Steuerrecht: Außergewöhnliche Belastungen – Aufwendungen für den Besuch eines Fitness- und Gesundheitsclubs nicht abzugsfähig

erstmalig veröffentlicht: 25.10.2019, letzte Fassung: 19.10.2022

Rechtsgebiete

Autoren

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

EnglischDeutsch
Zusammenfassung des Autors

Aufwendungen für den Besuch eines Fitness- und Gesundheitsclubs sind jedenfalls dann nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige keine ärztliche Verordnung vorlegt. Pauschale ärztliche Bescheinigungen, nach denen z. B. Krankengymnastik und Muskeltraining angeraten werden, reichen nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Köln nicht – BSP Rechtsanwälte – Anwalt für Steuerrecht Berlin

In dem zugrundeliegenden Fall hatte eine Steuerpflichtige in ihrer Einkommensteuererklärung den Jahresbeitrag für einen Fitness- und Gesundheitsclub sowie Fahrtkosten zum Club als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht. Doch weder das Finanzamt noch das FG Köln erkannten die Aufwendungen steuerlich an. 

Das FG stellte zunächst infrage, ob und inwieweit es sich bei den Fitnessstudiobeiträgen überhaupt um unmittelbare (berücksichtigungsfähige) Krankheitskosten handelt. Es könne sich vielmehr um Kosten für vorbeugende oder allgemein gesundheitsfördernde Maßnahmen handelten. Diese würden zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung gehören.

Letztlich konnte diese Frage jedoch offenbleiben, da die Steuerpflichtige keine zum Nachweis der Zwangsläufigkeit erforderliche Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers für jede durchgeführte Einzelmaßnahme vorgelegt hat. 

Merke: Es reicht nicht aus, dass ein Arzt pauschal bescheinigt, dass Sporttherapie, Krankengymnastik, Bewegungsübungen und Massagen unter therapeutischer Anleitung benötigt werden und Aufbautraining der Muskulatur angeraten wird, um die Gesundheit aufrechtzuerhalten. Denn diese Bestätigungen stellen kein Rezept oder eine Verschreibung einer konkreten und individuellen Therapiemaßnahme dar.

Das FG Köln  hat mit Urteil vom 30.01.2019 – 7 K 2297/17 – entschieden: 

Amtlicher Leitsatz:

Aufwendungen für den Besuch eines Fitness- und Gesundheitsclubs sind jedenfalls dann nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S.d § 33 EStG zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige keine ärztliche Verordnung i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV vorlegt, sondern lediglich pauschale ärztliche Bescheinigungen, nach denen allgemein Sporttherapie, Krankengymnastik, Bewegungsübungen, Massagen und Bewegungsübungen im Bewegungsbad unter therapeutischer Anleitung benötigt und Aufbautraining der Muskulatur durch Bewegungsbäder, Muskeltraining sowie Gymnastikkurse angeraten werden.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigungsfähigkeit der Kosten für den Besuch des Fitness- und Gesundheitsclubs A als außergewöhnliche Belastungen.

Die Klägerin machte in ihrer Einkommensteuererklärung 2015 neben weiteren, unstreitigen Aufwendungen den Jahresbeitrag für den Fitness- und Gesundheitsclub A in B i.H.v. 588 € sowie Kosten für 148 Fahrten dorthin mit einer Strecke von jeweils 56 km i.H.v. 2.486 € als außergewöhnliche Belastungen geltend.

Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung vom 02.01.2017 ließ der Beklagte diese Kosten außer Ansatz, wogegen die Klägerin Einspruch erhob, den sie damit begründete, dass die in Rede stehenden Kosten nach Vorlage des ärztlichen Attestes vom 20.06.2013 in den vergangenen Jahren stets anerkannt worden seien. An der Notwendigkeit der Maßnahmen habe sich seitdem nichts verändert; vielmehr seien sie nach zwei weiteren Gelenkoperationen zur Erhaltung der aufgrund diverser orthopädischer Erkrankungen schon sehr eingeschränkten Beweglichkeit dringend angeraten. Sie leide unter schwersten Problemen in dem gesamten Bewegungsapparat.

Bei dem Fitness- und Gesundheitsclub A handele es sich nicht um ein klassisches Fitnessstudio, sondern um eine Einrichtung, die neben den ärztlich verordneten Therapien durch Physiotherapeuten ergänzende Maßnahmen anbiete, wie z.B. Gymnastik, Thermalbewegungsbäder und Muskelaufbautraining, und dies alles an einem Ort. Sie - die Klägerin - nehme aus zwingenden gesundheitlichen Gründen zusätzlich zu der verordneten Krankengymnastik mindestens dreimal wöchentlich an diesen Maßnahmen teil. Die Einrichtung verfüge über eigene Parkplätze und sei barrierefrei zu erreichen. Nach der letzten Operation am 22.12.2016 sei sie bis auf Weiteres auf einen Rollstuhl angewiesen und könne so zumindest schon an den Wassertherapien teilnehmen. Die von ihr in Anspruch genommenen Therapien würden bei ihrer schweren körperlichen Behinderung nach mehreren Gelenk- und Gelenksersatzoperationen dem Erhalt der körperlichen Beweglichkeit dienen, um möglichst lange ein eigenständiges Leben zu führen. Beide Trainerinnen, bei denen die Klägerin ihre Kurse absolviere, seien staatlich anerkannte Physiotherapeutinnen. In diesen Gruppenkursen nähmen auch Personen teil, die die Kurse als Maßnahmen über ihre gesetzlichen Krankenkassen erstattet bekämen.

Die Klägerin legte abschriftlich ein von ihren behandelnden Orthopäden, C und D, am 12.01.2017 ausgestelltes Attest mit folgendem Inhalt vor: "O. g. Patientin benötigt die Sporttherapie aus orthopädischer Sicht zum Erhalt ihrer Beweglichkeit. Es handelt sich nicht um ein Präventionstraining!!!"

Ferner reichte sie die Kopie eines fachärztlichen Attestes vom 20.06.2013 ein, in dem Folgendes bescheinigt wird: "Frau E befindet sich seit dem 06.05.2010 in meiner fachärztlichen Behandlung. Bei Frau E besteht der Zust. nach

- Endoprothesenversorgung der Hüfte li.,

- Endoprothese des re. Knie,

- Arthrosen im Knie li., Sprunggelenk re., Hüfte re.,

- sowie Spondylarthrose der WS mit muskuläre Insuffizienz und

- Zust. bei Spondylodese L4-S1.

Zur Förderung der Beweglichkeit und Aufbau der Muskelkraft sowie Schmerzreduktion habe ich folgende Maßnahmen dringend angeraten durchzuführen:

- Aufbautraining der Muskulatur durch Bewegungsbäder,

- Muskeltraining sowie Gymnastikkurse."

Mit Einspruchsentscheidung vom 25.07.2017 setzte der Beklagte die Einkommensteuer aus unstreitigen Gründen auf 701 € herab und wies den Einspruch im Übrigen ab. Bei den in Rede stehenden Maßnahmen handele es sich nicht um eine Heilbehandlung im Sinne von § 33 EStG, da keine konkreten ärztlichen Anweisungen über Art und Umfang des Sports vorlägen und keine ärztliche Leitung und Aufsicht oder zumindest Leitung und Beaufsichtigung durch eine andere fachkundige Person, wie z.B. einen Physiotherapeuten, erfolge. In den vorgelegten Attesten werde der Klägerin lediglich angeraten, Aufbautraining der Muskulatur durchzuführen. Dabei handele es sich nicht um eine ärztliche Verordnung im Sinne von § 64 EStDV. Denn eine solche müsse die konkret durchzuführenden Maßnahmen und auch deren Umfang bestimmen.

Mit ihrer Klage vom 25.08.2017 verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Berücksichtigung der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen weiter.

