Tenor

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 27. Oktober 2016 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen den Teilwiderruf eines Planfeststellungsbeschlusses zum Betrieb einer Museumsbahn.
Auf der Grundlage eines vom damaligen Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr Baden-Württemberg am 10. Januar 1978 erlassenen Planfeststellungsbeschlusses betrieb die Stadt Blumberg seit 1978 auf dem Streckenabschnitt der Wutachtalbahn zwischen dem Bahnhof Zollhaus-Blumenberg und dem Bahnhof Weizen die Museumsbahn „Sauschwänzlebahn“. Die Wutachtalbahn war teilweise bereits 1875/1876 und ab 1890 vollständig in Betrieb genommen worden. Im Jahr 1955 stellte die damalige Deutsche Bundesbahn den regelmäßigen Betrieb auf dem Streckenabschnitt zwischen Blumberg und Weizen ein. Am 1. Mai 1976 wurde dieser Streckenabschnitt von der Deutschen Bundesbahn endgültig stillgelegt. Der besonders kurvenreiche Abschnitt ist 25,88 km lang und führt vom Bahnhof Zollhaus-Blumberg in Richtung Bahnhof Weizen durch folgende Tunnel:
Tunnel
  Länge 
Buchbergtunnel
800 m
Tunnel am Achdorfer Weg
550 m
Stockhalder Kehrtunnel
1.700 m
Kleiner Stockhaldetunnel
85 m
Grimmelshofener Tunnel
225 m
Weiler Kehrtunnel
1.205 m
Alle Tunnel liegen im oder zumindest am Rande des Natura 2000/FFH-Gebiets „Blumberger Pforte und Mittlere Wutach“, das im Jahr 2005 vom Land Baden-Württemberg als Natura 2000/FFH-Gebiet gemeldet und im Jahr 2011 von der Europäischen Kommission in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen wurde.
Am 2. Februar 1977 beantragte die Stadt Blumberg den Planfeststellungsbeschluss für den Betrieb der Museumsbahn. Ausweislich des der Antragstellung beigefügten Erläuterungsberichts war ein Museumsbahnbetrieb mit Dampflokomotiven in den Monaten Mai bis Oktober mit zwei Betriebstagen im Monat geplant; hinzukommen sollten Sonderfahrten nach Bedarf. Entsprechende Hinweise enthielt auch ein vom Regierungspräsidium Freiburg am 21. März 1977 im Anhörungsverfahren erstellter Schnellbrief an verschiedene Träger öffentlicher Belange. Am 24. Mai 1977 wurde ein Erörterungstermin durchgeführt.
Der Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Freiburg erging am 10. Januar 1978 und enthält in seinem verfügenden Teil unter anderem folgende Regelungen:
I. Die Pläne für den Betrieb der Museumsbahn der Stadt Blumberg zwischen den Bahnhöfen Weizen und Zollhaus-Blumberg der Strecken Oberlauchringen - Hintschingen von km 21.153 (Trapeztafel Weizen) bis km 45.205 (Einfachsignal Zollhaus Blumberg) werden festgestellt.
[...]
II. Der Stadt Blumberg werden aufgrund der im Anhörverfahren vorgebrachten Einwendungen und der geltenden Vorschriften folgende Auflagen auferlegt:
[...]
4. Das obere Portal des Kehrtunnels im Weiler ist monatlich zu kontrollieren. Die erste Kontrolle ist jährlich vor Aufnahme des Betriebs von einem sachkundigen Ingenieur durchzuführen. [...]
10 
Mit Entscheidung vom 25. Oktober 2006 wurde der Stadt Blumberg eine Genehmigung zum Betreiben einer öffentlichen Eisenbahninfrastrukturgesellschaft und mit Entscheidung vom 13. April 2012 eine Genehmigung als Eisenbahnverkehrsunternehmen erteilt.
11 
Im September 2013 wurde der Verkehrsbetrieb der Museumsbahn von der Stadt ausgegliedert und von der Klägerin, einem der Stadt Blumberg gehörenden öffentlichen Eisenbahnstrukturunternehmen, übernommen. Die Genehmigungen wurden übertragen.
12 
In den Jahren 1977 bis Anfang 2013 fand in den Wintermonaten, mithin jeweils im Zeitraum von November bis März des Folgejahres, kein Personenverkehr auf dem Streckenabschnitt statt. Spätestens ab November 2010 wurden jedoch auch im Winter regelmäßige Fahrten, allerdings zur Durchführungen von Wartungs- und Bauarbeiten, teilweise auch im gesamten Streckenabschnitt, durchgeführt. Im Jahr 2013 plante die Klägerin erstmals, an zwei Adventswochenenden ergänzend touristische Fahrten, sogenannte „Nikolausfahrten“, vom Bahnhof Blumberg-Zollhaus über den Bahnhof Weizen bis nach Waldshut-Tiengen durchzuführen. Das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis untersagte mit Verfügung vom 5. Dezember 2013 erstmals diesen geplanten Winterbetrieb, da die Tunnelanlagen als Winterquartier von Fledermäusen dienten und mit erheblichen Störungen der besonders geschützten Tiere zu rechnen sei. In einem am 8. Januar 2014 vor dem Verwaltungsgericht Freiburg geschlossenen Vergleich (Az. 1 K 2610/13) verpflichtete sich die Klägerin, bis zum 31. März 2014 in den Tunneln weitgehend auf Fahrten und Unterhaltungsarbeiten zu verzichten. Nachdem im Jahr 2014 geführte Gespräche zu keiner dauerhaften Einigung führten, untersagte das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis der Klägerin mit Verfügung vom 17. Oktober 2014 erneut die Durchführung des Eisenbahnbetriebs (Personenbeförderungsfahrten und Zugfahrten zum Zwecke der Streckenunterhaltung) in den Tunneln auf dem Streckenabschnitt zwischen dem Buchbergtunnel und dem Weiler Kehrtunnel jeweils für den Zeitraum vom 1. November eines Jahres bis zum 31. März des Folgejahres und ordnete die sofortige Vollziehung an. Es begründete diese auf naturschutzrechtliche Grundlagen gestützte Verfügung wiederum mit dem Vorkommen verschiedener besonders geschützter Fledermausarten in den sechs Tunnelanlagen. Diese Vorkommen würden belegt durch eine Studie aus dem Jahr 2004 und eine fachliche Stellungnahme aus dem Jahr 2013. Gegen diese Verfügung legte die Klägerin Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht Freiburg (Az. 1 K 95/15) erfolglos die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs. Auf die Beschwerde der Klägerin stellte der Senat mit Beschluss vom 30. Juni 2016 (Az. 5 S 1984/15) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin mit der Begründung wieder her, dass das Landratsamt als untere Naturschutzbehörde sachlich nicht zuständig sei, da der untersagte Winterbetrieb vom Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 1978 erfasst sei. Dessen formelle Konzentrationswirkung binde auch das Landratsamt. In Betracht käme allein ein Einschreiten der Planfeststellungsbehörde. Hierauf nahm das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis mit Bescheid vom 25. Juli 2016 die Verfügung vom 17. Oktober 2014 zurück und wandte sich an das Regierungspräsidium Freiburg mit der Bitte, den weiterhin seitens der Klägerin beabsichtigten Winterbetrieb zu verhindern.
13 
Mit Bescheid vom 27. Oktober 2016 erließ das Regierungspräsidium Freiburg nach Anhörung der Klägerin sowie Trägern öffentlicher Belange einen „Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses zum Betrieb der Museumsbahn der Stadt Blumberg auf dem Streckenabschnitt zwischen den Bahnhöfen Weizen und Zollhaus-Blumberg vom 10.01.1978“ mit folgenden für sofort vollziehbar erklärten Entscheidungen im Tenor:
14 
„1. Der Planfeststellungsbeschluss des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr Baden-Württemberg zum Betrieb der Museumsbahn der Stadt Blumberg auf dem Streckenabschnitt zwischen den Bahnhöfen Weizen und Zollhaus Blumberg vom 10.01.1978 wird teilweise widerrufen, soweit damit der Bahnbetrieb in den Tunneln zwischen den Bahnhöfen Zollhaus-Blumberg und Weizen (Buchbergtunnel, Tunnel am Achdorfer Weg, Stockhalde Kreiskehrtunnel, Tunnel in der kleinen Stockhalde, Grimmelshofener Tunnel und Weiler Kehrtunnel) ohne zeitliche Einschränkung genehmigt wurde.
15 
2. Im Zeitraum zwischen 01.11. und 31.03. des Folgejahres wird der Bahnbetrieb (Publikums- und Betriebsfahrten) in den in Ziffer 1 genannten Tunneln genehmigt, soweit die Bahnbetriebe Blumberg GmbH & Co. KG gegenüber der Höheren Naturschutzbehörde (Regierungspräsidium Freiburg) nachweist, dass eine damit einhergehende Gefährdung von gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 14 Bundesnaturschutzgesetz streng oder besonders geschützten Arten nicht besteht und die Höhere Naturschutzbehörde die jeweilige Bahnfahrt zulässt.
[...]“
16 
Ermächtigungsgrundlage des Teilwiderrufs sei § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG. Spätestens seit einer Studie aus dem Jahr 2004 sei bekannt, dass in den Tunneln der Museumsbahn streng geschützte Fledermausarten, darunter auch die Mopsfledermaus, vorkämen. Ausweislich einer fachlichen Stellungnahme aus dem Jahr 2013 habe sich die Anzahl der Mopsfledermäuse im Weiler Kehrtunnel signifikant erhöht. Diese Entwicklung und eine Verbreiterung des Artenspektrums würden auch durch ein vom Regierungspräsidium in Auftrag gegebenes Gutachten der ... vom 12. Mai 2015 belegt. Folglich lägen die Voraussetzungen für einen teilweisen Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses vor. Die Vorschriften zum Widerruf seien anwendbar. Möglichkeiten zum Erlass einer nachträglichen Schutzauflage zum Zwecke des Artenschutzes bestünden nicht, da es sich bei diesem um einen Belang des Allgemeinwohls handele. Der Betrieb der Museumseisenbahn könne angesichts der drohenden Verstöße gegen den Artenschutz wegen der nachträglich bekannt gewordenen Tatsache der Ansiedlung von Fledermäusen und des Umstandes, dass die Tunnel als Winterquartier dienten, aktuell nicht mehr genehmigt werden. Es sei damit zu rechnen, dass die Störung des Winterschlafs dazu führe, dass die Tiere den Winter nicht überlebten. Ohne den Widerruf sei das öffentliche Interesse an der Wahrung des Natur- und Artenschutzes gefährdet. Die besondere Schutzbedürftigkeit der gefährdeten Tiere gebiete ein Einschreiten. Weniger belastende Maßnahmen stünden nicht zur Verfügung. Eine Begrenzung des Widerrufs auf die Kehrtunnel, in denen der Fledermausbestand bereits nachgewiesen sei, käme nicht in Betracht. Zwar lägen zum Buchbergtunnel und zum Tunnel am Achdorfer Weg noch keine neueren Studien vor. Der Vorsorgegrundsatz gebiete jedoch auch bei noch nicht sicher festgestellten Winterquartieren, das Risiko der Vernichtung einer Lebensstätte zu ermitteln. Ansonsten drohe ein nicht auszugleichender Verlust. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass beide Tunnel teilweise im Natura 2000/FFH-Gebiet „Blumberger Pforte und Mittlere Wutach“ lägen. In der Konsequenz seien alle Veränderungen oder Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung dieses Schutzgebietes, das unter anderem wegen seiner überragenden Bedeutung als Lebensraum für Fledermäuse gemeldet worden sei, unzulässig. Daher drohe auch ohne konkret nachgewiesene Winterquartiere der Fledermäuse in den noch nicht untersuchten Tunneln ein Verstoß gegen naturschutzrechtliche Bestimmungen. Der Widerruf müsse zudem die Durchführung von Betriebsfahrten erfassen, da auch diese Störpotential aufwiesen. Hierdurch werde die Klägerin nicht unverhältnismäßig getroffen, da zum einen in den Sommermonaten fahrtenfreie Zeiten für Wartung und Instandsetzung zur Verfügung stünden und zum anderen die Entscheidung Nr. 2 Ausnahmegenehmigungen ermögliche. Der Bescheid wurde der Klägerin am 1. November 2016 zugestellt.
17 
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Klägerin mit der am 2. November 2016 erhobenen Klage. Sie beruft sich zum einen auf die ihr erteilte Betriebsgenehmigung im Sinne von § 6 AEG, die der Beschränkung entgegenstehe. Zudem bliebe auch bei einem Teilwiderruf die im Jahr 1890 vollständig in Betrieb genommene Eisenbahnstrecke als bereits in unvordenklicher Zeit rechtmäßig betriebene Eisenbahn legalisiert vorhanden. Der Planfeststellung im Jahr 1978 habe es daher nicht bedurft. Zudem habe das Regierungspräsidium schon vor dem 27. Oktober 2015 Kenntnis davon gehabt, dass die betroffenen Eisenbahntunnel geschützten Fledermäusen als Winterquartiere dienten. Die Widerrufsfrist sei daher abgelaufen. Zweifelhaft sei zudem, ob es sich bei der Ansiedlung der Fledermäuse um eine nachträglich eingetretene Tatsache handele. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass Fledermäuse schon bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses und auch davor die Tunnel als Quartiere genutzt hätten. Es fehle an Belegen für die behauptete Eignung des Bahnbetriebs zur Tötung der Fledermäuse. Auch den vom Regierungspräsidium in Auftrag gegebenen Gutachten mangele es an einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den konkreten Auswirkungen des Bahnbetriebs auf die Fledermauspopulation. Ohne Relevanz sei das Natura 2000/FFH-Gebiet „Blumberger Pforte und Mittlere Wutach“. Denn die entsprechende Schutzgebiets-Verordnung sei noch nicht erlassen. Darüber hinaus seien künstlich erschaffene Tunnel auch keine natürlichen Lebensräume von Fledermäusen. Zudem hätten die zuständigen Ministerien bei der Meldung der Natura 2000/FFH-Gebiete darauf verwiesen, dass vorhandene und zugelassene Infrastruktureinrichtungen Bestandsschutz genössen. Mit dem Teilwiderruf werde die Funktion der Trasse als öffentlicher Verkehrsweg gefährdet. Unter anderem vor dem Hintergrund, dass die Klägerin die Bahnstrecke auch in der Vergangenheit in den Wintermonaten genutzt habe, liege in keinem Fall ein neues Projekt vor, das eine neue Prüfung der Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen erforderte. Mit der Entscheidung Nr. 2 übertrage die Planfeststellungsbehörde ihre Befugnisse auf die Höhere Naturschutzbehörde, ohne dass es hierfür eine gesetzliche Grundlage gebe. Zudem führe die Auferlegung einer Verpflichtung zur Einholung von Ausnahmegenehmigungen zu einer unzulässigen Beweislastumkehr. Es sei vielmehr Aufgabe des Regierungspräsidiums, Alternativen zum Teilwiderruf wie beispielsweise die mögliche Umsiedlung der Fledermäuse zu prüfen, die die Klägerin weniger belasteten. Entsprechende Ermittlungen des Regierungspräsidiums fehlten.
18 
Die Klägerin beantragt,
19 
den Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 27. Oktober 2016 über den Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr Baden-Württemberg zum Betrieb der Museumsbahn der Stadt Blumberg auf dem Streckenabschnitt zwischen den Bahnhöfen Weizen und Zollhaus-Blumberg vom 10. Januar 1978 aufzuheben.
20 
Der Beklagte beantragt,
21 
die Klage abzuweisen.
22 
Die Berufung der Klägerin auf eine fehlende Erforderlichkeit des Planfeststellungsverfahrens in den Jahren 1977 und 1978 stelle ein widersprüchliches Verhalten dar, da es der Rechtsvorgängerin der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt gerade um die Klärung der offenen Rechtsfragen mittels des Planfeststellungsbeschlusses gegangen sei. Alle Voraussetzungen für einen Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses seien im Übrigen erfüllt. Zum Zeitpunkt des Teilwiderrufs sei bereits mittels eines Gutachtens nachgewiesen gewesen, dass geschützte Fledermäuse ihren Winterschlaf in den Tunneln Weiler Kehrtunnel, Grimmelshofener Tunnel und Stockhalder Kehrtunnel verbrächten und diese Tunnel angesichts der Anzahl der überwinternden Fledermäuse als Ruhestätten anzusehen seien. Außerdem habe es ausreichende Hinweise dafür gegeben, dass alle Tunnel im streitigen Streckenabschnitt wegen ihrer Lage im Lebensraum und im Jagdgebiet mehrerer Fledermauspopulationen grundsätzlich als Jagdrevier geeignet seien. Insoweit sei es aus Vorsorgegründen erforderlich gewesen, die Nutzung aller Tunnel zu verhindern. Darüber hinaus habe ein nach Erlass des Teilwiderrufs eingeholtes weiteres Gutachten den Nachweis erbracht, dass auch im Tunnel am Achdorfer Weg und im Buchbergtunnel Mopsfledermäuse residierten. Der Umstand, dass die Tunnel Winterquartiere darstellten, sei auch nachträglich eingetreten, da zumindest die Mopsfledermaus seit Mitte der 1980er Jahre als ausgestorben gegolten habe und daher von einer späteren Wiederansiedlung ausgegangen werden müsse. Zudem bestehe erst seit dem Jahr 2013 die Absicht der Klägerin, Bahnfahrten auch im November und Dezember durchzuführen. Es dürfe als sicher angenommen werden, dass ein durch einen Tunnel durchfahrender Zug Geräusche, Erschütterungen und Wärmereize auslöse, welche die im Winterschlaf befindlichen Fledermäuse störten mit der Folge, dass diese infolge des Aufwachens ihre Fettreserven verbrauchten, den Hangplatz wechselten oder das Quartier verließen. Eine Zulassung von Fahrten mit anderen Fahrzeugen als Dampflokomotiven oder mit geringerer Geschwindigkeit komme aus Vorsorgegründen im Hinblick auf die Ruhefunktion der Tunnel nicht in Betracht. Vielmehr sei bereits ein Betretungsverbot geboten. Die Entscheidung Nr. 2 sei aus Verhältnismäßigkeitsgründen geboten, um der Klägerin für den Fall, dass eine konkrete Gefährdung der Fledermäuse ausgeschlossen werden könne, die Möglichkeit zur Durchführung von Fahrten auch im Winter zu geben.
23 
Auf Antrag der Klägerin hat der erkennende Senat zunächst mit Beschluss vom 29. November 2016 die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit wiederhergestellt, als der Teilwiderruf den Bahnbetrieb im Grimmelshofener Tunnel, im kleinen Stockhaldetunnel, im Buchbergtunnel sowie im Tunnel am Achdorfer Weg betrifft, und im Übrigen den Eilantrag abgelehnt (Az. 5 S 2137/16). Auf einen Änderungsantrag des Regierungspräsidiums Freiburg hat der Senat diese Entscheidung mit Beschluss vom 2. November 2017 dahingehend geändert, dass der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung auch insoweit abgelehnt wurde, als der Teilwiderruf den Bahnbetrieb im Tunnel am Achdorfer Weg betrifft (Az. 5 S 2282/17).
24 
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung den Mitarbeiter Dr. K. des Referats Naturschutz und Landschaftspflege des Regierungspräsidiums Freiburg sowie den Mitarbeiter Dr. B. der ... zur Fledermausproblematik in den Tunneln angehört.
25 
Dem Senat liegen die den Teilwiderruf betreffenden Verfahrensakten des Regierungspräsidiums Freiburg, die Verfahrensakten des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis betreffend die Untersagungsverfügungen in den Jahren 2013 und 2014 und die Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg im Verfahren 1 K 2610/13 vor. Auf deren Inhalt sowie die gewechselten Schriftsätze wird wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
26 
Der nachgereichte Schriftsatz des Klägerin-Vertreters vom 12. Juli 2018 gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
27 
Der Verwaltungsgerichtshof ist zuständig und die Klage ist zulässig (A.) und begründet (B.).
A.
28 
Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs folgt aus § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO, da auch die Klage gegen den Teilwiderruf eines Planfeststellungsbeschlusses für den Bau oder die Änderung von Strecken von öffentlichen Eisenbahnen eine das Planfeststellungsverfahren betreffende Klage im Sinne dieser Vorschrift darstellt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.9.1996 - 8 S 1511/96 - NVwZ-RR 1997, 682, juris Rn. 14; BVerwG, Urteil vom 28.4.2016 - 4 A 2.15 - NVwZ 2016, 1325, juris Rn. 14 f.). Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Fall 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Entscheidung Nr. 1 der Verfügung vom 27. Oktober 2016 ist dabei unter Berücksichtigung der Entscheidung Nr. 2 und der Begründung des Bescheids dahingehend auszulegen, dass der im Planfeststellungsbeschluss vom 10. Januar 1978 bislang ohne jahreszeitliche Einschränkung zugelassene Bahnbetrieb in den Tunnelanlagen zwischen den Bahnhöfen Zollhaus-Blumberg und Weizen lediglich für den Zeitraum vom 1. November eines jeden Jahres bis zum 31. März des Folgejahres widerrufen werden soll. Hiergegen richtet sich die Anfechtungsklage der Klägerin, bei deren Erfolg der Planfeststellungsbeschluss vom 10. Januar 1978 in vollem Umfang wiederaufleben würde. Die Klägerin ist als Vorhabenträgerin und Adressatin des Bescheids klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Eines Vorverfahrens bedarf es nicht (§ 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO).
B.
29 
Die Klage ist auch begründet. Der mit dem Bescheid vom 27. Oktober 2016 verfügte Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses vom 10. Januar 1978 (Entscheidung Nr. 1) ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren aus dem Planfeststellungsbeschluss folgenden Rechten. Entscheidung Nr. 2 wird damit gegenstandslos.
30 
Zwar findet § 49 LVwVfG als Ermächtigungsgrundlage auch auf den Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses Anwendung. Mit dem Regierungspräsidium Freiburg hat auch die zuständige Behörde gehandelt (dazu I.). Die Entscheidung zum Teilwiderruf ist jedoch materiell rechtswidrig (dazu II.).
I.
31 
Der teilweise Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses kann grundsätzlich auf § 49 LVwVfG gestützt werden. Diese Vorschrift findet gemäß § 72 Abs. 1 LVwVfG entsprechende Anwendung. Weder aus § 77 Satz 1 LVwVfG, der nur eine zusätzliche administrative Möglichkeit darstellt, Planfeststellungsbeschlüsse von stecken gebliebenen Vorhaben aufzuheben (vgl. Bell, NVwZ 2004, 288, 295), noch aus § 76 LVwVfG, der verfahrensrechtliche Erleichterungen für unwesentliche Planänderungen in der Ausführungsphase normiert (vgl. Ramsauer/Wysk in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Auflage 2017, § 76 Rn. 2), oder aus § 75 Abs. 2 LVwVfG folgt Gegenteiliges. Diese Vorschriften betreffen vielmehr nur einzelne Punkte, die dem Gesetzgeber wegen der Eigenarten von Planfeststellungsbeschlüssen regelungsbedürftig erscheinen, bilden aber kein geschlossenes Regelwerk, mit dem die Änderung oder Aufhebung bestandskräftiger Planfeststellungsbeschlüsse abschließend erfasst wird (vgl. Neumann/Külpmann in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 72 Rn. 113 f.). Die erhöhte Bestandskraft von Planfeststellungsbeschlüssen liegt vielmehr gerade darin begründet, dass Dritte einen Widerruf nur verlangen können, wenn Schutzauflagen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG nicht als Abhilfe ausreichen (BVerwG, Urteil vom 28.4.2016 - 4 A 2/15 - NVwZ 2016, 1325, juris Rn.31). Insoweit regelt § 75 Abs. 2 LVwVfG die Auswirkungen der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses, enthält aber keine Aussage zu der in § 49 LVwVfG geregelten Durchbrechung der Bestandskraft selbst. Auch aus dem Charakter des Planfeststellungsbeschlusses als Abwägungs- und Planungsentscheidung kann nicht gefolgert werden, dass er nur durch eine erneute Planungs- und Abwägungsentscheidung aufgehoben werden kann, denn die Teilaufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses stellt im Grundsatz keine planerisch-gestaltende Maßnahme dar, sondern stellt lediglich in Teilen den ursprünglichen Rechtszustand vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses wieder her (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.7.2012 - 4 A 7001.11 - NVwZ 2013, 397, juris Rn. 23, und Urteil vom 21.5.1997 - 11 C 1.96 - NVwZ 1998, 281, juris Rn. 29).
32 
Das Regierungspräsidium Freiburg ist als nunmehr zuständige Planfeststellungsbehörde gemäß § 49 Abs. 5 LVwVfG i. V. m. § 3 Nr. 2 EZuVO für die Entscheidung über einen Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses zuständig.
II.
33 
Der Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses ist jedoch materiell-rechtswidrig. Zwar liegt ein Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG (dazu 1.) vor. Auch erfolgte diese Entscheidung fristgerecht (dazu 2.). Der Teilwiderruf ist jedoch aufgrund der nicht hinreichenden Prüfung des Regierungspräsidiums Freiburg, ob der mit dieser Verfügung verfolgte Schutzzweck mit weniger einschneidenden Maßnahmen erreicht werden könnte, ermessensfehlerhaft (dazu 3.).
34 
1. Ein Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG liegt vor. Das gilt entgegen der Ansicht des Regierungspräsidiums allerdings nicht für den Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG (dazu a)). Die Voraussetzungen für einen Widerruf auf der Grundlage des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LVwVfG sind ebenfalls nicht erfüllt (dazu b)). Es liegen jedoch die Tatbestandsvoraussetzungen von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 LVwVfG vor und diese Regelung kann vorliegend als Rechtsgrundlage auch herangezogen werden (dazu c)).
35 
a) Auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG kann der Teilwiderruf nicht gestützt werden.
36 
Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Eine solche Berechtigung ist trotz Vorliegens eines rechtmäßigen Verwaltungsakts (dazu aa)) gegeben, denn unabhängig vom tatsächlichen Eintritt nachträglicher Tatsachen tritt § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG in der vorliegenden Konstellation hinter § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LVwVfG zurück (dazu bb)).
37 
aa) Zwar liegt mit dem Planfeststellungsbeschluss vom 10. Januar 1978 ein die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Vorhabenträgerin begünstigender und unanfechtbarer Verwaltungsakt vor. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses sind nicht ersichtlich. Im Übrigen ist § 49 LVwVfG auch auf rechtswidrige Verwaltungsakte anwendbar, da rechtswidrige Verwaltungsakte keinen Schutz vor Aufhebung verdienen, wenn rechtmäßige Verwaltungsakte widerrufen werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.2000 - 9 C 12/00 - NVwZ 2001, 335, juris Rn. 13; Senatsbeschluss vom 6.3.1991 - 5 S 2630/89 - NVwZ-RR 1992, 126, juris Rn. 24, jeweils m. w. N.). Ob der Planfeststellungsbeschluss für den Betrieb einer Museumsbahn nicht notwendig gewesen ist, wie die Klägerin meint, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen. Denn mit seinem Erlass ist er jedenfalls an die Stelle etwaiger bis zu diesem Zeitpunkt bestehender Rechtsgrundlagen für den Betrieb der Bahnstrecke getreten.
38 
Dieser Planfeststellungsbeschluss regelt auch die Nutzung der Bahnstrecke zwischen dem Bahnhof Zollhaus-Blumberg und dem Bahnhof Weizen in den Wintermonaten, auf die sich nunmehr der Teilwiderruf bezieht. Dem Beschluss vom 10. Januar 1978 ist keine Einschränkung auf einen Sommerbetrieb zu entnehmen. Zwar ergibt sich aus dem Erläuterungsbericht der Stadt Blumberg als damaliger Vorhabenträgerin vom 2. Februar 1977, dass der Betrieb hauptsächlich in den Monaten Mai bis Oktober erfolgen sollte. Unabhängig davon, dass diese Formulierung eine Nutzung auch in anderen Zeiträumen nicht ausschließt und der Erläuterungsbericht zudem Sonderfahrten nach Bedarf erwähnt, haben etwaige Einschränkungen keinen Niederschlag im Planfeststellungsbeschluss gefunden. Lediglich die Regelung Nr. 4 des Planfeststellungsbeschlusses lässt mit der Auflage, eine erste Kontrolle des Portals des Weiler Kehrtunnels jährlich vor Aufnahme des Betriebs zu prüfen, eine Tendenz zu einem saisonalen Betrieb erkennen. Eine ausdrückliche Beschränkung lässt sich der Formulierung jedoch nicht entnehmen. Für eine ausdrückliche Regelung, so eine zeitliche Einschränkung des Betriebs beabsichtigt gewesen wäre, hätte Anlass bestanden, da eine planfestgestellte Eisenbahnstrecke typischerweise einen ihrer Kapazität entsprechenden Betrieb ermöglicht und die planfestgestellte Eisenbahnstrecke vormals bereits seit dem Jahr 1890 - ersichtlich ohne jahreszeitliche Einschränkungen - in Betrieb war (vgl. zum Ganzen auch den Senatsbeschluss vom 30.6.2016 - 5 S 1984/15 -, juris Rn. 11).
39 
bb) Die vom Regierungspräsidium als Widerrufsgrund angeführte Nutzung der Tunnel durch naturschutzrechtlich streng geschützter Fledermausarten in den Wintermonaten ist jedoch keine nachträglich eingetretene Tatsache im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG.
40 
Bei systematischer Auslegung des § 49 Abs. 2 LVwVfG ist der Widerrufsgrund des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG insbesondere im Verhältnis zu § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LVwVfG einschränkend dahingehend auszulegen, dass ein Widerruf wegen nachträglich eingetretener Tatsachen nur in Betracht kommt, wenn sich die Rechtslage nach Erlass des Verwaltungsaktes nicht ebenfalls maßgeblich geändert hat. Denn für den Fall einer Änderung der rechtlichen Grundlagen des Verwaltungsakts hat der Gesetzgeber die Möglichkeit des Widerrufs an strengere Anforderungen geknüpft. Ein Widerruf ist in dieser Situation nur möglich, wenn der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht hat. Dieser besondere Vertrauensschutz muss auch berücksichtigt werden, wenn sich neben der Rechtslage zugleich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., § 49 Rn. 6; Suerbaum in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 1. Auflage 2014, § 49 Rn. 90; Abel in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2. Auflage 2016, § 49 Rn. 56; OVG Berlin, Urteil vom 22.5.2003 - 6 B 17/03 -, juris Rn. 30). Im Sinne einer hypothetischen Kausalität reichen dementsprechend Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse für eine Anwendbarkeit des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG nur aus, wenn durch sie Elemente des ursprünglich vollständig gegebenen gesetzlichen Tatbestandes für den Erlass des Verwaltungsakts nachträglich entfallen (vgl. Ramsauer in Kopp/ders., a. a. O., § 49 Rn. 43 m. w. N.). Konnte der Tatbestand, hier die Vereinbarkeit des planfestgestellten Museumsbahn-Betriebs mit bestimmten naturschutzrechtlichen Vorschriften, ursprünglich noch gar nicht erfüllt sein, weil diese Vorschriften noch nicht in Kraft waren, kommt ein Widerruf allein wegen der Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht in Betracht.
41 
Eine solche Situation liegt hier vor. Die ausweislich der Begründung des Teilwiderrufs allein in Betrachtung kommende zwingende Unvereinbarkeit der Winternutzung der Bahnstrecke mit §§ 32 bis 34 BNatSchG (Unverträglichkeit mit den Zielen eines Natura 2000/FFH-Gebiets), §§ 44 und 45 BNatSchG (Verletzung artenschutzrechtlicher Zugriffsverbote) und gegebenenfalls § 23 BNatschG (Unvereinbarkeit mit den Vorgaben eines Naturschutzgebiets) hätte zum Zeitpunkt der Planung in den Jahren 1977 und 1978 nicht zu einer Versagung der zeitlich uneingeschränkten Nutzung in dem nun durch den Teilwiderruf erfassten Umfang führen können, da diese oder vergleichbare naturschutzrechtliche Schutzvorschriften zum damaligen Zeitpunkt noch nicht galten.
42 
Zwar enthielt das (Rahmen-)Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege vom 20. Dezember 1976 (BGBl I 1976, S. 3574) in § 22 bereits Regelungen zum Artenschutz. Die für die erforderliche Bestimmung der danach besonders geschützten Arten erforderliche Verordnung (Bundesartenschutzverordnung) trat jedoch erst im Jahr 1980 in Kraft (BGBl I 1980, S. 1565). Gleiches gilt für die in § 28 des Gesetzes zum Schutz der Natur, zur Pflege der Landschaft und über die Erholungsvorsorge in der freien Landwirtschaft (Naturschutzgesetz - NatSchG) vom 24. Oktober 1975 (GBl. 1975, S. 654) enthaltenen artenschutzrechtlichen Regelungen, die erst die Landesartenschutzverordnung (LArtSchV) vom 18. Dezember 1980 (GBl. 1981, 14) konkretisierte. Zudem erreichten diese Vorschriften nicht das Schutzniveau der Vorschriften, die erst später zur Erfüllung der sich insbesondere aus der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie, zuletzt geändert durch Richtlinie 2013/17/EU vom 13. Mai 2013) ergebenden Verpflichtungen eingeführt worden sind. Das durch den Museumsbahn-Betrieb allenfalls am Rande berührte Naturschutzgebiet „Wutachflühen“ wurde erst mit Rechtsverordnung vom 27. September 1979 (GBl. 1979, S. 459) ausgewiesen. Auf der Grundlage der damaligen allgemeinen Regelungen zur Vermeidung eines Eingriffs in Natur- und Landschaft (§ 8 BNatSchG 1976, § 10 NatSchG 1975), auf die sich das Regierungspräsidium in der mündlichen Verhandlung berufen, den Teilwiderruf allerdings nicht gestützt hat, hätte der Museumsbahn-Betrieb auf dem streitigen Streckenabschnitt in den Wintermonaten ebenfalls nicht zwangsläufig versagt werden müssen. Schon § 8 BNatSchG 1976 und § 10 NatSchG 1975 lag ein abgestuftes Kompensationssystem von Vermeidung, Ausgleich oder Ersatzmaßnahmen, auch in Form von Ausgleichszahlungen, zugrunde mit der Folge, dass vorrangig vor einer Untersagung im Sinne einer generellen Verhinderung eines Eingriffs Möglichkeiten der Optimierung und Minimierung der Auswirkungen und einer Natur und Landschaft möglichst schonendem Ausführungsweise in Betracht zu ziehen gewesen wären (vgl. zu den Divergenzen zwischen dem herkömmlichen deutschen Kompensationssystem und den Anforderungen der FFH-Richtlinie auch BVerwG, Urteil vom 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116, juris Rn. 558).
43 
b) Auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LVwVfG kann der Teilwiderruf ebenfalls nicht gestützt werden.
44 
Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht hat und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
45 
Diese Voraussetzungen sind schon deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerin von dem mit dem Planfeststellungsbeschluss verbundenen Recht zur Nutzung des Streckenabschnitts bereits seit Jahrzehnten Gebrauch gemacht haben. Da der Planfeststellungsbeschluss in Bezug auf die Befahrung des Streckenabschnitts einschließlich der Tunnel nicht zwischen öffentlichen und touristischen Personenfahrten und Wartungs- und Betriebsfahrten unterscheidet und auch nicht zwischen den Nutzungen zu bestimmten Jahreszeiten differenziert, ist von einem einheitlichen Nutzungsrecht und damit einem einheitlichen Gebrauchmachen auszugehen. Selbst wenn § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG dahingehend auszulegen wäre, dass es bei einem Teilwiderruf darauf ankommt, dass von der Teilbegünstigung, auf die sich der Widerruf konkret bezieht, kein Gebrauch gemacht worden sein darf, würde sich kein anderes Ergebnis ergeben. Denn die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerin haben in den Wintermonaten zumindest seit dem Jahr 2010 Betriebsfahrten, die von dem Teilwiderruf ebenfalls erfasst werden, durchgeführt. Das entsprechende Vertrauen haben die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerin damit in jedem Fall betätigt.
46 
c) Ein Widerrufsgrund folgt jedoch aus § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 LVwVfG. Diese Regelung kann, auch wenn das Regierungspräsidium den Teilwiderruf hierauf nicht gestützt hat, als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist die Frage, ob ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Aufhebung besteht, weil die verfügte Regelung rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Insoweit sind alle rechtlichen und tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen, die den angefochtenen Bescheid rechtfertigen können, solange dieser nicht in seinem Wesen verändert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.1.1982 - 8 C 12.81 - NVwZ 1982, 620, juris Rn. 12 m. w. N.). Eine solche Wesensveränderung kommt vorliegend nicht in Betracht, da mit einem Austausch des Widerrufsgrundes innerhalb von § 49 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG in der Sache die Ermessensgrundlage und der Ermessensrahmen nicht verändert werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.6.2014 - 9 S 1273/13 - juris Rn. 27 m. w. N.).
47 
Auf Grundlage von § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LVwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Eine bloße Beeinträchtigung oder Gefährdung des öffentlichen Interesses reicht insoweit nicht. Im Grundsatz kommen nur Gründe eines übergesetzlichen Notstandes in Betracht (Kopp in ders./Ramsauer, a. a. O., § 49 Rn. 56). Jedoch bietet der Widerrufsgrund des § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LVwVfG auch einen gangbaren Weg, nachträglichen und unabdingbaren Anforderungen des Unionsrechts Rechnung zu tragen (Sachs in Stelkens/Bonk/ders., a. a. O., § 49 Rn. 82; Ramsauer in ders./Kopp, a. a. O., § 49 Rn. 56a; grundlegend hierzu auch Suerbaum in Mann/Sennekamp/Uechtritz, a. a. O., § 49 Rn. 32 m. w. N.; Kahl, NVwZ 2011, 449, 453). Eine Anwendung ist insoweit allerdings „ultima ratio“ (vgl. Steinberg/Wickel/Müller, Fachplanung, 4. Auflage 2012, § 5 Rn. 20).
48 
Danach ist ein Teilwiderruf auf dieser Rechtsgrundlage grundsätzlich zulässig, um nachträglichen und unabdingbaren, im Bundesnaturschutzgesetz umgesetzten Anforderungen des Unionsrechts Rechnung zu tragen. Die Nutzung der Tunnel in den Wintermonaten ist zwar nicht nach der unionsrechtlich determinierten Regelung des § 34 Abs. 1 und 2 BNatSchG unzulässig (dazu aa)). Entgegen der Annahme des Regierungspräsidiums steht ohne eine - bislang nicht durchgeführte - Verträglichkeitsprüfung auch nicht fest, dass der Winterbetrieb gegen das ebenfalls unionsrechtlich geprägte Störungsverbot nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG verstößt (dazu bb)). Mit dem Winterbetrieb ist aber eine Verletzung unabdingbarer artenschutzrechtlicher Zugriffsverbote des Unionsrechts nach § 44 Abs. 1 BNatSchG verbunden, die einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 LVwVfG grundsätzlich stützen kann (dazu cc)).
49 
aa) Die Aufnahme eines Bahnbetriebs in den Wintermonaten („Nikolausfahrten“) ist nicht schon wegen der Unterlassung einer präventiven Verträglichkeitsprüfung im Sinne von § 34 Abs. 1 und 2 BNatSchG, der der Umsetzung von Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie dient (vgl. Frenz in ders./Müggenborg, BNatSchG, 2. Auflage 2015, § 34 Rn. 1 ff. m. w. N.), in Bezug auf das Natura 2000/FFH-Gebiet „Blumberger Pforte und Mittlere Wutach“ unionsrechtlich unzulässig.
50 
Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder auch Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG ist ein Projekt unzulässig, wenn eine Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Als Projekt im Sinne der Vorschrift sind im Grundsatz die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen sowie sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft zu verstehen. Der weit gefasste Projektbegriff erfasst damit alle Vorhaben, die in irgendeiner Form einen Eingriff in Natur und Landschaft und damit in irgendwie geartete Modifikationen derselben implizieren (J. Schumacher/A. Schumacher in Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Auflage 2011, § 34 Rn. 16ff. m. w. N.). Entscheidend ist letztlich, ob ein Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann (vgl. Frenz in ders./Müggenborg, a. a. O., § 34 Rn. 29 m. w. N.). Allerdings unterliegen Projekte, die genehmigt wurden, bevor das Gebiet, in dem sie verwirklicht werden sollen, in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen wurde, nicht den sich aus Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie ergebenden Vorhaben über eine ex-ante-Prüfung auf ihre Verträglichkeit mit dem betreffenden Gebiet, was aus Art. 4 Abs. 5 der FFH-Richtlinie folgt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.7.2016 - 9 C 3.16 -, NVwZ 2016, 1631, juris Rn. 33 m. w. N.). Als Projekt in diesem Sinn sind auch fortdauernde oder fortlaufende Maßnahmen zu verstehen, wenn sie eine einheitliche Maßnahme darstellen, was sich nach der Art und den Umständen ihrer Ausführung richtet (vgl. EuGH, Urteil vom 14.1.2010 - C 226/08 - NVwZ 2010, 310, juris Rn. 51.). Wenn eine Maßnahme oder Tätigkeit nicht verändert wird und daher auch nach nationalem Recht keiner weiteren, sondern nur der ursprünglichen Genehmigung bedarf, handelt es sich regelmäßig um eine einheitliche Maßnahme (vgl. Frenz in ders./Müggenborg, a. a. O., § 34 Rn. 43). Insoweit stellt ein Vorhaben, dessen wiederkehrende Durchführungsmaßnahmen unbefristet genehmigt worden sind, regelmäßig ein einheitliches Projekt dar (vgl. Würtenberger, NuR 2010, 316, 318). Erlangen hingegen spätere Maßnahmen, auch fortlaufende Unterhaltungsmaßnahmen, eine andere Qualität, wird die Einheitlichkeit durchbrochen und es liegt ein eigenständiges neues Projekt vor (vgl. Frenz in ders./Müggenborg, a. a. O., § 34 Rn. 44; vgl. zum Ganzen auch bereits den Senatsbeschluss vom 30.6.2015 - 5 S 1984/15 - NuR 2016, 649, juris Rn. 17).
51 
Nach dieser Maßgabe stellt die geplante Aufnahme der „Nikolausfahrten“ kein neues Projekt dar, da der Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 1978 - wie bereits gezeigt - nicht zwischen der Nutzung der Strecke für Wartungsfahrten und touristischen Fahrten und auch nicht zwischen Fahrten im Sommer und Winter differenziert. Insoweit wurde mit dem Planfeststellungsbeschluss einheitlich die künftige allgemeine Nutzung der Bahnstrecke unbefristet ermöglicht. Die Fahrten im Winter wären damit lediglich wiederkehrende Maßnahmen zur Durchführung des Planfeststellungsbeschlusses, zumal die Strecke bereits bisher auch in den Wintermonaten zumindest für Fahrten zur Streckeninstandhaltung und zur Durchführung von Baumaßnahmen genutzt wurde. Die vereinzelte Durchführung von weiteren Publikumsfahrten unterscheidet sich bezogen auf ihr Gefährdungspotential für die Schutzzwecke des geschützten Gebiets in quantitativer und qualitativer Hinsicht nicht wesentlich von dem bisherigen Nutzungsumfang.
52 
bb) Es steht auch nicht ohne Weiteres fest, dass der Winterbetrieb nach § 33 Abs. 1 BNatSchG unzulässig ist.
53 
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG, der der Umsetzung von Art. 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie dient (vgl. Frenz in ders./Müggenborg, a. a. O., § 33 Rn. 4 ff.), sind alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura-2000/FFH-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, unzulässig. Die Vorschrift ist zwar auf das vor der Benennung des Natura 2000/FFH-Gebiets „Blumberger Pforte und Mittlere Wutach“ planfestgestellte Altvorhaben der Klägerin anwendbar (dazu (1)). Auch ist der räumliche Geltungsbereich des Natura 2000/FFH-Gebiets betroffen (dazu (2)). In der Rechtsfolge könnte ein Widerruf jedoch nur dann auf § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG gestützt werden, wenn das Vorhaben aufgrund einer zuvor durchgeführten Verträglichkeitsprüfung unzulässig ist. Eine solche ist bisher jedoch nicht erfolgt (dazu (3)).
54 
(1) Der Anwendbarkeit von § 33 Abs. 1 BNatSchG steht nicht entgegen, dass der Planfeststellungsbeschluss bereits im Jahr 1978 und damit lange vor der Benennung des Natura 2000/FFH-Gebiets „Blumberger Pforte und Mittlere Wutach“ erlassen wurde. Vielmehr unterfällt die Ausführung eines Projekts, das vor einer Gebietsbenennung genehmigt wurde und daher nicht den Vorgaben der FFH-Richtlinie über eine Ex-ante Prüfung unterlag, gleichwohl Art. 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.7.2016 - a. a. O. -, juris Rn. 37 f. m. w. N.). Rechtmäßig genehmigte Vorhaben sind einer Verträglichkeitsprüfung damit nicht auf Dauer entzogen, da nur mit einer dauerhaften Überwachung sichergestellt werden kann, dass es durch einen Plan oder ein Projekt nicht zu einer Verschlechterung der natürlichen Lebensräume sowie der Habitate der Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, kommt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz ändern daran nichts (vgl. EuGH, Urteil vom 14.1.2010 - C-226/08 - EuZW 2010, 222, juris Rn. 45; Frenz in ders./Müggenborg, a. a. O., § 34 Rn. 39, 41 m. w. N.). Art. 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie legt damit eine allgemeine Schutzpflicht im Sinne einer laufenden Verpflichtung fest. Die Ausführung eines Projekts, das das betreffende Gebiet erheblich beeinträchtigen könnte und vor seiner Genehmigung keiner den Anforderungen von Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie entsprechenden Prüfung unterzogen wurde, kann folglich nur dann fortgesetzt werden, wenn die Wahrscheinlichkeit oder Gefahr einer Verschlechterung der Lebensräume oder von Störungen von Arten, die sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten, ausgeschlossen ist (EuGH, Urteil vom 14.1.2016 - C-399/14 -, juris Rn. 37 und 43).
55 
Eine solche Betrachtungsweise läuft entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht der Funktionssicherungsklausel des § 4 Satz 1 BNatSchG zuwider. Zwar zeigt diese Vorschrift, dass aufgrund der Konzentrationswirkung der Planfeststellung auch naturschutzrechtliche Belange Eingang in die Planfeststellung finden. Jedoch sind die der Bahnnutzung gewidmeten Flächen damit nicht allgemein von der Anwendung und vom Vollzug der Vorschriften des Natur- und Landschaftsschutzrechts ausgenommen. Erst wenn bei Vornahme der konkret beabsichtigten Maßnahme die bestimmungsgemäße Nutzung der Verkehrsfläche nicht mehr gewährleistet werden kann, müsste das materielle Naturschutzrecht hinter den Verkehrsinteressen zurückstehen (vgl. Vallendar in Hermes/Sellner, Beck´scher AEG-Kommentar, 2. Auflage 2016, § 18 Rn. 45). Zum anderen kann die Funktionssicherungsklausel nicht bemüht werden, um von der Erfüllung der unionsrechtlich begründeten Pflichten zum Habitat- und Artenschutz abzusehen (vgl. Gellermann in Landmann/Rohner, a. a. O., § 4 BNatschG Rn. 17 m. w. N.). Die unter anderem von Art. 6 Abs. 4, Art. 16 der FFH-Richtinie zugelassenen Ausnahmetatbestände in § 34 Abs. 3 bis 5 und § 45 Abs. 7 BNatSchG sind insoweit abschließend; der Funktionssicherungszweck muss einen dieser Tatbestände verwirklichen, um berücksichtigt werden zu können (vgl. Meyer in Frenz/Müggenborg, a. a. O. § 4 Rn. 36; Kroh in GK-BNatSchG, 2. Auflage 2017, 4 Rn. 3). Insoweit wäre auch unerheblich, ob bei der Benennung der Natura 2000/FFH-Gebiete - wie von der Klägerin in dem nach der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz behauptet - die für Verkehr zuständigen Ministerien des Bundes und des Landes Baden-Württemberg davon ausgegangen sein sollten, dass bestehende Infrastrukturen von der Anwendbarkeit des § 33 Abs. 1 BNatSchG ausgenommen sein sollten, da sie insoweit einem Rechtsirrtum unterlegen wären.
56 
(2) Der Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 BNatSchG ist auch in räumlicher und zeitlicher Hinsicht eröffnet. Welche Räume im Sinne von § 33 Abs. 1 BNatSchG als Teil des Natura 2000/FFH-Gebiets geschützt sind, ergibt sich dabei bereits aus der Vorschrift selbst. Die Geltung des Verschlechterungs- und Störungsverbots knüpft demnach nicht daran an, ob ein Gebiet nach seiner Benennung gegenüber der Kommission im Sinne von § 32 Abs. 1 BNatSchG gemäß § 32 Abs. 2 i. V. m. § 20 Abs. 2 BNatSchG unter Schutz gestellt wurde. Bei Natura 2000/FFH-Gebieten gilt das Verschlechterungs- und Störungsverbot des § 33 Abs. 1 BNatSchG gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNatSchG vielmehr bereits nach Aufnahme des Gebiets in die Gemeinschaftsliste (vgl. Appel in Frenz/Müggenborg, a. a. O., § 33 Rn. 5).
57 
Nach dieser Maßgabe liegt ein geschützter Bereich vor. Das Natura 2000/FFH-Gebiet „Blumberger Pforte und Mittlere Wutach“, das im Jahr 2005 benannt und im Jahr 2011 in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen wurde (vgl. S. 1 des Standard-Datenbogens), umfasst auch wesentliche Teile der Tunnelanlagen der „Sauschwänzlebahn“, insbesondere den Weiler Kehrtunnel, und befindet sich in der unmittelbaren Nähe des weiteren Streckenverlaufs. Dass die auf der Grundlage von § 36 Abs. 2 BNatSchG vom Regierungspräsidium Freiburg beabsichtige „Verordnung zur Festlegung der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-VO)“ zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung noch nicht in Kraft getreten war und sich auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch im Auslegungsverfahren befand, ist für den unionsrechtlichen Schutz nach Art. 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie bedeutungslos, da dieser bereits mit der Aufnahme eines Natura 2000/FFH-Gebiets in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung einsetzt (Art. 4 Abs. 5 der FFH-Richtlinie). Der Betroffenheit des Gebiets steht entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht entgegen, dass die Tunnel keine natürlichen Lebensräume im Sinne von Art. 1 b i. V. m. Anhang I Ziffer 8 der FFH-Richtlinie darstellen und insoweit auch nicht als im Gebiet vorkommende Lebensraumtypen in diesem Sinn erfasst wurden (S. 3 des Standard-Datenbogens). Entscheidend ist vielmehr, dass der betroffene Bereich auch als Habitat von Fledermäusen und damit von Arten erfasst wurde, die in Anhang II der FFH-Richtlinie (Anhang II a: CHIROPTERA) genannt sind. Darüber hinaus unterscheidet § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG auch nicht zwischen Veränderungen oder Störungen von innen oder außen, sodass auch Maßnahmen außerhalb der Tunnel relevant sind, sofern sie die Population im Schutzgebiet selbst, das als bedeutsam für verschiedene Fledermausarten erfasst wurde (S. 4 und 6 des Standard-Datenbogens), betreffen (vgl. Frenz in ders./Müggenborg, a. a. O., § 33 Rn. 12 m. w. N.).
58 
(3) Ein Verstoß gegen § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG stand bei Erlass des Teilwiderrufs jedoch nicht fest, da bisher keine Verträglichkeitsprüfung im Sinne von § 34 Abs. 2 BNatSchG durchgeführt wurde.
59 
§ 34 BNatSchG und § 33 BNatschG verbürgen ein einheitliches Schutzniveau (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.7.2016 - a. a. O., juris Rn. 37; EuGH, Urteil vom 13.12.2007 - C-418/04 - NuR 2008, 101, juris Rn. 250). Daher kann auch bei der Anwendung von § 33 BNatschG auf die zu § 34 Abs. 2 BNatSchG entwickelten Maßstäbe zurückgegriffen werden. Die Verbotswirkung des § 33 BNatschG wird dementsprechend bereits dann aktiviert, wenn nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die in Rede stehende Veränderung oder Störung nachteilige Auswirkungen auf die im jeweiligen Gebiet verfolgten Erhaltungsziele oder Schutzzwecke hat (vgl. Gellermann in Landmann/Rohmer, a. a. O., § 33 Rn. 9 und § 34 Rn. 27 unter Verweis auf BVerwG, NuR 2007, 336, juris Rn. 41; EuGH, Urteil vom 7.9.2004 - C-127/02 - EuZW 2004, 730, juris Rn. 48 f.). Ob ein Projekt aber zu einer erheblichen Beeinträchtigung in diesem Sinne führen kann, erfordert eine Einzelfallbeurteilung, die wesentlich von naturschutzfachlichen Feststellungen und Bewertungen abhängt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.3.2008, a. a. O., juris Rn. 68). Für eine Verträglichkeitsprüfung hat eine sorgfältige Bestandserfassung und Bewertung in einem Umgang zu erfolgen, der es zulässt, die Einwirkungen des Projekts zu bestimmen und zu bewerten. Die Methode der Bestandsaufnahme ist nicht normativ festgelegt, die Methodenwahl muss aber die für die Verträglichkeitsprüfung allgemein maßgeblichen Standards der „besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse“ einhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 6.11.2012 - 9 A 17/11 - NuR 2014, 344, juris Rn. 31). Insoweit ist ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen (BVerwG, Urteil vom 12.3.2008 - a. a. O. - juris Rn. 74; Frenz in ders./Müggenborg, a. a. O., § 34 Rn. 96; kritisch hierzu m. w. N. Meßerschmidt, BNatSchG, 116. EL 2013, § 34 Rn. 128 m. w. N.). In die Prüfung sind dabei auch Schutzmaßnahmen einzubeziehen, wie sie vom Vorhabenträger geplant sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.4.2010 - 9 A 5/08 - NVwZ 2010, 1225, juris Rn. 57; Frenz in ders./Müggenborg, a. a. O., § 34 Rn. 55; Gellermann in Landmann/Rohmer, § 34 Rn. 32 m. w. N.). Bei geschützten Arten dürften vorhabenbedingte Beeinträchtigungen einschließlich Stressfaktoren die artspezifische Populationsdynamik keinesfalls so stören, dass eine Art nicht mehr ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraums, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird. Bei Arten ist insoweit nicht schon jeder Flächen- oder Habitatsverlust erheblich, da dieser nicht ohne Weiteres zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der geschützten Art führt und vielmehr die Stabilität der Population entscheidend ist. Erst wenn eine Art auf die verlorenen Flächen angewiesen ist und nicht auf andere Flächen ohne Qualitäts- und Quantitätsverluste ausweichen kann, liegt eine erhebliche Beeinträchtigung vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.3.2008, a. a. O., juris Rn. 132).
60 
