kann (vgl. Prölss in VVG, 28. Aufl., § 1 Rn 82 u. 83).

69

Eine Anrechnung des "Versicherungsschutzes", wie sie in der Literatur und Rechtsprechung unter Bezugnahme auf die Gefahrtragungstheorie vertreten wird, kommt nicht in Betracht. Nach der Geldleistungstheorie kann der Versicherer dem Bereicherungsanspruch des Versicherungsnehmers (Prämie) nicht entgegenhalten, dass er dem Versicherungsnehmer zeitweise eine von diesem auszugleichende Leistung (Gefahrtragung, Geschäftsbesorgung) erbracht habe.

70

Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht auf einen Verstoß des Klägers gegen den Grundsatz von Treu und Glauben – dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est – gemäß § 242 BGB berufen. Sie verkennt Ursache und Wirkung ihrer Pflichtverletzung. Allein diese war ursächlich, das der Vertrag den Zustand der schwebenden Unwirksamkeit nicht nach Ablauf der Widerrufsfrist beendete und wirksam wurde. Ihr jetzt die Prämie zu belassen, lässt sich mit den Folgen des Widderrufs nicht vereinbaren. Andernfalls würde das Risiko einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung wirtschaftlich auf den VN verlagert. Das Risiko einer unzureichenden oder nicht nachgewiesenen Widerspruchsbelehrung muss daher bei dem Versicherer bleiben. Andernfalls besteht für den Versicherer keine Veranlassung, ordnungsgemäß über den Widerruf zu belehren und insoweit auch Einfluss auf den Vertrieb zu nehmen.

71

Die Beklagte kann sich gegenüber dem Zahlungsanspruch weder mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen noch ist ein Fall der Verwirkung gegeben.

72

Die Wirksamkeit der Verjährung beurteilt sich nicht nach § 12 I VVG a. F., sondern nach §§ 195 BGB n. F.. Danach gilt für Schadensersatzansprüche seit dem 01.01.2002 und den streitgegenständlichen Vertrag aus dem Jahr 2006 die dreijährige Verjährungsfrist, die nach § 199 I Nr.: 2 BGB mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Versicherungsnehmer Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

73

Danach begann die Frist erst mit Ablauf des Jahres 2011. Von der Möglichkeit, den Vertrag trotz Ablauf der Jahresfrist nach Zahlung der ersten Prämie und Rückzahlung auf der Grundlage des von der Beklagten als wirksam dargestellten Vertrages, sowie der fehlerhafter Widerrufsbelehrung zu widerrufen, erfuhr der Kläger erst durch die anwaltliche Beratung im Jahr 2011. Grob fahrlässige Unkenntnis bezogen auf die Widerrufsklausel kann dem Kläger nicht angelastet werden.

74

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis von dem Anspruch oder dem Schuldner deshalb fehlt, weil er ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (z. B. BGH, Urteile vom 10. November 2009 aaO Rn. 13 und vom 23. September 2008 aaO Rn. 16 jeweils m. w. N.). Dies ist etwa der Fall, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat (OLG Saarbrücken NZG 2008, 638, 640; Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 199 Rn. 36). Ihn trifft generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben. Vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falles als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers anzunehmen. Für den Gläubiger müssen konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein (BGH, Urteil vom 10. November 2009 aaO, S. 216 Rn. 16 m. w. N.). Hieran gemessen fehlt es im vorliegenden Fall an der grob fahrlässigen Unkenntnis. Unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und juristischer Fachliteratur zur Wirksamkeit des § 5 a VVG a. F. erscheint das Unterlassen von Ermittlungen in dem Zeitraum von 2006 bis zur Teilauszahlung in 2010 keineswegs als geradezu unverständlich. Konkrete Anhaltspunkte für seinen Anspruch waren nicht ersichtlich. Auch kritische Artikel in den Medien zu Rentenversicherungen auf der Grundlage fondgebundener Lebensversicherungen sind nicht geeignet, im Fall des Beklagten von einer grob fahrlässigen Unkenntnis auszugehen.

75

Auch eine Verwirkung des Widerrufsrechts kommt nicht in Betracht. Es besteht aus den obigen Ausführungen zu § 242 BGB keine Veranlassung bei Versicherungsverträgen Verwirkung des Widerrufsrecht anzunehmen, wenn – wie hier – keine ordnungsgemäße Belehrung erfolgte und auch nicht nachgeholt wurde, obwohl es sich hierbei nach dem Ziel der Leitlinien und § 5 a VVG a. F. um eine Rechtspflicht handelt. Der BGH hat in seiner Rechtsprechung zum Bereich der Haustürgeschäfte festgestellt, das ein unbefristetes Widerrufsrecht eben keiner Verwirkung unterliegt, weil es sich bei der Widerrufsbelehrung im Zusammenhang mit Haustürgeschäften, um eine Rechtspflicht handelt (z. B. BGH NJW 2007, 357 m. w. N.).

76

Die Berechnung der Klagforderung ist nicht zu beanstanden. Auch der in die Abrechnung eingestellte Zinssatz von 7 % p. a. ist nach der Rechtsprechung des BGH und des OIG Hamm (juris OLG Hamm, Urteil vom 07.01.2008, Urteil 31 U 391/06 m. w. N.) nicht zu beanstanden (§ 287 ZPO). Die Beklagte hat den Zinssatz auch nicht erheblich bestritten und einen niedrigen Zinsgewinn substantiiert vorgetragen.

II.

77

Der auf die Hauptforderung verlangte Zins ist dem Grunde nach aus dem Gesichtspunkt des Verzugs begründet (§ 286 BGB). Die Beklagte befindet sich aufgrund des anwaltlichen Schreibens des Klägers vom 18.03.2011 und der darin gesetzten Frist zum 08.04.2011 seit dem 09.04.2011 im Zahlungsverzug, so das die Klage auf Zahlung von Verzugszins seit dem 01.05.2011 dem Grunde nach begründet ist. Der Höhe nach jedoch nur auf den darin verlangten Betrag von 4.082,38 €. Auf die Klagforderung von 4.796,60 € schuldet die Beklagte den gesetzlichen Verzugszins gemäß § 288 I BGB als Prozesszins erst seit Zustellung der Klage an die Beklagte am 25.05.2011 (§ 291 BGB).

III.

78

Die Beklagte schuldet dem Kläger unter dem Gesichtspunkt der Rechtsverfolgungskosten die Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach dem Streitwert von 4.082,38 €. Nur dieser Betrag wurde außergerichtlich vom Kläger über seinen Rechtsanwalt geltend gemacht. In Anbetracht der Rechtslage ist der Ansatz einer 1,9-Geschäftsgebühr angemessen, so das sich nach dem RVG ein Betrag von 641,05 € ergibt, nicht 704,36 €. Wegen der Berechnung wird auf das Mahnschreiben vom 18.03.2011 (Anlage K 2 = Bl. 21 d. A.) Bezug genommen.

79

Der hierauf verlangte Zinsanspruch ergibt dem Grunde nach aus § 291 ZPO, die Höhe aus § 288 ZPO. Die Klage wurde der Beklagten am 25.05.2011 zugestellt.

IV.

80

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

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(1) Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.

(2) Ein Widerrufsrecht besteht nicht bei Darlehensverträgen,

1.
die einen Darlehensvertrag, zu dessen Kündigung der Darlehensgeber wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers berechtigt ist, durch Rückzahlungsvereinbarungen ergänzen oder ersetzen, wenn dadurch ein gerichtliches Verfahren vermieden wird und wenn der Gesamtbetrag (Artikel 247 § 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) geringer ist als die Restschuld des ursprünglichen Vertrags,
2.
die notariell zu beurkunden sind, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Darlehensnehmers aus den §§ 491a und 492 gewahrt sind, oder
3.
die § 504 Abs. 2 oder § 505 entsprechen.

(3) Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen ist dem Darlehensnehmer in den Fällen des Absatzes 2 vor Vertragsschluss eine Bedenkzeit von zumindest sieben Tagen einzuräumen. Während des Laufs der Frist ist der Darlehensgeber an sein Angebot gebunden. Die Bedenkzeit beginnt mit der Aushändigung des Vertragsangebots an den Darlehensnehmer.

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 58/03 Verkündet am:
28. Januar 2004
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
VVG § 5a Abs. 2 Satz 1

a) Eine wirksame Belehrung des Verbrauchers über sein Widerspruchsrecht nach
§ 5a Abs. 1 Satz 1 VVG setzt voraus, daß auf die vorgeschriebene Form des Widerspruchs
(hier Schriftlichkeit) und darauf hingewiesen wird, daß die rechtzeitige
Absendung des Widerspruchs die vierzehntägige Frist wahrt.

b) Zu den Anforderungen an eine drucktechnisch deutliche Form der Belehrung.
BGH, Urteil vom 28. Januar 2004 - IV ZR 58/03 - LG Hannover
AG Hannover
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Januar 2004

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 12. Februar 2003 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 27. Mai 2002 geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.474,20 zu zahlen nebst 7 % Zinsen auf 204,51 ! "# auf 409,03 $&%' )( "# auf 613,53 * (,+ ! "# auf 818,04 - ,. ! "# auf 1022,55 / 0 1 0 " 243 3 3 auf 1227,06 54 "6 0 " 243 3 3 auf 1431,57 798 ").:243 3 3 auf 1636,08 "; =< 2 3 3 3 auf 1840,59 790 243 3 3 auf 2045,10 / 14 243 3 3 auf 2249,61 auf 2454,20 . Juli 2000, seit dem 15. Dezember 2000 jedoch Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz auf 2454,20 Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Auf Antrag des Klägers hat die Beklagte einen Versicherungsschein vom 7. Juli 1999 über eine Kapitallebensversicherung ausgestellt und zahlreiche Anlagen sowie ihre Allgemeinen Versicherungsbedingungen beigefügt. Mit Schreiben vom 7. Juli 2000 hat der Kläger der Beklagten mitgeteilt: Nachdem ich eine Sendung in Plus - Minus über Lebensversicherungen gesehen habe, lege ich Widerspruch wegen Nichtbeachtung der Aufklärungspflicht nach BGB ein. Die abgebuchten Beiträge plus angefallenen Zinsen schreiben Sie bitte meinem Konto ... wieder gut. Von einem Vertreterbesuch bitte ich abzusehen. Nach Ansicht des Klägers sind die Angaben der Beklagten in den ihm zugesandten Vertragsunterlagen insbesondere zur Überschußermittlung und -verteilung nur rudimentär und genügen den Anforderungen des § 10a VAG sowie der dazu gehörigen Anlage D nicht. Deshalb habe er gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG noch innerhalb eines Jahres nach Zahlung der ersten Prämie Widerspruch einlegen können. Die Beklagte entgegnet, nach der Schlußerklärung des Versicherungsantrags sei dem Kläger bekannt, daß unter anderem wegen der Abschlußkosten bei Kün-

digung der Lebensversicherung in den ersten Jahren kein oder nur ein niedriger Rückkaufswert anfalle. Vor allem sei der Kläger gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG darüber belehrt worden, daß der Versicherungsvertrag auf der Grundlage der mit dem Versicherungsschein übersandten Unterlagen als abgeschlossen gelte, wenn er nicht innerhalb von 14 Tagen seit deren Zugang dem Vertrag widerspreche. Der Widerspruch des Klägers sei mithin verspätet. Auf die Wirksamkeit einzelner Klauseln ihrer Versicherungsbedingungen komme es insoweit nicht an.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg; dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch im wesentlichen zu.
1. Das Berufungsgericht führt unter Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts einleitend aus, weder aus der Berufungsbegründung noch aus den Akten ergäben sich Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründeten. Ferner seien keine Umstände ersichtlich , aus denen sich eine für die angefochtene Entscheidung erhebliche Rechtsverletzung ergebe. Insoweit sei es an eine vertretbare und rechtsfehlerfreie Auslegung und Wertung des Amtsgerichts - ungeachtet der eigenen Gewichtungstendenz - gebunden.

Der Kläger sei in drucktechnisch hervorgehobener Form über sein Widerspruchsrecht, den Fristbeginn sowie die Dauer der Widerspruchsfrist und damit ordnungsgemäß belehrt worden. Auch die von § 5a Abs. 1 VVG geforderten Unterlagen hätten am 7. Juli 1999 vollständig vorgelegen. Dagegen wende sich der Kläger auch nicht; er rüge vielmehr, daß die Spielräume der Beklagten bei der Ermittlung des auf die Versicherungsnehmer zu verteilenden Überschusses nicht deutlich gemacht würden. Eine möglicherweise intransparente Regelung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen habe aber nicht zur Folge, daß die 14tägige Frist für den Widerspruch (§ 5a Abs. 1 Satz 1 VVG) nicht in Lauf gesetzt werde (§ 5a Abs. 2 Satz 1 VVG).
2. Die Revision macht zunächst geltend, das Berufungsurteil unterliege schon deshalb der Aufhebung, weil es die Berufungsanträge auch dem Sinne nach nicht erkennen lasse; deren Wiedergabe sei aber auch nach der hier anzuwendenden Neufassung des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht entbehrlich (BGHZ 154, 99, 100 f.; Urteil vom 6. Juni 2003 - V ZR 392/02 - NJW-RR 2003, 1290 unter II 1 a; Urteil vom 25. Juni 2003 - IV ZR 322/02 - NJW-RR 2003, 1248 unter 1; Urteil vom 22. Dezember 2003 - VIII ZR 122/03 - unter 2, zur Veröffentlichung bestimmt

).


