Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 23. Feb. 2017 - DL 13 S 2331/15
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. Mai 2015 - DL 20 K 1481/13 - geändert. Die Verfügung der Beklagten vom 02.04.2013 wird geändert. Das monatliche Ruhegehalt des Klägers wird um ein Zehntel für die Dauer von einem Jahr anteilig vermindert. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen je zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Zustellungen durch die Verwaltungsbehörden werden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes bewirkt.
(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Zustellungen durch die Verwaltungsbehörden werden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes bewirkt.
(1) Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Daten im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden.
(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.
(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.
(1) Beamtinnen und Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung.
(2) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn die Bedenken fortbestehen, an die nächst höhere Vorgesetzte oder den nächst höheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit. Dies gilt nicht, wenn das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für die Beamtinnen oder Beamten erkennbar ist. Die Bestätigung hat auf Verlangen schriftlich zu erfolgen.
(3) Wird von den Beamtinnen oder Beamten die sofortige Ausführung der Anordnung verlangt, weil Gefahr im Verzug besteht und die Entscheidung der oder des höheren Vorgesetzten nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann, gilt Absatz 2 Satz 3 und 4 entsprechend. Die Anordnung ist durch die anordnende oder den anordnenden Vorgesetzten schriftlich zu bestätigen, wenn die Beamtin oder der Beamte dies unverzüglich nach Ausführung der Anordnung verlangt.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Die erforderlichen Beweise sind zu erheben. Hierbei können insbesondere
- 1.
schriftliche dienstliche Auskünfte eingeholt werden, - 2.
Zeugen und Sachverständige vernommen oder ihre schriftliche Äußerung eingeholt werden, - 3.
Urkunden und Akten beigezogen sowie - 4.
der Augenschein eingenommen werden.
(2) Niederschriften über Aussagen von Personen, die schon in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren vernommen worden sind, sowie Niederschriften über einen richterlichen Augenschein können ohne erneute Beweiserhebung verwertet werden.
(3) Über einen Beweisantrag des Beamten ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dem Beweisantrag ist stattzugeben, soweit er für die Tat- oder Schuldfrage oder für die Bemessung der Art und Höhe einer Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sein kann.
(4) Dem Beamten ist Gelegenheit zu geben, an der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen sowie an der Einnahme des Augenscheins teilzunehmen und hierbei sachdienliche Fragen zu stellen. Er kann von der Teilnahme ausgeschlossen werden, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere mit Rücksicht auf den Zweck der Ermittlungen oder zum Schutz der Rechte Dritter, erforderlich ist. Ein schriftliches Gutachten ist ihm zugänglich zu machen, soweit nicht zwingende Gründe dem entgegenstehen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 8. Dezember 2014 - DL 8 K 1870/14 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.
(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.
(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.
(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.
(1) Beamtinnen und Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung.
(2) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn die Bedenken fortbestehen, an die nächst höhere Vorgesetzte oder den nächst höheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit. Dies gilt nicht, wenn das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für die Beamtinnen oder Beamten erkennbar ist. Die Bestätigung hat auf Verlangen schriftlich zu erfolgen.
(3) Wird von den Beamtinnen oder Beamten die sofortige Ausführung der Anordnung verlangt, weil Gefahr im Verzug besteht und die Entscheidung der oder des höheren Vorgesetzten nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann, gilt Absatz 2 Satz 3 und 4 entsprechend. Die Anordnung ist durch die anordnende oder den anordnenden Vorgesetzten schriftlich zu bestätigen, wenn die Beamtin oder der Beamte dies unverzüglich nach Ausführung der Anordnung verlangt.
(1) Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Daten im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg - Disziplinarkammer - vom 09. Oktober 2013 - DB 8 K 1766/12 - geändert. Der Beklagte wird in das Amt eines Postobersekretärs zurückgestuft und die weitergehende Klage insoweit abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt ein Fünftel, der Beklagte vier Fünftel der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Außerdem hat die Strafkammer den Verfall von Wertersatz in Höhe von 1.500 € angeordnet.
- 2
- Der Strafzumessung hat die Strafkammer den gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zugrunde gelegt. Sie ist davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Begehung der Tat infolge einer akuten Intoxikation, die auf dem Konsum von Kokain beruhte, nicht ausschließbar erheblich vermindert war.
- 3
- Mit ihrer wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch mit Ausnahme der Anordnung des Verfalls auf Wertersatz beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft insbesondere Rechtsfehler bei der Anwendung des § 21 StGB.
- 4
- Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
II.
- 5
- 1. Dem - rechtskräftigen - Schuldspruch liegen folgende Feststellungen zugrunde:
- 6
- Der durch „Drogenschulden“ belastete, nicht vorbestrafte Angeklagte, ließ sich in den Niederlanden - seiner Heimat - dazu überreden, gegen einen Kurierlohn in Höhe von 1.500 € fünf Kilogramm Marihuana ausden Niederlan- den nach Linz in Österreich zu transportieren. Der Kurierlohn wurde mit seinen Schulden verrechnet.
- 7
- Dementsprechend verbrachte der Angeklagte am 7. März 2011 im Laderaum seines Fahrzeugs 4.925,8 Gramm Marihuana aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland. Das Rauschgift hatte einen Wirkstoffgehalt von 14,50 %. Dies entspricht 714,2 Gramm Tetrahydrocannabinol. Zum Eigenkonsum führte er zudem 0,27 Gramm Haschisch und 0,82 Gramm Kokain mit. Bei einer Polizeikontrolle auf einem Parkplatz an der Autobahn München - Salzburg wurden die Betäubungsmittel gegen 19.30 Uhr entdeckt und sichergestellt. Der Angeklagte wurde festgenommen.
- 8
- 2. Die Entscheidung zur Frage der Schuldfähigkeit beruht auf folgenden Feststellungen und Erwägungen der Strafkammer:
- 9
- a) Zur beruflichen und wirtschaftlichen Situation des Angeklagten:
- 10
- Der zur Tatzeit knapp 52-jährige Angeklagte, ein Heizungsinstallateur, wurde ab 1992 im Wertpapierhandelsgeschäft aktiv, zunächst im Angestelltenverhältnis , ehe er sich als Börsenmakler selbständig betätigte. Dies endete im Jahre 2004 mit seiner Privatinsolvenz bei Verbindlichkeiten in Höhe von 185.000 €. Danach wirkte er als Berater in Vermögensangelegenheiten. 2009 machte er sich mit einem Malerbetrieb selbständig, aus dem er bis zu seiner Festnahme monatliche Einkünfte in Höhe von 2.500 € erzielte. Aufgrund seines hohen Kokainverbrauchs hat er bei seinen Lieferanten Schulden in Höhe von ca. 5.000 bis 6.000 €.
- 11
- b) Das Konsumverhalten des Angeklagten:
- 12
- Nach seinen eigenen - vom Landgericht für glaubhaft erachteten - Angaben probierte der Angeklagte erstmals im Alter von zwölf bis vierzehn Jahren Alkohol, zunächst unregelmäßig. Infolge seines wirtschaftlichen Zusammenbruchs und des Scheiterns seiner Ehe - beides im Jahr 2004 - steigerte er sei- nen Alkoholkonsum bis zu seiner Inhaftierung auf bis zu zwei Flaschen Portwein täglich.
- 13
- Im Alter von 18 Jahren nahm der Angeklagte erstmals Kokain zu sich, zunächst regelmäßig an Wochenenden. Daneben konsumierte er Ecstasy. Im Jahre 2004 verzichtete er im Rahmen einer neuen Partnerschaft für die Dauer von sechs Monaten auf den Konsum von Betäubungsmitteln. Vor seiner Verhaftung rauchte er fünfmal pro Woche ca. 1,5 Gramm Kokain. Von Freitagabend bis Sonntagnachmittag, während er seinen Sohn bei sich hatte, verzichtete er auf den Konsum von Betäubungsmitteln. Im Rahmen von fünf bis sieben Hauspartys im Jahr nimmt er jeweils fünf bis sieben Tabletten Ecstasy zu sich. Letztmals konsumierte der Angeklagte vor seiner Inhaftierung auf einem Autobahnparkplatz Kokain.
- 14
- c) Zur Intoxikation und Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit:
- 15
- Der - sogleich geständige - Angeklagte wirkte bei seiner Festnahme gegenüber dem eingreifenden Polizeibeamten völlig unauffällig. Der Angeklagte erweckte nicht den Eindruck, unmittelbar vor der Kontrolle Betäubungsmittel zu sich genommen zu haben.
- 16
- Im Urin des Angeklagten fanden sich Kokain, Kokainstoffwechselprodukte (u.a. Ecgoninmethylester), Temazepam, Oxazepam, Hydroxyzin, Hydroxyzinstoffwechselprodukte , Paracetamol und Paracetamolstoffwechselprodukte. Im Blutplasma ließen sich die Werte hinsichtlich des Kokains und seiner Stoffwechselprodukte quantifizieren. Diese lagen in einem sehr hohen, einen zeitnahen Konsum belegenden Bereich. Durch das Auffinden der Werte von Cocaethylen und Ecgoninmethylester wird der Vortrag des Angeklagten zu sei- nem Alkoholkonsum bestätigt, da diese bei zeitnaher Aufnahme von Kokain und Alkohol gebildet werden. Durch eine ergänzende Untersuchung der Haare (zwei Zentimeter) des Angeklagten konnte eine Aufnahme der genannten Substanzen innerhalb der vorangegangenen zwei Monate nachgewiesen werden, die mit den Werten aufgrund der Blut- und Urinprobe in Einklang stehen. Die Konzentration der Werte für Kokainabbauprodukte zeigen einen regelmäßigen intensiven Konsum, der mit Alkoholaufnahme einhergeht.
- 17
- Aufgrund der festgestellten erheblichen Konsumwerte und des dennoch unauffälligen Eindrucks des Angeklagten, den dieser trotz des unmittelbar zuvor erfolgten Konsums auf den Ermittlungsbeamten bei der Festnahme machte, ist beim Angeklagten von einer erheblichen Gewöhnung auszugehen. Zudem liegt ständig ein erheblicher Konsumdruck vor.
- 18
- Zur Tatzeit lag eine akute Intoxikation vor. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sowie der Tatsache, dass der erhaltene Kurierlohn zur Begleichung von Geldschulden aus dem zurückliegenden Ankauf von Rauschgift zum eigenen Konsum gedient habe, ferner die Begleichung der Schulden die Voraussetzung für den weiteren Erwerb von Betäubungsmitteln gewesen sei, ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit beim Angeklagten gemäß § 21 StGB nicht auszuschließen.
- 19
- Die Strafkammer hat sich bei diesen Feststellungen und der hierauf beruhenden Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nach kritischer Prüfung den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen, eines erfahrenen, der Strafkammer seit vielen Jahren als zuverlässig bekannten Gutachters.
- 21
- Die Strafkammer hat die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt schon mangels Vorliegens eines Hanges, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, abgelehnt.
- 22
- Beim Angeklagten liege zwar ein langjähriger intensiver Kokainmissbrauch vor, zudem trinke er beträchtliche Mengen von Alkohol. Ein Hang im Sinne von § 64 StGB könne jedoch nicht festgestellt werden. Der Angeklagte habe keine Vorstrafen. Er sei gesund und in der Vergangenheit ständig einer geregelten Berufstätigkeit nachgegangen. Der Angeklagte lebe in einem sozial intakten Umfeld und kümmere sich regelmäßig jedes Wochenende um seinen Sohn; eine Depravation liege nicht vor. Der Angeklagte sei auch nicht sozial gefährdet.
III.
- 23
- Gegen die Bewertung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat bestehen durchgreifende sachlich-rechtliche Bedenken.
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- a) Die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert ist, erfolgt in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren, ohne dass die Nichteinhaltung einzelner Schritte nach rechtlichen Maßstäben fehlerhaft sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 51 f.; Beschluss vom 12. Juni 2008 - 3 StR 154/08 Rn. 7; Boetticher/ Nedopil/Bosinski/Saß, Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten, NStZ 2005, 57 ff.). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Angeklagten zu untersuchen; es ist festzustellen, ob, in welcher Weise und in welchem Umfang sie sich auf dessen Tatverhalten ausgewirkt haben.
- 25
- Zur Vermittlung der medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungstatsachen im Hinblick auf die Diagnose einer psychischen Störung, deren Schweregrad und deren innerer Beziehung zur Tat wird der Richter auf sachverständige Hilfe angewiesen sein, sofern er hierzu nicht aufgrund eigener Sachkunde befinden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2003 - 1 StR 406/03, BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 15, mwN). Dabei bedarf es der Darlegung der Störung anhand der vier Eingangsmerkmale und dazu, in welchem Ausmaß die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit aus fachwissenschaftlicher Sicht bei der Tat beeinträchtigt waren. Vom Sachverständigen wird keine juristisch normative Aussage erwartet, sondern eine empirisch vergleichende über das Ausmaß der Beeinträchtigung des Täters, etwa im Vergleich zum Durchschnittsmenschen oder anderen Straftätern. Denn bei der Bejahung eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB und bei der Annahme verminderter Schuldfähigkeit - insbesondere der auch normativ geprägten Beurteilung der Erheblichkeit der Verminderung von Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08, BGHSt 53, 221, 223 Rn. 15 ff.; Urteil vom 19. Oktober 2011 - 2 StR 172/11 Rn. 4) - handelt es sich um Rechtsfragen. Das abschließende Urteil über die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ist ausschließlich Sache des Richters (BGH, Urteile vom 26. April 1955 - 5 StR 86/55, BGHSt 8, 113, 124; vom 10. September 2003 - 1 StR 147/03, BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 14; vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53; SSW-StGB/Schöch § 20, Rn. 13). Der Tatrichter hat die Darlegungen des Sachverständigen daher zu überprüfen und rechtlich zu bewerten. Außerdem ist er verpflichtet, seine Entscheidung in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise zu begründen.
- 26
- Die bloße Abhängigkeit von Drogen kann eine (schwere) andere seelische Abartigkeit sein, soweit sie nicht wegen körperlicher Abhängigkeit zu den krankhaft seelischen Störungen gehört (exogene Psychosen). Die bloße Abhängigkeit beeinflusst für sich genommen die Steuerungsfähigkeit jedoch nicht. Dies ist erst dann in Erwägung zu ziehen, wenn langjähriger Betäubungsmittelmissbrauch zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1995 - 3 StR 276/95, BGHR StGB § 21 BtMAuswirkungen 12; SSW-StGB/Schöch § 20, Rn. 46). In diesen Fällen liegen regelmäßig zugleich ein organischer Befund und eine krankhafte seelische Störung vor. Auch beim akuten Rausch ist ein Ausschluss oder die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit möglich.
- 27
- Schwere Entzugserscheinungen können die Steuerungsfähigkeit bei Beschaffungsdelikten nur in seltenen Ausnahmefällen, z.B. in Kombination mit Persönlichkeitsveränderungen, aufheben (BGH, Urteile vom 23. August 2000 - 3 StR 224/00; vom 19. September 2001 - 2 StR 240/01, V.1.). Entzugserscheinungen , welche erst bevorstehen, können mitunter den Drang zur Beschaffungskriminalität übermächtig werden lassen, wenn die Angst des Täters vor Entzugserscheinungen, die er schon als äußerst unangenehm („grausamst“ ) erlitten hat und die er als nahe bevorstehend einschätzt, sein Hem- mungsvermögen erheblich vermindert. Dies kann dann insbesondere bei Hero- inkonsum die Voraussetzungen des § 21 StGB begründen, ist jedoch trotz der bei den verschiedenen Drogen unterschiedlichen Entzugsfolgen auch bei Kokain nicht von vorneherein völlig ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2005 - 2 StR 389/05, BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 16).
- 28
- Die Aussagekraft allein des - auch quantifizierten - Nachweises von Drogen und ihrer Abbauprodukte im Blut, im Urin und in den Haaren ist im Hinblick auf die Frage der Steuerungsfähigkeit eines Täters bei der Tat nur begrenzt (vgl. SSW-StGB/Schöch, § 20 Rn. 47). Im Rahmen einer Gesamtschau sind aufgrund der psychodiagnostischen Merkmale unter ergänzender Verwertung der Blut-, Urin- und Haarbefunde (hinsichtlich des Betäubungs- und hier auch Alkoholkonsums) Rückschlüsse auf die Tatzeitbefindlichkeit des Täters zu ziehen.
- 29
- b) Den danach an die Darlegungen zur Feststellung erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zu stellenden Anforderungen genügen die Urteilsgründe hier nicht.
- 30
- Das angefochtene Urteil beschränkt sich im Wesentlichen darauf, das Ergebnis des Sachverständigengutachtens zu referieren und sich diesem pauschal anzuschließen, bis auf einen Punkt, ohne sich mit dieser Abweichung allerdings weiter auseinanderzusetzen. Dies genügt im vorliegenden Fall nicht.
- 31
- Die Anforderungen an die Darlegungen in einem Urteil zur Überprüfung und Bewertung sachverständiger Äußerungen durch das Gericht sind nicht immer gleich. Liegt ein in sich stimmiges, in seinen Feststellungen und Beurteilungen ohne weiteres nachvollziehbares Sachverständigengutachten vor, werden häufig nach dessen Darstellung knappe Ausführungen genügen, aus de- nen insbesondere folgt, dass sich das Gericht erkennbar bewusst war und danach entschieden hat, dass es allein seine Aufgabe ist, das abschließende normative Urteil über die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit zu treffen, auch wenn es dem Sachverständigen letztlich uneingeschränkt folgt. Unnötige Wiederholungen sind auch in diesem Bereich zu vermeiden.
- 32
- Anders ist es, wenn die sachverständigen Äußerungen zur Steuerungsfähigkeit nicht ohne weiteres nachvollziehbar sind, Lücken aufweisen oder im Widerspruch zu sonstigen Feststellungen und Bewertungen der Strafkammer stehen. So liegt es - ausgehend von der Darstellung des Sachverständigengutachtens in den Urteilsgründen - hier.
- 33
- Dass sich der Angeklagte während der gesamten, sich über Stunden erstreckenden - jedenfalls hinsichtlich des Vorwurfs der Beihilfe zum Handeltreiben - Tathandlung in Folge akuter Intoxikation in einem Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit befunden hat, ist anhand der Urteilsgründe nicht nachvollziehbar und damit einer revisionsrechtlichen Überprüfung schon nicht zugänglich. Der zwar bedeutsame, aber kontrollierte - der Angeklagte kam am Wochenende, wenn sein Sohn bei ihm war, ohne Betäubungsmittel aus - Betäubungsmittelkonsum allein belegt dies nicht. Schwerste Persönlichkeitsveränderungen liegen, wie die Strafkammer zu § 64 StGB festgestellt hat, nicht vor.
- 34
- Dass der letzte Konsum vor der Festnahme des Angeklagten, der regelmäßig Kokain zu sich nahm, für ihn außergewöhnlich war und zu seiner Vergiftung in einem Grade geführt hätte, die zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit führte, ist nicht belegt. Welchen Einfluss der Alkoholkonsum des Angeklagten (bis zur Tat schließlich zwei Flaschen Portwein am Tag) dabei hatte, wird nicht erörtert (zum Zusammenwirken von Kokain und Alkohol vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2000 - 4 StR 131/00, BGHR StGB § 21 Ursachen , mehrere 15). Die Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt der Blutentnahme wird schon nicht mitgeteilt. Auf die mögliche Bedeutung der sonstigen im Blutplasma festgestellten Wirkstoffe wird nicht eingegangen. Im Übrigen sprechen die Feststellungen der Strafkammer dafür, dass der letzte Konsum von Kokain vor der Festnahme des Angeklagten erst nach Antritt der Kurierfahrt und insbesondere nach Grenzübertritt (Einnahme vor der Festnahme auf einem Autobahnparkplatz) mit den Betäubungsmitteln stattfand, also wesentliche Teile der Tathandlung überhaupt nicht tangierte.
- 35
- Mit dem wesentlichen psychodiagnostischen Merkmal, nämlich dem unauffälligen Verhalten des Angeklagten bei seiner Festnahme hat sich der Sachverständige in diesem Zusammenhang nicht auseinandergesetzt. Er hat dies nur als Hinweis auf die Gewöhnung des Angeklagten an den Konsum von Betäubungsmitteln erwähnt.
- 36
- Der Sachverständige hat seine Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit nicht allein auf eine akute Intoxikation sondern auch darauf gestützt , dass der erhaltene Kurierlohn zur Begleichung von Geldschulden aus dem zurückliegenden Ankauf von Rauschgift zum eigenen Konsum gedient habe und die Begleichung der Schulden die Voraussetzung für den weiteren Erwerb von Betäubungsmitteln gewesen sei. Dem hat sich die Strafkammer zwar ebenfalls pauschal angeschlossen (UA S. 12). Bei Feststellungen zum Tatgeschehen hat sich die Strafkammer dann jedoch auf die akute Intoxikation zur Begründung verminderter Steuerungsfähigkeit beschränkt (UA S. 7), ohne dies aber weiter zu begründen. Allerdings hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht in dem Ziel der Geldbeschaffung - für die Bezahlung von Schulden als Voraussetzung weiteren Betäubungsmittelerwerbs - keine Grundlage für die Annahme einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit gesehen. Die bisherigen Feststellungen hierzu beschreiben allenfalls ein Tatmotiv aber keinen so intensiven Konsumdruck (Angst vor unmittelbar bevorstehenden Entzugserscheinungen , die der Angeklagte schon einmal intensivst erlitten hatte), der in Ausnahmefällen die Steuerungsfähigkeit erheblich vermindern kann. Ob ein Täter in einer solchen psychischen Ausnahmesituation (Angst vor Entzugsfolgen ) dann aber überhaupt noch zu einer mehrstündigen Kurierfahrt und einem völlig unauffälligen Verhalten bei seiner Festnahme in der Lage hätte sein können , wäre gegebenenfalls - bei Hinweisen auf einen derartigen Erwerbsdruck - zu erörtern gewesen.
- 37
- Die Abweichung der Strafkammer von den Darlegungen des Sachverständigen hätten jedenfalls für sie allein schon Anlass sein müssen, sich insgesamt kritischer mit den Äußerungen des Sachverständigen auseinanderzusetzen.
- 38
- c) Über die Strafzumessung und - schon wegen des engen Zusammenhangs - über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird daher neu zu befinden sein. Sollte eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Betracht kommen, wird § 246a Satz 2 StPO zu berücksichtigen sein. Zu den Voraussetzungen eines Hangs im Sinne von § 64 StGB, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2008 - 3 StR 38/08, Rn. 8 ff. (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 30. Januar 2001 - 1 StR 542/00; vom 7. Februar 2012 - 5 StR 505/11, Rn. 8 ff., vom 9. Februar 2012 - 3 StR 2/12, Rn. 3). Nack Rothfuß Hebenstreit Elf Graf
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen räuberischen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.I.
Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge hat keinen die Angeklagte belastenden Rechtsfehler ergeben.II.
Die Beschwerdeführerin deckt mit ihrem Revisionsvorbringen auch im Strafausspruch keinen Rechtsfehler auf. Näherer Erörterung bedarf allerdings die Rüge, die Angeklagte leide unter einer schweren Persönlichkeitsstörungund habe sowohl bei dem verfahrensgegenständlichen räuberischen Diebstahl im Oktober 2001 als auch beim erpresserischen Menschenraub im Juli 2002 unter einem so starken Motivationsdruck gestanden, daß sie für beide Taten - anders als vom Landgericht angenommen - strafrechtlich nicht voll verantwortlich gewesen sei. 1. Die sachverständig beratene Strafkammer hat zur Persönlichkeitsentwicklung der Angeklagten und zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen :
a) Die Angeklagte, deren Eltern aus Kroatien stammen, wuchs in Deutschland gemeinsam mit einer Schwester auf. Sie hatte trotz durchschnittlicher Begabung bereits früh Probleme in der Grundschule. Nachdem sie die zweite Klasse wiederholen mußte, kam sie in die Sonderschule. Diese verließ sie im Jahre 1988 nach der 9. Klasse ohne Abschluß und besuchte danach ein Jahr eine Hauswirtschaftsschule. Die Kammer hat zu Gunsten der Angeklagten als wahr unterstellt, sie sei von ihrem Vater seit ihrem siebten Lebensjahr bis kurz vor ihrer Verhaftung immer wieder sexuell mißbraucht und regelmäßig geschlagen worden. Ab dem zehnten Lebensjahr unternahm sie mehrere Suizidversuche. Im Jugendalter wurde sie dreimal in stationäre psychiatrische Behandlung nach Kroatien gebracht, wurde allerdings nach wenigen Tagen wieder entlassen, ohne daß eine klare Diagnose gestellt werden konnte. Es wurden ihr Antidepressiva und regelmäßig ein Schmerzmittel verschrieben. Sie konsumierte außerdem seit dem 14. Lebensjahr in erheblichem Umfang Alkohol , ohne daß sich jedoch eine Suchtproblematik herausgebildet hätte. Gelegentlich konsumierte die Angeklagte auch Haschisch. Im Jahre 1991 heiratete die Angeklagte. Aus der Ehe gingen zwei Kinder im Alter von nunmehr elf und sechs Jahren hervor. Nach der Heirat arbeitete
sie halbtags als Textilverkäuferin; später übte sie verschiedene Tätigkeiten aus, zuletzt war sie in einem Fitneß-Studio tätig, wo sie rund 500 Euro im Monat verdiente. Etwa Mitte der neunziger Jahre spitzten sich ihre persönlichen Probleme zu. Sie praktizierte einen gehobenen Lebensstil, der nicht ihren bescheidenen finanziellen Verhältnissen entsprach, unter anderem mit häufigen Urlauben, teurer Kleidung für sich und ihre Kinder und häufigem Ausgehen mit Einladungen von Freunden. Diesen Lebensstil konnte sie nur durch zahlreiche Vermögensstraftaten finanzieren. Deshalb wurde sie am 24. Mai 1995 u. a. wegen Diebstahls in vier Fällen sowie wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug in 104 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die Strafe wurde 1999 erlassen. Am 23. Mai 2000 wurde sie wegen Betrugs in zehn Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung in neun Fällen und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde nochmals zur Bewährung ausgesetzt. Im Jahr 1999 lernte sie während eines Urlaubs in Tunesien einen Tunesier kennen, der Mitglied einer sektenartigen Bewegung war, in der sich die Angeklagte aufgehoben fühlte. Seit 2000 leben die Eheleute getrennt.
b) Der räuberische Diebstahl Im Oktober 2001 betrat die Angeklagte gegen Mittag ein Schreibwarengeschäft mit Lottoannahmestelle und ließ sich einschließen. Sie entnahm der Lottokasse Bargeld in Höhe von mindestens 1.200 DM und packte drei Plastiktüten mit rund 320 Schachteln Zigaretten ein. Als die Ladenbesitzerin nach der Pause das Geschäftslokal betrat, gab die Angeklagte vor, versehentlich eingeschlossen worden zu sein. Die Ladenbesitzerin wollte die Angeklagte einschließen und die Polizei benachrichtigen. Dies verhinderte die Angeklagte
mit einem kräftigen Stoß, bei der die Frau zu Boden ging. Sie forderte nach einem Faustschlag von ihr das Mobilteil des Telefons, das sie in die Tasche steckte. Dann flüchtete sie. Die Angeklagte konnte aufgrund von Fingerabdrükken ermittelt und am 12. März 2002 festgenommen werden. Nach einem über ihren Verteidiger abgegebenen Geständnis wurde sie am 26. März 2002 wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Angeklagte rechnete wegen dieser Tat mit einer erheblichen Freiheitsstrafe ohne Bewährung und befürchtete den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung aus einer früheren Verurteilung. Außerdem hatte sie Probleme mit ihrem Vater, der sich im Jahre 2001 von ihrer Mutter getrennt hatte und seitdem bei ihr der Wohnung wohnte. Die Probleme trieben einem Höhepunkt zu, als der Vater den Wunsch äußerte, mit ihrer Tochter ein Wochenende allein im Schwarzwald zu verbringen. Die Kammer hat zu Gunsten der Angeklagten angenommen, sie habe befürchtet, der Vater könne sich auch an ihrer Tochter vergehen. Um den Problemen zu entgehen, faßte die Angeklagte den Plan, Deutschland zu verlassen und in Tunesien eine neue Existenz aufzubauen. Nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft feierte sie dort aufwendig die Verlobung mit dem Tunesier, obwohl sie noch verheiratet war. Sie versprach dem Verlobten, dem gegenüber sie sich als wohlhabend ausgab, daß sie im Juli 2002 mit ihren Kindern endgültig zu ihm nach Tunesien ziehen werde. Dabei werde sie einen großen Geldbetrag mitbringen, mit dem man dort gemeinsam ein Mietwagenunternehmen aufbauen könne.
c) Die Kindesentführung
Anfang Juli 2002 faßte die Angeklagte den Entschluß, sich die Mittel zur Durchführung ihrer Tunesien-Pläne durch eine Kindesentführung mit Lösegeldforderung zu beschaffen. Als Erpressungsopfer erschien ihr hierfür die als wohlhabend geltende Familie R. geeignet, die nach ihren Informationen in der Lage sein würde, einen größeren Geldbetrag auch kurzfristig besorgen zu können. Der Plan der Angeklagten ging dahin, die 7jährige Tochter J. auf dem Schulweg in ihre Gewalt zu bringen und für ihre Freilassung ein "Löse- ! " # %$ &' ( &' *)+ , - ' . 0/1& geld" von 250.000 dem Geld sofort nach Tunesien absetzen. Zur Vorbereitung der Tat observierte die Angeklagte ab Anfang Juli 2002 die Verhaltensgewohnheiten der Familie R. . Insbesondere erforschte sie durch zahlreiche Anrufe, bei denen sie sich nicht meldete, zu welchem Zeitpunkt sich die Mitglieder der Familie zu Hause aufhielten. Zur Durchführung der Tat, die zunächst für den 12. Juli 2002 geplant war, kaufte sie einen gebrauchten Pkw BMW der 7er-Klasse. Da sie das Fahrzeug mit nach Tunesien mitnehmen wollte, ließ sie das Fahrzeug mit Ausfuhrkennzeichen zu. Am gleichen Tag buchte sie unter ihrem eigenen Namen zwei Flugreisen für den 12. Juli 2002 von Stuttgart nach Tunesien. Als Passagiere gab sie ihren Sohn und eine Person namens E. an. Sie war auf unbekannte Weise in Besitz eines Personalausweises mit diesem Namen gelangt und wollte unter diesem Namen nach Tunesien reisen. Am 10. Juli 2002 suchte sie ihre Cousine und deren Ehemann auf und teilte diesen mit, sie habe die Absicht nach Tunesien auszuwandern. Beide erklärten sich bereit, das Fahrzeug nach Tunesien zu überführen und die Tochter der Angeklagten mitzunehmen. Am 12. Juli 2002 gab sich die Angeklagte gegenüber der Sekretärin der Schule, in der J. in die erste Klasse ging, als deren Mutter aus und forderte sie auf, das Kind nach Hause zu schicken. Da J. jedoch krankheits-
bedingt nicht in der Schule war, brach die Angeklagte den Entführungsversuch an diesem Tag ab. Sie stornierte den geplanten Flug nach Tunesien und buchte den Flug auf den nächsten Tag um, in der Hoffnung die Tat an diesem Tag durchzuführen. Der Entführungsversuch fand aus nicht feststellbaren Gründen jedoch nicht statt.