Eine solche umfassende und von der zuständigen Behörde verantwortlich durchzuführende Verträglichkeitsprüfung hatte vor Erlass des Teilwiderrufs und hat auch bis heute nicht stattgefunden, ist jedoch zwingend vor einem - auch teilweisen - Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses durchzuführen. Zwar fällt - wie bereits gezeigt (siehe oben: B. III. 1. c) aa)) - die Ausführung eines Projekts, das vor einer Gebietsbenennung genehmigt wurde und daher nicht den Vorgaben der FFH-Richtlinie über die ex-ante Prüfung gemäß § 34 Abs. 1 BNatSchG (Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie) unterlag, unter § 33 Abs. 1 BNatSchG (Art. 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie). Die Ausführung eines solchen Projekts darf nur dann fortgesetzt werden, wenn die Wahrscheinlichkeit oder Gefahr einer Verschlechterung der Lebensräume oder der Störung von Arten ausgeschlossen ist. Ist dies nicht der Fall, weil das Projekt keiner nachträglichen Verträglichkeitsprüfung unterzogen wurde, konzentriert sich die aus Art. 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie abzuleitende allgemeine Schutzpflicht (zunächst) auf die Pflicht zur Durchführung dieser Prüfung (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.7.2016, a. a. O., juris Rn. 38; EuGH, Urteil vom 14.1.2016, a. a. O., juris Rn. 43 f.). Ein Verstoß gegen § 33 Abs. 1 BNatSchG kommt damit nur in Betracht, wenn eine Verträglichkeitsprüfung auch unter Berücksichtigung der Genehmigung über eine Ausnahme (§ 33 Abs. 1 Satz 2, § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG, Art. 6 Abs. 4 der FFH-Richtlinie) zu einer Unzulässigkeit des Vorhabens führt. Es wäre wertungswidersprüchlich, wenn für mit potentiell gravierenden Folgen verbundene Projekte im Sinne des § 34 Abs. 1 BNatSchG Ausnahmemöglichkeiten bestünden, potentiell weniger schwerwiegende Maßnahmen hingegen nicht (vgl. Appel in Frenz/Müggenborg, a. a. O., § 33 Rn. 13 m. w. N.).
61 
cc) Der vom Planfeststellungsbeschluss umfasste Winterbetrieb auf dem Streckenabschnitt zwischen dem Bahnhof Zollhaus-Blumberg und Bahnhof Weizen verletzt jedoch das artenschutzrechtliche Zugriffsverbot des Unionsrechts nach § 44 Abs. 1 BNatSchG. Die Regelung ist auch auf das vorliegende Altvorhaben anwendbar (dazu (1)) und zumindest die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG sind erfüllt (dazu (2)). Ob darüber hinaus auch die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG gegeben sind, kann damit dahinstehen (dazu (3)).
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(1) § 44 BNatSchG ist auf den Winterbetrieb der „Sauschwänzlebahn“ anwendbar, auch wenn die hierin normierten artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht in Kraft waren. Die Regelung des § 44 BNatSchG, die unter anderem Art. 12 und 16 der FFH-Richtlinie umsetzt (vgl. Frenz/Lau in ders./Müggenborg, a. a. O., Vorb. §§ 44-45 Rn. 1 ff., 21ff.), findet auch auf bereits zugelassene Vorhaben Anwendung, wenn nachträglich artenschutzrechtliche Konflikte auftreten. Grundsätzlich erschöpfen sich die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote in ihrer Funktion als Zulassungsvoraussetzung zwar mit einer Zulassungsentscheidung, im Rahmen derer sie geprüft worden sind. In ihrer Funktion als verhaltensbezogene Sanktionsnorm bleiben sie jedoch anwendbar mit der Folge, dass auch für solche Verstöße gegen artenschutzrechtliche Vorschriften, die zum Zeitpunkt der Planfeststellung noch nicht vorhersehbar waren, die nachträgliche Prüfung und gegebenenfalls Erteilung entsprechender Ausnahmegenehmigungen erforderlich ist. Hierfür spricht, dass Art. 12 und 16 der FFH-Richtlinie keine Ausnahme für den Vollzug bestandskräftiger Planungs- oder Zulassungsentscheidungen enthalten und allein die Rechtmäßigkeit einer Handlung nach Sinn und Zweck der FFH-Richtlinie nicht jeden insoweit unausweislichen Zugriff legitimiert (vgl. EuGH, Urteil vom 20.10.2005 - C-6/04 - NuR 2006, 494, juris Rn. 113). Art. 16 der FFH-Richtlinie ermöglicht Abweichungen vom Artenschutz nur unter engen Voraussetzungen und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darf jeder Eingriff, der unionsrechtlich geschützte Arten betrifft, nur mit einer Entscheidung genehmigt werden, die mit einer genauen und angemessenen Begründung versehen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 8.6.2006 - C-60/05 -, NuR 2007, 196, juris Rn. 34). Insoweit ist es strukturell mit dem Unionsrecht nicht vereinbar, Planfeststellungsbeschlüssen eine Ausnahmegenehmigung für alle zukünftigen und zunächst unabsehbaren Verstöße gegen artenschutzrechtliche Vorschriften beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der FFH-Richtlinie ist nicht erkennbar, dass es geboten wäre, in Bezug auf Fragen des Vertrauensschutzes zwischen Regelungen der Art. 3 ff. der FFH-Richtlinie zum Habitatschutz und den Regelungen der Art. 12 ff. der FFH-Richtlinie zum Artenschutz zu differenzieren. Der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 6 der FFH-Richtlinie (siehe oben: III 1. c) bb)) kann insoweit entnommen werden, dass das von der FFH-Richtlinie verfolgte Ziel der Erhaltung der biologischen Vielfalt nicht generell hinter den Vertrauensschutz eines durch einen bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss Begünstigten zurücktritt. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass - wie die vorliegende Fallkonstellation zeigt - angesichts der ansonsten dauerhaft bestehenden Legalisierungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses keine Möglichkeit verbliebe, mit Mitteln des Artenschutzrechts auf das Schutzbedürfnis neu eingewanderter Arten zu reagieren (vgl. zum Ganzen Müller-Mitschke, NuR 2018, 453, 464 f. m. w. N.; Lieber, NuR 2012, 655, 667 f. m. w. N.; Lau in Frenz/Müggenborg, a. a. O., § 44 Rn. 8).
63 
Nach dieser Maßgabe ist auch der bereits im Jahr 1978 planfestgestellte Winterbetrieb der Museumsbahn auf dem streitigen Streckenabschnitt an den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten zu messen. Dies gilt umso mehr, als es - die Richtigkeit der diesbezüglichen Feststellungen des Regierungspräsidiums Freiburg unterstellt - vorliegend nicht nur zum Auftreten neuer Arten gekommen ist, nachdem eine den Anforderungen der FFH-Richtlinie entsprechende artenschutzrechtliche Prüfung bereits stattgefunden hätte. Vielmehr wurde das Vorhaben im Jahr 1978 - wie bereits dargestellt - mangels entsprechender gesetzlicher Vorgaben ohne entsprechende Untersuchungen planfestgestellt. Etwaiges Vertrauen der Klägerin und ihrer Rechtsvorgängerinnen darauf, künftig keine artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote beachten zu müssen, kann insoweit zumindest auch nicht auf der Grundlage der damaligen Zulassungsentscheidung begründet worden sein.
64 
(2) Die bislang uneingeschränkt zugelassene Durchführung von Fahrten durch die Tunnel im Winter verletzt das aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG folgende Tötungsverbot.
65 
Nach dieser Vorschrift ist es unter anderem verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Besonders geschützte Arten im Sinne dieser Vorschrift sind die von der Verweisung des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 BNatSchG erfassten Tierarten, mithin unter anderem gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 b) BNatSchG solche, die im Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) aufgeführt sind. Die Tatbestandsverwirklichungsform der Tötung, die einen unmittelbaren Zugriff auf das Leben eines Tieres voraussetzt, ist zwar individuenbezogen, aus Verhältnismäßigkeitsgründen und mit Blick auf den Normzweck reicht es jedoch bezogen auf Tierkollisionen bei verkehrsbezogenen Vorhaben (zur Anwendbarkeit auf weitere Vorhabentypen vgl. auch Lau in Frenz/Müggenborg, a. a. O., § 44 Rn. 14 m. w. N.) nicht aus, dass das Risiko besteht, dass einzelne Exemplare getötet werden. Das artenschutzrechtliche Tötungsverbot ist damit nicht erfüllt, wenn das vorhabenbedingte Tötungsrisiko unter Berücksichtigung von Schadensvermeidungsmaßnahmen nicht signifikant höher ist als das Risiko, dem einzelne Exemplare der jeweiligen Art im Rahmen des allgemeinen Naturgeschehens stets ausgesetzt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.1.2014 - 9 A 4.13 - NVwZ 2014, 1008, juris LS 7). Der Signifikanzansatz gilt dabei nicht nur für das betriebsbedingte Risiko von Kollisionen, sondern auch für bau- und anlagenbezogene Risiken (vgl. BVerwG, Urteil vom 6.4.2017 - 4 A 16.16 - NVwZ-RR 2017, 768, juris Rn. 73 m. w. N.). Zwischenzeitlich hat auch der Gesetzgeber den Signifikanzansatz durch das Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 15. September 2017 (BGBl. I S. 3434) in die Neufassung des § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG aufgenommen. Für die fachliche Beurteilung ist der Planfeststellungsbehörde eine Einschätzungsprärogative eingeräumt (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.3.2018 - 9 B 25.17 - juris Rn. 12 und Urteil vom 6.4.2017, a. a. O., juris Rn. 58, jeweils m. w. N.). Die auf fachgutachterliche Stellungnahmen gestützten Annahmen der Planfeststellungsbehörde unterliegen gerichtlicher Prüfung nur dahin, ob sie im Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.3.2018 - 9 B 25/17 - juris Rn. 12 m. w. N.). Ausreichend ist eine am Maßstab praktischer Vernunft orientierte Prüfung (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.8.2009 - 9 A 64.07 - NuR 2010, 276, juris Rn. 37). Umstände, die für die Beurteilung der Signifikanz eine Rolle spielen, sind dabei insbesondere artenspezifische Verhaltensweisen, häufige Frequentierung des durchschnittenen Raums und die Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen und weitere Kriterien im Zusammenhang mit der Biologie der Art (vgl. BVerwG, Urteil vom 6.4.2017, a. a. O., juris Rn. 75 m. w. N.). Eine signifikante Risikoerhöhung liegt demnach vor, wenn es um Tiere geht, die aufgrund ihrer Verhaltensweisen im Vorhabenbereich ungewöhnlich stark von den Risiken der mit dem Vorhaben verbundenen Auswirkungen betroffen sind, sich diese Risiken auch durch die konkrete Ausgestaltung des Vorhabens einschließlich etwaiger Vermeidungsmaßnahmen nicht beherrschen lassen und es somit zu einer deutlichen Steigerung des Tötungsrisikos kommt, die nicht mehr unterhalb des Gefahrenbereichs bleibt, der mit der betreffenden Tätigkeit im Naturraum immer verbunden ist (vgl. Lau in Frenz/Müggenburg, BNatSchG, 2. Auflage 2015, § 44 Rn. 14 m. w. N.).
66 
Nach dieser Maßgabe ist die Annahme des Regierungspräsidiums Freiburg, die Durchfahrt der Züge führe zu einer Verletzung des Tötungsverbots, eine naturschutzfachlich vertretbare Einschätzung. Dabei kann dahinstehen, ob der Signifikanzansatz auch in der vorliegenden Fallkonstellation, in der sich eine von den typischen Verkehrskollisionsrisiken abweichende Gefährdungslage ergibt, anwendbar ist. Denn auch bei Zugrundelegung des strengeren Signifikanzmaßstabs sind die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllt. Insbesondere unter Berücksichtigung der Angaben des Sachverständigen Dr. B. und des sachkundigen Mitarbeiters des Beklagten Dr. K. in der mündlichen Verhandlung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die behördliche Annahme auf einem unzulänglichen oder ungeeigneten Bewertungsverfahren beruht. Sämtliche Microchiroptera, mithin alle Fledermausarten, zählen zu den von der FFH-Richtlinie erfassten streng geschützten Tierarten. Ausweislich der von Dr. B erstellten Gutachten zur Fledermauserfassung in den Tunneln der „Sauschwänzle Bahn“ vom 12. Mai 2015 und 12. Mai 2017 konnten in den Erfassungszeiträumen vom 25. Februar 2014 bis 31. März 2015 und vom 2. November 2016 bis 30. März 2017 im betroffenen Streckenabschnitt in mehreren Tunneln verschiedene Fledermausarten mittels visueller Kontrollen und akustischer Erfassung nachgewiesen werden. Auch die Klägerin bestreitet das Vorkommen von Fledermäusen nicht. Anhaltspunkte für methodische Mängel der Begutachtung werden von ihr nicht dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Im Weiler Kehrtunnel hat der Sachverständige Dr. B bei Hangplatzkontrollen eine große Winterschlafgesellschaft der Mopsfledermaus, bestehend aus bis zu 215 Einzeltieren am 24. Februar 2015 festgestellt, wobei die Tiere gut sichtbar frei unter der Tunneldecke hingen. Hinzu kamen bis zu 104 Mopsfledermäuse an Einzelhangplätzen sowie ein Exemplar der Art Mausohr, die ausweislich des Gutachtens, wie Mopsfledermäuse und Fledermäuse der Art Großes Langohr, vor allem frei an der Tunneldecke oder an den Tunnelwänden hängend überwinterten, während andere Fledermausarten demnach Spaltenquartiere oder Tunnelnischen bevorzugten. Auch im Stockhalder Kehrtunnel wurden von dem Gutachter Dr. B. überwinternde Mopsfledermäuse, Mausohren und einzelne Exemplare des Großen Langohres beobachtet. Im Grimmelshofener Tunnel wurden einzelne Exemplare winterschlafender Mopsfledermäuse festgestellt. Gleiches gilt ausweislich des Gutachtens von Dr. B. vom 12. Mai 2017 auch für den Tunnel am Achdorfer Weg, in dem schwerpunktmäßig Mopsfledermäuse freihängend unter der Decke beobachtet wurden, und den Buchbergtunnel, wenn auch dort nur über eine kurzen Zeitraum im Winter 2016/2017. In Ergänzung der schriftlichen Gutachten hat der Sachverständige Dr. B., unterstützt durch Angaben von Dr. K., überzeugend dargelegt, dass mit der Durchfahrt von Zügen für die überwinternden Tiere ein konkretes Tötungsrisiko verbunden ist. Dr. B hat eindrücklich beschrieben, dass die in den Tunneln überwinternden Fledermäuse sich in dieser Zeit in einem Torpor, mithin einem einer absoluten Lethargie vergleichbaren Schlafzustand, befänden, bei dem Stoffwechsel- und Energieumsatzprozesse auf ein Minimum gesenkt würden und im Rahmen dessen die Tiere vollkommen inaktiv seien. Zwar erfolgten in diesem Zustand kaum Reaktionen auf äußere Einflüsse. Die mit der Durchfahrt eines Zuges, insbesondere einer Dampflokomotive der Museumsbahn, verbundenen optischen und akustischen Reize, die als außergewöhnlich intensiv anzusehen seien, sowie die zu erwartenden Erschütterungen führten jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dazu, dass es zu reflexartigen Zuckungen zumindest einzelner Tiere kommen könne mit der Folge, dass diese potentiell ihren Halt an der Tunneldecke oder -wand verlieren und herabfallen könnten. Dieser Effekt zeige sich insbesondere auch innerhalb von größeren Winterschlafgemeinschaften, wie sie im Weiler Kehrtunnel anzutreffen seien. Die Fledermäuse hingen dort in sehr engen Abständen zueinander, um sich gegenseitig vor Witterungseinflüssen zu schützen. Das unwillkürliche Zucken einzelner Tiere könne sich innerhalb der Gruppe verstärken und das Risiko des Herabfallens erhöhen. Da die Tiere mindestens etwa 30 Minuten benötigten, um aus dem Torpor zu erwachen, seien sie auch nicht in der Lage, beim Herabfallen kurzfristig zu reagieren und sich vor den Aufprallrisiken und dem in der Folge auch bestehenden Kollisionsrisiko mit dem Zug, der für das Herabfallen ursächlich war, oder weiteren Folgezügen zu schützen. Es sei insoweit auch naheliegend, dass die Tiere durch den Aufprall oder eine etwaige Kollision lebensgefährliche Verletzungen erlitten.
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Für den erkennenden Senat sind keine Gründe ersichtlich, die Anlass gäben, angesichts der überzeugenden Erläuterungen von Dr. B. und Dr. K. am Vorliegen eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos zumindest für überwinternde Mopsfledermäuse, die in allen Tunnelanlagen einzeln oder in Gruppen und frei unter der Tunneldecke oder an den Tunnelwänden hängend angetroffen wurden und damit in ungewöhnlich ausgeprägter Weise den Durchfahrtsrisiken ausgesetzt sind, zu zweifeln und die Einschätzung des Regierungspräsidiums Freiburg als unvertretbar anzusehen. Vor dem Hintergrund des durch § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bezweckten Schutzes auch einzelner Individuen kommt es bei der Betrachtung gerade nicht auf die Gefährdung der gesamten Population oder Art an. Dass potentiell nur eine Minderheit der überwinternden Fledermäuse betroffen sein könnte, ist damit nicht entscheidend. Dass das allgemeine Lebensrisiko im Rahmen des Naturgeschehens zu einer vergleichbaren Sterblichkeitsquote der überwinternden Fledermäuse führen würde, ist in Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei den Tunnelanlagen um grundsätzlich auch vor Feinden in der Natur schützende Überwinterungsplätze handelt und die Durchfahrt der Züge ein vom Naturgeschehen deutlich abweichendes und spezielles neues Risiko erzeugen, nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerin spätestens seit dem Jahr 2010 in den Tunneln auch im Winter Fahrten zur Wartung durchgeführt haben und sich die Population auch der Mopsfledermaus dennoch zumindest stabil gezeigt hat, zwingt entgegen der Annahme der Klägerin nicht zu dem Rückschluss, dass ein individuelles Tötungsrisiko nicht besteht. Denn es ist insoweit davon auszugehen, dass die Populationen den eventuell bereits eingetretenen Verlust einzelner Individuen verkraftet hätten. Zudem mangelt es an greifbaren Erkenntnissen zu der Frage, über wie viele Mitglieder die Population ohne die entsprechenden Wartungsfahrten verfügen würde. Es ist auch nicht ersichtlich, dass weitergehende Erkenntnismöglichkeiten bestünden, mittels derer ein noch sicherer Nachweis erfolgen könnte, zumal jegliches Aufsuchen der Tiere in ihren geschützten Winterquartieren im Grundsatz zu vermeiden ist (vgl. dazu auch § 39 Abs. 6 BNatSchG) und Versuchsreihen beispielsweise zur weiteren Untersuchung des Verhaltens der Fledermäuse bei der Durchfahrt von Zügen keinesfalls in Betracht kommen.
68 
Kein anderes Ergebnis ergibt sich unter Berücksichtigung des Privilegierungstatbestandes des § 44 Abs. 7 Nr. 1 BNatSchG. Vielmehr ist diese Regelung nur anwendbar, wenn bereits im Rahmen eines Zulassungsverfahrens eine Prüfung der mit dem Vorhaben verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft richtig gesehen und bewältigt worden wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.7.2011 - 9 A 12.10 - juris Rn. 118; Lau in Frenz/Müggenborg, a. a. O., § 44 Rn. 43 m. w. N.), was vorliegend nicht der Fall ist. Die Annahme eines Verstoßes gegen das Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist auch nicht aufgrund einer Legalausnahme im Sinne des § 45 Abs. 1 bis 5 BNatSchG ausgeschlossen. Weiterhin ist eine behördliche Zulassung im Einzelfall (vgl. zu dieser Differenzierung Schütte/Gerbig in GK-NatSchG, 2. Auflage 2017, § 45 Rn. 2) im Sinne des § 45 Abs. 6 bis 8 BNatSchG durch das Regierungspräsidium Freiburg als höhere Naturschutzbehörde (§ 68 Abs. 3 Nr. 8, § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NatSchG) nicht erfolgt. Gleiches gilt - unabhängig von den diesbezüglichen unionsrechtlichen Bedenken (vgl. Sauthoff in GK-BNatSchG, a. a. O., § 67 Rn. 4 m. w. N.) - für eine Befreiung im Sinne von § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG. Ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vorlägen, bedarf daher keiner Erörterung, zumal sich die Klägerin hierauf auch nicht berufen hat.
69 
(3) Sind die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bereits wegen des Risikos der Tötung individueller Fledermausarten durch Herabfallen erfüllt, kommt es auf die Frage, ob die Durchfahrt von Dampflokomotiven mit einer unmittelbar zur Tötung einzelner Fledermäuse führenden Hitzeeinwirkung oder tödlichen Abgaseinwirkung verbunden sein kann, nicht an. Auch kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG erfüllt sind, insbesondere, ob von einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der lokalen Populationen einzelner Fledermausarten auszugehen wäre. Schließlich bedarf es auch keiner weiteren Aufklärung, ob das regelmäßige Durchfahren der Tunnel bezogen auf deren Funktion als Ruhestätte zu einer Schädigung oder Zerstörung im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG führt.
70 
2. Die Jahresfrist des § 49 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 LVwVfG war bei Erlass des Teilwiderrufs nicht abgelaufen. Diese Vorschrift regelt eine Entscheidungsfrist, die erst zu laufen beginnt, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über den Widerruf zu entscheiden (vgl. BVerwG (GrSen), Beschluss vom 19.12.1984 - GrSen 1/84 und GrSen 2GrSen 2/84 - NJW 1985, 910, juris Rn. 19 ff.). Diese Voraussetzungen waren - wie das Regierungspräsidium im Bescheid vom 27. Oktober 2016 einräumt und was objektiv zutrifft - selbst im Entscheidungszeitpunkt noch nicht erfüllt, da noch weitere Gutachten ausstanden.
71 
3. Die Entscheidung, den Planfeststellungsbeschluss einheitlich bezogen auf den gesamten Streckenabschnitt und uneingeschränkt für den Zeitraum vom 1. November eines jeden Jahres bis zum 31. März. des jeweiligen Folgejahres zu widerrufen, ist jedoch unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft, weil das Regierungspräsidium damit die Grenzen seines Ermessens überschritten hat (vgl. W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, a. a. O., § 114 Rn. 43 m. w. N.).
72 
Gemäß § 114 VwGO prüft das Gericht auch, ob ein Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind. Dabei reicht es für das Vorliegen eines Ermessensfehlers allein nicht aus, wenn die Behörde hinsichtlich eines bestimmten Sachverhalts zu wenig Aufklärungsarbeit geleistet hat. Entscheidend für den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens ist vielmehr, ob sich der angenommene Sachverhalt im Ergebnis als unzutreffend erweist, weil tatsächlich vorhandene entscheidungserhebliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen oder falsch gewichtet wurden (vgl. Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., § 24 Rn, 58 m. w. N.). Belastende Ermessensentscheidungen müssen den aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Dieser verlangt, dass die Maßnahme zur Erreichung des Zwecks der Ermessensermächtigung geeignet ist, mithin einen Beitrag dazu leistet, dass der Zweck der Ermächtigung erreicht wird. Die Maßnahme muss weiterhin erforderlich sein, die Behörde muss also unter mehreren in gleicher Weise geeigneten Mitteln das mildere Mittel, mithin die am wenigsten belastende Maßnahme wählen. Schließlich muss die Maßnahme auch angemessen sein, woran es fehlt, wenn die Schwere der Belastung für den Bürger außer Verhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck steht. Diesbezüglich bedarf es einer Abwägung, bei der die betroffenen privaten und öffentlichen Interessen nach ihrer konkreten Betroffenheit im jeweiligen Einzelfall gewichtet werden müssen (vgl. zum Ganzen Schönenbroicher in Mann/Sennekamp/Uechtritz, a. a. O., § 40 Rn. 23 ff. m. w. N.; Ramsauer in Kopp/ders., a. a. O., § 40 Rn. 48 m. w. N.).
73 
Nach dieser Maßgabe erweist sich der Teilwiderruf im vorgenommenen Umfang als ermessensfehlerhaft, weil er zumindest nicht erforderlich ist. Das Regierungspräsidium Freiburg als Planfeststellungsbehörde hat es im Rahmen seines Auswahlermessens unterlassen, ernsthaft in Betracht kommende und die Rechte der Klägerin im Verhältnis zum Teilwiderruf weniger beschneidende Maßnahmen sachgerecht einzubeziehen. Insbesondere die Möglichkeit der Aufnahme einer nachträglichen Nebenbestimmung zum Schutz der Fledermäuse anstelle des Teilwiderrufs wurde dabei verkannt.
74 
Das Regierungspräsidium ging nach der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids im Ansatz zutreffend davon aus, dass ein Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses wegen dessen erhöhter Bestandskraft für ein fertiggestelltes und in Betrieb genommenes Vorhaben nur ultima ratio sein könne und dass vorrangig Schutzauflagen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG in Betracht gezogen werden müssten. Diese Vorschrift sei jedoch nur anwendbar, wenn es um subjektive Rechte Dritter gehe. Da der mit dem Teilwiderruf verfolgte Schutzzweck des Artenschutzes dem Allgemeinwohl diene, scheide der Erlass einer Schutzauflage auf dieser Grundlage aus.
75 
Ob diese Rechtsauffassung, gerade auch in Bezug auf vorrangiges Unionsrechts, zutrifft (kritisch hierzu: Neumann/Külpmann in Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., § 72 Rn. 116; Lieber, NuR 2012, 655, 669; Steinberg/Wickel/Müller, a. a. O., § 5 Rn. 20, 23; Kratsch in Schuhmacher/Fischer-Hüftle, a. a. O. § 45 Rn. 61, Senatsbeschluss vom 3.2.2012 - 5 S 190/12 - nicht veröffentlicht, UA S. 7 f.;) kann dahinstehen, da zumindest auf der Grundlage von § 72 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 36 Abs. 2 LVwVfG anstelle eines Teilwiderrufs nachträgliche Nebenbestimmungen grundsätzlich möglich gewesen wären. Die Regelung des § 75 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG lässt - wie bereits gezeigt (siehe oben: B. II.) - die Möglichkeit unberührt, den Planfeststellungsbeschluss auf der Grundlage von §§ 48, 49 LVwVfG zurückzunehmen oder zu widerrufen. Dies schließt auch die Möglichkeit nachträglicher Nebenbestimmungen nach § 36 Abs. 2 LVwVfG als Minus zu Rücknahme und Widerruf ein (vgl. Ramsauer/Wysk in Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 75 Rn. 42; § 48 Rn. 30; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.1.2012 - 5 S 196/12 - NVwZ-RR 2012, 340, juris Rn. 9; allgemein zur nachträglichen Beifügung einer Nebenbestimmung: VGH Bad-Württ., Urteil vom 14.4.2009 - 8 S 2322/07 - juris LS 1 und Rn. 21). Die Vorschriften zu Rücknahme und Widerruf (§§ 48 und 49 LVwVfG) verfolgen den Zweck, einen Ausgleich zwischen Vertrauensschutz und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung herzustellen und können diese Funktion nur erfüllen, wenn sie - als Mittelweg zwischen unverändertem Fortbestehen und vollständiger Aufhebung des Verwaltungsakts auch die nachträgliche Beifügung oder Veränderung von Nebenbestimmungen zulassen (vgl. Weiß in Mann/Sennekamp/Uechtritz, a. a. O., § 36 Rn. 94 m. w. N.). Insoweit besteht angesichts der gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG anzunehmenden Anwendbarkeit auch der Regelungen des § 36 Abs. 2 und 3 LVwVfG auf einen Planfeststellungsbeschluss (vgl. Neumann/Külpmann in Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., § 72 Rn. 103; Lieber in Mann/Sennekamp/Uechtritz, a. a. O., § 72 Rn. 177 ff.) kein Anlass, bezogen auf Planfeststellungsverfahren generell nur den indirekten Weg zuzulassen, den Verwaltungsakt aufzuheben und anschließend einschließlich einer Nebenbestimmung neu zu erlassen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der nachträgliche Erlass einer Nebenbestimmung, anders als der Teilwiderruf, im Grundsatz eine Änderung oder Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses darstellen könnte, mithin selbst eine planerische Entscheidung, mit der Folge, dass die Durchführung eines förmlichen Planfeststellungsverfahrens statt eines allgemeinen Verwaltungsverfahrens erforderlich wäre. Vielmehr handelt es sich bei der nachträglichen Änderung oder Ergänzung durch eine Nebenbestimmung als Schutzvorkehrung nicht um eine durch Finalsätze strukturierte Abwägungsentscheidung, sondern um eine Reaktion auf nachträglich eingetretene schädliche Auswirkungen (vgl. zu § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Abs. 3 VwVfG: Deutsch in Mann/Sennekamp/Uechtritz, a. a. O., § 75 Rn. 181 f. m. w. N.; Neumann/Külpmann in Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., § 75 Rn. 91; Ramsauer/Wysk in Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 75 Rn. 58 m. w. N.).
76 
Auf dieser Grundlage hätte sich das Regierungspräsidium bei der Ermessensentscheidung mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der bezweckte Schutz der Fledermäuse es tatsächlich erfordert, uneingeschränkt über den gesamten Winterzeitraum eines jeden Jahres vom 1. November bis zum 31. März des Folgejahres in allen Tunneln des streitigen Streckenabschnitts jeglichen Betrieb auch in Form von Fahrten zu Wartungs- und Reparaturzwecken durch vollumfängliche Aufhebung der aus dem Planfeststellungsbeschluss folgenden Rechte zu verhindern. Zwar hat unter anderem die Anhörung des Sachverständigen Dr. B. und des sachkundigen Mitarbeiters Dr. K. in der mündlichen Verhandlung ergeben, dass es im Hinblick auf die ausgeprägte Empfindlichkeit der Fledermäuse nur schwer möglich sein dürfte, die Durchfahrten durch Absenkung der Geschwindigkeiten, Verzicht auf Dampfausstöße beim Einsatz von Dampflokomotiven, Verzicht auf Beleuchtung und ähnliche technische Maßnahmen allgemein so zu gestalten, dass es nicht zu einer Störung der Tiere mit der Folge des Risikos unter anderem des Herabfallens kommt. Entsprechenden Auflagen dürfte es insoweit wohl an der gleichen Eignung mangeln. Auch liegen jedenfalls bislang keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der Schutzzweck dadurch erreicht werden könnte, dass der Klägerin auferlegt wird, die Tunnel durch bauliche Maßnahmen so umzugestalten, dass sich von den Fledermäusen akzeptierte Schutzräume ergäben und dennoch eine Durchfahrt von Zügen möglich wäre. Entsprechende Studien zur Machbarkeit eines Kammer-Trenn-System, die in Bezug auf die Tunnel der Hermann-Hesse Bahn im Landkreis Calw eingeleitet wurden, konnten noch nicht abgeschlossen werden.
77 
Es erscheint jedoch angesichts der sich bereits aus den Gutachten von Dr. B. vom 12. Mai 2015 und 12. Mai 2017 ergebenden ausgeprägten Fluktuation der Tiere, die demnach unter anderem in milden Wintern die Winterquartiere erst später beziehen oder angesichts des nur zeitlich begrenzten Torpors früher wieder verlassen und zudem Hangplätze auch im Winter wechseln, nicht ausgeschlossen, unter anderem Fahrten in solchen Zeiträumen zu ermöglichen, in denen sichergestellt ist, dass sich in den Tunneln noch keine überwinternden Fledermäuse oder keine überwinternden Tiere mehr befinden und folglich ein Tötungs- oder Verletzungsrisiko nicht besteht. So wurde ausweislich des Gutachtens vom 12. Mai 2015 beispielsweise im Winter 2014 im Weiler Kehrtunnel, mithin dem Tunnel mit der größten Winterschlafgesellschaft, am 4. November 2014 nur ein einzelnes Exemplar der Mopsfledermaus und ein weiteres Exemplar des Mausohres angetroffen, erst zu Dezemberbeginn erhöhte sich die Anzahl maßgeblich. Mitte März 2017 hatte ein Großteil der Fledermäuse die Ruhestätte wieder aufgegeben. Im Grimmelshofener Tunnel, in dem ausweislich der Gutachten generell nur sehr wenige Tiere überwintern, wurde im November 2014 und am 24. Februar 2017 kein einziges Exemplar der Mopsfledermaus angetroffen. Ähnlich ausgeprägt sind die divergierenden Besatzzahlen ausweislich des Gutachtens vom 12. Mai 2017 im Tunnel am Achdorfer Weg und besonders im Buchbergtunnel, in dem demnach nur vereinzelte Exemplare überwintern und beispielsweise am 2. November 2016, am 27. Dezember 2016, am 24. Januar 2017 und am 21. März 2017 kein überwinterndes Tier angetroffen wurde. Vor diesem Hintergrund wäre es demnach auch unter Berücksichtigung des von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG beabsichtigten Individuenschutzes im Grundsatz möglich, die Durchführung von einzelnen Fahrten insbesondere in den Randzeiten des Winters und den weniger stark frequentierten Tunneln - bei entsprechender Witterung aber gegebenenfalls auch in weiteren Zeiträumen - unter bestimmten, noch zu klärenden Bedingungen zugelassen bleiben. Dabei wird nicht verkannt, dass mit einer derartig einschränkenden Nebenbestimmung die Durchführung von Publikumsfahrten über den gesamten Streckenabschnitt oder auch nur zwischen dem Bahnhof Zollhaus-Blumberg und dem Bahnhof Fützen, wie von der Klägerin zuletzt beabsichtigt, nur schwer organisierbar sein dürfte. Insoweit wäre der Klägerin gegebenenfalls auch noch Gelegenheit zu geben, ihr bisheriges planfestgestelltes Betriebskonzept zu überdenken und gegebenenfalls zu modifizieren. Zum Nachweis des Risikoausschlusses erforderliche Besatzkontrollen dürften nur kurzfristig vor der beabsichtigten Fahrt möglich sein mit der Folge, dass entsprechende Fahrtangebote kaum rechtzeitig ausgeschrieben werden könnten. Insbesondere im Hinblick auf die von der Klägerin beabsichtigten Winterfahrten zur Wartung und Reparatur, die von dem Teilwiderruf ebenfalls ausnahmslos erfasst und damit generell über den gesamten Zeitraum unzulässig werden, dürfte sich eine entsprechend eingeschränkte Zulassung jedoch als potentiell geeignet erweisen und hätte daher vom Regierungspräsidium erwogen werden müssen.
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Dass es einer entsprechenden Ausnahmeregelung für Fahrten zumindest im Einzelfall bedarf und der ausnahmslose Ausschluss aller Fahrten sich als nicht erforderlich im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erweist, hat letztlich auch das Regierungspräsidium erkannt und aus diesem Grund mit seiner Entscheidung Nr. 2 im Bescheid vom 27. Oktober 2016 eine Regelung zur Wiedererteilung einer Genehmigung einzelner Fahrten aufgenommen. Diese Regelung, die angesichts der fehlenden konkreten Bezugnahme auf die Anforderungen des § 44 Abs. 1 BNatSchG zudem - hier nicht weiter nachzugehenden - Bestimmtheitsbedenken (§ 37 Abs. 1 LVwVfG) begegnet, beschränkt sich jedoch gerade nicht auf die nachträgliche Aufnahme einer entsprechenden Nebenbestimmung in den im Übrigen weiterhin wirksamen Planfeststellungsbeschluss als Grundlage für den Betrieb der Eisenbahn. Vielmehr geht die Regelung von dem - aus den genannten Gründen unverhältnismäßigen - Teilwiderruf in dem sich aus der Entscheidung Nr. 1 des Bescheids vom 27. Oktober 2016 ergebenden Umfang aus und lässt die für möglich gehaltene Ausnahme ungeklärt. Ausweislich der Begründung des Bescheids soll der bisher planfestgestellte Betrieb gerade nicht mehr auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses, sondern aufgrund einer neu und im Einzelfall zu erteilenden Ausnahmegenehmigung ermöglicht werden. Dieser Regelungszusammenhang begegnet im Übrigen auch im Hinblick auf § 18 AEG rechtlichen Bedenken.
79 
Soweit der Beklagte mit der Entscheidung Nr. 2 beabsichtigt haben sollte, Fahrten im Winterzeitraum im Einzelfall unter Bezugnahme auf die Regelung des § 67 Abs. 2 BNatSchG einem Befreiungsvorbehalt zu unterwerfen, hätte es auch insoweit eines Teilwiderrufs des Planfeststellungsbeschlusses nicht bedurft; vielmehr hätte auch der Vorbehalt einer Befreiung im Wege einer Bedingung in den Planfeststellungsbeschluss nachträglich aufgenommen werden können.
80 
Da angesichts der erfolgreichen Klage gegen Entscheidung Nr. 1 das durch den Planfeststellungsbeschluss eingeräumte Recht der Klägerin zur uneingeschränkten Nutzung des Streckenabschnitts wieder auflebt, bedarf es der Einräumung eines Nutzungsrechts im Einzelfall auf Grundlage von Entscheidung Nr. 2 nicht. Diese Entscheidung des Regierungspräsidiums wird damit gegenstandslos und aus Klarstellungsgründen ebenfalls aufgehoben.
C.
81 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
82 
Beschluss vom 4. Juli 2018
83 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG endgültig auf 5.000,- Euro festgesetzt.
84 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
26 
Der nachgereichte Schriftsatz des Klägerin-Vertreters vom 12. Juli 2018 gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
27 
Der Verwaltungsgerichtshof ist zuständig und die Klage ist zulässig (A.) und begründet (B.).
A.
28 
Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs folgt aus § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO, da auch die Klage gegen den Teilwiderruf eines Planfeststellungsbeschlusses für den Bau oder die Änderung von Strecken von öffentlichen Eisenbahnen eine das Planfeststellungsverfahren betreffende Klage im Sinne dieser Vorschrift darstellt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.9.1996 - 8 S 1511/96 - NVwZ-RR 1997, 682, juris Rn. 14; BVerwG, Urteil vom 28.4.2016 - 4 A 2.15 - NVwZ 2016, 1325, juris Rn. 14 f.). Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Fall 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Entscheidung Nr. 1 der Verfügung vom 27. Oktober 2016 ist dabei unter Berücksichtigung der Entscheidung Nr. 2 und der Begründung des Bescheids dahingehend auszulegen, dass der im Planfeststellungsbeschluss vom 10. Januar 1978 bislang ohne jahreszeitliche Einschränkung zugelassene Bahnbetrieb in den Tunnelanlagen zwischen den Bahnhöfen Zollhaus-Blumberg und Weizen lediglich für den Zeitraum vom 1. November eines jeden Jahres bis zum 31. März des Folgejahres widerrufen werden soll. Hiergegen richtet sich die Anfechtungsklage der Klägerin, bei deren Erfolg der Planfeststellungsbeschluss vom 10. Januar 1978 in vollem Umfang wiederaufleben würde. Die Klägerin ist als Vorhabenträgerin und Adressatin des Bescheids klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Eines Vorverfahrens bedarf es nicht (§ 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO).
B.
29 
Die Klage ist auch begründet. Der mit dem Bescheid vom 27. Oktober 2016 verfügte Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses vom 10. Januar 1978 (Entscheidung Nr. 1) ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren aus dem Planfeststellungsbeschluss folgenden Rechten. Entscheidung Nr. 2 wird damit gegenstandslos.
30 
Zwar findet § 49 LVwVfG als Ermächtigungsgrundlage auch auf den Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses Anwendung. Mit dem Regierungspräsidium Freiburg hat auch die zuständige Behörde gehandelt (dazu I.). Die Entscheidung zum Teilwiderruf ist jedoch materiell rechtswidrig (dazu II.).
I.
31 
Der teilweise Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses kann grundsätzlich auf § 49 LVwVfG gestützt werden. Diese Vorschrift findet gemäß § 72 Abs. 1 LVwVfG entsprechende Anwendung. Weder aus § 77 Satz 1 LVwVfG, der nur eine zusätzliche administrative Möglichkeit darstellt, Planfeststellungsbeschlüsse von stecken gebliebenen Vorhaben aufzuheben (vgl. Bell, NVwZ 2004, 288, 295), noch aus § 76 LVwVfG, der verfahrensrechtliche Erleichterungen für unwesentliche Planänderungen in der Ausführungsphase normiert (vgl. Ramsauer/Wysk in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Auflage 2017, § 76 Rn. 2), oder aus § 75 Abs. 2 LVwVfG folgt Gegenteiliges. Diese Vorschriften betreffen vielmehr nur einzelne Punkte, die dem Gesetzgeber wegen der Eigenarten von Planfeststellungsbeschlüssen regelungsbedürftig erscheinen, bilden aber kein geschlossenes Regelwerk, mit dem die Änderung oder Aufhebung bestandskräftiger Planfeststellungsbeschlüsse abschließend erfasst wird (vgl. Neumann/Külpmann in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 72 Rn. 113 f.). Die erhöhte Bestandskraft von Planfeststellungsbeschlüssen liegt vielmehr gerade darin begründet, dass Dritte einen Widerruf nur verlangen können, wenn Schutzauflagen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG nicht als Abhilfe ausreichen (BVerwG, Urteil vom 28.4.2016 - 4 A 2/15 - NVwZ 2016, 1325, juris Rn.31). Insoweit regelt § 75 Abs. 2 LVwVfG die Auswirkungen der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses, enthält aber keine Aussage zu der in § 49 LVwVfG geregelten Durchbrechung der Bestandskraft selbst. Auch aus dem Charakter des Planfeststellungsbeschlusses als Abwägungs- und Planungsentscheidung kann nicht gefolgert werden, dass er nur durch eine erneute Planungs- und Abwägungsentscheidung aufgehoben werden kann, denn die Teilaufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses stellt im Grundsatz keine planerisch-gestaltende Maßnahme dar, sondern stellt lediglich in Teilen den ursprünglichen Rechtszustand vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses wieder her (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.7.2012 - 4 A 7001.11 - NVwZ 2013, 397, juris Rn. 23, und Urteil vom 21.5.1997 - 11 C 1.96 - NVwZ 1998, 281, juris Rn. 29).
32 
Das Regierungspräsidium Freiburg ist als nunmehr zuständige Planfeststellungsbehörde gemäß § 49 Abs. 5 LVwVfG i. V. m. § 3 Nr. 2 EZuVO für die Entscheidung über einen Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses zuständig.
II.
33 
Der Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses ist jedoch materiell-rechtswidrig. Zwar liegt ein Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG (dazu 1.) vor. Auch erfolgte diese Entscheidung fristgerecht (dazu 2.). Der Teilwiderruf ist jedoch aufgrund der nicht hinreichenden Prüfung des Regierungspräsidiums Freiburg, ob der mit dieser Verfügung verfolgte Schutzzweck mit weniger einschneidenden Maßnahmen erreicht werden könnte, ermessensfehlerhaft (dazu 3.).
34 
1. Ein Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG liegt vor. Das gilt entgegen der Ansicht des Regierungspräsidiums allerdings nicht für den Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG (dazu a)). Die Voraussetzungen für einen Widerruf auf der Grundlage des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LVwVfG sind ebenfalls nicht erfüllt (dazu b)). Es liegen jedoch die Tatbestandsvoraussetzungen von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 LVwVfG vor und diese Regelung kann vorliegend als Rechtsgrundlage auch herangezogen werden (dazu c)).
35 
a) Auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG kann der Teilwiderruf nicht gestützt werden.
36 
Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Eine solche Berechtigung ist trotz Vorliegens eines rechtmäßigen Verwaltungsakts (dazu aa)) gegeben, denn unabhängig vom tatsächlichen Eintritt nachträglicher Tatsachen tritt § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG in der vorliegenden Konstellation hinter § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LVwVfG zurück (dazu bb)).
37 
aa) Zwar liegt mit dem Planfeststellungsbeschluss vom 10. Januar 1978 ein die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Vorhabenträgerin begünstigender und unanfechtbarer Verwaltungsakt vor. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses sind nicht ersichtlich. Im Übrigen ist § 49 LVwVfG auch auf rechtswidrige Verwaltungsakte anwendbar, da rechtswidrige Verwaltungsakte keinen Schutz vor Aufhebung verdienen, wenn rechtmäßige Verwaltungsakte widerrufen werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.2000 - 9 C 12/00 - NVwZ 2001, 335, juris Rn. 13; Senatsbeschluss vom 6.3.1991 - 5 S 2630/89 - NVwZ-RR 1992, 126, juris Rn. 24, jeweils m. w. N.). Ob der Planfeststellungsbeschluss für den Betrieb einer Museumsbahn nicht notwendig gewesen ist, wie die Klägerin meint, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen. Denn mit seinem Erlass ist er jedenfalls an die Stelle etwaiger bis zu diesem Zeitpunkt bestehender Rechtsgrundlagen für den Betrieb der Bahnstrecke getreten.
38 
Dieser Planfeststellungsbeschluss regelt auch die Nutzung der Bahnstrecke zwischen dem Bahnhof Zollhaus-Blumberg und dem Bahnhof Weizen in den Wintermonaten, auf die sich nunmehr der Teilwiderruf bezieht. Dem Beschluss vom 10. Januar 1978 ist keine Einschränkung auf einen Sommerbetrieb zu entnehmen. Zwar ergibt sich aus dem Erläuterungsbericht der Stadt Blumberg als damaliger Vorhabenträgerin vom 2. Februar 1977, dass der Betrieb hauptsächlich in den Monaten Mai bis Oktober erfolgen sollte. Unabhängig davon, dass diese Formulierung eine Nutzung auch in anderen Zeiträumen nicht ausschließt und der Erläuterungsbericht zudem Sonderfahrten nach Bedarf erwähnt, haben etwaige Einschränkungen keinen Niederschlag im Planfeststellungsbeschluss gefunden. Lediglich die Regelung Nr. 4 des Planfeststellungsbeschlusses lässt mit der Auflage, eine erste Kontrolle des Portals des Weiler Kehrtunnels jährlich vor Aufnahme des Betriebs zu prüfen, eine Tendenz zu einem saisonalen Betrieb erkennen. Eine ausdrückliche Beschränkung lässt sich der Formulierung jedoch nicht entnehmen. Für eine ausdrückliche Regelung, so eine zeitliche Einschränkung des Betriebs beabsichtigt gewesen wäre, hätte Anlass bestanden, da eine planfestgestellte Eisenbahnstrecke typischerweise einen ihrer Kapazität entsprechenden Betrieb ermöglicht und die planfestgestellte Eisenbahnstrecke vormals bereits seit dem Jahr 1890 - ersichtlich ohne jahreszeitliche Einschränkungen - in Betrieb war (vgl. zum Ganzen auch den Senatsbeschluss vom 30.6.2016 - 5 S 1984/15 -, juris Rn. 11).
39 
bb) Die vom Regierungspräsidium als Widerrufsgrund angeführte Nutzung der Tunnel durch naturschutzrechtlich streng geschützter Fledermausarten in den Wintermonaten ist jedoch keine nachträglich eingetretene Tatsache im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG.
40 
Bei systematischer Auslegung des § 49 Abs. 2 LVwVfG ist der Widerrufsgrund des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG insbesondere im Verhältnis zu § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LVwVfG einschränkend dahingehend auszulegen, dass ein Widerruf wegen nachträglich eingetretener Tatsachen nur in Betracht kommt, wenn sich die Rechtslage nach Erlass des Verwaltungsaktes nicht ebenfalls maßgeblich geändert hat. Denn für den Fall einer Änderung der rechtlichen Grundlagen des Verwaltungsakts hat der Gesetzgeber die Möglichkeit des Widerrufs an strengere Anforderungen geknüpft. Ein Widerruf ist in dieser Situation nur möglich, wenn der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht hat. Dieser besondere Vertrauensschutz muss auch berücksichtigt werden, wenn sich neben der Rechtslage zugleich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., § 49 Rn. 6; Suerbaum in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 1. Auflage 2014, § 49 Rn. 90; Abel in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2. Auflage 2016, § 49 Rn. 56; OVG Berlin, Urteil vom 22.5.2003 - 6 B 17/03 -, juris Rn. 30). Im Sinne einer hypothetischen Kausalität reichen dementsprechend Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse für eine Anwendbarkeit des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG nur aus, wenn durch sie Elemente des ursprünglich vollständig gegebenen gesetzlichen Tatbestandes für den Erlass des Verwaltungsakts nachträglich entfallen (vgl. Ramsauer in Kopp/ders., a. a. O., § 49 Rn. 43 m. w. N.). Konnte der Tatbestand, hier die Vereinbarkeit des planfestgestellten Museumsbahn-Betriebs mit bestimmten naturschutzrechtlichen Vorschriften, ursprünglich noch gar nicht erfüllt sein, weil diese Vorschriften noch nicht in Kraft waren, kommt ein Widerruf allein wegen der Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht in Betracht.
41 
Eine solche Situation liegt hier vor. Die ausweislich der Begründung des Teilwiderrufs allein in Betrachtung kommende zwingende Unvereinbarkeit der Winternutzung der Bahnstrecke mit §§ 32 bis 34 BNatSchG (Unverträglichkeit mit den Zielen eines Natura 2000/FFH-Gebiets), §§ 44 und 45 BNatSchG (Verletzung artenschutzrechtlicher Zugriffsverbote) und gegebenenfalls § 23 BNatschG (Unvereinbarkeit mit den Vorgaben eines Naturschutzgebiets) hätte zum Zeitpunkt der Planung in den Jahren 1977 und 1978 nicht zu einer Versagung der zeitlich uneingeschränkten Nutzung in dem nun durch den Teilwiderruf erfassten Umfang führen können, da diese oder vergleichbare naturschutzrechtliche Schutzvorschriften zum damaligen Zeitpunkt noch nicht galten.
42 
Zwar enthielt das (Rahmen-)Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege vom 20. Dezember 1976 (BGBl I 1976, S. 3574) in § 22 bereits Regelungen zum Artenschutz. Die für die erforderliche Bestimmung der danach besonders geschützten Arten erforderliche Verordnung (Bundesartenschutzverordnung) trat jedoch erst im Jahr 1980 in Kraft (BGBl I 1980, S. 1565). Gleiches gilt für die in § 28 des Gesetzes zum Schutz der Natur, zur Pflege der Landschaft und über die Erholungsvorsorge in der freien Landwirtschaft (Naturschutzgesetz - NatSchG) vom 24. Oktober 1975 (GBl. 1975, S. 654) enthaltenen artenschutzrechtlichen Regelungen, die erst die Landesartenschutzverordnung (LArtSchV) vom 18. Dezember 1980 (GBl. 1981, 14) konkretisierte. Zudem erreichten diese Vorschriften nicht das Schutzniveau der Vorschriften, die erst später zur Erfüllung der sich insbesondere aus der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie, zuletzt geändert durch Richtlinie 2013/17/EU vom 13. Mai 2013) ergebenden Verpflichtungen eingeführt worden sind. Das durch den Museumsbahn-Betrieb allenfalls am Rande berührte Naturschutzgebiet „Wutachflühen“ wurde erst mit Rechtsverordnung vom 27. September 1979 (GBl. 1979, S. 459) ausgewiesen. Auf der Grundlage der damaligen allgemeinen Regelungen zur Vermeidung eines Eingriffs in Natur- und Landschaft (§ 8 BNatSchG 1976, § 10 NatSchG 1975), auf die sich das Regierungspräsidium in der mündlichen Verhandlung berufen, den Teilwiderruf allerdings nicht gestützt hat, hätte der Museumsbahn-Betrieb auf dem streitigen Streckenabschnitt in den Wintermonaten ebenfalls nicht zwangsläufig versagt werden müssen. Schon § 8 BNatSchG 1976 und § 10 NatSchG 1975 lag ein abgestuftes Kompensationssystem von Vermeidung, Ausgleich oder Ersatzmaßnahmen, auch in Form von Ausgleichszahlungen, zugrunde mit der Folge, dass vorrangig vor einer Untersagung im Sinne einer generellen Verhinderung eines Eingriffs Möglichkeiten der Optimierung und Minimierung der Auswirkungen und einer Natur und Landschaft möglichst schonendem Ausführungsweise in Betracht zu ziehen gewesen wären (vgl. zu den Divergenzen zwischen dem herkömmlichen deutschen Kompensationssystem und den Anforderungen der FFH-Richtlinie auch BVerwG, Urteil vom 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116, juris Rn. 558).
43 
b) Auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LVwVfG kann der Teilwiderruf ebenfalls nicht gestützt werden.
44 
Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht hat und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
45 
Diese Voraussetzungen sind schon deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerin von dem mit dem Planfeststellungsbeschluss verbundenen Recht zur Nutzung des Streckenabschnitts bereits seit Jahrzehnten Gebrauch gemacht haben. Da der Planfeststellungsbeschluss in Bezug auf die Befahrung des Streckenabschnitts einschließlich der Tunnel nicht zwischen öffentlichen und touristischen Personenfahrten und Wartungs- und Betriebsfahrten unterscheidet und auch nicht zwischen den Nutzungen zu bestimmten Jahreszeiten differenziert, ist von einem einheitlichen Nutzungsrecht und damit einem einheitlichen Gebrauchmachen auszugehen. Selbst wenn § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG dahingehend auszulegen wäre, dass es bei einem Teilwiderruf darauf ankommt, dass von der Teilbegünstigung, auf die sich der Widerruf konkret bezieht, kein Gebrauch gemacht worden sein darf, würde sich kein anderes Ergebnis ergeben. Denn die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerin haben in den Wintermonaten zumindest seit dem Jahr 2010 Betriebsfahrten, die von dem Teilwiderruf ebenfalls erfasst werden, durchgeführt. Das entsprechende Vertrauen haben die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerin damit in jedem Fall betätigt.
46 
c) Ein Widerrufsgrund folgt jedoch aus § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 LVwVfG. Diese Regelung kann, auch wenn das Regierungspräsidium den Teilwiderruf hierauf nicht gestützt hat, als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist die Frage, ob ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Aufhebung besteht, weil die verfügte Regelung rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Insoweit sind alle rechtlichen und tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen, die den angefochtenen Bescheid rechtfertigen können, solange dieser nicht in seinem Wesen verändert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.1.1982 - 8 C 12.81 - NVwZ 1982, 620, juris Rn. 12 m. w. N.). Eine solche Wesensveränderung kommt vorliegend nicht in Betracht, da mit einem Austausch des Widerrufsgrundes innerhalb von § 49 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG in der Sache die Ermessensgrundlage und der Ermessensrahmen nicht verändert werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.6.2014 - 9 S 1273/13 - juris Rn. 27 m. w. N.).