Dagegen wendet sich die Beklagte mit Recht. In den Gründen des Berufungsurteils wird als Ergebnis formuliert, das Amtsgericht habe den geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Beiträge zu Recht aberkannt. Diese mit keinerlei Einschränkungen versehene Formulierung setzt, da das Berufungsurteil nicht auf das Protokoll der Verhandlung vor dem Berufungsgericht, sondern nur auf die tatsächli-

chen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Bezug nimmt, voraus, daß der Kläger den aberkannten Anspruch unverändert mit der Berufung weiterverfolgt hat. Sonst hätte für das Berufungsgericht kein Anlaß bestanden , die Abweisung des - nach wie vor - "geltend gemachten Anspruchs" insgesamt für rechtmäßig zu erklären. Dieses Verständnis wird durch die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts zur Unwirksamkeit des vom Kläger erklärten Widerspruchs bestärkt. Nach den gesamten Umständen des Falles hält der Senat den Berufungsantrag hier für gerade noch hinreichend aus den Formulierungen des Berufungsurteils erkennbar.
3. Die Tatsachen, die diesem Rechtsstreit zugrunde liegen, nämlich der Versicherungsantrag des Klägers, die Übersendung des Versicherungsscheins vom 7. Juli 1999 nebst Anlagen sowie der Widerspruch des Klägers vom 7. Juli 2000 sind unstreitig. Soweit es für die auf 14 Tage nach Zugang aller Unterlagen beschränkte Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG darauf ankommt, daß der Versicherungsnehmer über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und deren Dauer "in drucktechnisch deutlicher Form" belehrt worden ist, hat das Berufungsgericht diese Voraussetzungen, zu denen sich das Amtsgericht in seinem Urteil nicht geäußert hatte, erstmals selbst geprüft und für erfüllt gehalten. Mithin kommt es auf die von der Revision angegriffene Ansicht des Berufungsgerichts , es sei an vertretbare und rechtsfehlerfreie Auslegungen und Wertungen des Amtsgerichts gebunden, im vorliegenden Fall nicht an. Darüber hinaus rügt die Revision vor allem, die Belehrung über das Widerspruchsrecht entspreche hier nicht den Anforderungen von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG und habe daher die Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG nicht in Lauf gesetzt. Die von der Beklagten erteilte Belehrung zeichne

sich zwar durch fettere Lettern als der übrige Text aus, sei aber nicht auf einem gesonderten Blatt niedergelegt oder an exponierter Stelle aufgeführt worden, wie etwa zu Beginn des Versicherungsscheins oder an dessen Ende unterhalb der Unterschriften der Beklagtenvertreter oder auch unterhalb der den Versicherungsnehmer interessierenden Abrechnung der Beiträge.
Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.

a) Die Beklagte hat dem Versicherungsschein Anlagen beigefügt, die sich - jeweils unter einer durch Unterstreichung hervorgehobenen Überschrift - zunächst mit den Garantiewerten, danach mit Allgemeinen Verbraucherinformationen und ferner mit Erläuterungen zum Versicherungsvertrag befassen. Dort schließt sich nach einem kurzen Abschnitt über die Vertragsgrundlagen in etwas fetteren Lettern als der vor- und nachstehende Text folgender Abschnitt an: Widerspruchsrecht Mit diesem Versicherungsschein haben Sie die Versicherungsbedingungen , die Verbraucherinformation, das Steuermerkblatt und das Merkblatt für die Datenverarbeitung erhalten. Der Versicherungsvertrag gilt auf der Grundlage dieser Unterlagen als abgeschlossen. Ab dem Zugang dieser Unterlagen haben Sie 14 Tage lang das Recht, diesem Vertrag zu widersprechen. Diese Belehrung entspricht den gesetzlichen Anforderungen jedenfalls aus den folgenden Gründen nicht:

b) § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG in der hier maßgebenden Fassung fordert für den Widerspruch ausdrücklich Schriftlichkeit und macht die Ein-

haltung dieser Form damit zur Voraussetzung für die Wirksamkeit des Widerspruchs (zu den Anforderungen im einzelnen vgl. Römer in Römer/ Langheid, VVG 2. Aufl. § 5a Rdn. 36). Die in § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG geforderte Belehrung über das Widerspruchsrecht schließt nach dem Sinnzusammenhang mit Abs. 1 Satz 1 eine Belehrung über die zur Wirksamkeit des Widerspruchs erforderliche Schriftform ein (OLG Oldenburg NVersZ 2002, 255, 256; vgl. auch OLG Braunschweig WM 2000, 814, 815; OLG Celle WM 2000, 816, 817 f.). Ein solcher Hinweis fehlt jedoch in der Belehrung der Beklagten, die sie im Zusammenhang mit der Zusendung der Police erteilt hat. Sie fehlt im übrigen auch in der vorangegangenen Belehrung über das Widerspruchsrecht, die die Beklagte unter der Überschrift "Schlußerklärung des Antragstellers und der zu versichernden Person" in das Formular des Versicherungsantrags aufgenommen hat. Allerdings könnte eine ausreichende Belehrung im Antrag die vom Gesetz vorgeschriebene Belehrung im Zusammenhang mit der Übersendung der Police ohnehin nicht ersetzen (Lorenz, VersR 1995, 616, 622).

c) Die Beklagte belehrt zwar über den Beginn und die Dauer der Widerspruchsfrist. Damit der Verbraucher die Frist ausschöpfen kann, ist aber der Hinweis unverzichtbar, daß die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs nach § 5a Abs. 2 Satz 3 VVG genügt. Auch darauf muß sich die Belehrung erstrecken (Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung 17. Aufl. VVG § 5a Rdn. 21; vgl. Prölss in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 8 Rdn. 46; Römer, aaO § 8 Rdn. 61).

d) Was die von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG geforderte drucktechnisch deutliche Form der Belehrung angeht, ist die Würdigung des Tatrichters

unvollständig. Er läßt unberücksichtigt, daß die Belehrung hier im Konvolut der übersandten Vertragsunterlagen nahezu untergeht. Sie wird dem Verbraucher weder gesondert präsentiert noch drucktechnisch so stark hervorgehoben, daß sie ihm beim Durchblättern der acht Seiten, aus denen allein der Versicherungsschein und seine Anlage bestehen, nicht entgehen könnte, selbst wenn er nicht nach einer Widerspruchsmöglichkeit sucht. Der für diese Belehrung benutzte Fettdruck wird auch für die Überschriften der anderen Unterabschnitte der Erläuterungen zum Versicherungsvertrag verwendet (wie "Vertragsgrundlagen", "Versicherungsdauer" , "Beitragszahlung" etc.) und hebt sich nicht wesentlich vom übrigen Text ab. Die Belehrung ist weder durch eine andere Farbe, Schriftart oder -größe noch durch Einrücken, Einrahmen oder in anderer Weise hervorgehoben. Die mitübersandten, anschließenden siebzehn Seiten mit Allgemeinen Versicherungsbedingungen und weiteren Hinweisen unterscheiden sich drucktechnisch ebenfalls nicht hinreichend von den vorangegangenen acht Seiten Vertragsunterlagen; damit werden die Möglichkeiten eines Verbrauchers, das Widerspruchsrecht und seine Voraussetzungen zu entdecken, noch weiter eingeschränkt, wenn er die ihm zugesandten Papiere nicht im einzelnen liest und zu verstehen versucht. Das wird der Bedeutung des Widerspruchsrechts nicht gerecht, mit dem der Verbraucher den Vertrag insgesamt und ungeachtet seiner zahlreichen Einzelheiten ablehnen kann. Die Widerspruchsbelehrung ist deshalb hier auch deswegen unwirksam, weil es an der von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG geforderten Deutlichkeit fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 1996 - X ZR 139/94 - NJW 1996, 1964 unter 2 b).
Die 14tägige Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG ist mithin nicht wirksam in Lauf gesetzt worden. Danach kommt es auf die

weiteren, vom Landgericht zurückgewiesenen und von der Revision wieder ins Feld geführten Bedenken hinsichtlich der Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen hier nicht mehr an.
4. Unstreitig ist der Widerspruch des Klägers innerhalb der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG schriftlich bei der Beklagten eingegangen. Der Widerspruch ist damit wirksam geworden; ein Versicherungsvertrag ist trotz der vom Kläger bereits gezahlten Prämien nicht zustande gekommen. Für die geleisteten Beitragszahlungen fehlt mithin ein Rechtsgrund. Der Kläger kann sie nach § 812 Abs. 1 BGB herausverlangen. Anhaltspunkte für einen Rechtsmißbrauch des Klägers sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Weiterhin verlangt der Kläger Herausgabe der Nutzungen, die die Beklagte aus den vom Kläger gezahlten Prämien gezogen hat. Der Anspruch rechtfertigt sich aus § 818 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat die vom Kläger behauptete Höhe dieser Nutzungen (7% Zinsen pro Jahr) nicht bestritten. Nach eigenem Vortrag hat der Kläger den zurückgeforderten Gesamtbetrag aber nicht insgesamt für das ganze Jahr im voraus gezahlt , sondern pro Monat jeweils 400 DM. Demgemäß waren auch die Nutzungen zu bemessen, die die Beklagte zu erstatten hat.
Darüber hinaus fordert der Kläger Verzugszinsen. Sein Widerspruch vom 7. Juli 2000 stellt keine Rechnung oder gleichwertige Zahlungsaufforderung im Sinne von § 284 Abs. 3 BGB in der vom 1. Mai 2000 bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung dar (vgl. Palandt/ Heinrichs, BGB 63. Aufl. § 286 Rdn. 2, 29). Die Beklagte ist durch ein Schreiben des vom Kläger beauftragten Geschäftsführers des Bundes

der Versicherten unter Fristsetzung bis zum 14. Dezember 2000 ge- mahnt worden. Erst von diesem Zeitpunkt an kann der Kläger nach der insoweit unverändert gebliebenen Vorschrift des § 288 Abs. 1 BGB einen Verzugszins von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz + ">§ 818 BGB verlangt, vom Beginn der Verzugszinspflicht an aber keine Nutzungsherausgabe mehr. Zusätzlich steht dem Kläger der von ihm weiterhin geforderte Be- " J+ ( "E "> ?K L M Terno Dr. Schlichting Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 318/08 Verkündet am:
25. November 2009
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
a)Dem Verbraucher steht, sofern nicht Treu und Glauben (§ 242 BGB) etwas anderes
gebieten, ein Widerrufsrecht nach § 312d BGB auch dann zu, wenn der Fernabsatzvertrag
nichtig ist.
b)Das Widerrufsrecht besteht auch bei einem wegen beiderseitiger Sittenwidrigkeit
nichtigen Fernabsatzvertrag, der den Kauf eines Radarwarngeräts zum Gegenstand
hat (Fortführung des Senatsurteils vom 23. Februar 2005 - VIII ZR 129/04,
NJW 2005, 1490).
BGH, Urteil vom 25. November 2009 - VIII ZR 318/08 - LG Aurich
AG Leer (Ostfriesland)
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. November 2009 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles und
Dr. Schneider

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 21. November 2008 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Nach einem am 1. Mai 2007 erfolgten Werbeanruf durch einen Mitarbeiter der Beklagten bestellte die Klägerin bei dieser am darauf folgenden Tag per Fax einen Pkw-Innenspiegel mit einer unter anderem für Deutschland codierten Radarwarnfunktion zum Preis von 1.129,31 € zuzüglich Versandkosten. Der von der Klägerin ausgefüllte Bestellschein enthält unter anderem den vorformulierten Hinweis: "Ich wurde darüber belehrt, dass die Geräte verboten sind und die Gerichte den Kauf von Radarwarngeräten zudem als sittenwidrig betrachten."
2
Die Lieferung des Geräts erfolgte per Nachnahme am 9. Mai 2007. Die Klägerin sandte am 19. Mai 2007 das Gerät an die Beklagte zurück und bat um Erstattung des Kaufpreises. Die Beklagte verweigerte die Annahme des Gerätes und die Rückzahlung des Kaufpreises.
3
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises zuzüglich 8,70 € Rücksendungskosten, insgesamt 1.138,01 € nebst Zinsen. Darüber hinaus hat sie beantragt, die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 155,30 € nebst Zinsen zu verurteilen und festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 19. Mai 2007 mit der Rücknahme des Gerätes in Annahmeverzug befindet.
4
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert. Es hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.138,01 € nebst Zinsen zu zahlen, und hat dem Feststellungsantrag entsprochen; im Übrigen hat das Landgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Zurückweisung der Berufung der Klägerin weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