Am 15. Juli 2002 überlegte die Angeklagte, wie sie auf anderer Weise Jasmin in ihre Gewalt bringen könnte. Sie wurde dabei gesehen, wie sie gegen 8.00 Uhr morgens aus ihrem Fahrzeug das Wohnhaus der Eheleute R. beobachtete. Die Angeklagte entschloß sich schließlich, die Entführung am 18. Juli 2002 durchzuführen. Sie buchte am 16. Juli 2002 für dieselben Personen einen Flug nach Tunesien für den 19. Juli 2002. Der Flug sollte jedoch von München stattfinden, wo sie die Nacht verbringen wollte. Sie buchte für sich und ihre Tochter eine Übernachtung im Hotel K. . Nachdem die Angeklagte am 18. Juli 2002 mehrere Kontrollanrufe bei der Familie R. getätigt hatte, fuhr sie mit ihrem Fahrzeug, in dem sie eine geladene Schreckschußpistole und ein Elektroschockgerät mit sich führte, gegen 8.00 Uhr zu der Schule. Gegen 9.00 Uhr sprach sie auf dem Schulgelände zwei 8jährige Schüler an und bat sie, J. aus dem Klassenzimmer zu holen ; sie solle zu der Sekretärin ins Rektorat kommen. Die Schüler, die die Angeklagte als Mutter von J. ansahen, holten J. mit Zustimmung der Klassenlehrerin heraus und begleiteten sie in Richtung Rektorat. Die Angeklagte paßte die beiden Schüler und J. zwischen dem Klassenraum und dem Rektorat ab. Die arglosen Jungen ließen J. mit der Angeklagten al-
lein. Sie vergewisserte sich, ob es sich bei dem Kind um J. handele und schüchterte es mit dem mitgebrachten Elektroschockgerät ein, indem sie dieses am Hals des Mädchens auslöste. Als J. zu schreien begann, drohte ihr die Angeklagte, sie werde sie töten, wenn sie nicht ruhig sei. Das Kind verhielt sich ruhig, weigerte sich aber, mit der Angeklagten zu gehen. Die Angeklagte nahm es unter den Arm und trug es zu ihrem Fahrzeug. J. wehrte sich dagegen mit Strampeln und verlor dabei ihre Sandalen und ihre Brille. Die Angeklagte setzte J. zunächst auf den Beifahrersitz und drückte das Kind nach unten, um zu verhindern, daß es bei der Abfahrt gesehen wurde. Um J. weiterhin gefügig zu machen, löste die Angeklagte das Elektroschockgerät nochmals an ihrer Wange aus, wodurch es zu einer leichten Verbrennung kam. Gegen 9.50 Uhr rief die Angeklagte J. s Vater an und forderte ihn auf nach Hause zu kommen, weil J. nach Hause gegangen sei. Er begab sich sofort nach Hause. Dort rief die Angeklagte den Vater erneut an und teilte ihm mit, daß sie J. in ihrer Gewalt habe. Er solle ruhig sein und keine Polizei rufen. Für den Fall, daß er sich nicht an ihre Anweisungen halte, drohte die Angeklagte, es würde für seine Tochter auf dem Markt einen guten Preis geben. Der Vater sollte die Befürchtung haben, sie wolle J. an einen Mädchenhändler verkaufen. Der Vater fuhr danach sofort in die Schule, wo inzwischen die Schuhe und die Brille des Kindes gefunden waren. Die Angeklagte fuhr mit dem Wagen ziellos im Raum L. herum. Da das Kind verängstigt und verzweifelt jammerte, verbrachte sie es spätestens gegen 11.00 Uhr in den Kofferraum des Fahrzeugs, wo es bis zu seiner Befreiung bis gegen 16.00 Uhr verblieb. Gegen 11.50 Uhr rief die Angeklagte den Vater J. s an und forderte ihn auf, binnen einer Stunde 250.000 243 die Freilassung seiner Tochter bereitzustellen. Nachdem der Vater einwandte, er benötige für die Beschaffung des Geldes Zeit bis 16.00 Uhr, erklärte sie sich
bereit, abzuwarten. In der Folgezeit rief sie mehrfach beim Vater an, um sich nach dem Stand der Vorbereitungen für die Geldübergabe zu erkundigen. Um 14.25 Uhr sprach die Angeklagte am Bahnhof in L. einen Taxifahrer an und forderte ihn auf, zum Haus der Familie R. zu fahren, dort ein Päckchen abzuholen und zu ihr zu bringen. Sie einigte sich mit dem Taxifahrer auf 50 Euro für die Fahrt. Um 14.40 Uhr teilte die Angeklagte dem Vater von J. mit, daß sie einen Boten schicken werde, der das Geld abholen werde. Um 14.50 Uhr rief sie den Vater erneut an und erklärte, er werde seine Tochter nicht wiedersehen, da er die Polizei eingeschaltet habe. In Absprache mit der inzwischen eingeschalteten Polizei gab der Vater gegenüber dem Taxifahrer an, daß das Paket noch nicht da sei, er möge noch etwas warten. Der Vater erfuhr dabei, daß der Taxifahrer das Paket zum Bahnhof nach L. bringen solle. Daraufhin begann die Polizei mit der Observation des Bahnhofsgebietes in L. . Dort entdeckte die Polizei die Angeklagte gegen 15.19 Uhr in ihrem Fahrzeug; bis zu ihrer Festnahme um 15.48 Uhr wurde sie lückenlos observiert. J. wurde im Kofferraum des Fahrzeugs in einem zwar erschöpften, jedoch insgesamt zufriedenstellenden Zustand aufgefunden.
2. Die sachverständig beratene Strafkammer hat eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei der Angeklagten verneint und sie für beide Taten für strafrechtlich voll verantwortlich gehalten. Die Kammer ist dem psychiatrischen Sachverständigen darin gefolgt, die Angeklagte leide an einer schweren gemischten Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und schizoiden Anteilen, die weitgehend auf einem hochproblema-
tischen Verhältnis zum Vater beruhe. Dazu ist in den Urteilsgründen näher ausgeführt, die Störung äußere sich in einer unausgeglichenen Affektivität mit autoaggressiven Zügen, einer gestörten Beziehungsfähigkeit und einer Neigung , insbesondere problematische Dinge von sich abzuspalten. Die Persönlichkeitsstörung , die auch durch sexuelle Mißbrauchserlebnisse mitbedingt sein könne, sei deshalb so erheblich, daß Symptome vorlägen, die rechtlich als "schwere andere seelische Abartigkeit" im Sinne des § 20 StGB eingeordnet würden. Die Strafkammer ist den Ausführungen des Sachverständigen auch insoweit gefolgt, als keine Anhaltspunkte dafür bestünden, daß sich die Persönlichkeitsstörung bei der konkreten Tat auf ihre Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt habe. Die Angeklagte sei in der Lage, die Realität zu erkennen und richtig einzuschätzen. Angesichts der hohen Komplexität der Tatabläufe , insbesondere der umfänglichen Tatplanung und der Vorbereitungshandlungen , sowie der Tatsache, daß die Angeklagte längerfristige, zukunftsgerichtete Pläne verfolgt habe, lägen keine Hinweise dafür vor, daß sie ihr Verhalten nicht habe steuern können. Dagegen hat die die Revision eingewendet, die Beurteilung der Schuldfähigkeit sei in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer habe bezüglich des ersten Tatvorwurfs, dem räuberischen Diebstahl, die Frage der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit überhaupt nicht geprüft. Hinsichtlich der Kindesentführung habe sie sich zwar mit der Problematik auseinandergesetzt , jedoch schon verkannt, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes die Annahme einer schweren seelischen Abartigkeit eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit zumindest nahe lege. Ein überlegtes, geplantes, logisches und zielgerichtetes Handeln schließe eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit nicht aus, da auch "bei geplantem und geordnetem Vorgehen" die Fähigkeit erheblich eingeschränkt sein könne,
Anreize zu einem bestimmten Verhalten und Hemmungsvorstellungen gegen- einander abzuwägen und danach den Willensentschluß zu bilden. Deshalb habe die Kammer in erster Linie prüfen müssen, ob die Angeklagte infolge ihrer Persönlichkeitsstörung in der fraglichen Zeit einem zur Tat führenden starken Motivationsdruck ausgesetzt gewesen sei, wie er sonst in vergleichbaren Situationen bei anderen Straftätern nicht vorhanden sei, und ob dadurch ihre Fähigkeit , sich normgerecht zu verhalten, deutlich vermindert gewesen sei. Die Kammer sei zwar davon ausgegangen, daß die schwere Persönlichkeitsstörung möglicherweise auf dem hochproblematischen Verhältnis zum Vater beruhe , habe jedoch außer acht gelassen, daß die Angeklagte mit ihrer Tochter und ihrem Sohn Deutschland verlassen und nach Tunesien auswandern wollte, „weil ihr Vater - der bereits sie über Jahre sexuell mißbraucht und geschlagen hatte - den Wunsch äußerte, mit der Tochter der Angeklagten ein Wochenende allein im Schwarzwald verbringen zu wollen und die Angeklagte befürchtete, daß ihr Vater sich auch an ihrer Tochter vergehen würde“ (UA S. 5, 20). 3. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer die Angeklagte trotz der angenommenen Persönlichkeitsstörung für beide Taten als strafrechtlich voll verantwortlich angesehen hat.
a) Persönlichkeitsstörung als andere seelische Abartigkeit
aa) Ersichtlich ist der Sachverständige bei der Beurteilung der persönlichen Entwicklung der Angeklagten und ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach den Kriterien der in der forensischen Psychiatrie gebräuchlichen diagnostischen und statistischen Klassifikationssysteme vorgegangen (ICD-10 Kapitel V (F), Internationale Klassifikation psychischer Störungen, Dil-
ling/Mombour/Schmidt [Hrsg.], 4. Aufl.; DSM-IV, Diagnostisches und Statisti- sches Manual Psychischer Störungen 2. Aufl., Saß/Wittchen/Zaudig [Hrsg.].).
bb) Bei der in ICD-10 F 60.0 (DSM-IV 301.0) genannten Störungsgruppe „Persönlichkeitsstörung“ handelt es sich um einen Oberbegriff. Es werden völlig unterschiedliche typologisch definierte Varianten beschrieben, die je nach Ausprägung als normal oder abnorm zugeordnet werden. Sie reichen von einer Vielzahl normalpsychologisch wirksamer Ausprägungen und Beeinträchtigungen des Empfindens und Verhaltens bis zu einer abnormen Persönlichkeit, die von ihrem Gewicht her durchaus Krankheitswert erreichen kann (Rasch, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 261 f.). Der Begriff der Persönlichkeitsstörung beschreibt abnorme Persönlichkeiten, deren Eigenschaften von einer nicht näher bezeichneten gesellschaftlichen Norm abweichen. Von psychopathischen Persönlichkeiten wird dann gesprochen, wenn die Person an ihrer Abnormität leidet oder wenn die Gesellschaft unter ihrer Abnormität leidet (vgl. Venzlaff und Pfäfflin in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung 4. Aufl. S. 248, 250; Rasch, StV 1991, 126, 127; Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 149, 152 f.; Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen S. 177, 180).
cc) Für die forensische Unterscheidung zwischen strafrechtlich nicht relevanten Auffälligkeiten in Charakter und Verhalten einer Persönlichkeit und einer psychopathologischen Persönlichkeitsstörung, die Symptome aufweist, die in einer Beziehung zu psychischen Erkrankungen im engeren Sinne bestehen , enthalten die Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV eine Vielzahl diagnostischer Kriterien, anhand derer der psychiatrische Sachverständige einzelne Persönlichkeitsstörungen spezifizieren und deren Ausprägungsgrad bewerten kann. Diagnostische Hilfsmittel bei psychischen Störungen sind ne-
ben technischen Untersuchungen (EEG, Laboruntersuchungen etc.) sowie den Selbst- und Fremdbeurteilungen vor allem strukturierte Checklisten und diagnostische Interviews (vgl. DSM-IV aaO S. XVII). Bei der forensischen Begut- achtung hat sich der Sachverständige methodischer Mittel zu bedienen, die dem jeweils aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand gerecht werden. Existieren mehrere anerkannte und indizierte Verfahren, so steht deren Auswahl in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dabei ist der Sachverständige – unbeschadet der Sachleitungsbefugnis durch das Gericht - frei, von welchen inhaltlichen Überlegungen und wissenschaftlichen Methoden er bei Erhebung der maßgeblichen Informationen ausgeht und welche Gesichtspunkte er für seine Bewertung des Ausprägungsgrades für maßgeblich hält. In seinem Gutachten hat er nach den Geboten der Nachvollziehbarkeit und der Transparenz für alle Verfahrensbeteiligten nach Möglichkeit darzulegen, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen und auf welchem Weg er zu den von ihm gefundenen Ergebnissen gelangt ist (vgl. BGHSt 44, 26, 33; 45, 164, 169; st. Rspr.).
dd) Der Senat hat der forensisch-psychiatrischen Literatur entnommen, daß sich nach dem bestehenden wissenschaftlichen Kenntnisstand für die forensische Schuldfähigkeitsbeurteilung von Persönlichkeitsstörungen folgende Vorgehensweise anbietet, ohne daß die Nichteinhaltung einzelner Schritte nach rechtlichen Maßstäben fehlerhaft sein muß. Dazu gehört, daß der Sachverständige die sozialen und biographischen Merkmale unter besonderer Berücksichtigung der zeitlichen Konstanz der pathologischen Auffälligkeiten erhebt. Darüber hinaus bedarf es der Darstellung der pathologischen Reaktionsweisen unter konflikthaften Belastungen und deren Veränderungen infolge der natürlichen Reifungs- und Entwicklungsschritte sowie der therapeutischen Maßnahmen (Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen, 2003, S. 177,
178). Weist die untersuchte Person Persönlichkeitszüge auf, die nur auf ein unangepaßtes Verhalten oder auf eine akzentuierte Persönlichkeit hindeuten und die Schwelle einer Persönlichkeitsstörung nicht erreichen, wird schon aus psychiatrischer Sicht eine Zuordnung zum vierten Merkmal des § 20 StGB auszuschließen sein.
b) Schweregrad der Abartigkeit
Gelangt der Sachverständige – wie hier - zur Diagnose einer „dissozialen oder antisoziale Persönlichkeitsstörung“ (ICD-10 F 60.2 und DSM-IV 301.7: „Mißachtung sozialer Normen“) und einer „schizoiden Persönlichkeitsstörung“ (ICD-10 F 60.1. und DSM-IV 301.20: „Distanziertheit in sozialen Beziehungen, eingeschränkte emotionale Ausdrucksmöglichkeiten“), so ist diese psychiatrische Diagnose indes nicht mit der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ in § 20 StGB gleichzusetzen. Für die forensische Praxis ist mit der bloßen Feststellung, bei dem Angeklagten liege eine Persönlichkeitsstörung vor, nichts gewonnen. Vielmehr sind der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluß auf die soziale Anpassungsfähigkeit entscheidend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit (Rasch, Die psychiatrisch-psychologische Beurteilung der sogenannten schweren anderen seelischen Abartigkeit, StV 1991 S. 126, 127). Hierfür sind die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit (etwa hinsichtlich der Wahrnehmung der eigenen und dritter Personen, der emotionalen Reaktionen, der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und der Impulskontrolle) durch die festgestellten pathologischen Verhaltensmuster im Vergleich mit jenen krankhaft seelischer Störungen zu untersuchen (vgl. Kröber NStZ 1998, 80 f.). Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Deliktes zu Einschränkungen des
beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (DSM-IV aaO S. 715, 716; Nedopil aaO S. 152). Erst wenn das Muster des Denkens, Fühlens oder Verhaltens, das gewöhnlich im frühen Erwachsenenalter in Erscheinung tritt, sich im Zeitverlauf als stabil erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen vorliegen, die rechtlich als viertes Merkmal des § 20 StGB, der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ angesehen werden.
Für das Vorliegen der Voraussetzungen einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ werden aus psychiatrischer Sicht genannt: Hervorgehen der Tat aus neurotischen Konflikten; konflikthafte Zuspitzung und emotionale Labilisierung in der Zeit vor der Tat; abrupter, impulshafter Tatablauf; aktuelle konstellative Faktoren wie z. B. Alkohol und andere Drogen, Ermüdung, affektive Erregung. Gegen das Vorliegen des vierten Merkmals des § 20 StGB können sprechen: Tatvorbereitung; planmäßiges Vorgehen bei der Tat; Fähigkeit zu warten; lang hingezogenes Tatgeschehen; komplexer Handlungsablauf in Etappen; Vorsorge gegen Entdeckung; Möglichkeit anderen Verhaltens unter vergleichbaren Umständen; Hervorgehen des Delikts aus dissozialen Charakterzügen (Saß in Saß/Herpertz aaO S. 179, 180; Versuche einer empirischwissenschaftlichen Auswertung der am häufigsten in forensischen Gutachten vorkommenden Indikatoren bei Scholz/Schmidt, Schuldfähigkeit bei schwerer anderer seelischer Abartigkeit, 2003).
c) Erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat
Ob die Steuerungsfähigkeit wegen des Vorliegens einer schweren anderen seelischen Abartigkeit bei Begehung der Tat "erheblich" im Sinne des § 21 StGB vermindert war, ist eine Rechtsfrage. Diese hat der Tatrichter ohne Bin-
dung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beantworten. Hierbei fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt (vgl. für den „berauschten Täter“ BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ-RR 1999, 295, 296 jew. m.w.N.). Diese Anforderungen sind um so höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (BGH, Urt. v. 21. März 2001 - 1 StR 32/01).
Da Persönlichkeitsstörungen in der Regel die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit nicht vollständig aufheben, wird der Tatrichter Gesichtspunkte bewerten, die für oder gegen eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit sprechen können, ohne daß es wegen der fließenden Übergänge zwischen Normalität sowie allen Schweregraden und Konstellationen abnormer Persönlichkeit feste skalierbare Regelungen gibt (Saß in Saß/Herpertz aaO S. 179).
aa) Zudem kommt es nach dem Gesetz nicht darauf an, ob die Steuerungsfähigkeit generell eingeschränkt ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob sie bei Begehung der Tat – und zwar erheblich – eingeschränkt war. Zur Beurteilung dieser Rechtsfrage wird der Tatrichter auf der Grundlage des Beweisergebnisses über den Ablauf der Tathandlung – auch unter Beachtung möglicher alternativer Tatvarianten - die vom Sachverständigen gestellte Diagnose, den Schweregrad der Störung und deren innere Beziehung zur Tat in eigener Verantwortung nachprüfen. Stellt er in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen fest, daß das Störungsbild die Merkmale eines oder mehrerer Muster oder einer Mischform die Klassifikationen in ICD-10 oder DSM-IV erfüllen, besagt dies rechtlich noch nichts über das Ausmaß psychischer Störungen (vgl. BGH NStZ 1997, 383). Eine solche Zuordnung hat eine Indizwirkung dafür, daß eine nicht ganz geringfügige Beeinträchtigung vorliegt (vgl. zu bestimmten Fallgrup-
pen BGH StV 1998, 342; StV 2002, 17, 18; BGH, Urt. vom 27. August 2003 – 2 StR 267/03). Der Tatrichter wird in einer Gesamtbetrachtung die Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Entwicklung bewerten, wobei auch Vorgeschichte , unmittelbarer Anlaß und Ausführung der Tat sowie das Verhalten danach von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGHSt 37, 397, 401 f.; BGH NStZ 1997, 485; BGH, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 10, 20, 23, 36; BGH NStZ 1996, 380; BGH StraFo 2001, 249; BGH StV 2002, 17, 18; vgl. in diesem Sinne auch Venzlaff und Pfäfflin in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung aaO S. 270 f.; Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen S. 177, 180).
bb) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die mitgeteilte Diagnose des Sachverständigen zum Vorliegen einer schweren Persönlichkeitsstörung zutreffend war. Dagegen könnte sprechen, daß die in den Urteilsgründen mitgeteilte Tatsachengrundlage wenig tragfähig erscheint. Der Sachverständige hat seine Diagnose im wesentlichen auf die persönlichen Angaben der Angeklagten bei der Exploration gestützt und ausgeführt, „die Persönlichkeitsstörung die durchaus auch auf sexuelle Mißbrauchserlebnisse mitbedingt sein könne, sei auch so erheblich, daß eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB anzunehmen sei“. Auch die Strafkammer ist „ entsprechend ihren Angaben zu ihren Gunsten davon ausgegangen“, die Angeklagte sei vom Vater seit ihrem siebten Lebensjahr immer wieder sexuell mißbraucht worden. Konkrete Feststellungen oder objektivierbare Indizien, die die Behauptungen der Angeklagten stützen, enthalten die Urteilsgründe nicht. Die als Zeugen vernommenen Mutter und Schwester haben sogar ausgesagt, sie hätten zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte für einen sexuellen Mißbrauch der Angeklagten gehabt (UA S. 15).
Die Strafkammer hat zum räuberischen Diebstahl im Oktober 2001 keine näheren Ausführungen zu einer möglichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit gemacht. Eine solche lag auch eher fern, denn hinsichtlich dieser Tat behauptet die Revision selbst nicht, daß die Angeklagte infolge ihrer Persönlichkeitsstörung schon zu diesem Zeitpunkt einem so starken Motivationsdruck ausgesetzt war, daß sie die Wegnahme des Geldes und dessen Sicherung durch Gewaltanwendung nicht habe steuern können.
Die Strafkammer hat auch hinsichtlich der im Juli 2002 begangenen Entführung der siebenjährigen J. nachvollziehbar einen erheblichen Einfluß der Persönlichkeitsstörung auf das komplexe Tatgeschehen ausgeschlossen. Die Angeklagte sei zwar aufgrund ihrer Lebensgeschichte, zu der auch die Mißbrauchsgeschichte gehören könne, in vieler Hinsicht kritikgemindert. Sie sei aber in der Lage, die Realität zu erkennen und richtig einzuschätzen. Ihre gelegentliche Impulsivität sei keine pathologisch überhöhte Erregbarkeit, insbesondere sei auch keine hirnorganisch begründete Affektlabilität festzustellen.
Als Beleg für eine vollständig erhaltene Steuerungsfähigkeit hat die Strafkammer herangezogen, daß es der Angeklagten bei ihrer Tat in erster Linie darum ging, sich mittels des erwarteten Lösegeldes die Basis für ihr zukünftiges Leben in Tunesien zu schaffen. Die Behauptung der Angeklagten, sie habe wegen eines möglichen Übergriffs des Vaters auf ihre Tochter unter einem schwer beherrschbaren Motivationsdruck gestanden, darf die Kammer als widerlegt ansehen. Sie hat ausgeführt, die Angeklagte habe diese Pläne schon seit ihrem Besuch und ihrer Verlobung in Tunesien im April 2002 verfolgt und
sich endgültig im Juli 2002 zu dieser Straftat entschlossen. Das Lösegeld sollte das ihrem neuen Lebensgefährten zugesagte Startkapital sein.
Gegen die erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat sprachen hier die bis ins einzelne gehende Planung der Entführung, die vorbereitende Beobachtung der Familie über mehrere Tage sowie das mehrmalige Umbuchen der Flüge nach Tunesien. Die Kammer hat mit Recht auch als überlegtes kriminelles Handeln angesehen, daß die Angeklagte dem Vater des Entführungsopfers jeweils nur kurze Fristen zur Geldbeschaffung setzte, um ihn aus Furcht um sein Kind unter Druck zu setzen. Die Strafkammer konnte schließlich als Belege für ein kontrolliertes und zielgerichtetes Handeln der Angeklagten auch die kaltblütige Durchführung der Entführung auf dem öffentlichen Schulgelände heranziehen. Sie hat ausgeführt, das Sichbemächtigen des Kindes auf dem Schulgelände zeige, in welchem Maße die Angeklagte in der Lage war, situationsadäquat zu handeln und ihre Impulse instrumental zu steuern. Obwohl sie auf dem Schulgelände mit Zeugen rechnen mußte, habe sie das Kind in der Nähe des Rektorats abgefangen und gezielt - und für das Kind J. äußerst schmerzhaft - das Elektroschockgerät einsetzte und das sich wehrende Kind in den bereitgestellten Pkw verbracht. Damit ist die Strafkammer zu Recht davon ausgegangen, daß bei der Angeklagten eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht vorlag.