47 
Auf Grundlage von § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LVwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Eine bloße Beeinträchtigung oder Gefährdung des öffentlichen Interesses reicht insoweit nicht. Im Grundsatz kommen nur Gründe eines übergesetzlichen Notstandes in Betracht (Kopp in ders./Ramsauer, a. a. O., § 49 Rn. 56). Jedoch bietet der Widerrufsgrund des § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LVwVfG auch einen gangbaren Weg, nachträglichen und unabdingbaren Anforderungen des Unionsrechts Rechnung zu tragen (Sachs in Stelkens/Bonk/ders., a. a. O., § 49 Rn. 82; Ramsauer in ders./Kopp, a. a. O., § 49 Rn. 56a; grundlegend hierzu auch Suerbaum in Mann/Sennekamp/Uechtritz, a. a. O., § 49 Rn. 32 m. w. N.; Kahl, NVwZ 2011, 449, 453). Eine Anwendung ist insoweit allerdings „ultima ratio“ (vgl. Steinberg/Wickel/Müller, Fachplanung, 4. Auflage 2012, § 5 Rn. 20).
48 
Danach ist ein Teilwiderruf auf dieser Rechtsgrundlage grundsätzlich zulässig, um nachträglichen und unabdingbaren, im Bundesnaturschutzgesetz umgesetzten Anforderungen des Unionsrechts Rechnung zu tragen. Die Nutzung der Tunnel in den Wintermonaten ist zwar nicht nach der unionsrechtlich determinierten Regelung des § 34 Abs. 1 und 2 BNatSchG unzulässig (dazu aa)). Entgegen der Annahme des Regierungspräsidiums steht ohne eine - bislang nicht durchgeführte - Verträglichkeitsprüfung auch nicht fest, dass der Winterbetrieb gegen das ebenfalls unionsrechtlich geprägte Störungsverbot nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG verstößt (dazu bb)). Mit dem Winterbetrieb ist aber eine Verletzung unabdingbarer artenschutzrechtlicher Zugriffsverbote des Unionsrechts nach § 44 Abs. 1 BNatSchG verbunden, die einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 LVwVfG grundsätzlich stützen kann (dazu cc)).
49 
aa) Die Aufnahme eines Bahnbetriebs in den Wintermonaten („Nikolausfahrten“) ist nicht schon wegen der Unterlassung einer präventiven Verträglichkeitsprüfung im Sinne von § 34 Abs. 1 und 2 BNatSchG, der der Umsetzung von Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie dient (vgl. Frenz in ders./Müggenborg, BNatSchG, 2. Auflage 2015, § 34 Rn. 1 ff. m. w. N.), in Bezug auf das Natura 2000/FFH-Gebiet „Blumberger Pforte und Mittlere Wutach“ unionsrechtlich unzulässig.
50 
Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder auch Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG ist ein Projekt unzulässig, wenn eine Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Als Projekt im Sinne der Vorschrift sind im Grundsatz die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen sowie sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft zu verstehen. Der weit gefasste Projektbegriff erfasst damit alle Vorhaben, die in irgendeiner Form einen Eingriff in Natur und Landschaft und damit in irgendwie geartete Modifikationen derselben implizieren (J. Schumacher/A. Schumacher in Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Auflage 2011, § 34 Rn. 16ff. m. w. N.). Entscheidend ist letztlich, ob ein Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann (vgl. Frenz in ders./Müggenborg, a. a. O., § 34 Rn. 29 m. w. N.). Allerdings unterliegen Projekte, die genehmigt wurden, bevor das Gebiet, in dem sie verwirklicht werden sollen, in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen wurde, nicht den sich aus Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie ergebenden Vorhaben über eine ex-ante-Prüfung auf ihre Verträglichkeit mit dem betreffenden Gebiet, was aus Art. 4 Abs. 5 der FFH-Richtlinie folgt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.7.2016 - 9 C 3.16 -, NVwZ 2016, 1631, juris Rn. 33 m. w. N.). Als Projekt in diesem Sinn sind auch fortdauernde oder fortlaufende Maßnahmen zu verstehen, wenn sie eine einheitliche Maßnahme darstellen, was sich nach der Art und den Umständen ihrer Ausführung richtet (vgl. EuGH, Urteil vom 14.1.2010 - C 226/08 - NVwZ 2010, 310, juris Rn. 51.). Wenn eine Maßnahme oder Tätigkeit nicht verändert wird und daher auch nach nationalem Recht keiner weiteren, sondern nur der ursprünglichen Genehmigung bedarf, handelt es sich regelmäßig um eine einheitliche Maßnahme (vgl. Frenz in ders./Müggenborg, a. a. O., § 34 Rn. 43). Insoweit stellt ein Vorhaben, dessen wiederkehrende Durchführungsmaßnahmen unbefristet genehmigt worden sind, regelmäßig ein einheitliches Projekt dar (vgl. Würtenberger, NuR 2010, 316, 318). Erlangen hingegen spätere Maßnahmen, auch fortlaufende Unterhaltungsmaßnahmen, eine andere Qualität, wird die Einheitlichkeit durchbrochen und es liegt ein eigenständiges neues Projekt vor (vgl. Frenz in ders./Müggenborg, a. a. O., § 34 Rn. 44; vgl. zum Ganzen auch bereits den Senatsbeschluss vom 30.6.2015 - 5 S 1984/15 - NuR 2016, 649, juris Rn. 17).
51 
Nach dieser Maßgabe stellt die geplante Aufnahme der „Nikolausfahrten“ kein neues Projekt dar, da der Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 1978 - wie bereits gezeigt - nicht zwischen der Nutzung der Strecke für Wartungsfahrten und touristischen Fahrten und auch nicht zwischen Fahrten im Sommer und Winter differenziert. Insoweit wurde mit dem Planfeststellungsbeschluss einheitlich die künftige allgemeine Nutzung der Bahnstrecke unbefristet ermöglicht. Die Fahrten im Winter wären damit lediglich wiederkehrende Maßnahmen zur Durchführung des Planfeststellungsbeschlusses, zumal die Strecke bereits bisher auch in den Wintermonaten zumindest für Fahrten zur Streckeninstandhaltung und zur Durchführung von Baumaßnahmen genutzt wurde. Die vereinzelte Durchführung von weiteren Publikumsfahrten unterscheidet sich bezogen auf ihr Gefährdungspotential für die Schutzzwecke des geschützten Gebiets in quantitativer und qualitativer Hinsicht nicht wesentlich von dem bisherigen Nutzungsumfang.
52 
bb) Es steht auch nicht ohne Weiteres fest, dass der Winterbetrieb nach § 33 Abs. 1 BNatSchG unzulässig ist.
53 
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG, der der Umsetzung von Art. 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie dient (vgl. Frenz in ders./Müggenborg, a. a. O., § 33 Rn. 4 ff.), sind alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura-2000/FFH-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, unzulässig. Die Vorschrift ist zwar auf das vor der Benennung des Natura 2000/FFH-Gebiets „Blumberger Pforte und Mittlere Wutach“ planfestgestellte Altvorhaben der Klägerin anwendbar (dazu (1)). Auch ist der räumliche Geltungsbereich des Natura 2000/FFH-Gebiets betroffen (dazu (2)). In der Rechtsfolge könnte ein Widerruf jedoch nur dann auf § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG gestützt werden, wenn das Vorhaben aufgrund einer zuvor durchgeführten Verträglichkeitsprüfung unzulässig ist. Eine solche ist bisher jedoch nicht erfolgt (dazu (3)).
54 
(1) Der Anwendbarkeit von § 33 Abs. 1 BNatSchG steht nicht entgegen, dass der Planfeststellungsbeschluss bereits im Jahr 1978 und damit lange vor der Benennung des Natura 2000/FFH-Gebiets „Blumberger Pforte und Mittlere Wutach“ erlassen wurde. Vielmehr unterfällt die Ausführung eines Projekts, das vor einer Gebietsbenennung genehmigt wurde und daher nicht den Vorgaben der FFH-Richtlinie über eine Ex-ante Prüfung unterlag, gleichwohl Art. 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.7.2016 - a. a. O. -, juris Rn. 37 f. m. w. N.). Rechtmäßig genehmigte Vorhaben sind einer Verträglichkeitsprüfung damit nicht auf Dauer entzogen, da nur mit einer dauerhaften Überwachung sichergestellt werden kann, dass es durch einen Plan oder ein Projekt nicht zu einer Verschlechterung der natürlichen Lebensräume sowie der Habitate der Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, kommt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz ändern daran nichts (vgl. EuGH, Urteil vom 14.1.2010 - C-226/08 - EuZW 2010, 222, juris Rn. 45; Frenz in ders./Müggenborg, a. a. O., § 34 Rn. 39, 41 m. w. N.). Art. 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie legt damit eine allgemeine Schutzpflicht im Sinne einer laufenden Verpflichtung fest. Die Ausführung eines Projekts, das das betreffende Gebiet erheblich beeinträchtigen könnte und vor seiner Genehmigung keiner den Anforderungen von Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie entsprechenden Prüfung unterzogen wurde, kann folglich nur dann fortgesetzt werden, wenn die Wahrscheinlichkeit oder Gefahr einer Verschlechterung der Lebensräume oder von Störungen von Arten, die sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten, ausgeschlossen ist (EuGH, Urteil vom 14.1.2016 - C-399/14 -, juris Rn. 37 und 43).
55 
Eine solche Betrachtungsweise läuft entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht der Funktionssicherungsklausel des § 4 Satz 1 BNatSchG zuwider. Zwar zeigt diese Vorschrift, dass aufgrund der Konzentrationswirkung der Planfeststellung auch naturschutzrechtliche Belange Eingang in die Planfeststellung finden. Jedoch sind die der Bahnnutzung gewidmeten Flächen damit nicht allgemein von der Anwendung und vom Vollzug der Vorschriften des Natur- und Landschaftsschutzrechts ausgenommen. Erst wenn bei Vornahme der konkret beabsichtigten Maßnahme die bestimmungsgemäße Nutzung der Verkehrsfläche nicht mehr gewährleistet werden kann, müsste das materielle Naturschutzrecht hinter den Verkehrsinteressen zurückstehen (vgl. Vallendar in Hermes/Sellner, Beck´scher AEG-Kommentar, 2. Auflage 2016, § 18 Rn. 45). Zum anderen kann die Funktionssicherungsklausel nicht bemüht werden, um von der Erfüllung der unionsrechtlich begründeten Pflichten zum Habitat- und Artenschutz abzusehen (vgl. Gellermann in Landmann/Rohner, a. a. O., § 4 BNatschG Rn. 17 m. w. N.). Die unter anderem von Art. 6 Abs. 4, Art. 16 der FFH-Richtinie zugelassenen Ausnahmetatbestände in § 34 Abs. 3 bis 5 und § 45 Abs. 7 BNatSchG sind insoweit abschließend; der Funktionssicherungszweck muss einen dieser Tatbestände verwirklichen, um berücksichtigt werden zu können (vgl. Meyer in Frenz/Müggenborg, a. a. O. § 4 Rn. 36; Kroh in GK-BNatSchG, 2. Auflage 2017, 4 Rn. 3). Insoweit wäre auch unerheblich, ob bei der Benennung der Natura 2000/FFH-Gebiete - wie von der Klägerin in dem nach der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz behauptet - die für Verkehr zuständigen Ministerien des Bundes und des Landes Baden-Württemberg davon ausgegangen sein sollten, dass bestehende Infrastrukturen von der Anwendbarkeit des § 33 Abs. 1 BNatSchG ausgenommen sein sollten, da sie insoweit einem Rechtsirrtum unterlegen wären.
56 
(2) Der Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 BNatSchG ist auch in räumlicher und zeitlicher Hinsicht eröffnet. Welche Räume im Sinne von § 33 Abs. 1 BNatSchG als Teil des Natura 2000/FFH-Gebiets geschützt sind, ergibt sich dabei bereits aus der Vorschrift selbst. Die Geltung des Verschlechterungs- und Störungsverbots knüpft demnach nicht daran an, ob ein Gebiet nach seiner Benennung gegenüber der Kommission im Sinne von § 32 Abs. 1 BNatSchG gemäß § 32 Abs. 2 i. V. m. § 20 Abs. 2 BNatSchG unter Schutz gestellt wurde. Bei Natura 2000/FFH-Gebieten gilt das Verschlechterungs- und Störungsverbot des § 33 Abs. 1 BNatSchG gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNatSchG vielmehr bereits nach Aufnahme des Gebiets in die Gemeinschaftsliste (vgl. Appel in Frenz/Müggenborg, a. a. O., § 33 Rn. 5).
57 
Nach dieser Maßgabe liegt ein geschützter Bereich vor. Das Natura 2000/FFH-Gebiet „Blumberger Pforte und Mittlere Wutach“, das im Jahr 2005 benannt und im Jahr 2011 in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen wurde (vgl. S. 1 des Standard-Datenbogens), umfasst auch wesentliche Teile der Tunnelanlagen der „Sauschwänzlebahn“, insbesondere den Weiler Kehrtunnel, und befindet sich in der unmittelbaren Nähe des weiteren Streckenverlaufs. Dass die auf der Grundlage von § 36 Abs. 2 BNatSchG vom Regierungspräsidium Freiburg beabsichtige „Verordnung zur Festlegung der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-VO)“ zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung noch nicht in Kraft getreten war und sich auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch im Auslegungsverfahren befand, ist für den unionsrechtlichen Schutz nach Art. 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie bedeutungslos, da dieser bereits mit der Aufnahme eines Natura 2000/FFH-Gebiets in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung einsetzt (Art. 4 Abs. 5 der FFH-Richtlinie). Der Betroffenheit des Gebiets steht entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht entgegen, dass die Tunnel keine natürlichen Lebensräume im Sinne von Art. 1 b i. V. m. Anhang I Ziffer 8 der FFH-Richtlinie darstellen und insoweit auch nicht als im Gebiet vorkommende Lebensraumtypen in diesem Sinn erfasst wurden (S. 3 des Standard-Datenbogens). Entscheidend ist vielmehr, dass der betroffene Bereich auch als Habitat von Fledermäusen und damit von Arten erfasst wurde, die in Anhang II der FFH-Richtlinie (Anhang II a: CHIROPTERA) genannt sind. Darüber hinaus unterscheidet § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG auch nicht zwischen Veränderungen oder Störungen von innen oder außen, sodass auch Maßnahmen außerhalb der Tunnel relevant sind, sofern sie die Population im Schutzgebiet selbst, das als bedeutsam für verschiedene Fledermausarten erfasst wurde (S. 4 und 6 des Standard-Datenbogens), betreffen (vgl. Frenz in ders./Müggenborg, a. a. O., § 33 Rn. 12 m. w. N.).
58 
(3) Ein Verstoß gegen § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG stand bei Erlass des Teilwiderrufs jedoch nicht fest, da bisher keine Verträglichkeitsprüfung im Sinne von § 34 Abs. 2 BNatSchG durchgeführt wurde.
59 
§ 34 BNatSchG und § 33 BNatschG verbürgen ein einheitliches Schutzniveau (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.7.2016 - a. a. O., juris Rn. 37; EuGH, Urteil vom 13.12.2007 - C-418/04 - NuR 2008, 101, juris Rn. 250). Daher kann auch bei der Anwendung von § 33 BNatschG auf die zu § 34 Abs. 2 BNatSchG entwickelten Maßstäbe zurückgegriffen werden. Die Verbotswirkung des § 33 BNatschG wird dementsprechend bereits dann aktiviert, wenn nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die in Rede stehende Veränderung oder Störung nachteilige Auswirkungen auf die im jeweiligen Gebiet verfolgten Erhaltungsziele oder Schutzzwecke hat (vgl. Gellermann in Landmann/Rohmer, a. a. O., § 33 Rn. 9 und § 34 Rn. 27 unter Verweis auf BVerwG, NuR 2007, 336, juris Rn. 41; EuGH, Urteil vom 7.9.2004 - C-127/02 - EuZW 2004, 730, juris Rn. 48 f.). Ob ein Projekt aber zu einer erheblichen Beeinträchtigung in diesem Sinne führen kann, erfordert eine Einzelfallbeurteilung, die wesentlich von naturschutzfachlichen Feststellungen und Bewertungen abhängt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.3.2008, a. a. O., juris Rn. 68). Für eine Verträglichkeitsprüfung hat eine sorgfältige Bestandserfassung und Bewertung in einem Umgang zu erfolgen, der es zulässt, die Einwirkungen des Projekts zu bestimmen und zu bewerten. Die Methode der Bestandsaufnahme ist nicht normativ festgelegt, die Methodenwahl muss aber die für die Verträglichkeitsprüfung allgemein maßgeblichen Standards der „besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse“ einhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 6.11.2012 - 9 A 17/11 - NuR 2014, 344, juris Rn. 31). Insoweit ist ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen (BVerwG, Urteil vom 12.3.2008 - a. a. O. - juris Rn. 74; Frenz in ders./Müggenborg, a. a. O., § 34 Rn. 96; kritisch hierzu m. w. N. Meßerschmidt, BNatSchG, 116. EL 2013, § 34 Rn. 128 m. w. N.). In die Prüfung sind dabei auch Schutzmaßnahmen einzubeziehen, wie sie vom Vorhabenträger geplant sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.4.2010 - 9 A 5/08 - NVwZ 2010, 1225, juris Rn. 57; Frenz in ders./Müggenborg, a. a. O., § 34 Rn. 55; Gellermann in Landmann/Rohmer, § 34 Rn. 32 m. w. N.). Bei geschützten Arten dürften vorhabenbedingte Beeinträchtigungen einschließlich Stressfaktoren die artspezifische Populationsdynamik keinesfalls so stören, dass eine Art nicht mehr ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraums, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird. Bei Arten ist insoweit nicht schon jeder Flächen- oder Habitatsverlust erheblich, da dieser nicht ohne Weiteres zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der geschützten Art führt und vielmehr die Stabilität der Population entscheidend ist. Erst wenn eine Art auf die verlorenen Flächen angewiesen ist und nicht auf andere Flächen ohne Qualitäts- und Quantitätsverluste ausweichen kann, liegt eine erhebliche Beeinträchtigung vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.3.2008, a. a. O., juris Rn. 132).
60 
Eine solche umfassende und von der zuständigen Behörde verantwortlich durchzuführende Verträglichkeitsprüfung hatte vor Erlass des Teilwiderrufs und hat auch bis heute nicht stattgefunden, ist jedoch zwingend vor einem - auch teilweisen - Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses durchzuführen. Zwar fällt - wie bereits gezeigt (siehe oben: B. III. 1. c) aa)) - die Ausführung eines Projekts, das vor einer Gebietsbenennung genehmigt wurde und daher nicht den Vorgaben der FFH-Richtlinie über die ex-ante Prüfung gemäß § 34 Abs. 1 BNatSchG (Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie) unterlag, unter § 33 Abs. 1 BNatSchG (Art. 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie). Die Ausführung eines solchen Projekts darf nur dann fortgesetzt werden, wenn die Wahrscheinlichkeit oder Gefahr einer Verschlechterung der Lebensräume oder der Störung von Arten ausgeschlossen ist. Ist dies nicht der Fall, weil das Projekt keiner nachträglichen Verträglichkeitsprüfung unterzogen wurde, konzentriert sich die aus Art. 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie abzuleitende allgemeine Schutzpflicht (zunächst) auf die Pflicht zur Durchführung dieser Prüfung (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.7.2016, a. a. O., juris Rn. 38; EuGH, Urteil vom 14.1.2016, a. a. O., juris Rn. 43 f.). Ein Verstoß gegen § 33 Abs. 1 BNatSchG kommt damit nur in Betracht, wenn eine Verträglichkeitsprüfung auch unter Berücksichtigung der Genehmigung über eine Ausnahme (§ 33 Abs. 1 Satz 2, § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG, Art. 6 Abs. 4 der FFH-Richtlinie) zu einer Unzulässigkeit des Vorhabens führt. Es wäre wertungswidersprüchlich, wenn für mit potentiell gravierenden Folgen verbundene Projekte im Sinne des § 34 Abs. 1 BNatSchG Ausnahmemöglichkeiten bestünden, potentiell weniger schwerwiegende Maßnahmen hingegen nicht (vgl. Appel in Frenz/Müggenborg, a. a. O., § 33 Rn. 13 m. w. N.).
61 
cc) Der vom Planfeststellungsbeschluss umfasste Winterbetrieb auf dem Streckenabschnitt zwischen dem Bahnhof Zollhaus-Blumberg und Bahnhof Weizen verletzt jedoch das artenschutzrechtliche Zugriffsverbot des Unionsrechts nach § 44 Abs. 1 BNatSchG. Die Regelung ist auch auf das vorliegende Altvorhaben anwendbar (dazu (1)) und zumindest die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG sind erfüllt (dazu (2)). Ob darüber hinaus auch die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG gegeben sind, kann damit dahinstehen (dazu (3)).
62 
(1) § 44 BNatSchG ist auf den Winterbetrieb der „Sauschwänzlebahn“ anwendbar, auch wenn die hierin normierten artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht in Kraft waren. Die Regelung des § 44 BNatSchG, die unter anderem Art. 12 und 16 der FFH-Richtlinie umsetzt (vgl. Frenz/Lau in ders./Müggenborg, a. a. O., Vorb. §§ 44-45 Rn. 1 ff., 21ff.), findet auch auf bereits zugelassene Vorhaben Anwendung, wenn nachträglich artenschutzrechtliche Konflikte auftreten. Grundsätzlich erschöpfen sich die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote in ihrer Funktion als Zulassungsvoraussetzung zwar mit einer Zulassungsentscheidung, im Rahmen derer sie geprüft worden sind. In ihrer Funktion als verhaltensbezogene Sanktionsnorm bleiben sie jedoch anwendbar mit der Folge, dass auch für solche Verstöße gegen artenschutzrechtliche Vorschriften, die zum Zeitpunkt der Planfeststellung noch nicht vorhersehbar waren, die nachträgliche Prüfung und gegebenenfalls Erteilung entsprechender Ausnahmegenehmigungen erforderlich ist. Hierfür spricht, dass Art. 12 und 16 der FFH-Richtlinie keine Ausnahme für den Vollzug bestandskräftiger Planungs- oder Zulassungsentscheidungen enthalten und allein die Rechtmäßigkeit einer Handlung nach Sinn und Zweck der FFH-Richtlinie nicht jeden insoweit unausweislichen Zugriff legitimiert (vgl. EuGH, Urteil vom 20.10.2005 - C-6/04 - NuR 2006, 494, juris Rn. 113). Art. 16 der FFH-Richtlinie ermöglicht Abweichungen vom Artenschutz nur unter engen Voraussetzungen und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darf jeder Eingriff, der unionsrechtlich geschützte Arten betrifft, nur mit einer Entscheidung genehmigt werden, die mit einer genauen und angemessenen Begründung versehen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 8.6.2006 - C-60/05 -, NuR 2007, 196, juris Rn. 34). Insoweit ist es strukturell mit dem Unionsrecht nicht vereinbar, Planfeststellungsbeschlüssen eine Ausnahmegenehmigung für alle zukünftigen und zunächst unabsehbaren Verstöße gegen artenschutzrechtliche Vorschriften beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der FFH-Richtlinie ist nicht erkennbar, dass es geboten wäre, in Bezug auf Fragen des Vertrauensschutzes zwischen Regelungen der Art. 3 ff. der FFH-Richtlinie zum Habitatschutz und den Regelungen der Art. 12 ff. der FFH-Richtlinie zum Artenschutz zu differenzieren. Der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 6 der FFH-Richtlinie (siehe oben: III 1. c) bb)) kann insoweit entnommen werden, dass das von der FFH-Richtlinie verfolgte Ziel der Erhaltung der biologischen Vielfalt nicht generell hinter den Vertrauensschutz eines durch einen bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss Begünstigten zurücktritt. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass - wie die vorliegende Fallkonstellation zeigt - angesichts der ansonsten dauerhaft bestehenden Legalisierungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses keine Möglichkeit verbliebe, mit Mitteln des Artenschutzrechts auf das Schutzbedürfnis neu eingewanderter Arten zu reagieren (vgl. zum Ganzen Müller-Mitschke, NuR 2018, 453, 464 f. m. w. N.; Lieber, NuR 2012, 655, 667 f. m. w. N.; Lau in Frenz/Müggenborg, a. a. O., § 44 Rn. 8).
63 
Nach dieser Maßgabe ist auch der bereits im Jahr 1978 planfestgestellte Winterbetrieb der Museumsbahn auf dem streitigen Streckenabschnitt an den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten zu messen. Dies gilt umso mehr, als es - die Richtigkeit der diesbezüglichen Feststellungen des Regierungspräsidiums Freiburg unterstellt - vorliegend nicht nur zum Auftreten neuer Arten gekommen ist, nachdem eine den Anforderungen der FFH-Richtlinie entsprechende artenschutzrechtliche Prüfung bereits stattgefunden hätte. Vielmehr wurde das Vorhaben im Jahr 1978 - wie bereits dargestellt - mangels entsprechender gesetzlicher Vorgaben ohne entsprechende Untersuchungen planfestgestellt. Etwaiges Vertrauen der Klägerin und ihrer Rechtsvorgängerinnen darauf, künftig keine artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote beachten zu müssen, kann insoweit zumindest auch nicht auf der Grundlage der damaligen Zulassungsentscheidung begründet worden sein.
64 
(2) Die bislang uneingeschränkt zugelassene Durchführung von Fahrten durch die Tunnel im Winter verletzt das aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG folgende Tötungsverbot.
65 
Nach dieser Vorschrift ist es unter anderem verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Besonders geschützte Arten im Sinne dieser Vorschrift sind die von der Verweisung des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 BNatSchG erfassten Tierarten, mithin unter anderem gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 b) BNatSchG solche, die im Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) aufgeführt sind. Die Tatbestandsverwirklichungsform der Tötung, die einen unmittelbaren Zugriff auf das Leben eines Tieres voraussetzt, ist zwar individuenbezogen, aus Verhältnismäßigkeitsgründen und mit Blick auf den Normzweck reicht es jedoch bezogen auf Tierkollisionen bei verkehrsbezogenen Vorhaben (zur Anwendbarkeit auf weitere Vorhabentypen vgl. auch Lau in Frenz/Müggenborg, a. a. O., § 44 Rn. 14 m. w. N.) nicht aus, dass das Risiko besteht, dass einzelne Exemplare getötet werden. Das artenschutzrechtliche Tötungsverbot ist damit nicht erfüllt, wenn das vorhabenbedingte Tötungsrisiko unter Berücksichtigung von Schadensvermeidungsmaßnahmen nicht signifikant höher ist als das Risiko, dem einzelne Exemplare der jeweiligen Art im Rahmen des allgemeinen Naturgeschehens stets ausgesetzt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.1.2014 - 9 A 4.13 - NVwZ 2014, 1008, juris LS 7). Der Signifikanzansatz gilt dabei nicht nur für das betriebsbedingte Risiko von Kollisionen, sondern auch für bau- und anlagenbezogene Risiken (vgl. BVerwG, Urteil vom 6.4.2017 - 4 A 16.16 - NVwZ-RR 2017, 768, juris Rn. 73 m. w. N.). Zwischenzeitlich hat auch der Gesetzgeber den Signifikanzansatz durch das Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 15. September 2017 (BGBl. I S. 3434) in die Neufassung des § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG aufgenommen. Für die fachliche Beurteilung ist der Planfeststellungsbehörde eine Einschätzungsprärogative eingeräumt (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.3.2018 - 9 B 25.17 - juris Rn. 12 und Urteil vom 6.4.2017, a. a. O., juris Rn. 58, jeweils m. w. N.). Die auf fachgutachterliche Stellungnahmen gestützten Annahmen der Planfeststellungsbehörde unterliegen gerichtlicher Prüfung nur dahin, ob sie im Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.3.2018 - 9 B 25/17 - juris Rn. 12 m. w. N.). Ausreichend ist eine am Maßstab praktischer Vernunft orientierte Prüfung (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.8.2009 - 9 A 64.07 - NuR 2010, 276, juris Rn. 37). Umstände, die für die Beurteilung der Signifikanz eine Rolle spielen, sind dabei insbesondere artenspezifische Verhaltensweisen, häufige Frequentierung des durchschnittenen Raums und die Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen und weitere Kriterien im Zusammenhang mit der Biologie der Art (vgl. BVerwG, Urteil vom 6.4.2017, a. a. O., juris Rn. 75 m. w. N.). Eine signifikante Risikoerhöhung liegt demnach vor, wenn es um Tiere geht, die aufgrund ihrer Verhaltensweisen im Vorhabenbereich ungewöhnlich stark von den Risiken der mit dem Vorhaben verbundenen Auswirkungen betroffen sind, sich diese Risiken auch durch die konkrete Ausgestaltung des Vorhabens einschließlich etwaiger Vermeidungsmaßnahmen nicht beherrschen lassen und es somit zu einer deutlichen Steigerung des Tötungsrisikos kommt, die nicht mehr unterhalb des Gefahrenbereichs bleibt, der mit der betreffenden Tätigkeit im Naturraum immer verbunden ist (vgl. Lau in Frenz/Müggenburg, BNatSchG, 2. Auflage 2015, § 44 Rn. 14 m. w. N.).
66 
Nach dieser Maßgabe ist die Annahme des Regierungspräsidiums Freiburg, die Durchfahrt der Züge führe zu einer Verletzung des Tötungsverbots, eine naturschutzfachlich vertretbare Einschätzung. Dabei kann dahinstehen, ob der Signifikanzansatz auch in der vorliegenden Fallkonstellation, in der sich eine von den typischen Verkehrskollisionsrisiken abweichende Gefährdungslage ergibt, anwendbar ist. Denn auch bei Zugrundelegung des strengeren Signifikanzmaßstabs sind die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllt. Insbesondere unter Berücksichtigung der Angaben des Sachverständigen Dr. B. und des sachkundigen Mitarbeiters des Beklagten Dr. K. in der mündlichen Verhandlung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die behördliche Annahme auf einem unzulänglichen oder ungeeigneten Bewertungsverfahren beruht. Sämtliche Microchiroptera, mithin alle Fledermausarten, zählen zu den von der FFH-Richtlinie erfassten streng geschützten Tierarten. Ausweislich der von Dr. B erstellten Gutachten zur Fledermauserfassung in den Tunneln der „Sauschwänzle Bahn“ vom 12. Mai 2015 und 12. Mai 2017 konnten in den Erfassungszeiträumen vom 25. Februar 2014 bis 31. März 2015 und vom 2. November 2016 bis 30. März 2017 im betroffenen Streckenabschnitt in mehreren Tunneln verschiedene Fledermausarten mittels visueller Kontrollen und akustischer Erfassung nachgewiesen werden. Auch die Klägerin bestreitet das Vorkommen von Fledermäusen nicht. Anhaltspunkte für methodische Mängel der Begutachtung werden von ihr nicht dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Im Weiler Kehrtunnel hat der Sachverständige Dr. B bei Hangplatzkontrollen eine große Winterschlafgesellschaft der Mopsfledermaus, bestehend aus bis zu 215 Einzeltieren am 24. Februar 2015 festgestellt, wobei die Tiere gut sichtbar frei unter der Tunneldecke hingen. Hinzu kamen bis zu 104 Mopsfledermäuse an Einzelhangplätzen sowie ein Exemplar der Art Mausohr, die ausweislich des Gutachtens, wie Mopsfledermäuse und Fledermäuse der Art Großes Langohr, vor allem frei an der Tunneldecke oder an den Tunnelwänden hängend überwinterten, während andere Fledermausarten demnach Spaltenquartiere oder Tunnelnischen bevorzugten. Auch im Stockhalder Kehrtunnel wurden von dem Gutachter Dr. B. überwinternde Mopsfledermäuse, Mausohren und einzelne Exemplare des Großen Langohres beobachtet. Im Grimmelshofener Tunnel wurden einzelne Exemplare winterschlafender Mopsfledermäuse festgestellt. Gleiches gilt ausweislich des Gutachtens von Dr. B. vom 12. Mai 2017 auch für den Tunnel am Achdorfer Weg, in dem schwerpunktmäßig Mopsfledermäuse freihängend unter der Decke beobachtet wurden, und den Buchbergtunnel, wenn auch dort nur über eine kurzen Zeitraum im Winter 2016/2017. In Ergänzung der schriftlichen Gutachten hat der Sachverständige Dr. B., unterstützt durch Angaben von Dr. K., überzeugend dargelegt, dass mit der Durchfahrt von Zügen für die überwinternden Tiere ein konkretes Tötungsrisiko verbunden ist. Dr. B hat eindrücklich beschrieben, dass die in den Tunneln überwinternden Fledermäuse sich in dieser Zeit in einem Torpor, mithin einem einer absoluten Lethargie vergleichbaren Schlafzustand, befänden, bei dem Stoffwechsel- und Energieumsatzprozesse auf ein Minimum gesenkt würden und im Rahmen dessen die Tiere vollkommen inaktiv seien. Zwar erfolgten in diesem Zustand kaum Reaktionen auf äußere Einflüsse. Die mit der Durchfahrt eines Zuges, insbesondere einer Dampflokomotive der Museumsbahn, verbundenen optischen und akustischen Reize, die als außergewöhnlich intensiv anzusehen seien, sowie die zu erwartenden Erschütterungen führten jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dazu, dass es zu reflexartigen Zuckungen zumindest einzelner Tiere kommen könne mit der Folge, dass diese potentiell ihren Halt an der Tunneldecke oder -wand verlieren und herabfallen könnten. Dieser Effekt zeige sich insbesondere auch innerhalb von größeren Winterschlafgemeinschaften, wie sie im Weiler Kehrtunnel anzutreffen seien. Die Fledermäuse hingen dort in sehr engen Abständen zueinander, um sich gegenseitig vor Witterungseinflüssen zu schützen. Das unwillkürliche Zucken einzelner Tiere könne sich innerhalb der Gruppe verstärken und das Risiko des Herabfallens erhöhen. Da die Tiere mindestens etwa 30 Minuten benötigten, um aus dem Torpor zu erwachen, seien sie auch nicht in der Lage, beim Herabfallen kurzfristig zu reagieren und sich vor den Aufprallrisiken und dem in der Folge auch bestehenden Kollisionsrisiko mit dem Zug, der für das Herabfallen ursächlich war, oder weiteren Folgezügen zu schützen. Es sei insoweit auch naheliegend, dass die Tiere durch den Aufprall oder eine etwaige Kollision lebensgefährliche Verletzungen erlitten.
67 
Für den erkennenden Senat sind keine Gründe ersichtlich, die Anlass gäben, angesichts der überzeugenden Erläuterungen von Dr. B. und Dr. K. am Vorliegen eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos zumindest für überwinternde Mopsfledermäuse, die in allen Tunnelanlagen einzeln oder in Gruppen und frei unter der Tunneldecke oder an den Tunnelwänden hängend angetroffen wurden und damit in ungewöhnlich ausgeprägter Weise den Durchfahrtsrisiken ausgesetzt sind, zu zweifeln und die Einschätzung des Regierungspräsidiums Freiburg als unvertretbar anzusehen. Vor dem Hintergrund des durch § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bezweckten Schutzes auch einzelner Individuen kommt es bei der Betrachtung gerade nicht auf die Gefährdung der gesamten Population oder Art an. Dass potentiell nur eine Minderheit der überwinternden Fledermäuse betroffen sein könnte, ist damit nicht entscheidend. Dass das allgemeine Lebensrisiko im Rahmen des Naturgeschehens zu einer vergleichbaren Sterblichkeitsquote der überwinternden Fledermäuse führen würde, ist in Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei den Tunnelanlagen um grundsätzlich auch vor Feinden in der Natur schützende Überwinterungsplätze handelt und die Durchfahrt der Züge ein vom Naturgeschehen deutlich abweichendes und spezielles neues Risiko erzeugen, nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerin spätestens seit dem Jahr 2010 in den Tunneln auch im Winter Fahrten zur Wartung durchgeführt haben und sich die Population auch der Mopsfledermaus dennoch zumindest stabil gezeigt hat, zwingt entgegen der Annahme der Klägerin nicht zu dem Rückschluss, dass ein individuelles Tötungsrisiko nicht besteht. Denn es ist insoweit davon auszugehen, dass die Populationen den eventuell bereits eingetretenen Verlust einzelner Individuen verkraftet hätten. Zudem mangelt es an greifbaren Erkenntnissen zu der Frage, über wie viele Mitglieder die Population ohne die entsprechenden Wartungsfahrten verfügen würde. Es ist auch nicht ersichtlich, dass weitergehende Erkenntnismöglichkeiten bestünden, mittels derer ein noch sicherer Nachweis erfolgen könnte, zumal jegliches Aufsuchen der Tiere in ihren geschützten Winterquartieren im Grundsatz zu vermeiden ist (vgl. dazu auch § 39 Abs. 6 BNatSchG) und Versuchsreihen beispielsweise zur weiteren Untersuchung des Verhaltens der Fledermäuse bei der Durchfahrt von Zügen keinesfalls in Betracht kommen.
68 
Kein anderes Ergebnis ergibt sich unter Berücksichtigung des Privilegierungstatbestandes des § 44 Abs. 7 Nr. 1 BNatSchG. Vielmehr ist diese Regelung nur anwendbar, wenn bereits im Rahmen eines Zulassungsverfahrens eine Prüfung der mit dem Vorhaben verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft richtig gesehen und bewältigt worden wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.7.2011 - 9 A 12.10 - juris Rn. 118; Lau in Frenz/Müggenborg, a. a. O., § 44 Rn. 43 m. w. N.), was vorliegend nicht der Fall ist. Die Annahme eines Verstoßes gegen das Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist auch nicht aufgrund einer Legalausnahme im Sinne des § 45 Abs. 1 bis 5 BNatSchG ausgeschlossen. Weiterhin ist eine behördliche Zulassung im Einzelfall (vgl. zu dieser Differenzierung Schütte/Gerbig in GK-NatSchG, 2. Auflage 2017, § 45 Rn. 2) im Sinne des § 45 Abs. 6 bis 8 BNatSchG durch das Regierungspräsidium Freiburg als höhere Naturschutzbehörde (§ 68 Abs. 3 Nr. 8, § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NatSchG) nicht erfolgt. Gleiches gilt - unabhängig von den diesbezüglichen unionsrechtlichen Bedenken (vgl. Sauthoff in GK-BNatSchG, a. a. O., § 67 Rn. 4 m. w. N.) - für eine Befreiung im Sinne von § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG. Ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vorlägen, bedarf daher keiner Erörterung, zumal sich die Klägerin hierauf auch nicht berufen hat.
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(3) Sind die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bereits wegen des Risikos der Tötung individueller Fledermausarten durch Herabfallen erfüllt, kommt es auf die Frage, ob die Durchfahrt von Dampflokomotiven mit einer unmittelbar zur Tötung einzelner Fledermäuse führenden Hitzeeinwirkung oder tödlichen Abgaseinwirkung verbunden sein kann, nicht an. Auch kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG erfüllt sind, insbesondere, ob von einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der lokalen Populationen einzelner Fledermausarten auszugehen wäre. Schließlich bedarf es auch keiner weiteren Aufklärung, ob das regelmäßige Durchfahren der Tunnel bezogen auf deren Funktion als Ruhestätte zu einer Schädigung oder Zerstörung im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG führt.
70 
2. Die Jahresfrist des § 49 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 LVwVfG war bei Erlass des Teilwiderrufs nicht abgelaufen. Diese Vorschrift regelt eine Entscheidungsfrist, die erst zu laufen beginnt, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über den Widerruf zu entscheiden (vgl. BVerwG (GrSen), Beschluss vom 19.12.1984 - GrSen 1/84 und GrSen 2GrSen 2/84 - NJW 1985, 910, juris Rn. 19 ff.). Diese Voraussetzungen waren - wie das Regierungspräsidium im Bescheid vom 27. Oktober 2016 einräumt und was objektiv zutrifft - selbst im Entscheidungszeitpunkt noch nicht erfüllt, da noch weitere Gutachten ausstanden.
71 
3. Die Entscheidung, den Planfeststellungsbeschluss einheitlich bezogen auf den gesamten Streckenabschnitt und uneingeschränkt für den Zeitraum vom 1. November eines jeden Jahres bis zum 31. März. des jeweiligen Folgejahres zu widerrufen, ist jedoch unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft, weil das Regierungspräsidium damit die Grenzen seines Ermessens überschritten hat (vgl. W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, a. a. O., § 114 Rn. 43 m. w. N.).
72 
Gemäß § 114 VwGO prüft das Gericht auch, ob ein Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind. Dabei reicht es für das Vorliegen eines Ermessensfehlers allein nicht aus, wenn die Behörde hinsichtlich eines bestimmten Sachverhalts zu wenig Aufklärungsarbeit geleistet hat. Entscheidend für den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens ist vielmehr, ob sich der angenommene Sachverhalt im Ergebnis als unzutreffend erweist, weil tatsächlich vorhandene entscheidungserhebliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen oder falsch gewichtet wurden (vgl. Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., § 24 Rn, 58 m. w. N.). Belastende Ermessensentscheidungen müssen den aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Dieser verlangt, dass die Maßnahme zur Erreichung des Zwecks der Ermessensermächtigung geeignet ist, mithin einen Beitrag dazu leistet, dass der Zweck der Ermächtigung erreicht wird. Die Maßnahme muss weiterhin erforderlich sein, die Behörde muss also unter mehreren in gleicher Weise geeigneten Mitteln das mildere Mittel, mithin die am wenigsten belastende Maßnahme wählen. Schließlich muss die Maßnahme auch angemessen sein, woran es fehlt, wenn die Schwere der Belastung für den Bürger außer Verhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck steht. Diesbezüglich bedarf es einer Abwägung, bei der die betroffenen privaten und öffentlichen Interessen nach ihrer konkreten Betroffenheit im jeweiligen Einzelfall gewichtet werden müssen (vgl. zum Ganzen Schönenbroicher in Mann/Sennekamp/Uechtritz, a. a. O., § 40 Rn. 23 ff. m. w. N.; Ramsauer in Kopp/ders., a. a. O., § 40 Rn. 48 m. w. N.).
73 
Nach dieser Maßgabe erweist sich der Teilwiderruf im vorgenommenen Umfang als ermessensfehlerhaft, weil er zumindest nicht erforderlich ist. Das Regierungspräsidium Freiburg als Planfeststellungsbehörde hat es im Rahmen seines Auswahlermessens unterlassen, ernsthaft in Betracht kommende und die Rechte der Klägerin im Verhältnis zum Teilwiderruf weniger beschneidende Maßnahmen sachgerecht einzubeziehen. Insbesondere die Möglichkeit der Aufnahme einer nachträglichen Nebenbestimmung zum Schutz der Fledermäuse anstelle des Teilwiderrufs wurde dabei verkannt.
74 
Das Regierungspräsidium ging nach der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids im Ansatz zutreffend davon aus, dass ein Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses wegen dessen erhöhter Bestandskraft für ein fertiggestelltes und in Betrieb genommenes Vorhaben nur ultima ratio sein könne und dass vorrangig Schutzauflagen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG in Betracht gezogen werden müssten. Diese Vorschrift sei jedoch nur anwendbar, wenn es um subjektive Rechte Dritter gehe. Da der mit dem Teilwiderruf verfolgte Schutzzweck des Artenschutzes dem Allgemeinwohl diene, scheide der Erlass einer Schutzauflage auf dieser Grundlage aus.
75 
Ob diese Rechtsauffassung, gerade auch in Bezug auf vorrangiges Unionsrechts, zutrifft (kritisch hierzu: Neumann/Külpmann in Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., § 72 Rn. 116; Lieber, NuR 2012, 655, 669; Steinberg/Wickel/Müller, a. a. O., § 5 Rn. 20, 23; Kratsch in Schuhmacher/Fischer-Hüftle, a. a. O. § 45 Rn. 61, Senatsbeschluss vom 3.2.2012 - 5 S 190/12 - nicht veröffentlicht, UA S. 7 f.;) kann dahinstehen, da zumindest auf der Grundlage von § 72 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 36 Abs. 2 LVwVfG anstelle eines Teilwiderrufs nachträgliche Nebenbestimmungen grundsätzlich möglich gewesen wären. Die Regelung des § 75 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG lässt - wie bereits gezeigt (siehe oben: B. II.) - die Möglichkeit unberührt, den Planfeststellungsbeschluss auf der Grundlage von §§ 48, 49 LVwVfG zurückzunehmen oder zu widerrufen. Dies schließt auch die Möglichkeit nachträglicher Nebenbestimmungen nach § 36 Abs. 2 LVwVfG als Minus zu Rücknahme und Widerruf ein (vgl. Ramsauer/Wysk in Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 75 Rn. 42; § 48 Rn. 30; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.1.2012 - 5 S 196/12 - NVwZ-RR 2012, 340, juris Rn. 9; allgemein zur nachträglichen Beifügung einer Nebenbestimmung: VGH Bad-Württ., Urteil vom 14.4.2009 - 8 S 2322/07 - juris LS 1 und Rn. 21). Die Vorschriften zu Rücknahme und Widerruf (§§ 48 und 49 LVwVfG) verfolgen den Zweck, einen Ausgleich zwischen Vertrauensschutz und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung herzustellen und können diese Funktion nur erfüllen, wenn sie - als Mittelweg zwischen unverändertem Fortbestehen und vollständiger Aufhebung des Verwaltungsakts auch die nachträgliche Beifügung oder Veränderung von Nebenbestimmungen zulassen (vgl. Weiß in Mann/Sennekamp/Uechtritz, a. a. O., § 36 Rn. 94 m. w. N.). Insoweit besteht angesichts der gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG anzunehmenden Anwendbarkeit auch der Regelungen des § 36 Abs. 2 und 3 LVwVfG auf einen Planfeststellungsbeschluss (vgl. Neumann/Külpmann in Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., § 72 Rn. 103; Lieber in Mann/Sennekamp/Uechtritz, a. a. O., § 72 Rn. 177 ff.) kein Anlass, bezogen auf Planfeststellungsverfahren generell nur den indirekten Weg zuzulassen, den Verwaltungsakt aufzuheben und anschließend einschließlich einer Nebenbestimmung neu zu erlassen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der nachträgliche Erlass einer Nebenbestimmung, anders als der Teilwiderruf, im Grundsatz eine Änderung oder Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses darstellen könnte, mithin selbst eine planerische Entscheidung, mit der Folge, dass die Durchführung eines förmlichen Planfeststellungsverfahrens statt eines allgemeinen Verwaltungsverfahrens erforderlich wäre. Vielmehr handelt es sich bei der nachträglichen Änderung oder Ergänzung durch eine Nebenbestimmung als Schutzvorkehrung nicht um eine durch Finalsätze strukturierte Abwägungsentscheidung, sondern um eine Reaktion auf nachträglich eingetretene schädliche Auswirkungen (vgl. zu § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Abs. 3 VwVfG: Deutsch in Mann/Sennekamp/Uechtritz, a. a. O., § 75 Rn. 181 f. m. w. N.; Neumann/Külpmann in Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., § 75 Rn. 91; Ramsauer/Wysk in Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 75 Rn. 58 m. w. N.).
76 
Auf dieser Grundlage hätte sich das Regierungspräsidium bei der Ermessensentscheidung mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der bezweckte Schutz der Fledermäuse es tatsächlich erfordert, uneingeschränkt über den gesamten Winterzeitraum eines jeden Jahres vom 1. November bis zum 31. März des Folgejahres in allen Tunneln des streitigen Streckenabschnitts jeglichen Betrieb auch in Form von Fahrten zu Wartungs- und Reparaturzwecken durch vollumfängliche Aufhebung der aus dem Planfeststellungsbeschluss folgenden Rechte zu verhindern. Zwar hat unter anderem die Anhörung des Sachverständigen Dr. B. und des sachkundigen Mitarbeiters Dr. K. in der mündlichen Verhandlung ergeben, dass es im Hinblick auf die ausgeprägte Empfindlichkeit der Fledermäuse nur schwer möglich sein dürfte, die Durchfahrten durch Absenkung der Geschwindigkeiten, Verzicht auf Dampfausstöße beim Einsatz von Dampflokomotiven, Verzicht auf Beleuchtung und ähnliche technische Maßnahmen allgemein so zu gestalten, dass es nicht zu einer Störung der Tiere mit der Folge des Risikos unter anderem des Herabfallens kommt. Entsprechenden Auflagen dürfte es insoweit wohl an der gleichen Eignung mangeln. Auch liegen jedenfalls bislang keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der Schutzzweck dadurch erreicht werden könnte, dass der Klägerin auferlegt wird, die Tunnel durch bauliche Maßnahmen so umzugestalten, dass sich von den Fledermäusen akzeptierte Schutzräume ergäben und dennoch eine Durchfahrt von Zügen möglich wäre. Entsprechende Studien zur Machbarkeit eines Kammer-Trenn-System, die in Bezug auf die Tunnel der Hermann-Hesse Bahn im Landkreis Calw eingeleitet wurden, konnten noch nicht abgeschlossen werden.
77 
Es erscheint jedoch angesichts der sich bereits aus den Gutachten von Dr. B. vom 12. Mai 2015 und 12. Mai 2017 ergebenden ausgeprägten Fluktuation der Tiere, die demnach unter anderem in milden Wintern die Winterquartiere erst später beziehen oder angesichts des nur zeitlich begrenzten Torpors früher wieder verlassen und zudem Hangplätze auch im Winter wechseln, nicht ausgeschlossen, unter anderem Fahrten in solchen Zeiträumen zu ermöglichen, in denen sichergestellt ist, dass sich in den Tunneln noch keine überwinternden Fledermäuse oder keine überwinternden Tiere mehr befinden und folglich ein Tötungs- oder Verletzungsrisiko nicht besteht. So wurde ausweislich des Gutachtens vom 12. Mai 2015 beispielsweise im Winter 2014 im Weiler Kehrtunnel, mithin dem Tunnel mit der größten Winterschlafgesellschaft, am 4. November 2014 nur ein einzelnes Exemplar der Mopsfledermaus und ein weiteres Exemplar des Mausohres angetroffen, erst zu Dezemberbeginn erhöhte sich die Anzahl maßgeblich. Mitte März 2017 hatte ein Großteil der Fledermäuse die Ruhestätte wieder aufgegeben. Im Grimmelshofener Tunnel, in dem ausweislich der Gutachten generell nur sehr wenige Tiere überwintern, wurde im November 2014 und am 24. Februar 2017 kein einziges Exemplar der Mopsfledermaus angetroffen. Ähnlich ausgeprägt sind die divergierenden Besatzzahlen ausweislich des Gutachtens vom 12. Mai 2017 im Tunnel am Achdorfer Weg und besonders im Buchbergtunnel, in dem demnach nur vereinzelte Exemplare überwintern und beispielsweise am 2. November 2016, am 27. Dezember 2016, am 24. Januar 2017 und am 21. März 2017 kein überwinterndes Tier angetroffen wurde. Vor diesem Hintergrund wäre es demnach auch unter Berücksichtigung des von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG beabsichtigten Individuenschutzes im Grundsatz möglich, die Durchführung von einzelnen Fahrten insbesondere in den Randzeiten des Winters und den weniger stark frequentierten Tunneln - bei entsprechender Witterung aber gegebenenfalls auch in weiteren Zeiträumen - unter bestimmten, noch zu klärenden Bedingungen zugelassen bleiben. Dabei wird nicht verkannt, dass mit einer derartig einschränkenden Nebenbestimmung die Durchführung von Publikumsfahrten über den gesamten Streckenabschnitt oder auch nur zwischen dem Bahnhof Zollhaus-Blumberg und dem Bahnhof Fützen, wie von der Klägerin zuletzt beabsichtigt, nur schwer organisierbar sein dürfte. Insoweit wäre der Klägerin gegebenenfalls auch noch Gelegenheit zu geben, ihr bisheriges planfestgestelltes Betriebskonzept zu überdenken und gegebenenfalls zu modifizieren. Zum Nachweis des Risikoausschlusses erforderliche Besatzkontrollen dürften nur kurzfristig vor der beabsichtigten Fahrt möglich sein mit der Folge, dass entsprechende Fahrtangebote kaum rechtzeitig ausgeschrieben werden könnten. Insbesondere im Hinblick auf die von der Klägerin beabsichtigten Winterfahrten zur Wartung und Reparatur, die von dem Teilwiderruf ebenfalls ausnahmslos erfasst und damit generell über den gesamten Zeitraum unzulässig werden, dürfte sich eine entsprechend eingeschränkte Zulassung jedoch als potentiell geeignet erweisen und hätte daher vom Regierungspräsidium erwogen werden müssen.
78 
Dass es einer entsprechenden Ausnahmeregelung für Fahrten zumindest im Einzelfall bedarf und der ausnahmslose Ausschluss aller Fahrten sich als nicht erforderlich im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erweist, hat letztlich auch das Regierungspräsidium erkannt und aus diesem Grund mit seiner Entscheidung Nr. 2 im Bescheid vom 27. Oktober 2016 eine Regelung zur Wiedererteilung einer Genehmigung einzelner Fahrten aufgenommen. Diese Regelung, die angesichts der fehlenden konkreten Bezugnahme auf die Anforderungen des § 44 Abs. 1 BNatSchG zudem - hier nicht weiter nachzugehenden - Bestimmtheitsbedenken (§ 37 Abs. 1 LVwVfG) begegnet, beschränkt sich jedoch gerade nicht auf die nachträgliche Aufnahme einer entsprechenden Nebenbestimmung in den im Übrigen weiterhin wirksamen Planfeststellungsbeschluss als Grundlage für den Betrieb der Eisenbahn. Vielmehr geht die Regelung von dem - aus den genannten Gründen unverhältnismäßigen - Teilwiderruf in dem sich aus der Entscheidung Nr. 1 des Bescheids vom 27. Oktober 2016 ergebenden Umfang aus und lässt die für möglich gehaltene Ausnahme ungeklärt. Ausweislich der Begründung des Bescheids soll der bisher planfestgestellte Betrieb gerade nicht mehr auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses, sondern aufgrund einer neu und im Einzelfall zu erteilenden Ausnahmegenehmigung ermöglicht werden. Dieser Regelungszusammenhang begegnet im Übrigen auch im Hinblick auf § 18 AEG rechtlichen Bedenken.
79 
Soweit der Beklagte mit der Entscheidung Nr. 2 beabsichtigt haben sollte, Fahrten im Winterzeitraum im Einzelfall unter Bezugnahme auf die Regelung des § 67 Abs. 2 BNatSchG einem Befreiungsvorbehalt zu unterwerfen, hätte es auch insoweit eines Teilwiderrufs des Planfeststellungsbeschlusses nicht bedurft; vielmehr hätte auch der Vorbehalt einer Befreiung im Wege einer Bedingung in den Planfeststellungsbeschluss nachträglich aufgenommen werden können.
80 
Da angesichts der erfolgreichen Klage gegen Entscheidung Nr. 1 das durch den Planfeststellungsbeschluss eingeräumte Recht der Klägerin zur uneingeschränkten Nutzung des Streckenabschnitts wieder auflebt, bedarf es der Einräumung eines Nutzungsrechts im Einzelfall auf Grundlage von Entscheidung Nr. 2 nicht. Diese Entscheidung des Regierungspräsidiums wird damit gegenstandslos und aus Klarstellungsgründen ebenfalls aufgehoben.
C.
81 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
82 
Beschluss vom 4. Juli 2018
83 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG endgültig auf 5.000,- Euro festgesetzt.
84 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