6
Das Berufungsgericht hat, soweit im Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt:
7
Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises in Höhe von 1.129,01 € aus § 812 BGB und auf Zahlung weiterer 8,70 € gemäß § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB.
8
Zu Recht habe das Amtsgericht angenommen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag gemäß § 138 BGB nichtig sei. Verträge über den Kauf von Radarwarngeräten seien stets als sittenwidrig zu beurteilen, wenn - wie vorliegend - der Vertragszweck erkennbar auf eine Verwendung des Radarwarngerätes im Geltungsbereich der deutschen Straßenverkehrsordnung gerichtet sei. § 817 Satz 2 BGB stehe einer Rückforderung des Kaufpreises entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht entgegen. Zwar lägen die Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB dem Grunde nach vor, da der Klägerin die Radarwarnfunktion des Spiegels bekannt gewesen sei und die Beklagte in ihrem Bestellformular auf die Sittenwidrigkeit entsprechender Verträge hingewiesen habe. Der Beklagten sei es jedoch gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf § 817 Satz 2 BGB zu berufen. Die Berufung auf die Nichtigkeit eines Vertrages könne in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine unzulässige Rechtsausübung darstellen. Der Verbraucherschutz rechtfertige einen solchen Ausnahmefall. Die Sittenwidrigkeit des Vertragszwecks könne gesetzliche Regelungen mit verbraucherschützender Intention nicht ausschließen. Der von den Parteien geschlossene Kaufvertrag unterfiele den verbraucherschützenden Regelungen zum Fernabsatzvertrag gemäß § 312b ff. BGB, wenn er nicht wegen der Sittenwidrigkeit des Vertragszwecks nichtig wäre. Die Nichtanwendung der §§ 312b ff. BGB würde eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers bedeuten, wenn diesem im Rahmen der Geltendmachung seines gesetzlichen Widerrufs- und Rückgaberechts gemäß § 312d BGB die Sittenwidrigkeit des zugrunde liegenden Vertrages entgegengehalten werden könnte. Ein Verbraucher müsse auch dann, wenn er in der Situation des Fernabsatzes einen sittenwidrigen Vertrag schließe, die Möglichkeit haben, sich von dem Vertrag zu lösen. Diesen Schutz nicht zu gewähren, würde bedeuten, den redlichen Verkäufer schlechter zu stellen als den unredlichen, der aufgrund der Sittenwidrigkeit des Vertrages nicht zur Rücknahme der veräußerten Ware verpflichtet wäre. Dieser Wertungswiderspruch könne nur dadurch aufgelöst werden, dass der Verbraucher, welcher an einem sittenwidrigen Vertragsschluss beteiligt sei, sich über § 242 BGB auf verbraucherschützende gesetzliche Regelungen berufen könne.

II.

9
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Die Klägerin hat Anspruch auf Rückerstattung des für das Radarwarngerät gezahlten Kaufpreises und auf Rücknahme des Gerätes durch die Beklagte. Dieser Anspruch ergibt sich allerdings nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, aus § 812 BGB. Vielmehr steht der Klägerin ein gesetzlicher Rückabwicklungsanspruch aufgrund der Regelungen über das Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen zu (§ 346 Abs. 1 i.V.m. §§ 433, 312b, 312d, 355 ff. BGB). Dem steht die Nichtigkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags nicht entgegen.
10
1. Bei dem zwischen den Parteien aufgrund schriftlicher Bestellung seitens der Klägerin und Zusendung des Geräts durch die Beklagte zustande gekommenen Kaufvertrag über das Radarwarngerät handelt es sich um einen Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn der Vertrag hat die Lieferung einer Ware zum Gegenstand und wurde nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts zwischen einem Unternehmer (Beklagte) und einem Verbraucher (Klägerin) unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (§ 312b Abs. 2 BGB) geschlossen. Dies wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen.
11
2. Die Klägerin hat Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages gemäß § 346 Abs. 1 BGB. Bei einem Fernabsatzvertrag steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu (§ 312d Abs. 1 Satz 1 BGB), auf das die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt (§§ 346 ff. BGB) entsprechende Anwendung finden (§ 357 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Klägerin hat das Widerrufsrecht fristgerecht ausgeübt, indem sie das am 9. Mai 2007 gelieferte Radarwarngerät am 19. Mai 2007 an die Beklagte zurücksandte (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB), und ist deshalb an ihre auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie hat damit Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (§ 346 Abs. 1 BGB) zuzüglich der Kosten für die Rücksendung des Geräts (§ 357 Abs. 2 Satz 2 BGB).
12
3. Eine direkte Anwendung der Regelung über das gesetzliche Widerrufsrecht der Klägerin aus § 312d Abs. 1 BGB ist nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, deshalb ausgeschlossen, weil der Fernabsatzvertrag wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig ist. Auch bei einem nichtigen Fernabsatzvertrag besteht grundsätzlich das Widerrufsrecht des Verbrauchers. Ein Ausnahmefall, in dem dies nicht gelten würde, liegt hier nicht vor.
13
a) Der Kaufvertrag über den Erwerb eines Radarwarngeräts ist, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, nach der Rechtsprechung des Senats sittenwidrig und damit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn der Kauf nach dem für beide Seiten erkennbaren Vertragszweck auf eine Verwendung des Radarwarngeräts im Geltungsbereich der deutschen Straßenverkehrsordnung gerichtet ist (Urteil vom 23. Februar 2005 - VIII ZR 129/04, NJW 2005, 1490, unter II 1 b; zustimmend Emmerich, JuS 2005, 746 f.; Möller, EWiR 2005, 529; Singer, LMK 2005, II, 80 f.; Hardung, SVR 2005, 339 f.; Diehl, ZfS 2005, 442; Albrecht, DAR 2006, 481, 485; Hufnagel, NJW 2008, 621, 624; Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 138 Rdnr. 42; Staudinger/S. Lorenz, BGB (2007), § 817 Rdnr. 21; Martinek in: jurisPK-BGB, 4. Aufl., § 817 Rdnr. 28). Diese Voraussetzungen für die Nichtigkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags sind nach den rechtsfehlerfreien Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts erfüllt. Von der Nichtigkeit des Vertrags gehen auch die Parteien im Revisionsverfahren aus.
14
b) Das Recht der Klägerin, sich von dem Fernabsatzvertrag durch Widerruf ihrer Willenserklärung zu lösen, wird von der Nichtigkeit des Vertrags nicht berührt.
15
aa) Ob das Widerrufsrecht des Verbrauchers - jedenfalls grundsätzlich - auch bei einem unwirksamen Vertrag besteht, ist allerdings umstritten. Es wird die Auffassung vertreten, dass dies aus Gründen des Verbraucherschutzes zu bejahen sei, um dem Verbraucher die gegenüber einer kondiktionsrechtlichen Rückabwicklung günstigeren Rechtsfolgen der §§ 355, 346 ff. BGB zu erhalten (MünchKommBGB/Wendehorst, 5. Aufl., § 312d Rdnr. 13; MünchKommBGB/ Masuch, 5. Aufl., § 355 Rdnr. 28; Erman/Saenger, BGB, 12. Aufl., § 355 Rdnr. 20; v. Westphalen/Emmerich/v.Rottenburg, Verbraucherkreditgesetz, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 13; HK-BGB/Schulze, 6. Aufl., § 355 Rdnr. 5; Wildemann in: jurisPK-BGB, aaO, § 355 Rdnr. 7). Dagegen wird eingewandt, das Widerrufsrecht nach § 312d BGB setze einen wirksamen Fernabsatzvertrag voraus, da nur von einem wirksam geschlossenen Vertrag zurückgetreten werden könne und es den dogmatischen Strukturen des Vertragsrechts widerspreche, wenn auch nichtige Verträge nach den Rücktrittsvorschriften rückabgewickelt werden könnten (Staudinger/Thüsing, BGB (2005), § 312d Rdnr. 10; ebenso Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312d Rdnr. 17; Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 6. Aufl., § 495 BGB Rdnr. 53, zum Widerrufsrecht beim Verbraucherdarlehensvertrag).
16
bb) Der Senat hat die Frage, ob ein Widerrufsrecht unabhängig davon besteht, ob die Willenserklärung bzw. der Vertrag ansonsten wirksam ist, in seinem Urteil vom 17. März 2004 offen gelassen (VIII ZR 265/03, WM 2004, 2451, unter II 2 b und c). Er bejaht sie in Übereinstimmung mit der in der Kommentarliteratur überwiegend vertretenen Auffassung.
17
Der Sinn des Widerrufsrechts beim Fernabsatzvertrag besteht darin, dem Verbraucher ein an keine materiellen Voraussetzungen gebundenes, einfach auszuübendes Recht zur einseitigen Loslösung vom Vertrag in die Hand zu geben , das neben und unabhängig von den allgemeinen Rechten besteht, die jedem zustehen, der einen Vertrag schließt. Dies kommt etwa im Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. EG Nr. L 144 S. 19) zum Ausdruck, wonach das Widerrufsrecht nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Rechte des Verbrauchers berührt. Dementsprechend hat der Verbraucher etwa ein Wahlrecht, ob er einen Fernabsatzvertrag nach §§ 312d, 355 BGB mit der Rechtsfolge einer Rückabwicklung nach §§ 346 ff. BGB widerruft oder ob er den Vertrag - gegebenenfalls - wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung gemäß §§ 119 ff., 142 BGB anficht und sich damit für eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB entscheidet (ebenso v. Westphalen/Emmerich/ v.Rottenburg, aaO; Bülow/Artz, aaO). Es besteht unter dem Gesichtspunkt des bei einem Fernabsatzvertrag gebotenen Verbraucherschutzes kein Grund, den Verbraucher schlechter zu stellen, wenn der Fernabsatzvertrag nicht anfechtbar , sondern nach §§ 134, 138 BGB nichtig ist. Auch in einem solchen Fall rechtfertigt es der Schutzzweck des Widerrufsrechts, dem Verbraucher die Möglichkeit zu erhalten, sich von dem geschlossenen Vertrag auf einfache Weise durch Ausübung des Widerrufsrechts zu lösen, ohne mit dem Unternehmer in eine rechtliche Auseinandersetzung über die Nichtigkeit des Vertrages eintre- ten zu müssen. Auch bei einer etwaigen Nichtigkeit des Vertrages hat der Verbraucher deshalb grundsätzlich die Wahl, seine auf den Abschluss des Fernabsatzvertrags gerichtete Willenserklärung zu widerrufen oder sich auf die Nichtigkeit des geschlossenen Vertrags zu berufen.
18
Die dagegen vorgebrachten dogmatischen Einwände greifen nicht durch. Das begriffslogische Argument, nur ein wirksamer Vertrag könne widerrufen werden (Staudinger/Thüsing, aaO), berücksichtigt nicht, dass in der Zivilrechtsdogmatik seit langem anerkannt ist, dass auch nichtige Rechtsgeschäfte angefochten werden können (sog. Doppelwirkungen im Recht; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., Einl. zu §§ 104 ff. Rdnr. 80 m.w.N.; Bülow/Artz, aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Juni 1955 - V ZR 53/54, JZ 1955, 500). Für den Widerruf eines nichtigen Vertrages gilt unter dogmatischem Gesichtspunkt nichts Anderes als für dessen Anfechtung.
19
cc) Es ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen der Grundsatz, dass der Verbraucher auch einen nichtigen Fernabsatzvertrag widerrufen kann, einzuschränken ist. Denn ein Ausnahmefall , in dem die mit dem Widerrufsrecht verbundene Privilegierung des Verbrauchers nicht gerechtfertigt wäre, liegt hier nicht vor.
20
Nicht zu folgen vermag der Senat der Auffassung, dass der Verbraucher sich bei einer Nichtigkeit des Fernabsatzvertrags schon dann nicht auf sein Widerrufsrecht berufen könne, wenn er den die Vertragsnichtigkeit nach §§ 134, 138 BGB begründenden Umstand jedenfalls teilweise selbst zu vertreten habe (so MünchKommBGB/Masuch, aaO). Ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) kann nur unter dem Gesichtspunkt besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers in Betracht kommen, etwa bei arglistigem Handeln des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer (v. Westphalen/Emmerich/v.Rottenburg, aaO, Rdnr. 14). Arglistiges Handeln der Klägerin gegenüber der Beklagten liegt hier jedoch nicht vor. Vielmehr fällt bei dem nichtigen Kaufvertrag über das Radarwarngerät, wie unter 3 a ausgeführt , beiden Parteien - auch der Beklagten - ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2005, aaO, unter II 2). Unter diesen Umständen gebietet es der Gesichtspunkt von Treu und Glauben jedenfalls nicht, der Klägerin das Widerrufsrecht zu Gunsten der Beklagten vorzuenthalten. Ball Dr. Frellesen Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider
Vorinstanzen:
AG Leer (Ostfriesland), Entscheidung vom 28.04.2008 - 71 C 130/08 (I) -
LG Aurich, Entscheidung vom 21.11.2008 - 1 S 140/08 (138) -

Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.