Sie habe nach insgesamt zehn Operationen von 2010-2016 künstliche Gelenke in beiden Hüften und beiden Knien, einen Zustand eines unfallbedingt stark vorgeschädigten Fußgelenkes nach Versteifungsoperation sowie einen Zustand der unfallbedingt stark geschädigten Lendenwirbelsäule nach Versteifungsoperation. Aufgrund dieser erheblichen orthopädischen Beschwerden ergäben sich diverse erhebliche Bewegungseinschränkungen und Fehlhaltungen, die zur Mobilisierung durch regelmäßige Thermalwasser-Therapien behandelt werden müssten.

Zum Nachweis legt die Klägerin eine ärztliche Bescheinigung des Orthopäden D vom 22.08.2017 mit auszugsweise folgendem Inhalt vor:

"Diagnosen: Rückfußnagelarthrodese re ; Rearthrodese, transtalare Arthrodese bei posttraumatischer Arthrodese re USG; McMinn li. Hüfte

Aufgrund der zahlreichen Beschwerdebilder und der chronischen Erkrankung des Bewegungsapparates sind die Behandlungen in Form von Krankengymnastik, Bewegungsübungen, Massagen und Bewegungsübungen im Bewegungsbad unter therapeutischer Anleitung dauerhaft notwendig, um immer wiederkehrende Fehlhaltungen und Funktionsstörungen mit daraus resultierenden Schmerzen im Bewegungsablauf zu minimieren oder zu beseitigen.

Es handelt sich in diesem Fall um eine dauerhafte Heilbehandlung!"

Die notwendige Bewegungstherapie im Bewegungsbad könne von einem niedergelassenen Therapeuten nicht erbracht werden, da dieser nicht über ein Bewegungsbad verfüge. Die Therapie könne jedoch nur in Warmwasser durchgeführt werden. Im Raum B sei das A in B die einzige Einrichtung, die Thermalbewegungsbäder anbieten könne. Allein aus diesem Grunde sei die Klägerin regelmäßig nach B gefahren, um dort an der Wassergymnastik teilzunehmen, die ausschließlich von Physiotherapeuten geleitet werde. Selbst für den Fitnessbereich gebe es keine Fitnesstrainer, sondern nur die Physiotherapeuten. Zum Beweis legt die Klägerin die E-Mail eines Mitarbeiters des A vom 21.08.2017 an sie vor, in der dieser bestätigt, dass die Einrichtung neben dem normalen Fitnessprogramm auch Reha- und Präventionskurse im Rahmen der Krankenkassenabrechnung anbiete, die unter Anleitung von ausgebildeten Physiotherapeuten durchgeführt würden, unter anderem Aquagymnastik, Rückenkurse und anderes.

Für die Mitgliedschaft in dem Club bezahle sie monatlich 50 € für die Nutzung bis 17.00 Uhr. Sie könnte mit dieser Mitgliedschaft auch den Fitnessbereich nutzen; dies tue sie aber nicht. Außerdem müsste sie für ein schlichtes Fitnesstraining auch nicht bis nach B fahren, sondern könnte ein gewöhnliches Fitnesscenter an ihrem Wohnort besuchen. Sie habe von ihren behandelnden Ärzten auch eine genaue Darstellung über Art und Umfang der notwendigen Übungen erhalten, die ergänzt werde durch fachkundige Anleitung in den Kursen durch die Physiotherapeuten. Diese würden den Kursteilnehmern auch individuelle Anweisungen erteilen und darauf achten, dass die Übungen richtig durchgeführt würden. Sie würden jederzeit für Nachfragen zur Verfügung stehen, wenn der Teilnehmer individuelle Beschwerden bei dem Kurs habe und fachlich fundierte Lösungen oder Alternativübungen bieten. Sie - die Klägerin - verspüre durch die regelmäßige Teilnahme an den Kursen des A eine Linderung ihrer erheblichen Beschwerden und deutliche Verbesserung ihrer Beweglichkeit. Sobald die Kurse nicht regelmäßig besucht würden, trete eine Steifigkeit ein, die das Beschwerdebild verschlechtere. Sie nutze die krankengymnastische Leistung in dem Bewegungsbad für ihre Hüft- und Beinproblematik, die Wirbelsäulengymnastik für ihre Rückenbeschwerden und das Gerätetraining in Bezug auf den versteiften Fuß; für diesen müsse ein ständiges geräteunterstütztes Training durchgeführt werden, um Gefäßverschlüssen vorzubeugen, die dadurch entstehen könnten, dass aufgrund der Versteifung des Fußgelenks die Wadenpumpe in diesem Bein ausfalle. Keine andere Einrichtung könne dies anbieten. Die weiteren erforderlichen Therapiemaßnahmen erhalte sie als Dauertherapie von einem Physiotherapeuten an ihrem Wohnort. Zum Beweis legt die Klägerin diverse Rechnungen einer Physiotherapeutin in F aus 2017 über manuelle Lymphdrainage, manuelle Therapie, Hausbesuche, Krankengymnastik und Elektrotherapie vor.

Durch die ärztlichen Bestätigungen habe sie die Notwendigkeit der Therapie nachgewiesen. Die Ärzte würden hierzu jedoch keine Verordnung im eigentlichen Sinne erteilen, weil die Teilnahme nicht verordnet werden könne. Denn das A biete die Krankengymnastik nicht als einzelne Leistung an und rechne sie nicht als solche ab, sondern nur im Rahmen eines Vertrages über die Nutzung einer Gesamtleistung.

Die Feststellung der Notwendigkeit könne jedoch auch nachträglich erfolgen, wie sich aus der geänderten Rechtsprechung seit dem Urteil des BFH vom 11.11.2010, VI R 16/09, ergebe. Der Steuerpflichtige habe die Möglichkeit, seiner Nachweispflicht mit den zulässigen Beweismitteln des Gerichtsverfahrens nachzukommen. Einer Verordnung i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV bedürfe es nicht. § 64 EStDV widerspreche außerdem der Rechtsprechung des BFH und sei wegen dieser Kollision nicht anwendbar. Die Atteste vom 20.06.2013 und 12.01.2017 seien als Verordnung ausreichend.

Die Klägerin beantragt,

die Einkommensteuerfestsetzung 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.07.2017 mit der Maßgabe zu ändern, dass weitere außergewöhnliche Belastungen i.H.v. 3.074 € in Abzug gebracht werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Urteil des BFH vom 11.11.2010 sei durch die Einführung von § 64 EStDV überholt. Bei den vorliegend durchgeführten Therapiemaßnahmen handele es sich nicht um Behandlungsmethoden bzw. Maßnahmen i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 lit. a-f EStDV. Somit sei der Nachweis der Zwangsläufigkeit gemäß § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStDV nicht vorab durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu erbringen. Gemäß § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV sei die Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel i.S.d. §§ 2, 23, 31-33 SGB V durch eine genaue Einzelverordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nachzuweisen. Diese Voraussetzungen würden die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Atteste vom 20.06.2013 und aus 2017 nicht erfüllen. Ersteres sei zu allgemein gehalten; es fehle an der genauen Einzelverordnung und konkreten Vorgaben, welche spezifischen Übungen in welchen zeitlichen Intervallen durch die Klägerin durchgeführt werden sollten. Auch die in den späteren Attesten vom 12.01.2017 und 22.08.2017 genannten Therapien seien nicht näher definiert.

Entgegen der Aussage der Klägerin gehöre Krankengymnastik im Bewegungsbad auch zu den Heilmitteln i.S.d. §§ 2, 32 SGB V, die ärztlich verordnet werden könnten.

Es bleibe dabei, dass die Aktivitäten in dem Fitnessclub Vorsorgemaßnahmen neben der eigentlichen, gesondert stattfindenden Heilbehandlung darstellen würden.

Danach bedürfe es mangels Entscheidungserheblichkeit keiner weitergehenden Prüfung mehr, ob die Ausgestaltung der Maßnahmen bei dem A Club in der Verantwortung einer zur Ausübung der Heilkunde berechtigten Person gelegen habe.

Gründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

I. Der Beklagte hat die in Rede stehenden Kosten von 3.074 € zutreffend nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG steuermindernd berücksichtigt.