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Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege


Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 44 Vorschriften für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten


(1) Es ist verboten, 1. wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,2. wild lebende Tiere der

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 34 Verträglichkeit und Unzulässigkeit von Projekten; Ausnahmen


(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erh

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 75 Rechtswirkungen der Planfeststellung


(1) Durch die Planfeststellung wird die Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen an anderen Anlagen im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt; neben der Planfeststellung sind andere behör

Allgemeines Eisenbahngesetz - AEG 1994 | § 18 Erfordernis der Planfeststellung und vorläufige Anordnung


(1) Betriebsanlagen einer Eisenbahn einschließlich der Bahnfernstromleitungen dürfen nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belang

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 67 Befreiungen


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Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 45 Ausnahmen; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen


(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen 1. Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig a) in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos g

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Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 7 Begriffsbestimmungen


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Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 32 Schutzgebiete


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Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 39 Allgemeiner Schutz wild lebender Tiere und Pflanzen; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen


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Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 33 Allgemeine Schutzvorschriften


(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landsc

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 20 Allgemeine Grundsätze


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Allgemeines Eisenbahngesetz - AEG 1994 | § 6 Erteilen und Versagen der Unternehmensgenehmigung


(1) Ohne Unternehmensgenehmigung darf niemand 1. Eisenbahnverkehrsdienste erbringen,2. als Fahrzeughalter selbstständig am Eisenbahnbetrieb teilnehmen oder3. Schienenwege, Steuerungs- und Sicherungssysteme oder Bahnsteige betreiben.Keiner Unternehmen

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 10 Landschaftsprogramme und Landschaftsrahmenpläne


(1) Die überörtlichen konkretisierten Ziele, Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden für den Bereich eines Landes im Landschaftsprogramm oder für Teile des Landes in Landschaftsrahmenplänen dargestellt. Die Ziel

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 8 Allgemeiner Grundsatz


Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden als Grundlage vorsorgenden Handelns im Rahmen der Landschaftsplanung überörtlich und örtlich konkretisiert und die Erfordernisse und Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Ziele dargestellt un

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 36 Pläne


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Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. März 2007 - 16 K 4091/06 - geändert. Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung der Beklagten vom 27. September 2004 und der Widerspruchsbescheid des

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Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 26. August 2015 - 1 K 95/15 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die naturschutzrechtliche Entscheidung des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 17. Oktober 2014 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf EUR 5.000,-- festgesetzt.