(1) Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.

(2) Ein Widerrufsrecht besteht nicht bei Darlehensverträgen,

1.
die einen Darlehensvertrag, zu dessen Kündigung der Darlehensgeber wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers berechtigt ist, durch Rückzahlungsvereinbarungen ergänzen oder ersetzen, wenn dadurch ein gerichtliches Verfahren vermieden wird und wenn der Gesamtbetrag (Artikel 247 § 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) geringer ist als die Restschuld des ursprünglichen Vertrags,
2.
die notariell zu beurkunden sind, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Darlehensnehmers aus den §§ 491a und 492 gewahrt sind, oder
3.
die § 504 Abs. 2 oder § 505 entsprechen.

(3) Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen ist dem Darlehensnehmer in den Fällen des Absatzes 2 vor Vertragsschluss eine Bedenkzeit von zumindest sieben Tagen einzuräumen. Während des Laufs der Frist ist der Darlehensgeber an sein Angebot gebunden. Die Bedenkzeit beginnt mit der Aushändigung des Vertragsangebots an den Darlehensnehmer.

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.

(1) Der Darlehensgeber kann im Fall der vorzeitigen Rückzahlung eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden verlangen, wenn der Darlehensnehmer zum Zeitpunkt der Rückzahlung Zinsen zu einem gebundenen Sollzinssatz schuldet. Bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen gilt Satz 1 nur, wenn der gebundene Sollzinssatz bei Vertragsabschluss vereinbart wurde.

(2) Der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ist ausgeschlossen, wenn

1.
die Rückzahlung aus den Mitteln einer Versicherung bewirkt wird, die auf Grund einer entsprechenden Verpflichtung im Darlehensvertrag abgeschlossen wurde, um die Rückzahlung zu sichern, oder
2.
im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind.

(3) Bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen darf die Vorfälligkeitsentschädigung folgende Beträge jeweils nicht überschreiten:

1.
1 Prozent des vorzeitig zurückgezahlten Betrags oder, wenn der Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung ein Jahr nicht überschreitet, 0,5 Prozent des vorzeitig zurückgezahlten Betrags,
2.
den Betrag der Sollzinsen, den der Darlehensnehmer in dem Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung entrichtet hätte.

(1) Der Verbraucherdarlehensvertrag und die auf Abschluss eines solchen Vertrags vom Verbraucher erteilte Vollmacht sind nichtig, wenn die Schriftform insgesamt nicht eingehalten ist oder wenn eine der in Artikel 247 §§ 6 und 10 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben fehlt.

(2) Ungeachtet eines Mangels nach Absatz 1 wird der Verbraucherdarlehensvertrag gültig, soweit der Darlehensnehmer das Darlehen empfängt oder in Anspruch nimmt. Jedoch ermäßigt sich der dem Verbraucherdarlehensvertrag zugrunde gelegte Sollzinssatz auf den gesetzlichen Zinssatz, wenn die Angabe des Sollzinssatzes, des effektiven Jahreszinses oder des Gesamtbetrags fehlt.

(3) Ist der effektive Jahreszins zu niedrig angegeben, so vermindert sich der dem Verbraucherdarlehensvertrag zugrunde gelegte Sollzinssatz um den Prozentsatz, um den der effektive Jahreszins zu niedrig angegeben ist.

(4) Nicht angegebene Kosten werden vom Darlehensnehmer nicht geschuldet. Ist im Vertrag nicht angegeben, unter welchen Voraussetzungen Kosten oder Zinsen angepasst werden können, so entfällt die Möglichkeit, diese zum Nachteil des Darlehensnehmers anzupassen.

(5) Wurden Teilzahlungen vereinbart, ist deren Höhe vom Darlehensgeber unter Berücksichtigung der verminderten Zinsen oder Kosten neu zu berechnen.

(6) Fehlen im Vertrag Angaben zur Laufzeit oder zum Kündigungsrecht, ist der Darlehensnehmer jederzeit zur Kündigung berechtigt. Fehlen Angaben zu Sicherheiten, so können Sicherheiten nicht gefordert werden; dies gilt nicht bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen, wenn der Nettodarlehensbetrag 75 000 Euro übersteigt. Fehlen Angaben zum Umwandlungsrecht bei Immobiliar-Verbraucherdarlehen in Fremdwährung, so kann das Umwandlungsrecht jederzeit ausgeübt werden.

(7) Der Darlehensgeber stellt dem Darlehensnehmer eine Abschrift des Vertrags zur Verfügung, in der die Vertragsänderungen berücksichtigt sind, die sich aus den Absätzen 2 bis 6 ergeben.

(1) Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.

(2) Ein Widerrufsrecht besteht nicht bei Darlehensverträgen,

1.
die einen Darlehensvertrag, zu dessen Kündigung der Darlehensgeber wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers berechtigt ist, durch Rückzahlungsvereinbarungen ergänzen oder ersetzen, wenn dadurch ein gerichtliches Verfahren vermieden wird und wenn der Gesamtbetrag (Artikel 247 § 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) geringer ist als die Restschuld des ursprünglichen Vertrags,
2.
die notariell zu beurkunden sind, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Darlehensnehmers aus den §§ 491a und 492 gewahrt sind, oder
3.
die § 504 Abs. 2 oder § 505 entsprechen.

(3) Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen ist dem Darlehensnehmer in den Fällen des Absatzes 2 vor Vertragsschluss eine Bedenkzeit von zumindest sieben Tagen einzuräumen. Während des Laufs der Frist ist der Darlehensgeber an sein Angebot gebunden. Die Bedenkzeit beginnt mit der Aushändigung des Vertragsangebots an den Darlehensnehmer.

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.

(1) Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren.

(2) Der Unternehmer muss auch etwaige Zahlungen des Verbrauchers für die Lieferung zurückgewähren. Dies gilt nicht, soweit dem Verbraucher zusätzliche Kosten entstanden sind, weil er sich für eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene günstigste Standardlieferung entschieden hat.

(3) Für die Rückzahlung muss der Unternehmer dasselbe Zahlungsmittel verwenden, das der Verbraucher bei der Zahlung verwendet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist und dem Verbraucher dadurch keine Kosten entstehen.

(4) Bei einem Verbrauchsgüterkauf kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.

(5) Der Verbraucher trägt die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche von dieser Pflicht unterrichtet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen.

(6) Der Verbraucher ist nicht verpflichtet, die Waren zurückzusenden, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.

(7) Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können.

(8) Für die Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte gilt ferner § 327p entsprechend.

(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.

(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit

1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist,
2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat,
3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
Ist im Vertrag eine Gegenleistung bestimmt, ist sie bei der Berechnung des Wertersatzes zugrunde zu legen; ist Wertersatz für den Gebrauchsvorteil eines Darlehens zu leisten, kann nachgewiesen werden, dass der Wert des Gebrauchsvorteils niedriger war.

(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,

1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat,
2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre,
3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
Eine verbleibende Bereicherung ist herauszugeben.

(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.

(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.

(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.

(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.

(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht ausschließlich zuständig.

(2) § 33 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist auf Widerklagen der anderen Partei nicht anzuwenden.

(3) Eine von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.

Ist ein Zeitraum nach Monaten oder nach Jahren in dem Sinne bestimmt, dass er nicht zusammenhängend zu verlaufen braucht, so wird der Monat zu 30, das Jahr zu 365 Tagen gerechnet.

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30.07.2010 – Az. 16 O 188/10 – wird

zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert der Berufung. 43.395,39 EUR