1. Im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer ist der Gesamtbetrag der Einkünfte unter anderem um die außergewöhnlichen Belastungen zu vermindern . Außergewöhnliche Belastungen liegen nach der Definition des § 33 Abs. 1 EStG vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Aufwendungen erwachsen gem. § 33 Abs. 2 S. 1 EStG in diesem Sinne zwangsläufig, wenn ein Steuerpflichtiger sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

Für typische und unmittelbare Krankheitskosten wird unwiderleglich vermutet, dass sie außergewöhnlich sind und dem Steuerpflichtigen dem Grunde nach zwangsläufig erwachsen, weil er sich ihnen - ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung - aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann . Es werden in diesem Bereich sowohl Aufwendungen berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit getätigt werden, als auch solche, die mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen . Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden daher - zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen - typisierend als außergewöhnliche Belastung anerkannt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 S. 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde nach bedarf. Demgegenüber gehören mit einer Krankheit verbundene Folgekosten ebenso wie Kosten für vorbeugende oder allgemein gesundheitsfördernde Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht gezielt der Heilung oder Linderung von Krankheiten dienen, nicht zu den abziehbaren Krankheitskosten.

Eine derart typisierende Behandlung von Krankheitskosten zugunsten des Steuerbürgers ist allerdings nur dann geboten, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt  sind und auch nach diesen Grundsätzen vorgenommen werden, also medizinisch indiziert sind . Im Hinblick auf diese Einschränkung, also zur Feststellung der medizinischen Notwendigkeit der den Aufwendungen zugrunde liegenden Maßnahmen, hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen: Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel  ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011  durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen i.S.v. § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV wird ein im Vorfeld ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung verlangt.

Verordnung i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV ist ein formalisierter Nachweis, der für jedes einzelne Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel geführt werden muss. In der vorbezeichneten Entscheidung - die der Senat für zutreffend hält - hat der BFH zwar offengelassen, ob "Verordnung" gleichbedeutend ist mit "Rezept", jedoch für den Bereich der Arzneimittel festgestellt, dass einer ärztlichen Bescheinigung, die sich nicht zu konkret bezogenen Präparaten äußert, sondern lediglich bestätigt, dass die erworbenen Präparate generell entweder ärztlich verordnet oder ärztlich empfohlen wurden, der in § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV verlangte konkrete Bezug zu den im Einzelnen erworbenen Präparaten fehle.

2. Danach kann der Senat im Streitfall nicht feststellen, dass die in Rede stehenden Aufwendungen für den Besuch des A im Streitjahr für die Klägerin zwangsläufig in dem vorgenannten Sinne waren.

Die Klägerin hat nach eigenen Angaben zusätzlich zu den verordneten und in der Physiotherapiepraxis vorgenommenen Maßnahmen  in dem A Fitness- und Gesundheitsclub neben der krankengymnastischen Bewegungstherapie im Thermalbewegungsbad auch Wirbelsäulengymnastik und Muskelaufbautraining an Geräten durchgeführt. Laut den vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen waren ihr folgenden Maßnahmen angeraten bzw. diese für notwendig gehalten worden:

- Sporttherapie,

- Aufbautraining der Muskulatur durch Bewegungsbäder,

- Muskeltraining sowie Gymnastikkurse

- Behandlungen in Form von Krankengymnastik, Bewegungsübungen, Massagen und Bewegungsübungen im Bewegungsbad unter therapeutischer Anleitung.

a. Zum einen ist bereits fraglich, ob und inwieweit es sich bei den Fitnessstudiobeiträgen und den aus den Fitnessstudiobesuchen folgenden Fahrtkosten überhaupt um unmittelbare Krankheitskosten und nicht vielmehr um Kosten für vorbeugende oder allgemein gesundheitsfördernde Maßnahmen handelt, die zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung nach § 12 Nr. 1 EStG gehören.

Denn die Beiträge für den A Fitness- und Gesundheitsclub wurden im Streitjahr von der Klägerin schon nicht allein für die tatsächlich in Anspruch genommenen Maßnahmen im Zusammenhang mit ihren orthopädischen Beschwerden gezahlt, sondern für die Zurverfügungstellung der Gesamtheit der von dem A Club angebotenen Leistungen, zu denen - wohl unstreitig - wie in Fitnessstudios üblicherweise auch medizinisch nicht notwendige Leistungen wie Sport- und Fitnesskurse, allgemein gesundheitsfördernde und Präventionskurse, Geräte für Kraft- und Ausdauertraining, Sauna etc. gehören. Diese Leistungen werden ihrer Art nach nicht nur von kranken, sondern auch gesunden Menschen in Anspruch genommen, um die Gesundheit zu erhalten, das Wohlbefinden zu steigern oder die Freizeit sinnvoll zu gestalten und gehören grds. nicht zu den nach § 33 EStG abziehbaren Krankheitskosten, sondern zu den nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbaren Lebenshaltungskosten.

Auch wenn die Klägerin von dieser umfassenden Nutzungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht haben mag, hat sie diese doch bezahlt, und eine Feststellung der Kostenanteile für in Anspruch genommene Leistungen einerseits und die Zurverfügungstellung der anderen, nicht genutzten Angebote dürfte nach objektiven Kriterien kaum möglich sein. Wenn auch nachvollziehbar ist, dass die Klägerin sich für den Besuch des A Clubs entschieden hat, um die ihr ärztlich empfohlenen Maßnahmen an einem Ort und aus einer Hand in Anspruch nehmen und auf diese Weise möglicherweise auch den Fahrtaufwand beschränken zu können, statt verschiedene, jeweils für die einzelnen Maßnahmen geeignete Therapeuten aufzusuchen, so ist dies Ausfluss ihrer Entscheidungsfreiheit und steht bereits einer Beurteilung der Zwangsläufigkeit der Kosten für das A entgegen.

Zum anderen stellt jedenfalls zumindest auch ein nicht unerheblicher Teil der von der Klägerin tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen wie die Wirbelsäulengymnastik und das Gerätetraining - möglicherweise sogar die Thermalwassergymnastik - nicht spezifisch medizinisch indizierte Maßnahmen dar, die von einer Vielzahl gesunder Menschen präventiv oder zur Erhaltung der Fitness durchgeführt werden und nach den vorstehenden Ausführungen als allgemein gesundheitsfördernde Maßnahmen nicht i.R.v. § 33 EStG berücksichtigungsfähig sind.

b. Diese Fragen können letztlich jedoch unbeantwortet bleiben. Denn selbst wenn man zugunsten der Klägerin bei den Aufwendungen für die Bewegungstherapie im Bewegungsbad, die Gymnastik und das Gerätetraining von Krankheitskosten ausgehen würde, wäre deren Zwangsläufigkeit nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise nachgewiesen.

Bei diesen Maßnahmen kann es sich allenfalls um - sämtlich verordnungsfähige - Heilmittel i.S.e. physikalischen Therapie  handeln, für die das Nachweiserfordernis nach § 33 Abs. 4 EStG i.V.m. § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV gilt. Eine danach zum Nachweis erforderliche Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers für jede durchgeführte Einzelmaßnahme hat die Klägerin jedoch nicht vorgelegt. Bei den von ihr vorgelegten Unterlagen handelt es sich lediglich um pauschale ärztliche Bescheinigungen, nach denen die Klägerin allgemein Sporttherapie, Krankengymnastik, Bewegungsübungen, Massagen und Bewegungsübungen im Bewegungsbad unter therapeutischer Anleitung benötigt und Aufbautraining der Muskulatur durch Bewegungsbäder, Muskeltraining sowie Gymnastikkurse angeraten werden. Sie stellen jedoch kein Rezept oder eine Verschreibung einer konkreten und individuellen Therapiemaßnahme mit Festlegung einer konkreten und individuellen Leistung etwa nach Art, Inhalt, Anzahl und Dauer der Handlung dar. Die Unterlagen verhalten sich folglich nicht dazu, ob die im Streitfall konkret in Rede stehenden Aufwendungen und die diesen zugrunde liegenden Maßnahmen den Umständen nach notwendig i.S.d. § 33 EStG waren, da sie zu unspezifisch sind und keine Überprüfung genau der von der Klägerin beanspruchten Maßnahmen auf ihr Notwendigkeit hin ermöglichen.