Gründe

 
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige (§§ 147 Abs. 1, 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO), insbesondere auch den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechende Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.
Die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) geben Anlass, die vom Verwaltungsgericht zu ihrem Nachteil getroffene Abwägungsentscheidung zu ändern und dem Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes stattzugeben.
Entgegen der Beschwerde ist das Verwaltungsgericht allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Begründung des Sofortvollzugs dem Erfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO genügte. Erforderlich ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehung notwendig ist und hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, von dem angefochtenen Verwaltungsakt einstweilen nicht betroffen zu werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO 21. A. 2015, § 80 Rn. 85 m.w.N.). Diesen f o r m e l l e n Anforderungen ist hier ohne weiteres genügt, da es im öffentlichen Interesse als dringend geboten erachtet wurde, „zum Schutz der in den Tunneln überwinternden Fledermäuse erhebliche Störungen durch zusätzlichen Fahrbetrieb im Winter, bis hin zu Tötungen und Verlust dieser Lebensstätten, während eines anhängigen Widerspruchs- oder Klageverfahrens zu verhindern“ (vgl. die angefochtene naturschutzrechtliche Entscheidung v. 17.10.2014, S. 23). Darauf, ob tatsächlich ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse bestand und diesem Vorrang zukam, kommt es hierbei nicht an. Insofern ist auch unerheblich, ob, was die Antragstellerin bezweifelt, der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine Abwägung mit ihren gegenläufigen Interessen vorausgegangen war, wovon im Hinblick auf die in der Entscheidung angestellten Ermessenserwägungen (a.a.O., S. 15 ff.) freilich auszugehen sein dürfte.
Das Verwaltungsgericht hat bei der von ihm nach Maßgabe des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung dem (besonderen) öffentlichen Interesse an der angeordneten sofortigen Vollziehung (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) der naturschutzrechtlichen Entscheidung vom 17.10.2014 jedoch zu Unrecht Vorrang vor dem privaten Interesse der Antragstellerin gegeben, von deren Wirkungen vorläufig verschont zu bleiben.
Mit seiner naturschutzrechtlichen Entscheidung hatte das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis der Antragstellerin - gestützt auf § 3 Abs. 2 BNatSchG - die Durchführung des Eisenbahnbetriebs in den Tunneln der inzwischen von ihr betriebenen Museumsbahnstrecke („Sauschwänzlebahn“) zwischen dem „Buchbergtunnel“ (Nordportal) und dem Kehrtunnel „Im Weiler“ (Westportal) jeweils für den Zeitraum vom 1. November eines Jahres bis zum 31. März des Folgejahres untersagt. Da die Tunnel von (u. a. Mops-) Fledermäusen als wichtige Überwinterungsstätte genutzt würden, verstieße ein gleichwohl durchgeführter „Winterbetrieb“ gegen Bestimmungen des Naturschutzrechts, insbesondere gegen solche des Arten- und Habitatschutzrechts.
Anders als das Verwaltungsgericht hält der Senat bei Berücksichtigung der wechselseitigen öffentlichen und privaten Interessen eine Aussetzung des angeordneten Sofortvollzugs für angezeigt. Denn die angefochtene naturschutzrechtliche Entscheidung erweist sich schon jetzt als offensichtlich rechtswidrig.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis als untere Naturschutzbehörde für die hier allein in Rede stehende Untersagung des „Winterbetriebs“ der von der Antragstellerin betriebenen Museumsbahnstrecke „Sauschwänzlebahn“ schon nicht sachlich zuständig. Denn eine solche konnte und kann derzeit allenfalls von dem für die Eisenbahnaufsicht über eine nichtbundeseigene Eisenbahn zuständigen Ministerium für Verkehr und Infrastruktur ausgesprochen werden. Der Umstand, dass sich im Eisenbahnrecht keine Ermächtigungsgrundlage findet, die ausdrücklich die Untersagung eines Eisenbahnbetriebs vorsieht, ändert nichts.
Zu erinnern ist zunächst daran, dass der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin unter Geltung des Landeseisenbahngesetzes vom 12.07.1951 (Reg.Bl. S. 49) am 25.04.1978 das Recht zum Bau und Betrieb einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahn verliehen worden war (vgl. § 2 Abs. 2 u. 1 LEG), nachdem - am 10.01.1978 - der für die Verleihung letztlich maßgebende endgültige Planfeststellungsbeschluss zum Betrieb einer Museumsbahn erlassen worden war (vgl. §§ 5, 11 LEG). In der Wiederinbetriebnahme der zum 01.01.1976 stillgelegten Eisenbahnstrecke in Form eines Museumsbetriebs mit Dampfzugfahrten zur Personenbeförderung war seinerzeit eine wesentliche Änderung des Unternehmens im Betrieb i. S. des § 2 Abs. 2 LEG gesehen worden. Am 24.09.1987 wurde das Unternehmungsrecht erneuert. Am 18.12.1996 wurde der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin - nach Maßgabe der am 10.01.1978 festgestellten Pläne - eine Genehmigung zum Betreiben einer nichtöffentlichen Eisenbahninfrastruktur erteilt (vgl. § 11 Abs. 3 Nr. 2 LEisenbG i. d. F. 08.06.1995 ). Diese wurde am 25.10.2006 durch eine Genehmigung zum Betreiben einer öffentlichen Eisenbahninfrastruktur ersetzt (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 3 AEG), wiederum nach Maßgabe der am 10.01.1978 festgestellten Pläne. Am 13.04.2012 wurde der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin auch eine Genehmigung zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen erteilt (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 1 AEG). Inzwischen ist die Antragstellerin Inhaberin beider Genehmigungen.
Wäre der „Winterbetrieb“, wie das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis meint, von dem (ausdrücklich auch den Betrieb betreffenden) Planfeststellungsbeschluss vom 10.01.1978 nicht umfasst gewesen, fehlte es möglicherweise von vornherein an einem rechtmäßigen Bahnbetrieb während der Wintermonate. Einen solchen zu untersagen obläge indes - unabhängig von etwa darüber hinaus drohenden Verstößen gegen Naturschutzrecht - nicht der Naturschutzbehörde, sondern dem für die Eisenbahnaufsicht über eine nichtbundeseigene Eisenbahn zuständigen Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (vgl. § 2 Nr. 1 und § 1 der Eisenbahnzuständigkeitsverordnung (EZuVO) vom 11.09.1995, zuletzt geändert durch Art. 200 der Verordnung vom 25.01.2012 (GBl. S. 65, 87), da dann ein Verstoß gegen den eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss vorläge (vgl. § 15 des Landeseisenbahngesetzes (LEisenbG) vom 08.06.1995 (GBl. S. 417, 421), zuletzt geändert durch Art. 64 der Verordnung vom 25.01.2012 (GBl. S. 65).
10 
Auf die - sich etwa bei der Durchführung von Unterhaltungsmaßnahmen entlang der Gleise stellende - Frage, ob die für die Eisenbahnaufsicht zuständige Behörde gegebenenfalls auch gegen Verstöße gegen Bestimmungen des (Bundes-) Naturschutzrechts einzuschreiten berechtigt wäre, käme es dabei nicht an. Es erscheint im Übrigen zweifelhaft, ob dies, wenn die Aufsicht über eine nichtbundeseigene Eisenbahn durch eine Landesbehörde in Rede steht, unter Hinweis auf die beschränkte Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamts überzeugend verneint werden könnte. Dass dem Eisenbahn-Bundesamt der Vollzug von Landesrecht grundsätzlich verfassungsrechtlich verwehrt sein mag (vgl. OVG NW, Urt. v. 08.06.2005 - 8 A 262/05 -, NuR 2005, 660), führte in diesem Zusammenhang ohnehin nicht weiter, weil das Naturschutzrecht inzwischen weitgehend Bundesrecht ist.
11 
Überwiegendes spricht allerdings dafür, dass der untersagte „Winterbetrieb“ - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - vom Planfeststellungsbeschluss umfasst ist. Denn dem Planfeststellungsbeschluss vom 10.01.1978 ist - ebenso wenig wie den Verleihungen und späteren Genehmigungen - eine Einschränkung des Betriebs auf einen „Sommerbetrieb“ nicht zu entnehmen. Eine solche Einschränkung dürfte sich auch nicht daraus ergeben, dass die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin in ihrem Erläuterungsbericht vom 02.02.1977 erkennen ließ (a.a.O., S. 3), dass nur an einen „Betrieb in den Monaten Mai bis Mitte Oktober“ gedacht war, und das Regierungspräsidium Freiburg im Anhörungsverfahren auf die „lediglich erneute und gelegentliche Inbetriebnahme während der Sommermonate“ hingewiesen hatte. Denn abgesehen davon, dass darüber hinaus „auch Sonderfahrten nach Bedarf (mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h)“ vorgesehen waren, fand dies keine Entsprechung im späteren Planfeststellungsbeschluss. Insbesondere ergab sich solches nicht aus II. 4. des verfügenden Teils, der eine erste Kontrolle „jährlich vor Aufnahme des Betriebs“ vorsah. Auch war der Erläuterungsbericht vom 02.02.1977 nicht planfestgestellt worden. Für eine ausdrückliche Regelung, so eine zeitliche Einschränkung des Betriebs beabsichtigt gewesen wäre, hätte indes Anlass bestanden, da eine planfestgestellte Eisenbahnstrecke typischerweise einen ihrer Kapazität entsprechenden Betrieb ermöglicht und die planfestgestellte Eisenbahnstrecke bereits seit 1890 - ersichtlich ohne jahreszeitliche Einschränkungen - in Betrieb war. Aus Anlass der seinerzeitigen Planfeststellung hätten auch durchaus Einschränkungen aus Gründen des Naturschutzes getroffen werden können (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 3 LEisenbG; Schreiben der Anhörungsbehörde v. 21.03.1977, S. 6. insbes. auch den Zusatz für das Referat 6 im Hause; auch die Niederschrift über die Erörterungsverhandlung gem. Art. 21 des Württ. Zwangsenteignungsgesetzes v. 20.12.1888 v. 24.05.1977).
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Ausgehend davon wäre aber - ohne einen vorherigen Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses - eine (unmittelbare) Untersagung des Bahnbetriebs (derzeit) gar nicht möglich, auch nicht durch die für die Eisenbahnaufsicht zuständige Landesbehörde. Denn aufgrund der Genehmigungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. LVwVfG) steht die Zulässigkeit des Bahnbetriebs grundsätzlich im Hinblick auf alle davon berührten öffentliche Belange - einschließlich der Belange des Naturschutzes - verbindlich fest. Aufgrund der formellen Konzentrationswirkung entfiel dabei die Zuständigkeit anderer Behörden; insoweit erfolgte eine Zuständigkeitsverlagerung auf die Planfeststellungsbehörde (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. LVwVfG; hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG 15. A. 2014, § 75 Rn. 15). Die Entscheidung, ob nachträgliche Verstöße gegen das bei der Planfeststellung zu prüfende materielle Recht zum Anlass genommen werden, das Planfeststellungsverfahren wieder aufzugreifen bzw. einen Teilwiderruf auszusprechen (etwa nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG), obliegt indes allein der Planfeststellungsbehörde bzw. der Behörde, die nunmehr für den Erlass des eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses sachlich zuständig wäre (vgl. § 49 Abs. 5 LVwVfG; hierzu BVerwG, Urt. v. 20.12.1999 - 7 C 42.98 -, BVerwGE 110, 226). Dies wäre hier das Regierungspräsidium Freiburg (vgl. § 3 Nr. 2 EZuVO).
13 
Ohne vorherigen teilweisen Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses dürfte eine Einschränkung des Bahnbetriebs über mehrere Monate darüber hinaus der Funktionssicherungsklausel des § 4 Nr. 3 BNatSchG widersprechen, die auch bei Maßnahmen des Naturschutzes die bestimmungsgemäße Nutzung eines in einem verbindlichen Plan für Zwecke des öffentlichen Verkehrs ausgewiesenen öffentlichen Verkehrswegs gewährleisten will. Der Anwendungsvorrang von Unionsrecht dürfte daran nichts ändern, sollte dieses vorliegend materielle Geltung beanspruchen. Denn Unionsrecht gibt nicht vor, in welchem Verfahren von welcher Behörde materielles Unionsrecht vorrangig anzuwenden ist (vgl. Art. 291 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV). Auch über eine Verträglichkeit nach § 34 BNatSchG ist grundsätzlich von der für das Projekt zuständigen Behörde in dem dafür vorgesehenen sog. Trägerverfahren zu entscheiden (vgl. § 34 Abs. 6 BNatSchG).
14 
Nach alldem könnten inzwischen möglicherweise aus Gründen des Naturschutzes gebotene Einschränkungen des Betriebs - etwa im Hinblick auf anderenfalls zu besorgende Verstöße gegen das Habitat- und/oder Artenschutzrecht - nur in einem wiederaufgegriffenen Planfeststellungsverfahren bzw. im Wege eines Teilwiderrufs von der Planfeststellungsbehörde und nicht nach § 3 Abs. 2 BNatSchG von der unteren Naturschutzbehörde angeordnet werden. Solchen stünde auch nicht entgegen, dass aus Anlass einer (Bau-) Planfeststellung nach § 18 AEG keine Betriebsregelungen getroffen werden könnten. Denn aufgrund des zu beachtenden Konfliktbewältigungsgebots, aber auch im Hinblick auf die Konzentrationswirkung der Planfeststellung, sind auch die Auswirkungen des mit dem Vorhaben verbundenen Betriebs einer Eisenbahnstrecke in den Blick zu nehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2013 - 7 A 28.12 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 71). Erforderlichenfalls sind daher aufgrund des Konfliktbewältigungsgebots bereits im Planfeststellungsbeschluss betriebliche Einschränkungen - gegebenenfalls auch solche aus Gründen des Naturschutzes - zu treffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2013, a.a.O.; Wurster, in: Beck‘scher AEG-Komm. 2. A. 2014 § 18 Rn. 244). Davon scheint auch das Regierungspräsidium Freiburg in seinem Widerspruchsbescheid vom 23.09.2015 auszugehen (a.a.O., S. 27). Die gewerberechtlichen Genehmigungen nach § 6 AEG oder eine etwa noch erforderliche Erlaubnis nach § 7f AEG wären demgegenüber - aufgrund ihres eingeschränkten Prüfungsgegenstands - solchen Einschränkungen von vornherein nicht zugänglich.
15 
Ob Unionsrecht es nicht nur ermöglichte (vgl. § 49 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG), sondern sogar geböte, den Planfeststellungsbeschluss vom 10.01.1978 teilweise (freilich nur gegen Entschädigung, vgl. § 49 Abs. 6 Satz 1 LVwVfG) zu widerrufen (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 07.09.2004 C-127/02 -, NuR 2004, 730; auch Würtenberger, NuR 210, 316 <319>), weil der seinerzeit wohl bereits umfassend genehmigte Eisenbahnbetrieb nunmehr ein Natura 2000-Gebiet beeinträchtigte oder zumindest eine Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten besorgen lassen könnte, bedarf hier keiner Entscheidung.
16 
Im Hinblick auf ein weiteres Verwaltungsverfahren, bemerkt der Senat gleichwohl das Folgende (vgl. auch Uhlenhut, Zugangsrecht contra Naturschutz - Die Mopsfledermaus auf der Sauschwänzlebahn, in: Ronellenfitsch/Esch-weiler/Hörster (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts ... 2015, S. 113 - 140):
17 
Im Hinblick auf eine unterbliebene Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Abs. 1 BNatSchG (vgl. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL) dürfte ein Teilwiderruf nicht geboten sein. Denn eine solche Prüfung ist vor der Zulassung eines Projekts durchzuführen, sodass ein bereits endgültig genehmigtes Projekt diesen Vorgaben nicht mehr unterliegen kann (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 17.03.2011 - C-275/09 -, NuR 2011, 282 u. Urt. v. 14.01.2010 - C-226/08 -, NuR 2010, 114). Dass die Eisenbahnstrecke auch nach Inkrafttreten der FFH-Richtlinie weiterbetrieben wird, vermag daran noch nichts zu ändern, da der Betrieb als solcher grundsätzlich kein neues Projekt darstellt (vgl. zu § 1 Abs. 2 der UVP-RL EuGH, Urt. v. 17.03.2011 - C-275/09 -, auf „materielle Veränderungen“ abstellend). Zwar mag bei betrieblichen Änderungen das Vorliegen eines neuen Projekts i. S. des § 34 Abs. 1 BNatSchG nicht von vornherein ausgeschlossen sein, da ein solches mehr als der Projektbegriff der UVP-Richtlinie (vgl. § 2 Abs. 2 UVPG), der insoweit orientierend herangezogen werden kann (vgl. Urt. v. 14.01.2010, a.a.O.; Urt. v. 07.09.2004, a.a.O.; BT-Drs. 16/122274, S. 65), wirkungsbezogen zu verstehen sein dürfte (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.12.2013 - 4 C 14.12 -, BVerwGE 149, 17). Insofern kämen auch solche Tätigkeiten in Betracht, die - ohne bauliche Veränderungen - ein Schutzgebiet gefährden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.04.2013, a.a.O.; OVG NW, Beschl. v. 21.02.2011 - 8 A 1837/09 -, NuR 2011, 591; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, UmwR II, § 34 BNatSchG Rn. 7). Doch erscheint mehr als zweifelhaft, ob hier von einem neuen Projekt schon deshalb gesprochen werden könnte (vgl. EuGH, Urt. v. 14.01.2010 - C-226/08 -, NuR 2010, 114), weil der Bahnbetrieb in den Monaten vom November bis April nicht mehr - wie bisher - nur bei Bedarf (insbesondere zur Unterhaltung der Strecke), sondern regelmäßig auch - aber auch nur - an den (Advents-) Wochenenden (sog. „Nikolausfahrten“) stattfinden soll. Denn auch der bisherige Winterbetrieb wäre bereits aus Anlass der Planfeststellung einer Verträglichkeits- oder Abweichungsprüfung zu unterziehen gewesen, wäre eine solche bereits vorgegeben gewesen. Dürfte danach eher nicht von einem neuen Projekt auszugehen sein, könnte jedoch möglicherweise noch auf § 33 Abs. 1 BNatSchG (bzw. Art. 6. Abs. 2 FFH-RL) zurückzugreifen sein, sollte dem nicht der Grundsatz der Rechtssicherheit entgegenstehen (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 14.01.2010, a.a.O.; auch Lütkes/Ewer, BNatSchG, § 33 Rn. 4 m.w.N.; Gellermann, a.a.O., § 33 BNatSchG Rn. 3).
18 
Die seinerzeit noch gar nicht geltenden Verbote der Naturschutzgebietsverordnung vom 27.09.1979 dürften einen Widerruf freilich nicht gebieten (vgl. auch § 23 Abs. 2 Satz1 BNatSchG; hierzu auch die Ausnahmevorschrift in § 5 der Verordnung).
19 
In Betracht käme jedoch, dass die von den Naturschutzbehörden angeführten besonderen artenschutzrechtliche Verbote (insbes. nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) eine jahreszeitliche Einschränkung des Betriebs erforderten, sollten nicht andere - etwa die von der Antragstellerin vorgeschlagenen - betriebsregelnde Maßnahmen genügen. Dabei wäre dann auch zu klären, ob eine erhebliche Störung bzw. Verschlechterung des Erhaltungszustands einer lokalen Fledermauspopulation durch die Befahrung eines jeden Tunnels eintreten würde.
20 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
21 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Ohne Unternehmensgenehmigung darf niemand

1.
Eisenbahnverkehrsdienste erbringen,
2.
als Fahrzeughalter selbstständig am Eisenbahnbetrieb teilnehmen oder
3.
Schienenwege, Steuerungs- und Sicherungssysteme oder Bahnsteige betreiben.
Keiner Unternehmensgenehmigung bedürfen
1.
der Betreiber einer Serviceeinrichtung,
2.
der Betreiber einer Werksbahn und
3.
Tätigkeiten im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 und 2, sofern die Eisenbahninfrastruktur einer Werksbahn benutzt wird.

(2) Sind Anforderungen der §§ 6a bis 6e erfüllt, ist die Unternehmensgenehmigung zu erteilen. Die Genehmigung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 wird für eine bestimmte Eisenbahninfrastruktur erteilt.

(3) Die Unternehmensgenehmigung kann nur beantragt werden, wenn der Antragsteller in Deutschland niedergelassen ist oder dort eine juristisch selbstständige Niederlassung betreibt.

(4) Die Genehmigungsbehörde entscheidet über den Antrag so bald wie möglich, spätestens jedoch drei Monate nach Vorlage aller erforderlichen Unterlagen.

(5) Für jede Eisenbahninfrastruktur darf es nur eine Unternehmensgenehmigung geben. Wird eine Eisenbahninfrastruktur nach § 11 abgegeben oder stillgelegt, so ist die Unternehmensgenehmigung des abgebenden oder stilllegenden Eisenbahninfrastrukturunternehmens für diese Eisenbahninfrastruktur aufzuheben. Im Falle der Abgabe darf die Unternehmensgenehmigung für das übernehmende Eisenbahninfrastrukturunternehmen erst zu dem Zeitpunkt wirksam werden, zu dem die Aufhebung wirksam geworden ist.

(6) Die Unternehmensgenehmigung allein berechtigt nicht zum Zugang zur Eisenbahninfrastruktur.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den am 27. Oktober 2016 vom Regierungspräsidium Freiburg ausgesprochenen Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses zum Betrieb der Museumsbahn der Stadt Blumberg auf dem Streckenabschnitt zwischen den Bahnhöfen Weizen und Zollhaus-Blumberg vom 10. Januar 1978 wird wiederhergestellt, soweit der Teilwiderruf den Bahnbetrieb im Grimmelshofener Tunnel, im Tunnel in der kleinen Stockhalde und im Buchbergtunnel sowie den Bahnbetrieb im Tunnel am Achdorfer Weg nach dem 31. März 2017 betrifft.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der nach § 80 Abs. 5 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Antrag hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Als Gericht der Hauptsache hat über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO der beschließende Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden. Auch die gegen den Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr Baden-Württemberg vom 10.01.1978 erhobene Klage ist eine ein Planfeststellungsverfahren betreffende Streitigkeit i. S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.09.1996 - 8 S 1511/96 -, NVwZ-RR 1997, 682; Senatsbeschl. v. 22.10.1996 - 5 S 1848/96 -, juris; auch BVerwG, Urt. v. 28.04.2016 - 4 A 2.15 -, NVwZ 2016, 1325). Denn es wird um den Umfang des Fortbestands jenes Planfeststellungsbeschlusses gestritten.
Der Senat versteht den angefochtenen Teilwiderruf im Hinblick auf dessen Regelung Nr. 2 und die Begründung des Sofortvollzugs (S. 18) bei sachgerechter, nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks haftender Auslegung (vgl. § 133 BGB) dahin, dass der im Planfeststellungsbeschluss vom 10.01.1978 bislang ohne jahreszeitliche Einschränkung zugelassene (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 30.06.2016 - 5 S 1984/15 -, NuR 2016, 649) Bahnbetrieb in den Tunneln zwischen den Bahnhöfen Zollhaus-Blumberg und Weizen lediglich für die Winterzeit (01.11. bis 31.03.) eines jeden Jahres widerrufen werden sollte. Allein in diesem Sinne musste und durfte der Teilwiderruf auch von der Antragstellerin als Adressatin verstanden werden.
Bei dieser Auslegung genügt die Begründung des Sofortvollzugs entgegen der Auffassung der Antragstellerin dem Erfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Erforderlich ist danach eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehung notwendig ist und hinter dieses besondere öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, von dem angefochtenen Verwaltungsakt einstweilen nicht betroffen zu werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO 21. A. 2015, § 80 Rn. 85 m.w.N.). Diesen f o r m e l- l e n Anforderungen ist hier ohne weiteres genügt, da es im öffentlichen Interesse als dringend geboten erachtet wurde, „zum Schutz der in den Tunneln überwinternden Fledermäuse erhebliche Störungen durch zusätzlichen Fahrbetrieb im Winter, bis hin zu Tötungen und Verlust dieser Lebensstätten, während eines anhängigen Klageverfahrens zu verhindern“ (vgl. Teilwiderruf, S. 18). Darauf, ob diese Gründe zutreffen und ihnen auch Vorrang zukommt, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Insofern ist auch unerheblich, ob, was die Antragstellerin bezweifelt, der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine Abwägung mit ihren gegenläufigen Interessen vorausgegangen war.
Bei der vom Senat nach Maßgabe des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung kommt dem privaten Interesse der Antragstellerin, von den Wirkungen des Teilwiderrufs vorläufig verschont zu bleiben, nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Vorrang vor dem (besonderen) öffentlichen Interesse an der angeordneten sofortigen Vollziehung (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) des Teilwiderrufs zu. Der Teilwiderruf erweist sich aller Voraussicht nach als rechtswidrig, soweit er sich auch auf den Winterbetrieb im Grimmelshofener Tunnel, im Tunnel in der kleinen Stockhalde und im Buchbergtunnel bezieht. Anders verhält es sich hingegen, soweit der Teilwiderruf den Bahnbetrieb im Weiler Kehrtunnel und im Stockhalde Kreiskehrtunnel betrifft. Insoweit erscheinen die Erfolgsaussichten allenfalls offen, sodass dem besonderen öffentlichen Interesse am Schutz streng geschützter Arten ersichtlich der Vorrang vor dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin zukommt, ihre Museumsbahn auch in diesen Tunneln weiter ohne jahreszeitliche Einschränkung betreiben zu können. Soweit der Winterbetrieb im Tunnel am Achdorfer Weg in Rede steht, erweist sich zwar der schon vor Durchführung entsprechender Untersuchungsmaßnahmen ausgesprochene (endgültige) Teilwiderruf des Winterbetriebs aller Voraussicht nach ebenfalls als rechtswidrig; jedoch dürfte insoweit ein auf den Winter 2016/2017 beschränkter Widerruf gerechtfertigt sein.
Soweit die Antragstellerin verschiedentlich darauf verwiesen hat, dass sie über eine eisenbahnrechtliche Genehmigung nach § 6 AEG verfüge, übersieht sie, dass es sich hierbei lediglich um eine allgemeine gewerberechtliche Erlaubnis handelt (vgl. Hermes/Sellner, Beck’scher AEG Kommentar, 2. A. 2014, § 6 Rn. 33), die nichts daran zu ändern vermag, dass ein Eisenbahnbetrieb nur auf planfestgestellten Betriebsanlagen durchgeführt werden darf (vgl. § 18 AEG). Sind aufgrund des zu beachtenden Konfliktbewältigungsgebots bereits im Planfeststellungsbeschluss betriebliche Einschränkungen vorzusehen (vgl. Senatsbeschl. v. 30.06.2016, a.a.O. m.w.N.) bzw. nachträglich in diesen aufzunehmen, kann ein Schienenweg von vornherein nur in diesem - eingeschränkten - Umfang betrieben werden.
Nach §§ 72 Abs. 1, 49 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG kann auch ein rechtmäßiger, den Vorhabenträger begünstigender Planfeststellungsbeschluss (teilweise) widerrufen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.05.1997 - 11 C 1.96 -, BVerwGE 105, 6; Urt. v. 28.04.2016, a.a.O.). Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG kann ein (teilweiser) Widerruf ausgesprochen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, u n d wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Solches kam hier durchaus in Betracht, weil aufgrund der in einem Teil der Tunnel inzwischen vorhandenen Winterquartiere von Fledermäusen ein Winterbetrieb – zumal teilweise im Natura-2000-Gebiet „Blumberger Pforte und Mittlere Wutach“ (Nr. 8216-341) und im Naturschutzgebiet „Wutachflühen“ - nicht mehr ohne jede Einschränkung zulässig sein dürfte. Für einen teilweisen Widerruf war das Regierungspräsidium Freiburg als nunmehr für den Erlass eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses zuständige Behörde auch sachlich und örtlich zuständig (vgl. § 49 Abs. 5 LVwVfG i.V.m. § 3 Nr. 2 EZuVO; hierzu BVerwG, Urt. v. 20.12.1999 - 7 C 42.98 -, BVerwGE 110, 226).
Auch die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG, die hier über § 49 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG entsprechend anzuwenden ist, stand dem teilweisen Widerruf nicht entgegen. Denn die Frist zur Entscheidung über den Widerruf setzt voraus, dass der (zuständigen) Behörde sämtliche für die Widerrufsentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Sie beginnt demgemäß erst zu laufen, wenn die Behörde, ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über den Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses zu entscheiden (vgl. BVerwG (GrSen), Beschl. v. 19.12.1984 - 1.84, 2.84 -, BVerwGE 70, 356; Urt. v. 17.10.1989 - 1 C 36.87 -, BVerwGE 84, 17; Urt. v. 24.01.1992 - 7 C 38.90 -, NVwZ 1992, 565). Dies gilt bei dem hier in Rede stehenden Widerrufsgrund auch für die Tatsachen, die die Gefährdung des öffentlichen Interesses begründen.
Ausgehend davon hat die Jahresfrist noch nicht einmal zu laufen begonnen. Die einen Widerruf rechtfertigenden Tatsachen waren und sind der Planfeststellungsbehörde schon deshalb nicht vollständig bekannt, weil die Untersuchungen noch immer nicht abgeschlossen sind. Abgesehen davon, dass ein Teil der Tunnel bislang noch nicht näher untersucht wurde, waren und sind bislang keine Ermittlungen und Überlegungen dazu angestellt worden, ob die Gefährdung des öffentlichen Interesses auch durch andere, die Antragstellerin weniger belastende betriebliche Einschränkungen ausgeschlossen werden kann (vgl. hierzu bereits Senatsbeschl. v. 30.06.2016, a.a.O.). Dass das Regierungspräsidium das Planfeststellungsverfahren bereits von Amts wegen hätte früher aufgreifen und den Sachverhalt längst hätte aufklären können, ändert nichts, da es sich bei der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG nicht um eine Bearbeitungs- sondern um eine Entscheidungsfrist handelt (vgl. BVerwG (GrSen), Beschl. v. Beschl. v. 19.12.1984, a.a.O.).
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Grundsätzlichen Bedenken begegnet der angefochtene Teilwiderruf - nicht zuletzt aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Sachverhaltsermittlungen -schon deshalb, weil die bisherige Genehmigung - auch - des Winterbetriebs ohne vorherige abschließende, ordnungsgemäße artenschutzrechtliche Prüfung (vgl. zur gebotenen Sachverhaltsermittlung Gellermann, in: Landmann/ Rohmer, Umweltrecht II , § 44 BNatSchG Rn. 22) (endgültig) widerrufen und die dabei in Betracht gezogene (teilweise) Wiedererteilung der Genehmigung des Winterbetriebs davon abhängig gemacht wurde, dass die Antragstellerin dessen Genehmigungsfähigkeit nachweist (Nr. 2). Hier verkennt das Regierungspräsidium, dass es seine Aufgabe gewesen wäre, vor einem Teilwiderruf des am 10.01.1978 bestandskräftig planfestgestellten Museumsbahnbetriebs abschließend zu prüfen, ob der Winterbetrieb wie bisher, möglicherweise aber nur unter Auflagen, etwa mit den von der Antragstellerin verschiedentlich angebotenen betrieblichen Einschränkungen, zumindest auf einem Teil des Streckenabschnitts ohne Verstoß gegen artenschutz- und habitatschutzrechtliche Bestimmungen weiter zugelassen werden kann. Solange dies in Betracht kommt, ist ein (endgültiger) Teilwiderruf, wie er hier ausgesprochen wurde, nicht zulässig. Denn dafür, ob die sachlichen Widerrufsvoraussetzungen erfüllt sind, trägt allein das Regierungspräsidium und nicht die Antragstellerin die materielle Beweis- bzw. Feststellungslast (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.04.1991 - 6 C 20.89 -, BVerwGE 88, 130), Die Ausführungen in der Begründung zum Anwendungsbereich des § 75 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG, insbesondere dazu, dass keine nachträglichen Auflagen zum Wohle der Allgemeinheit zulässig seien, führen hier nicht weiter. Auch hat das Regierungspräsidium lediglich pauschal und nicht hinsichtlich des Winterbetriebs in den einzelnen Tunneln geprüft, ob ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
11 
Ausgehend davon könnte nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ein (endgültiger) Teilwiderruf allenfalls für den Winterbetrieb in den beiden Kehrtunneln (Weiler Kehrtunnel und Stockhalde Kreiskehrtunnel) gerechtfertigt sein. Denn bei diesen könnte jedenfalls die artenschutzrechtliche Bestimmung des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG dem neuerlichen Erlass eines auch den Winterbetrieb zulassenden Planfeststellungsbeschlusses entgegenstehen, sofern nicht, was das Regierungspräsidium bisher nicht geprüft hat und daher noch einer Klärung bedarf, eine erhebliche Störung durch andere, die Antragstellerin weniger belastende betriebliche Einschränkungen vermieden werden kann (vgl. dazu zutreffend bereits Uhlenhut, Zugangsrecht contra Naturschutz - Die Mopsfledermaus auf der Sauschwänzlebahn, in: Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts ..., 2015, S. 113 <134>). In diesem Fall würde auch das öffentliche Interesse nicht gefährdet. Reichen andere betriebliche Einschränkungen nicht aus, käme es allerdings in den beiden Kehrtunneln ohne den ausgesprochenen Teilwiderruf voraussichtlich zu einer erheblichen Störung der nach § 7 Abs. 2 Nr. 14 b BNatSchG streng geschützten (Mops-) Fledermäuse während ihrer Überwinterungszeiten, weil sich dadurch der Erhaltungszustand ihrer lokalen Population, für den störungsarme (Winter-) Quartiere von besonderer Bedeutung sind, verschlechtern dürfte; dass die Fledermäuse ohne weiteres in für sie nutzbare störungsarme (potentielle) Winterquartiere ausweichen könnten, ist einstweilen nicht ersichtlich. Nach dem Gutachten „Fledermauserfassung in den Tunneln der 'Sauschwänzle Bahn'“ des ... GmbH vom 12.05.2015 beherbergen die beiden Kehrtunnel im Winter eine große Anzahl von Fledermäusen. Da die beiden Tunnel zu den wichtigsten (Winter-) Quartieren der Mopsfledermaus in ganz Baden-Württemberg zählen, könnte sich sogar der Erhaltungszustand der landesweiten Population erheblich verschlechtern (vgl. a.a.O., S. 13, 27). Dies gälte in besonderem Maße bei einem Winterbetrieb im Weiler Kehrtunnel, da die Mopsfledermäuse aufgrund der sich direkt im Scheitelpunkt des Tunnelquerschnitts befindlichen Hangplätze „direkt von einer Zugfahrt betroffen“ wären (z.B. durch Rauch- und Dampfausstoß der Dampflokomotive). Gestörte Fledermäuse würden dann die für sie überlebensnotwendigen Fettreserven schneller abbauen, weil sie den Stoffwechsel „außerplanmäßig“ erhöhen müssten. Insbesondere dann, wenn die Tiere aufgrund von Störungen auffliegen oder gar den Tunnel verlassen müssten, sei mit einer deutlich erhöhten Sterblichkeit zu rechnen (vgl. zum Ganzen Gutachten, S. 27 f.). Im Stockhalde Kreiskehrtunnel dürften die Fledermäuse nach dem Gutachten vom 12.05.2015 zwar - aufgrund der weniger exponierten Hangplätze - weniger beeinträchtigt werden. Eine Klärung, ob deshalb nicht mehr von einer  e r h e b l i c h e n  Störung ausgegangen werden kann, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Gleiches gilt für eine Klärung, ob im Hinblick darauf, dass die Tiere nach dem Gutachten bereits durch den Luftstrom und den Zuglärm gestört werden (vgl. S. 26), auch bei einem Betrieb ohne Rauch- und Dampfausstoß bzw. einem Betrieb mit Dieseltraktion von einer erheblichen Störung ausgegangen werden kann.
12 
Soweit die Antragstellerin eine erhebliche Störung i. S. einer erheblichen Verschlechterung des Erhaltungszustandes der lokalen Fledermauspopulation mit dem Hinweis in Zweifel zu ziehen versucht, dass sich die Durchführung des Eisenbahnbetriebs - einschließlich erheblich störender Unterhaltungsmaßnahmen - in den vergangenen Jahren nicht negativ auf die Fledermauspopulation ausgewirkt habe, gibt es hierfür keine nachvollziehbaren Hinweise. Im Übrigen übersieht die Antragstellerin, dass ein Winterbetrieb in den vergangenen Jahren gerade nicht durchgeführt wurde.
13 
Durch einen Winterbetrieb im Grimmelshofener Tunnel dürfte indes der Erhaltungszustand der jeweiligen lokalen Fledermauspopulation noch nicht erheblich verschlechtert werden, da in diesem Tunnel allenfalls drei überwinternde Fledermäuse (zwei Mopsfledermäuse und ein Braunes Langohr) festgestellt wurden (vgl. Gutachten, S. 14; Gellermann, a.a.O., § 44 Rn. 12). Auch das Tötungsrisiko (vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) für die betroffenen Arten dürfte sich durch einen Winterbetrieb - anders als wohl in den beiden Kehrtunneln - nicht „signifikant erhöhen“ (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.01.2014 - 9 A 4.13 -, BVerwGE 149, 31). Gegen die Vorschrift des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG, auf die sich das Regierungspräsidium anders als der von ihm beauftragte Gutachter gestützt hat, dürfte nicht verstoßen werden. Denn dafür, dass mit dem tatsächlich zu erwartenden Winterbetrieb der Grimmelshofener Tunnel als „Ruhestätte“ in dem Sinne „beschädigt“ oder „zerstört“ würde, dass mit ihm eine dauerhafte Funktionsstörung oder gar ein vollständiger Funktionsverlust einherginge (vgl. hierzu Meßerschmidt, BNatSchR Bd. 2/I , § 44 BNatSchG Rn. 75 f.), lassen sich weder dem Gutachten noch der Begründung des Teilwiderrufs hinreichende Anhaltspunkte entnehmen. Auch gegen das - vom Regierungspräsidium freilich auch nicht herangezogene -zum Schutz von Fledermausquartieren eingeführte Aufsuchungsverbot des § 39 Abs. 6 BNatSchG, dem im Hinblick auf das Störungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ergänzende Funktion zukommt (vgl. Gellermann, a.a.O., § 39 BNatSchG Rn. 27; Meßerschmidt, a.a.O., § 39 BNatSchG Rn. 46), dürfte nicht verstoßen werden. Anhaltspunkte dafür, dass es gerade bei einem Winterbetrieb im Grimmelshofener Tunnel zu einer erheblichen Störung des Natura-2000-Gebiets „Blumberger Pforte und Mittlere Wutach“ (Nr. 8216-341) käme (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG), werden im Teilwiderrufsbescheid auch nicht ansatzweise aufgezeigt; solche sind auch den vorgelegten Verwaltungsvorgängen nicht zu entnehmen.
14 
Beim Tunnel in der kleinen Stockhalde handelt es sich nach derzeitigem Erkenntnisstand schon um kein Winterquartier, an dem die streng geschützten Fledermausarten i. S. des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG gestört würden. Allein deshalb, weil dort am 25.06.2014 einmal frische Kotpellets vom Mausohr und einer Zwergfledermaus unter „potentiellen Hangplätzen“ an der Tunneldecke entdeckt wurden (vgl. Gutachten, S. 10), liegt ein solches noch nicht vor. Die vom Regierungspräsidium herangezogene Vorschrift des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG schützt im Übrigen - ebenso wie § 39 Abs. 6 BNatSchG - nur tatsächlich als Winterquartiere genutzte „Ruhestätten“ und nicht auch solche, die sich lediglich als solche eignen („potentielle Winterquartiere“; vgl. BVerwG, Urt. v. 12.03.2008 - 9 A 3.06 -, BVerwGE 130, 299; Gellermann, a.a.O., § 39 Rn. 27). Hinsichtlich einer etwaigen Störung des allenfalls am Rande berührten Natura-2000-Gebiets gilt das oben Gesagte.
15 
Auch der Tunnel am Achdorfer Weg kann einstweilen allenfalls als nicht geschütztes potentielles Winterquartier angesehen werden, sodass ein endgültiger Widerruf wegen erheblicher Störung dort überwinternder Fledermäuse (noch) nicht in Betracht kam, auch nicht im Hinblick auf die in Nr. 2 des Teilwiderrufs vorgesehene Möglichkeit einer neuerlichen Genehmigung des Bahnbetriebs; denn diese soll, wie aus der - ernstlichen Zweifel begegnenden (s. o.) - behördlich angeordneten Beweislastumkehr erhellt, nach den Grundsätzen einer Neuerteilung erfolgen. Da alte Daten der AG Fledermausschutz e. V. für die Winter 2002/2003 und 2003/2004 immerhin eine Überwinterung jeweils einer Fledermaus belegen (vgl. die Stellungnahme der Abteilung Umwelt des Regierungspräsidiums Freiburg v. 04.10.2016, /249 <250> der Verwaltungsakten), kann bis zum Abschluss der derzeit laufenden Untersuchungen jedoch nicht von der Hand gewiesen werden, dass auch dieser Tunnel inzwischen von einer größeren Anzahl von Fledermäusen als Winterquartier genutzt wird. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, käme es jedoch möglicherweise zu einer - auch Unionsrecht (vgl. Art. 12 Abs. 1b FFH-RL) widersprechenden - erheblichen Störung streng geschützter Arten nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG, wodurch das öffentliche Interesse konkret gefährdet würde. Einer solchen Gefährdung soll mit einem Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG jedoch gerade entgegengetreten werden. Bei Vorliegen eines Gefährdungsverdachts dürfte daher aufgrund § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG - als „minus“ zu einem endgültigen Widerruf - auch ein vorläufiger bzw. bis zum Abschluss der Klärung der Gefährdungssituation befristeter Widerruf zulässig sein. Insofern dürfte vorliegend ein Widerruf des Winterbetriebs im Tunnel am Achdorfer Weg bis zum Abschluss der in Auftrag gegebenen, bis Ende März 2017 andauernden Untersuchungen gerechtfertigt sein (vgl. hierzu auch die E-Mail des Regierungspräsidiums v. 24.10.2016, /273 der Verwaltungsakten).
16 
Beim - das Natura-2000-Gebiet nur teilweise und am Rande berührenden -Buchbergtunnel werden zwar ebenfalls noch Untersuchungen durchgeführt, doch liegen derzeit keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass ein dortiger Winterbetrieb gegen Arten- oder Habitatschutzrecht verstoßen könnte. So soll der Fledermausexperte des Regierungspräsidiums Freiburg Dr. K am 08.01.2014 vor dem Verwaltungsgericht angegeben haben, „am Buchbergtunnel, den er ebenfalls begangen habe, keine Fledermaus festgestellt“ zu haben (vgl. die naturschutzrechtliche Entscheidung des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis v. 17.10.2014, S. 6). Auch hat die Abteilung Umwelt des Regierungspräsidiums Freiburg in ihrer Stellungnahme vom 04.10.2015 (/251 der Verwaltungsakten) darauf hingewiesen, dass die Bedeutung des Buchbergtunnels (als potentielles Winterquartier) eher gering sein dürfte, da dieser Tunnel einen starken Luftzug aufweise. Sollten die Untersuchungen letztlich doch anderes ergeben, könnte dies gegebenenfalls in einem Abänderungsverfahren (§ 80 Abs. 7 VwGO) geltend gemacht werden.
17 
Ob bzw. inwieweit ein Bahnbetrieb bei den danach vorläufig zu beachtenden jahreszeitlichen Einschränkungen sinnvoll durchgeführt werden kann, hat schließlich nicht der Senat zu entscheiden. Die Entscheidung darüber bleibt vielmehr der unternehmerischen Entscheidung der Antragstellerin überlassen.
18 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 u. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
19 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die betreffen