Gründe

 
I.
Der Kläger ließ sich von der D. B. den Erwerb einer Immobilie finanzieren. Dazu schlug diese die Kombination mit einer Kapitallebensversicherung vor und vereinbarte sogleich für den Kläger einen Termin beim Versicherungsvermittler oder Außendienstmitarbeiter M.. Dieser besuchte den Kläger am 15.05.1989 in seiner Wohnung, wo jener auch den Lebensversicherungsantrag bei der W. Lebensversicherung-AG stellte, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten (Anl. B 1, Bl. 33 ff. d. A.). Danach beantragte der Kläger eine Kapitallebensversicherung mit einer Versicherungssumme von 100.000 DM für die Dauer von 30 Jahren, beginnend ab 01.06.1989, unter Einschluss einer Unfall-Zusatzversicherung zu monatlichen Beiträgen von zunächst 257,00 DM. Die Versicherung sollte eine Zuwachsversicherung sein, wonach Beiträge und Versicherungsleistung jährlich nach bestimmten Vorgaben ansteigen sollten. Bereits im Antrag wurde die Abtretung an die D. B. B. angegeben.
Unter Nr. 27 der Schlusserklärungen zum Antrag heißt es (Anl. B 1, Bl. 35 d. A.):
"Höhe des Rückkaufswertes
Mir ist bekannt, dass ein Teil der Beiträge bei kapitalbildenden Lebensversicherungen zunächst zur Deckung der vorzeitigen Versicherungsfälle, der Abschlusskosten und der Verwaltungskosten verbucht wird.
Deshalb können bei Kündigung der Lebensversicherung nicht die vollen eingezahlten Beiträge als Rückkaufswert ausbezahlt werden. Über die Entwicklung der Rückkaufswerte gibt eine dem Versicherungsschein beigefügte Tabelle Auskunft."
Die beantragte Versicherung policierte die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Schreiben vom 12.06.1989 (Anl. B 6, Bl. 150 ff. d. A.). Auf S. 2 f. des Anhangs zum Versicherungsschein finden sich ausführliche Erläuterungen zu den Rückkaufswerten und den beitragsfreien Versicherungssummen sowie der Hinweis, dass die Überschussbeteiligung die Rückkaufswerte und beitragsfreien Versicherungssummen erhöhen.
Nach Beitragsfreistellung ab 01.04.2004 kündigte der Kläger die Versicherung gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 06.08.2009 (Anl. B 2, Bl. 36 d. A.) sowie nochmals mit Schreiben vom 17.09.2009 (Anl. B 3, Bl. 37 d. A.) mit Zustimmung der D. B. zur Teilablösung des dortigen Hypothekendarlehens. Daraufhin zahlte die Beklagte zum 31.08.2009 den Rückkaufswert von 43.605,42 EUR an den Kläger aus.
Mit Anwaltsschreiben vom 06.04.2004 erklärte der Kläger der Beklagten gegenüber den "Widerspruch" und den „Widerruf“ und forderte Rückerstattung der Beiträge und Leistung von Nutzungs- sowie Schadensersatz (Anl. K 5, Bl. 19 ff. d. A.).
Der Kläger behauptet im wesentlichen, die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin habe ihn falsch beraten, insbesondere sei die Versicherung für ihn ungeeignet, da sie zu unflexibel und zu teuer sei. Denn statt der Prämienzahlung wären laufende Tilgungen aufgrund niedrigerer Darlehenszinsen günstiger gewesen. Überdies habe die Beklagte ihn nicht über die Nachteile einer vorzeitigen Kündigung, die Kostenstruktur, den Unterschied zwischen der garantierten Rendite und der Überschussbeteiligung, die Zillmerung und die Vertriebsprovision für den Vermittler M. in Höhe von 3 % aufgeklärt.
Bei richtiger Aufklärung hätte er statt der Kapitallebensversicherung eine Risikolebensversicherung mit einem Beitrag von 20,00 DM monatlich abgeschlossen. Von den übrigen 237,00 DM monatlich hätte er für 80,00 DM das Darlehen getilgt und den Rest für durchschnittlich 7 % angelegt. Daraus ergebe sich ein Schaden von 8.114,93 EUR.
Der Kläger ist der Ansicht, aufgrund der monatlichen Prämienzahlung handele es sich bei der Versicherung um einen Kredit in Form eines entgeltlichen Zahlungsaufschubes, weswegen ihm ein Widerrufsrecht zustehe. Aufgrund seines Widerrufs macht er zusätzlichen Nutzungsersatzanspruch in Höhe von 7 % geltend, die die Beklagte nach seiner Behauptung während der Laufzeit erwirtschaftet habe.
10 
Nach der mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 21.06.2010 hat der Kläger die Klage mit Schriftsatz vom 12.07.2010 (Bl. 70 ff. d. A.) um ca. 35.000,00 EUR erhöht. Ein höherer Schaden ergebe sich daraus, dass die Beiträge und Versicherungsleistungen um jährlich jeweils 4 % und zum 01.06.1994 sogar um 16 % erhöht worden seien.
11 
Im Übrigen wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 30.07.2010 – Az. 16 O 188/10 – Bezug genommen.
12 
Das Landgericht hat die mündliche Verhandlung nicht wieder eröffnet und die Klage abgewiesen, weil etwaige Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung jedenfalls nach § 12 VVG a. F. verjährt seien. § 499 BGB sei entgegen Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB nicht anwendbar, weil die Ansprüche bereits vor dem 31.12.2002 zu erfüllen gewesen seien. Die Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG und das Abzahlungsgesetz seien nicht anwendbar. Auch aus § 280 BGB i. V. m. § 4 PAngV stehe dem Kläger ein Schadensersatzanspruch nicht zu, da es sich bei dem Versicherungsvertrag nicht um einen Kredit in Form eines Zahlungsaufschubes handele. Überdies habe § 4 PAngV allein gewerbepolizeilichen Charakter und sei keine drittschützende Norm. Die Klageerhöhung sei nach § 296a ZPO unzulässig.
13 
Die Berufung verfolgt das Klagebegehren - inklusive Klageerweiterung - in vollem Umfang weiter.
14 
Das Landgericht habe die Klageerweiterung fehlerhaft nach § 296a ZPO zurückgewiesen. Denn es handele sich lediglich um eine quantitative Klageerweiterung i. S. d. §§ 263, 264 Nr. 2 ZPO. Die PAngV sei eine drittschützende Norm i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB. Auch aus einem Verstoß gegen die Verbraucherkreditrichtlinie ergebe sich ein Schadensersatzanspruch. Im Übrigen stützt sich die Berufung im Wesentlichen auf die bereits in erster Instanz dargelegten Rechtsansichten.
15 
Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 05.10.2010 [Bl. 109 f. d. A.]):
16 
1. Die Beklagte wird zur Zahlung an den Kläger von 43.395,39 EUR verurteilt zuzüglich Zinsen in Höhe 5 % über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit.
17 
2. Die Beklagte wird verurteilt, außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.573,73 EUR an den Kläger zu zahlen.
18 
Hilfsweise wird beantragt,
19 
1. die Beklagte wird zur Zahlung an den Kläger von 8.114,93 EUR verurteilt zuzüglich Zinsen in Höhe 5 % über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit.
20 
2. Die Beklagte wird verurteilt, außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.199,28 EUR an den Kläger zu zahlen.
21 
Die Beklagte beantragt (Schriftsatz vom 05.11.2010 [Bl. 140 d. A.]),
22 
die Berufung zurückzuweisen.
23 
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil
II.
24 
I. Zulässigkeit der Klage
25 
Die Klage ist zulässig.
26 
Die Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 12.07.2010 (Bl. 70 d. A.) in erster Instanz ist hingegen unzulässig, da sie nach der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2010 erfolgte. Zwar rügt die Berufung zu Recht, dass es sich bei einer Klageerweiterung nicht um ein Angriffsmittel im Sinne der §§ 296 f. ZPO, sondern mit dem neuen Antrag um einen "Angriff" selbst handelt. Aus dem aus §§ 261 Abs. 2, 257 ZPO abzuleitenden Verhandlungsgrundsatz ergibt sich jedoch auch, dass Anträge vor der mündlichen Verhandlung zu stellen sind (s. nur Zöller, Greger, § 296a, Rn. 2 a; Thomas/Putzo, Reichold, § 296a, Rn. 1). Daher sind auch neue Anträge nach Schluss der mündlichen Verhandlung unzulässig, wenn diese nicht wiedereröffnet wird (BGH, Urteil vom 19.04.2000, Az. XII ZR 334/97 = NJW 2000, 2512 zur Widerklage).
27 
Das Landgericht hat von einer Wiedereröffnung des Verfahrens auch nicht verfahrensfehlerhaft abgesehen. Ein Fall des § 256 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor. Auch sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Landgericht sein Ermessen zur Möglichkeit der Wiedereröffnung des Verfahrens nach § 256 Abs. 1 ZPO, ersichtlich fehlerhaft ausgeübt hätte. Insbesondere erfolgte die Klageerweiterung nicht im Rahmen eines nach § 283 ZPO nachgelassenen Schriftsatzes. Denn die in der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2010 gesetzte Frist bezog sich lediglich auf die Mitteilung über die Annahme des Vergleichsvorschlages.
28 
Auch in zweiter Instanz ist die Klageerweiterung unzulässig. Denn es handelt sich bei der Klageerweiterung um eine Klageänderung i. S. d. § 263 ZPO, die nicht auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO).
29 
Die Klageerweiterung ist eine Klageänderung und nicht nur eine – stets zulässige – bloße Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO, da die Klage nicht ohne Änderung des Klagegrundes erweitert worden ist. Denn sie ist auf die neuen Tatsachen gestützt, dass die Prämien und Erträge sich durch die vereinbarte Dynamik während der Laufzeit in bestimmter Höhe erhöht haben.
30 
Diese neuen Tatsachen sind der Entscheidung nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht zugrunde zu legen, da der Kläger sie in erster Instanz nicht rechtzeitig, sondern erst mit Schriftsatz vom 12.07.2010 (Bl. 70 ff. d. A.) nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 21.06.2010 geltend gemacht hat. Der Kläger hat keine Gründe für die verspätete Geltendmachung vorgetragen. Die behauptete Erhöhung ergibt sich auch nicht bereits aus Versicherungsantrag und -schein. Dort ist für die Versicherung zwar ein dynamischer Zuwachs von Leistung und Beitrag ausgewiesen. Daraus geht aber nicht hervor, in welchen Jahren Zuwächse in welcher Höhe erfolgten.
31 
II. Begründetheit der Klage
32 
Die Klage ist unbegründet.
33 
1. Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Auskunfts- bzw. Beratungspflicht
34 
Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen Verletzung von Auskunfts- oder Beratungspflichten beim Abschluss des Lebensversicherungsvertrages aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 241 BGB.
35 
a) Kein Beratungsvertrag, lediglich vorvertragliche Auskunftspflichten
36 
Entgegen der Auffassung des Klägers hat er mit der Beklagten keinen Beratungsvertrag zum Abschluss einer Lebensversicherung geschlossen. Zwar hat er zunächst vorgetragen, nach einer allgemeinen Beratung zur Vermögensanlage und Altersversorgung ersucht zu haben. Von einem Beratungsvertrag ist auszugehen, wenn Auskünfte erteilt werden, die für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung sind und die er zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse oder Maßnahmen machen will. Das gilt insbesondere dann, wenn der Auskunftsgeber sachkundig ist oder erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse an der Beratung hat (BGH, Urteil vom 22.03.1979, VII ZR 259/77 = BGHZ 74, 103, zitiert nach Juris, Rn. 21 f.).
37 
Dennoch ist - falls der Zeuge M. entsprechend der Bezeichnung im Antrag (Anlage B 1, Bl. 33 d. A.) tatsächlich als Vermittler tätig wurde - allenfalls von einem Versicherungsvermittlungsvertrag auszugehen. Denn dieser liegt vor, wenn sich ein Interessent in dem Bewusstsein an einen Vermittler wendet, dass dieser den Vertrieb übernommen hat und deswegen werbende Aussagen im Vordergrund stehen (BGH, Urteil vom 13.05.1992, Az. III ZR 25/92, zit. nach Juris Rn. 13 f.). Für den Fall, dass der Zeuge M. Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten war, liegt lediglich ein Versicherungsvertrag mit vorvertraglichen Auskunftspflichten nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB vor. Denn der Kläger hat seinen Vortrag dahingehend korrigiert, dass die D. B. eine Immobilienfinanzierung über eine Kapitallebensversicherung vorgeschlagen und diesbezüglich bereits einen Termin vereinbart habe. Nach einer Beratung der D. B. sollten lediglich die Voraussetzungen für die Immobilienfinanzierung nach dem Vorschlag der Bank geschaffen werden. Die Frage einer geeigneten Vermögensanlage oder Altersversicherung stellte sich nicht mehr.
38 
b) Keine Verletzung von Auskunftspflichten
39 
Bei dem Gespräch vom 15.05.1989 in der Wohnung des Klägers verletzte die Beklagte ihm gegenüber durch den Zeugen M. keine vorvertraglichen Auskunftspflichten.
40 
aa) Keine Verletzung von Beratungs- und Informationspflichten nach §§ 6 f. VVG n. F. i. V. m. VVG-InfoV
41 
Die Beklagte verletzte schon deshalb keine Beratungs- und Informationspflichten nach §§ 6 f. VVG n. F. sowie der auf der Grundlage des § 7 Abs. 2 VVG n. F. erlassenen Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-InfoV), weil diese für den streitgegenständlichen Vertrag noch nicht maßgebend waren. Denn es handelt sich bei dem mit Wirkung zum 01.06.1989 abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag um einen Altvertrag nach Art. 1 EGVVG, auf den das VVG in alter Fassung anzuwenden ist.
42 
bb) Keine Verletzung allgemeiner Beratungs- und Aufklärungspflichten
43 
Die Beklagte hat durch den Zeugen M. aber auch keine sonstigen, allgemeinen Beratungs- und Aufklärungspflichten nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB verletzt.
44 
(1) Keine Empfehlung ungeeigneter „Anlageform"
45 
Die Beklagte hat nicht gegen die Pflicht verstoßen, dem Kläger eine geeignete Anlageform anzubieten. Zum einen bestand - nach der Korrektur des klägerischen Vortrages aus der Klageschrift - bereits kein Beratungsvertrag (s.o.), wonach die Beklagte ihm ein seinem Bedarf entsprechend geeigneteres Anlage- bzw. Versicherungsangebot unterbreiten musste.
46 
Zum anderen besteht – abgesehen von den im alten Recht noch nicht geltenden Beratungspflichten nach §§ 6 f. VVG n.F. – im Versicherungsrecht der Grundsatz der umfassenden Eigeninformationspflicht des Versicherungsnehmers (Prölss/Martin, 27. Aufl. 2004, Prölss, Vor §§ 159 ff. VVG, Rn. 45), wonach besondere Informationspflichten regelmäßig nur auf Fragen des Versicherungsnehmers bzw. dann bestehen, wenn für den Versicherer aus anderen Gründen erkennbar weiterer Informationsbedarf des Versicherungsnehmers besteht (OLG Stuttgart, Urteil vom 09.06.2004, Az. 7 U 211/03 = VersR 2004, 1161; OLG Frankfurt, Urteil vom 30.01.2002, Az. 7 U 108/01). Zwar wird man im Bereich der Lebensversicherungen, insbesondere Kapitallebensversicherungen, wegen ihrer regelmäßig höheren wirtschaftlichen Bedeutung und Komplexität eher Anlass für erhöhten Informationsbedarf anzunehmen haben. Dies gilt jedoch umso weniger, je sachkundiger der Versicherungsnehmer ist und je genauer er seine Wünsche formuliert (Prölss/Martin a.a.O., Rn. 46).
47 
Für den den Antrag aufnehmenden Zeugen M. war vor diesem Hintergrund kein weiterer Beratungsbedarf über die Anlage- bzw. Versicherungsform erkennbar, da der Kläger auf Vorschlag der D. B. konkret eine Kapitallebensversicherung zur Immobilienfinanzierung wollte. Die Beklagte konnte vielmehr davon ausgehen, dass der Kläger durch die D. B. bereits ausreichend beraten war. Danach war sie erst recht nicht verpflichtet, über alternative Gestaltungsmöglichkeiten wie etwa eine Risikolebensversicherung nebst Sparvertrag zu beraten (so auch OLG Köln, Urteil vom 04.06.2007, Az. 5 U 21/07 = VersR 2007, 1683).
48 
(2) Keine fehlende Aufklärung über Vertriebsprovision
49 
Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, den Kläger über eine Provision für den Zeugen M. von bis zu 3 % aufzuklären. Zwar hat der BGH im Rahmen der so genannten "Kick-Back-Rechtsprechung" eine grundsätzliche Verpflichtung für Anlageberater statuiert, über die Zahlung umsatzabhängiger Innenprovisionen aufzuklären (siehe nur die zusammenfassende Darstellung von Jansen/Rensen in MDR 2010, 661 ff.). Angesichts der völlig unterschiedlichen Zielrichtung der Aufklärungspflichten der Versicherer über ihre Produkte sowie ihrer unterschiedlichen Interessenlage im Vergleich zu freien Anlageberatern sind aber entgegen der Auffassung des Klägers unter Hinweis auf Schwintowski (VuR 97, 83) nicht alle Beratungspflichten aus einem Anlageberatungsvertrag auch auf den Abschluss von Versicherungsverträgen übertragbar (so auch Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. 2010, Prölss, § 6, Rn. 3). Sonst hätte es auch der speziellen Konstitution der Informationspflichten in §§ 6 ff. VVG n. F. und der darauf erlassenen VVG-InfoV nicht bedurft.
50 
Selbst unter Anwendung der "Kick-Back-Rechtsprechung" wäre die Beklagte jedoch zur Aufklärung über die Provision nicht verpflichtet gewesen. Denn die Informationspflicht ergibt sich aus der Notwendigkeit, den Interessenten mögliche Interessenkonflikte der Berater bewusst zu machen, wenn diese Anlageempfehlungen nicht nur nach den Kriterien anleger- und objektgerechter Beratung, sondern zumindest auch im eigenen Interesse zum Erhalt hoher Rückvergütungen geben (BGH, Urteil vom 22.03.2007, Az. III ZR 218/06 = VersR 2007, 944). Entsprechende Interessenkonflikte setzen aber zum einen eine gewisse Höhe der Rückvergütungen und zum anderen voraus, dass es sich um eine unabhängige Beratung allein im Kundeninteresse handeln sollte. Selbst wenn der BGH eine Information inzwischen auch dann für erforderlich hält, wenn die Innenprovisionen niedriger als „übliche“ 15 % sind (so noch im Urteil vom 12.02.2004, Az. III ZR 359/02 = BGHZ 158, 110), dürfte dies bei lediglich 3 % noch nicht erforderlich sein.
51 
Selbst freie Anlageberater müssen jedoch bei Ausweis allgemeiner Eigenkapitalbeschaffungskosten nicht ungefragt über erwartete Provisionen aufklären, wenn die Kunden selbst keine Provision zahlen, da sie für die Kunden offensichtlich mit der Beratung ihr Geld verdienen (BGH, Urteil vom 15.04.2010, Az. III ZR 196/09). Für bloße Vermittler gilt dies erst recht. Überdies geht aus dem Hinweis unter Nr. 27 des Antrages hervor, dass dem Versicherer Abschlusskosten entstehen. Die Zahlung von Vermittlungsprovisionen konnte also aus dem Antrag abgeleitet werden.
52 
Sollte der Zeuge M. nicht Versicherungsvermittler, sondern Mitarbeiter der Beklagten gewesen sein, war eine unabhängige Beratung bereits objektiv nicht zu erwarten, sondern nur eine auch am Interesse der Beklagten orientierte Aufklärung.