Nack Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Für das Revisionsverfahren gelten die Bestimmungen über das Disziplinarverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht entsprechend.
(2) Für die Entscheidung über die Revision gelten die §§ 143 und 144 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart - Disziplinarkammer - vom 20. Juni 2013 - DL 20 K 4235/12 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Gründe
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Tenor
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 17. Kammer – vom 12. August 2015 wird geändert.
Die Dienstbezüge des Beklagten werden für die Dauer von drei Jahren um 20 % gekürzt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens zu je ½.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durch die Disziplinarkammer.
- 2
Der 1984 geborene Beklagte trat am 2. August 2004 als Polizeimeisteranwärter in den Dienst des Landes. Zum 1. Februar 2010 wurde er unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit zum Polizeimeister (A 7) ernannt. Er versah zuletzt seinen Dienst bei der Polizeidirektion ... – 1. Polizeirevier –. Die jüngste dienstliche Beurteilung datiert vom 1. Oktober 2011. Darin wurde er mit dem Prädikat „entspricht den Anforderungen voll“ beurteilt.
- 3
Der Beklagte ist seit dem ... 2012 verheiratet und hat drei am ... 2008, am ... 2012 und am ... 2014 geborene Söhne.
- 4
Der vorläufig des Dienstes enthobene Beklagte erhält um die Polizeizulage gekürzte Bezüge der Besoldungsgruppe A7 und wohnt zurzeit mietfrei. Wegen der weiteren Einzelheiten zu seinen aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen wird auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung eingereichte Übersicht (Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 26. Mai 2016) verwiesen.
- 5
Straf- und disziplinarrechtlich ist der Beklagte vor den Vorwürfen, die den Gegenstand dieses Verfahren bilden, nicht in Erscheinung getreten.
- 6
Mit Verfügung vom 25. September 2012 wurde gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts des Diebstahls eingeleitet und gleichzeitig bis zum Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt. Mit Verfügung vom 16. November 2012 wurde das Disziplinarverfahren um den Vorwurf der Unterschlagung eines Geldbetrages von 970 bis 1.230 Euro aus der Kaffeekasse der Dienstschicht des Beklagten erweitert. Wegen des sachgleichen Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht ... (Az. 719 Js 53114/12) wurde die Aussetzung des Disziplinarverfahrens weiter aufrechterhalten. Am 28. März 2014 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren zum Vorwurf der Unterschlagung eines Geldbetrages aus der Kaffeekasse im Hinblick auf das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts ... (Az. 719 Js 39714/12) gemäß § 154 Abs. 1 StPO ein.
- 7
Im hinsichtlich des Diebstahlsvorwurfs sachgleichen Strafverfahren verurteilte das Amtsgericht ... (Az: -719 Js 39714/12- / -62 Ds (98/13)-) den Beklagten mit Urteil vom 19. September 2013, rechtskräftig seit dem 19. März 2014, wegen gewerbsmäßigen Diebstahls in 21 Fällen sowie gewerbsmäßigen Betruges in 21 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gleichzeitig belegte es ihn mit einer Bewährungsauflage in Form der Erbringung von 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zu Grunde:
- 8
Der Beklagte lebt seit 2002 mit seiner jetzigen Ehefrau, der Zeugin ..., zusammen. Die Zeugin arbeitet als Krankenschwester. Trotz zweier Einkommen häuften sie bis zum Jahr 2005 Konsumschulden von 20.000 bis 25.000 Euro an. Am ... 2008 wurde der Sohn ... geboren. Das Familieneinkommen schmälerte sich wegen des Elterngeldbezuges der Zeugin. Gleichzeitig gingen die Partner Darlehensverbindlichkeiten im Zusammenhang mit dem Umzug in ein Eigenheim ein, das sie 2009 von den Eltern des Beklagten mieteten. Die wirtschaftliche Lage der Familie war zum äußersten angespannt.
- 9
Als die Zeugin dem Beklagten im September 2011 mitteilte, dass sie wieder schwanger sei, sah dieser wegen erwarteter Mehrausgaben und Einkommenseinbußen die wirtschaftlichen Verhältnisse vollends aussichtslos. Er steigerte sich binnen kurzem in extreme Existenzängste hinein und verlor unter der Anspannung der als ausweglos erlebten Verhältnisse so viel Körpergewicht, dass er nacheinander drei Kleidergrößen schmaler wurde. Anspannung und Angst erreichten ein Ausmaß, dass er nachts wach blieb und sich übergeben musste. Um kleinere Geldbeträge für seine Familie zu erlösen, verkaufte er aus dem gemeinsamen Hausstand überflüssigen Hausrat und eigene Bekleidung. Als er aus dem Dienst einen blauen Müllsack mit weitgehend abgetragener eigener Dienstkleidung nach Hause nahm, um ihn zu entsorgen, kam ihm der Gedanke, ein noch hinlänglich erhaltenes Bekleidungsstück bei eBay zu veräußern. Überrascht über die große Nachfrage und den zu erlösenden Preis veräußerte er anschließend die wegen seines erheblichen Gewichtsverlustes überflüssige Dienstbekleidung aus eigenem Bestand. In der Zeit von Februar bis September 2012 entwendete der Beklagte aus den Räumlichkeiten seiner Dienststelle im Eigentum des Landes Schleswig-Holstein oder im Eigentum seiner Kollegen stehende Dienstbekleidung sowie Pistolenholster und veräußerte sie dann bei eBay. Nach Überweisung des Kaufpreises übersandte er den Käufern die Sachen. Die Bekleidungsstücke waren von den Kollegen während der Arbeit in den Diensträumen, aber auch in der Damenumkleide und der Herrenumkleide vorübergehend abgelegt worden. Einen Teil der Bekleidungsstücke entnahm er auch einem Kleiderhaufen in der Dienststelle. Dort wurden alte, von den Beamten nicht mehr benötigte Bekleidungsstücke durch den Dienstherrn gesammelt, um sie einer Entsorgung zuzuführen. Der Beklagte nahm die Bekleidung und die Holster an sich und nahm dabei in allen Fällen – auch hinsichtlich der vom Kleiderhaufen genommenen Bekleidungsstücke – zumindest billigend in Kauf, dass die Sachen in fremdem Eigentum stehen und er die tatsächliche Herrschaft seiner Kollegen oder des Landes Schleswig-Holstein vermittelnd über die Dienststellenleitung gegen deren Willen brach und eigene begründete. Er nahm bei der Veräußerung auf eBay zumindest billigend in Kauf, dass die Käufer an den entwendeten Sachen kein Eigentum erwerben konnten, er sie hierüber täuschte, diese täuschungsbedingt einem inhaltsgleichen Irrtum erlagen, irrtumsbedingt den Kaufpreis überwiesen und überweisungsbedingt einen Schaden erlitten, da sie eigentumslos in den Besitz der Sachen gelangen und Rückgabeverlangen der Eigentümer ausgesetzt werden können. Der Beklagte handelte in allen Fällen, um sich eine fortlaufende, nicht unbeträchtliche Einnahmequelle zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes zu verschaffen. Wegen der einzelnen Taten und der Tatumstände wird auf die Darstellung in den Gründen des Strafurteils des Amtsgerichts ... vom 19. September 2013 Bezug genommen.
- 10
Nach Aufdeckung der Taten offenbarte sich der Beklagte wegen seiner desaströsen wirtschaftlichen Verhältnisse seinen Eltern, die seine wirtschaftlichen Verhältnisse geordnet haben. Wegen der aus den Existenzängsten rührenden Belastungssituation hat er sich in psychotherapeutische Behandlung begeben.
- 11
Dem Urteil lag eine Verständigung zugrunde. Wegen des Inhaltes wird auf die Sitzungsprotokolle vom 29. August 2013 und vom 19. September 2013 Bezug genommen. Die psychotherapeutische Behandlung ist mittlerweile erfolgreich abgeschlossen worden.
- 12
Der Kläger setzte das Disziplinarverfahren nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils am 19. März 2014 fort. Nach der abschließenden Anhörung unter dem 13. Juni 2014 und der Beteiligung des Hauptpersonalrates – Polizei – hat der Kläger am 10. September 2014 Disziplinarklage erhoben wegen der Vorfälle, die den Gegenstand der strafgerichtlichen Verurteilung bilden, sowie wegen der Unterschlagung eines Geldbetrages von mindestens 950 Euro aus der vom Beklagten geführten Kaffeekasse seiner Dienstschicht.
- 13
Der Kläger hat beantragt,
- 14
den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
- 15
Der Beklagte hat beantragt,
- 16
die Klage abzuweisen,
- 17
hilfsweise,
- 18
eine mildere Disziplinarmaßnahme zu verhängen.
- 19
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 12. August 2015 aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Es hat den für die disziplinarrechtliche Beurteilung maßgeblichen Sachverhalt entsprechend den bindenden Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts ... vom 19. September 2013 zugrunde gelegt und einen Anlass zur Lösung von diesen Feststellungen nicht gesehen. Danach habe der Beklagte innerdienstliche Zugriffsdelikte verwirklicht. Die Taten seien als schweres Dienstvergehen zu qualifizieren. Der Beklagte habe rechtswidrig und schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten im Kernbereich verletzt. Ein Polizeibeamter habe die Dienstpflicht, Straftaten zu verfolgen und zu verhindern. Das Begehen eigener Straftaten sei mit diesem Anspruch unvereinbar. Ein Polizeibeamter, der Straftaten begehe, verliere deshalb das Vertrauen sowohl des Dienstherrn als auch der Allgemeinheit. Weder lägen anerkannte Milderungsgründe vor noch bestünden Anhaltspunkte für eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Tatbegehung. Durch die begangenen Straftaten habe der Beklagte bei Würdigung aller be- und entlastenden Gesichtspunkte, insbesondere auch einer nach Aufdeckung der Straftaten begonnenen Therapie, eine beamtenunwürdige Haltung an den Tag gelegt, die zu einer irreparablen Beschädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums geführt habe. Vor diesem Hintergrund könne auch dem Umstand, dass der Beklagte bisher weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten sei, kein in der Weise entlastendes Moment zukommen, dass von der Höchstmaßnahme abzusehen sei.
- 20
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten.
- 21
Wegen der vorgeworfenen Unterschlagung eines Geldbetrages aus der Kaffeekasse hat der Senat den Kläger mit Beschluss vom 22. April 2016 zur Beseitigung eines wesentlichen Mangels der Klageschrift aufgefordert. Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2016 hat der Kläger ausgeführt, der Fehlbetrag ergebe sich aus einer Tabelle, in der die ermittelten Kaffeelieferungen den mutmaßlich erzielten Verbräuchen gegenübergestellt seien. Eine exaktere Berechnung der Einnahmen sei nicht möglich.
- 22
Der Beklagte trägt vor, er habe sich im Strafverfahren seiner Verantwortung gestellt und ein umfangreiches Geständnis abgelegt. Er wolle sich auch seiner Verantwortung im Disziplinarverfahren stellen. Er habe die Taten in einer besonders stark ausgeprägten psychischen Drucksituation begangen. Ausweislich der Stellungnahme des Facharztes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. ... vom 7. September 2013 habe er unter einer akuten Belastungsreaktion und Anpassungsstörungen mit vorherrschender Störung des Sozialverhaltens gelitten. Diese Erkrankungen hätten für das Strafgericht nur im Rahmen der Strafzumessung eine Rolle gespielt, da aus seiner Sicht weder die Schuldfähigkeit ausgeschlossen noch erheblich eingeschränkt gewesen sei. Insoweit bestehe im Disziplinarverfahren jedoch keine Bindungswirkung. Er - der Beklagte - habe sich freiwillig in psychotherapeutische Behandlung begeben. Ferner habe er seine finanziellen Verhältnisse mit Hilfe seiner Familie geordnet. Dies sei erst durch die psychotherapeutischen Maßnahmen möglich gewesen, da er bis dahin nicht im Stande gewesen sei, sich zu öffnen und offen über seine objektive Notlage und über seine Existenzängste zu sprechen. Er habe mithin eine negative Lebensphase überwunden. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, seine wirtschaftlichen Verhältnisse aufzuklären. Die Sachaufklärung zu den Milderungsgründen sei vollständig oder fast vollständig unterblieben. Ferner lasse das Urteil des Verwaltungsgerichts eine umfassende Würdigung des Persönlichkeitsbildes vermissen.
- 23
Der Beklagte beantragt,
- 24
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 12. August 2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.
- 25
Der Kläger beantragt,
- 26
die Berufung zurückzuweisen.
- 27
Er ist der Auffassung, das Verwaltungsgericht habe den Beklagten mit zutreffender Begründung aus dem Dienst entfernt. Es habe eine umfassende eigene Maßnahmebemessung vorgenommen und sich selbständig mit möglichen durchgreifenden Entlastungsgründen auseinandergesetzt, wobei es sich nicht auf von der Rechtsprechung anerkannte Milderungsgründe beschränkt habe. Aufklärungsmängel lägen nicht vor, da ein Tatsachengericht keine Ermittlungen anstelle müsse, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits nicht ankomme. Die psychische Verfassung des Beklagten zum Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzungen sei nicht weiter aufzuklären gewesen, da ein Handeln in einer psychischen Ausnahmesituation nicht vorgelegen habe. Ferner habe die psychische Verfassung des Beklagten auch nicht zur Begründung des „Handelns in einer unverschuldeten, ausweglosen wirtschaftlichen Notlage“ herangezogen werden können. Insofern habe es auch keiner weiteren Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse bedurft. Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldfähigkeit des Beklagten aufgehoben oder vermindert gewesen sei, hätten nicht vorgelegen.
- 28
Der Senat hat auf Grund des Beschlusses vom 25. Januar 2016 und der prozessleitenden Verfügungen vom 3. März 2016 und 18. März 2016 Beweis erhoben durch ein schriftliches und mündliches Gutachten des Sachverständigen Dr. ... und durch Vernehmung der Zeugin ... und des Zeugen ... . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 29. Februar 2016 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2016 Bezug genommen.
- 29
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Streitakte sowie auf die Beiakten A bis H verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 30
Die zulässige Berufung des Beklagten ist teilweise begründet. Da nicht auszuschließen ist, dass der Beklagte das Dienstvergehen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangen hat, wiegt das von ihm begangene Dienstvergehen nicht ist so schwer, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerechtfertigt wäre. Vielmehr ist auf eine Kürzung der Dienstbezüge für die Dauer von drei Jahren um 20 % zu erkennen mit der Folge, dass insoweit zugleich die Disziplinarklage abzuweisen und die Berufung im Übrigen zurückzuweisen war.
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1. Die Disziplinarklage weist keine wesentlichen Mängel im Sinne des § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 55 BDG auf.
- 32
a) Insbesondere ist sie von der gemäß § 34 Abs. 2 LDG zuständigen obersten Landesbehörde - dem Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten - erhoben worden. Auch sind die Klageschrift und die Nachbesserungsschrift von hierfür nach der hier maßgeblichen internen Geschäftsverteilung des Ministeriums zuständigen Mitarbeitern des Referats IV 15 gezeichnet worden.
- 33
Das Disziplinarverfahren ist zwar ein Verfahren eigener Art, richtet sich aber, soweit im Landesdisziplinargesetz keine eigenen Regelungen enthalten sind, nach dem Landesverwaltungsgesetz und der Verwaltungsgerichtsordnung (vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf zur Neuregelung des Disziplinarrechts vom 28. März 2002, Drucksache 15/1767 S. 49 zu § 4). Dies hat in § 4 LDG seinen Niederschlag gefunden. Danach sind zur Ergänzung des Landesdisziplinargesetzes die Bestimmungen des Landesverwaltungsgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung anzuwenden. Gelten aber die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen, muss auch die Frage der funktionellen Zuständigkeit durch oder aufgrund spezieller Rechtsvorschriften angeordnet sein. Eine gesetzliche oder untergesetzliche Regelung, wonach die Erhebung der Disziplinarklage allein bestimmten Organwaltern vorbehalten ist, sieht das Landesdisziplinargesetz nicht vor. Soweit § 34 Abs. 2 LDG regelt, dass bei Beamten die Disziplinarklage durch die oberste Landesbehörde erhoben wird, wird hiermit allein eine Behördenzuständigkeit begründet, jedoch keine interne Zuständigkeitsregelung vorgenommen (so auch OVG Münster, Beschluss vom 22. August 2007 - 21d A 1624/06.BDG - Rn. 21, juris, bezogen auf die Regelung in § 84 Satz 1 BDG).
- 34
Die oberste Dienstbehörde wird, wie Behörden allgemein, nicht allein durch ihren Leiter persönlich tätig, sondern auch durch dessen Vertreter und weitere hierzu berechtigte und zeichnungsbefugte Mitarbeiter, d.h. solche, die nach den internen Regelungen über die behördliche Organisation und Geschäftsverteilung mit der eigenverantwortlichen Wahrnehmung der betreffenden Aufgabe betraut sind. Daher kann jeder Mitarbeiter der Behörde gegenüber Dritten für die Behörde tätig werden, wenn dies von seinem Aufgabenbereich umfasst ist. Einer fallbezogenen zusätzlichen Bevollmächtigung durch den Leiter der Behörde bedarf es dann nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. März 2010 - 2 B 3.10 - Rn. 9 f. m.w.N., juris; Weiß, GKÖD Band 2, 2015, Rn. 41 zu § 34 BDG).
- 35
b) Der Senat lässt dahinstehen, ob die Klageschrift hinsichtlich des Vorwurfs der Unterschlagung eines Geldbetrages von mindestens 950 Euro aus der vom Beklagten geführten Kaffeekasse seiner Dienstschicht nunmehr den Anforderungen des § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG genügt. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, ist der Beklagte von diesem Vorwurf freizustellen. Auch aufgrund der nachgebesserten Darlegungen kann der Senat nicht sicher feststellen, dass überhaupt ein Fehlbetrag in der Kaffeekasse vorlag. Die behaupteten Fehlbeträge des Kassenbestandes sind auf unsicherer Tatsachengrundlage ermittelt worden, da die Beträge, die der Beklagte für den konsumierten Kaffee kassiert hat, sich nicht mehr konkret bestimmen lassen. Dementsprechend lässt sich nicht ausschließen, dass keine Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen bestand.
- 36
2. Durch den im rechtskräftigen Strafurteil des Amtsgerichts festgestellten Sachverhalt (a) hat der Beklagte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gegen seine Dienstpflichten verstoßen (b). Für das innerdienstliche Dienstvergehen (c) wäre unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände eine Zurückstufung die angemessene und erforderliche Disziplinarmaßnahme (d). Da eine Zurückstufung jedoch gemäß § 9 Abs. 1 LDG nicht ausgesprochen werden kann, war auf die ausgesprochene Gehaltskürzung zu erkennen (e).
- 37
a) Hinsichtlich des Sachverhaltes ist der Senat gemäß § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 57 Abs. 1 BDG an die tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts... vom 19. September 2013 -719 Js 39714/12- / -62 Ds (98/13)- gebunden. Zu den „tatsächlichen Feststellungen" gehören nicht nur die äußeren Aspekte eines Tathergangs, sondern auch die Elemente des inneren Tatbestandes wie etwa die Zueignungsabsicht oder die Bereicherungsabsicht. Feststellungen zur Schuldfähigkeit binden das Gericht indes nur, soweit sie sich auf die Frage beziehen, ob der Betreffende schuldfähig oder schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB ist; hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 StGB hat der Senat eigene Feststellungen und im Rahmen der Maßnahmebemessung eine eigene Entscheidung zu treffen (zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07- Rn. 29, juris).
- 38
Das Disziplinargericht hat die erneute Prüfung nur solcher Feststellungen zu beschließen, die offenkundig unrichtig sind (§ 57 Abs. 1 Satz 2 BDG). Die Verwaltungsgerichte sind nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn sie ansonsten „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen im Widerspruch zu Denkgesätzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen, aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig oder in einem ausschlaggebenden Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften, etwa einer den rechtlichen Anforderungen nicht genügenden Urteilsabsprache, zustande gekommen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 2014 - 2 B 84.13 -, Rn. 9 m.w.N., juris). Wird im gerichtlichen Disziplinarverfahren das Vorliegen einer dieser Voraussetzungen geltend gemacht, so sind die Verwaltungsgerichte erst dann befugt, dem Vorbringen weiter nachzugehen und schließlich über eine Lösung nach § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG zu entscheiden, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist. Pauschale Behauptungen (etwa, es habe einen Deal gegeben) oder bloßes Bestreiten genügen nicht. Es müssen tatsächliche Umstände dargetan werden, aus denen sich die offenkundige Unrichtigkeit im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG ergeben kann (BVerwG, Beschluss vom 26. August 2010 - 2 B 43.10 - Rn. 6, juris; zum Ganzen vgl. auch: BVerwG, Beschluss vom 28. Dezember 2011 - 2 B 74.11 - Rn. 13 m.w.N., juris).
- 39
Danach besteht kein Anlass für eine Lösung. Der Beklagte bestreitet die nach § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 57 Abs. 1 BDG bindenden tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil nicht. Im Gegenteil entsprechen sie seiner geständigen Einlassung auch im Disziplinarverfahren. Einzig wiederholt er den bereits vom Strafgericht berücksichtigten Umstand, dass ihm die Dienstbekleidungsvorschriften und die aus ihnen resultierenden Eigentumsverhältnisse seinerzeit nicht bekannt gewesen seien.
- 40
Das Amtsgericht ... hat es in seinem Urteil als erwiesen erachtet, dass der Beklagte sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) begangen hat. Einen Tatumstandsirrtum i.S.d. § 16 StGB im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal „fremde bewegliche Sache“ hat es nicht festgestellt. Dazu hat das Amtsgericht ... in seinen Feststellungen (II., UA Seite 4) ausgeführt:
- 41
Der Angeklagte nahm die Bekleidung und die Holster an sich und nahm dabei in allen Fällen - auch hinsichtlich der vom Kleiderhaufen genommenen Bekleidungsstücke - zumindest billigend in Kauf, dass die Sachen in fremdem Eigentum stehen und er die tatsächliche Herrschaft seiner Kollegen oder des Landes Schleswig-Holstein vermittelt über die Dienststellenleitung gegen deren Willen brach und eigene begründete.
- 42
Das gleiche gilt auch für die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmales „Erregung eines Irrtums“ in § 263 Abs. 1 StGB. Hierzu führt das Amtsgericht ... in seinen Feststellungen (II., UA Seite 4) aus:
- 43
Er nahm bei der Veräußerung auf eBay zumindest billigend in Kauf, dass die Käufer an den entwendeten Sachen kein Eigentum erwerben konnten, er sie hierüber täuschte, diese täuschungsbedingt einem inhaltsgleichen Irrtum erlagen, irrtumsbedingt den Kaufpreis überwiesen und überweisungsbedingt einen Schaden erlitten, da sie eigentumslos in den Besitz der Sachen gelangen und Rückgabeverlangen der Eigentümer ausgesetzt werden könnten.
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Unabhängig von der Bindungswirkung merkt der Senat an, dass auch er dem Beklagten nicht abnimmt, dass er ernsthaft von einer Berechtigung ausgegangen sein könnte, die „scheinbar herrenlos herumliegenden“ Sachen an sich zunehmen, um sie anschließend gewinnbringend zu veräußern. Es bedarf nicht der Kenntnis der einschlägigen Kleidervorschriften, um zu wissen, dass Polizeibekleidung - allein bereits wegen der Gefahr der missbräuchlichen Verwendung im Rechtsverkehr - nicht dazu bestimmt ist, Dritten zugänglich gemacht zu werden. Dies war auch dem Beklagten klar, so dass eine etwaige Entsorgung dem Eigentümer - hier dem Land Schleswig-Holstein - vorbehalten ist und nicht dem Beklagten in Form eines Verkaufs über die Internetplattform „eBay“. Dies leuchtet bereits jedem Durchschnittsbürger ein. Im Übrigen hätte eine Nachfrage bei seinem Dienstherrn Aufklärung gebracht.
- 45
Da auch hierzu keine Rügen vorgebracht worden sind, so dass es der Senat ebenfalls nicht prüfen dürfte, sei nur noch abschließend angemerkt, dass die in der Hauptverhandlung am 19. September 2013 vor dem Amtsgericht ... erfolgte Verständigung den rechtlichen Anforderungen des § 257c StPO genügt; insbesondere liegt ihr kein Formalgeständnis (vgl. § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO) zugrunde (vgl. die Beweiswürdigung im Strafurteil, UA S. 9-10 unter III.).
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b) Nach den im Strafurteil des Amtsgerichts ... vom 19. September 2013 festgestellten Handlungen hat der Beklagte im Zeitraum von Februar 2012 bis September 2012 vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft in 42 Fällen seine ihm obliegenden Pflichten zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und zu vollem persönlichen Einsatz (§ 34 Satz 1 BeamtStG) verletzt sowie gegen die Folgepflicht nach § 35 Satz 2 BeamtStG verstoßen.
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c) Durch diese Pflichtverletzungen hat der Beklagte ein Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Der Beklagte hat in einem Zeitraum von acht Monaten Uniform- und Ausrüstungsgegenstände seines Dienstherrn gestohlen und anschließend über eBay veräußert. Auch wenn der Beklagte mehrere Pflichtverletzungen begangen hat, liegt nur ein Dienstvergehen vor (Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens, vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 -, BVerwGE 140, 185 Rn. 19, vom 27. Januar 2011 - 2 A 5.09 - Rn. 12, juris und vom 14. Februar 2007 - 1 D 12.05 -, BVerwGE 128, 125 Rn. 21 f.; Beschlüsse vom 6. Juni 2013 - 2 B 50.12 - Rn. 14, juris, und vom 11. Februar 2014 - 2 B 37.12 - Rn. 17, juris).
- 48
Dieses Dienstvergehen hat der Beklagte innerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war. Dabei richtet sich die Unterscheidung zwischen inner- und außerdienstlichen Verfehlungen nicht entscheidend nach der formalen Dienstbezogenheit, dass heißt nach der engen räumlichen oder zeitlichen Beziehung zum Dienst, vielmehr kommt es in erster Linie auf die materielle Dienstbezogenheit an. Abzustellen ist darauf, ob durch das Verhalten inner- oder außerdienstliche Pflichten verletzt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2001 - 1 D 55.99 - Rn. 57, juris). Entscheidend für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung ist danach dessen kausale und logische Einbindung in ein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Rn. 54, juris; zum Ganzen vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 4.14 - Rn. 11 m.w.N., juris).
- 49
d) Das innerdienstliche Dienstvergehen wiegt zwar so schwer, dass es grundsätzlich die disziplinarische Höchstmaßnahme - hier die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis - rechtfertigen würde. Auch liegen keine anerkannten Milderungsgründe vor, jedoch ist zugunsten des Beklagten nach dem auch im Disziplinarrecht geltenden Grundsatz des in dubio pro reo eine verminderte Schuldfähigkeit im Tatzeitraum zu berücksichtigen, so dass der Senat nach Abwägung aller be- und entlastenden Umstände eine Zurückstufung für angemessen erachten würde.
- 50
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 LDG ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 LDG ist die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (stRpsr., vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> sowie zuletzt vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 12 und 22 m.w.N., juris). Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 LDG).
- 51
Da die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 1 Satz 2 LDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer im Katalog des § 5 Abs. 1 LDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (stRspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 253 <259>; zuletzt vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 16, juris).