1.
die Errichtung, den Betrieb, die sonstige Innehabung, die Veränderung, die Stillegung, den sicheren Einschluß und den Abbau von Anlagen im Sinne der §§ 7 und 9a Abs. 3 des Atomgesetzes,
1a.
das Bestehen und die Höhe von Ausgleichsansprüchen auf Grund der §§ 7e und 7f des Atomgesetzes,
2.
die Bearbeitung, Verarbeitung und sonstige Verwendung von Kernbrennstoffen außerhalb von Anlagen der in § 7 des Atomgesetzes bezeichneten Art (§ 9 des Atomgesetzes) und die wesentliche Abweichung oder die wesentliche Veränderung im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 des Atomgesetzes sowie die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen außerhalb der staatlichen Verwahrung (§ 6 des Atomgesetzes),
3.
die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Kraftwerken mit Feuerungsanlagen für feste, flüssige und gasförmige Brennstoffe mit einer Feuerungswärmeleistung von mehr als dreihundert Megawatt,
3a.
die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern sowie Anlagen von Windenergie auf See im Küstenmeer,
3b.
die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen im Sinne des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes ab einer Feuerungswärmeleistung von 50 Megawatt,
4.
Planfeststellungsverfahren gemäß § 43 des Energiewirtschaftsgesetzes, soweit nicht die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Absatz 1 Nummer 6 begründet ist,
4a.
Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren für die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Einrichtungen nach § 66 Absatz 1 des Windenergie-auf-See-Gesetzes, soweit nicht die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Absatz 1 Nummer 6 begründet ist,
5.
Verfahren für die Errichtung, den Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Anlagen zur Verbrennung oder thermischen Zersetzung von Abfällen mit einer jährlichen Durchsatzleistung (effektive Leistung) von mehr als einhunderttausend Tonnen und von ortsfesten Anlagen, in denen ganz oder teilweise Abfälle im Sinne des § 48 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes gelagert oder abgelagert werden,
6.
das Anlegen, die Erweiterung oder Änderung und den Betrieb von Verkehrsflughäfen und von Verkehrslandeplätzen mit beschränktem Bauschutzbereich,
7.
Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung der Strecken von Straßenbahnen, Magnetschwebebahnen und von öffentlichen Eisenbahnen sowie für den Bau oder die Änderung von Rangier- und Containerbahnhöfen,
8.
Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung von Bundesfernstraßen und Landesstraßen,
9.
Planfeststellungsverfahren für den Neubau oder den Ausbau von Bundeswasserstraßen,
10.
Planfeststellungsverfahren für Maßnahmen des öffentlichen Küsten- oder Hochwasserschutzes,
11.
Planfeststellungsverfahren nach § 68 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes oder nach landesrechtlichen Vorschriften für die Errichtung, die Erweiterung oder die Änderung von Häfen, die für Wasserfahrzeuge mit mehr als 1 350 Tonnen Tragfähigkeit zugänglich sind, unbeschadet der Nummer 9,
12.
Planfeststellungsverfahren nach § 68 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes für die Errichtung, die Erweiterung oder die Änderung von Wasserkraftanlagen mit einer elektrischen Nettoleistung von mehr als 100 Megawatt,
12a
Gewässerbenutzungen im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen,
12b
Planfeststellungsverfahren für Gewässerausbauten im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen,
13.
Planfeststellungsverfahren nach dem Bundesberggesetz,
14.
Zulassungen von
a)
Rahmenbetriebsplänen,
b)
Hauptbetriebsplänen,
c)
Sonderbetriebsplänen und
d)
Abschlussbetriebsplänen
sowie Grundabtretungsbeschlüsse, jeweils im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen, und
15.
Planfeststellungsverfahren nach § 65 Absatz 1 in Verbindung mit Anlage 1 Nummer 19.7 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Errichtung und den Betrieb oder die Änderung von Dampf- oder Warmwasserpipelines.
Satz 1 gilt auch für Streitigkeiten über Genehmigungen, die anstelle einer Planfeststellung erteilt werden, sowie für Streitigkeiten über sämtliche für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse, auch soweit sie Nebeneinrichtungen betreffen, die mit ihm in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen. Die Länder können durch Gesetz vorschreiben, daß über Streitigkeiten, die Besitzeinweisungen in den Fällen des Satzes 1 betreffen, das Oberverwaltungsgericht im ersten Rechtszug entscheidet.

(2) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im ersten Rechtszug ferner über Klagen gegen die von einer obersten Landesbehörde nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Vereinsgesetzes ausgesprochenen Vereinsverbote und nach § 8 Abs. 2 Satz 1 des Vereinsgesetzes erlassenen Verfügungen.

(3) Abweichend von § 21e Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes soll das Präsidium des Oberverwaltungsgerichts anordnen, dass ein Spruchkörper, der in einem Verfahren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 tätig geworden ist, für dieses nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, die im Jahr 2007 planfestgestellten Betriebsregelungen für den Nachtflugbetrieb auf dem Verkehrsflughafen Leipzig/Halle aufzuheben.

2

Mit Planfeststellungsbeschluss vom 4. November 2004 stellte das Regierungspräsidium Leipzig Aus- und Umbaumaßnahmen für den Flughafen Leipzig/Halle fest, um diesen zu einem Drehkreuz für den Frachtflugverkehr auszubauen. Auf Klagen von Anwohnern, darunter auch dem Kläger, verpflichtete der Senat den Beklagten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut darüber zu entscheiden, ob der Nachtflugbetrieb, soweit es nicht um Frachtflüge zum Transport von Expressgut geht, über die getroffenen flugbetrieblichen Regelungen hinaus beschränkt wird, und wies die Klagen im Übrigen ab (BVerwG, Urteil vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 ).

3

Den nächtlichen Flugbetrieb regelte das Regierungspräsidium Leipzig in einem Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss vom 27. Juni 2007. Die Regelungen A II.4.7.1. Satz 2 und A II.4.7.3.6. bis A II.4.7.3.8. gestatten in weitem Umfang nächtlichen Fracht- und Militärflugverkehr. Die gegen den Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss erhobene Klage des Klägers wies der Senat mit Urteil vom 24. Juli 2008 - 4 A 3001.07 - (BVerwGE 131, 316) ab. Eine dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an (BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 2009 - 1 BvR 3474/08 - NVwZ 2009, 1489). Eine Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erklärte dieser für unzulässig (EGMR, Entscheidung vom 10. Juni 2014 - 25330/10 - NVwZ 2015, 1119).

4

Der Kläger ist Miteigentümer eines Grundstücks, das er selbst bewohnt. Es liegt etwa 11,5 km entfernt in östlicher Verlängerung der südlichen Start- und Landebahn des Flughafens innerhalb des vom Planfeststellungsbeschluss festgesetzten Nachtschutzgebietes. Für diese Ortslage prognostiziert der Planfeststellungsbeschluss eine nächtliche Lärmbelastung mit einem Dauerschallpegel Leq(3) = 51,2 dB(A), 20,3 Lärmereignissen mit LAmax ≥ 68 dB(A) und 1,2 Lärmereignissen mit LAmax ≥ 75 dB(A). Auf Kosten der Beigeladenen sind in den Schlafräumen des Wohnanwesens des Klägers Lüftungseinrichtungen sowie Schallschutzfenster eingebaut worden, die nach den Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses bei geschlossenen Fenstern eine Außen-Innen-Pegeldifferenz von 25 dB(A) gewährleisten sollen. Nach Angaben der Beigeladenen liegen die in den Schlafräumen auftretenden Maximalpegel unter 50 dB(A).

5

Im September 2014 beantragte der Kläger, die Bestimmungen zum Nachtflugbetrieb zurückzunehmen, hilfsweise zu widerrufen sowie das Ergänzungsplanfeststellungsverfahren wiederaufzugreifen oder erneut durchzuführen. In dem erneuten Verwaltungsverfahren seien die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Auswirkungen nächtlichen Fluglärms zu beachten. Mit Schreiben vom 19. September 2014, das keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält, lehnte die Landesdirektion Sachsen die Anträge ab. Einen Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2015 als unzulässig und unbegründet zurück.

6

Mit seiner am 4. April 2015 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Annahmen aus dem Planfeststellungsbeschluss zu Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Fluglärm seien wissenschaftlich überholt. Dies gelte insbesondere für die Grenze einer Gesundheitsgefährdung ab einem nächtlichen Dauerschallpegel von 60 dB(A) (außen) und einem Maximalpegel (innen) von 65 dB(A) sowie für die Pegeldifferenz eines gekippten Fensters von 15 dB(A). Der Beklagte dürfe daher an dem Planfeststellungsbeschluss nicht festhalten.

7

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19. September 2014 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2015 zu verpflichten,

die Regelungen A II.4.7.1. Satz 2, A II.4.7.3.6. bis A II.4.7.3.8. sowie A II.4.7.6. Satz 2 und 3 des Planfeststellungsbeschlusses vom 4. November 2004 in der Fassung des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses vom 27. Juni 2007 zurückzunehmen,

hilfsweise diese Regelungen zu widerrufen,

hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, das Planfeststellungsverfahren hinsichtlich dieser Regelungen wiederaufzugreifen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Die Klage sei unbegründet. Gemäß einer Nebenbestimmung zum Planfeststellungsbeschluss sei im Jahr 2009 ein inzwischen bestandskräftiger Änderungsplanfeststellungsbeschluss ergangen; für weitere Änderungen habe es bisher keinen Anlass gegeben. Eine Rücknahme oder ein Widerruf seien unbehelflich, weil in diesem Fall die bisherigen Regelungen - eine unbeschränkte Nachtflugerlaubnis gemäß der luftrechtlichen Betriebsgenehmigung vom 20. September 1990 in der Fassung des Bescheides vom 14. März 2000 - in Kraft träten. Der Kläger habe im Übrigen nicht dargelegt, dass die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Annahmen wissenschaftlich überholt seien. Ein Wiederaufgreifen sei von Rechts wegen ausgeschlossen.

10

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Die Klage sei unzulässig, jedenfalls unbegründet. Die Rechtskraft des Urteils vom 24. Juli 2008 - 4 A 3001.07 - bilde ein Prozesshindernis. Der Kläger sei nicht klagebefugt, da ihm der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zustehen könne. Jedenfalls fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil es bei einem Erfolg der Klage bei den für den Kläger nicht günstigeren Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses aus dem Jahr 2004 bliebe. Die Klage sei auch unbegründet. Einen Meinungswandel in der Wissenschaft lege der Kläger nicht substantiiert dar. Zudem gewähre das Schallschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses sogar besseren Schutz als die gesetzliche Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FluglärmG.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

13

I. Die Klage ist zulässig.

14

1. Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung zuständig. Nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin (Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz - VerkPBG) vom 16. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2174), zuletzt geändert durch Art. 464 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren und Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben nach § 1 VerkPBG betreffen. Zu diesen gehört nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 11 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 VerkPBG auch die Planung des Baus und der Änderung von Verkehrsflughäfen im Land Sachsen, wenn die Planfeststellung bis zum Ablauf des 16. Dezember 2006 beantragt wurde.

15

Diese Zuständigkeit erstreckt sich auch auf den Streit um die Verpflichtung der Behörde, Betriebsregelungen eines in den zeitlichen Geltungsbereich des Gesetzes fallenden Planfeststellungsbeschlusses aufzuheben und das Verfahren wiederaufzunehmen. Denn § 5 Abs. 1 VerkPBG wird grundsätzlich weit verstanden (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Oktober 1994 - 7 VR 10.94 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 3 S. 5 und vom 18. Mai 2000 - 11 A 6.99 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 11 S. 2) und erfasst alle Verwaltungsstreitsachen, die einen unmittelbaren Bezug zu konkreten Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren nach § 1 VerkPBG haben. Die Vorschrift gilt daher auch für Klagen, die auf die Verpflichtung zur vollständigen Rücknahme eines Planfeststellungsbeschlusses gerichtet sind (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2012 - 4 A 7001.11 u.a. - BVerwGE 144, 44 Rn. 18), oder - wie hier - auf eine teilweise Aufhebung und ein Wiederaufgreifen des Verfahrens. Denn die angegriffenen betrieblichen Regelungen sind Teil der genehmigungsrechtlichen Bewältigung des Vorhabens (BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2011 - 7 VR 8.11 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 20 Rn. 5).

16

Die damit eröffnete erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts unterliegt jedoch zeitlichen Grenzen: Die besonderen Vorschriften des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes gelten nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkPBG nur bis zum Ablauf des 16. Dezember 2006. Wird § 5 Abs. 1 VerkPBG auf Verpflichtungsklagen auf vollständige oder teilweise Aufhebung von Planfeststellungsbeschlüssen erstreckt, birgt dies die Gefahr einer vom Gesetzgeber nicht gewollten erstinstanzlichen Dauerzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2012 - 4 A 7001.11 u.a. - BVerwGE 144, 14 Rn. 19). § 5 Abs. 1 VerkPBG setzt daher einen unmittelbaren zeitlichen Bezug zu dem jeweiligen Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren voraus. Dieser besteht hier noch. Der Senat weist aber darauf hin, dass nach seiner Einschätzung der notwendige unmittelbare zeitliche Bezug jedenfalls nach einem Zeitraum von fünfzehn Jahren nach dem 16. Dezember 2006 entfallen sein wird.

17

2. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig.

18

Anders als die Beigeladene meint, ist der Kläger klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Es ist nicht von vornherein und nach jeder Sichtweise ausgeschlossen (stRspr; vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Dezember 2014 - 4 C 36.13 - BVerwGE 151, 138 Rn. 14 und vom 5. August 2015 - 6 C 8.14 - Buchholz 11 Art. 87f GG Nr. 4 Rn. 11), dass ihm der geltend gemachte Anspruch zusteht.

19

Die Klagefrist ist gewahrt. Der Kläger hat gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 VwGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides Klage erhoben. Die Klage wäre aber auch fristgerecht erhoben, wenn es nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 74 Abs. 1 Satz 2, § 70 Abs. 1 VwVfG keines Vorverfahrens bedurft hätte. Denn der Ausgangsbescheid vom 19. September 2014 enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung, so dass die Klage in diesem Fall binnen der Jahresfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach der Bekanntgabe des Ausgangsbescheides erhoben werden konnte.

20

Für die Klage besteht ein Rechtsschutzbedürfnis. Allerdings lässt der Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2007 keine Verkehre zum Betrieb zu, sondern beschränkt den durch die frühere luftrechtliche Genehmigung zugelassenen Betrieb für die Nachtzeit (BVerwG, Urteil vom 24. Juli 2008 - 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316 Rn. 22). Nach dem rechtskräftigen und die Beteiligten nach § 121 Nr. 1 VwGO bindenden Beschluss des Senates vom 2. Mai 2007 - 4 A 2002.07 - war der Beklagte indes mit Blick auf die durch den Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2004 geschaffenen Regelungen verpflichtet, erneut darüber zu entscheiden, ob der Nachtflugbetrieb, soweit es nicht um Frachtflüge zum Transport von Expressgut geht, über die getroffenen flugbetrieblichen Regelungen hinaus beschränkt wird. Solange es - und sei es in Folge einer behördlichen Aufhebung der flugbetrieblichen Regelungen - an der damit gebotenen Vervollständigung des Lärmschutzkonzeptes fehlte, wäre nach Inbetriebnahme der Start- und Landebahn Süd jeglicher Flugverkehr, der nicht dem Transport von Expressgut dient, zwischen 22:00 und 6:00 Uhr unzulässig (BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2007 - 4 A 2002.07 - Rn. 10 i.V.m. Urteil vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 77).

21

Auch die materielle Rechtskraft des Senatsurteils vom 24. Juli 2008 - 4 A 3001.07 - (BVerwGE 131, 316) steht der Klage nicht entgegen, weil nicht derselbe Streitgegenstand in Rede steht. Streitgegenstand des Senatsurteils vom 24. Juli 2008 (a.a.O.) war die vollständige oder teilweise gerichtliche Aufhebung der Nachtflugregelungen im Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss vom 27. Juni 2007. Darum geht es hier nicht, sondern um die Verpflichtung des Beklagten, diese Regelungen aufzuheben oder das Verfahren wiederaufzugreifen.

22

II. Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger kann vom Beklagten weder die Aufhebung der beanstandeten Regelungen noch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens verlangen.

23

1. Nebenbestimmungen zum Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss vom 27. Juni 2007 stützen das klägerische Begehren nicht.

24

Der Nebenbestimmung A II.4.9.1. hat der Beklagte bereits durch Erlass eines Änderungsplanfeststellungsbeschlusses im Jahr 2009 Rechnung getragen. Weiter gehende Ansprüche begründet sie nicht. Mit der Nebenbestimmung A II.4.9.2. behält sich die Planfeststellungsbehörde nachträgliche Anordnungen, insbesondere zur Abgrenzung des Nachtschutzgebietes, für den Fall vor, dass in zwei aufeinanderfolgenden Jahren das nach einer Auswertung durch die Beigeladene berechnete Gebiet über das planfestgestellte Nachtschutzgebiet oder das Nachtschutzgebiet nach Inbetriebnahme, sofern dies weiterreicht, hinausgeht. Ein solcher Fall ist bisher nicht eingetreten. Im Übrigen könnte der Kläger aus einer "insbesondere" vorgesehenen neuen Abgrenzung des Nachtschutzgebietes keinen Nutzen ziehen, da sein Grundstück bereits innerhalb dieses Gebietes liegt.

25

2. Der Kläger kann keine Rücknahme der beanstandeten Regelungen nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG oder eine Ermessensentscheidung hierüber verlangen.

26

Nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Vorschrift gilt auch für Planfeststellungsbeschlüsse (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2012 - 4 A 7001.11 u.a. - BVerwGE 144, 44 Rn. 23). Sie setzt die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts voraus. Weil der Anspruch auf Rücknahme nicht weiter gehen kann als der Aufhebungsanspruch bei fristgerechter Anfechtung (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2012 ebd.), kommt ein Anspruch eines Dritten auf Rücknahme oder ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber nur in Betracht, wenn der Planfeststellungsbeschluss gerade ein Recht dieses Dritten verletzt. Daran fehlt es.

27

Maßgebend für die Rechtswidrigkeit ist der Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts (BVerwG, Urteile vom 9. Mai 2012 - 6 C 3.11 - BVerwGE 143, 87 Rn. 43 f. und vom 28. Mai 2015 - 1 C 24.14 - NVwZ-RR 2015, 753 Rn. 18). Mit Rechtskraft des Senatsurteils vom 24. Juli 2008 - 4 A 3001.07 - (BVerwGE 131, 316 Rn. 27) steht für die Beteiligten nach § 121 Nr. 1 VwGO bindend fest, dass der Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss vom 27. Juni 2007 bei seinem Erlass den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt hat. Aus den in Hinblick auf Art. 35 Abs. 1 EMRK prozessrechtlich veranlassten Formulierungen des EGMR in seiner Entscheidung vom 10. Juni 2014 - 25330/10 - (NVwZ 2015, 1119 Rn. 22 ff.) folgt nichts Anderes.

28

Die Rechtsprechung lässt gelegentlich, namentlich bei Dauerverwaltungsakten, die Rücknahme eines Verwaltungsakts nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zu, wenn dieser nachträglich rechtswidrig geworden ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Mai 1989 - 8 C 87.87 - BVerwGE 82, 98 <99>, vom 9. Mai 2012 - 6 C 3.11 - BVerwGE 143, 87 Rn. 43 und vom 28. Juni 2012 - 2 C 13.11 - BVerwGE 143, 230 Rn. 15). Die Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG auf Fälle nachträglicher Rechtswidrigkeit scheidet indes für luftverkehrsrechtliche Planfeststellungsbeschlüsse von vornherein aus. Denn sowohl für die planerische Rechtfertigung eines luftverkehrsrechtlichen Vorhabens als auch für die planerische Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Plan maßgebend (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2007 - 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 Rn. 68 und Beschluss vom 22. Juni 2015 - 4 B 61.14 - juris Rn. 5). Einem Dritten ist es also im Anfechtungsprozess versagt, die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses unter Hinweis auf Veränderungen der Sach- und Rechtslage nach Erlass dieses Beschlusses geltend zu machen. Es stände hierzu in Widerspruch, wenn der Kläger unter Hinweis auf solche Veränderungen einen Anspruch auf Rücknahme oder ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber zugesprochen bekäme.

29

3. Der Kläger kann auch keinen Widerruf der im Streit stehenden Regelungen oder eine Ermessensentscheidung hierüber verlangen.

30

a) Der vollständige oder teilweise Widerruf eines Verwaltungsakts findet seine Rechtsgrundlage in § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 49 VwVfG.

31

Diese Norm findet zwar auch auf Planfeststellungsbeschlüsse Anwendung, die Widerrufsmöglichkeit erweist sich hier aber - entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - als ultima ratio. Dritte können einen Widerruf nur verlangen, wenn Schutzauflagen nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nicht als Abhilfe ausreichen (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 1997 - 11 C 1.96 - BVerwGE 105, 6 <13> und Beschluss vom 16. Dezember 2003 - 4 B 75.03 - Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 14 S. 7 f.). Gerade hierin liegt die erhöhte Bestandskraft von Planfeststellungsbeschlüssen.

32

Der Vorrang nachträglicher Schutzauflagen lässt es nicht zu, die Regelungen über den nächtlichen Flugbetrieb zu widerrufen, um auf diesem Wege den Kläger besser vor Fluglärm zu schützen. Nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG kann ein Betroffener Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen verlangen, welche nachteilige Wirkungen ausschließen, wenn nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf sein Recht erst nach Unanfechtbarkeit des Plans auftreten. Nicht voraussehbar in diesem Sinn sind auch Auswirkungen, deren Schädlichkeit oder Gefährlichkeit sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und des technischen Fortschritts erst nachträglich herausstellt (BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2004 - 4 B 82.03 - NVwZ 2004, 618). Es ist aber weder ersichtlich noch vorgetragen, dass etwaigen - vom Kläger behaupteten - veränderten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Fluglärm nicht durch weitere Schutzauflagen, insbesondere besseren baulichen Lärmschutz, Rechnung getragen werden könnte.

33

Ob der Kläger einen Anspruch auf nachträgliche Schutzauflagen nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hat, war nicht Gegenstand der Klage; für einen solchen Anspruch wäre das Bundesverwaltungsgericht im Übrigen erstinstanzlich nicht zuständig (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Juni 2010 - 9 A 36.08 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 18). Der Senat weist aber darauf hin, dass es dem Kläger wohl nicht gelungen sein dürfte, eine veränderte wissenschaftliche Bewertung der ihn treffenden Belastung mit Fluglärm darzulegen. Die von ihm vorgelegten Unterlagen äußern sich jedenfalls in ganz überwiegendem Umfang dazu, welche Fluglärmbelastung Schallschutzmaßnahmen erfordert. Darauf kommt es für den Kläger nicht an, weil er über baulichen Schallschutz verfügt. Auch sein Sachbeistand hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, die Belastung des Klägers erscheine unter Berücksichtigung des baulichen Schallschutzes relativ gering. Einer Entscheidung bedarf die Frage aber nicht.

34

b) Der Vorrang des § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG steht einem Widerruf nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 49 VwVfG nur insoweit nicht entgegen, als Beeinträchtigungen in Rede stehen, die durch nachträgliche Schutzauflagen nicht abgewehrt werden können. Solche Beeinträchtigungen macht der Kläger für den Schutz der Nachtruhe in einem weiteren Sinn geltend. Ferner wendet er sich gegen die Bewertung des Nachtflugbedarfs in der planerischen Abwägung.

35

(1) Die Voraussetzungen des § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG liegen insoweit nicht vor.

36

Nach diesen Normen darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Auch die geänderte Bewertung von Sachverhalten kann eine Änderung von Tatsachen im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG sein. Eine Einzelmeinung, die sich in der wissenschaftlichen Diskussion bisher nicht durchgesetzt hat, ist dagegen grundsätzlich keine neue Tatsache, die einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG rechtfertigen kann (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2015 - 3 B 5.15 - UPR 2015, 506 Rn. 12).

37

Der Kläger fordert einen Schutz vor Störungen der Nachtruhe im Sinne eines Schutzes vor einer nächtlichen Betriebsamkeit durch Flugbewegungen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 75). Dies zeigt keine veränderten Tatsachen auf. Der Gesetzgeber kann, wie im Fluglärmschutzgesetz geschehen, seiner aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit genügen, indem er zum Schutz vor Fluglärm Grenzwerte für energieäquivalente Dauerschallpegel und eine begrenzte Zahl von Maximalpegeln festsetzt (BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 - NVwZ 2008, 780 Rn. 82, 84; BVerwG, Beschluss vom 25. März 2009 - 4 B 63.08 - juris Rn. 11 ). Es ist nicht ersichtlich, dass sich hiervon abweichend die Meinung durchgesetzt haben könnte, der rechtlich gebotene Schutz der Nachtruhe stehe der Durchführung von nächtlichen Flügen entgegen, ohne dass es überhaupt auf deren akustische Wahrnehmbarkeit ankäme.

38

Der Vorwurf des Klägers, die Annahmen der Planfeststellungsbehörde zur Notwendigkeit von Nachtflügen beruhten auf Fehlannahmen, zeigt schon keine nachträglich eingetretenen Tatsachen im Sinne des § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG auf. Zur konkreten Situation am Flughafen Leipzig/Halle äußert sich allein ein Papier des klägerischen Sachbeistands aus dem Jahr 2008. Die dort erhobenen Einwände hat der Senat indes bereits zurückgewiesen (BVerwG, Urteil vom 24. Juli 2008 - 4 A 3001.07 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 31 Rn. 52, 68 ).

39

(2) Auch an den Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG fehlt es. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Die Norm stellt mit der Verhütung oder Beseitigung von schweren Nachteilen für das Gemeinwohl besonders strenge Anforderungen an den Widerrufsgrund, ist jedoch ansonsten voraussetzungslos. Das beeinträchtigte Recht muss daher einen Rang aufweisen, der es zum Gemeinwohlbelang erhebt, und dessen Verletzung muss so gravierend sein, dass sie auch und gerade im Interesse der Allgemeinheit nicht hingenommen oder aufrechterhalten bleiben kann (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2015 - 3 B 5.15 - UPR 2015, 506 Rn. 16). Dieses Ausmaß erreicht die Belastung des Klägers mit Fluglärm nicht.

40

4. Der Kläger hat keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens.

41

Nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 72 Abs. 1 VwVfG ist § 51 VwVfG in einem Planfeststellungsverfahren nicht anzuwenden (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 1989 - 4 C 12.87 - Buchholz 407.4 § 18c FStrG Nr. 2 S. 8, vom 21. Mai 1997 - 11 C 1.96 - BVerwGE 105, 6 <11> und vom 31. Juli 2012 - 4 A 7001.11 u.a. - BVerwGE 144, 44 Rn. 23). Beachtliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung sind nicht ersichtlich, da die §§ 48, 49, 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG ausreichen, um Änderungen der Sach- und Rechtslage Rechnung zu tragen (Schink, in: Knack/Henneke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 72 Rn. 55; im Ergebnis auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 72 Rn. 23 <"noch vereinbar">).

42

§ 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 72 Abs. 1 VwVfG schließt damit ein Wiederaufgreifen des Verfahrens auf Antrag des Betroffenen nach § 51 Abs. 1 VwVfG aus. Da § 51 VwVfG aber insgesamt nicht anzuwenden ist, ist auch ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinn ausgeschlossen (VGH Mannheim, Beschluss vom 13. August 2012 - 5 S 1200/12 - VBlBW 2013, 101 <103>). Die so bezeichnete Befugnis der Behörde, ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren bei Fehlen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten eines Betroffenen wiederaufzugreifen, bedarf zur Überwindung der Bestandskraft einer gesetzlichen Grundlage (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 1988 - 2 BvR 260/88 - NVwZ 1989, 141; BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2009 - 1 C 15.08 - BVerwGE 135, 121 Rn. 24). Dies gilt jedenfalls, wenn ein Verwaltungsakt - wie hier - zuvor gerichtlich bestätigt worden ist. Die erforderliche Rechtsgrundlage bietet allein § 51 Abs. 5 VwVfG, dessen Anwendung § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 72 Abs. 1 VwVfG aber entgegensteht.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 26. August 2015 - 1 K 95/15 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die naturschutzrechtliche Entscheidung des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 17. Oktober 2014 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf EUR 5.000,-- festgesetzt.