53 
(3) Keine Aufklärungspflichtverletzung hinsichtlich der Nachteile vorzeitiger Kündigung
54 
Auch wenn die Nachteile der vorzeitigen Kündigung einer Kapitallebensversicherung durchaus zu den Punkten gehören, denen nach der Verkehrsanschauung für den Abschluss eines Versicherungsvertrages wesentliche Bedeutung beigemessen wird und die daher zu erläutern sind [vgl. nur die Urteile des Senats vom 09.06.2004, Az. 7 U 211/03 = VersR 2004, 1161 und vom 17.09.2009, Az. 7 U 75/09 unter(2)(a)(aa)], hat die Beklagte gegen eine entsprechende Aufklärungspflicht nicht verstoßen. Denn die Beklagte hat bereits im Versicherungsantrag unter Nr. 27 (Anlage B 1, Bl. 35 d. A.) darauf hingewiesen, dass mit einem Teil der Versicherungsbeiträge zunächst Kosten gedeckt und sie deswegen bei Kündigung nicht voll, sondern nur in Höhe der Rückkaufswerte entsprechend beigefügter Tabelle zurück bezahlt werden können. Damit hat die Beklagte selbst dann hinreichend deutlich über etwaige Nachteile vorzeitiger Kündigung hingewiesen, wenn der Zeuge M. diese nicht mehr im Einzelnen ausgeführt haben sollte. Denn angesichts der konkret ins Auge gefassten Kapitallebensversicherung zur Immobilienfinanzierung war weiterer Beratungsbedarf nicht erkennbar.
55 
Dies gilt selbst unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Anlageberatung, dass die Informationen im Emissionsprospekt dann nicht ausreichen, wenn dieser nicht einige Zeit vor Bezeichnung der Anlage übergeben wird (OLG Hamm, Urteil vom 26.03.2003, Az. 8 U 170/02 = BKR 2003, 807; OLG Bamberg, Az. 3 U 17/06, zit. unter becklink 221480). Denn anders als bei regelmäßig umfangreichen Emissionsprospekten handelt es sich bei den wenigen Hinweisen im Antragsformular um schnell überschaubare Informationen. Die Beklagte durfte davon ausgehen, dass der Kläger sie zur Kenntnis nimmt und dabei gegebenenfalls aufkommende Fragen stellt.
56 
(4) Keine Verletzung einer Aufklärungspflicht über Zillmerung und Überschussbeteiligung
57 
Über die Zillmerung und die Funktionsweise der Lebensversicherung im Hinblick auf die Überschussbeteiligung musste die Beklagte den Kläger ebenfalls nicht weiter aufklären. Denn bei dem Versicherungsvertrag handelt es sich um einen Altvertrag aus der Zeit vor der so genannten Deregulierung ab 29.07.1994. Für den Vertrag erfolgte die Bestimmung der Abzüge für die Rückkaufswerte ebenso wie die Festsetzung der jährlichen Boni der Überschussanteile nach dem genehmigten Geschäftsplan im Sinne des § 176 Abs. 3, Abs. 4 VVG a.F. (vgl. § 4 Nr. 3 sowie § 16 Nr. 7 der Versicherungsbedingungen, Anlage K 2, Bl. 16 ff. der Akte). Im Urteil vom 23.11.1994 (Az. IV ZR 124/93 = BGHZ 124, 54, zit. nach Juris, Rn. 30 ff.) hat der BGH ausgeführt, dass selbst solche Klauseln in Versicherungsbedingungen, die für den durchschnittlichen, mit der Materie nicht besonders vertrauten Versicherungsnehmer deswegen nicht verständlich sind, weil sie nur auf den von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplan verweisen, nicht gegen das Transparenzgebot des § 9 Abs. 1 AGBG (entspricht § 307 Abs. 1 BGB) verstoßen. Denn Sinn des Transparenzgebotes sei es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Versicherungsnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein ausreichender Schutz werde jedoch durch die regelmäßige Überprüfung der Geschäftspläne durch die Aufsichtsbehörde sichergestellt.
58 
Einer besonderen Aufklärung über die Nachteile vorzeitiger Kündigung, die Zillmerung und die Überschussbeteiligung bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht (ähnlich auch OLG Köln, Urteil vom 19.12.2001, Az. 5 U 142/01 = VersR 2002, 600), da andernfalls die Aufklärungspflichten der Versicherer überspannt und die Rechtsprechung zur Wirksamkeit der Versicherungsbedingungen für Altverträge ins Leere laufen würden (so auch LG Köln, Urteil vom 11.09.2008, Az. 37 O 553/08).
59 
d) Verjährung
60 
Die Frage der Verjährung des geltend gemachten Anspruchs stellt sich somit nicht mehr, da eine der Beklagten zurechenbare Pflichtverletzung nicht festzustellen ist. Im übrigen wäre insoweit allerdings nicht die kurze Verjährungsfrist nach §12 Abs.1 VVG a.F. heranzuziehen gewesen, weil der Kläger kein Erfüllungsinteresse geltend macht ( BGH, Beschluss vom 16.12.2009, IV ZR 195/09, VersR 2010, 373).
61 
2. Bereicherungsansprüche nach Widerruf des Vertrages
62 
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Herausgabe der Beiträge nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB sowie Nutzungsersatz nach § 818 Abs. 1, 1. Alt. BGB, weil er den Versicherungsvertrag widerrufen und aus diesem Grund die Beiträge ohne rechtlichen Grund gezahlt hätte.
63 
Ein Widerrufsrecht stand dem Kläger nicht zu.
64 
a) Kein Widerrufsrecht aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 HTürGG
65 
Der Kläger konnte den Vertrag nicht nach § 1 Abs. 1 Nr 1 des Gesetzes über Haustürgeschäfte und ähnliche Geschäfte (HTürGG) in der Fassung vom 16.01.1986 widerrufen, obwohl er den Antrag im Verlaufe des Gespräches mit dem Zeugen M. am 15.05.1989 in seiner Wohnung gestellt hat. Denn das HTürGG ist nach § 6 Nr. 2 auf Versicherungsverträge nicht anwendbar.
66 
b) Kein Widerrufsrecht aus §§ 499 Abs. 1, 495 Abs. 1 BGB
67 
Der Kläger war auch nicht nach §§ 499 Abs. 1, 495 Abs. 1 BGB (a. F., vgl. Art. 229 § 22 Abs. 3, § 5 Satz 2 EGBGB) zum Widerruf nach § 355 BGB berechtigt.
68 
Dies ergibt sich – entgegen der Auffassung des Landgerichts – zwar nicht bereits daraus, dass §§ 488 ff. BGB i. d. F. d. Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes nicht anwendbar sind, weil die Ansprüche bereits vor dem 31.12.2002 zu erfüllen waren. Denn das vom Landgericht zitierte BGH-Urteil ( BGH NJW-RR 2008, 172) bezog sich auf Erfüllungsansprüche. Dort wird zum Ausdruck gebracht, Sinn des Art. 229 § 2 Abs. 5 EGBGB sei die mögliche Anpassung von Dauerschuldverhältnissen an die neue Rechtslage. Bei bereits abgeschlossenen Sachverhalten – fälligen Erfüllungsansprüchen – bedürfe es aber keiner Anpassung (BGH, Urteil vom 13.07.2007, Az. V ZR 189/06 = NJW-RR 2008, 172). Soweit Dauerschuldverhältnisse am 31.12.2002 indes noch gestaltbar waren, ist für eine teleologische Reduktion des 229 § 2 Abs. 5 EGBGB kein Raum.
69 
Ein Widerrufsrecht aus §§ 499 Abs. 1, 495 Abs. 1 BGB stand dem Kläger aber deswegen nicht zu, weil die Beklagte ihm mit der Möglichkeit der monatlichen anstatt der jährlichen Beitragszahlung keinen entgeltlichen Zahlungsaufschub zu den Verbindlichkeiten aus dem Versicherungsvertrag gewährte.
70 
Ein Zahlungsaufschub ist das Hinausschieben der vereinbarten Fälligkeit der vom Verbraucher geschuldeten Zahlung gegenüber der sich aus dem dispositiven Recht ergebenden Leistungszeit, um ihm die Zahlung des vereinbarten Preises zu erleichtern (BGH, Urteil vom 11.07.1996, Az. III ZR 242/95 = NJW-RR 1996, 1266; MüKo, Schürnbrand, § 499 BGB, Rn. 8), wobei eine bloße Fälligkeitsvereinbarung nicht genügt (Palandt, Weidenkaff, Vor § 499 BGB, Rn. 3).
71 
Generell ist bei Dauerschuldverhältnissen davon auszugehen, dass die Zahlung entsprechend der Leistung der ständig neu entstehenden Leistungspflichten während der Dauer der Rechtsbeziehung zu erfolgen hat. Daher liegt kein Zahlungsaufschub vor, wenn der Anbieter der Leistung nach Zeitabschnitten gestaffelte Tarife gewährt, auch wenn sie unterschiedlich hoch sind, solange er damit nicht zugunsten des Zahlungsverpflichteten vom dispositiven Recht abweicht (BGH, Urteil vom 16.11.1995, Az. I ZR 177/93 = NJW 1996, 457; BGH, Urteil vom 11.07.1996, Az. III ZR 242/95 = NJW-RR 1996, 1266). Entwickelt hat der BGH diesen Grundsatz zwar für Dienstverträge, deren Vergütung nach § 614 BGB ohnehin nach Leistung der Dienste bzw. nach Ablauf der jeweiligen Zeitabschnitte zu entrichten ist.
72 
Auch bei Versicherungsverträgen, bei denen der Versicherer für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit kontinuierlichen Versicherungsschutz bietet, handelt es sich aber um vergleichbare Dauerschuldverhältnisse.
73 
Die Parteien haben keine zugunsten des Klägers vom dispositiven Recht abweichende Bestimmung der Fälligkeit vorgenommen. Sie vereinbarten schlicht von vornherein monatlich fällige Prämien, ohne von einer nach dispositivem Recht vorgesehenen – im voraus – jährlichen Fälligkeit abzuweichen. Denn eine solche gesetzliche Regelung gibt es nicht. Die einzige gesetzliche Fälligkeitsregelung für Versicherungsprämien findet sich in § 35 VVG a.F. Dieser bezieht sich jedoch nur auf Einmal- bzw. Erstprämien. Fälligkeitsregelungen zu Folgeprämien trifft das VVG nicht (Hahn in: Beckmann/Matusche-Beckmann VersR-Hdb., 2. Aufl. 2009, § 12, Rn. 26; Wandt, VersR, 4. Aufl. 2009, Rn. 507 zwar jeweils zum neuen, aber materiell insoweit unveränderten Recht; s. auch Hadding, VersR 2010, 697 [700 f.]; Looschelders, VersR 2010, 977 [979 f.]).
74 
Etwas anderes ergibt sich - entgegen der Auffassung der Berufung - auch nicht aus § 9 VVG a.F. Danach gilt zwar als Versicherungsperiode, falls die Prämie nicht nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres. Die Versicherungsperiode enthält jedoch keine Regelung zur Fälligkeit der jeweiligen Prämien, sondern dient hinsichtlich der Prämien lediglich als Bemessungsgrundlage, also ihrer Berechnung (Fausten in: Langheid/Wandt, § 12 VVG, Rn. 18; Hadding, VersR 2010, 697 [700]; Looschelders, VersR 2010, 977 [979 f.]; Wandt, VersR, 4. Aufl. 2009, Rn. 499). Der Versicherungsperiode ist auch keine Bestimmung der Leistungszeit im Sinn des § 271 Abs. 1 BGB zu entnehmen. Die Bemessung der Prämie anhand der Versicherungsperiode beruht letztlich auf Praktikabilitätserwägungen, da die Prämien insbesondere bei Zeitversicherungen und auf unbestimmte Zeit laufenden Versicherungen auf irgendeiner objektiven Grundlage berechnet werden müssen (vgl. auch Fausten aaO, Rn. 5). Darüber hinausgehende, materiellrechtliche Wirkungen zur Fälligkeit sind an sie nicht geknüpft.
75 
Die abweichende Ansicht, dass sich aus § 9 VVG a. F. eine Fälligkeitsregelung ergibt, wonach die Prämien entsprechend der – üblicherweise – jährlichen Versicherungsperiode jährlich im Voraus fällig werden (MüKo, Schürnbrand, § 499 BGB, Rn. 10; Staudinger 2004, Kessal-Wulf, § 499 BGB, Rn. 9) verkennt den Unterschied zwischen Bemessungsgrundlage und Fälligkeit. Auch aus § 271 Abs. 1 BGB lässt sich nicht auf die Fälligkeit der Beiträge für die gesamte Versicherungsperiode zu deren Beginn schließen. Denn § 271 Abs. 1 BGB sieht die sofortige Fälligkeit nicht als Grundsatz vor, von dem eine Abweichung möglich ist, sondern lediglich subsidiär für den Fall, dass vertragliche Vereinbarungen nicht bestehen (so auch MüKo, Krüger, § 271 BGB, Rn. 1, 33; nach Looschelders, VersR 2010, 977 [980] passt § 271 BGB auf Dauerschuldverhältnisse schlicht nicht). Im gleichen Sinn ist § 9 VVG a.F. als eine im Zweifelsfall zur Auslegung eines Versicherungsvertrages heranzuziehende Norm anzusehen (Berliner Kommentar zum VVG § 9 Rn. 1, Bruck/ Möller, VVG, 9.A. § 12 Rn 2).
76 
Hier haben die Parteien eine Vereinbarung zur monatlichen Fälligkeit im Versicherungsvertrag getroffen. Dabei handelt es sich nicht um eine Abweichung vom dispositiven Recht, sondern um dessen Ausfüllung.
77 
Deswegen lässt sich daraus, dass Versicherungsverträge aus dem Anwendungsbereich weder des Verbraucherkreditgesetzes noch des § 499 BGB a. F. (und auch nicht des § 506 BGB n. F.) nicht ausdrücklich ausgenommen sind, entgegen der Berufung, auch kein Schluss auf einen entgeltlichen Zahlungsaufschub bei unterjähriger Prämienzahlung ziehen. Denn ein Ausschluss wäre nur erforderlich gewesen, wenn die Voraussetzungen der Anwendung des Gesetzes sonst gegeben wären. Daher hat der Gesetzgeber folgerichtig lediglich in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 11/5462 S. 17) darauf hingewiesen, dass Dauerschuldverhältnisse mit eigenen Tarifen für unterschiedliche Zahlungsweise wie etwa Versicherungsverträge nicht in den Anwendungsbereich fallen.
78 
Entgegen der Auffassung der Berufung lässt sich auch dem Anerkenntnisurteil des Bundesgerichtshofs vom Juli 2009 (Az. I ZR 122/07, Anl. K 8, Bl. 58 d. A.), mit dem das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 18.01.2006 (Anlage K 7, Bl. 49 ff. d. A.) wieder hergestellt wurde, nicht entnehmen, dass der BGH bei unterjähriger Prämienzahlung von einem entgeltlichen Zahlungsaufschub ausgeht. Zum einen ging es im dortigen Verfahren um einen Anspruch auf Unterlassung, und zwar einer anderslautenden Klausel. Zum anderen kann das Anerkenntnis auf gänzlich anderen Gesichtspunkten beruhen.
79 
c) Kein Widerrufsrecht aus § 1 b Abs. 1 AbzG
80 
Auch aus § 1b Abs. 1 AbzG steht dem Kläger kein Widerrufsrecht zu, da das Abzahlungsgesetz weder nach § 1 AbzG noch nach § 1c AbzG auf Versicherungsverträge anwendbar ist. Auch aus dem vom Kläger zitierten Urteil des OLG Stuttgart vom 01.04.1980 (Az. 6 U 184/79 = NJW 1980, 1798) lässt sich nichts anderes ableiten. Denn auch wenn § 1c AbzG danach entsprechend dem Schutzzweck weit auszulegen ist, setzt die Anwendung jedenfalls einen Zusammenhang zu einem Vertrag über den Bezug von Waren voraus.
81 
3. Schadensatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung von in Schutzgesetzen formulierten Nebenpflichten
82 
Der Kläger hat auch keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus Nebenpflichtverletzungen wegen Verstößen gegen Schutzgesetze.
83 
a) Kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 4 PAngV
84 
Der Kläger hat keinen Schadenersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Nichtangabe des effektiven Jahreszinses unter Verstoß gegen § 4 PAngV idF vom 14.10.1992. Entgegen der Auffassung des Landgerichts scheitert der Anspruch nicht daran, dass § 4 PAngV a. F. kein Schutzgesetz wäre – soweit es darauf überhaupt ankommt. Die PAngV dient vornehmlich der Verbraucherinformation und damit jedenfalls auch dem den jeweiligen Vertrag schließenden Verbraucher. Die vom Landgericht hervorgehobene ordnungsrechtliche Funktion steht lediglich daneben (vgl. auch Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG28. Auflage 2010, Vorbem. § 1 PAngV, Rn. 2; an Regelungsgehalt und Charakter hat sich insoweit nichts geändert).
85 
Die Beklagte hat durch die Nichtangabe des effektiven Jahreszinses aber nicht gegen § 4 Abs. 1 PAngV verstoßen, weil es sich bei dem Versicherungsvertrag trotz der vereinbarten unterjährigen Prämienzahlung nicht um einen Kredit i. S. d. § 4 PAngV handelt. Denn das ist eine entgeltliche Finanzierungshilfe in Form eines Darlehens, eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs oder einer sonstigen entgeltlichen Finanzierungshilfe (entsprechend Art. 1 Abs. 2 c) der RL 87/102/EWG, vgl. auch Hadding, VersR 2010, 697 f.; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG 28. Auflage 2010, § 6 PAngV, Rn. 3).
86 
Vorliegend könnte es sich allenfalls um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub handeln. Das ist, wie oben unter 2.b) dargelegt, nicht der Fall.
87 
b) Kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 4 Abs. 2 a) RL 87/102/EWG vom 22.12.1986
88 
Dem Kläger steht auch wegen der Verletzung der Pflicht zur Angabe des Effektivzinses nach Art. 4 Abs. 2 a) der Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG kein Schadensersatzanspruch zu. Richtlinien sind nach Art. 288 Abs. 3 EUV i. d. F. vom März 2010 (entspricht Art. 249 EGV a. F.) – anders als Verordnungen (Art. 288 Abs. 2 EUV) – nur für die Mitgliedstaaten verbindlich. Daher kommt ihnen entgegen der Auffassung der Berufung keinerlei unmittelbare Wirkung zu. Im Übrigen lief die Umsetzungsfrist nach Art. 19 erst zum 1.1.1990 ab. Hinzu kommt auch hier, dass kein Kreditvertrag vorliegt.
89 
4. Nebenanspruch auf Erstattung außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten
90 
Mangels Hauptanspruchs hat der Kläger auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten.
91 
Diese wären auch keinesfalls in Höhe von 2,2 Gebühren zu erstatten, sondern nur in Höhe von 1,3 Gebühren. Weder Umfang noch Schwierigkeit liegen über dem Durchschnitt (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, Madert, VV RVG 2300, Rn. 28). Schwierig ist die Tätigkeit, wenn nach objektivem Maßstab erhebliche, im Normalfall nicht auftretende Probleme auftauchen (Gerold/Schmidt, RVG, Mayer, § 14, RN. 16). Nach objektivem Maßstab war die Sache nicht schwierig. Mit Ausnahme der Frage der Qualifikation der unterjährigen Zahlung der Versicherungsprämien als Zahlungsaufschub hat vorliegend allein der Klägervertreter zahlreiche Fragen zu nicht einschlägigen Gesetzen aufgeworfen, die einfach zu beantworten und vom Klägervertreter auch nicht fallbezogen vertieft worden sind. Allein das bausteinmäßige Aufwerfen von Rechtsfragen macht eine Sache aber nicht überdurchschnittlich umfangreich oder schwierig.
92 
5. Nebenentscheidungen
93 
Die Kostenentscheidung folgt für die Berufung aus § 97 Abs. 1 ZPO.
94 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 711 S. 2 i.V.m. 709 S. 2 ZPO.
95 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern die Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 318/08 Verkündet am:
25. November 2009
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
a)Dem Verbraucher steht, sofern nicht Treu und Glauben (§ 242 BGB) etwas anderes
gebieten, ein Widerrufsrecht nach § 312d BGB auch dann zu, wenn der Fernabsatzvertrag
nichtig ist.
b)Das Widerrufsrecht besteht auch bei einem wegen beiderseitiger Sittenwidrigkeit
nichtigen Fernabsatzvertrag, der den Kauf eines Radarwarngeräts zum Gegenstand
hat (Fortführung des Senatsurteils vom 23. Februar 2005 - VIII ZR 129/04,
NJW 2005, 1490).
BGH, Urteil vom 25. November 2009 - VIII ZR 318/08 - LG Aurich
AG Leer (Ostfriesland)
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. November 2009 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles und
Dr. Schneider