- 52
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts konnte dabei auf die vom Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen zurückgegriffen werden (vgl. dazu zuletzt BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - Rn. 14 m.w.N., juris). Für die hier verwirklichte Fallgruppe der Zugriffsdelikte, d.h. für die Veruntreuung dienstlich anvertrauter oder dienstlich zugänglicher Gelder und Güter, war die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit, die bei 50 Euro angenommen wurde, deutlich überstiegen (zuletzt BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 a.a.O. Rn. 15 f. m.w.N., juris; vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 19 ff., juris).
- 53
Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht zwar in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - aufgegeben (LS 1 und Rn. 19, juris), indes ergibt sich danach vorliegend keine wesentlich andere Zuordnung in den Katalog der Disziplinarmaßnahmen nach § 5 LDG. Nach dieser neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich auch bei einem innerdienstlich begangenen Dienstvergehen die an seiner Schwere orientierte grundsätzliche Zuordnung zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen. Dies war zuvor nur für außerdienstlich begangene Dienstvergehen entschieden worden (vgl. zu den außerdienstlichen Dienstvergehen grundlegend BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Rn. 22, juris, und - 2 C 13.10 - Rn. 25, juris, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - Rn. 31, juris). Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen.
- 54
Das Amtsgericht hat den Beklagten wegen gewerbsmäßigen Diebstahls in 21 Fällen nach § 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB sowie gewerbsmäßigen Betruges in 21 Fällen nach § 263 Abs. 1, § 263 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Der Strafrahmen des § 243 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB sieht eine Freiheitstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren vor und der des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB eine solche von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren - hier sind es bis zu zehn Jahre - vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - LS 2 und Rn. 20, juris).
- 55
Bei der Einordnung des Dienstvergehens des Beklagten in den bis hin zur Dienstentfernung eröffneten Orientierungsrahmen ist auch die von den Strafgerichten ausgesprochene, erhebliche Freiheitsstrafe von neun Monaten zu berücksichtigen. Ungeachtet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kann bei der disziplinarrechtlichen Ahndung eines Dienstvergehens indiziell auch an die von den Strafgerichten ausgesprochenen Sanktionen angeknüpft werden (BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - Rn. 38 f. m.w.N., juris, und vom 10. Dezember 2015 a.a.O. Rn. 24, juris). Anzahl und Häufigkeit sind ebenfalls Kriterien, die die volle Ausschöpfung des Orientierungsrahmens auf einer ersten Stufe als geboten erscheinen lassen. Auch bei diesen Kriterien handelt es sich um solche, die der Gesetzgeber als „besonders schwere Fälle“ wertet und die ihn zu der genannten Strafrahmenhebung von bis zu zehn Jahren im Vergleich zu den „Grund“-tatbeständen des Betruges und des Diebstahls mit bis zu fünf Jahren veranlasst haben.
- 56
Das Kriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 LDG erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion (stRspr., vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252 ff. = juris). Dahinstehen kann, ob nicht auch insoweit allein auf das Statusamt abgestellt werden müsste und nicht mehr auf das Amt im konkret funktionellen Sinn (so BVerwG zu außerdienstlichem Fehlverhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung im Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 -LS 1 und Rn. 16, BVerwGE 152, 228 ff. = juris), denn vorliegend fällt beides nicht auseinander. Die Berücksichtigung des Kriteriums der Vertrauensbeeinträchtigung würde ebenfalls die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens rechtfertigen, allerdings nur unter Außerachtlassung des Persönlichkeitsbildes.
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Insofern kommt hier zweierlei zusammen: Zum Einen bewirken schwerwiegende Vorsatzstraftaten generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 14 f. m.w.N., juris unter Verweis auf die gesetzgeberische Wertung in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG). Zum Anderen haben Polizeibeamte Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen; sie genießen in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Das zur Ausübung dieser Ämter erforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Straftaten begehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - LS 2 und Rn. 22, BVerwGE 152, 228 ff. = juris).
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Indes darf nicht bei dieser Betrachtung der rein objektiven Umstände stehen geblieben werden, sondern es sind auch die persönlichen Umstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Zumessungsentscheidung einzubeziehen. Insoweit erfasst das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 LDG dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder in einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht (stRspr., vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252 ff. = juris; zur Berücksichtigung dieser Umstände vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6.14 -, Rn. 31 ff., juris).
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Die von der Schwere ausgehende Indizwirkung entfällt, wenn zugunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, der Beamte habe das Vertrauen noch nicht endgültig verloren. Solche Gründe stellen auch, aber nicht nur die vom Bundesverwaltungsgericht zu den Zugriffsdelikten entwickelten sogenannten anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere Konfliktsituationen (etwa Handeln in einer wirtschaftlichen Notlage oder in einer psychischen Ausnahmesituation) und Verhaltensweisen mit noch günstigen Persönlichkeitsprognosen (freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung) umschreiben. Entlastungsgründe können sich aus allen Umständen ergeben. Sie müssen in ihrer Gesamtheit aber geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Zugriffsdelikt aufgrund der Schadenhöhe, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen, der Begehung von „Begleitdelikten“ und anderen belastenden Gesichtspunkten im Einzelfall wiegt. Erforderlich ist stets eine Prognoseentscheidung zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung auf der Grundlage aller im Einzelfall be- und entlastenden Umstände. Entlastungsgründe sind bereits dann einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (stRspr., vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 6. Juli 2007 - 1 D 2.06 - Rn. 25 m.w.N., juris).
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Anerkannte Milderungsgründe vermag der Senat nicht zu erkennen. Beim anerkannten Milderungsgrund der überwundenen negativen Lebensphase können außergewöhnliche Verhältnisse, die den Beamten während des Tatzeitraums oder im Tatzeitpunkt zeitweilig aus der Bahn geworfen haben, mildernd berücksichtigt werden, wenn der Beamte diese Lebensphase in der Folgezeit überwunden hat (stRspr.; vgl. BVerwG Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - Rn. 40 f., juris; Beschlüsse vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - Rn. 29, juris, und vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - Rn. 32, juris). Dieser Milderungsgrund ist bereits deshalb zu verneinen, weil der auslösende Umstand - seine jetzige Frau teilte dem Beklagten mit, sie sei schwanger - nicht außergewöhnlich ist, sondern in vielen, wenn nicht den meisten Beziehungen mindestens einmal vorkommt. Der Beklagte steigerte sich zwar anschließend in Existenzängste, diese waren aber objektiv nicht begründet und konnten zudem mit Hilfe der Eltern und einer Umstellung des Lebensstils überwunden werden. Schon aus diesen Gründen (weder objektiv vorhanden noch unverschuldet) ist zugleich der anerkannte Milderungsgrund der unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage zu verneinen, abgesehen davon, dass dieser Milderungsgrund ein zeitlich begrenztes Verhalten voraussetzt und mit einem Versagen über einen längeren Zeitraum nicht vereinbar ist (vgl. zu diesem Milderungsgrund BVerwG, Urteile vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Rn. 74 m.w.N., juris, und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 34 m.w.N., juris). Dem Milderungsgrund des Handelns in einer schockartig ausgelösten psychischen Ausnahmesituation steht ebenfalls schon entgegen. dass sich der Beklagte in einer länger andauernden psychischen Belastungssituation befand, die schon aufgrund ihrer Dauer nicht geeignet ist als „Ausnahmesituation" im Sinne des anerkannten Milderungsgrundes angesehen zu werden (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - BVerwG 1 D 77.97 - Rn. 14 f., juris).
- 61
Liegen - wie hier - Umstände vor, die für sich genommen nicht genügen, einen anerkannten Milderungsgrund zu erfüllen, muss ernsthaft ermittelt und geprüft werden, ob diese Umstände in ihrer Gesamtheit dem Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes vergleichbar sind (stRspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - LS 1 und Rn. 23, juris; vom 24. Mai 2007 - BVerwG 2 C 25.06 - Rn. 22 m.w.N., juris, und vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - LS und Rn. 14, juris). Dabei ist auch eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB einzubeziehen (stRspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - LS 1 und Rn. 30, juris). Insoweit gilt, dass ein mildernder Umstand nach dem grundgesetzlich verankerten Rechtsgrundsatz des „in dubio pro reo“ schon dann berücksichtigt werden muss, wenn hierfür nach der Tatsachenlage hinreichende Anhaltspunkte bestehen (stRspr; vgl. BVerwG, Urteile vom 30. September 1992 - 1 D 32.91 - BVerwGE 93, 294 <297>; vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - Rn. 30, juris, und vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - Rn. 22, juris, sowie Beschluss vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - Rn. 25, juris).
- 62
Danach ist beim Beklagten sowohl nach dem Grundsatz des in dubio pro reo von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung im Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzungen auszugehen als auch in der Zusammenschau von mildernden Umstände von erheblichem Gewicht.
- 63
Erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Rn. 31 m.w.N. aus der Rspr. des BGH, juris, vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - Rn. 30 m.w.N. aus der Rspr. des BGH, juris, und vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - Rn. 33, juris). Die danach entscheidungserheblichen medizinischen Fachfragen sind durch entsprechende medizinische Sachverständigengutachten zu klären (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - Rn. 11 und zuletzt etwa Beschlüsse vom 26. Mai 2014 - 2 B 69.12 -Rn. 10, juris, und vom 26. September 2014 - 2 B 14.14 - Rn. 18, juris).
- 64
Kann eine krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden, so stellt sich die Frage nach der Erheblichkeit einer dadurch bewirkten Verminderung der Schuldfähigkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - Rn. 33, juris). Dies ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Sie kann allerdings ohne Kenntnis der Auswirkungen der krankhaften seelischen Störung auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit in Bezug auf das Verhalten des Beamten nicht beurteilt werden. Zu ihrer Beantwortung bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Rn. 33 m.w.N. aus der Rspr. des BGH, juris, und vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - Rn. 30 m.w.N. aus der Rspr. des BGH, juris, sowie Beschlüsse vom 11. Januar 2012 - 2 B 78.11 - Rn. 6, juris, und vom 4. Juli 2013 - 2 B 76.12 - Rn. 20, juris).
- 65
Da - wie bereits ausgeführt - Feststellungen zur Schuldfähigkeit das Gericht nur binden, soweit sie sich auf die Frage beziehen, ob der Betreffende schuldfähig oder schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB ist, war es Sache des erkennenden Gerichts, für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme festzustellen, ob bei Vorliegen der Eingangsvoraussetzung des § 20 StGB ein Fall verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB gegeben ist und welchen Grad die Minderung gegebenenfalls erreicht, insbesondere war die Rechtsentscheidung treffen, ob die Minderung der Schuldfähigkeit eine erhebliche ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - Rn. 29, juris).
- 66
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme litt der Beklagte zum Tatzeitpunkt an einer Anpassungsstörung (F43.2). Aufgrund der durch eine depressive Reaktion in Verbindung mit Angstsymptomen gekennzeichneten Störung und der daraus ableitbaren Suizidgefahr mit Einschränkung der Handlungsmöglichkeit der Persönlichkeit handelt es sich hierbei um eine die Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB erfüllende „krankhafte seelischen Störung“. Es kann nicht sicher ausgeschlossen werden, dass der Beklagte bei erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB beeinträchtigt war.
- 67
Bei dieser Beurteilung ist der Senat den überzeugenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. med. ... gefolgt. Der Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten aufgrund der ihm vorliegenden Befunde, der bei ihm durchgeführten Tests und zweier länger dauernder Explorationsgespräche sowie unter Berücksichtigung von Fachliteratur und aufgrund der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Befragung des Beklagten sowie der beiden Zeugen näher erläutert und bestätigt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass beim Beklagten bezogen auf den Tatzeitraum vom Vorliegen einer Anpassungsstörung auszugehen ist. Zu dieser im Vordergrund stehenden Erkrankung kam jedoch eine die Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB erfüllende depressive Störung hinzu, die im Anschluss mit Antidepressiva behandelt worden ist. Bereits der Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. med. ..., dessen Befund der Sachverständige ausgewertet hat und bei dem sich der Beklagte nach der Aufdeckung der Taten in medizinische Behandlung und Therapie begeben hat, hat bei dem Beklagten in seiner fachärztlichen Stellungnahme vom 7. September 2013 eine akute Belastungsreaktion (ICD: F43.G) sowie Anpassungsstörungen mit vorherrschender Störung des Sozialverhaltens (ICD: F43.24G) diagnostiziert.
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Tatzeitbezogen wäre zwar - so der Sachverständige - von einer stärkergradigen Ausprägung einer depressiven Symptomatik nach ICD-10 nicht auszugehen, da der Beklagte in der Lage war, regulär seinen Dienst zu verrichten und seine sozialen Aktivitäten fortzusetzen. Allerdings war ausweislich des Ergebnisses der Zeugenbefragungen auch insoweit ein verändertes Verhalten zu bemerken: Im Dienst hat sich der Beklagte immer mehr zurückgezogen, ebenso gegenüber seiner jetzigen Ehefrau; die vorherigen Kontakte zu Freunden hat er abgebrochen. Insgesamt bestehen nach Aussage des Sachverständigen Schwierigkeiten in der Bewertung des Grades der affektiven Symptomatik bezogen auf den Tatzeitpunkt. Der Sachverständige kann daher nicht sicher ausschließen, dass der Beklagte in dieser Phase der Störung aufgrund der Ausprägung der depressiven Symptomatik mit anamnetischen Hinweisen auf eine erhöhte Suizidalität in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war. Dr. ... spricht insoweit von einer temporären Einschränkung der moralischen Selbstkontrolle. Hierzu bezieht sich der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten auf Venzlaff (in Psychiatrische Begutachtung - Praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen), nach welchem Anpassungsstörungen nicht selten mit depressiven Symptomen einhergehen. Nach seinen mündlichen Erläuterungen führen nicht nur die Stellungnahme von Dr. ..., sondern auch der Inhalt der Exploration des Beklagten und die Angaben der Zeugin in der mündlichen Verhandlung dazu, dass eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Denn hinzu kamen eine erhebliche vegetative Symptomatik (frühmorgendliches Erwachen, Magen-Darm-Störungen und ein erheblicher Gewichtsverlust) und suizidale Tendenzen, die typisch für eine stärker ausgeprägte Symptomatik sind, die der Beklagte jedoch durch seine Persönlichkeit in der Außendarstellung hat kompensieren können. Für die Diagnose einer depressiven Störung spricht nach den Ausführungen des Sachverständigen auch die vom Beklagten für den Tatzeitpunkt beschriebene finanzielle Angst im Sinne eines depressiven Verarmungswahns, ohne dass eine wirtschaftliche Notlage tatsächlich vorlag.
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Wie der als Sachverständiger herangezogene forensische Psychiater Dr. med. ... vermag auch der Senat nicht sicher auszuschließen, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Taten (Februar 2012 bis September 2012) unter einer durch eine depressive Reaktion in Verbindung mit Angstsymptomen gekennzeichneten Störung mit einer störungsbedingter Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten der Persönlichkeit litt. Insoweit kann eine krankhafte psychische Ausnahmesituation mit einer als ausweglos wahrgenommenen finanziellen Notlage - nahe dem Verarmungswahn - nicht sicher ausgeschlossen werden, aufgrund derer der Beklagte keine andere Möglichkeit sah, als mit dem Erlös aus dem Verkauf der zuvor entwendeten Gegenstände den notwendigen Lebensunterhalt für sich und seine Familie zeitweilig zu sichern. Vor diesem Hintergrund stellten sich die vom Beklagten begangenen Dienstpflichtverletzungen als zwangsläufige Folge seiner Erkrankung dar, die als krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB anzusehen wäre und die als auch im Rechtssinne erheblich angesehen werden müsste.
- 70
Lässt sich danach eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Beklagten im Sinne des § 21 StGB nicht sicher ausschließen, so ist dieser Umstand bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens mit dem ihm zukommenden erheblichen Gewicht heranzuziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - Rn. 32, juris, und vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - Rn. 34, juris). In einem solchen Fall kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden (BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 a.a.O.).
- 71
Soweit das Bundesverwaltungsgericht darauf hinweist, dass im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten abhängt, so dass sie bei Zugriffsdelikten nur in Ausnahmefällen erreicht sein wird (vgl. Urteile vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 34 und vom 29. Mai 2008 a.a.O. Rn. 30, beide juris), ist auf die Einsehbarkeit nur dann maßgeblich abzustellen, wenn die erhebliche Verminderung der Einsichtsfähigkeit betroffen ist und nicht - wie hier - die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit. Im Gegenteil kann der mildernde Umstand der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit im Rahmen der Maßnahmebemessung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 LDG nicht durch das Vorhandensein der Einsichtsfähigkeit „kompensiert" werden (so auch BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - Rn. 39, juris). Daher kann selbst bei einem Mehrfachversagen eines Beamten im Kernbereich seiner Amtspflichten im Rahmen von Zugriffsdelikten die Steuerungsfähigkeit (als eine der beiden in § 21 StGB genannten Alternativen) als Folge einer Störung im Sinne des § 20 StGB in erheblichem Maße eingeschränkt sein (BVerwG, Beschluss vom 15. April 2010 - 2 B 82.09 - Rn. 9, juris).
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Hinzu kommt Folgendes: Zwar liegt ein anerkannter Milderungsgrund nicht vor (s.o.), jedoch sind die hier festgestellten Umstände in ihrer Gesamtheit dem Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes vergleichbar. Aus der subjektiven (krankheitsbedingten) Sicht des Beklagten befand er sich zum Tatzeitpunkt in einer unverschuldeten, ausweglosen wirtschaftlichen Notlage. Er hat das zweite Kind zu dem Zeitpunkt nicht gewollt und glaubte, nun in große wirtschaftliche Not zu geraten, aus der er keinen anderen Ausweg sah. Sein Handeln resultierte aus einer hierdurch ausgelösten - allerdings länger dauernden - psychischen Ausnahmesituation. Es ist zugleich ähnlich wie eine persönlichkeitsfremde, allerdings länger dauernde Augenblickstat; nach den Zeugenaussagen hatte sich der Beklagte während des Zeitraums der Dienstpflichtverletzungen verändert, er war, so die Ehefrau, anders, „nicht mehr der Alte“. Der Sachverständige kann in diesem Zusammenhang nicht ausschließen, dass im Rahmen der depressiven Reaktion eine Aktualisierung finanzieller Ängste bis zum Bild eines depressiven Verarmungswahns vorgelegen hat.
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Die im Vordergrund der medizinischen Symptomatik stehende Anpassungsstörung ist nach den gutachterlichen Feststellungen des medizinischen Sachverständigen mittlerweile überwunden; er hat keine Hinweise für die Annahme eines überdauernden Musters von Auffälligkeiten in den Bereichen der Affektivität, der Kognition und der zwischenmenschlichen Beziehungen bei dem Beklagten feststellen können. Zudem - so der Sachverständige - sei definitionsgemäß bei Annahme einer Anpassungsstörung von einer Remission des Störungsbildes auszugehen. Hierzu führt der Sachverständige weiter aus, dass bereits Dr. ... im September 2013 fachärztlich befunden habe, dass der Beklagte gefestigt aus der Krise hervorgegangen und seine Prognose als eindeutig gut anzusehen sei. Der Sachverständige sieht daher keine Hinweise auf ein Fortbestehen der Anpassungsstörung im Sinne einer depressiven Reaktion in Verbindung mit einer Angstsymptomatik. Auch diese erfolgreiche - nachträgliche - Therapie kann bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden, wenn - wie hier - eine günstige Zukunftsprognose gestellt werden kann und eine erneute Begehung entsprechender Dienstvergehen nicht mehr zu besorgen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. November 2001 - 1 D 64.00 - Rn. 35, juris, und vom 19. August 2010 - 2 C 13.10 - Rn. 29 f., juris, Beschluss vom 5. Mai 2015 - 2 B 32.14 -– LS 1 und Rn. 29 m.w.N., juris).
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Vor diesem Hintergrund wiegt das Dienstvergehen nicht so schwer, dass auf die Höchstmaßnahme zu erkennen wäre. Die nicht sicher ausschließbare erhebliche verminderte Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt und der Umstand, dass der Beklagte die sein damaliges Verhalten auslösende krankhafte seelische Störung inzwischen überwunden hat, rechtfertigen die Wertung, dass noch ein Rest an Vertrauen in ihn gesetzt werden kann. Die Fortführung des Beamtenverhältnisses erscheint noch möglich, weil die vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen nicht Ausdruck einer in ihnen offenbarten inneren Einstellung sind.
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Darauf, dass, wie dies der Zeuge ... in der mündlichen Verhandlung bekundete, weder er als zuständiger Dienstgruppenleiter noch seine Kollegen Vertrauen mehr zu dem Beklagten hätten, kann ebenso wenig abgestellt werden wie auf eine entsprechende Äußerung eines Vertreters des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit der Beamte durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 4 LDG beeinträchtigt hat, ist allein nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern schon aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde (stRspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <260>, vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Rn. 78, juris, und vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 - Rn. 56, juris, sowie Beschluss vom 2. März 2012 - 2 B 8.11 - Rn. 16, juris).
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Für die danach gebotene objektive Bewertung der Beeinträchtigung des Vertrauens ist es ebenfalls unerheblich, inwieweit das Dienstvergehen im konkreten Einzelfall in der Öffentlichkeit bekannt geworden und inwieweit hierüber berichtet worden ist(vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O.). Schutzgut der Vorschriften des Beamtenstatusgesetzes und des Landesdisziplinargesetzes über die Sanktionierung von Verstößen gegen die Dienstpflichten von Beamten ist auch nicht das Ansehen einer ganz konkreten Behörde in der Öffentlichkeit. Vielmehr geht es generell um die Integrität des Berufsbeamtentums und die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 58).
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Wäre danach auf die nächst niedrigere Maßnahme, hier also die Zurückstufung zu erkennen, hält der Senat eine noch weitere Herabsetzung wegen unangemessen langer Verfahrensdauer nicht für angezeigt. Aufgrund Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK kann zwar in den Fällen, in denen - wie vorliegend - nach einer Gesamtwürdigung nicht auf die disziplinare Höchstmaßnahme zu erkennen ist, sondern eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme für ausreichend erachtet wird, eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden, wenn das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis wegen der mit dem Verfahren verbundenen Belastungen gemindert ist (stRpr., vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - Rn. 54, juris und zuletzt Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 50.13 - Rn. 44 m.w.N., juris, sowie Beschluss vom 10. Oktober 2014 – 2 B 66.14 – Rn. 8, juris, sowie BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Januar 2013 - 2 BvR 1912/12, juris). Indes ist eine Dauer von drei Jahren und acht Monaten angesichts der Umstände in diesem Verfahren, insbesondere der von den Behörden und den Gerichten trotz eines umfassenden Geständnisses getätigten Ermittlungen nicht unangemessen lang. Zum anderen würde eine unangemessen lange Verfahrensdauer, selbst wenn sie vorläge, allenfalls zur nächstmilderen Maßnahme führen können. Auf diese kann aber vorliegend schon aus Rechtsgründen (dazu sogleich unter e) nur erkannt werden.
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e) Die an sich bei der auch unter Berücksichtigung der erheblich verminderten Schuldfähigkeit noch verbleibenden Schwere des Dienstvergehens gebotene Zurückstufung kann nicht ausgesprochen werden, weil sich der Beklagte bereits im Eingangsamt seiner Laufbahn befindet, vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 LDG. Deshalb ist auf die nächstmildere Maßnahme der Kürzung der Dienstbezüge zu erkennen. In diesem Fall ist § 14 Abs. 1 Satz 2 LDG zu berücksichtigen, weil gegen den Beklagten wegen desselben Sachverhalts im Strafverfahren unanfechtbar eine Strafe verhängt worden ist. Bleibt der Beamte aus laufbahnrechtlichen Gründen von der an sich gebotenen Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung nach § 9 LDG verschont und wird allein deshalb eine Kürzung der Dienstbezüge (§ 8 LDG) ausgesprochen, so sind die besonderen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 LDG stets erfüllt. Der Ausschluss der Zurückstufung lässt die mildere Maßnahme der Kürzung der Dienstbezüge neben der im Strafverfahren verhängten Strafe als erforderlich erscheinen, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten. Auf das Vorliegen konkreter Umstände für eine Wiederholungsgefahr kommt es nicht an (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 13.10 - Rn. 34, juris, und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 50.13 - Rn. 45, juris).
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Aus den gleichen Erwägungen hält der Senat die Ausschöpfung des in § 8 Abs. 1 Satz 1 LDG vom Gesetzgeber nur nach oben hin beschränkten Rahmens für erforderlich und angemessen und sieht auch keinen Grund, die während der Kürzung der Dienstbezüge gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 LDG bestehende Beförderungssperre wegen der Dauer des Disziplinarverfahrens abzukürzen (vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 LDG).
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§ 15 Abs. 4 und 5 BDG steht einer Ahndung des Dienstvergehens des Beklagten mit einer Kürzung der Dienstbezüge nicht entgegen. Zwar sind seit der Vollendung des Dienstvergehens mehr als drei Jahre vergangen. Aber der Lauf der Dreijahresfrist des § 15 Abs. 2 LDG war bereits durch die Einleitung des Disziplinarverfahrens am 25. September 2012 unterbrochen worden (§ 15 Abs. 4 LDG) und ist danach aus verschiedenen Gründen, zuletzt für die Dauer des gerichtlichen Disziplinarverfahrens, gehemmt (§ 15 Abs. 5 LDG).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 77 Abs. 1 BDG, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Beklagte ist teilweise unterlegen, weil er sein mit der Berufung ausdrücklich verfolgtes Ziel der Klageabweisung nicht erreicht hat. Der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 4 LDG, § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Gründe, die Revision zuzulassen (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 69 BDG, § 132 Abs. 2 VwGO), sind nicht ersichtlich.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg - Disziplinarkammer - vom 09. Oktober 2013 - DB 8 K 1766/12 - geändert. Der Beklagte wird in das Amt eines Postobersekretärs zurückgestuft und die weitergehende Klage insoweit abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt ein Fünftel, der Beklagte vier Fünftel der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 8. Dezember 2014 - DL 8 K 1870/14 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Disziplinarverfahren sind beschleunigt durchzuführen.
(1) Für das Revisionsverfahren gelten die Bestimmungen über das Disziplinarverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht entsprechend.
(2) Für die Entscheidung über die Revision gelten die §§ 143 und 144 der Verwaltungsgerichtsordnung.
(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.
(2) Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen.
(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.
(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.
(2) Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen.
(1) Die nach bisherigem Recht eingeleiteten Disziplinarverfahren werden in der Lage, in der sie sich bei Inkrafttreten dieses Gesetzes befinden, nach diesem Gesetz fortgeführt, soweit in den Absätzen 2 bis 7 nichts Abweichendes bestimmt ist. Maßnahmen, die nach bisherigem Recht getroffen worden sind, bleiben rechtswirksam.
(2) Die folgenden Disziplinarmaßnahmen nach bisherigem Recht stehen folgenden Disziplinarmaßnahmen nach diesem Gesetz gleich:
- 1.
die Gehaltskürzung der Kürzung der Dienstbezüge, - 2.
die Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt der Zurückstufung und - 3.
die Entfernung aus dem Dienst der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
(3) Vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingeleitete förmliche Disziplinarverfahren werden nach bisherigem Recht fortgeführt.
(4) Die Behörde des Bundesdisziplinaranwalts wird mit Ablauf des 31. Dezember 2003 aufgelöst. Ab diesem Zeitpunkt fertigt die Einleitungsbehörde in den Fällen von Absatz 3 die Anschuldigungsschrift; die Vorschriften der Bundesdisziplinarordnung sind nicht anzuwenden, soweit sie den Bundesdisziplinaranwalt betreffen.
(5) Für die Wiederaufnahme von Disziplinarverfahren, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtskräftig abgeschlossen worden sind, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2003 Abschnitt IV der Bundesdisziplinarordnung. Ab diesem Zeitpunkt gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes.