Dem Senat ist es verwehrt, über diese Frage eigenständig Beweis zu erheben und andere als die in § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV vorgeschriebenen Beweismittel, etwa die Einholung eines Sachverständigengutachtens, zu bemühen. Die Norm regelt abschließend die Nachweiserfordernisse für die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall, die durch ein nachträglich erstelltes Gutachten oder andere Unterlagen nicht erfüllt würden. Unter diesem Gesichtspunkt würden jegliche Beweise, die durch das Gericht erhoben würden, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachten, untaugliche Beweismittel darstellen.

Die geltend gemachten Fahrtkosten teilen das Schicksal der Behandlungskosten: Da die Zwangsläufigkeit der unmittelbaren Aufwendungen für den Besuch des Fitness- und Gesundheitsclubs A nicht feststellbar ist, sind auch die damit zusammenhängenden Wegekosten nicht nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig.

3. Die Regelung in § 33 Abs. 4 EStG in Verbindung mit § 64 Abs. 1 EStDV über den Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall, die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden, begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Bestimmungen sind formell und materiell mit dem Grundgesetz vereinbar; sie verletzen insbesondere nicht die Grundrechte der Steuerpflichtigen.

Das Urteil des BFH vom 11.11.2010, VI R 16/09, BStBl II 2011, 969, auf das die Klägerin sich zu ihren Gunsten beruft und das die nachträgliche Feststellung der Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten im Rahmen eines finanzgerichtlichen Verfahrens nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung durch das Gericht, regelmäßig anhand eines Sachverständigengutachtens, zulässt, ist auf einer früheren Rechtsgrundlage vor Schaffung des Nachweiserfordernisses in § 64 Abs. 1 EStDV ergangen. Für die Beurteilung der Rechtslage im Streitjahr 2015 kann die Klägerin hieraus nichts ableiten.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Einkommensteuergesetz - EStG | § 33 Außergewöhnliche Belastungen


(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Einkommensteuergesetz - EStG | § 12


Soweit in § 10 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, 7 und 9 sowie Absatz 1a Nummer 1, den §§ 10a, 10b und den §§ 33 bis 33b nichts anderes bestimmt ist, dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden 1. die für

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(1) Versicherte haben Anspruch auf ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, wenn diese notwendig sind, 1. eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 32 Heilmittel


(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln, soweit sie nicht nach § 34 ausgeschlossen sind. Ein Anspruch besteht auch auf Versorgung mit Heilmitteln, die telemedizinisch erbracht werden. Für nicht nach Satz 1 ausgeschlossene Heilmi

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Referenzen

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob und ggf. in welcher Höhe Unterhaltszahlungen an die in der Türkei lebenden Eltern des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus ist streitig, ob die Anschaffungskosten für ein Ehebett und eine Couchgarnitur als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 Abs. 2 EStG abzugsfähig sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und wurden in den Streitjahren 2003 und 2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In der Einkommensteuererklärung 2003 machten sie Kosten wegen einer Asthmaerkrankung ihres Sohnes in Höhe von 4.976 €, von denen 4.800 € auf die Anschaffung von Schlafzimmermöbeln für das Schlafzimmer der Kläger und einer Couchgarnitur entfallen und deshalb streitig sind, als außergewöhnliche Belastung geltend. Weiter begehrten sie die Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen für die in der Türkei lebenden Eltern des Klägers in Höhe von 5.200 €.

3

Hinsichtlich der Unterhaltszahlungen für die 1935 bzw. 1951 geborenen, in der Türkei lebenden Eltern des Klägers legten sie je eine amtliche Unterhaltsbescheinigung vom 9. Juni 2004 vor, wonach beide weder berufstätig sind noch sonst über Einkommen oder Vermögen oder Unterhaltsleistungen von anderen Angehörigen verfügen. Nach den vorgelegten Überweisungsbelegen der Bank H wurden auf das Konto des Vaters des Klägers folgende Zahlungen geleistet:

4

Betrag

Datum

   200 €

5. März 2004

3.000 €

12. November 2003

2.000 €

30. Dezember 2003

5

Zu den beiden letztgenannten Beträgen liegt jeweils auch eine Auszahlungsbestätigung der Bank vor.

In der Einkommensteuererklärung 2004 machten die Kläger Unterhaltsaufwendungen an die Eltern des Klägers in Höhe von 5.000 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Ausweislich der vorgelegten Überweisungsbelege sind folgende Zahlungen auf  Konten des Vaters des Klägers geleistet worden:

Betrag

Datum

   400 €

27. Januar 2004

   200 €

5. März 2004

(in 2003 geltend gemacht)

   300 €

26. April 2004

1.500 €

13. August 2004

2.500 €

29. Dezember 2004

8

Auch für das Streitjahr 2004 wurde für jeden Elternteil eine amtliche Unterhaltsbescheinigung vorgelegt.

9

Darüber hinaus wurde am 16. September 2004 ein Betrag in Höhe von 300 € auf das Konto einer A, wohnhaft in B, überwiesen.

10

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2003 von den geltend gemachten Krankheitskosten lediglich einen Betrag in Höhe von 176 € als außergewöhnliche Belastungen anerkannt, der sich wegen der zumutbaren Eigenbelastung allerdings steuerlich nicht auswirkte. Unterhaltsleistungen an die Eltern in die Türkei sind in keinem der beiden Streitjahre berücksichtigt worden.

11

Die nach erfolglosen Vorverfahren erhobene Klage blieb ohne Erfolg.

12

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

13

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des Finanzgerichts (FG) Nürnberg vom 23. Oktober 2007 VI 120/2006 und die Einspruchsentscheidung vom 23. März 2006 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 vom 20. August 2004 in der Weise zu ändern, dass für die Anschaffung der Möbel weitere 4.800 € und weitere Unterhaltszahlungen in Höhe von 5.200 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden sowie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 vom 13. Februar 2006 dahingehend zu ändern, dass weitere Unterhaltszahlungen in Höhe von 5.000 € als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden.

14

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

16

1. Der Senat erkennt gemäß § 90 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung. Denn Kläger und Beklagter haben wirksam auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

17

Ein entsprechender Verzicht des dem Revisionsverfahren beigetretenen Bundesministeriums der Finanzen (BMF) liegt zwar nicht vor; er ist aber auch nicht erforderlich. Denn das BMF erlangt durch den Beitritt zum Verfahren zwar die verfahrensrechtliche Stellung eines Beteiligten (§ 122 Abs. 2 Satz 4 FGO i.V.m. § 57 Nr. 4 FGO); über das Verfahren zu disponieren, vermag es deshalb jedoch nicht. Dies können nur Kläger und Beklagter als die ursprünglichen Verfahrensbeteiligten. Der Anspruch auf verfahrensrechtliche Gleichbehandlung des beigetretenen BMF erschöpft sich darin, innerhalb der von den originär Beteiligten einvernehmlich vorgegebenen Rahmenbedingungen wie Revisionskläger und Revisionsbeklagter behandelt zu werden. Damit könnte das BMF nicht auf der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bestehen, wenn die Hauptbeteiligten --wie im Streitfall-- auf eine solche verzichtet haben (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Oktober 2005 V R 64/00, BFHE 212, 132, BStBl II 2006, 212; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 90 FGO Rz 7; vgl. auch Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 122 FGO Rz 34). Denn es wäre mit Sinn und Zweck des § 122 Abs. 2 Satz 4 FGO nicht vereinbar, wenn das BMF die Möglichkeit hätte, ein Verfahren gegen den Willen der Hauptbeteiligten fortzusetzen oder zu verlängern (Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 122 FGO Rz 38, 39, m.w.N.). Diese Beschränkung der Verfahrensrechte des Beigetretenen verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), da das BMF im schriftlichen Verfahren im nämlichen Umfang wie die Hauptbeteiligten gehört wird. Im Übrigen hat das nach § 122 Abs. 2 FGO beigetretene BMF, im Gegensatz zu einem Beteiligten i.S. des § 57 Nr. 3 FGO, die Möglichkeit, sich mit der originär beteiligten Finanzbehörde abzustimmen und dadurch Einfluss auf den Gang des Verfahrens zu nehmen.

