EuGH: Verbraucher muss nach Widerruf trotz Vertragserfüllung nicht zahlen
Widerruft der Verbraucher, einen außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag, bei dem er nicht über sein Widerrufsrecht aufgeklärt wurde, muss er auch nach Erfüllung des Vertrages nicht bezahlen.
So die Antwort des Europäischen Gerichtshofs auf die Frage eines deutschen Gerichts, ob die Verbraucherschutzlinie dahingehend auszulegen sei, dass Verbraucher im Falle der Nichtaufklärung über das Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, auch nach Erbringung der Vertragsleistung, von jeglicher Zahlungspflicht befreit sind.
Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin
Verbraucher widerruft Vertrag nach erbrachter Dienstleistung
Auslöser des Vorabentscheidungsersuchens war ein ziviler Rechtsstreit zwischen einem Dienstleistungsunternehmen und einem Verbraucher vor einem deutschen Gericht.
Das Gericht, war in diesem zivilen Rechtsstreit mit folgendem Fall konfrontiert:
Ein Dienstleistungsunternehmen schloss mit einem Verbraucher einen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstallation seines Hauses. Da der Dienstleistungsvertrag außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmens geschlossen wurde, hatte das Unternehmen die Pflicht, den Verbraucher über das Widerrufsrecht, das ihm grundsätzlichen binnen 14 Tagen zusteht, aufzuklären. Das versäumte das besagte Unternehmen.
Fehlende Widerrufsbelehrung verlängert die Widerrufsfrist
Nachdem die Arbeiten im Haus erbracht wurden, weigerte sich der Hausbesitzer die Rechnung zu begleichen. Stattdessen widerrief er den Vertrag mit der Begründung, dass die Widerrufsfrist noch nicht abgelaufen sei. Tatsächlich wird die Widerrufsfrist bei fehlender Unterrichtung über das Widerrufsrecht, von 14 Tagen auf ein Jahr gesetzlich verlängert (Art. 10 Abs. 1 der RL 2011/83).
Wertersatz für bereits erbrachte Leistungen?
Das LG Essen bestätigte die Ansicht des Verbrauchers. Die Richter hielten jedoch einen Anspruch des Unternehmens auf Wertersatz für möglich, da der Verbraucher den Vertrag erst nach erbrachter Dienstleistung widerrufen hat. Der dadurch erlangte Vermögenszuwachs könnte im Widerspruch zum Grundsatz des Unionsrecht stehen, dass ungerechtfertigte Bereicherung verbietet, so das Gericht, welches in Hinblick darauf eine Auslegung von Art. 14 Abs. 5 der RL 2011/83 beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ersuchte. Der EuGH hat sich nun in einem Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AEUV) zur Frage des deutschen Gerichts, ob ein Anspruch des Unternehmens gegenüber dem Verbraucher auf Wertersatz besteht, geäußert und diesen verneint.
Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen besteht besondere Gefahr für Verbraucher
Der EuGH weist auf die Bedeutung des Widerrufsrechts bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen hin. So bestünde bei Verträgen, die nicht in den Geschäftsräumen des Unternehmens geschlossen werden, die Gefahr, dass der Verbraucher „psychisch unter Druck steht“ oder „einem Überraschungsmoment ausgesetzt ist“ (vgl. 21. EG der RL 2011/83). Auch verfolge die Richtlinie das Ziel, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (vgl. Art. 169 AEUV; Art. 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union). Dieses Ziel könnte verfehlt werden, wenn Art. 14 Abs. 5 der RL 2011/83 dahingehend ausgelegt werden würde, dass der Verbraucher nach Ausübung seines Widerrufsrechts Wertersatz leisten müsste. Die, dem Verbraucher in einem solchen Fall entstehenden Kosten, sieht die Verbraucherschutzrichtlinie nicht vor.
Der Verbraucher ist deshalb von jeder Zahlungspflicht befreit. Er muss aufgrund des fristgerechten Widerrufs des Vertrages die Kosten für die Erneuerung der Installation in seinem Haus nicht bezahlen.
Haben Sie noch Fragen zum Thema Verbraucherschutzrichtlinie, Widerruf oder Vertrag? Dann nehmen Sie Kontakt zu Streifler&Kollegen auf und lassen Sie sich fachkundig beraten.
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