(6) Die nach bisherigem Recht in einem Disziplinarverfahren ergangenen Entscheidungen sind nach bisherigem Recht zu vollstrecken, wenn sie unanfechtbar geworden sind.
(7) Die Frist für das Verwertungsverbot und ihre Berechnung für die Disziplinarmaßnahmen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes verhängt worden sind, bestimmen sich nach diesem Gesetz. Dies gilt nicht, wenn die Frist und ihre Berechnung nach bisherigem Recht für den Beamten günstiger ist.
(8) Gebühren nach § 78 Satz 1 werden nur für die nach dem 31. Dezember 2009 anhängig werdenden gerichtlichen Verfahren erhoben. Dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem 31. Dezember 2009 eingelegt worden ist.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Die erforderlichen Beweise sind zu erheben. Hierbei können insbesondere
- 1.
schriftliche dienstliche Auskünfte eingeholt werden, - 2.
Zeugen und Sachverständige vernommen oder ihre schriftliche Äußerung eingeholt werden, - 3.
Urkunden und Akten beigezogen sowie - 4.
der Augenschein eingenommen werden.
(2) Niederschriften über Aussagen von Personen, die schon in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren vernommen worden sind, sowie Niederschriften über einen richterlichen Augenschein können ohne erneute Beweiserhebung verwertet werden.
(3) Über einen Beweisantrag des Beamten ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dem Beweisantrag ist stattzugeben, soweit er für die Tat- oder Schuldfrage oder für die Bemessung der Art und Höhe einer Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sein kann.
(4) Dem Beamten ist Gelegenheit zu geben, an der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen sowie an der Einnahme des Augenscheins teilzunehmen und hierbei sachdienliche Fragen zu stellen. Er kann von der Teilnahme ausgeschlossen werden, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere mit Rücksicht auf den Zweck der Ermittlungen oder zum Schutz der Rechte Dritter, erforderlich ist. Ein schriftliches Gutachten ist ihm zugänglich zu machen, soweit nicht zwingende Gründe dem entgegenstehen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 8. Dezember 2014 - DL 8 K 1870/14 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.
(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.
(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.
(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.
(1) Beamtinnen und Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung.
(2) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn die Bedenken fortbestehen, an die nächst höhere Vorgesetzte oder den nächst höheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit. Dies gilt nicht, wenn das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für die Beamtinnen oder Beamten erkennbar ist. Die Bestätigung hat auf Verlangen schriftlich zu erfolgen.
(3) Wird von den Beamtinnen oder Beamten die sofortige Ausführung der Anordnung verlangt, weil Gefahr im Verzug besteht und die Entscheidung der oder des höheren Vorgesetzten nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann, gilt Absatz 2 Satz 3 und 4 entsprechend. Die Anordnung ist durch die anordnende oder den anordnenden Vorgesetzten schriftlich zu bestätigen, wenn die Beamtin oder der Beamte dies unverzüglich nach Ausführung der Anordnung verlangt.
(1) Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Daten im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg - Disziplinarkammer - vom 09. Oktober 2013 - DB 8 K 1766/12 - geändert. Der Beklagte wird in das Amt eines Postobersekretärs zurückgestuft und die weitergehende Klage insoweit abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt ein Fünftel, der Beklagte vier Fünftel der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Außerdem hat die Strafkammer den Verfall von Wertersatz in Höhe von 1.500 € angeordnet.
- 2
- Der Strafzumessung hat die Strafkammer den gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zugrunde gelegt. Sie ist davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Begehung der Tat infolge einer akuten Intoxikation, die auf dem Konsum von Kokain beruhte, nicht ausschließbar erheblich vermindert war.
- 3
- Mit ihrer wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch mit Ausnahme der Anordnung des Verfalls auf Wertersatz beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft insbesondere Rechtsfehler bei der Anwendung des § 21 StGB.
- 4
- Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
II.
- 5
- 1. Dem - rechtskräftigen - Schuldspruch liegen folgende Feststellungen zugrunde:
- 6
- Der durch „Drogenschulden“ belastete, nicht vorbestrafte Angeklagte, ließ sich in den Niederlanden - seiner Heimat - dazu überreden, gegen einen Kurierlohn in Höhe von 1.500 € fünf Kilogramm Marihuana ausden Niederlan- den nach Linz in Österreich zu transportieren. Der Kurierlohn wurde mit seinen Schulden verrechnet.
- 7
- Dementsprechend verbrachte der Angeklagte am 7. März 2011 im Laderaum seines Fahrzeugs 4.925,8 Gramm Marihuana aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland. Das Rauschgift hatte einen Wirkstoffgehalt von 14,50 %. Dies entspricht 714,2 Gramm Tetrahydrocannabinol. Zum Eigenkonsum führte er zudem 0,27 Gramm Haschisch und 0,82 Gramm Kokain mit. Bei einer Polizeikontrolle auf einem Parkplatz an der Autobahn München - Salzburg wurden die Betäubungsmittel gegen 19.30 Uhr entdeckt und sichergestellt. Der Angeklagte wurde festgenommen.
- 8
- 2. Die Entscheidung zur Frage der Schuldfähigkeit beruht auf folgenden Feststellungen und Erwägungen der Strafkammer:
- 9
- a) Zur beruflichen und wirtschaftlichen Situation des Angeklagten:
- 10
- Der zur Tatzeit knapp 52-jährige Angeklagte, ein Heizungsinstallateur, wurde ab 1992 im Wertpapierhandelsgeschäft aktiv, zunächst im Angestelltenverhältnis , ehe er sich als Börsenmakler selbständig betätigte. Dies endete im Jahre 2004 mit seiner Privatinsolvenz bei Verbindlichkeiten in Höhe von 185.000 €. Danach wirkte er als Berater in Vermögensangelegenheiten. 2009 machte er sich mit einem Malerbetrieb selbständig, aus dem er bis zu seiner Festnahme monatliche Einkünfte in Höhe von 2.500 € erzielte. Aufgrund seines hohen Kokainverbrauchs hat er bei seinen Lieferanten Schulden in Höhe von ca. 5.000 bis 6.000 €.
- 11
- b) Das Konsumverhalten des Angeklagten:
- 12
- Nach seinen eigenen - vom Landgericht für glaubhaft erachteten - Angaben probierte der Angeklagte erstmals im Alter von zwölf bis vierzehn Jahren Alkohol, zunächst unregelmäßig. Infolge seines wirtschaftlichen Zusammenbruchs und des Scheiterns seiner Ehe - beides im Jahr 2004 - steigerte er sei- nen Alkoholkonsum bis zu seiner Inhaftierung auf bis zu zwei Flaschen Portwein täglich.
- 13
- Im Alter von 18 Jahren nahm der Angeklagte erstmals Kokain zu sich, zunächst regelmäßig an Wochenenden. Daneben konsumierte er Ecstasy. Im Jahre 2004 verzichtete er im Rahmen einer neuen Partnerschaft für die Dauer von sechs Monaten auf den Konsum von Betäubungsmitteln. Vor seiner Verhaftung rauchte er fünfmal pro Woche ca. 1,5 Gramm Kokain. Von Freitagabend bis Sonntagnachmittag, während er seinen Sohn bei sich hatte, verzichtete er auf den Konsum von Betäubungsmitteln. Im Rahmen von fünf bis sieben Hauspartys im Jahr nimmt er jeweils fünf bis sieben Tabletten Ecstasy zu sich. Letztmals konsumierte der Angeklagte vor seiner Inhaftierung auf einem Autobahnparkplatz Kokain.
- 14
- c) Zur Intoxikation und Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit:
- 15
- Der - sogleich geständige - Angeklagte wirkte bei seiner Festnahme gegenüber dem eingreifenden Polizeibeamten völlig unauffällig. Der Angeklagte erweckte nicht den Eindruck, unmittelbar vor der Kontrolle Betäubungsmittel zu sich genommen zu haben.
- 16
- Im Urin des Angeklagten fanden sich Kokain, Kokainstoffwechselprodukte (u.a. Ecgoninmethylester), Temazepam, Oxazepam, Hydroxyzin, Hydroxyzinstoffwechselprodukte , Paracetamol und Paracetamolstoffwechselprodukte. Im Blutplasma ließen sich die Werte hinsichtlich des Kokains und seiner Stoffwechselprodukte quantifizieren. Diese lagen in einem sehr hohen, einen zeitnahen Konsum belegenden Bereich. Durch das Auffinden der Werte von Cocaethylen und Ecgoninmethylester wird der Vortrag des Angeklagten zu sei- nem Alkoholkonsum bestätigt, da diese bei zeitnaher Aufnahme von Kokain und Alkohol gebildet werden. Durch eine ergänzende Untersuchung der Haare (zwei Zentimeter) des Angeklagten konnte eine Aufnahme der genannten Substanzen innerhalb der vorangegangenen zwei Monate nachgewiesen werden, die mit den Werten aufgrund der Blut- und Urinprobe in Einklang stehen. Die Konzentration der Werte für Kokainabbauprodukte zeigen einen regelmäßigen intensiven Konsum, der mit Alkoholaufnahme einhergeht.
- 17
- Aufgrund der festgestellten erheblichen Konsumwerte und des dennoch unauffälligen Eindrucks des Angeklagten, den dieser trotz des unmittelbar zuvor erfolgten Konsums auf den Ermittlungsbeamten bei der Festnahme machte, ist beim Angeklagten von einer erheblichen Gewöhnung auszugehen. Zudem liegt ständig ein erheblicher Konsumdruck vor.
- 18
- Zur Tatzeit lag eine akute Intoxikation vor. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sowie der Tatsache, dass der erhaltene Kurierlohn zur Begleichung von Geldschulden aus dem zurückliegenden Ankauf von Rauschgift zum eigenen Konsum gedient habe, ferner die Begleichung der Schulden die Voraussetzung für den weiteren Erwerb von Betäubungsmitteln gewesen sei, ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit beim Angeklagten gemäß § 21 StGB nicht auszuschließen.
- 19
- Die Strafkammer hat sich bei diesen Feststellungen und der hierauf beruhenden Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nach kritischer Prüfung den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen, eines erfahrenen, der Strafkammer seit vielen Jahren als zuverlässig bekannten Gutachters.
- 21
- Die Strafkammer hat die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt schon mangels Vorliegens eines Hanges, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, abgelehnt.
- 22
- Beim Angeklagten liege zwar ein langjähriger intensiver Kokainmissbrauch vor, zudem trinke er beträchtliche Mengen von Alkohol. Ein Hang im Sinne von § 64 StGB könne jedoch nicht festgestellt werden. Der Angeklagte habe keine Vorstrafen. Er sei gesund und in der Vergangenheit ständig einer geregelten Berufstätigkeit nachgegangen. Der Angeklagte lebe in einem sozial intakten Umfeld und kümmere sich regelmäßig jedes Wochenende um seinen Sohn; eine Depravation liege nicht vor. Der Angeklagte sei auch nicht sozial gefährdet.
III.
- 23
- Gegen die Bewertung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat bestehen durchgreifende sachlich-rechtliche Bedenken.
- 24
- a) Die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert ist, erfolgt in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren, ohne dass die Nichteinhaltung einzelner Schritte nach rechtlichen Maßstäben fehlerhaft sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 51 f.; Beschluss vom 12. Juni 2008 - 3 StR 154/08 Rn. 7; Boetticher/ Nedopil/Bosinski/Saß, Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten, NStZ 2005, 57 ff.). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Angeklagten zu untersuchen; es ist festzustellen, ob, in welcher Weise und in welchem Umfang sie sich auf dessen Tatverhalten ausgewirkt haben.
- 25
- Zur Vermittlung der medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungstatsachen im Hinblick auf die Diagnose einer psychischen Störung, deren Schweregrad und deren innerer Beziehung zur Tat wird der Richter auf sachverständige Hilfe angewiesen sein, sofern er hierzu nicht aufgrund eigener Sachkunde befinden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2003 - 1 StR 406/03, BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 15, mwN). Dabei bedarf es der Darlegung der Störung anhand der vier Eingangsmerkmale und dazu, in welchem Ausmaß die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit aus fachwissenschaftlicher Sicht bei der Tat beeinträchtigt waren. Vom Sachverständigen wird keine juristisch normative Aussage erwartet, sondern eine empirisch vergleichende über das Ausmaß der Beeinträchtigung des Täters, etwa im Vergleich zum Durchschnittsmenschen oder anderen Straftätern. Denn bei der Bejahung eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB und bei der Annahme verminderter Schuldfähigkeit - insbesondere der auch normativ geprägten Beurteilung der Erheblichkeit der Verminderung von Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08, BGHSt 53, 221, 223 Rn. 15 ff.; Urteil vom 19. Oktober 2011 - 2 StR 172/11 Rn. 4) - handelt es sich um Rechtsfragen. Das abschließende Urteil über die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ist ausschließlich Sache des Richters (BGH, Urteile vom 26. April 1955 - 5 StR 86/55, BGHSt 8, 113, 124; vom 10. September 2003 - 1 StR 147/03, BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 14; vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53; SSW-StGB/Schöch § 20, Rn. 13). Der Tatrichter hat die Darlegungen des Sachverständigen daher zu überprüfen und rechtlich zu bewerten. Außerdem ist er verpflichtet, seine Entscheidung in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise zu begründen.
- 26
- Die bloße Abhängigkeit von Drogen kann eine (schwere) andere seelische Abartigkeit sein, soweit sie nicht wegen körperlicher Abhängigkeit zu den krankhaft seelischen Störungen gehört (exogene Psychosen). Die bloße Abhängigkeit beeinflusst für sich genommen die Steuerungsfähigkeit jedoch nicht. Dies ist erst dann in Erwägung zu ziehen, wenn langjähriger Betäubungsmittelmissbrauch zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1995 - 3 StR 276/95, BGHR StGB § 21 BtMAuswirkungen 12; SSW-StGB/Schöch § 20, Rn. 46). In diesen Fällen liegen regelmäßig zugleich ein organischer Befund und eine krankhafte seelische Störung vor. Auch beim akuten Rausch ist ein Ausschluss oder die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit möglich.
- 27
- Schwere Entzugserscheinungen können die Steuerungsfähigkeit bei Beschaffungsdelikten nur in seltenen Ausnahmefällen, z.B. in Kombination mit Persönlichkeitsveränderungen, aufheben (BGH, Urteile vom 23. August 2000 - 3 StR 224/00; vom 19. September 2001 - 2 StR 240/01, V.1.). Entzugserscheinungen , welche erst bevorstehen, können mitunter den Drang zur Beschaffungskriminalität übermächtig werden lassen, wenn die Angst des Täters vor Entzugserscheinungen, die er schon als äußerst unangenehm („grausamst“ ) erlitten hat und die er als nahe bevorstehend einschätzt, sein Hem- mungsvermögen erheblich vermindert. Dies kann dann insbesondere bei Hero- inkonsum die Voraussetzungen des § 21 StGB begründen, ist jedoch trotz der bei den verschiedenen Drogen unterschiedlichen Entzugsfolgen auch bei Kokain nicht von vorneherein völlig ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2005 - 2 StR 389/05, BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 16).
- 28
- Die Aussagekraft allein des - auch quantifizierten - Nachweises von Drogen und ihrer Abbauprodukte im Blut, im Urin und in den Haaren ist im Hinblick auf die Frage der Steuerungsfähigkeit eines Täters bei der Tat nur begrenzt (vgl. SSW-StGB/Schöch, § 20 Rn. 47). Im Rahmen einer Gesamtschau sind aufgrund der psychodiagnostischen Merkmale unter ergänzender Verwertung der Blut-, Urin- und Haarbefunde (hinsichtlich des Betäubungs- und hier auch Alkoholkonsums) Rückschlüsse auf die Tatzeitbefindlichkeit des Täters zu ziehen.
- 29
- b) Den danach an die Darlegungen zur Feststellung erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zu stellenden Anforderungen genügen die Urteilsgründe hier nicht.
- 30
- Das angefochtene Urteil beschränkt sich im Wesentlichen darauf, das Ergebnis des Sachverständigengutachtens zu referieren und sich diesem pauschal anzuschließen, bis auf einen Punkt, ohne sich mit dieser Abweichung allerdings weiter auseinanderzusetzen. Dies genügt im vorliegenden Fall nicht.
- 31
- Die Anforderungen an die Darlegungen in einem Urteil zur Überprüfung und Bewertung sachverständiger Äußerungen durch das Gericht sind nicht immer gleich. Liegt ein in sich stimmiges, in seinen Feststellungen und Beurteilungen ohne weiteres nachvollziehbares Sachverständigengutachten vor, werden häufig nach dessen Darstellung knappe Ausführungen genügen, aus de- nen insbesondere folgt, dass sich das Gericht erkennbar bewusst war und danach entschieden hat, dass es allein seine Aufgabe ist, das abschließende normative Urteil über die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit zu treffen, auch wenn es dem Sachverständigen letztlich uneingeschränkt folgt. Unnötige Wiederholungen sind auch in diesem Bereich zu vermeiden.
- 32
- Anders ist es, wenn die sachverständigen Äußerungen zur Steuerungsfähigkeit nicht ohne weiteres nachvollziehbar sind, Lücken aufweisen oder im Widerspruch zu sonstigen Feststellungen und Bewertungen der Strafkammer stehen. So liegt es - ausgehend von der Darstellung des Sachverständigengutachtens in den Urteilsgründen - hier.
- 33
- Dass sich der Angeklagte während der gesamten, sich über Stunden erstreckenden - jedenfalls hinsichtlich des Vorwurfs der Beihilfe zum Handeltreiben - Tathandlung in Folge akuter Intoxikation in einem Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit befunden hat, ist anhand der Urteilsgründe nicht nachvollziehbar und damit einer revisionsrechtlichen Überprüfung schon nicht zugänglich. Der zwar bedeutsame, aber kontrollierte - der Angeklagte kam am Wochenende, wenn sein Sohn bei ihm war, ohne Betäubungsmittel aus - Betäubungsmittelkonsum allein belegt dies nicht. Schwerste Persönlichkeitsveränderungen liegen, wie die Strafkammer zu § 64 StGB festgestellt hat, nicht vor.
- 34
- Dass der letzte Konsum vor der Festnahme des Angeklagten, der regelmäßig Kokain zu sich nahm, für ihn außergewöhnlich war und zu seiner Vergiftung in einem Grade geführt hätte, die zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit führte, ist nicht belegt. Welchen Einfluss der Alkoholkonsum des Angeklagten (bis zur Tat schließlich zwei Flaschen Portwein am Tag) dabei hatte, wird nicht erörtert (zum Zusammenwirken von Kokain und Alkohol vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2000 - 4 StR 131/00, BGHR StGB § 21 Ursachen , mehrere 15). Die Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt der Blutentnahme wird schon nicht mitgeteilt. Auf die mögliche Bedeutung der sonstigen im Blutplasma festgestellten Wirkstoffe wird nicht eingegangen. Im Übrigen sprechen die Feststellungen der Strafkammer dafür, dass der letzte Konsum von Kokain vor der Festnahme des Angeklagten erst nach Antritt der Kurierfahrt und insbesondere nach Grenzübertritt (Einnahme vor der Festnahme auf einem Autobahnparkplatz) mit den Betäubungsmitteln stattfand, also wesentliche Teile der Tathandlung überhaupt nicht tangierte.
- 35
- Mit dem wesentlichen psychodiagnostischen Merkmal, nämlich dem unauffälligen Verhalten des Angeklagten bei seiner Festnahme hat sich der Sachverständige in diesem Zusammenhang nicht auseinandergesetzt. Er hat dies nur als Hinweis auf die Gewöhnung des Angeklagten an den Konsum von Betäubungsmitteln erwähnt.
- 36
- Der Sachverständige hat seine Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit nicht allein auf eine akute Intoxikation sondern auch darauf gestützt , dass der erhaltene Kurierlohn zur Begleichung von Geldschulden aus dem zurückliegenden Ankauf von Rauschgift zum eigenen Konsum gedient habe und die Begleichung der Schulden die Voraussetzung für den weiteren Erwerb von Betäubungsmitteln gewesen sei. Dem hat sich die Strafkammer zwar ebenfalls pauschal angeschlossen (UA S. 12). Bei Feststellungen zum Tatgeschehen hat sich die Strafkammer dann jedoch auf die akute Intoxikation zur Begründung verminderter Steuerungsfähigkeit beschränkt (UA S. 7), ohne dies aber weiter zu begründen. Allerdings hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht in dem Ziel der Geldbeschaffung - für die Bezahlung von Schulden als Voraussetzung weiteren Betäubungsmittelerwerbs - keine Grundlage für die Annahme einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit gesehen. Die bisherigen Feststellungen hierzu beschreiben allenfalls ein Tatmotiv aber keinen so intensiven Konsumdruck (Angst vor unmittelbar bevorstehenden Entzugserscheinungen , die der Angeklagte schon einmal intensivst erlitten hatte), der in Ausnahmefällen die Steuerungsfähigkeit erheblich vermindern kann. Ob ein Täter in einer solchen psychischen Ausnahmesituation (Angst vor Entzugsfolgen ) dann aber überhaupt noch zu einer mehrstündigen Kurierfahrt und einem völlig unauffälligen Verhalten bei seiner Festnahme in der Lage hätte sein können , wäre gegebenenfalls - bei Hinweisen auf einen derartigen Erwerbsdruck - zu erörtern gewesen.
- 37
- Die Abweichung der Strafkammer von den Darlegungen des Sachverständigen hätten jedenfalls für sie allein schon Anlass sein müssen, sich insgesamt kritischer mit den Äußerungen des Sachverständigen auseinanderzusetzen.
- 38
- c) Über die Strafzumessung und - schon wegen des engen Zusammenhangs - über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird daher neu zu befinden sein. Sollte eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Betracht kommen, wird § 246a Satz 2 StPO zu berücksichtigen sein. Zu den Voraussetzungen eines Hangs im Sinne von § 64 StGB, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2008 - 3 StR 38/08, Rn. 8 ff. (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 30. Januar 2001 - 1 StR 542/00; vom 7. Februar 2012 - 5 StR 505/11, Rn. 8 ff., vom 9. Februar 2012 - 3 StR 2/12, Rn. 3). Nack Rothfuß Hebenstreit Elf Graf
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen räuberischen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.I.
Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge hat keinen die Angeklagte belastenden Rechtsfehler ergeben.II.
Die Beschwerdeführerin deckt mit ihrem Revisionsvorbringen auch im Strafausspruch keinen Rechtsfehler auf. Näherer Erörterung bedarf allerdings die Rüge, die Angeklagte leide unter einer schweren Persönlichkeitsstörungund habe sowohl bei dem verfahrensgegenständlichen räuberischen Diebstahl im Oktober 2001 als auch beim erpresserischen Menschenraub im Juli 2002 unter einem so starken Motivationsdruck gestanden, daß sie für beide Taten - anders als vom Landgericht angenommen - strafrechtlich nicht voll verantwortlich gewesen sei. 1. Die sachverständig beratene Strafkammer hat zur Persönlichkeitsentwicklung der Angeklagten und zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen :
a) Die Angeklagte, deren Eltern aus Kroatien stammen, wuchs in Deutschland gemeinsam mit einer Schwester auf. Sie hatte trotz durchschnittlicher Begabung bereits früh Probleme in der Grundschule. Nachdem sie die zweite Klasse wiederholen mußte, kam sie in die Sonderschule. Diese verließ sie im Jahre 1988 nach der 9. Klasse ohne Abschluß und besuchte danach ein Jahr eine Hauswirtschaftsschule. Die Kammer hat zu Gunsten der Angeklagten als wahr unterstellt, sie sei von ihrem Vater seit ihrem siebten Lebensjahr bis kurz vor ihrer Verhaftung immer wieder sexuell mißbraucht und regelmäßig geschlagen worden. Ab dem zehnten Lebensjahr unternahm sie mehrere Suizidversuche. Im Jugendalter wurde sie dreimal in stationäre psychiatrische Behandlung nach Kroatien gebracht, wurde allerdings nach wenigen Tagen wieder entlassen, ohne daß eine klare Diagnose gestellt werden konnte. Es wurden ihr Antidepressiva und regelmäßig ein Schmerzmittel verschrieben. Sie konsumierte außerdem seit dem 14. Lebensjahr in erheblichem Umfang Alkohol , ohne daß sich jedoch eine Suchtproblematik herausgebildet hätte. Gelegentlich konsumierte die Angeklagte auch Haschisch. Im Jahre 1991 heiratete die Angeklagte. Aus der Ehe gingen zwei Kinder im Alter von nunmehr elf und sechs Jahren hervor. Nach der Heirat arbeitete
sie halbtags als Textilverkäuferin; später übte sie verschiedene Tätigkeiten aus, zuletzt war sie in einem Fitneß-Studio tätig, wo sie rund 500 Euro im Monat verdiente. Etwa Mitte der neunziger Jahre spitzten sich ihre persönlichen Probleme zu. Sie praktizierte einen gehobenen Lebensstil, der nicht ihren bescheidenen finanziellen Verhältnissen entsprach, unter anderem mit häufigen Urlauben, teurer Kleidung für sich und ihre Kinder und häufigem Ausgehen mit Einladungen von Freunden. Diesen Lebensstil konnte sie nur durch zahlreiche Vermögensstraftaten finanzieren. Deshalb wurde sie am 24. Mai 1995 u. a. wegen Diebstahls in vier Fällen sowie wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug in 104 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die Strafe wurde 1999 erlassen. Am 23. Mai 2000 wurde sie wegen Betrugs in zehn Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung in neun Fällen und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde nochmals zur Bewährung ausgesetzt. Im Jahr 1999 lernte sie während eines Urlaubs in Tunesien einen Tunesier kennen, der Mitglied einer sektenartigen Bewegung war, in der sich die Angeklagte aufgehoben fühlte. Seit 2000 leben die Eheleute getrennt.
b) Der räuberische Diebstahl Im Oktober 2001 betrat die Angeklagte gegen Mittag ein Schreibwarengeschäft mit Lottoannahmestelle und ließ sich einschließen. Sie entnahm der Lottokasse Bargeld in Höhe von mindestens 1.200 DM und packte drei Plastiktüten mit rund 320 Schachteln Zigaretten ein. Als die Ladenbesitzerin nach der Pause das Geschäftslokal betrat, gab die Angeklagte vor, versehentlich eingeschlossen worden zu sein. Die Ladenbesitzerin wollte die Angeklagte einschließen und die Polizei benachrichtigen. Dies verhinderte die Angeklagte
mit einem kräftigen Stoß, bei der die Frau zu Boden ging. Sie forderte nach einem Faustschlag von ihr das Mobilteil des Telefons, das sie in die Tasche steckte. Dann flüchtete sie. Die Angeklagte konnte aufgrund von Fingerabdrükken ermittelt und am 12. März 2002 festgenommen werden. Nach einem über ihren Verteidiger abgegebenen Geständnis wurde sie am 26. März 2002 wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Angeklagte rechnete wegen dieser Tat mit einer erheblichen Freiheitsstrafe ohne Bewährung und befürchtete den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung aus einer früheren Verurteilung. Außerdem hatte sie Probleme mit ihrem Vater, der sich im Jahre 2001 von ihrer Mutter getrennt hatte und seitdem bei ihr der Wohnung wohnte. Die Probleme trieben einem Höhepunkt zu, als der Vater den Wunsch äußerte, mit ihrer Tochter ein Wochenende allein im Schwarzwald zu verbringen. Die Kammer hat zu Gunsten der Angeklagten angenommen, sie habe befürchtet, der Vater könne sich auch an ihrer Tochter vergehen. Um den Problemen zu entgehen, faßte die Angeklagte den Plan, Deutschland zu verlassen und in Tunesien eine neue Existenz aufzubauen. Nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft feierte sie dort aufwendig die Verlobung mit dem Tunesier, obwohl sie noch verheiratet war. Sie versprach dem Verlobten, dem gegenüber sie sich als wohlhabend ausgab, daß sie im Juli 2002 mit ihren Kindern endgültig zu ihm nach Tunesien ziehen werde. Dabei werde sie einen großen Geldbetrag mitbringen, mit dem man dort gemeinsam ein Mietwagenunternehmen aufbauen könne.
c) Die Kindesentführung
Anfang Juli 2002 faßte die Angeklagte den Entschluß, sich die Mittel zur Durchführung ihrer Tunesien-Pläne durch eine Kindesentführung mit Lösegeldforderung zu beschaffen. Als Erpressungsopfer erschien ihr hierfür die als wohlhabend geltende Familie R. geeignet, die nach ihren Informationen in der Lage sein würde, einen größeren Geldbetrag auch kurzfristig besorgen zu können. Der Plan der Angeklagten ging dahin, die 7jährige Tochter J. auf dem Schulweg in ihre Gewalt zu bringen und für ihre Freilassung ein "Löse- ! " # %$ &' ( &' *)+ , - ' . 0/1& geld" von 250.000 dem Geld sofort nach Tunesien absetzen. Zur Vorbereitung der Tat observierte die Angeklagte ab Anfang Juli 2002 die Verhaltensgewohnheiten der Familie R. . Insbesondere erforschte sie durch zahlreiche Anrufe, bei denen sie sich nicht meldete, zu welchem Zeitpunkt sich die Mitglieder der Familie zu Hause aufhielten. Zur Durchführung der Tat, die zunächst für den 12. Juli 2002 geplant war, kaufte sie einen gebrauchten Pkw BMW der 7er-Klasse. Da sie das Fahrzeug mit nach Tunesien mitnehmen wollte, ließ sie das Fahrzeug mit Ausfuhrkennzeichen zu. Am gleichen Tag buchte sie unter ihrem eigenen Namen zwei Flugreisen für den 12. Juli 2002 von Stuttgart nach Tunesien. Als Passagiere gab sie ihren Sohn und eine Person namens E. an. Sie war auf unbekannte Weise in Besitz eines Personalausweises mit diesem Namen gelangt und wollte unter diesem Namen nach Tunesien reisen. Am 10. Juli 2002 suchte sie ihre Cousine und deren Ehemann auf und teilte diesen mit, sie habe die Absicht nach Tunesien auszuwandern. Beide erklärten sich bereit, das Fahrzeug nach Tunesien zu überführen und die Tochter der Angeklagten mitzunehmen. Am 12. Juli 2002 gab sich die Angeklagte gegenüber der Sekretärin der Schule, in der J. in die erste Klasse ging, als deren Mutter aus und forderte sie auf, das Kind nach Hause zu schicken. Da J. jedoch krankheits-
bedingt nicht in der Schule war, brach die Angeklagte den Entführungsversuch an diesem Tag ab. Sie stornierte den geplanten Flug nach Tunesien und buchte den Flug auf den nächsten Tag um, in der Hoffnung die Tat an diesem Tag durchzuführen. Der Entführungsversuch fand aus nicht feststellbaren Gründen jedoch nicht statt.