18

2. Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer ihm oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 7.188 € (im VZ 2003) bzw. 7.680 € (im VZ 2004) im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in der jeweils für das Streitjahr geltenden Fassung). Eine zumutbare Belastung i.S. des § 33 Abs. 3 EStG wird nicht angerechnet (Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 33a Rz 2). Denn § 33a EStG stellt gegenüber der allgemeinen Regelung des § 33 EStG eine Sondervorschrift dar (Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 33a EStG Rz 10).

19

a) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat im Streitjahr 2003 berücksichtigungsfähige Unterhaltsaufwendungen lediglich deshalb nicht zum Abzug vom Gesamtbetrag der Einkünfte zugelassen, weil es auf diese eine zumutbare Belastung angerechnet hat. Damit kann die angefochtene Entscheidung insoweit keinen Bestand haben.

20

b) Aber auch im Hinblick auf das Streitjahr 2004 ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und an das FG zurückzuverweisen. Denn der Schluss des FG, dass die Eltern des Klägers in diesem Jahr noch über andere Einnahmen verfügt haben müssten, die sie verschwiegen hätten, so dass die vorgelegte Unterhaltsbescheinigung nicht glaubwürdig sei, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

21

Zwar ist die finanzrichterliche Überzeugungsbildung revisionsrechtlich nur eingeschränkt auf Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze überprüfbar. Das FG hat jedoch im Einzelnen darzulegen, wie und dass es seine Überzeugung in rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise gewonnen hat (BFH-Beschluss vom 13. März 1997 I B 78/96, BFH/NV 1997, 772). Die subjektive Gewissheit des Tatrichters vom Vorliegen eines entscheidungserheblichen Sachverhalts ist nur dann ausreichend und für das Revisionsgericht bindend, wenn sie auf einer logischen, verstandesmäßig einsichtigen Beweiswürdigung beruht, deren nachvollziehbare Folgerungen den Denkgesetzen entsprechen und von den festgestellten Tatsachen getragen werden. Fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen Entscheidung oder fehlt die nachvollziehbare Ableitung dieser Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen und Umständen, so liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor, der als Fehler der Rechtsanwendung ohne besondere Rüge vom Revisionsgericht beanstandet werden kann (BFH-Urteile vom 25. Mai 1988 I R 225/82, BFHE 154, 7, BStBl II 1988, 944; vom 13. Januar 1987 VII R 10/84, BFH/NV 1987, 728; vom 23. August 1994 VII R 93/93, BFH/NV 1995, 572; vom 15. Februar 1995 II R 53/92, BFH/NV 1996, 18).

22

3. Ein solcher Rechtsanwendungsfehler ist vorliegend für das Streitjahr 2004 zu beklagen. Denn der Schluss des FG, dass die Eltern des Klägers von den Unterhaltsleistungen aus Deutschland im Streitjahr 2004 nicht haben leben können, wird nicht von entsprechenden Feststellungen getragen. Zum einen hat das FG bei seiner Berechnung die Unterhaltsrate in Höhe von 2.000 €, die am 30. Dezember 2003 geleistet wurde, zu Unrecht nicht bei der Ermittlung der im Jahre 2004 verfügbaren Zuwendungen berücksichtigt. Dies ist zwar insoweit zutreffend, als diese Zahlung wegen des Prinzips der Abschnittsbesteuerung den Gesamtbetrag der Einkünfte im Streitjahr 2004 nicht nach § 33a Abs. 1 EStG mindern darf. Gleichwohl steht dieser Betrag den Unterstützungsempfängern im Jahr 2004 tatsächlich zur Deckung ihres Lebensbedarfs zur Verfügung. Hiervon ist auch das FG in der angefochtenen Entscheidung ausgegangen, wenn es ausführt, dass diese Zuwendung jedenfalls den Dezemberbedarf des Jahres 2003 nicht (mehr) zu decken vermochte. Damit hatten die Eltern des Klägers nicht nur einen Betrag in Höhe von 2.400 €, sondern 4.400 € (= 2.200 € je Elternteil) aus Deutschland zur Verfügung. Dies entspricht in etwa 2/3 des türkischen Pro-Kopf-Einkommens, das im Jahr 2004 etwa 4.085 $ (3.284 €) betrug (www.bundesregierung.de ) bzw. 3/4 des gesetzlichen Mindestlohns (www.eds-destatis.de, Bevölkerung, Arbeit und Soziales, Statistik kurz gefasst, Mindestlöhne EU-Mitgliedstaaten, Kandidatenländer, USA 2004) eines Jahres (12 x 240 € = 2.880 €). Der Schluss, dass Unterhaltszahlungen in dieser Größenordnung für ein möglicherweise nur einfaches Leben der Unterhaltsempfänger nicht ausreichen sollen, ist für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar und vom FG auch nicht durch belastbare Zahlen oder entsprechende Tatsachenfeststellungen belegt. Vielmehr lässt beispielsweise der Umstand, dass der monatliche Mindestlohn in der Türkei im Jahr 2004 bei 240 € gelegen hat, darauf schließen, dass die Unterhaltsempfänger keine weiteren Einnahmen benötigt haben, um in der Türkei "über die Runden zu kommen". Damit beruht auch der weitere Schluss, die Eltern des Klägers hätten weitere Einnahmen erzielt, diese aber nicht angegeben, so dass der vorgelegten Unterhaltsbescheinigung kein Glauben geschenkt werden könne, nicht auf nachvollziehbaren Folgerungen des FG.

23

4. Das FG wird im zweiten Rechtsgang erneut zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für den Abzug von Unterhaltszahlungen nach § 33a Abs. 1 EStG, insbesondere die Bedürftigkeit der Unterhaltsempfänger, vorliegen. Dabei hat es weiterhin eine zeitanteilige Kürzung des Unterhaltshöchstbetrags in Betracht zu ziehen (vgl. Senatsentscheidung vom 5. Mai 2010 VI R 40/09, BFHE 230, 123). Denn Unterhaltsleistungen können nach der Rechtsprechung des BFH nicht auf Monate vor ihrer Zahlung zurückbezogen werden (BFH-Urteil in BFHE 230, 123, m.w.N.). Das FG hat in diesem Zusammenhang weiter zu würdigen, ob die Kläger einen Anspruch darauf haben, dass in den Streitjahren ihnen gegenüber die im damaligen BMF-Schreiben vom 15. September 1997 (BStBl I 1997, 826) Tz. 8.3 normierte Regel zur Anwendung kommt. Danach können aus Vereinfachungsgründen vierteljährliche Unterhaltszahlungen auch in Vormonaten Berücksichtigung finden.

24

Norminterpretierende Verwaltungsanweisungen, die die gleichmäßige Auslegung und Anwendung des Rechts sichern sollen, können im Allgemeinen zwar weder eine einer Rechtsnorm vergleichbare Bindung aller Rechtsanwender noch eine Bindung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben herbeiführen. Eine von den Gerichten zu beachtende Selbstbindung der Verwaltung besteht allerdings als Ausfluss von Art. 3 Abs. 1 GG ausnahmsweise in dem Bereich der der Verwaltung vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsfreiheit, also im Bereich des Ermessens, der Billigkeit und der Typisierung oder Pauschalierung (BFH-Urteile vom 26. April 1995 XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754; vom 7. Dezember 2005 I R 123/04, BFH/NV 2006, 1097; vom 4. Februar 2010 II R 1/09, BFH/NV 2010, 1244).