Gründe

 
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige (§§ 147 Abs. 1, 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO), insbesondere auch den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechende Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.
Die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) geben Anlass, die vom Verwaltungsgericht zu ihrem Nachteil getroffene Abwägungsentscheidung zu ändern und dem Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes stattzugeben.
Entgegen der Beschwerde ist das Verwaltungsgericht allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Begründung des Sofortvollzugs dem Erfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO genügte. Erforderlich ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehung notwendig ist und hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, von dem angefochtenen Verwaltungsakt einstweilen nicht betroffen zu werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO 21. A. 2015, § 80 Rn. 85 m.w.N.). Diesen f o r m e l l e n Anforderungen ist hier ohne weiteres genügt, da es im öffentlichen Interesse als dringend geboten erachtet wurde, „zum Schutz der in den Tunneln überwinternden Fledermäuse erhebliche Störungen durch zusätzlichen Fahrbetrieb im Winter, bis hin zu Tötungen und Verlust dieser Lebensstätten, während eines anhängigen Widerspruchs- oder Klageverfahrens zu verhindern“ (vgl. die angefochtene naturschutzrechtliche Entscheidung v. 17.10.2014, S. 23). Darauf, ob tatsächlich ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse bestand und diesem Vorrang zukam, kommt es hierbei nicht an. Insofern ist auch unerheblich, ob, was die Antragstellerin bezweifelt, der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine Abwägung mit ihren gegenläufigen Interessen vorausgegangen war, wovon im Hinblick auf die in der Entscheidung angestellten Ermessenserwägungen (a.a.O., S. 15 ff.) freilich auszugehen sein dürfte.
Das Verwaltungsgericht hat bei der von ihm nach Maßgabe des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung dem (besonderen) öffentlichen Interesse an der angeordneten sofortigen Vollziehung (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) der naturschutzrechtlichen Entscheidung vom 17.10.2014 jedoch zu Unrecht Vorrang vor dem privaten Interesse der Antragstellerin gegeben, von deren Wirkungen vorläufig verschont zu bleiben.
Mit seiner naturschutzrechtlichen Entscheidung hatte das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis der Antragstellerin - gestützt auf § 3 Abs. 2 BNatSchG - die Durchführung des Eisenbahnbetriebs in den Tunneln der inzwischen von ihr betriebenen Museumsbahnstrecke („Sauschwänzlebahn“) zwischen dem „Buchbergtunnel“ (Nordportal) und dem Kehrtunnel „Im Weiler“ (Westportal) jeweils für den Zeitraum vom 1. November eines Jahres bis zum 31. März des Folgejahres untersagt. Da die Tunnel von (u. a. Mops-) Fledermäusen als wichtige Überwinterungsstätte genutzt würden, verstieße ein gleichwohl durchgeführter „Winterbetrieb“ gegen Bestimmungen des Naturschutzrechts, insbesondere gegen solche des Arten- und Habitatschutzrechts.
Anders als das Verwaltungsgericht hält der Senat bei Berücksichtigung der wechselseitigen öffentlichen und privaten Interessen eine Aussetzung des angeordneten Sofortvollzugs für angezeigt. Denn die angefochtene naturschutzrechtliche Entscheidung erweist sich schon jetzt als offensichtlich rechtswidrig.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis als untere Naturschutzbehörde für die hier allein in Rede stehende Untersagung des „Winterbetriebs“ der von der Antragstellerin betriebenen Museumsbahnstrecke „Sauschwänzlebahn“ schon nicht sachlich zuständig. Denn eine solche konnte und kann derzeit allenfalls von dem für die Eisenbahnaufsicht über eine nichtbundeseigene Eisenbahn zuständigen Ministerium für Verkehr und Infrastruktur ausgesprochen werden. Der Umstand, dass sich im Eisenbahnrecht keine Ermächtigungsgrundlage findet, die ausdrücklich die Untersagung eines Eisenbahnbetriebs vorsieht, ändert nichts.
Zu erinnern ist zunächst daran, dass der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin unter Geltung des Landeseisenbahngesetzes vom 12.07.1951 (Reg.Bl. S. 49) am 25.04.1978 das Recht zum Bau und Betrieb einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahn verliehen worden war (vgl. § 2 Abs. 2 u. 1 LEG), nachdem - am 10.01.1978 - der für die Verleihung letztlich maßgebende endgültige Planfeststellungsbeschluss zum Betrieb einer Museumsbahn erlassen worden war (vgl. §§ 5, 11 LEG). In der Wiederinbetriebnahme der zum 01.01.1976 stillgelegten Eisenbahnstrecke in Form eines Museumsbetriebs mit Dampfzugfahrten zur Personenbeförderung war seinerzeit eine wesentliche Änderung des Unternehmens im Betrieb i. S. des § 2 Abs. 2 LEG gesehen worden. Am 24.09.1987 wurde das Unternehmungsrecht erneuert. Am 18.12.1996 wurde der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin - nach Maßgabe der am 10.01.1978 festgestellten Pläne - eine Genehmigung zum Betreiben einer nichtöffentlichen Eisenbahninfrastruktur erteilt (vgl. § 11 Abs. 3 Nr. 2 LEisenbG i. d. F. 08.06.1995 ). Diese wurde am 25.10.2006 durch eine Genehmigung zum Betreiben einer öffentlichen Eisenbahninfrastruktur ersetzt (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 3 AEG), wiederum nach Maßgabe der am 10.01.1978 festgestellten Pläne. Am 13.04.2012 wurde der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin auch eine Genehmigung zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen erteilt (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 1 AEG). Inzwischen ist die Antragstellerin Inhaberin beider Genehmigungen.
Wäre der „Winterbetrieb“, wie das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis meint, von dem (ausdrücklich auch den Betrieb betreffenden) Planfeststellungsbeschluss vom 10.01.1978 nicht umfasst gewesen, fehlte es möglicherweise von vornherein an einem rechtmäßigen Bahnbetrieb während der Wintermonate. Einen solchen zu untersagen obläge indes - unabhängig von etwa darüber hinaus drohenden Verstößen gegen Naturschutzrecht - nicht der Naturschutzbehörde, sondern dem für die Eisenbahnaufsicht über eine nichtbundeseigene Eisenbahn zuständigen Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (vgl. § 2 Nr. 1 und § 1 der Eisenbahnzuständigkeitsverordnung (EZuVO) vom 11.09.1995, zuletzt geändert durch Art. 200 der Verordnung vom 25.01.2012 (GBl. S. 65, 87), da dann ein Verstoß gegen den eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss vorläge (vgl. § 15 des Landeseisenbahngesetzes (LEisenbG) vom 08.06.1995 (GBl. S. 417, 421), zuletzt geändert durch Art. 64 der Verordnung vom 25.01.2012 (GBl. S. 65).
10 
Auf die - sich etwa bei der Durchführung von Unterhaltungsmaßnahmen entlang der Gleise stellende - Frage, ob die für die Eisenbahnaufsicht zuständige Behörde gegebenenfalls auch gegen Verstöße gegen Bestimmungen des (Bundes-) Naturschutzrechts einzuschreiten berechtigt wäre, käme es dabei nicht an. Es erscheint im Übrigen zweifelhaft, ob dies, wenn die Aufsicht über eine nichtbundeseigene Eisenbahn durch eine Landesbehörde in Rede steht, unter Hinweis auf die beschränkte Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamts überzeugend verneint werden könnte. Dass dem Eisenbahn-Bundesamt der Vollzug von Landesrecht grundsätzlich verfassungsrechtlich verwehrt sein mag (vgl. OVG NW, Urt. v. 08.06.2005 - 8 A 262/05 -, NuR 2005, 660), führte in diesem Zusammenhang ohnehin nicht weiter, weil das Naturschutzrecht inzwischen weitgehend Bundesrecht ist.
11 
Überwiegendes spricht allerdings dafür, dass der untersagte „Winterbetrieb“ - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - vom Planfeststellungsbeschluss umfasst ist. Denn dem Planfeststellungsbeschluss vom 10.01.1978 ist - ebenso wenig wie den Verleihungen und späteren Genehmigungen - eine Einschränkung des Betriebs auf einen „Sommerbetrieb“ nicht zu entnehmen. Eine solche Einschränkung dürfte sich auch nicht daraus ergeben, dass die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin in ihrem Erläuterungsbericht vom 02.02.1977 erkennen ließ (a.a.O., S. 3), dass nur an einen „Betrieb in den Monaten Mai bis Mitte Oktober“ gedacht war, und das Regierungspräsidium Freiburg im Anhörungsverfahren auf die „lediglich erneute und gelegentliche Inbetriebnahme während der Sommermonate“ hingewiesen hatte. Denn abgesehen davon, dass darüber hinaus „auch Sonderfahrten nach Bedarf (mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h)“ vorgesehen waren, fand dies keine Entsprechung im späteren Planfeststellungsbeschluss. Insbesondere ergab sich solches nicht aus II. 4. des verfügenden Teils, der eine erste Kontrolle „jährlich vor Aufnahme des Betriebs“ vorsah. Auch war der Erläuterungsbericht vom 02.02.1977 nicht planfestgestellt worden. Für eine ausdrückliche Regelung, so eine zeitliche Einschränkung des Betriebs beabsichtigt gewesen wäre, hätte indes Anlass bestanden, da eine planfestgestellte Eisenbahnstrecke typischerweise einen ihrer Kapazität entsprechenden Betrieb ermöglicht und die planfestgestellte Eisenbahnstrecke bereits seit 1890 - ersichtlich ohne jahreszeitliche Einschränkungen - in Betrieb war. Aus Anlass der seinerzeitigen Planfeststellung hätten auch durchaus Einschränkungen aus Gründen des Naturschutzes getroffen werden können (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 3 LEisenbG; Schreiben der Anhörungsbehörde v. 21.03.1977, S. 6. insbes. auch den Zusatz für das Referat 6 im Hause; auch die Niederschrift über die Erörterungsverhandlung gem. Art. 21 des Württ. Zwangsenteignungsgesetzes v. 20.12.1888 v. 24.05.1977).
12 
Ausgehend davon wäre aber - ohne einen vorherigen Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses - eine (unmittelbare) Untersagung des Bahnbetriebs (derzeit) gar nicht möglich, auch nicht durch die für die Eisenbahnaufsicht zuständige Landesbehörde. Denn aufgrund der Genehmigungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. LVwVfG) steht die Zulässigkeit des Bahnbetriebs grundsätzlich im Hinblick auf alle davon berührten öffentliche Belange - einschließlich der Belange des Naturschutzes - verbindlich fest. Aufgrund der formellen Konzentrationswirkung entfiel dabei die Zuständigkeit anderer Behörden; insoweit erfolgte eine Zuständigkeitsverlagerung auf die Planfeststellungsbehörde (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. LVwVfG; hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG 15. A. 2014, § 75 Rn. 15). Die Entscheidung, ob nachträgliche Verstöße gegen das bei der Planfeststellung zu prüfende materielle Recht zum Anlass genommen werden, das Planfeststellungsverfahren wieder aufzugreifen bzw. einen Teilwiderruf auszusprechen (etwa nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG), obliegt indes allein der Planfeststellungsbehörde bzw. der Behörde, die nunmehr für den Erlass des eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses sachlich zuständig wäre (vgl. § 49 Abs. 5 LVwVfG; hierzu BVerwG, Urt. v. 20.12.1999 - 7 C 42.98 -, BVerwGE 110, 226). Dies wäre hier das Regierungspräsidium Freiburg (vgl. § 3 Nr. 2 EZuVO).
13 
Ohne vorherigen teilweisen Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses dürfte eine Einschränkung des Bahnbetriebs über mehrere Monate darüber hinaus der Funktionssicherungsklausel des § 4 Nr. 3 BNatSchG widersprechen, die auch bei Maßnahmen des Naturschutzes die bestimmungsgemäße Nutzung eines in einem verbindlichen Plan für Zwecke des öffentlichen Verkehrs ausgewiesenen öffentlichen Verkehrswegs gewährleisten will. Der Anwendungsvorrang von Unionsrecht dürfte daran nichts ändern, sollte dieses vorliegend materielle Geltung beanspruchen. Denn Unionsrecht gibt nicht vor, in welchem Verfahren von welcher Behörde materielles Unionsrecht vorrangig anzuwenden ist (vgl. Art. 291 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV). Auch über eine Verträglichkeit nach § 34 BNatSchG ist grundsätzlich von der für das Projekt zuständigen Behörde in dem dafür vorgesehenen sog. Trägerverfahren zu entscheiden (vgl. § 34 Abs. 6 BNatSchG).
14 
Nach alldem könnten inzwischen möglicherweise aus Gründen des Naturschutzes gebotene Einschränkungen des Betriebs - etwa im Hinblick auf anderenfalls zu besorgende Verstöße gegen das Habitat- und/oder Artenschutzrecht - nur in einem wiederaufgegriffenen Planfeststellungsverfahren bzw. im Wege eines Teilwiderrufs von der Planfeststellungsbehörde und nicht nach § 3 Abs. 2 BNatSchG von der unteren Naturschutzbehörde angeordnet werden. Solchen stünde auch nicht entgegen, dass aus Anlass einer (Bau-) Planfeststellung nach § 18 AEG keine Betriebsregelungen getroffen werden könnten. Denn aufgrund des zu beachtenden Konfliktbewältigungsgebots, aber auch im Hinblick auf die Konzentrationswirkung der Planfeststellung, sind auch die Auswirkungen des mit dem Vorhaben verbundenen Betriebs einer Eisenbahnstrecke in den Blick zu nehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2013 - 7 A 28.12 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 71). Erforderlichenfalls sind daher aufgrund des Konfliktbewältigungsgebots bereits im Planfeststellungsbeschluss betriebliche Einschränkungen - gegebenenfalls auch solche aus Gründen des Naturschutzes - zu treffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2013, a.a.O.; Wurster, in: Beck‘scher AEG-Komm. 2. A. 2014 § 18 Rn. 244). Davon scheint auch das Regierungspräsidium Freiburg in seinem Widerspruchsbescheid vom 23.09.2015 auszugehen (a.a.O., S. 27). Die gewerberechtlichen Genehmigungen nach § 6 AEG oder eine etwa noch erforderliche Erlaubnis nach § 7f AEG wären demgegenüber - aufgrund ihres eingeschränkten Prüfungsgegenstands - solchen Einschränkungen von vornherein nicht zugänglich.
15 
Ob Unionsrecht es nicht nur ermöglichte (vgl. § 49 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG), sondern sogar geböte, den Planfeststellungsbeschluss vom 10.01.1978 teilweise (freilich nur gegen Entschädigung, vgl. § 49 Abs. 6 Satz 1 LVwVfG) zu widerrufen (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 07.09.2004 C-127/02 -, NuR 2004, 730; auch Würtenberger, NuR 210, 316 <319>), weil der seinerzeit wohl bereits umfassend genehmigte Eisenbahnbetrieb nunmehr ein Natura 2000-Gebiet beeinträchtigte oder zumindest eine Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten besorgen lassen könnte, bedarf hier keiner Entscheidung.
16 
Im Hinblick auf ein weiteres Verwaltungsverfahren, bemerkt der Senat gleichwohl das Folgende (vgl. auch Uhlenhut, Zugangsrecht contra Naturschutz - Die Mopsfledermaus auf der Sauschwänzlebahn, in: Ronellenfitsch/Esch-weiler/Hörster (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts ... 2015, S. 113 - 140):
17 
Im Hinblick auf eine unterbliebene Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Abs. 1 BNatSchG (vgl. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL) dürfte ein Teilwiderruf nicht geboten sein. Denn eine solche Prüfung ist vor der Zulassung eines Projekts durchzuführen, sodass ein bereits endgültig genehmigtes Projekt diesen Vorgaben nicht mehr unterliegen kann (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 17.03.2011 - C-275/09 -, NuR 2011, 282 u. Urt. v. 14.01.2010 - C-226/08 -, NuR 2010, 114). Dass die Eisenbahnstrecke auch nach Inkrafttreten der FFH-Richtlinie weiterbetrieben wird, vermag daran noch nichts zu ändern, da der Betrieb als solcher grundsätzlich kein neues Projekt darstellt (vgl. zu § 1 Abs. 2 der UVP-RL EuGH, Urt. v. 17.03.2011 - C-275/09 -, auf „materielle Veränderungen“ abstellend). Zwar mag bei betrieblichen Änderungen das Vorliegen eines neuen Projekts i. S. des § 34 Abs. 1 BNatSchG nicht von vornherein ausgeschlossen sein, da ein solches mehr als der Projektbegriff der UVP-Richtlinie (vgl. § 2 Abs. 2 UVPG), der insoweit orientierend herangezogen werden kann (vgl. Urt. v. 14.01.2010, a.a.O.; Urt. v. 07.09.2004, a.a.O.; BT-Drs. 16/122274, S. 65), wirkungsbezogen zu verstehen sein dürfte (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.12.2013 - 4 C 14.12 -, BVerwGE 149, 17). Insofern kämen auch solche Tätigkeiten in Betracht, die - ohne bauliche Veränderungen - ein Schutzgebiet gefährden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.04.2013, a.a.O.; OVG NW, Beschl. v. 21.02.2011 - 8 A 1837/09 -, NuR 2011, 591; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, UmwR II, § 34 BNatSchG Rn. 7). Doch erscheint mehr als zweifelhaft, ob hier von einem neuen Projekt schon deshalb gesprochen werden könnte (vgl. EuGH, Urt. v. 14.01.2010 - C-226/08 -, NuR 2010, 114), weil der Bahnbetrieb in den Monaten vom November bis April nicht mehr - wie bisher - nur bei Bedarf (insbesondere zur Unterhaltung der Strecke), sondern regelmäßig auch - aber auch nur - an den (Advents-) Wochenenden (sog. „Nikolausfahrten“) stattfinden soll. Denn auch der bisherige Winterbetrieb wäre bereits aus Anlass der Planfeststellung einer Verträglichkeits- oder Abweichungsprüfung zu unterziehen gewesen, wäre eine solche bereits vorgegeben gewesen. Dürfte danach eher nicht von einem neuen Projekt auszugehen sein, könnte jedoch möglicherweise noch auf § 33 Abs. 1 BNatSchG (bzw. Art. 6. Abs. 2 FFH-RL) zurückzugreifen sein, sollte dem nicht der Grundsatz der Rechtssicherheit entgegenstehen (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 14.01.2010, a.a.O.; auch Lütkes/Ewer, BNatSchG, § 33 Rn. 4 m.w.N.; Gellermann, a.a.O., § 33 BNatSchG Rn. 3).
18 
Die seinerzeit noch gar nicht geltenden Verbote der Naturschutzgebietsverordnung vom 27.09.1979 dürften einen Widerruf freilich nicht gebieten (vgl. auch § 23 Abs. 2 Satz1 BNatSchG; hierzu auch die Ausnahmevorschrift in § 5 der Verordnung).
19 
In Betracht käme jedoch, dass die von den Naturschutzbehörden angeführten besonderen artenschutzrechtliche Verbote (insbes. nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) eine jahreszeitliche Einschränkung des Betriebs erforderten, sollten nicht andere - etwa die von der Antragstellerin vorgeschlagenen - betriebsregelnde Maßnahmen genügen. Dabei wäre dann auch zu klären, ob eine erhebliche Störung bzw. Verschlechterung des Erhaltungszustands einer lokalen Fledermauspopulation durch die Befahrung eines jeden Tunnels eintreten würde.
20 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
21 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

(1) Naturschutzgebiete sind rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen erforderlich ist

1.
zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung von Lebensstätten, Biotopen oder Lebensgemeinschaften bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten,
2.
aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder
3.
wegen ihrer Seltenheit, besonderen Eigenart oder hervorragenden Schönheit.

(2) Alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Soweit es der Schutzzweck erlaubt, können Naturschutzgebiete der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.

(3) In Naturschutzgebieten ist die Errichtung von Anlagen zur Durchführung von Gewässerbenutzungen im Sinne des § 9 Absatz 2 Nummer 3 und 4 des Wasserhaushaltsgesetzes verboten.

(4) In Naturschutzgebieten ist im Außenbereich nach § 35 des Baugesetzbuches die Neuerrichtung von Beleuchtungen an Straßen und Wegen sowie von beleuchteten oder lichtemittierenden Werbeanlagen verboten. Von dem Verbot des Satzes 1 kann auf Antrag eine Ausnahme zugelassen werden, soweit

1.
die Schutzzwecke des Gebietes nicht beeinträchtigt werden können oder
2.
dies aus Gründen der Verkehrssicherheit oder anderer Interessen der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist.
Weitergehende Schutzvorschriften, insbesondere solche des § 41a und einer auf Grund von § 54 Absatz 4d erlassenen Rechtsverordnung sowie solche des Landesrechts, bleiben unberührt.

Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden als Grundlage vorsorgenden Handelns im Rahmen der Landschaftsplanung überörtlich und örtlich konkretisiert und die Erfordernisse und Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Ziele dargestellt und begründet.

(1) Die überörtlichen konkretisierten Ziele, Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden für den Bereich eines Landes im Landschaftsprogramm oder für Teile des Landes in Landschaftsrahmenplänen dargestellt. Die Ziele der Raumordnung sind zu beachten; die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind zu berücksichtigen.

(2) Landschaftsprogramme können aufgestellt werden. Landschaftsrahmenpläne sind für alle Teile des Landes aufzustellen, soweit nicht ein Landschaftsprogramm seinen Inhalten und seinem Konkretisierungsgrad nach einem Landschaftsrahmenplan entspricht.

(3) Die konkretisierten Ziele, Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind, soweit sie raumbedeutsam sind, in der Abwägung nach § 7 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes zu berücksichtigen.

(4) Landschaftsrahmenpläne und Landschaftsprogramme im Sinne des Absatzes 2 Satz 2 sind mindestens alle zehn Jahre fortzuschreiben. Mindestens alle zehn Jahre ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine Aufstellung oder Fortschreibung sonstiger Landschaftsprogramme erforderlich ist.

(5) Die landschaftsplanerischen Inhalte werden eigenständig erarbeitet und dargestellt. Im Übrigen richten sich die Zuständigkeit, das Verfahren der Aufstellung und das Verhältnis von Landschaftsprogrammen und Landschaftsrahmenplänen zu Raumordnungsplänen nach § 13 des Raumordnungsgesetzes nach Landesrecht.

Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden als Grundlage vorsorgenden Handelns im Rahmen der Landschaftsplanung überörtlich und örtlich konkretisiert und die Erfordernisse und Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Ziele dargestellt und begründet.

(1) Die überörtlichen konkretisierten Ziele, Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden für den Bereich eines Landes im Landschaftsprogramm oder für Teile des Landes in Landschaftsrahmenplänen dargestellt. Die Ziele der Raumordnung sind zu beachten; die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind zu berücksichtigen.

(2) Landschaftsprogramme können aufgestellt werden. Landschaftsrahmenpläne sind für alle Teile des Landes aufzustellen, soweit nicht ein Landschaftsprogramm seinen Inhalten und seinem Konkretisierungsgrad nach einem Landschaftsrahmenplan entspricht.

(3) Die konkretisierten Ziele, Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind, soweit sie raumbedeutsam sind, in der Abwägung nach § 7 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes zu berücksichtigen.

(4) Landschaftsrahmenpläne und Landschaftsprogramme im Sinne des Absatzes 2 Satz 2 sind mindestens alle zehn Jahre fortzuschreiben. Mindestens alle zehn Jahre ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine Aufstellung oder Fortschreibung sonstiger Landschaftsprogramme erforderlich ist.