Am 15. Juli 2002 überlegte die Angeklagte, wie sie auf anderer Weise Jasmin in ihre Gewalt bringen könnte. Sie wurde dabei gesehen, wie sie gegen 8.00 Uhr morgens aus ihrem Fahrzeug das Wohnhaus der Eheleute R. beobachtete. Die Angeklagte entschloß sich schließlich, die Entführung am 18. Juli 2002 durchzuführen. Sie buchte am 16. Juli 2002 für dieselben Personen einen Flug nach Tunesien für den 19. Juli 2002. Der Flug sollte jedoch von München stattfinden, wo sie die Nacht verbringen wollte. Sie buchte für sich und ihre Tochter eine Übernachtung im Hotel K. . Nachdem die Angeklagte am 18. Juli 2002 mehrere Kontrollanrufe bei der Familie R. getätigt hatte, fuhr sie mit ihrem Fahrzeug, in dem sie eine geladene Schreckschußpistole und ein Elektroschockgerät mit sich führte, gegen 8.00 Uhr zu der Schule. Gegen 9.00 Uhr sprach sie auf dem Schulgelände zwei 8jährige Schüler an und bat sie, J. aus dem Klassenzimmer zu holen ; sie solle zu der Sekretärin ins Rektorat kommen. Die Schüler, die die Angeklagte als Mutter von J. ansahen, holten J. mit Zustimmung der Klassenlehrerin heraus und begleiteten sie in Richtung Rektorat. Die Angeklagte paßte die beiden Schüler und J. zwischen dem Klassenraum und dem Rektorat ab. Die arglosen Jungen ließen J. mit der Angeklagten al-
lein. Sie vergewisserte sich, ob es sich bei dem Kind um J. handele und schüchterte es mit dem mitgebrachten Elektroschockgerät ein, indem sie dieses am Hals des Mädchens auslöste. Als J. zu schreien begann, drohte ihr die Angeklagte, sie werde sie töten, wenn sie nicht ruhig sei. Das Kind verhielt sich ruhig, weigerte sich aber, mit der Angeklagten zu gehen. Die Angeklagte nahm es unter den Arm und trug es zu ihrem Fahrzeug. J. wehrte sich dagegen mit Strampeln und verlor dabei ihre Sandalen und ihre Brille. Die Angeklagte setzte J. zunächst auf den Beifahrersitz und drückte das Kind nach unten, um zu verhindern, daß es bei der Abfahrt gesehen wurde. Um J. weiterhin gefügig zu machen, löste die Angeklagte das Elektroschockgerät nochmals an ihrer Wange aus, wodurch es zu einer leichten Verbrennung kam. Gegen 9.50 Uhr rief die Angeklagte J. s Vater an und forderte ihn auf nach Hause zu kommen, weil J. nach Hause gegangen sei. Er begab sich sofort nach Hause. Dort rief die Angeklagte den Vater erneut an und teilte ihm mit, daß sie J. in ihrer Gewalt habe. Er solle ruhig sein und keine Polizei rufen. Für den Fall, daß er sich nicht an ihre Anweisungen halte, drohte die Angeklagte, es würde für seine Tochter auf dem Markt einen guten Preis geben. Der Vater sollte die Befürchtung haben, sie wolle J. an einen Mädchenhändler verkaufen. Der Vater fuhr danach sofort in die Schule, wo inzwischen die Schuhe und die Brille des Kindes gefunden waren. Die Angeklagte fuhr mit dem Wagen ziellos im Raum L. herum. Da das Kind verängstigt und verzweifelt jammerte, verbrachte sie es spätestens gegen 11.00 Uhr in den Kofferraum des Fahrzeugs, wo es bis zu seiner Befreiung bis gegen 16.00 Uhr verblieb. Gegen 11.50 Uhr rief die Angeklagte den Vater J. s an und forderte ihn auf, binnen einer Stunde 250.000 243 die Freilassung seiner Tochter bereitzustellen. Nachdem der Vater einwandte, er benötige für die Beschaffung des Geldes Zeit bis 16.00 Uhr, erklärte sie sich
bereit, abzuwarten. In der Folgezeit rief sie mehrfach beim Vater an, um sich nach dem Stand der Vorbereitungen für die Geldübergabe zu erkundigen. Um 14.25 Uhr sprach die Angeklagte am Bahnhof in L. einen Taxifahrer an und forderte ihn auf, zum Haus der Familie R. zu fahren, dort ein Päckchen abzuholen und zu ihr zu bringen. Sie einigte sich mit dem Taxifahrer auf 50 Euro für die Fahrt. Um 14.40 Uhr teilte die Angeklagte dem Vater von J. mit, daß sie einen Boten schicken werde, der das Geld abholen werde. Um 14.50 Uhr rief sie den Vater erneut an und erklärte, er werde seine Tochter nicht wiedersehen, da er die Polizei eingeschaltet habe. In Absprache mit der inzwischen eingeschalteten Polizei gab der Vater gegenüber dem Taxifahrer an, daß das Paket noch nicht da sei, er möge noch etwas warten. Der Vater erfuhr dabei, daß der Taxifahrer das Paket zum Bahnhof nach L. bringen solle. Daraufhin begann die Polizei mit der Observation des Bahnhofsgebietes in L. . Dort entdeckte die Polizei die Angeklagte gegen 15.19 Uhr in ihrem Fahrzeug; bis zu ihrer Festnahme um 15.48 Uhr wurde sie lückenlos observiert. J. wurde im Kofferraum des Fahrzeugs in einem zwar erschöpften, jedoch insgesamt zufriedenstellenden Zustand aufgefunden.
2. Die sachverständig beratene Strafkammer hat eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei der Angeklagten verneint und sie für beide Taten für strafrechtlich voll verantwortlich gehalten. Die Kammer ist dem psychiatrischen Sachverständigen darin gefolgt, die Angeklagte leide an einer schweren gemischten Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und schizoiden Anteilen, die weitgehend auf einem hochproblema-
tischen Verhältnis zum Vater beruhe. Dazu ist in den Urteilsgründen näher ausgeführt, die Störung äußere sich in einer unausgeglichenen Affektivität mit autoaggressiven Zügen, einer gestörten Beziehungsfähigkeit und einer Neigung , insbesondere problematische Dinge von sich abzuspalten. Die Persönlichkeitsstörung , die auch durch sexuelle Mißbrauchserlebnisse mitbedingt sein könne, sei deshalb so erheblich, daß Symptome vorlägen, die rechtlich als "schwere andere seelische Abartigkeit" im Sinne des § 20 StGB eingeordnet würden. Die Strafkammer ist den Ausführungen des Sachverständigen auch insoweit gefolgt, als keine Anhaltspunkte dafür bestünden, daß sich die Persönlichkeitsstörung bei der konkreten Tat auf ihre Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt habe. Die Angeklagte sei in der Lage, die Realität zu erkennen und richtig einzuschätzen. Angesichts der hohen Komplexität der Tatabläufe , insbesondere der umfänglichen Tatplanung und der Vorbereitungshandlungen , sowie der Tatsache, daß die Angeklagte längerfristige, zukunftsgerichtete Pläne verfolgt habe, lägen keine Hinweise dafür vor, daß sie ihr Verhalten nicht habe steuern können. Dagegen hat die die Revision eingewendet, die Beurteilung der Schuldfähigkeit sei in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer habe bezüglich des ersten Tatvorwurfs, dem räuberischen Diebstahl, die Frage der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit überhaupt nicht geprüft. Hinsichtlich der Kindesentführung habe sie sich zwar mit der Problematik auseinandergesetzt , jedoch schon verkannt, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes die Annahme einer schweren seelischen Abartigkeit eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit zumindest nahe lege. Ein überlegtes, geplantes, logisches und zielgerichtetes Handeln schließe eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit nicht aus, da auch "bei geplantem und geordnetem Vorgehen" die Fähigkeit erheblich eingeschränkt sein könne,
Anreize zu einem bestimmten Verhalten und Hemmungsvorstellungen gegen- einander abzuwägen und danach den Willensentschluß zu bilden. Deshalb habe die Kammer in erster Linie prüfen müssen, ob die Angeklagte infolge ihrer Persönlichkeitsstörung in der fraglichen Zeit einem zur Tat führenden starken Motivationsdruck ausgesetzt gewesen sei, wie er sonst in vergleichbaren Situationen bei anderen Straftätern nicht vorhanden sei, und ob dadurch ihre Fähigkeit , sich normgerecht zu verhalten, deutlich vermindert gewesen sei. Die Kammer sei zwar davon ausgegangen, daß die schwere Persönlichkeitsstörung möglicherweise auf dem hochproblematischen Verhältnis zum Vater beruhe , habe jedoch außer acht gelassen, daß die Angeklagte mit ihrer Tochter und ihrem Sohn Deutschland verlassen und nach Tunesien auswandern wollte, „weil ihr Vater - der bereits sie über Jahre sexuell mißbraucht und geschlagen hatte - den Wunsch äußerte, mit der Tochter der Angeklagten ein Wochenende allein im Schwarzwald verbringen zu wollen und die Angeklagte befürchtete, daß ihr Vater sich auch an ihrer Tochter vergehen würde“ (UA S. 5, 20). 3. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer die Angeklagte trotz der angenommenen Persönlichkeitsstörung für beide Taten als strafrechtlich voll verantwortlich angesehen hat.
a) Persönlichkeitsstörung als andere seelische Abartigkeit
aa) Ersichtlich ist der Sachverständige bei der Beurteilung der persönlichen Entwicklung der Angeklagten und ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach den Kriterien der in der forensischen Psychiatrie gebräuchlichen diagnostischen und statistischen Klassifikationssysteme vorgegangen (ICD-10 Kapitel V (F), Internationale Klassifikation psychischer Störungen, Dil-
ling/Mombour/Schmidt [Hrsg.], 4. Aufl.; DSM-IV, Diagnostisches und Statisti- sches Manual Psychischer Störungen 2. Aufl., Saß/Wittchen/Zaudig [Hrsg.].).
bb) Bei der in ICD-10 F 60.0 (DSM-IV 301.0) genannten Störungsgruppe „Persönlichkeitsstörung“ handelt es sich um einen Oberbegriff. Es werden völlig unterschiedliche typologisch definierte Varianten beschrieben, die je nach Ausprägung als normal oder abnorm zugeordnet werden. Sie reichen von einer Vielzahl normalpsychologisch wirksamer Ausprägungen und Beeinträchtigungen des Empfindens und Verhaltens bis zu einer abnormen Persönlichkeit, die von ihrem Gewicht her durchaus Krankheitswert erreichen kann (Rasch, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 261 f.). Der Begriff der Persönlichkeitsstörung beschreibt abnorme Persönlichkeiten, deren Eigenschaften von einer nicht näher bezeichneten gesellschaftlichen Norm abweichen. Von psychopathischen Persönlichkeiten wird dann gesprochen, wenn die Person an ihrer Abnormität leidet oder wenn die Gesellschaft unter ihrer Abnormität leidet (vgl. Venzlaff und Pfäfflin in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung 4. Aufl. S. 248, 250; Rasch, StV 1991, 126, 127; Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 149, 152 f.; Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen S. 177, 180).
cc) Für die forensische Unterscheidung zwischen strafrechtlich nicht relevanten Auffälligkeiten in Charakter und Verhalten einer Persönlichkeit und einer psychopathologischen Persönlichkeitsstörung, die Symptome aufweist, die in einer Beziehung zu psychischen Erkrankungen im engeren Sinne bestehen , enthalten die Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV eine Vielzahl diagnostischer Kriterien, anhand derer der psychiatrische Sachverständige einzelne Persönlichkeitsstörungen spezifizieren und deren Ausprägungsgrad bewerten kann. Diagnostische Hilfsmittel bei psychischen Störungen sind ne-
ben technischen Untersuchungen (EEG, Laboruntersuchungen etc.) sowie den Selbst- und Fremdbeurteilungen vor allem strukturierte Checklisten und diagnostische Interviews (vgl. DSM-IV aaO S. XVII). Bei der forensischen Begut- achtung hat sich der Sachverständige methodischer Mittel zu bedienen, die dem jeweils aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand gerecht werden. Existieren mehrere anerkannte und indizierte Verfahren, so steht deren Auswahl in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dabei ist der Sachverständige – unbeschadet der Sachleitungsbefugnis durch das Gericht - frei, von welchen inhaltlichen Überlegungen und wissenschaftlichen Methoden er bei Erhebung der maßgeblichen Informationen ausgeht und welche Gesichtspunkte er für seine Bewertung des Ausprägungsgrades für maßgeblich hält. In seinem Gutachten hat er nach den Geboten der Nachvollziehbarkeit und der Transparenz für alle Verfahrensbeteiligten nach Möglichkeit darzulegen, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen und auf welchem Weg er zu den von ihm gefundenen Ergebnissen gelangt ist (vgl. BGHSt 44, 26, 33; 45, 164, 169; st. Rspr.).
dd) Der Senat hat der forensisch-psychiatrischen Literatur entnommen, daß sich nach dem bestehenden wissenschaftlichen Kenntnisstand für die forensische Schuldfähigkeitsbeurteilung von Persönlichkeitsstörungen folgende Vorgehensweise anbietet, ohne daß die Nichteinhaltung einzelner Schritte nach rechtlichen Maßstäben fehlerhaft sein muß. Dazu gehört, daß der Sachverständige die sozialen und biographischen Merkmale unter besonderer Berücksichtigung der zeitlichen Konstanz der pathologischen Auffälligkeiten erhebt. Darüber hinaus bedarf es der Darstellung der pathologischen Reaktionsweisen unter konflikthaften Belastungen und deren Veränderungen infolge der natürlichen Reifungs- und Entwicklungsschritte sowie der therapeutischen Maßnahmen (Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen, 2003, S. 177,
178). Weist die untersuchte Person Persönlichkeitszüge auf, die nur auf ein unangepaßtes Verhalten oder auf eine akzentuierte Persönlichkeit hindeuten und die Schwelle einer Persönlichkeitsstörung nicht erreichen, wird schon aus psychiatrischer Sicht eine Zuordnung zum vierten Merkmal des § 20 StGB auszuschließen sein.
b) Schweregrad der Abartigkeit
Gelangt der Sachverständige – wie hier - zur Diagnose einer „dissozialen oder antisoziale Persönlichkeitsstörung“ (ICD-10 F 60.2 und DSM-IV 301.7: „Mißachtung sozialer Normen“) und einer „schizoiden Persönlichkeitsstörung“ (ICD-10 F 60.1. und DSM-IV 301.20: „Distanziertheit in sozialen Beziehungen, eingeschränkte emotionale Ausdrucksmöglichkeiten“), so ist diese psychiatrische Diagnose indes nicht mit der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ in § 20 StGB gleichzusetzen. Für die forensische Praxis ist mit der bloßen Feststellung, bei dem Angeklagten liege eine Persönlichkeitsstörung vor, nichts gewonnen. Vielmehr sind der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluß auf die soziale Anpassungsfähigkeit entscheidend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit (Rasch, Die psychiatrisch-psychologische Beurteilung der sogenannten schweren anderen seelischen Abartigkeit, StV 1991 S. 126, 127). Hierfür sind die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit (etwa hinsichtlich der Wahrnehmung der eigenen und dritter Personen, der emotionalen Reaktionen, der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und der Impulskontrolle) durch die festgestellten pathologischen Verhaltensmuster im Vergleich mit jenen krankhaft seelischer Störungen zu untersuchen (vgl. Kröber NStZ 1998, 80 f.). Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Deliktes zu Einschränkungen des
beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (DSM-IV aaO S. 715, 716; Nedopil aaO S. 152). Erst wenn das Muster des Denkens, Fühlens oder Verhaltens, das gewöhnlich im frühen Erwachsenenalter in Erscheinung tritt, sich im Zeitverlauf als stabil erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen vorliegen, die rechtlich als viertes Merkmal des § 20 StGB, der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ angesehen werden.
Für das Vorliegen der Voraussetzungen einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ werden aus psychiatrischer Sicht genannt: Hervorgehen der Tat aus neurotischen Konflikten; konflikthafte Zuspitzung und emotionale Labilisierung in der Zeit vor der Tat; abrupter, impulshafter Tatablauf; aktuelle konstellative Faktoren wie z. B. Alkohol und andere Drogen, Ermüdung, affektive Erregung. Gegen das Vorliegen des vierten Merkmals des § 20 StGB können sprechen: Tatvorbereitung; planmäßiges Vorgehen bei der Tat; Fähigkeit zu warten; lang hingezogenes Tatgeschehen; komplexer Handlungsablauf in Etappen; Vorsorge gegen Entdeckung; Möglichkeit anderen Verhaltens unter vergleichbaren Umständen; Hervorgehen des Delikts aus dissozialen Charakterzügen (Saß in Saß/Herpertz aaO S. 179, 180; Versuche einer empirischwissenschaftlichen Auswertung der am häufigsten in forensischen Gutachten vorkommenden Indikatoren bei Scholz/Schmidt, Schuldfähigkeit bei schwerer anderer seelischer Abartigkeit, 2003).
c) Erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat
Ob die Steuerungsfähigkeit wegen des Vorliegens einer schweren anderen seelischen Abartigkeit bei Begehung der Tat "erheblich" im Sinne des § 21 StGB vermindert war, ist eine Rechtsfrage. Diese hat der Tatrichter ohne Bin-
dung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beantworten. Hierbei fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt (vgl. für den „berauschten Täter“ BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ-RR 1999, 295, 296 jew. m.w.N.). Diese Anforderungen sind um so höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (BGH, Urt. v. 21. März 2001 - 1 StR 32/01).
Da Persönlichkeitsstörungen in der Regel die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit nicht vollständig aufheben, wird der Tatrichter Gesichtspunkte bewerten, die für oder gegen eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit sprechen können, ohne daß es wegen der fließenden Übergänge zwischen Normalität sowie allen Schweregraden und Konstellationen abnormer Persönlichkeit feste skalierbare Regelungen gibt (Saß in Saß/Herpertz aaO S. 179).
aa) Zudem kommt es nach dem Gesetz nicht darauf an, ob die Steuerungsfähigkeit generell eingeschränkt ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob sie bei Begehung der Tat – und zwar erheblich – eingeschränkt war. Zur Beurteilung dieser Rechtsfrage wird der Tatrichter auf der Grundlage des Beweisergebnisses über den Ablauf der Tathandlung – auch unter Beachtung möglicher alternativer Tatvarianten - die vom Sachverständigen gestellte Diagnose, den Schweregrad der Störung und deren innere Beziehung zur Tat in eigener Verantwortung nachprüfen. Stellt er in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen fest, daß das Störungsbild die Merkmale eines oder mehrerer Muster oder einer Mischform die Klassifikationen in ICD-10 oder DSM-IV erfüllen, besagt dies rechtlich noch nichts über das Ausmaß psychischer Störungen (vgl. BGH NStZ 1997, 383). Eine solche Zuordnung hat eine Indizwirkung dafür, daß eine nicht ganz geringfügige Beeinträchtigung vorliegt (vgl. zu bestimmten Fallgrup-
pen BGH StV 1998, 342; StV 2002, 17, 18; BGH, Urt. vom 27. August 2003 – 2 StR 267/03). Der Tatrichter wird in einer Gesamtbetrachtung die Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Entwicklung bewerten, wobei auch Vorgeschichte , unmittelbarer Anlaß und Ausführung der Tat sowie das Verhalten danach von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGHSt 37, 397, 401 f.; BGH NStZ 1997, 485; BGH, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 10, 20, 23, 36; BGH NStZ 1996, 380; BGH StraFo 2001, 249; BGH StV 2002, 17, 18; vgl. in diesem Sinne auch Venzlaff und Pfäfflin in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung aaO S. 270 f.; Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen S. 177, 180).
bb) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die mitgeteilte Diagnose des Sachverständigen zum Vorliegen einer schweren Persönlichkeitsstörung zutreffend war. Dagegen könnte sprechen, daß die in den Urteilsgründen mitgeteilte Tatsachengrundlage wenig tragfähig erscheint. Der Sachverständige hat seine Diagnose im wesentlichen auf die persönlichen Angaben der Angeklagten bei der Exploration gestützt und ausgeführt, „die Persönlichkeitsstörung die durchaus auch auf sexuelle Mißbrauchserlebnisse mitbedingt sein könne, sei auch so erheblich, daß eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB anzunehmen sei“. Auch die Strafkammer ist „ entsprechend ihren Angaben zu ihren Gunsten davon ausgegangen“, die Angeklagte sei vom Vater seit ihrem siebten Lebensjahr immer wieder sexuell mißbraucht worden. Konkrete Feststellungen oder objektivierbare Indizien, die die Behauptungen der Angeklagten stützen, enthalten die Urteilsgründe nicht. Die als Zeugen vernommenen Mutter und Schwester haben sogar ausgesagt, sie hätten zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte für einen sexuellen Mißbrauch der Angeklagten gehabt (UA S. 15).
Die Strafkammer hat zum räuberischen Diebstahl im Oktober 2001 keine näheren Ausführungen zu einer möglichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit gemacht. Eine solche lag auch eher fern, denn hinsichtlich dieser Tat behauptet die Revision selbst nicht, daß die Angeklagte infolge ihrer Persönlichkeitsstörung schon zu diesem Zeitpunkt einem so starken Motivationsdruck ausgesetzt war, daß sie die Wegnahme des Geldes und dessen Sicherung durch Gewaltanwendung nicht habe steuern können.
Die Strafkammer hat auch hinsichtlich der im Juli 2002 begangenen Entführung der siebenjährigen J. nachvollziehbar einen erheblichen Einfluß der Persönlichkeitsstörung auf das komplexe Tatgeschehen ausgeschlossen. Die Angeklagte sei zwar aufgrund ihrer Lebensgeschichte, zu der auch die Mißbrauchsgeschichte gehören könne, in vieler Hinsicht kritikgemindert. Sie sei aber in der Lage, die Realität zu erkennen und richtig einzuschätzen. Ihre gelegentliche Impulsivität sei keine pathologisch überhöhte Erregbarkeit, insbesondere sei auch keine hirnorganisch begründete Affektlabilität festzustellen.
Als Beleg für eine vollständig erhaltene Steuerungsfähigkeit hat die Strafkammer herangezogen, daß es der Angeklagten bei ihrer Tat in erster Linie darum ging, sich mittels des erwarteten Lösegeldes die Basis für ihr zukünftiges Leben in Tunesien zu schaffen. Die Behauptung der Angeklagten, sie habe wegen eines möglichen Übergriffs des Vaters auf ihre Tochter unter einem schwer beherrschbaren Motivationsdruck gestanden, darf die Kammer als widerlegt ansehen. Sie hat ausgeführt, die Angeklagte habe diese Pläne schon seit ihrem Besuch und ihrer Verlobung in Tunesien im April 2002 verfolgt und
sich endgültig im Juli 2002 zu dieser Straftat entschlossen. Das Lösegeld sollte das ihrem neuen Lebensgefährten zugesagte Startkapital sein.
Gegen die erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat sprachen hier die bis ins einzelne gehende Planung der Entführung, die vorbereitende Beobachtung der Familie über mehrere Tage sowie das mehrmalige Umbuchen der Flüge nach Tunesien. Die Kammer hat mit Recht auch als überlegtes kriminelles Handeln angesehen, daß die Angeklagte dem Vater des Entführungsopfers jeweils nur kurze Fristen zur Geldbeschaffung setzte, um ihn aus Furcht um sein Kind unter Druck zu setzen. Die Strafkammer konnte schließlich als Belege für ein kontrolliertes und zielgerichtetes Handeln der Angeklagten auch die kaltblütige Durchführung der Entführung auf dem öffentlichen Schulgelände heranziehen. Sie hat ausgeführt, das Sichbemächtigen des Kindes auf dem Schulgelände zeige, in welchem Maße die Angeklagte in der Lage war, situationsadäquat zu handeln und ihre Impulse instrumental zu steuern. Obwohl sie auf dem Schulgelände mit Zeugen rechnen mußte, habe sie das Kind in der Nähe des Rektorats abgefangen und gezielt - und für das Kind J. äußerst schmerzhaft - das Elektroschockgerät einsetzte und das sich wehrende Kind in den bereitgestellten Pkw verbracht. Damit ist die Strafkammer zu Recht davon ausgegangen, daß bei der Angeklagten eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht vorlag.
Nack Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Für das Revisionsverfahren gelten die Bestimmungen über das Disziplinarverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht entsprechend.
(2) Für die Entscheidung über die Revision gelten die §§ 143 und 144 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart - Disziplinarkammer - vom 20. Juni 2013 - DL 20 K 4235/12 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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Tenor
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 17. Kammer – vom 12. August 2015 wird geändert.
Die Dienstbezüge des Beklagten werden für die Dauer von drei Jahren um 20 % gekürzt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens zu je ½.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durch die Disziplinarkammer.