25

Soweit die Kläger im zweiten Rechtsgang weiterhin die Anschaffungskosten für die Schlafzimmermöbel und die Couchgarnitur als außergewöhnliche Belastung abgezogen wissen wollen, steht der Umstand, dass sie bislang weder ein zeitlich vor den Aufwendungen erstelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten noch ein Attest eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers zur medizinischen Indikation der streitigen Anschaffungskosten vorgelegt haben, dem Abzug der Aufwendungen nach § 33 EStG nicht entgegen. Denn der Senat hält an diesem qualifizierten Nachweisverlangen nicht länger fest (BFH-Urteil vom 11. November 2010 VI R 17/09, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, www.bundesfinanzhof.de). Gleichwohl bleiben die Kläger verpflichtet, die medizinische Indikation der streitigen Anschaffungen nachzuweisen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein von einem Beteiligten vorgelegtes Sachverständigengutachten im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich als Privatgutachten zu behandeln und damit als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen ist. Es kann daher nicht als Nachweis für die Richtigkeit des klägerischen Vortrags gewertet werden (BFH-Beschluss vom 23. Februar 2010 X B 139/09, BFH/NV 2010, 1284, m.w.N.). Da weder das FA noch das FG die Sachkunde besitzen, um die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrunde liegenden Maßnahme zu beurteilen, ist das FG aufgrund seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) gehalten, gegebenenfalls von Amts wegen ein entsprechendes Gutachten einzuholen (BFH-Urteil vom 11. November 2010 VI R 17/09, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, www.bundesfinanzhof.de).

26

Gelingt den Klägern im Streitfall der Nachweis der medizinischen Indikation, wird der Abzug der Anschaffungskosten für die Möbel auch nicht durch einen Gegenwert gehindert. Tauscht der Steuerpflichtige gesundheitsgefährdende Gegenstände des existenznotwendigen Bedarfs aus, so steht die Gegenwertlehre dem Abzug der Aufwendungen nicht entgegen. Der sich aus der Erneuerung ergebende Vorteil ist jedoch anzurechnen ("Neu für Alt"). Dabei obliegt die Ermittlung des Vorteilsausgleichs dem FG als Tatsacheninstanz (BFH-Beschluss vom 8. Februar 2007 III B 11/06, BFH/NV 2007, 1108, m.w.N.). Deshalb kann der Senat auch im Streitfall dahingestellt sein lassen, ob er der im Schrifttum geäußerten Fundamentalkritik an der sog. Gegenwertlehre folgen könnte (vgl. HHR/Kanzler, § 33 EStG Rz 37, m.w.N.; s. auch Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz B 34 ff.).

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Versicherte haben Anspruch auf ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, wenn diese notwendig sind,

1.
eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen,
2.
einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken,
3.
Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden oder
4.
Pflegebedürftigkeit zu vermeiden.

(2) Reichen bei Versicherten die Leistungen nach Absatz 1 nicht aus oder können sie wegen besonderer beruflicher oder familiärer Umstände nicht durchgeführt werden, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten. Die Satzung der Krankenkasse kann zu den übrigen Kosten die Versicherten im Zusammenhang mit dieser Leistung entstehen, einen Zuschuß von bis zu 16 Euro täglich vorsehen. Bei ambulanten Vorsorgeleistungen für versicherte chronisch kranke Kleinkinder kann der Zuschuss nach Satz 2 auf bis zu 25 Euro erhöht werden.

(3) In den Fällen der Absätze 1 und 2 sind die §§ 31 bis 34 anzuwenden.

(4) Reichen bei Versicherten die Leistungen nach Absatz 1 und 2 nicht aus, erbringt die Krankenkasse Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer Vorsorgeeinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 besteht; für pflegende Angehörige kann die Krankenkasse unter denselben Voraussetzungen Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung auch in einer Vorsorgeeinrichtung erbringen, mit der ein Vertrag nach § 111a besteht. Die Krankenkasse führt statistische Erhebungen über Anträge auf Leistungen nach Satz 1 und Absatz 2 sowie deren Erledigung durch.

(5) Die Krankenkasse bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls unter entsprechender Anwendung des Wunsch- und Wahlrechts der Leistungsberechtigten nach § 8 des Neunten Buches Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach Absatz 4 sowie die Vorsorgeeinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen; die Krankenkasse berücksichtigt bei ihrer Entscheidung die besonderen Belange pflegender Angehöriger. Leistungen nach Absatz 4 sollen für längstens drei Wochen erbracht werden, es sei denn, eine Verlängerung der Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich. Satz 2 gilt nicht, soweit der Spitzenverband Bund der Krankenkassen nach Anhörung der für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorgeeinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen in Leitlinien Indikationen festgelegt und diesen jeweils eine Regeldauer zugeordnet hat; von dieser Regeldauer kann nur abgewichen werden, wenn dies aus dringenden medizinischen Gründen im Einzelfall erforderlich ist. Leistungen nach Absatz 2 können nicht vor Ablauf von drei, Leistungen nach Absatz 4 können nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich.

(6) Versicherte, die eine Leistung nach Absatz 4 in Anspruch nehmen und das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen je Kalendertag den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag an die Einrichtung. Die Zahlung ist an die Krankenkasse weiterzuleiten.

(7) Medizinisch notwendige stationäre Vorsorgemaßnahmen für versicherte Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen in der Regel für vier bis sechs Wochen erbracht werden.

(8) (weggefallen)

(9) (weggefallen)

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln, soweit sie nicht nach § 34 ausgeschlossen sind. Ein Anspruch besteht auch auf Versorgung mit Heilmitteln, die telemedizinisch erbracht werden. Für nicht nach Satz 1 ausgeschlossene Heilmittel bleibt § 92 unberührt.

(1a) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 das Nähere zur Heilmittelversorgung von Versicherten mit langfristigem Behandlungsbedarf. Er hat insbesondere zu bestimmen, wann ein langfristiger Heilmittelbedarf vorliegt, und festzulegen, ob und inwieweit ein Genehmigungsverfahren durchzuführen ist. Ist in der Richtlinie ein Genehmigungsverfahren vorgesehen, so ist über die Anträge innerhalb von vier Wochen zu entscheiden; ansonsten gilt die Genehmigung nach Ablauf der Frist als erteilt. Soweit zur Entscheidung ergänzende Informationen des Antragstellers erforderlich sind, ist der Lauf der Frist bis zum Eingang dieser Informationen unterbrochen.

(1b) Verordnungen, die über die in der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in Verbindung mit Absatz 6 Satz 1 Nummer 3 geregelte orientierende Behandlungsmenge hinausgehen, bedürfen keiner Genehmigung durch die Krankenkasse.

(1c) (weggefallen)

(2) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, haben zu den Kosten der Heilmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 3 ergebenden Betrag an die abgebende Stelle zu leisten. Dies gilt auch, wenn Massagen, Bäder und Krankengymnastik als Bestandteil der ärztlichen Behandlung (§ 27 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1) oder bei ambulanter Behandlung in Krankenhäusern, Rehabilitations- oder anderen Einrichtungen abgegeben werden. Die Zuzahlung für die in Satz 2 genannten Heilmittel, die als Bestandteil der ärztlichen Behandlung abgegeben werden, errechnet sich nach den Preisen, die nach § 125 vereinbart oder nach § 125b Absatz 2 festgesetzt worden sind.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Soweit in § 10 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, 7 und 9 sowie Absatz 1a Nummer 1, den §§ 10a, 10b und den §§ 33 bis 33b nichts anderes bestimmt ist, dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden

1.
die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.2Dazu gehören auch die Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen;
2.
freiwillige Zuwendungen, Zuwendungen auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht und Zuwendungen an eine gegenüber dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gesetzlich unterhaltsberechtigte Person oder deren Ehegatten, auch wenn diese Zuwendungen auf einer besonderen Vereinbarung beruhen;
3.
die Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern sowie die Umsatzsteuer für Umsätze, die Entnahmen sind, und die Vorsteuerbeträge auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot der Nummer 1 oder des § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 bis 5, 7 oder Absatz 7 gilt; das gilt auch für die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen;
4.
in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen, sonstige Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt, und Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen;
5.
(weggefallen)

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Soweit in § 10 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, 7 und 9 sowie Absatz 1a Nummer 1, den §§ 10a, 10b und den §§ 33 bis 33b nichts anderes bestimmt ist, dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden