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 21. November 2008 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Nach einem am 1. Mai 2007 erfolgten Werbeanruf durch einen Mitarbeiter der Beklagten bestellte die Klägerin bei dieser am darauf folgenden Tag per Fax einen Pkw-Innenspiegel mit einer unter anderem für Deutschland codierten Radarwarnfunktion zum Preis von 1.129,31 € zuzüglich Versandkosten. Der von der Klägerin ausgefüllte Bestellschein enthält unter anderem den vorformulierten Hinweis: "Ich wurde darüber belehrt, dass die Geräte verboten sind und die Gerichte den Kauf von Radarwarngeräten zudem als sittenwidrig betrachten."
2
Die Lieferung des Geräts erfolgte per Nachnahme am 9. Mai 2007. Die Klägerin sandte am 19. Mai 2007 das Gerät an die Beklagte zurück und bat um Erstattung des Kaufpreises. Die Beklagte verweigerte die Annahme des Gerätes und die Rückzahlung des Kaufpreises.
3
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises zuzüglich 8,70 € Rücksendungskosten, insgesamt 1.138,01 € nebst Zinsen. Darüber hinaus hat sie beantragt, die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 155,30 € nebst Zinsen zu verurteilen und festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 19. Mai 2007 mit der Rücknahme des Gerätes in Annahmeverzug befindet.
4
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert. Es hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.138,01 € nebst Zinsen zu zahlen, und hat dem Feststellungsantrag entsprochen; im Übrigen hat das Landgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Zurückweisung der Berufung der Klägerin weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