- 2
Der 1984 geborene Beklagte trat am 2. August 2004 als Polizeimeisteranwärter in den Dienst des Landes. Zum 1. Februar 2010 wurde er unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit zum Polizeimeister (A 7) ernannt. Er versah zuletzt seinen Dienst bei der Polizeidirektion ... – 1. Polizeirevier –. Die jüngste dienstliche Beurteilung datiert vom 1. Oktober 2011. Darin wurde er mit dem Prädikat „entspricht den Anforderungen voll“ beurteilt.
- 3
Der Beklagte ist seit dem ... 2012 verheiratet und hat drei am ... 2008, am ... 2012 und am ... 2014 geborene Söhne.
- 4
Der vorläufig des Dienstes enthobene Beklagte erhält um die Polizeizulage gekürzte Bezüge der Besoldungsgruppe A7 und wohnt zurzeit mietfrei. Wegen der weiteren Einzelheiten zu seinen aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen wird auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung eingereichte Übersicht (Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 26. Mai 2016) verwiesen.
- 5
Straf- und disziplinarrechtlich ist der Beklagte vor den Vorwürfen, die den Gegenstand dieses Verfahren bilden, nicht in Erscheinung getreten.
- 6
Mit Verfügung vom 25. September 2012 wurde gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts des Diebstahls eingeleitet und gleichzeitig bis zum Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt. Mit Verfügung vom 16. November 2012 wurde das Disziplinarverfahren um den Vorwurf der Unterschlagung eines Geldbetrages von 970 bis 1.230 Euro aus der Kaffeekasse der Dienstschicht des Beklagten erweitert. Wegen des sachgleichen Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht ... (Az. 719 Js 53114/12) wurde die Aussetzung des Disziplinarverfahrens weiter aufrechterhalten. Am 28. März 2014 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren zum Vorwurf der Unterschlagung eines Geldbetrages aus der Kaffeekasse im Hinblick auf das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts ... (Az. 719 Js 39714/12) gemäß § 154 Abs. 1 StPO ein.
- 7
Im hinsichtlich des Diebstahlsvorwurfs sachgleichen Strafverfahren verurteilte das Amtsgericht ... (Az: -719 Js 39714/12- / -62 Ds (98/13)-) den Beklagten mit Urteil vom 19. September 2013, rechtskräftig seit dem 19. März 2014, wegen gewerbsmäßigen Diebstahls in 21 Fällen sowie gewerbsmäßigen Betruges in 21 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gleichzeitig belegte es ihn mit einer Bewährungsauflage in Form der Erbringung von 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zu Grunde:
- 8
Der Beklagte lebt seit 2002 mit seiner jetzigen Ehefrau, der Zeugin ..., zusammen. Die Zeugin arbeitet als Krankenschwester. Trotz zweier Einkommen häuften sie bis zum Jahr 2005 Konsumschulden von 20.000 bis 25.000 Euro an. Am ... 2008 wurde der Sohn ... geboren. Das Familieneinkommen schmälerte sich wegen des Elterngeldbezuges der Zeugin. Gleichzeitig gingen die Partner Darlehensverbindlichkeiten im Zusammenhang mit dem Umzug in ein Eigenheim ein, das sie 2009 von den Eltern des Beklagten mieteten. Die wirtschaftliche Lage der Familie war zum äußersten angespannt.
- 9
Als die Zeugin dem Beklagten im September 2011 mitteilte, dass sie wieder schwanger sei, sah dieser wegen erwarteter Mehrausgaben und Einkommenseinbußen die wirtschaftlichen Verhältnisse vollends aussichtslos. Er steigerte sich binnen kurzem in extreme Existenzängste hinein und verlor unter der Anspannung der als ausweglos erlebten Verhältnisse so viel Körpergewicht, dass er nacheinander drei Kleidergrößen schmaler wurde. Anspannung und Angst erreichten ein Ausmaß, dass er nachts wach blieb und sich übergeben musste. Um kleinere Geldbeträge für seine Familie zu erlösen, verkaufte er aus dem gemeinsamen Hausstand überflüssigen Hausrat und eigene Bekleidung. Als er aus dem Dienst einen blauen Müllsack mit weitgehend abgetragener eigener Dienstkleidung nach Hause nahm, um ihn zu entsorgen, kam ihm der Gedanke, ein noch hinlänglich erhaltenes Bekleidungsstück bei eBay zu veräußern. Überrascht über die große Nachfrage und den zu erlösenden Preis veräußerte er anschließend die wegen seines erheblichen Gewichtsverlustes überflüssige Dienstbekleidung aus eigenem Bestand. In der Zeit von Februar bis September 2012 entwendete der Beklagte aus den Räumlichkeiten seiner Dienststelle im Eigentum des Landes Schleswig-Holstein oder im Eigentum seiner Kollegen stehende Dienstbekleidung sowie Pistolenholster und veräußerte sie dann bei eBay. Nach Überweisung des Kaufpreises übersandte er den Käufern die Sachen. Die Bekleidungsstücke waren von den Kollegen während der Arbeit in den Diensträumen, aber auch in der Damenumkleide und der Herrenumkleide vorübergehend abgelegt worden. Einen Teil der Bekleidungsstücke entnahm er auch einem Kleiderhaufen in der Dienststelle. Dort wurden alte, von den Beamten nicht mehr benötigte Bekleidungsstücke durch den Dienstherrn gesammelt, um sie einer Entsorgung zuzuführen. Der Beklagte nahm die Bekleidung und die Holster an sich und nahm dabei in allen Fällen – auch hinsichtlich der vom Kleiderhaufen genommenen Bekleidungsstücke – zumindest billigend in Kauf, dass die Sachen in fremdem Eigentum stehen und er die tatsächliche Herrschaft seiner Kollegen oder des Landes Schleswig-Holstein vermittelnd über die Dienststellenleitung gegen deren Willen brach und eigene begründete. Er nahm bei der Veräußerung auf eBay zumindest billigend in Kauf, dass die Käufer an den entwendeten Sachen kein Eigentum erwerben konnten, er sie hierüber täuschte, diese täuschungsbedingt einem inhaltsgleichen Irrtum erlagen, irrtumsbedingt den Kaufpreis überwiesen und überweisungsbedingt einen Schaden erlitten, da sie eigentumslos in den Besitz der Sachen gelangen und Rückgabeverlangen der Eigentümer ausgesetzt werden können. Der Beklagte handelte in allen Fällen, um sich eine fortlaufende, nicht unbeträchtliche Einnahmequelle zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes zu verschaffen. Wegen der einzelnen Taten und der Tatumstände wird auf die Darstellung in den Gründen des Strafurteils des Amtsgerichts ... vom 19. September 2013 Bezug genommen.
- 10
Nach Aufdeckung der Taten offenbarte sich der Beklagte wegen seiner desaströsen wirtschaftlichen Verhältnisse seinen Eltern, die seine wirtschaftlichen Verhältnisse geordnet haben. Wegen der aus den Existenzängsten rührenden Belastungssituation hat er sich in psychotherapeutische Behandlung begeben.
- 11
Dem Urteil lag eine Verständigung zugrunde. Wegen des Inhaltes wird auf die Sitzungsprotokolle vom 29. August 2013 und vom 19. September 2013 Bezug genommen. Die psychotherapeutische Behandlung ist mittlerweile erfolgreich abgeschlossen worden.
- 12
Der Kläger setzte das Disziplinarverfahren nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils am 19. März 2014 fort. Nach der abschließenden Anhörung unter dem 13. Juni 2014 und der Beteiligung des Hauptpersonalrates – Polizei – hat der Kläger am 10. September 2014 Disziplinarklage erhoben wegen der Vorfälle, die den Gegenstand der strafgerichtlichen Verurteilung bilden, sowie wegen der Unterschlagung eines Geldbetrages von mindestens 950 Euro aus der vom Beklagten geführten Kaffeekasse seiner Dienstschicht.
- 13
Der Kläger hat beantragt,
- 14
den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
- 15
Der Beklagte hat beantragt,
- 16
die Klage abzuweisen,
- 17
hilfsweise,
- 18
eine mildere Disziplinarmaßnahme zu verhängen.
- 19
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 12. August 2015 aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Es hat den für die disziplinarrechtliche Beurteilung maßgeblichen Sachverhalt entsprechend den bindenden Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts ... vom 19. September 2013 zugrunde gelegt und einen Anlass zur Lösung von diesen Feststellungen nicht gesehen. Danach habe der Beklagte innerdienstliche Zugriffsdelikte verwirklicht. Die Taten seien als schweres Dienstvergehen zu qualifizieren. Der Beklagte habe rechtswidrig und schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten im Kernbereich verletzt. Ein Polizeibeamter habe die Dienstpflicht, Straftaten zu verfolgen und zu verhindern. Das Begehen eigener Straftaten sei mit diesem Anspruch unvereinbar. Ein Polizeibeamter, der Straftaten begehe, verliere deshalb das Vertrauen sowohl des Dienstherrn als auch der Allgemeinheit. Weder lägen anerkannte Milderungsgründe vor noch bestünden Anhaltspunkte für eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Tatbegehung. Durch die begangenen Straftaten habe der Beklagte bei Würdigung aller be- und entlastenden Gesichtspunkte, insbesondere auch einer nach Aufdeckung der Straftaten begonnenen Therapie, eine beamtenunwürdige Haltung an den Tag gelegt, die zu einer irreparablen Beschädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums geführt habe. Vor diesem Hintergrund könne auch dem Umstand, dass der Beklagte bisher weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten sei, kein in der Weise entlastendes Moment zukommen, dass von der Höchstmaßnahme abzusehen sei.
- 20
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten.
- 21
Wegen der vorgeworfenen Unterschlagung eines Geldbetrages aus der Kaffeekasse hat der Senat den Kläger mit Beschluss vom 22. April 2016 zur Beseitigung eines wesentlichen Mangels der Klageschrift aufgefordert. Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2016 hat der Kläger ausgeführt, der Fehlbetrag ergebe sich aus einer Tabelle, in der die ermittelten Kaffeelieferungen den mutmaßlich erzielten Verbräuchen gegenübergestellt seien. Eine exaktere Berechnung der Einnahmen sei nicht möglich.
- 22
Der Beklagte trägt vor, er habe sich im Strafverfahren seiner Verantwortung gestellt und ein umfangreiches Geständnis abgelegt. Er wolle sich auch seiner Verantwortung im Disziplinarverfahren stellen. Er habe die Taten in einer besonders stark ausgeprägten psychischen Drucksituation begangen. Ausweislich der Stellungnahme des Facharztes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. ... vom 7. September 2013 habe er unter einer akuten Belastungsreaktion und Anpassungsstörungen mit vorherrschender Störung des Sozialverhaltens gelitten. Diese Erkrankungen hätten für das Strafgericht nur im Rahmen der Strafzumessung eine Rolle gespielt, da aus seiner Sicht weder die Schuldfähigkeit ausgeschlossen noch erheblich eingeschränkt gewesen sei. Insoweit bestehe im Disziplinarverfahren jedoch keine Bindungswirkung. Er - der Beklagte - habe sich freiwillig in psychotherapeutische Behandlung begeben. Ferner habe er seine finanziellen Verhältnisse mit Hilfe seiner Familie geordnet. Dies sei erst durch die psychotherapeutischen Maßnahmen möglich gewesen, da er bis dahin nicht im Stande gewesen sei, sich zu öffnen und offen über seine objektive Notlage und über seine Existenzängste zu sprechen. Er habe mithin eine negative Lebensphase überwunden. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, seine wirtschaftlichen Verhältnisse aufzuklären. Die Sachaufklärung zu den Milderungsgründen sei vollständig oder fast vollständig unterblieben. Ferner lasse das Urteil des Verwaltungsgerichts eine umfassende Würdigung des Persönlichkeitsbildes vermissen.
- 23
Der Beklagte beantragt,
- 24
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 12. August 2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.
- 25
Der Kläger beantragt,
- 26
die Berufung zurückzuweisen.
- 27
Er ist der Auffassung, das Verwaltungsgericht habe den Beklagten mit zutreffender Begründung aus dem Dienst entfernt. Es habe eine umfassende eigene Maßnahmebemessung vorgenommen und sich selbständig mit möglichen durchgreifenden Entlastungsgründen auseinandergesetzt, wobei es sich nicht auf von der Rechtsprechung anerkannte Milderungsgründe beschränkt habe. Aufklärungsmängel lägen nicht vor, da ein Tatsachengericht keine Ermittlungen anstelle müsse, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits nicht ankomme. Die psychische Verfassung des Beklagten zum Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzungen sei nicht weiter aufzuklären gewesen, da ein Handeln in einer psychischen Ausnahmesituation nicht vorgelegen habe. Ferner habe die psychische Verfassung des Beklagten auch nicht zur Begründung des „Handelns in einer unverschuldeten, ausweglosen wirtschaftlichen Notlage“ herangezogen werden können. Insofern habe es auch keiner weiteren Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse bedurft. Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldfähigkeit des Beklagten aufgehoben oder vermindert gewesen sei, hätten nicht vorgelegen.
- 28
Der Senat hat auf Grund des Beschlusses vom 25. Januar 2016 und der prozessleitenden Verfügungen vom 3. März 2016 und 18. März 2016 Beweis erhoben durch ein schriftliches und mündliches Gutachten des Sachverständigen Dr. ... und durch Vernehmung der Zeugin ... und des Zeugen ... . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 29. Februar 2016 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2016 Bezug genommen.
- 29
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Streitakte sowie auf die Beiakten A bis H verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 30
Die zulässige Berufung des Beklagten ist teilweise begründet. Da nicht auszuschließen ist, dass der Beklagte das Dienstvergehen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangen hat, wiegt das von ihm begangene Dienstvergehen nicht ist so schwer, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerechtfertigt wäre. Vielmehr ist auf eine Kürzung der Dienstbezüge für die Dauer von drei Jahren um 20 % zu erkennen mit der Folge, dass insoweit zugleich die Disziplinarklage abzuweisen und die Berufung im Übrigen zurückzuweisen war.
- 31
1. Die Disziplinarklage weist keine wesentlichen Mängel im Sinne des § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 55 BDG auf.
- 32
a) Insbesondere ist sie von der gemäß § 34 Abs. 2 LDG zuständigen obersten Landesbehörde - dem Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten - erhoben worden. Auch sind die Klageschrift und die Nachbesserungsschrift von hierfür nach der hier maßgeblichen internen Geschäftsverteilung des Ministeriums zuständigen Mitarbeitern des Referats IV 15 gezeichnet worden.
- 33
Das Disziplinarverfahren ist zwar ein Verfahren eigener Art, richtet sich aber, soweit im Landesdisziplinargesetz keine eigenen Regelungen enthalten sind, nach dem Landesverwaltungsgesetz und der Verwaltungsgerichtsordnung (vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf zur Neuregelung des Disziplinarrechts vom 28. März 2002, Drucksache 15/1767 S. 49 zu § 4). Dies hat in § 4 LDG seinen Niederschlag gefunden. Danach sind zur Ergänzung des Landesdisziplinargesetzes die Bestimmungen des Landesverwaltungsgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung anzuwenden. Gelten aber die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen, muss auch die Frage der funktionellen Zuständigkeit durch oder aufgrund spezieller Rechtsvorschriften angeordnet sein. Eine gesetzliche oder untergesetzliche Regelung, wonach die Erhebung der Disziplinarklage allein bestimmten Organwaltern vorbehalten ist, sieht das Landesdisziplinargesetz nicht vor. Soweit § 34 Abs. 2 LDG regelt, dass bei Beamten die Disziplinarklage durch die oberste Landesbehörde erhoben wird, wird hiermit allein eine Behördenzuständigkeit begründet, jedoch keine interne Zuständigkeitsregelung vorgenommen (so auch OVG Münster, Beschluss vom 22. August 2007 - 21d A 1624/06.BDG - Rn. 21, juris, bezogen auf die Regelung in § 84 Satz 1 BDG).
- 34
Die oberste Dienstbehörde wird, wie Behörden allgemein, nicht allein durch ihren Leiter persönlich tätig, sondern auch durch dessen Vertreter und weitere hierzu berechtigte und zeichnungsbefugte Mitarbeiter, d.h. solche, die nach den internen Regelungen über die behördliche Organisation und Geschäftsverteilung mit der eigenverantwortlichen Wahrnehmung der betreffenden Aufgabe betraut sind. Daher kann jeder Mitarbeiter der Behörde gegenüber Dritten für die Behörde tätig werden, wenn dies von seinem Aufgabenbereich umfasst ist. Einer fallbezogenen zusätzlichen Bevollmächtigung durch den Leiter der Behörde bedarf es dann nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. März 2010 - 2 B 3.10 - Rn. 9 f. m.w.N., juris; Weiß, GKÖD Band 2, 2015, Rn. 41 zu § 34 BDG).
- 35
b) Der Senat lässt dahinstehen, ob die Klageschrift hinsichtlich des Vorwurfs der Unterschlagung eines Geldbetrages von mindestens 950 Euro aus der vom Beklagten geführten Kaffeekasse seiner Dienstschicht nunmehr den Anforderungen des § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG genügt. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, ist der Beklagte von diesem Vorwurf freizustellen. Auch aufgrund der nachgebesserten Darlegungen kann der Senat nicht sicher feststellen, dass überhaupt ein Fehlbetrag in der Kaffeekasse vorlag. Die behaupteten Fehlbeträge des Kassenbestandes sind auf unsicherer Tatsachengrundlage ermittelt worden, da die Beträge, die der Beklagte für den konsumierten Kaffee kassiert hat, sich nicht mehr konkret bestimmen lassen. Dementsprechend lässt sich nicht ausschließen, dass keine Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen bestand.
- 36
2. Durch den im rechtskräftigen Strafurteil des Amtsgerichts festgestellten Sachverhalt (a) hat der Beklagte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gegen seine Dienstpflichten verstoßen (b). Für das innerdienstliche Dienstvergehen (c) wäre unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände eine Zurückstufung die angemessene und erforderliche Disziplinarmaßnahme (d). Da eine Zurückstufung jedoch gemäß § 9 Abs. 1 LDG nicht ausgesprochen werden kann, war auf die ausgesprochene Gehaltskürzung zu erkennen (e).
- 37
a) Hinsichtlich des Sachverhaltes ist der Senat gemäß § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 57 Abs. 1 BDG an die tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts... vom 19. September 2013 -719 Js 39714/12- / -62 Ds (98/13)- gebunden. Zu den „tatsächlichen Feststellungen" gehören nicht nur die äußeren Aspekte eines Tathergangs, sondern auch die Elemente des inneren Tatbestandes wie etwa die Zueignungsabsicht oder die Bereicherungsabsicht. Feststellungen zur Schuldfähigkeit binden das Gericht indes nur, soweit sie sich auf die Frage beziehen, ob der Betreffende schuldfähig oder schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB ist; hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 StGB hat der Senat eigene Feststellungen und im Rahmen der Maßnahmebemessung eine eigene Entscheidung zu treffen (zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07- Rn. 29, juris).
- 38
Das Disziplinargericht hat die erneute Prüfung nur solcher Feststellungen zu beschließen, die offenkundig unrichtig sind (§ 57 Abs. 1 Satz 2 BDG). Die Verwaltungsgerichte sind nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn sie ansonsten „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen im Widerspruch zu Denkgesätzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen, aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig oder in einem ausschlaggebenden Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften, etwa einer den rechtlichen Anforderungen nicht genügenden Urteilsabsprache, zustande gekommen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 2014 - 2 B 84.13 -, Rn. 9 m.w.N., juris). Wird im gerichtlichen Disziplinarverfahren das Vorliegen einer dieser Voraussetzungen geltend gemacht, so sind die Verwaltungsgerichte erst dann befugt, dem Vorbringen weiter nachzugehen und schließlich über eine Lösung nach § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG zu entscheiden, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist. Pauschale Behauptungen (etwa, es habe einen Deal gegeben) oder bloßes Bestreiten genügen nicht. Es müssen tatsächliche Umstände dargetan werden, aus denen sich die offenkundige Unrichtigkeit im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG ergeben kann (BVerwG, Beschluss vom 26. August 2010 - 2 B 43.10 - Rn. 6, juris; zum Ganzen vgl. auch: BVerwG, Beschluss vom 28. Dezember 2011 - 2 B 74.11 - Rn. 13 m.w.N., juris).
- 39
Danach besteht kein Anlass für eine Lösung. Der Beklagte bestreitet die nach § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 57 Abs. 1 BDG bindenden tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil nicht. Im Gegenteil entsprechen sie seiner geständigen Einlassung auch im Disziplinarverfahren. Einzig wiederholt er den bereits vom Strafgericht berücksichtigten Umstand, dass ihm die Dienstbekleidungsvorschriften und die aus ihnen resultierenden Eigentumsverhältnisse seinerzeit nicht bekannt gewesen seien.
- 40
Das Amtsgericht ... hat es in seinem Urteil als erwiesen erachtet, dass der Beklagte sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) begangen hat. Einen Tatumstandsirrtum i.S.d. § 16 StGB im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal „fremde bewegliche Sache“ hat es nicht festgestellt. Dazu hat das Amtsgericht ... in seinen Feststellungen (II., UA Seite 4) ausgeführt:
- 41
Der Angeklagte nahm die Bekleidung und die Holster an sich und nahm dabei in allen Fällen - auch hinsichtlich der vom Kleiderhaufen genommenen Bekleidungsstücke - zumindest billigend in Kauf, dass die Sachen in fremdem Eigentum stehen und er die tatsächliche Herrschaft seiner Kollegen oder des Landes Schleswig-Holstein vermittelt über die Dienststellenleitung gegen deren Willen brach und eigene begründete.
- 42
Das gleiche gilt auch für die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmales „Erregung eines Irrtums“ in § 263 Abs. 1 StGB. Hierzu führt das Amtsgericht ... in seinen Feststellungen (II., UA Seite 4) aus:
- 43
Er nahm bei der Veräußerung auf eBay zumindest billigend in Kauf, dass die Käufer an den entwendeten Sachen kein Eigentum erwerben konnten, er sie hierüber täuschte, diese täuschungsbedingt einem inhaltsgleichen Irrtum erlagen, irrtumsbedingt den Kaufpreis überwiesen und überweisungsbedingt einen Schaden erlitten, da sie eigentumslos in den Besitz der Sachen gelangen und Rückgabeverlangen der Eigentümer ausgesetzt werden könnten.
- 44
Unabhängig von der Bindungswirkung merkt der Senat an, dass auch er dem Beklagten nicht abnimmt, dass er ernsthaft von einer Berechtigung ausgegangen sein könnte, die „scheinbar herrenlos herumliegenden“ Sachen an sich zunehmen, um sie anschließend gewinnbringend zu veräußern. Es bedarf nicht der Kenntnis der einschlägigen Kleidervorschriften, um zu wissen, dass Polizeibekleidung - allein bereits wegen der Gefahr der missbräuchlichen Verwendung im Rechtsverkehr - nicht dazu bestimmt ist, Dritten zugänglich gemacht zu werden. Dies war auch dem Beklagten klar, so dass eine etwaige Entsorgung dem Eigentümer - hier dem Land Schleswig-Holstein - vorbehalten ist und nicht dem Beklagten in Form eines Verkaufs über die Internetplattform „eBay“. Dies leuchtet bereits jedem Durchschnittsbürger ein. Im Übrigen hätte eine Nachfrage bei seinem Dienstherrn Aufklärung gebracht.
- 45
Da auch hierzu keine Rügen vorgebracht worden sind, so dass es der Senat ebenfalls nicht prüfen dürfte, sei nur noch abschließend angemerkt, dass die in der Hauptverhandlung am 19. September 2013 vor dem Amtsgericht ... erfolgte Verständigung den rechtlichen Anforderungen des § 257c StPO genügt; insbesondere liegt ihr kein Formalgeständnis (vgl. § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO) zugrunde (vgl. die Beweiswürdigung im Strafurteil, UA S. 9-10 unter III.).
- 46
b) Nach den im Strafurteil des Amtsgerichts ... vom 19. September 2013 festgestellten Handlungen hat der Beklagte im Zeitraum von Februar 2012 bis September 2012 vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft in 42 Fällen seine ihm obliegenden Pflichten zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und zu vollem persönlichen Einsatz (§ 34 Satz 1 BeamtStG) verletzt sowie gegen die Folgepflicht nach § 35 Satz 2 BeamtStG verstoßen.
- 47
c) Durch diese Pflichtverletzungen hat der Beklagte ein Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Der Beklagte hat in einem Zeitraum von acht Monaten Uniform- und Ausrüstungsgegenstände seines Dienstherrn gestohlen und anschließend über eBay veräußert. Auch wenn der Beklagte mehrere Pflichtverletzungen begangen hat, liegt nur ein Dienstvergehen vor (Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens, vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 -, BVerwGE 140, 185 Rn. 19, vom 27. Januar 2011 - 2 A 5.09 - Rn. 12, juris und vom 14. Februar 2007 - 1 D 12.05 -, BVerwGE 128, 125 Rn. 21 f.; Beschlüsse vom 6. Juni 2013 - 2 B 50.12 - Rn. 14, juris, und vom 11. Februar 2014 - 2 B 37.12 - Rn. 17, juris).
- 48
Dieses Dienstvergehen hat der Beklagte innerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war. Dabei richtet sich die Unterscheidung zwischen inner- und außerdienstlichen Verfehlungen nicht entscheidend nach der formalen Dienstbezogenheit, dass heißt nach der engen räumlichen oder zeitlichen Beziehung zum Dienst, vielmehr kommt es in erster Linie auf die materielle Dienstbezogenheit an. Abzustellen ist darauf, ob durch das Verhalten inner- oder außerdienstliche Pflichten verletzt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2001 - 1 D 55.99 - Rn. 57, juris). Entscheidend für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung ist danach dessen kausale und logische Einbindung in ein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Rn. 54, juris; zum Ganzen vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 4.14 - Rn. 11 m.w.N., juris).
- 49
d) Das innerdienstliche Dienstvergehen wiegt zwar so schwer, dass es grundsätzlich die disziplinarische Höchstmaßnahme - hier die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis - rechtfertigen würde. Auch liegen keine anerkannten Milderungsgründe vor, jedoch ist zugunsten des Beklagten nach dem auch im Disziplinarrecht geltenden Grundsatz des in dubio pro reo eine verminderte Schuldfähigkeit im Tatzeitraum zu berücksichtigen, so dass der Senat nach Abwägung aller be- und entlastenden Umstände eine Zurückstufung für angemessen erachten würde.
- 50
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 LDG ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 LDG ist die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (stRpsr., vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> sowie zuletzt vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 12 und 22 m.w.N., juris). Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 LDG).
- 51
Da die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 1 Satz 2 LDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer im Katalog des § 5 Abs. 1 LDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (stRspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 253 <259>; zuletzt vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 16, juris).
- 52
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts konnte dabei auf die vom Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen zurückgegriffen werden (vgl. dazu zuletzt BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - Rn. 14 m.w.N., juris). Für die hier verwirklichte Fallgruppe der Zugriffsdelikte, d.h. für die Veruntreuung dienstlich anvertrauter oder dienstlich zugänglicher Gelder und Güter, war die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit, die bei 50 Euro angenommen wurde, deutlich überstiegen (zuletzt BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 a.a.O. Rn. 15 f. m.w.N., juris; vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 19 ff., juris).
- 53
Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht zwar in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - aufgegeben (LS 1 und Rn. 19, juris), indes ergibt sich danach vorliegend keine wesentlich andere Zuordnung in den Katalog der Disziplinarmaßnahmen nach § 5 LDG. Nach dieser neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich auch bei einem innerdienstlich begangenen Dienstvergehen die an seiner Schwere orientierte grundsätzliche Zuordnung zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen. Dies war zuvor nur für außerdienstlich begangene Dienstvergehen entschieden worden (vgl. zu den außerdienstlichen Dienstvergehen grundlegend BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Rn. 22, juris, und - 2 C 13.10 - Rn. 25, juris, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - Rn. 31, juris). Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen.