1.
die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.2Dazu gehören auch die Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen;
2.
freiwillige Zuwendungen, Zuwendungen auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht und Zuwendungen an eine gegenüber dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gesetzlich unterhaltsberechtigte Person oder deren Ehegatten, auch wenn diese Zuwendungen auf einer besonderen Vereinbarung beruhen;
3.
die Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern sowie die Umsatzsteuer für Umsätze, die Entnahmen sind, und die Vorsteuerbeträge auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot der Nummer 1 oder des § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 bis 5, 7 oder Absatz 7 gilt; das gilt auch für die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen;
4.
in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen, sonstige Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt, und Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen;
5.
(weggefallen)

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob und ggf. in welcher Höhe Unterhaltszahlungen an die in der Türkei lebenden Eltern des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus ist streitig, ob die Anschaffungskosten für ein Ehebett und eine Couchgarnitur als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 Abs. 2 EStG abzugsfähig sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und wurden in den Streitjahren 2003 und 2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In der Einkommensteuererklärung 2003 machten sie Kosten wegen einer Asthmaerkrankung ihres Sohnes in Höhe von 4.976 €, von denen 4.800 € auf die Anschaffung von Schlafzimmermöbeln für das Schlafzimmer der Kläger und einer Couchgarnitur entfallen und deshalb streitig sind, als außergewöhnliche Belastung geltend. Weiter begehrten sie die Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen für die in der Türkei lebenden Eltern des Klägers in Höhe von 5.200 €.

3

Hinsichtlich der Unterhaltszahlungen für die 1935 bzw. 1951 geborenen, in der Türkei lebenden Eltern des Klägers legten sie je eine amtliche Unterhaltsbescheinigung vom 9. Juni 2004 vor, wonach beide weder berufstätig sind noch sonst über Einkommen oder Vermögen oder Unterhaltsleistungen von anderen Angehörigen verfügen. Nach den vorgelegten Überweisungsbelegen der Bank H wurden auf das Konto des Vaters des Klägers folgende Zahlungen geleistet:

4

Betrag

Datum

   200 €

5. März 2004

3.000 €

12. November 2003

2.000 €

30. Dezember 2003

5

Zu den beiden letztgenannten Beträgen liegt jeweils auch eine Auszahlungsbestätigung der Bank vor.

In der Einkommensteuererklärung 2004 machten die Kläger Unterhaltsaufwendungen an die Eltern des Klägers in Höhe von 5.000 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Ausweislich der vorgelegten Überweisungsbelege sind folgende Zahlungen auf  Konten des Vaters des Klägers geleistet worden:

Betrag

Datum

   400 €

27. Januar 2004

   200 €

5. März 2004

(in 2003 geltend gemacht)

   300 €

26. April 2004

1.500 €

13. August 2004

2.500 €

29. Dezember 2004

8

Auch für das Streitjahr 2004 wurde für jeden Elternteil eine amtliche Unterhaltsbescheinigung vorgelegt.

9

Darüber hinaus wurde am 16. September 2004 ein Betrag in Höhe von 300 € auf das Konto einer A, wohnhaft in B, überwiesen.

10

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2003 von den geltend gemachten Krankheitskosten lediglich einen Betrag in Höhe von 176 € als außergewöhnliche Belastungen anerkannt, der sich wegen der zumutbaren Eigenbelastung allerdings steuerlich nicht auswirkte. Unterhaltsleistungen an die Eltern in die Türkei sind in keinem der beiden Streitjahre berücksichtigt worden.

11

Die nach erfolglosen Vorverfahren erhobene Klage blieb ohne Erfolg.

12

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

13

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des Finanzgerichts (FG) Nürnberg vom 23. Oktober 2007 VI 120/2006 und die Einspruchsentscheidung vom 23. März 2006 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 vom 20. August 2004 in der Weise zu ändern, dass für die Anschaffung der Möbel weitere 4.800 € und weitere Unterhaltszahlungen in Höhe von 5.200 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden sowie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 vom 13. Februar 2006 dahingehend zu ändern, dass weitere Unterhaltszahlungen in Höhe von 5.000 € als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden.

14

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

16

1. Der Senat erkennt gemäß § 90 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung. Denn Kläger und Beklagter haben wirksam auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

17

Ein entsprechender Verzicht des dem Revisionsverfahren beigetretenen Bundesministeriums der Finanzen (BMF) liegt zwar nicht vor; er ist aber auch nicht erforderlich. Denn das BMF erlangt durch den Beitritt zum Verfahren zwar die verfahrensrechtliche Stellung eines Beteiligten (§ 122 Abs. 2 Satz 4 FGO i.V.m. § 57 Nr. 4 FGO); über das Verfahren zu disponieren, vermag es deshalb jedoch nicht. Dies können nur Kläger und Beklagter als die ursprünglichen Verfahrensbeteiligten. Der Anspruch auf verfahrensrechtliche Gleichbehandlung des beigetretenen BMF erschöpft sich darin, innerhalb der von den originär Beteiligten einvernehmlich vorgegebenen Rahmenbedingungen wie Revisionskläger und Revisionsbeklagter behandelt zu werden. Damit könnte das BMF nicht auf der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bestehen, wenn die Hauptbeteiligten --wie im Streitfall-- auf eine solche verzichtet haben (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Oktober 2005 V R 64/00, BFHE 212, 132, BStBl II 2006, 212; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 90 FGO Rz 7; vgl. auch Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 122 FGO Rz 34). Denn es wäre mit Sinn und Zweck des § 122 Abs. 2 Satz 4 FGO nicht vereinbar, wenn das BMF die Möglichkeit hätte, ein Verfahren gegen den Willen der Hauptbeteiligten fortzusetzen oder zu verlängern (Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 122 FGO Rz 38, 39, m.w.N.). Diese Beschränkung der Verfahrensrechte des Beigetretenen verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), da das BMF im schriftlichen Verfahren im nämlichen Umfang wie die Hauptbeteiligten gehört wird. Im Übrigen hat das nach § 122 Abs. 2 FGO beigetretene BMF, im Gegensatz zu einem Beteiligten i.S. des § 57 Nr. 3 FGO, die Möglichkeit, sich mit der originär beteiligten Finanzbehörde abzustimmen und dadurch Einfluss auf den Gang des Verfahrens zu nehmen.

18

2. Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer ihm oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 7.188 € (im VZ 2003) bzw. 7.680 € (im VZ 2004) im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in der jeweils für das Streitjahr geltenden Fassung). Eine zumutbare Belastung i.S. des § 33 Abs. 3 EStG wird nicht angerechnet (Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 33a Rz 2). Denn § 33a EStG stellt gegenüber der allgemeinen Regelung des § 33 EStG eine Sondervorschrift dar (Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 33a EStG Rz 10).

19

a) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat im Streitjahr 2003 berücksichtigungsfähige Unterhaltsaufwendungen lediglich deshalb nicht zum Abzug vom Gesamtbetrag der Einkünfte zugelassen, weil es auf diese eine zumutbare Belastung angerechnet hat. Damit kann die angefochtene Entscheidung insoweit keinen Bestand haben.

20

b) Aber auch im Hinblick auf das Streitjahr 2004 ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und an das FG zurückzuverweisen. Denn der Schluss des FG, dass die Eltern des Klägers in diesem Jahr noch über andere Einnahmen verfügt haben müssten, die sie verschwiegen hätten, so dass die vorgelegte Unterhaltsbescheinigung nicht glaubwürdig sei, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

21

Zwar ist die finanzrichterliche Überzeugungsbildung revisionsrechtlich nur eingeschränkt auf Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze überprüfbar. Das FG hat jedoch im Einzelnen darzulegen, wie und dass es seine Überzeugung in rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise gewonnen hat (BFH-Beschluss vom 13. März 1997 I B 78/96, BFH/NV 1997, 772). Die subjektive Gewissheit des Tatrichters vom Vorliegen eines entscheidungserheblichen Sachverhalts ist nur dann ausreichend und für das Revisionsgericht bindend, wenn sie auf einer logischen, verstandesmäßig einsichtigen Beweiswürdigung beruht, deren nachvollziehbare Folgerungen den Denkgesetzen entsprechen und von den festgestellten Tatsachen getragen werden. Fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen Entscheidung oder fehlt die nachvollziehbare Ableitung dieser Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen und Umständen, so liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor, der als Fehler der Rechtsanwendung ohne besondere Rüge vom Revisionsgericht beanstandet werden kann (BFH-Urteile vom 25. Mai 1988 I R 225/82, BFHE 154, 7, BStBl II 1988, 944; vom 13. Januar 1987 VII R 10/84, BFH/NV 1987, 728; vom 23. August 1994 VII R 93/93, BFH/NV 1995, 572; vom 15. Februar 1995 II R 53/92, BFH/NV 1996, 18).