6
Das Berufungsgericht hat, soweit im Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt:
7
Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises in Höhe von 1.129,01 € aus § 812 BGB und auf Zahlung weiterer 8,70 € gemäß § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB.
8
Zu Recht habe das Amtsgericht angenommen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag gemäß § 138 BGB nichtig sei. Verträge über den Kauf von Radarwarngeräten seien stets als sittenwidrig zu beurteilen, wenn - wie vorliegend - der Vertragszweck erkennbar auf eine Verwendung des Radarwarngerätes im Geltungsbereich der deutschen Straßenverkehrsordnung gerichtet sei. § 817 Satz 2 BGB stehe einer Rückforderung des Kaufpreises entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht entgegen. Zwar lägen die Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB dem Grunde nach vor, da der Klägerin die Radarwarnfunktion des Spiegels bekannt gewesen sei und die Beklagte in ihrem Bestellformular auf die Sittenwidrigkeit entsprechender Verträge hingewiesen habe. Der Beklagten sei es jedoch gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf § 817 Satz 2 BGB zu berufen. Die Berufung auf die Nichtigkeit eines Vertrages könne in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine unzulässige Rechtsausübung darstellen. Der Verbraucherschutz rechtfertige einen solchen Ausnahmefall. Die Sittenwidrigkeit des Vertragszwecks könne gesetzliche Regelungen mit verbraucherschützender Intention nicht ausschließen. Der von den Parteien geschlossene Kaufvertrag unterfiele den verbraucherschützenden Regelungen zum Fernabsatzvertrag gemäß § 312b ff. BGB, wenn er nicht wegen der Sittenwidrigkeit des Vertragszwecks nichtig wäre. Die Nichtanwendung der §§ 312b ff. BGB würde eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers bedeuten, wenn diesem im Rahmen der Geltendmachung seines gesetzlichen Widerrufs- und Rückgaberechts gemäß § 312d BGB die Sittenwidrigkeit des zugrunde liegenden Vertrages entgegengehalten werden könnte. Ein Verbraucher müsse auch dann, wenn er in der Situation des Fernabsatzes einen sittenwidrigen Vertrag schließe, die Möglichkeit haben, sich von dem Vertrag zu lösen. Diesen Schutz nicht zu gewähren, würde bedeuten, den redlichen Verkäufer schlechter zu stellen als den unredlichen, der aufgrund der Sittenwidrigkeit des Vertrages nicht zur Rücknahme der veräußerten Ware verpflichtet wäre. Dieser Wertungswiderspruch könne nur dadurch aufgelöst werden, dass der Verbraucher, welcher an einem sittenwidrigen Vertragsschluss beteiligt sei, sich über § 242 BGB auf verbraucherschützende gesetzliche Regelungen berufen könne.

II.

9
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Die Klägerin hat Anspruch auf Rückerstattung des für das Radarwarngerät gezahlten Kaufpreises und auf Rücknahme des Gerätes durch die Beklagte. Dieser Anspruch ergibt sich allerdings nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, aus § 812 BGB. Vielmehr steht der Klägerin ein gesetzlicher Rückabwicklungsanspruch aufgrund der Regelungen über das Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen zu (§ 346 Abs. 1 i.V.m. §§ 433, 312b, 312d, 355 ff. BGB). Dem steht die Nichtigkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags nicht entgegen.
10
1. Bei dem zwischen den Parteien aufgrund schriftlicher Bestellung seitens der Klägerin und Zusendung des Geräts durch die Beklagte zustande gekommenen Kaufvertrag über das Radarwarngerät handelt es sich um einen Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn der Vertrag hat die Lieferung einer Ware zum Gegenstand und wurde nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts zwischen einem Unternehmer (Beklagte) und einem Verbraucher (Klägerin) unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (§ 312b Abs. 2 BGB) geschlossen. Dies wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen.
11
2. Die Klägerin hat Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages gemäß § 346 Abs. 1 BGB. Bei einem Fernabsatzvertrag steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu (§ 312d Abs. 1 Satz 1 BGB), auf das die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt (§§ 346 ff. BGB) entsprechende Anwendung finden (§ 357 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Klägerin hat das Widerrufsrecht fristgerecht ausgeübt, indem sie das am 9. Mai 2007 gelieferte Radarwarngerät am 19. Mai 2007 an die Beklagte zurücksandte (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB), und ist deshalb an ihre auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie hat damit Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (§ 346 Abs. 1 BGB) zuzüglich der Kosten für die Rücksendung des Geräts (§ 357 Abs. 2 Satz 2 BGB).
12
3. Eine direkte Anwendung der Regelung über das gesetzliche Widerrufsrecht der Klägerin aus § 312d Abs. 1 BGB ist nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, deshalb ausgeschlossen, weil der Fernabsatzvertrag wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig ist. Auch bei einem nichtigen Fernabsatzvertrag besteht grundsätzlich das Widerrufsrecht des Verbrauchers. Ein Ausnahmefall, in dem dies nicht gelten würde, liegt hier nicht vor.
13
a) Der Kaufvertrag über den Erwerb eines Radarwarngeräts ist, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, nach der Rechtsprechung des Senats sittenwidrig und damit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn der Kauf nach dem für beide Seiten erkennbaren Vertragszweck auf eine Verwendung des Radarwarngeräts im Geltungsbereich der deutschen Straßenverkehrsordnung gerichtet ist (Urteil vom 23. Februar 2005 - VIII ZR 129/04, NJW 2005, 1490, unter II 1 b; zustimmend Emmerich, JuS 2005, 746 f.; Möller, EWiR 2005, 529; Singer, LMK 2005, II, 80 f.; Hardung, SVR 2005, 339 f.; Diehl, ZfS 2005, 442; Albrecht, DAR 2006, 481, 485; Hufnagel, NJW 2008, 621, 624; Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 138 Rdnr. 42; Staudinger/S. Lorenz, BGB (2007), § 817 Rdnr. 21; Martinek in: jurisPK-BGB, 4. Aufl., § 817 Rdnr. 28). Diese Voraussetzungen für die Nichtigkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags sind nach den rechtsfehlerfreien Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts erfüllt. Von der Nichtigkeit des Vertrags gehen auch die Parteien im Revisionsverfahren aus.
14
b) Das Recht der Klägerin, sich von dem Fernabsatzvertrag durch Widerruf ihrer Willenserklärung zu lösen, wird von der Nichtigkeit des Vertrags nicht berührt.
15
aa) Ob das Widerrufsrecht des Verbrauchers - jedenfalls grundsätzlich - auch bei einem unwirksamen Vertrag besteht, ist allerdings umstritten. Es wird die Auffassung vertreten, dass dies aus Gründen des Verbraucherschutzes zu bejahen sei, um dem Verbraucher die gegenüber einer kondiktionsrechtlichen Rückabwicklung günstigeren Rechtsfolgen der §§ 355, 346 ff. BGB zu erhalten (MünchKommBGB/Wendehorst, 5. Aufl., § 312d Rdnr. 13; MünchKommBGB/ Masuch, 5. Aufl., § 355 Rdnr. 28; Erman/Saenger, BGB, 12. Aufl., § 355 Rdnr. 20; v. Westphalen/Emmerich/v.Rottenburg, Verbraucherkreditgesetz, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 13; HK-BGB/Schulze, 6. Aufl., § 355 Rdnr. 5; Wildemann in: jurisPK-BGB, aaO, § 355 Rdnr. 7). Dagegen wird eingewandt, das Widerrufsrecht nach § 312d BGB setze einen wirksamen Fernabsatzvertrag voraus, da nur von einem wirksam geschlossenen Vertrag zurückgetreten werden könne und es den dogmatischen Strukturen des Vertragsrechts widerspreche, wenn auch nichtige Verträge nach den Rücktrittsvorschriften rückabgewickelt werden könnten (Staudinger/Thüsing, BGB (2005), § 312d Rdnr. 10; ebenso Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312d Rdnr. 17; Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 6. Aufl., § 495 BGB Rdnr. 53, zum Widerrufsrecht beim Verbraucherdarlehensvertrag).
16
bb) Der Senat hat die Frage, ob ein Widerrufsrecht unabhängig davon besteht, ob die Willenserklärung bzw. der Vertrag ansonsten wirksam ist, in seinem Urteil vom 17. März 2004 offen gelassen (VIII ZR 265/03, WM 2004, 2451, unter II 2 b und c). Er bejaht sie in Übereinstimmung mit der in der Kommentarliteratur überwiegend vertretenen Auffassung.
17
Der Sinn des Widerrufsrechts beim Fernabsatzvertrag besteht darin, dem Verbraucher ein an keine materiellen Voraussetzungen gebundenes, einfach auszuübendes Recht zur einseitigen Loslösung vom Vertrag in die Hand zu geben , das neben und unabhängig von den allgemeinen Rechten besteht, die jedem zustehen, der einen Vertrag schließt. Dies kommt etwa im Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. EG Nr. L 144 S. 19) zum Ausdruck, wonach das Widerrufsrecht nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Rechte des Verbrauchers berührt. Dementsprechend hat der Verbraucher etwa ein Wahlrecht, ob er einen Fernabsatzvertrag nach §§ 312d, 355 BGB mit der Rechtsfolge einer Rückabwicklung nach §§ 346 ff. BGB widerruft oder ob er den Vertrag - gegebenenfalls - wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung gemäß §§ 119 ff., 142 BGB anficht und sich damit für eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB entscheidet (ebenso v. Westphalen/Emmerich/ v.Rottenburg, aaO; Bülow/Artz, aaO). Es besteht unter dem Gesichtspunkt des bei einem Fernabsatzvertrag gebotenen Verbraucherschutzes kein Grund, den Verbraucher schlechter zu stellen, wenn der Fernabsatzvertrag nicht anfechtbar , sondern nach §§ 134, 138 BGB nichtig ist. Auch in einem solchen Fall rechtfertigt es der Schutzzweck des Widerrufsrechts, dem Verbraucher die Möglichkeit zu erhalten, sich von dem geschlossenen Vertrag auf einfache Weise durch Ausübung des Widerrufsrechts zu lösen, ohne mit dem Unternehmer in eine rechtliche Auseinandersetzung über die Nichtigkeit des Vertrages eintre- ten zu müssen. Auch bei einer etwaigen Nichtigkeit des Vertrages hat der Verbraucher deshalb grundsätzlich die Wahl, seine auf den Abschluss des Fernabsatzvertrags gerichtete Willenserklärung zu widerrufen oder sich auf die Nichtigkeit des geschlossenen Vertrags zu berufen.
18
Die dagegen vorgebrachten dogmatischen Einwände greifen nicht durch. Das begriffslogische Argument, nur ein wirksamer Vertrag könne widerrufen werden (Staudinger/Thüsing, aaO), berücksichtigt nicht, dass in der Zivilrechtsdogmatik seit langem anerkannt ist, dass auch nichtige Rechtsgeschäfte angefochten werden können (sog. Doppelwirkungen im Recht; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., Einl. zu §§ 104 ff. Rdnr. 80 m.w.N.; Bülow/Artz, aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Juni 1955 - V ZR 53/54, JZ 1955, 500). Für den Widerruf eines nichtigen Vertrages gilt unter dogmatischem Gesichtspunkt nichts Anderes als für dessen Anfechtung.
19
cc) Es ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen der Grundsatz, dass der Verbraucher auch einen nichtigen Fernabsatzvertrag widerrufen kann, einzuschränken ist. Denn ein Ausnahmefall , in dem die mit dem Widerrufsrecht verbundene Privilegierung des Verbrauchers nicht gerechtfertigt wäre, liegt hier nicht vor.
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Nicht zu folgen vermag der Senat der Auffassung, dass der Verbraucher sich bei einer Nichtigkeit des Fernabsatzvertrags schon dann nicht auf sein Widerrufsrecht berufen könne, wenn er den die Vertragsnichtigkeit nach §§ 134, 138 BGB begründenden Umstand jedenfalls teilweise selbst zu vertreten habe (so MünchKommBGB/Masuch, aaO). Ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) kann nur unter dem Gesichtspunkt besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers in Betracht kommen, etwa bei arglistigem Handeln des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer (v. Westphalen/Emmerich/v.Rottenburg, aaO, Rdnr. 14). Arglistiges Handeln der Klägerin gegenüber der Beklagten liegt hier jedoch nicht vor. Vielmehr fällt bei dem nichtigen Kaufvertrag über das Radarwarngerät, wie unter 3 a ausgeführt , beiden Parteien - auch der Beklagten - ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2005, aaO, unter II 2). Unter diesen Umständen gebietet es der Gesichtspunkt von Treu und Glauben jedenfalls nicht, der Klägerin das Widerrufsrecht zu Gunsten der Beklagten vorzuenthalten. Ball Dr. Frellesen Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider
Vorinstanzen:
AG Leer (Ostfriesland), Entscheidung vom 28.04.2008 - 71 C 130/08 (I) -
LG Aurich, Entscheidung vom 21.11.2008 - 1 S 140/08 (138) -

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.

(1) Die von einer Partei behaupteten Tatsachen bedürfen insoweit keines Beweises, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum Protokoll eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind.

(2) Zur Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses ist dessen Annahme nicht erforderlich.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.