- 54
Das Amtsgericht hat den Beklagten wegen gewerbsmäßigen Diebstahls in 21 Fällen nach § 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB sowie gewerbsmäßigen Betruges in 21 Fällen nach § 263 Abs. 1, § 263 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Der Strafrahmen des § 243 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB sieht eine Freiheitstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren vor und der des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB eine solche von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren - hier sind es bis zu zehn Jahre - vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - LS 2 und Rn. 20, juris).
- 55
Bei der Einordnung des Dienstvergehens des Beklagten in den bis hin zur Dienstentfernung eröffneten Orientierungsrahmen ist auch die von den Strafgerichten ausgesprochene, erhebliche Freiheitsstrafe von neun Monaten zu berücksichtigen. Ungeachtet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kann bei der disziplinarrechtlichen Ahndung eines Dienstvergehens indiziell auch an die von den Strafgerichten ausgesprochenen Sanktionen angeknüpft werden (BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - Rn. 38 f. m.w.N., juris, und vom 10. Dezember 2015 a.a.O. Rn. 24, juris). Anzahl und Häufigkeit sind ebenfalls Kriterien, die die volle Ausschöpfung des Orientierungsrahmens auf einer ersten Stufe als geboten erscheinen lassen. Auch bei diesen Kriterien handelt es sich um solche, die der Gesetzgeber als „besonders schwere Fälle“ wertet und die ihn zu der genannten Strafrahmenhebung von bis zu zehn Jahren im Vergleich zu den „Grund“-tatbeständen des Betruges und des Diebstahls mit bis zu fünf Jahren veranlasst haben.
- 56
Das Kriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 LDG erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion (stRspr., vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252 ff. = juris). Dahinstehen kann, ob nicht auch insoweit allein auf das Statusamt abgestellt werden müsste und nicht mehr auf das Amt im konkret funktionellen Sinn (so BVerwG zu außerdienstlichem Fehlverhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung im Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 -LS 1 und Rn. 16, BVerwGE 152, 228 ff. = juris), denn vorliegend fällt beides nicht auseinander. Die Berücksichtigung des Kriteriums der Vertrauensbeeinträchtigung würde ebenfalls die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens rechtfertigen, allerdings nur unter Außerachtlassung des Persönlichkeitsbildes.
- 57
Insofern kommt hier zweierlei zusammen: Zum Einen bewirken schwerwiegende Vorsatzstraftaten generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 14 f. m.w.N., juris unter Verweis auf die gesetzgeberische Wertung in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG). Zum Anderen haben Polizeibeamte Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen; sie genießen in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Das zur Ausübung dieser Ämter erforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Straftaten begehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - LS 2 und Rn. 22, BVerwGE 152, 228 ff. = juris).
- 58
Indes darf nicht bei dieser Betrachtung der rein objektiven Umstände stehen geblieben werden, sondern es sind auch die persönlichen Umstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Zumessungsentscheidung einzubeziehen. Insoweit erfasst das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 LDG dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder in einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht (stRspr., vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252 ff. = juris; zur Berücksichtigung dieser Umstände vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6.14 -, Rn. 31 ff., juris).
- 59
Die von der Schwere ausgehende Indizwirkung entfällt, wenn zugunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, der Beamte habe das Vertrauen noch nicht endgültig verloren. Solche Gründe stellen auch, aber nicht nur die vom Bundesverwaltungsgericht zu den Zugriffsdelikten entwickelten sogenannten anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere Konfliktsituationen (etwa Handeln in einer wirtschaftlichen Notlage oder in einer psychischen Ausnahmesituation) und Verhaltensweisen mit noch günstigen Persönlichkeitsprognosen (freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung) umschreiben. Entlastungsgründe können sich aus allen Umständen ergeben. Sie müssen in ihrer Gesamtheit aber geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Zugriffsdelikt aufgrund der Schadenhöhe, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen, der Begehung von „Begleitdelikten“ und anderen belastenden Gesichtspunkten im Einzelfall wiegt. Erforderlich ist stets eine Prognoseentscheidung zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung auf der Grundlage aller im Einzelfall be- und entlastenden Umstände. Entlastungsgründe sind bereits dann einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (stRspr., vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 6. Juli 2007 - 1 D 2.06 - Rn. 25 m.w.N., juris).
- 60
Anerkannte Milderungsgründe vermag der Senat nicht zu erkennen. Beim anerkannten Milderungsgrund der überwundenen negativen Lebensphase können außergewöhnliche Verhältnisse, die den Beamten während des Tatzeitraums oder im Tatzeitpunkt zeitweilig aus der Bahn geworfen haben, mildernd berücksichtigt werden, wenn der Beamte diese Lebensphase in der Folgezeit überwunden hat (stRspr.; vgl. BVerwG Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - Rn. 40 f., juris; Beschlüsse vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - Rn. 29, juris, und vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - Rn. 32, juris). Dieser Milderungsgrund ist bereits deshalb zu verneinen, weil der auslösende Umstand - seine jetzige Frau teilte dem Beklagten mit, sie sei schwanger - nicht außergewöhnlich ist, sondern in vielen, wenn nicht den meisten Beziehungen mindestens einmal vorkommt. Der Beklagte steigerte sich zwar anschließend in Existenzängste, diese waren aber objektiv nicht begründet und konnten zudem mit Hilfe der Eltern und einer Umstellung des Lebensstils überwunden werden. Schon aus diesen Gründen (weder objektiv vorhanden noch unverschuldet) ist zugleich der anerkannte Milderungsgrund der unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage zu verneinen, abgesehen davon, dass dieser Milderungsgrund ein zeitlich begrenztes Verhalten voraussetzt und mit einem Versagen über einen längeren Zeitraum nicht vereinbar ist (vgl. zu diesem Milderungsgrund BVerwG, Urteile vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Rn. 74 m.w.N., juris, und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 34 m.w.N., juris). Dem Milderungsgrund des Handelns in einer schockartig ausgelösten psychischen Ausnahmesituation steht ebenfalls schon entgegen. dass sich der Beklagte in einer länger andauernden psychischen Belastungssituation befand, die schon aufgrund ihrer Dauer nicht geeignet ist als „Ausnahmesituation" im Sinne des anerkannten Milderungsgrundes angesehen zu werden (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - BVerwG 1 D 77.97 - Rn. 14 f., juris).
- 61
Liegen - wie hier - Umstände vor, die für sich genommen nicht genügen, einen anerkannten Milderungsgrund zu erfüllen, muss ernsthaft ermittelt und geprüft werden, ob diese Umstände in ihrer Gesamtheit dem Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes vergleichbar sind (stRspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - LS 1 und Rn. 23, juris; vom 24. Mai 2007 - BVerwG 2 C 25.06 - Rn. 22 m.w.N., juris, und vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - LS und Rn. 14, juris). Dabei ist auch eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB einzubeziehen (stRspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - LS 1 und Rn. 30, juris). Insoweit gilt, dass ein mildernder Umstand nach dem grundgesetzlich verankerten Rechtsgrundsatz des „in dubio pro reo“ schon dann berücksichtigt werden muss, wenn hierfür nach der Tatsachenlage hinreichende Anhaltspunkte bestehen (stRspr; vgl. BVerwG, Urteile vom 30. September 1992 - 1 D 32.91 - BVerwGE 93, 294 <297>; vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - Rn. 30, juris, und vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - Rn. 22, juris, sowie Beschluss vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - Rn. 25, juris).
- 62
Danach ist beim Beklagten sowohl nach dem Grundsatz des in dubio pro reo von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung im Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzungen auszugehen als auch in der Zusammenschau von mildernden Umstände von erheblichem Gewicht.
- 63
Erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Rn. 31 m.w.N. aus der Rspr. des BGH, juris, vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - Rn. 30 m.w.N. aus der Rspr. des BGH, juris, und vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - Rn. 33, juris). Die danach entscheidungserheblichen medizinischen Fachfragen sind durch entsprechende medizinische Sachverständigengutachten zu klären (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - Rn. 11 und zuletzt etwa Beschlüsse vom 26. Mai 2014 - 2 B 69.12 -Rn. 10, juris, und vom 26. September 2014 - 2 B 14.14 - Rn. 18, juris).
- 64
Kann eine krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden, so stellt sich die Frage nach der Erheblichkeit einer dadurch bewirkten Verminderung der Schuldfähigkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - Rn. 33, juris). Dies ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Sie kann allerdings ohne Kenntnis der Auswirkungen der krankhaften seelischen Störung auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit in Bezug auf das Verhalten des Beamten nicht beurteilt werden. Zu ihrer Beantwortung bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Rn. 33 m.w.N. aus der Rspr. des BGH, juris, und vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - Rn. 30 m.w.N. aus der Rspr. des BGH, juris, sowie Beschlüsse vom 11. Januar 2012 - 2 B 78.11 - Rn. 6, juris, und vom 4. Juli 2013 - 2 B 76.12 - Rn. 20, juris).
- 65
Da - wie bereits ausgeführt - Feststellungen zur Schuldfähigkeit das Gericht nur binden, soweit sie sich auf die Frage beziehen, ob der Betreffende schuldfähig oder schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB ist, war es Sache des erkennenden Gerichts, für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme festzustellen, ob bei Vorliegen der Eingangsvoraussetzung des § 20 StGB ein Fall verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB gegeben ist und welchen Grad die Minderung gegebenenfalls erreicht, insbesondere war die Rechtsentscheidung treffen, ob die Minderung der Schuldfähigkeit eine erhebliche ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - Rn. 29, juris).
- 66
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme litt der Beklagte zum Tatzeitpunkt an einer Anpassungsstörung (F43.2). Aufgrund der durch eine depressive Reaktion in Verbindung mit Angstsymptomen gekennzeichneten Störung und der daraus ableitbaren Suizidgefahr mit Einschränkung der Handlungsmöglichkeit der Persönlichkeit handelt es sich hierbei um eine die Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB erfüllende „krankhafte seelischen Störung“. Es kann nicht sicher ausgeschlossen werden, dass der Beklagte bei erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB beeinträchtigt war.
- 67
Bei dieser Beurteilung ist der Senat den überzeugenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. med. ... gefolgt. Der Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten aufgrund der ihm vorliegenden Befunde, der bei ihm durchgeführten Tests und zweier länger dauernder Explorationsgespräche sowie unter Berücksichtigung von Fachliteratur und aufgrund der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Befragung des Beklagten sowie der beiden Zeugen näher erläutert und bestätigt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass beim Beklagten bezogen auf den Tatzeitraum vom Vorliegen einer Anpassungsstörung auszugehen ist. Zu dieser im Vordergrund stehenden Erkrankung kam jedoch eine die Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB erfüllende depressive Störung hinzu, die im Anschluss mit Antidepressiva behandelt worden ist. Bereits der Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. med. ..., dessen Befund der Sachverständige ausgewertet hat und bei dem sich der Beklagte nach der Aufdeckung der Taten in medizinische Behandlung und Therapie begeben hat, hat bei dem Beklagten in seiner fachärztlichen Stellungnahme vom 7. September 2013 eine akute Belastungsreaktion (ICD: F43.G) sowie Anpassungsstörungen mit vorherrschender Störung des Sozialverhaltens (ICD: F43.24G) diagnostiziert.
- 68
Tatzeitbezogen wäre zwar - so der Sachverständige - von einer stärkergradigen Ausprägung einer depressiven Symptomatik nach ICD-10 nicht auszugehen, da der Beklagte in der Lage war, regulär seinen Dienst zu verrichten und seine sozialen Aktivitäten fortzusetzen. Allerdings war ausweislich des Ergebnisses der Zeugenbefragungen auch insoweit ein verändertes Verhalten zu bemerken: Im Dienst hat sich der Beklagte immer mehr zurückgezogen, ebenso gegenüber seiner jetzigen Ehefrau; die vorherigen Kontakte zu Freunden hat er abgebrochen. Insgesamt bestehen nach Aussage des Sachverständigen Schwierigkeiten in der Bewertung des Grades der affektiven Symptomatik bezogen auf den Tatzeitpunkt. Der Sachverständige kann daher nicht sicher ausschließen, dass der Beklagte in dieser Phase der Störung aufgrund der Ausprägung der depressiven Symptomatik mit anamnetischen Hinweisen auf eine erhöhte Suizidalität in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war. Dr. ... spricht insoweit von einer temporären Einschränkung der moralischen Selbstkontrolle. Hierzu bezieht sich der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten auf Venzlaff (in Psychiatrische Begutachtung - Praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen), nach welchem Anpassungsstörungen nicht selten mit depressiven Symptomen einhergehen. Nach seinen mündlichen Erläuterungen führen nicht nur die Stellungnahme von Dr. ..., sondern auch der Inhalt der Exploration des Beklagten und die Angaben der Zeugin in der mündlichen Verhandlung dazu, dass eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Denn hinzu kamen eine erhebliche vegetative Symptomatik (frühmorgendliches Erwachen, Magen-Darm-Störungen und ein erheblicher Gewichtsverlust) und suizidale Tendenzen, die typisch für eine stärker ausgeprägte Symptomatik sind, die der Beklagte jedoch durch seine Persönlichkeit in der Außendarstellung hat kompensieren können. Für die Diagnose einer depressiven Störung spricht nach den Ausführungen des Sachverständigen auch die vom Beklagten für den Tatzeitpunkt beschriebene finanzielle Angst im Sinne eines depressiven Verarmungswahns, ohne dass eine wirtschaftliche Notlage tatsächlich vorlag.
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Wie der als Sachverständiger herangezogene forensische Psychiater Dr. med. ... vermag auch der Senat nicht sicher auszuschließen, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Taten (Februar 2012 bis September 2012) unter einer durch eine depressive Reaktion in Verbindung mit Angstsymptomen gekennzeichneten Störung mit einer störungsbedingter Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten der Persönlichkeit litt. Insoweit kann eine krankhafte psychische Ausnahmesituation mit einer als ausweglos wahrgenommenen finanziellen Notlage - nahe dem Verarmungswahn - nicht sicher ausgeschlossen werden, aufgrund derer der Beklagte keine andere Möglichkeit sah, als mit dem Erlös aus dem Verkauf der zuvor entwendeten Gegenstände den notwendigen Lebensunterhalt für sich und seine Familie zeitweilig zu sichern. Vor diesem Hintergrund stellten sich die vom Beklagten begangenen Dienstpflichtverletzungen als zwangsläufige Folge seiner Erkrankung dar, die als krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB anzusehen wäre und die als auch im Rechtssinne erheblich angesehen werden müsste.
- 70
Lässt sich danach eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Beklagten im Sinne des § 21 StGB nicht sicher ausschließen, so ist dieser Umstand bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens mit dem ihm zukommenden erheblichen Gewicht heranzuziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - Rn. 32, juris, und vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - Rn. 34, juris). In einem solchen Fall kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden (BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 a.a.O.).
- 71
Soweit das Bundesverwaltungsgericht darauf hinweist, dass im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten abhängt, so dass sie bei Zugriffsdelikten nur in Ausnahmefällen erreicht sein wird (vgl. Urteile vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 34 und vom 29. Mai 2008 a.a.O. Rn. 30, beide juris), ist auf die Einsehbarkeit nur dann maßgeblich abzustellen, wenn die erhebliche Verminderung der Einsichtsfähigkeit betroffen ist und nicht - wie hier - die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit. Im Gegenteil kann der mildernde Umstand der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit im Rahmen der Maßnahmebemessung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 LDG nicht durch das Vorhandensein der Einsichtsfähigkeit „kompensiert" werden (so auch BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - Rn. 39, juris). Daher kann selbst bei einem Mehrfachversagen eines Beamten im Kernbereich seiner Amtspflichten im Rahmen von Zugriffsdelikten die Steuerungsfähigkeit (als eine der beiden in § 21 StGB genannten Alternativen) als Folge einer Störung im Sinne des § 20 StGB in erheblichem Maße eingeschränkt sein (BVerwG, Beschluss vom 15. April 2010 - 2 B 82.09 - Rn. 9, juris).
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Hinzu kommt Folgendes: Zwar liegt ein anerkannter Milderungsgrund nicht vor (s.o.), jedoch sind die hier festgestellten Umstände in ihrer Gesamtheit dem Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes vergleichbar. Aus der subjektiven (krankheitsbedingten) Sicht des Beklagten befand er sich zum Tatzeitpunkt in einer unverschuldeten, ausweglosen wirtschaftlichen Notlage. Er hat das zweite Kind zu dem Zeitpunkt nicht gewollt und glaubte, nun in große wirtschaftliche Not zu geraten, aus der er keinen anderen Ausweg sah. Sein Handeln resultierte aus einer hierdurch ausgelösten - allerdings länger dauernden - psychischen Ausnahmesituation. Es ist zugleich ähnlich wie eine persönlichkeitsfremde, allerdings länger dauernde Augenblickstat; nach den Zeugenaussagen hatte sich der Beklagte während des Zeitraums der Dienstpflichtverletzungen verändert, er war, so die Ehefrau, anders, „nicht mehr der Alte“. Der Sachverständige kann in diesem Zusammenhang nicht ausschließen, dass im Rahmen der depressiven Reaktion eine Aktualisierung finanzieller Ängste bis zum Bild eines depressiven Verarmungswahns vorgelegen hat.
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Die im Vordergrund der medizinischen Symptomatik stehende Anpassungsstörung ist nach den gutachterlichen Feststellungen des medizinischen Sachverständigen mittlerweile überwunden; er hat keine Hinweise für die Annahme eines überdauernden Musters von Auffälligkeiten in den Bereichen der Affektivität, der Kognition und der zwischenmenschlichen Beziehungen bei dem Beklagten feststellen können. Zudem - so der Sachverständige - sei definitionsgemäß bei Annahme einer Anpassungsstörung von einer Remission des Störungsbildes auszugehen. Hierzu führt der Sachverständige weiter aus, dass bereits Dr. ... im September 2013 fachärztlich befunden habe, dass der Beklagte gefestigt aus der Krise hervorgegangen und seine Prognose als eindeutig gut anzusehen sei. Der Sachverständige sieht daher keine Hinweise auf ein Fortbestehen der Anpassungsstörung im Sinne einer depressiven Reaktion in Verbindung mit einer Angstsymptomatik. Auch diese erfolgreiche - nachträgliche - Therapie kann bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden, wenn - wie hier - eine günstige Zukunftsprognose gestellt werden kann und eine erneute Begehung entsprechender Dienstvergehen nicht mehr zu besorgen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. November 2001 - 1 D 64.00 - Rn. 35, juris, und vom 19. August 2010 - 2 C 13.10 - Rn. 29 f., juris, Beschluss vom 5. Mai 2015 - 2 B 32.14 -– LS 1 und Rn. 29 m.w.N., juris).
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Vor diesem Hintergrund wiegt das Dienstvergehen nicht so schwer, dass auf die Höchstmaßnahme zu erkennen wäre. Die nicht sicher ausschließbare erhebliche verminderte Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt und der Umstand, dass der Beklagte die sein damaliges Verhalten auslösende krankhafte seelische Störung inzwischen überwunden hat, rechtfertigen die Wertung, dass noch ein Rest an Vertrauen in ihn gesetzt werden kann. Die Fortführung des Beamtenverhältnisses erscheint noch möglich, weil die vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen nicht Ausdruck einer in ihnen offenbarten inneren Einstellung sind.
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Darauf, dass, wie dies der Zeuge ... in der mündlichen Verhandlung bekundete, weder er als zuständiger Dienstgruppenleiter noch seine Kollegen Vertrauen mehr zu dem Beklagten hätten, kann ebenso wenig abgestellt werden wie auf eine entsprechende Äußerung eines Vertreters des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit der Beamte durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 4 LDG beeinträchtigt hat, ist allein nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern schon aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde (stRspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <260>, vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Rn. 78, juris, und vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 - Rn. 56, juris, sowie Beschluss vom 2. März 2012 - 2 B 8.11 - Rn. 16, juris).
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Für die danach gebotene objektive Bewertung der Beeinträchtigung des Vertrauens ist es ebenfalls unerheblich, inwieweit das Dienstvergehen im konkreten Einzelfall in der Öffentlichkeit bekannt geworden und inwieweit hierüber berichtet worden ist(vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O.). Schutzgut der Vorschriften des Beamtenstatusgesetzes und des Landesdisziplinargesetzes über die Sanktionierung von Verstößen gegen die Dienstpflichten von Beamten ist auch nicht das Ansehen einer ganz konkreten Behörde in der Öffentlichkeit. Vielmehr geht es generell um die Integrität des Berufsbeamtentums und die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 58).
- 77
Wäre danach auf die nächst niedrigere Maßnahme, hier also die Zurückstufung zu erkennen, hält der Senat eine noch weitere Herabsetzung wegen unangemessen langer Verfahrensdauer nicht für angezeigt. Aufgrund Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK kann zwar in den Fällen, in denen - wie vorliegend - nach einer Gesamtwürdigung nicht auf die disziplinare Höchstmaßnahme zu erkennen ist, sondern eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme für ausreichend erachtet wird, eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden, wenn das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis wegen der mit dem Verfahren verbundenen Belastungen gemindert ist (stRpr., vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - Rn. 54, juris und zuletzt Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 50.13 - Rn. 44 m.w.N., juris, sowie Beschluss vom 10. Oktober 2014 – 2 B 66.14 – Rn. 8, juris, sowie BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Januar 2013 - 2 BvR 1912/12, juris). Indes ist eine Dauer von drei Jahren und acht Monaten angesichts der Umstände in diesem Verfahren, insbesondere der von den Behörden und den Gerichten trotz eines umfassenden Geständnisses getätigten Ermittlungen nicht unangemessen lang. Zum anderen würde eine unangemessen lange Verfahrensdauer, selbst wenn sie vorläge, allenfalls zur nächstmilderen Maßnahme führen können. Auf diese kann aber vorliegend schon aus Rechtsgründen (dazu sogleich unter e) nur erkannt werden.
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e) Die an sich bei der auch unter Berücksichtigung der erheblich verminderten Schuldfähigkeit noch verbleibenden Schwere des Dienstvergehens gebotene Zurückstufung kann nicht ausgesprochen werden, weil sich der Beklagte bereits im Eingangsamt seiner Laufbahn befindet, vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 LDG. Deshalb ist auf die nächstmildere Maßnahme der Kürzung der Dienstbezüge zu erkennen. In diesem Fall ist § 14 Abs. 1 Satz 2 LDG zu berücksichtigen, weil gegen den Beklagten wegen desselben Sachverhalts im Strafverfahren unanfechtbar eine Strafe verhängt worden ist. Bleibt der Beamte aus laufbahnrechtlichen Gründen von der an sich gebotenen Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung nach § 9 LDG verschont und wird allein deshalb eine Kürzung der Dienstbezüge (§ 8 LDG) ausgesprochen, so sind die besonderen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 LDG stets erfüllt. Der Ausschluss der Zurückstufung lässt die mildere Maßnahme der Kürzung der Dienstbezüge neben der im Strafverfahren verhängten Strafe als erforderlich erscheinen, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten. Auf das Vorliegen konkreter Umstände für eine Wiederholungsgefahr kommt es nicht an (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 13.10 - Rn. 34, juris, und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 50.13 - Rn. 45, juris).
- 79
Aus den gleichen Erwägungen hält der Senat die Ausschöpfung des in § 8 Abs. 1 Satz 1 LDG vom Gesetzgeber nur nach oben hin beschränkten Rahmens für erforderlich und angemessen und sieht auch keinen Grund, die während der Kürzung der Dienstbezüge gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 LDG bestehende Beförderungssperre wegen der Dauer des Disziplinarverfahrens abzukürzen (vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 LDG).
- 80
§ 15 Abs. 4 und 5 BDG steht einer Ahndung des Dienstvergehens des Beklagten mit einer Kürzung der Dienstbezüge nicht entgegen. Zwar sind seit der Vollendung des Dienstvergehens mehr als drei Jahre vergangen. Aber der Lauf der Dreijahresfrist des § 15 Abs. 2 LDG war bereits durch die Einleitung des Disziplinarverfahrens am 25. September 2012 unterbrochen worden (§ 15 Abs. 4 LDG) und ist danach aus verschiedenen Gründen, zuletzt für die Dauer des gerichtlichen Disziplinarverfahrens, gehemmt (§ 15 Abs. 5 LDG).
- 81
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 77 Abs. 1 BDG, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Beklagte ist teilweise unterlegen, weil er sein mit der Berufung ausdrücklich verfolgtes Ziel der Klageabweisung nicht erreicht hat. Der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 4 LDG, § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Gründe, die Revision zuzulassen (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 69 BDG, § 132 Abs. 2 VwGO), sind nicht ersichtlich.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg - Disziplinarkammer - vom 09. Oktober 2013 - DB 8 K 1766/12 - geändert. Der Beklagte wird in das Amt eines Postobersekretärs zurückgestuft und die weitergehende Klage insoweit abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt ein Fünftel, der Beklagte vier Fünftel der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 8. Dezember 2014 - DL 8 K 1870/14 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Disziplinarverfahren sind beschleunigt durchzuführen.
(1) Für das Revisionsverfahren gelten die Bestimmungen über das Disziplinarverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht entsprechend.
(2) Für die Entscheidung über die Revision gelten die §§ 143 und 144 der Verwaltungsgerichtsordnung.
(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.
(2) Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen.
(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.
(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.
(2) Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen.
(1) Die nach bisherigem Recht eingeleiteten Disziplinarverfahren werden in der Lage, in der sie sich bei Inkrafttreten dieses Gesetzes befinden, nach diesem Gesetz fortgeführt, soweit in den Absätzen 2 bis 7 nichts Abweichendes bestimmt ist. Maßnahmen, die nach bisherigem Recht getroffen worden sind, bleiben rechtswirksam.
(2) Die folgenden Disziplinarmaßnahmen nach bisherigem Recht stehen folgenden Disziplinarmaßnahmen nach diesem Gesetz gleich:
- 1.
die Gehaltskürzung der Kürzung der Dienstbezüge, - 2.
die Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt der Zurückstufung und - 3.
die Entfernung aus dem Dienst der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
(3) Vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingeleitete förmliche Disziplinarverfahren werden nach bisherigem Recht fortgeführt.
(4) Die Behörde des Bundesdisziplinaranwalts wird mit Ablauf des 31. Dezember 2003 aufgelöst. Ab diesem Zeitpunkt fertigt die Einleitungsbehörde in den Fällen von Absatz 3 die Anschuldigungsschrift; die Vorschriften der Bundesdisziplinarordnung sind nicht anzuwenden, soweit sie den Bundesdisziplinaranwalt betreffen.
(5) Für die Wiederaufnahme von Disziplinarverfahren, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtskräftig abgeschlossen worden sind, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2003 Abschnitt IV der Bundesdisziplinarordnung. Ab diesem Zeitpunkt gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes.
(6) Die nach bisherigem Recht in einem Disziplinarverfahren ergangenen Entscheidungen sind nach bisherigem Recht zu vollstrecken, wenn sie unanfechtbar geworden sind.
(7) Die Frist für das Verwertungsverbot und ihre Berechnung für die Disziplinarmaßnahmen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes verhängt worden sind, bestimmen sich nach diesem Gesetz. Dies gilt nicht, wenn die Frist und ihre Berechnung nach bisherigem Recht für den Beamten günstiger ist.
(8) Gebühren nach § 78 Satz 1 werden nur für die nach dem 31. Dezember 2009 anhängig werdenden gerichtlichen Verfahren erhoben. Dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem 31. Dezember 2009 eingelegt worden ist.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.