22

3. Ein solcher Rechtsanwendungsfehler ist vorliegend für das Streitjahr 2004 zu beklagen. Denn der Schluss des FG, dass die Eltern des Klägers von den Unterhaltsleistungen aus Deutschland im Streitjahr 2004 nicht haben leben können, wird nicht von entsprechenden Feststellungen getragen. Zum einen hat das FG bei seiner Berechnung die Unterhaltsrate in Höhe von 2.000 €, die am 30. Dezember 2003 geleistet wurde, zu Unrecht nicht bei der Ermittlung der im Jahre 2004 verfügbaren Zuwendungen berücksichtigt. Dies ist zwar insoweit zutreffend, als diese Zahlung wegen des Prinzips der Abschnittsbesteuerung den Gesamtbetrag der Einkünfte im Streitjahr 2004 nicht nach § 33a Abs. 1 EStG mindern darf. Gleichwohl steht dieser Betrag den Unterstützungsempfängern im Jahr 2004 tatsächlich zur Deckung ihres Lebensbedarfs zur Verfügung. Hiervon ist auch das FG in der angefochtenen Entscheidung ausgegangen, wenn es ausführt, dass diese Zuwendung jedenfalls den Dezemberbedarf des Jahres 2003 nicht (mehr) zu decken vermochte. Damit hatten die Eltern des Klägers nicht nur einen Betrag in Höhe von 2.400 €, sondern 4.400 € (= 2.200 € je Elternteil) aus Deutschland zur Verfügung. Dies entspricht in etwa 2/3 des türkischen Pro-Kopf-Einkommens, das im Jahr 2004 etwa 4.085 $ (3.284 €) betrug (www.bundesregierung.de ) bzw. 3/4 des gesetzlichen Mindestlohns (www.eds-destatis.de, Bevölkerung, Arbeit und Soziales, Statistik kurz gefasst, Mindestlöhne EU-Mitgliedstaaten, Kandidatenländer, USA 2004) eines Jahres (12 x 240 € = 2.880 €). Der Schluss, dass Unterhaltszahlungen in dieser Größenordnung für ein möglicherweise nur einfaches Leben der Unterhaltsempfänger nicht ausreichen sollen, ist für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar und vom FG auch nicht durch belastbare Zahlen oder entsprechende Tatsachenfeststellungen belegt. Vielmehr lässt beispielsweise der Umstand, dass der monatliche Mindestlohn in der Türkei im Jahr 2004 bei 240 € gelegen hat, darauf schließen, dass die Unterhaltsempfänger keine weiteren Einnahmen benötigt haben, um in der Türkei "über die Runden zu kommen". Damit beruht auch der weitere Schluss, die Eltern des Klägers hätten weitere Einnahmen erzielt, diese aber nicht angegeben, so dass der vorgelegten Unterhaltsbescheinigung kein Glauben geschenkt werden könne, nicht auf nachvollziehbaren Folgerungen des FG.

23

4. Das FG wird im zweiten Rechtsgang erneut zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für den Abzug von Unterhaltszahlungen nach § 33a Abs. 1 EStG, insbesondere die Bedürftigkeit der Unterhaltsempfänger, vorliegen. Dabei hat es weiterhin eine zeitanteilige Kürzung des Unterhaltshöchstbetrags in Betracht zu ziehen (vgl. Senatsentscheidung vom 5. Mai 2010 VI R 40/09, BFHE 230, 123). Denn Unterhaltsleistungen können nach der Rechtsprechung des BFH nicht auf Monate vor ihrer Zahlung zurückbezogen werden (BFH-Urteil in BFHE 230, 123, m.w.N.). Das FG hat in diesem Zusammenhang weiter zu würdigen, ob die Kläger einen Anspruch darauf haben, dass in den Streitjahren ihnen gegenüber die im damaligen BMF-Schreiben vom 15. September 1997 (BStBl I 1997, 826) Tz. 8.3 normierte Regel zur Anwendung kommt. Danach können aus Vereinfachungsgründen vierteljährliche Unterhaltszahlungen auch in Vormonaten Berücksichtigung finden.

24

Norminterpretierende Verwaltungsanweisungen, die die gleichmäßige Auslegung und Anwendung des Rechts sichern sollen, können im Allgemeinen zwar weder eine einer Rechtsnorm vergleichbare Bindung aller Rechtsanwender noch eine Bindung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben herbeiführen. Eine von den Gerichten zu beachtende Selbstbindung der Verwaltung besteht allerdings als Ausfluss von Art. 3 Abs. 1 GG ausnahmsweise in dem Bereich der der Verwaltung vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsfreiheit, also im Bereich des Ermessens, der Billigkeit und der Typisierung oder Pauschalierung (BFH-Urteile vom 26. April 1995 XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754; vom 7. Dezember 2005 I R 123/04, BFH/NV 2006, 1097; vom 4. Februar 2010 II R 1/09, BFH/NV 2010, 1244).

25

Soweit die Kläger im zweiten Rechtsgang weiterhin die Anschaffungskosten für die Schlafzimmermöbel und die Couchgarnitur als außergewöhnliche Belastung abgezogen wissen wollen, steht der Umstand, dass sie bislang weder ein zeitlich vor den Aufwendungen erstelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten noch ein Attest eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers zur medizinischen Indikation der streitigen Anschaffungskosten vorgelegt haben, dem Abzug der Aufwendungen nach § 33 EStG nicht entgegen. Denn der Senat hält an diesem qualifizierten Nachweisverlangen nicht länger fest (BFH-Urteil vom 11. November 2010 VI R 17/09, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, www.bundesfinanzhof.de). Gleichwohl bleiben die Kläger verpflichtet, die medizinische Indikation der streitigen Anschaffungen nachzuweisen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein von einem Beteiligten vorgelegtes Sachverständigengutachten im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich als Privatgutachten zu behandeln und damit als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen ist. Es kann daher nicht als Nachweis für die Richtigkeit des klägerischen Vortrags gewertet werden (BFH-Beschluss vom 23. Februar 2010 X B 139/09, BFH/NV 2010, 1284, m.w.N.). Da weder das FA noch das FG die Sachkunde besitzen, um die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrunde liegenden Maßnahme zu beurteilen, ist das FG aufgrund seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) gehalten, gegebenenfalls von Amts wegen ein entsprechendes Gutachten einzuholen (BFH-Urteil vom 11. November 2010 VI R 17/09, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, www.bundesfinanzhof.de).

26

Gelingt den Klägern im Streitfall der Nachweis der medizinischen Indikation, wird der Abzug der Anschaffungskosten für die Möbel auch nicht durch einen Gegenwert gehindert. Tauscht der Steuerpflichtige gesundheitsgefährdende Gegenstände des existenznotwendigen Bedarfs aus, so steht die Gegenwertlehre dem Abzug der Aufwendungen nicht entgegen. Der sich aus der Erneuerung ergebende Vorteil ist jedoch anzurechnen ("Neu für Alt"). Dabei obliegt die Ermittlung des Vorteilsausgleichs dem FG als Tatsacheninstanz (BFH-Beschluss vom 8. Februar 2007 III B 11/06, BFH/NV 2007, 1108, m.w.N.). Deshalb kann der Senat auch im Streitfall dahingestellt sein lassen, ob er der im Schrifttum geäußerten Fundamentalkritik an der sog. Gegenwertlehre folgen könnte (vgl. HHR/Kanzler, § 33 EStG Rz 37, m.w.N.; s. auch Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz B 34 ff.).

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.