(5) Die landschaftsplanerischen Inhalte werden eigenständig erarbeitet und dargestellt. Im Übrigen richten sich die Zuständigkeit, das Verfahren der Aufstellung und das Verhältnis von Landschaftsprogrammen und Landschaftsrahmenplänen zu Raumordnungsplänen nach § 13 des Raumordnungsgesetzes nach Landesrecht.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16.11.2011 - 5 K 1869/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Untersagung der Abgabe von Rohmilch an seiner Betriebsstätte in der Hauptstraße ... ...
Der Kläger führt zusammen mit seiner Ehefrau einen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb mit dem Schwerpunkt Milcherzeugung. Der Stammbetrieb befindet sich in der Hauptstraße ... und umfasst die Betriebswohnung der Familie, das landwirtschaftliche Büro, den Notstall, mehrere Maschinenhallen, ein Getreidelager, die Werkstatt für Landtechnik sowie das Spritzmittellager. Dort hat der Kläger auch einen Milchautomaten zur Abgabe von Rohmilch an Kunden aufgestellt. Die in ca. zwei Kilometern Entfernung hiervon im Gewann „W...“ im Jahr 1996 errichtete weitere Betriebsstätte umfasst im Wesentlichen den neuen Stall für die Unterbringung von ca. 50 Milchkühen mit Nachzucht sowie die Melk-Technik.
Mit Verfügung vom 15.01.2010 untersagte das Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis dem Kläger, Rohmilch aus dem Milchautomaten (Standort: ..., Hauptstr. ...) abzugeben und in Verkehr zu bringen. Die sofortige Vollziehung dieser Verfügung wurde angeordnet. Da die Abgabe der Rohmilch nicht im Milcherzeugungsbetrieb erfolge, liege ein Verstoß gegen § 17 der Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tier-LMHV) vor.
Am 20.01.2010 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Am 05.02.2010 beantragte er beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederherzustellen. Mit Beschluss vom 29.03.2010 lehnte das Verwaltungsgericht diesen Antrag ab (10 K 312/10). Der Beschluss ist rechtskräftig.
Mit Bescheid vom 06.07.2010 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch des Klägers zurück: Nach § 17 Abs. 1 Tier-LMHV sei es verboten, Rohmilch oder Rohrahm an den Verbraucher abzugeben. Das Verbot bestehe aus Gründen des vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutzes. Eine Ausnahme vom Verbot sei in § 17 Abs. 4 Tier-LMHV für die Abgabevon Milcherzeugungsbetrieben unter den strengen Bedingungen der Ziffern 1 bis 5 dieses Absatzes möglich. Nach Ziffer 1 der Vorschrift müsse die Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb erfolgen. Dies sei auch in der Vorgängerregelung, § 8 der Milchverordnung, im sog. „Milch-ab-Hof-Abgabe"-Paragrafen so geregelt gewesen. Der Verordnungsgeber habe schon durch die Wortwahl Abgabe „von Milcherzeugungsbetrieben“ nur „im Milcherzeugungsbetrieb“ in Halbsatz 1 und 2 von § 17 Abs. 4 Tier-LMHV die spezifische Regelungsabsicht deutlich gemacht. Der Milcherzeugungsbetrieb sei in Anhang I Nr. 4.2 der Verordnung (EG) 853/2004 definiert als Betrieb, in dem ein oder mehrere Nutztiere zur Erzeugung von Milch, die als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden soll, gehalten werden. Diese rechtliche Vorgabe erfülle der Kläger nicht, da die Abgabe der Rohmilch an seiner Betriebsstätte in der Hauptstraße ... und nicht in der zwei Kilometer entfernten Betriebsstätte, in welchem die Rohmilch gewonnen werde, stattfinde. Außerhalb des Erzeugerbetriebes liegende Räumlichkeiten dürften zur Milch-ab-Hof-Abgabe nicht verwendet werden, selbst wenn sie in der Verfügungsgewalt des Milcherzeugers lägen. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, sein Milcherzeugungsbetrieb bestehe aus zwei Betriebsstätten. Im Hygienerecht sei es unabdingbar, jede Betriebsstätte unabhängig voneinander zu betrachten. Eine enge und einheitliche rechtliche Auslegung der Vorschrift sei auch deshalb geboten, da der Verbraucher so durch den unmittelbaren Kontakt mit dem Erzeugungsbetrieb eine eigene Beurteilung der Hygiene bei der Milchviehhaltung und der Milchgewinnung treffen könne. In der Vergangenheit seien mehrere Fälle mit zum Teil tödlichem Verlauf des HUS-Syndroms (hämolytisch-urämisches Syndrom) aufgetreten, das auf Enterohämorrhagische E-Coli (EHEC) in Rohmilch zurückzuführen gewesen sei. Dies sei zwar ein seltenes, aber mitunter sehr gravierendes Erkrankungsrisiko beim Verzehr von Rohmilch oder nach einer Kontamination von Küchengegenständen und anderen Speisen beim Umgang im privaten Bereich. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 09.07.2010 zugestellt.
Der Kläger hat am 03.08.2010 Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und die Aufhebung der Verfügung des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vom 15.01.2010 sowie des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.07.2010 beantragt.
Mit Urteil vom 16.11.2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen der auf § 39 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) i.V.m. § 17 Tier-LMHV gestützten Untersagungsverfügung lägen vor. Die Abgabe von Rohmilch durch den Rohmilchautomaten am Standort ..., Hauptstraße ... verstoße gegen § 17 Tier-LMHV. Der Anwendung der Bestimmung stehe nicht der Inhalt der Verordnung (EG) 853/2004 entgegen. Denn Art. 10 Abs. 8a dieser Verordnung überlasse es ausdrücklich dem einzelnen Mitgliedstaat, insoweit aus eigener Initiative und unter Einhaltung der allgemeinen Bestimmungen des Primärrechts einzelstaatliche Vorschriften beizubehalten oder einzuführen. Aufgrund dieser Öffnungsklausel könne der Kläger sich auch nicht mit Erfolg auf die unterschiedliche Handhabung der Abgabe von Rohmilch oder Rohrahm in anderen Mitgliedstaaten berufen. Die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV lägen nicht vor. Bei der Abgabe von Rohmilch aus einem Rohmilchautomaten am Standort Hauptstraße ... handele es sich nicht um eine Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb" im Sinne der Vorschrift. § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV begrenze die Rohmilchabgabe auf den eigentlichen Milcherzeugungsbetrieb, somit auf den Ort, an dem die Milch gewonnen wird. Bei der in der Nr. 1 aufgestellten Anforderung, der Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb", handele es sich um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal. Aus der Systematik folge, dass die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV als Ausnahmetatbestand zu dem grundsätzlichen Rohmilchabgabeverbot in Absatz 1 eng auszulegen seien. Auch die Verwendung des unter Nr. 4.1. des Anhang I der Verordnung (EG) 853/2004 definierten Begriffs des „Milcherzeugungsbetriebs" stehe einem engen Verständnis des Begriffs „im Milcherzeugungsbetrieb" nicht entgegen. Sinn und Zweck der Regelung sei der Schutz der Verbraucher vor den gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Rohmilch. Rohmilch könne Krankheitserreger wie EHEC-Bakterien oder Campylobacter enthalten, die insbesondere bei kleinen Kindern zu Infektionen mit schweren gesundheitlichen Schäden führen könnten. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV begrenze die Rohmilchabgabe dementsprechend räumlich auf den eigentlichen Milcherzeugungsbetrieb als den Ort, wo die Milch gewonnen werde. Die Existenz der Strafbestimmung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 6 Tier-LMHV i.V.m. § 58 Abs. 1 Nr. 18, Abs. 4 bis 6 LFGB und die Höhe der Strafandrohung verdeutlichten die hohe Wertigkeit, die der Gesetzgeber dem Rechtsgut der Gesundheit des Verbrauchers beimesse. Auf die Erfüllung der sonstigen - insbesondere der hygienerechtlichen - Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV durch den Kläger komme es nicht an.
Gegen das Urteil hat der Kläger die durch Senatsbeschluss vom 17.06.2013 (9 S 347/12) zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er insbesondere vor:
Das Verwaltungsgericht habe ausgehend von dem Begriff des „Milcherzeugungsbetriebs“ in Anhang I Ziff. 4.2 der Verordnung (EG) 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2004 die Einengung des Begriffs „Milcherzeugungsbetrieb“ in der vorgenannten Vorschrift des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV in europarechtswidriger Weise vorgenommen. Der nationale Gesetzgeber dürfe entsprechend Art. 10 Abs. 8 der EG-Verordnung einschränkende Regelungen treffen, die jedoch eines Sachgrunds bedürften, der zwingend mit den Zielvorstellungen der zugrundeliegenden Normen, nämlich mit hygienerechtlichen Bestimmungen, in Einklang zu bringen sein müsse. Hygienerechtliche Belange spielten indes für das Merkmal der „Örtlichkeit“ keine Rolle. Europarechtlich sei kein Anhaltspunkt dafür zu erkennen, dass die Tiere nicht an einer anderen Stelle gehalten werden könnten als am Ort der Milchabgabe. Ansonsten hätte der Verordnungsgeber sinngemäß regeln können, dass der „Milcherzeugungsbetrieb“ nur dahin zu verstehen sei, dass der Ort des Betriebs gemeint sei, an dem gleichzeitig die Milch in den Verkehr gebracht werden soll. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV habe keinerlei hygienerechtliche Komponente, aber eine Schutzfunktion zu Gunsten der landwirtschaftlichen bzw. milcherzeugenden Betriebe. Die hygiene- und gesundheitsrechtlichen Aspekte würden in § 17 Abs. 4 Tier-LMHV abgedeckt, jedoch gerade nicht in Nr. 1 dieser Regelung. Das Verwaltungsgericht habe sich mit den primärrechtlichen Grundlagen nicht auseinandergesetzt (Zielsetzungen des Binnenmarkts, Vorschriften der Landwirtschaft in Art. 38 Abs. 1 AEUV, Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik, Art. 39 Abs. 1b AEUV, Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen, Art. 39 Abs. 1e AEUV, Wettbewerbsfreiheit, Art. 40 Abs. 1a AEUV, Berufsfreiheit des Klägers, Art. 15 der Europäischen Grundrechtscharta sowie Gleichheitsgrundsatz, Art. 20 der Europäischen Grundrechtscharta). Jedenfalls sei § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV nicht verfassungskonform und auch nicht europarechtskonform. Wäre gesetzgeberisches Ziel die Einhaltung von Hygienebestimmungen, so wäre die Regelung in der Ziff. 1 hierfür untauglich. Die Einhaltung von Hygienebestimmungen bzw. die Vermeidung von Gefährdungslagen werde nicht dadurch gefördert bzw. beseitigt, dass die Milch unmittelbar an der „Stalltür“ abzugeben sei. Somit sei kein legitimer verfassungsrechtlicher Zweck erkennbar. Bis heute seien seitens der zuständigen Behörden keine hygienerechtlichen Bedenken erhoben worden und lägen auch keinerlei negative Kontrollergebnisse vor. Die Einhaltung hygienerechtlicher Bestimmungen und damit die Gewährleistung von Gesundheits- und Lebensmittelschutz werde auch dann nicht garantiert, wenn die Milch an der Stalltüre abgegeben werde, in dem Betrieb aber zum Beispiel unsachgemäß gearbeitet werde oder eine hohe Keimzahl vorhanden sei. Die Einhaltung der hygienerechtlichen Bestimmungen und nicht der Standort der Abgabe sei der entscheidende Ansatz. Der Kläger halte indes alle diesbezüglichen Vorschriften an seinem Hof ein. Dies belege der konkrete Ablauf der Milchproduktion (wird im Einzelnen unter Vorlage einer Foto-Dokumentation dargelegt). Wäre gesetzgeberische Intention die Möglichkeit einer besseren Kontrolle durch den Betriebsinhaber bzw. Milcherzeuger, wäre dies an dem Standort des Milchautomaten am Stammbetrieb gerade gewährleistet. Nach alledem sei die Beschränkung des Begriffs des „Milcherzeugungsbetriebs“ im Sinne der unmittelbaren Verbindung zwischen Kuhstall und Abgabeort gemessen am Maßstab der normgeberischen Zielsetzung hygienerechtlicher Anforderungen nicht nur verfehlt, sondern auch untauglich. Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums könne ein Verbraucher auch in einer vermeintlich sauberen Umgebung gerade nicht abschätzen bzw. erkennen, ob die von ihm abgeholte Rohmilch hygienerechtlich beanstandungsfrei sei oder nicht. Auch die Formulierung in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Tier-LMHV bezüglich des Hinweises auf das Abkochen der Rohmilch und auf die Anbringung des Schildes an der „Abgabestelle“ spreche dafür, dass der nationale Verordnungsgeber die hier gegenständliche restriktive Handhabung nicht gewollt habe. Der Begriff der „Abgabestelle“ sei nämlich ein anderer als der Begriff des „Milcherzeugungsbetriebs“. Im Übrigen verstoße die Regelung gegen den verfassungsrechtlich verankerten Bestimmtheitsgrundsatz. Aus der Norm könnte weder der jeweils betroffene Landwirt noch die rechtsanwendende Behörde ableiten, wie weit die konkrete Abgabestelle vom Stallgebäude entfernt sein dürfe. Auch die Ermessensausübung der Behörde sei zu beanstanden. Der Zweck der Ermächtigung sei in der Überwachung und Einhaltung der Vorschriften zum Schutz vor Gesundheitsgefahren für Verbraucher zu sehen. Der Bereich sei im weitesten Sinne der Gefahrenabwehr und dem Gesundheitsschutz zuzuordnen. In dem gesamten Verfahren sei jedoch verkannt worden, dass die Hygienebestimmungen überhaupt nicht verletzt seien. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV in der Form der vom Beklagten vorgenommenen engen Auslegung sei vor dem Hintergrund der hygienerechtlichen Bestimmungen zur Zweckerreichung schlechthin ungeeignet und verletze ihn deshalb in seinem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege vor, weil zwei gleichgelagerte Sachverhalte in W. und in N. anders behandelt würden als sein Fall. Auch Art. 14 Abs. 1 GG sei verletzt. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liege vor. Die Regelung sei ungeeignet, weil mit der Abgabe von Rohmilch am Stallgebäude keine Verbesserung der hygienerechtlichen Situation einhergehe. Außerdem gebe es mildere Mittel gegenüber der vollständigen Untersagung der Milchabgabe. Jedenfalls falle eine Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse des Gesundheits- und Lebensmittelschutzes und den Rechtsgütern des Klägers zu dessen Gunsten aus. Es sei nicht ersichtlich, dass irgendein Fall der Rohmilchabgabe zu ernsthaften Problemen geführt habe. Es werde nicht ausreichen, lediglich auf abstrakte/potentielle Gefahren hinzuweisen, die sich in keinem einzigen Fall realisiert hätten. Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen sei gegebenenfalls eine Aussetzung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und eine Vorlage an den EuGH geboten.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16.11.2011 - 5 K 1869/10 - zu ändern und die Verfügung des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vom 15.01.2010 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.07.2010 aufzuheben.
12 
Der Beklagte beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Er verteidigt das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor: Bei der näheren Bestimmung der Bedeutung der Formulierung „Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb“ sei zunächst auf Sinn und Zweck der Vorschriften abzustellen. Regelungsziel der Tier-LMHV sei es, durch Hygienevorschriften die Gefahren, die im Umgang mit Lebensmitteln tierischen Ursprungs für die öffentliche Gesundheit ausgingen, auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Die in § 17 Abs. 4 Tier-LMHV kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen für die unmittelbare Rohmilchabgabe vom Erzeuger an den Endverbraucher seien allesamt in diesem Sinnzusammenhang zu sehen. Es handele sich hierbei ausschließlich um Hygieneanforderungen im Umgang mit Rohmilch, die dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienten. Dies gelte ausdrücklich auch für die Voraussetzung der Milchabgabe im Milcherzeugungsbetrieb. Dies könne unter Berücksichtigung des hygienerechtlichen Hintergrundes nur als dahingehendes Verbot verstanden werden, Rohmilch weg vom Milcherzeugungsbetrieb an einen anderen Abgabeort zu transportieren. Mit dem Transport der Rohmilch steige das Risiko einer Belastung der Milch mit Krankheitserregern und damit auch die Infektionsgefahr für den Menschen. Rohmilch als solche berge immer die potentielle Gefahr, mit Krankheitserregern belastet zu sein. Ein Anfangskeimgehalt der Milch, auch wenn dieser noch nicht die infektiöse Dosis darstellen sollte, könne sich aufgrund des für diese Bakterien gut geeigneten Nährmediums Milch bei weiterer Lagerung und Handhabung vermehren. Bearbeitungsschritte wie Umfüllen, Lagern und Transportieren erhöhten die Kontaminationsgefahr in Form eines zusätzlichen Bakterienantrags. Außerdem könnte die damit einhergehenden Unterbrechung der Kühlkette zu Bakterienwachstum führen. Der Verordnungsgeber habe in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV deshalb diese durch zusätzliche Bearbeitungsschritte bedingten Risiken von vornherein ausgeschlossen. Er habe den Transport als abstrakt risikoerhöhenden Umstand gänzlich verboten. Die Auslegung, dass die Regelung keine hygienerechtliche Komponente enthalte, sondern nur bezwecke, einen Ankauf von Rohmilch durch Dritte zu verhindern, sei mit dem hygienerechtlichen Schutzzweck der Tier-LMHV nicht zu vereinbaren. Auch das Verbot des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Tier-LMHV, andere als im eigenen Betrieb gewonnene Rohmilch zu verkaufen, bezwecke nicht, die landwirtschaftlichen milcherzeugenden Betriebe vor Konkurrenz durch Zwischenhändler zu schützen. Im Rahmen der Wortauslegung werde der Ortsbezug deutlich, wenn man die vollständige Formulierung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV „die Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb erfolgt“, betrachtet. Die Örtlichkeit müsse mit der Milcherzeugung in einem räumlichen Zusammenhang stehen, ein rein betriebswirtschaftlicher Zusammenhang reiche nicht aus. Festzuhalten sei, dass eine Wortlautauslegung ergebe, dass die Milchabgabe an dem Ort zu erfolgen habe, an dem ein Betrieb - bestehend aus einem oder mehreren Nutztieren, die vom Erzeuger zum Zweck der Erzeugung von Milch, die als Lebensmittel in Verkehr gebracht werden soll, gehalten werden - tatsächlich Milch erzeuge. Auch eine systematische Auslegung führe zu keinem anderen Ergebnis. Im Gegensatz zu der unmittelbaren Abgabe von Rohmilch sei die Abgabe von Vorzugsmilch an den Verbraucher nicht örtlich auf den Erzeugerbetrieb beschränkt. Vorzugsmilch könne vielmehr gehandelt werden; der Verbraucher könne Vorzugsmilch auch im Einzelhandel erwerben. Im Unterschied zur Rohmilchabgabe unterliege die Vorzugsmilchabgabe jedoch deutlich strengeren Hygieneanforderungen. Mit § 17 Abs. 4 Tier-LMHV habe der Verordnungsgeber den früher gängigen Vorgang - das Abholen frischer Milch direkt vom Bauernhof regelmäßig mit eigens mitgebrachten Flaschen und Kannen - weiterhin zugelassen. Mit § 17 Abs. 2 und Abs. 3 Tier-LMHV habe der Verordnungsgeber hingegen dem Verbraucher den Zugang zu dem Produkt „(nahezu) unbehandelte Milch“ ermöglichen wollen. Außerdem sei zu beachten, dass die den Ausnahmetatbestand begründenden Tatbestandsvoraussetzungen eng auszulegen seien. Ausweislich der Begründung habe der deutsche Verordnungsgeber die in der Milchverordnung in § 8 ehemals geregelte „Milch-ab-Hof-Abgabe“ inhaltsgleich in den neuen § 17 Tier-LMHV übernehmen wollen. Eindeutig in der Begründung nachzulesen sei, dass ausschließlicher Zweck der nur als Ausnahme zugelassenen direkten Rohmilchabgabe sei, die Gesundheit der Verbraucher vor potentiellen Risiken, die mit dem Verzehr von Rohmilch verbunden seien, zu schützen. Entgegen der Ansicht des Klägers sei § 17 Tier-LMHV in jeglicher Hinsicht verfassungsgemäß. Insbesondere werde nicht in rechtswidriger Weise in Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen. Die Vorgabe der Abgabe von Rohmilch nur im Milcherzeugungsbetrieb stelle eine Berufsausübungsregelung dar, die zum Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt sei. Da der Transport der Rohmilch das Risiko erhöhe, dass diese mit Krankheitserregern kontaminiert sei, sei das Transportverbot geeignet, den angestrebten Zweck zu erfüllen. Die klägerseits vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des § 17 Tier-LMHV mit Europarecht könnten nicht geteilt werden. Bei § 17 Tier-LMHV handele es sich um eine nationale Regelung, die - neben europarechtlichen Vorschriften - den Umgang mit Rohmilch regele. In Art. 10 Abs. 3, Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 ermächtige der europäische Gesetzgeber die Mitgliedstaaten dazu, weitergehende einzelstaatliche Vorschriften zu erlassen, die das Inverkehrbringen von Rohmilch, die für den unmittelbaren menschlichen Verzehr bestimmt sei, in seinem Hoheitsgebiet untersagen oder einschränken. In Absatz 11 der Präambel heiße es darüber hinaus, dass es bei der direkten Abgabe kleiner Mengen von Primärerzeugnissen durch den Erzeuger an den Endverbraucher angezeigt sei, die öffentliche Gesundheit durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften zu schützen. Dadurch werde deutlich, dass der europäische Gesetzgeber die Thematik der Rohmilchabgabe nicht abschließend habe regeln wollen. Der europäische Gesetzgeber räume seinen Mitgliedstaaten dabei einen gewissen Spielraum ein. Durch die hier in Rede stehende Anforderung, Rohmilch nur im Milcherzeugungsbetrieb abzugeben, habe der deutsche Gesetzgeber eine solche - im Vergleich zum Europarecht - weitergehende Hygieneanforderung geschaffen und hierbei im Rahmen des ihm zuerkannten Spielraums gehandelt. Die Abgabestelle ... ..., Hauptstraße ... könne nicht als Milcherzeugungsbetrieb qualifiziert werden. Der Abgabeort stehe in keinem räumlichen Zusammenhang mit dem Erzeugungsort. Auch der seitens des Klägers beschriebene Vorgang der Rohmilcherzeugung und Abgabe zeige deutlich, dass es hier - nach Ende des Melkvorgangs bis zur Abgabe an den Verbraucher - zu weiteren Behandlungsschritten der Milch komme. Der Transport gehöre aber nach Sinn und Zweck des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV nicht mehr zum Milcherzeugungsprozess und solle nach dieser Vorschrift aufgrund der damit einhergehenden Risikoerhöhung der abstrakten Gesundheitsgefahr gerade verhindert werden. Diese abstrakte Gefahr sei nach dem Willen des Verordnungsgebers maßgebliches Untersagungskriterium. Der Kläger könne die abstrakte Gefahr, die der Transport als solches mit sich bringe, nicht dadurch beseitigen, dass er die gesetzlichen Hygienevorgaben genauestens einhalte. Im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung habe sie zu berücksichtigen gehabt, dass es sich bei § 17 Abs. 1 Tier-LMHV um ein Verbot zum vorbeugenden Schutz der öffentlichen Gesundheit handele. Die Untersagungsverfügung sei auch nicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ermessensfehlerhaft. Insbesondere seien dem Kläger alternative Möglichkeiten, seine erzeugte Milch zu vermarkten, aufgezeigt worden. Ob die Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV bei den angeführten, im...-Kreis gelegenen Höfen eingehalten würden, könne offenbleiben. Selbst wenn eine Ungleichbehandlung zu bejahen wäre, könne sich der Kläger auf eine Gleichbehandlung im Unrecht nicht berufen.
15 
Die am 15.05.2014 durchgeführte mündliche Verhandlung ist mit Beschluss vom 27.05.2014 wiedereröffnet worden, um die Beteiligten zur Frage der maßgeblichen Rechtsgrundlage der gegenständlichen Verfügung anzuhören.
16 
Dem Senat liegen die Akten des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis (1 Band, 1 Aktenvermerk), des Regierungspräsidiums Karlsruhe (1 Band) und des Verwaltungsgerichts vor. Darauf und auf die gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
17 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
18 
Die zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 124a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO) eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil ist nicht zu ändern. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
19 
Eine Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.05.2008 (ABl. Nr. C 115 S. 47) - AEUV - hält der Senat nicht für erforderlich. Denn er hat weder Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Bestimmungen des Primärrechts noch der Verordnungen (EG) 882/2004 oder 853/2004. Im Übrigen kann das Urteil des Senats mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden (vgl. Art. 267 Abs. 3 AEUV). Ein solches Rechtsmittel stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde bei Nichtzulassung der Revision gemäß § 133 VwGO dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.10.1997 - 6 B 32/97 -, NVwZ-RR 1998, 752/754; siehe auch Borchardt in Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 5. Aufl., Art. 267 AEUV Rn. 41).
20 
Die als Anfechtungsklage statthafte (vgl. § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) und auch sonst zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vom 15.01.2010 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.07.2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Untersagungsverfügung stellt ihrem Inhalt nach einen Dauerverwaltungsakt dar. Sie verbietet dem Kläger generell für die Zukunft die Abgabe von Rohmilch am Standort des Stammbetriebs und erschöpft sich damit nicht im Verlangen eines einmaligen Tuns oder Unterlassens. Der Senat hat deshalb die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen, da das materielle Recht nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22.01.1998 - 3 C 6/97 -, BVerwGE 106, 141).
I.
21 
Der Beklagte hat die Untersagungsverfügung auf § 39 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) in der derzeit gültigen Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung des LFGB vom 28.05.2014 (BGBl. I 2014, 698) i.V.m. § 17 Tier-LMHV gestützt. Nach § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB trifft die zuständige Behörde - und damit das gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 LFGB i.V.m. § 19 Abs. 1, § 18 Abs. 4 AG-LMGB, § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG zur Lebensmittelüberwachung berufene Landratsamt - die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind. Sie kann dabei u.a. das Herstellen, Behandeln oder das Inverkehrbringen von Erzeugnissen verbieten oder beschränken (vgl. § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LFGB).
22 
Nach Auffassung des Senats ist § 39 Abs. 2 LFGB allerdings nicht anwendbar. Vielmehr ergibt sich im Falle der Feststellung eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften die Befugnisnorm für auf Abhilfe gerichtete Maßnahmen der Lebensmittelbehörde, wie etwa ein Verkehrsverbot, aus Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. b) der Verordnung (EG) 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz vom 29.04.2004 (ABl. L Nr. 165, 1 ff.) .
23 
Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 517/2013 des Rates vom 13.05.2013, ABl. L 158, 1, lautet: Stellt die zuständige Behörde einen Verstoß fest, so trifft sie die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft. Nach Art. 54 Abs. 2 Nr. b) dieser Verordnung kann dazu (u.a.) die Maßnahme der Einschränkung oder Untersagung des Inverkehrbringens von Futtermitteln, Lebensmitteln oder Tieren gehören. Nach der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 10 der Verordnung handelt es sich bei einem Verstoß um die „Nichteinhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrechts und der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz“.
24 
Art. 54 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) 882/2004 gilt unmittelbar und verdrängt wegen des Anwendungsvorrangs des Unionrechts (vgl. Art. 288 AEUV sowie Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Band 3, Stand: August 2012, Art. 288 Rn. 53; Streinz, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2011, B Einführung Rn. 38b) in seinem Anwendungsbereich die nationale Rechtsgrundlage des § 39 Abs. 2 LFGB (vgl. auch § 39 Abs. 2 Satz 3 LFGB sowie die diesbezügliche Gesetzesbegründung, BTDrucks. 16/8100, 20: „Diese Regelungen [= Art. 54 Abs. 1 und 2 Verordnung (EG) 882/2004] sind als unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht von den zuständigen Behörden vorrangig anzuwenden“). Hier liegt ein den Anwendungsvorrang auslösender Kollisionsfall vor (zu diesem Erfordernis vgl. Nettesheim, a.a.O., Art. 288 Rn. 52; Streinz/Herrmann, BayVBl. 2008, 1, 3 f.). In den Erwägungsgründen 2 und 3 der Verordnung (EG) 882/2004 stellt der Verordnungsgeber fest, dass das europäische Futtermittel- und Lebensmittelrecht sowohl in der grundlegenden Verordnung (EG) 178/2002 als auch in speziellen Vorschriften für Bereiche wie Futtermittel- und Lebensmittelhygiene kodifiziert sei. Die Mitgliedstaaten sollten das Futtermittel- und Lebensmittelrecht durchsetzen sowie überwachen und überprüfen, dass die entsprechenden Anforderungen von den Unternehmern auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen eingehalten werden, wofür auf Gemeinschaftsebene ein einheitlicher Rahmen in Form allgemeiner Vorschriften für die Organisation von Kontrollen geschaffen werden sollte (Erwägungsgründe 6 und 7). In Umsetzung der vorstehenden Erwägungsgründe bestimmt Art. 1 der Verordnung (EG) 882/2004 deren Anwendungsbereich dahingehend, dass in der Verordnung allgemeine Regeln für die Durchführung amtlicher Kontrollen u.a. zur Vermeidung, Beseitigung oder Senkung von unmittelbar oder über die Umwelt auftretenden Risiken für Mensch und Tier festgelegt würden. Aus den Erwägungsgründen 41, 42 und 43 ergibt sich, dass Verstöße gegen das Futtermittel- und Lebensmittelrecht „in der gesamten Gemeinschaft Gegenstand wirksamer, abschreckender und angemessener Maßnahmen sein“ sollten. Unter dem Titel VII „Durchsetzungsmaßnahmen“ der Verordnung ist das Kapitel I mit „Nationale Durchsetzungsmaßnahmen“ überschrieben. Der hier normierte Art. 54 („Maßnahmen im Fall eines Verstoßes“) sieht in seinem zweiten Absatz einen konkreten Maßnahmenkatalog vor. Angesichts des aufgezeigten umfassenden Regelungsanspruchs der Verordnung (EG) 882/2004 und der Zielsetzung, den nationalen Behörden für die Durchsetzung des Lebensmittelrechts unmittelbare rechtliche Vorgaben zu machen, hat der Senat keine Zweifel, dass die Mitgliedstaaten bei festgestellten lebensmittelrechtlichen Verstößen Maßnahmen mit dem Ziel der Abhilfe nunmehr auf Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 stützen können (so auch Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: Juli/November 2012, C 102, § 39 LFGB Rn. 10 f., 21, 63 ff.; Meyer/Streinz, LFGB, 2. Aufl. 2012, § 39 Rn. 1, 10, 23; Wehlau, LFGB, 2010, § 39 Rn. 10 ff.; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 05.09.2011 - 5 Bs 139/11 -, NVwZ-RR 2012, 92; unklar: BayVGH, Beschluss vom 26.11.2011 - 9 ZB 09.2116 -, Juris; zum Verbot, unmittelbar geltende Vorschriften des EU-Rechts im Recht der Mitgliedstaaten zu wiederholen vgl. König in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 2. Aufl. 2010, § 2 Rn. 41 m.w.N.; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243, 247; zur Problematik der Rechtsunsicherheit in der deutschen Überwachungspraxis vgl. dies., ZLR 2010, 243, 246; Meyer/Streinz, a.a.O., § 39 Rn. 1). Ob bzw. inwieweit § 39 Abs. 2 LFGB etwa bei Maßnahmen zur Feststellung oder zur Ausräumung eines bestimmten Verdachts über die unionsrechtliche Ermächtigung in Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 hinausgeht und deshalb insoweit weiter anwendbar bleibt, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. dazu Zipfel/Rathke, a.a.O., § 39 LFGB Rn. 10; Meyer/Streinz, a.a.O., § 39 Rn. 1; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243 ff.).
25 
Ungeachtet der anders lautenden behördlichen Begründung kann die angefochtene Verfügung auf Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 gestützt werden.
26 
§ 39 Abs. 2 LFGB und Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 sind ähnlich aufgebaut, sie bestehen aus einer Generalklausel (§ 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB bzw. Art. 54 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) 882/2004) und einer beispielartigen, nicht abschließenden Aufzählung möglicher Maßnahmen (§ 39 Abs. 2 Satz 2 LFGB sowie Art. 54 Abs. 2 der Verordnung (EG) 882/2004; vgl. Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 10). Weder in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzungen noch die Rechtsfolgen weisen die Bestimmungen relevante Unterschiede auf: Beide setzen die Feststellung eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften voraus und verpflichten die Behörde („trifft die zuständige Behörde“ bzw. „trifft sie“) zu notwendigen bzw. erforderlichen Maßnahmen (kein Entschließungsermessen; zu Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 vgl. VG Hannover, Urteil vom 27.06.2012 - 9 A 50/12 -, Juris, zu § 39 Abs. 2 LFGB vgl. Senatsurteil vom 02.03.2010 - 9 S 171/09 -, VBlBW 2010, 314, sowie Senatsbeschluss vom 12.11.1997 - 9 S 2530/97 -, VBlBW 1998, 186; Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 40; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 102 § 39 Rn. 17 f.). Diese können insbesondere auch in dem Verbot bzw. der Untersagung des Inverkehrbringens von Erzeugnissen bzw. Lebensmitteln bestehen. Allenfalls im Hinblick auf die im Einzelfall konkret zu ergreifende Maßnahme ist der Behörde im Grundsatz ein Auswahlermessen eingeräumt. Angesichts der Parallelität beider Normen ist nicht erkennbar, weshalb diese vom Senat zu § 39 Abs. 2 LFGB vertretene Auffassung (vgl. Senatsurteil vom 02.03.2010, a.a.O.; Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 40) nicht auch für die unionsrechtliche Rechtsgrundlage zu gelten hätte. Im Rahmen ihrer Entscheidung hat die Behörde schließlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: März 2013, C 102, § 39 Rn. 17 f.; 73).
27 
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist ein Auswechseln der Rechtsgrundlage zulässig. Denn dies führt weder zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Verwaltungsakts noch wird die Rechtsverfolgung des Klägers in beachtlicher Weise erschwert (zu diesem Maßstab vgl. BVerwG, Urteil vom 27.01.1982 - 8 C 127/81 -, BVerwGE 64, 356; Urteil vom 21.11.1989 - 9 C 28/89 -, NVwZ 1990, 673). Angesichts des identischen Befugnisrahmens und der gleich gerichteten Ermessensdirektiven würde dies selbst dann gelten, wenn der Behörde im konkreten Fall ein Auswahlermessen bezüglich der konkret zu treffenden Maßnahmen eingeräumt gewesen wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.05.1994 - 5 S 2637/93 -, NVwZ 1995, 397; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. Ergänzungslieferung 2013, § 113 Rn. 21; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 54). Dies war indes nicht der Fall (dazu noch unten unter II. 3.). Handelte es sich mithin bei der gegenständlichen Maßnahme um eine gebundene Entscheidung, war der Senat berechtigt und verpflichtet, die unionsrechtliche Rechtsgrundlage zu berücksichtigen (vgl. nur Schmidt, in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 113 Rn. 17, 22).
II.
28 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004liegen vor. Die Abgabe von Rohmilch durch den am Stammbetrieb des Klägers aufgestellten Rohmilchautomaten begründet einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Tier-LMHV; der Inhalt der Verordnung (EG) 853/2004 (ABI. L 139 vom 30.04.2004, S. 55) steht einer Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen (hierzu unter 1.). Die Voraussetzungen der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV sind nicht gegeben (hierzu unter 2.). Zur Beseitigung des festgestellten Verstoßes und zur Verhütung künftiger Verstöße war die Untersagung der Rohmilchabgabe „erforderlich“ im Sinne Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft; auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war die gegenständliche Maßnahme nicht zu beanstanden (dazu unter 3.).
29 
1. Nach § 17 Abs. 1 Tier-LMHV ist es verboten, Rohmilch oder Rohrahm an Verbraucher abzugeben.
30 
a) Auch eine Nichteinhaltung dieser nationalen Vorschrift des Lebensmittelrechts ist geeignet, einen „Verstoß“ im Sinne des Art. 54 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 zu begründen (zu diesem Begriff vgl. Art. 2 Nr. 10 der Verordnung). Nach Art. 2 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 gelten für die Zwecke der vorliegenden Verordnung die Begriffsbestimmungen der Artikel 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Gemäß Art. 3 dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Lebensmittelrecht“ die Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Lebensmittel im Allgemeinen und die Lebensmittelsicherheit im Besonderen, sei es auf gemeinschaftlicheroder auf einzelstaatlicher Ebene (Hervorhebung nur hier). Mithin ist dieses Verständnis auch der Auslegung des Art. 54 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 zugrunde zu legen (so ausdrücklich auch Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243, 249; vgl. auch Zipfel/Rathke, a.a.O., § 39 LFGB Rn. 67 und C 101, Art. 3 Verordnung (EG) Nr. 178/2002, Rn. 6).
31 
b) § 17 Abs. 1 Tier-LMHV beruht auf einer eigenständigen nationalen Rechtsgrundlage. Der Verordnungsgeber hat sich hierbei ausdrücklich auf die spezielle Ermächtigung in Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 (ABI. L 139 vom 30.4.2004, S. 55) gestützt, die es dem einzelnen Mitgliedstaat überlässt, aus eigener Initiative und unter Einhaltung der allgemeinen Bestimmungen des Primärrechts einzelstaatliche Vorschriften beizubehalten oder einzuführen, mit denen das Inverkehrbringen von Rohmilch oder Rohrahm, die für den unmittelbaren menschlichen Verzehr bestimmt sind, in seinem Hoheitsgebiet untersagt oder eingeschränkt wird (vgl. BRDrucks. 327/07, Amtliche Begründung zu § 17; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 178 § 17 Tier-LMHV Rn. 3 ff.). Da es sich um eine spezielle, rein mitgliedstaatliche Regelung handelt, dürfte auch der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob mit Blick auf Art. 1 Abs. 3 c) der Verordnung (EG) 853/2004 (danach gilt die Verordnung nicht für die direkte Abgabe kleiner Mengen von Primärerzeugnissen durch den Erzeuger an den Endverbraucher oder an örtliche Einzelhandelsunternehmen, die die Erzeugnisse direkt an den Endverbraucher abgeben) der Anwendungsbereich der Verordnung überhaupt eröffnet ist, keine maßgebliche Bedeutung zukommen (vgl. auch die Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg vom 19.07.2007, Seite 23 c der Behördenakte).
32 
Dass der Verordnungsgeber die Grenzen des Unionsrechts überschritten hätte, vermag der Senat nicht festzustellen. Zwar wird die Ermächtigung der Mitgliedstaaten durch Art. 10 Abs. 3 und 4 Verordnung (EG) 853/2004 eingeschränkt. Nach Art. 10 Abs. 3 dürfen diese beim Erlass einzelstaatlicher Vorschriften nach den Absätzen 4 bis 8 „die Erreichung der Ziele dieser Verordnung“ nicht gefährden. Dass dies der Fall wäre, ist indes nicht ersichtlich. Das grundsätzliche Verbot des Inverkehrbringens von Rohmilch zum unmittelbaren menschlichen Verzehr dient gerade den primären Zielen der Verordnung (EG) 853/2004, ein hohes Gesundheitsschutz- und Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (vgl. die Erwägungsgründe 3 und 9 der Verordnung (EG) 853/2004). Mithin kann von einer Gefährdung der Erreichung der Ziele der Verordnung keine Rede sein. Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, die in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV aufgestellte Voraussetzung diene überhaupt keinen hygienerechtlichen Zwecken. Zur Begründung kann auf die nachfolgenden Ausführungen unter 2.a) verwiesen werden. Soweit nach Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004 die einzelstaatlichen Vorschiften u.a. zum Ziel haben, die weitere Anwendung traditioneller Methoden auf allen Produktions-, Verarbeitungs- oder Vertriebsstufen von Lebensmitteln zu ermöglichen, könnte ein generelles Verbot des Inverkehrbringens von Rohmilch zum unmittelbaren menschlichen Verzehr möglicherweise unionsrechtliche Fragen aufwerfen, soweit in dem betreffenden Mitgliedstaat eine entsprechende Tradition bestand (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., C 178 § 17 Tier-LMHV Rn. 5 f.). Hier hat der deutsche Verordnungsgeber indes kein generelles Abgabeverbot erlassen, sondern das grundsätzliche Abgabeverbot nach § 17 Abs. 1 mit den Ausnahmeregelungen in § 17 Abs. 2 bis 4 Tier-LMHV verknüpft. Indem er in Abs. 4 Satz 1 weiterhin ausdrücklich die sog. „Milch-ab-Hof-Abgabe“ zulässt (vgl. die ähnliche Vorgängerregelung in § 8 Abs. 1 Milchverordnung), hat er dieser traditionellen Vertriebsform explizit Rechnung getragen und damit auch Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004 berücksichtigt.
33 
Der Kläger meint ferner, mit § 17 habe der Verordnungsgeber gegen die nach Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 einzuhaltenden „allgemeinen Bestimmungen des Vertrags“ verstoßen. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.
34 
Soweit er sich auf Art. 38 Abs. 1, Art. 39 Abs. 1 b), Art. 39 Abs. 1 e) und Art. 40 Abs. 1 a) AEUV beruft, ist bereits weder dargetan noch sonst für den Senat erkennbar, inwieweit diese Normen geeignet sind, bezogen auf die hier einschlägige Fallgestaltung subjektive Rechte des Klägers zu begründen (vgl. Priebe, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand: März 2011, Art. 38 AEUV Rn. 100; Art. 39 Rn. 2, 6).
35 
Dass die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Zulässigkeit der Abgabe von Rohmilch für den unmittelbaren menschlichen Verzehr unterschiedliche Regelungen treffen dürfen und getroffen haben, ist im Übrigen ersichtlich unionsrechtlich bezweckte, notwendige Folge der speziellen Öffnungsklausel des Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004, die auch mit Blick auf ihren Wortlaut („in seinem Hoheitsgebiet untersagt oder eingeschränkt“) mit einem nicht unerheblichen Gestaltungsspielraum für die Mitgliedstaaten verbunden ist. Schon deshalb scheidet sowohl der behauptete Verstoß gegen die vom Kläger auf Art. 40 Abs. 1 a) AEUV gestützte „Wettbewerbsfreiheit“ wie auch eine Verletzung des Gleichheitssatzes gemäß Art. 20 GRCh aus. Im Übrigen findet die auf einen engen Anwendungsbereich beschränkte Regelung ihre sachliche Rechtfertigung - wie bereits dargelegt - vor allem in den Zielen, ein hohes Gesundheitsschutz- und Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (vgl. Erwägungsgründe 3 und 9 der Verordnung (EG) 853/2004) sowie die weitere Anwendung traditioneller Methoden auf allen Produktions-, Verarbeitungs- oder Vertriebsstufen von Lebensmitteln zu ermöglichen (vgl. Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004). Vor diesem Hintergrund erfährt auch der vom Kläger geltend gemachte Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 15 Abs. 1 GRCh seine Rechtfertigung jedenfalls durch Art. 52 Abs. 1 Satz 1 und 2 GRCh. Zur weiteren Begründung insbesondere zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wird auf die Ausführungen unter 2. b) verwiesen.
36 
Bei alledem kann dahingestellt bleiben, ob es beim Gebrauchmachen der Bundesrepublik Deutschland von der Öffnungsklausel des Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 um die Durchführung des Rechts der Union durch einen Mitgliedstaat im Sinne des Art. 51 Abs. 1 GRCh geht (vgl. dazu Jarass, Charta der Grundrechte, 2. Aufl. 2013, Art. 51 Rn. 11 ff., 16 ff.; Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Auf. 2011, Art. 51 Rn. 24 ff.) und damit der Anwendungsbereich der Grundrechte Charta überhaupt eröffnet ist. Ebenso kann offen bleiben, welche rechtliche Bedeutung insoweit dem Umstand zukommt, dass hier kein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt.
37 
2. Die Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV greift nicht zugunsten des Klägers ein.
38 
a) Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV darf Rohmilch abweichend von Absatz 1 von Milcherzeugungsbetrieben unmittelbar an Verbraucher abgegeben werden, wenn
39 
1. die Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb erfolgt,
2. die Rohmilch im eigenen Betrieb gewonnen und behandelt worden ist,
3. die Rohmilch am Tag der Abgabe oder am Tag zuvor gewonnen worden ist,
4. an der Abgabestelle gut sichtbar und lesbar der Hinweis „Rohmilch, vor dem Verzehr abkochen" angebracht ist und
5. die Abgabe von Rohmilch zuvor der zuständigen Behörde angezeigt worden ist.
40 
Nach der Überzeugung des Senats begrenzt § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV in Fällen, in denen ein landwirtschaftlicher Betrieb mehrere Betriebsstätten aufweist und etwa - wie hier - das Milchvieh nicht am Standort des Stammbetriebs gehalten wird, die Rohmilchabgabe räumlich auf die Örtlichkeit, an der die Milch tatsächlich gewonnen wird. Rohmilch wird nur dann in zulässiger Weise „im Milcherzeugungsbetrieb“ im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV abgegeben, wenn die Abgabe am Standort der Milchgewinnung erfolgt.
41 
Dies legt bereits der Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV nahe. Die normative Aufzählung von fünf Voraussetzungen, die alle kumulativ für das Vorliegen einer Ausnahme erfüllt sein müssen, spricht dafür, dass es sich bei der Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb" nach Nr. 1 um ein Tatbestandsmerkmal mit eigenständiger Aussagekraft handelt. Anders als die wenig ergiebige Legaldefinition des Begriffs „Milcherzeugungsbetrieb“ in § 2 Abs. 2 Nr. 3 Tier-LMHV in Verbindung mit 4.2 des Anhangs 1 der Verordnung (EG) 853/2004 („Betrieb mit einem oder mehreren Nutztieren, die zur Erzeugung von Milch, die als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden, gehalten werden“) deutet die mit der lokalen Präposition verbundene Wendung „im Milcherzeugungsbetrieb“ darauf hin, dass hier eine Aussage über den zulässigen Ort der Rohmilchabgabe getroffen wird. Dies wird durch das Bestehen eines unternehmerischen bzw. betriebswirtschaftlichen Zusammenhangs mit dem Stammbetrieb nicht in Frage gestellt. Denn nach der allgemeinen Definition in Art. 2 Abs. 1 Buchstabe c Verordnung (EG) Nr. 852/2004 ist unter Betrieb jede Einheit eines Lebensmittelunternehmens zu verstehen. Im Gegensatz zu dem in der Verordnung (EG) 178/2002 selbständig definierten Begriff des Lebensmittelunternehmens dürfte der Begriff des Betriebs hier nicht als unternehmerische Zusammenfassung einer Tätigkeit, sondern als eine organisatorische und/oder örtliche Zusammenfassung der Herstellung oder des Inverkehrbringens von Lebensmitteln zu verstehen sein; dabei ist - gerade auch im hygienerechtlichen Kontext - in der Regel davon auszugehen, dass ein Betrieb durch die örtliche Zusammenfassung gebildet wird (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: März 2008, C 170, Art. 2 Verordnung (EG) Nr. 852/2004 Rn. 14). Mithin kann der Teil eines landwirtschaftlichen Betriebs, an dem Milch gewonnen wird, als Milcherzeugungsbetrieb im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV angesehen werden.
42 
Erhärtet wird diese Auslegung durch den Sinn und Zweck der Regelung, der darin besteht, die Gesundheit der Verbraucher vor den potentiellen Risiken zu schützen, die mit dem Verzehr von Rohmilch verbunden sind (vgl. hierzu die amtliche Begründung BRDrucks. 327/07, S. 170; Zipfel/Rathke, a.a.O., C 178, § 17 Tier-LMHV Rn. 1). Alle in Nr. 1 bis 5 kumulativ verlangten Voraussetzungen haben eine hygienerechtliche Komponente. Entgegen der Ansicht des Klägers wird auch mit dem räumlichen Erfordernis der Nr. 1 ein hygienerechtlicher Schutzzweck verfolgt. Zu Recht hat der Beklagte insoweit darauf verwiesen, dass es in der Natur der Rohmilch liegt, dass sie Bakterien enthalten könne, die geeignet seien, die Verbrauchergesundheit zu schädigen, wie zum Beispiel Salmonellen, EHEC, Campylobacter, Listerien etc. (vgl. auch Bundesinstitut für Risikobewertung, Mitteilung vom 29.05.2009 unter http://www.bfr.bund.de/cd/29651; aktueller Bericht Anlage 1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 19.09.2013). Zur Vermeidung lebensmittelbedingter Infektionskrankheiten empfiehlt die WHO in einer ihrer „Zehn Goldenen Regeln“: „always buy pasteurized as opposed to raw milk“. Unstreitig kann sich ein Anfangskeimgehalt der Milch, auch wenn dieser noch nicht die infektiöse Dosis darstellen sollte, aufgrund des für diese Bakterien gut geeigneten Nährmediums Rohmilch bei weiterer Lagerung und Handhabung vermehren. Behandlungsschritte wie Umfüllen, Lagern und Transportieren erhöhen die Kontaminationsgefahr in Form eines zusätzlichen Bakterienantrags. Darüber hinaus kann eine damit einhergehende Unterbrechung der Kühlkette zu Bakterienwachstum führen.
43 
Angesichts der nach Abschluss der Rohmilchgewinnung im Falle zusätzlicher Behandlungsschritte typischerweise auftretenden vermehrten Risiken hat der Verordnungsgeber in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV die Abgabe der Rohmilch mithin der Sache nach räumlich auf den Standort der tatsächlichen Milchgewinnung beschränkt und damit den Transport der Rohmilch als abstrakt risikoerhöhenden Umstand untersagt. An anderen Örtlichkeiten kommt deshalb eine Rohmilchabgabe nicht in Betracht, selbst wenn sie sich in der Verfügungsgewalt des Milcherzeugers befinden (so auch Zipfel/Rathke, a.a.O., § 17 Tier-LMHV Rn. 41).
44 
Diese enge Auslegung wird bestätigt durch die verordnungsrechtliche Systematik. Bei der in § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV geregelten Möglichkeit der „Milch-ab-Hof-Abgabe“ handelt es sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz des Rohmilchabgabeverbots in Absatz 1. Allgemeinen Grundsätzen entsprechend legt dies eine restriktive Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale in § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV nahe. Das spricht dagegen, die Abgabe von Rohmilch an Örtlichkeiten zuzulassen, die zwar Teil des landwirtschaftlichen Betriebs sind, aber mit der eigentlichen Milcherzeugung in keinem räumlichen Zusammenhang stehen. Auch die Vorgaben für die sog. Vorzugsmilch legen einen hygienerechtlichen Schutzzweck der in § 17 Abs. 4 Nr. 1 Tier-LMHV normierten Voraussetzungen nahe. Vorzugsmilch ist Rohmilch, die in Fertigpackungen oder sonst in verschlossene Behältnisse abgefüllt wurde, die aber gehandelt und deshalb vom Verbraucher auch im Einzelhandel erworben werden kann. Im Gegensatz zur unmittelbaren Abgabe von Rohmilch nach § 17 Abs. 4 Tier-LMHV ist die Abgabe von Vorzugsmilch an den Verbraucher örtlich nicht auf den Erzeugungsbetrieb beschränkt, vielmehr erfolgen hier im Anschluss an die Milchgewinnung typischerweise weitere Behandlungsschritte einschließlich des Transports. Allerdings stellt der Verordnungsgeber an Vorzugsmilch auch deutlich strengere Hygieneanforderungen. Während für die unmittelbar abzugebende Rohmilch nach § 17 Abs. 4 Satz 2 Tier-LMHV lediglich die Anforderungen nach Anlage 2 der LMHV entsprechend gelten, muss die Vorzugsmilch insbesondere in einem Milcherzeugungsbetrieb, für den die zuständige Behörde eine vorherige Genehmigung nach § 18 Abs. 1 Tier-LMHV erteilt hat, unter Einhaltung der Anforderungen der (sehr detaillierten) Anlage 9 Kapitel I Nr. 1 und 2 gewonnen und behandelt worden sein (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Tier-LMHV). Wenn der Verordnungsgeber derart strenge hygienische Anforderungen im Falle der Milch-ab-Hof-Abgabe nach § 17 Abs. 4 Tier-LMHV für verzichtbar hält, zeigt dies, dass er von einem engen Anwendungsbereich der Bestimmung ausgeht und der räumlichen Begrenzung des Ausnahmetatbestands auf eine Abgabe am Standort der tatsächlichen Milchgewinnung eine maßgebliche Bedeutung für einen wirksamen gesundheitlichen Verbraucherschutz zuschreibt.
45 
b) In dieser Auslegung begegnet § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
46 
Insbesondere vermag der Senat nicht festzustellen, dass das Erfordernis betroffene Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung verletzt.
47 
Eine hinreichende normative Grundlage im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG liegt vor. Die verordnungsrechtliche Bestimmung findet ihre Ermächtigung in § 13 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 6, § 34 Satz 1 Nr. 1 und 4 LFGB, mithin ist hier die Berufsausübung auf Grund eines Gesetzes geregelt worden.
48 
Auch ein Verstoß gegen den rechtstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz lässt sich nicht feststellen. Das Erfordernis, den Anwendungsbereich der Norm im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, bedeutet noch keine Verletzung des Bestimmtheitsgebots, solange eine solche Auslegung mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.05.1988 - 2 BvR 579/84 -, BVerfGE 78, 205, 212 ff.; BVerfG, Beschluss vom 14.12.2000 - 2 BvR 1741/99, 2 BvR 276/00, 2 BvR 2061/00 -, NJW 2001, 879, 880).
49 
Hiervon ausgehend hat der Senat an der ausreichenden Bestimmtheit der Bestimmung keine durchgreifenden Zweifel. Aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV geht für den Betroffenen erkennbar hervor, dass die Milchabgabe in räumlicher Hinsicht an den „Milcherzeugungsbetrieb“ geknüpft ist. Zwar bedarf es einer weitergehenden Eingrenzung und Konkretisierung der örtlichen Voraussetzungen, diesem Erfordernis kann indes - wie oben dargelegt - im Wege der Auslegung insbesondere anhand der Systematik und des Zwecks der Regelung jedenfalls im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle Rechnung getragen werden. Dabei weist der Senat darauf hin, dass die vom Kläger befürwortete weite Interpretation der Vorschrift mit erheblich größeren Bestimmtheitsdefiziten verbunden wäre. Denn sollte die Regelung nicht an den Ort der tatsächlichen Milchgewinnung anknüpfen, müsste bestimmt werden, ab welcher Distanz zwischen verschiedenen Teilen eines landwirtschaftlichen Betriebs noch von einer Abgabe im „Milcherzeugungsbetrieb“ ausgegangen werden kann. Hierfür sind greifbare Maßstäbe nicht ersichtlich.
50 
Darüber hinaus muss die Regelung durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010 - 1 BvR 1789/10 -, NVwZ 2011, 355; BVerfG, Beschluss vom 26.02.1997 - 1 BvR 1864/94, 1 BvR 1102/95 -, BVerfGE 95, 193, 214). Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt indes nicht vor.
51 
Mit der Beschränkung der Abgabe von Rohmilch auf den Standort der Milchgewinnung regelt der Verordnungsgeber lediglich die Modalitäten der Berufsausübung des Inhabers eines landwirtschaftlichen Betriebs. Selbst wenn die Bestimmung die Ebene der Rentabilität einer beruflichen Tätigkeit berühren sollte, sind Bedrohungen der wirtschaftlichen Existenz der Betreiber derartiger Abgabestellen nicht dessen typische Folge. Denn regelmäßig - wie auch im vorliegenden Fall - gelangt lediglich ein Teil der gewonnenen Milch als Rohmilch zum unmittelbaren Verkauf; außerdem wird der Rohmilchverkauf nicht generell untersagt, sondern lediglich auf den Standort der Milchgewinnung beschränkt.
52 
Mit dem oben dargestellten Zweck der Regelung, die Gesundheit der Verbraucher vor den potentiellen Risiken zu schützen, die mit dem Verzehr von Rohmilch verbunden sind, verfolgt der Verordnungsgeber ein legitimes Anliegen des Gemeinwohls.
53 
Die Regelung ist auch zur Zweckerreichung geeignet, weil mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.). Dem Normgeber kommt auch insoweit ein Einschätzungs- und Prognosevorrang zu; ihm obliegt es, unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will (BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.). Wird der Normgeber zur Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit tätig, so belässt ihm die Verfassung bei der Prognose und Einschätzung der in den Blick genommenen Gefährdung einen Beurteilungsspielraum, der auch von den Fachgerichten bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung zu beachten ist. Der Beurteilungsspielraum ist erst dann überschritten, wenn die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen sein können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2003 - 1 S 377/02 -, VBlBW 2004, 20-28).
54 
Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs ist die Annahme des Verordnungsgebers, dass die in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV vorgenommene räumliche Beschränkung der Abgabe der Rohmilch auf den Standort der tatsächlichen Milchgewinnung zu einer Verringerung der mit einer Rohmilchabgabe einhergehenden Gefahren führt, nicht zu beanstanden. Insbesondere erscheint die Einschätzung naheliegend, der Transport der Rohmilch im Anschluss an die Milchgewinnung sei typischerweise mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden. Entgegen der Ansicht des Klägers reicht diese durch sachverständiger Stellungnahmen hinreichend verlässlich abgesicherte abstrakte Gefährdungslage aus.
55 
Ebenso wie bei der Frage der Geeignetheit verfügt der Normgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.07.2000 - 1 BvR 539/96 -, BVerfGE 102, 197, 218; Urteil vom 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 -, BVerfGE 115, 276, 309). Infolge dieser Einschätzungsprärogative können Maßnahmen, die der Normgeber zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts wie der Eindämmung von Gefahren, die mit der Abgabe von Rohmilch verbunden sind, für erforderlich hält, verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach den dem Normgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht kommen, zwar die gleiche Wirksamkeit versprechen, indessen die Betroffenen weniger belasten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.).
56 
Derartige mildere, aber vergleichbar wirksame Mittel sind vorliegend weder dargetan noch sonst ersichtlich. Dabei kommt auch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift Bedeutung zu. Denn der Verordnungsgeber wollte mit der Bestimmung erkennbar die traditionell praktizierte, inhaltsgleich bereits in der Milchverordnung geregelte „Milch-ab-Hof-Abgabe“ weiter ermöglichen. Damit trug er auch der Regelung in Art. 10 Abs. 4a i) Verordnung (EG) 853/2004 Rechnung. Insoweit lag es nicht fern, auf die Vorgabe besonders strenger hygienerechtlicher Anforderungen nach Art der Vorzugsmilch zu verzichten, aber den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift auf den typischen Fall der „Milch-ab-Hof-Abgabe“ zu begrenzen.
57 
Schließlich ergibt eine Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe, dass die Grenze der Zumutbarkeit und damit der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gewahrt ist. Die räumliche Beschränkung der Rohmilchabgabe dient dem Schutz hochrangiger Gemeinschaftsgüter, nämlich der Gesundheit von Konsumenten vor möglicherweise gravierenden gesundheitlichen Risiken. Auf der anderen Seite beschränken sich die Auswirkungen des Eingriffs, der auf der Ebene der Berufsausübung verbleibt, auf eine Verringerung des Umsatzes aus dem Verkauf der Rohmilch, den der Inhaber eines aus mehreren Teilen bestehenden landwirtschaftlichen Betriebs tendenziell vermeiden kann, indem er die Abgabestelle an den Standort der Milchgewinnung legt. Dass die Milchabgabe insoweit nicht immer am verkehrsgünstigsten und damit lukrativsten Standort erfolgen kann, erscheint dem Betriebsinhaber zumutbar.
58 
Bei alledem nimmt § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV maßgeblich das Verhalten des für das Inverkehrbringen der Rohmilch lebensmittelrechtlich verantwortlichen Milcherzeugers in den Blick und nicht etwa auch ein potentielles Verhalten des Konsumenten im Anschluss an die erfolgte Abgabe der Rohmilch an diesen. Dies kann nicht beanstandet werden.
59 
c) Gemessen hieran erfüllt die Rohmilchabgabe durch den Rohmilchautomaten am Standort Hauptstraße ... nicht das Tatbestandsmerkmal der Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb". Die Milchgewinnung erfolgt in der zwei Kilometer hiervon entfernten im Jahr 1996 errichteten weiteren Betriebsstätte auf dem Flurstück ... ..., in der der neue Milchviehstall steht und die Melk-Technik vorgehalten wird. Auch der behauptete „Notstall" für z.B. kranke Tiere macht den Standort Hauptstraße ... nicht zum Milcherzeugungsbetrieb im Sinne von § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV. Schließlich ist es nach Sinn und Zweck der vom Verordnungsgeber gewollten Beschränkung auch nicht maßgeblich, dass der gegenwärtige Standort des Rohmilchautomaten verkehrsgünstiger liegt und der Milchviehstall für die Kunden des Klägers demgegenüber schwerer zu erreichen wäre.
60 
Da für eine zulässige Rohmilchabgabe sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV kumulativ erfüllt sein müssen, kommt es auf die Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV durch den Kläger nicht an,
61 
3. Die angefochtene Verfügung begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken.
62 
Der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde kam bei der Anordnung nach Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. b) Verordnung (EG) 882/2004 i.V.m. § 17 Tier-LMHV kein Entschließungsermessen zu. Vielmehr war sie verpflichtet, bei Vorliegen eines Verstoßes die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (vgl. bereits oben). Das Abgabeverbot zielt auch darauf ab, dass der Unternehmer Abhilfe schafft (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 102 § 39 Rn. 65).
63 
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Behörde im vorliegenden Fall ein Auswahlermessen eingeräumt war (vgl. ebenfalls bereits oben sowie Senatsurteil vom 02.03.2010, a.a.O., zu § 39 Abs. 2 LFGB). Vielmehr kam als Reaktion auf den Rechtsverstoß allein die Untersagung der Abgabe von Rohmilch am Stammbetrieb des Klägers als zulässige und im Sinne Art. 54 Abs. 1 Verordnung (EG) 882/2004 „erforderliche“ Maßnahme in Betracht (im Ergebnis vergleichbar BayVGH, Beschluss vom 17.01.2011 - 9 ZB 09.2654 -, Juris). Die auf die Fehlerhaftigkeit der Ermessensausübung durch den Beklagten zielenden Angriffe gehen daher ins Leere. Das ergibt sich aus Folgendem:
64 
Nach der Regel-Ausnahme-Systematik des § 17 Tier-LMHV ist das Verbot der Abgabe von Rohmilch klar vorgegeben, wenn keine der Ausnahmen der Absätze 2 bis 4 vorliegt. Zur wirksamen Durchsetzung dieser nach dem eindeutigen Willen des Verordnungsgebers zwingenden Rechtsfolge und in Ansehung des in § 1 Abs. Nr. 1 LFGB normierten Gesetzeszwecks, den Schutz der Verbraucher durch Vorbeugung gegen eine Gefahr für die menschliche Gesundheit sicherzustellen, kommt auch bei Einbeziehung des in Art. 54 Abs. 2 Verordnung (EG) 882/2004 grundsätzlich zur Verfügung stehenden Instrumentariums allein die Untersagung der Abgabe der Rohmilch auf der Grundlage des Art. 54 Abs. 2 Nr. b) Verordnung (EG) 882/2004 in Betracht. Deshalb kann dem Kläger - entgegen seiner Auffassung - die Rohmilchabgabe an seinem Stammbetrieb auch nicht unter Auflagen gestattet werden (Inverkehrbringen unter eigener oder behördlicher Kontrolle, Auflagen der Probenziehung oder der täglichen oder zweitäglichen Leerung des Behälters o.Ä.). Etwas anderes gilt auch nicht mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004). Denn eine Korrektur der Verwaltung im Einzelfall mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt nur in Betracht, soweit das Gesetz bzw. die Verordnung dieser einen Spielraum einräumt (vgl. Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 148; Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 90a). Dies ist hier indes nicht der Fall. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV ist verfassungsrechtlich unbedenkliches zwingendes Recht, die Tier-LMHV sieht eine Zulassung der Rohmilchabgabe unter Verzicht auf dieses Erfordernis etwa im Falle einer „Kompensation“ durch hygienerechtliche Auflagen nicht vor. Ein anderes Ergebnis würde zu einer Verwischung der Grenzen zwischen den einzelnen Ausnahmetatbeständen und damit letztlich zu einer Missachtung des Willens des Normgebers führen.
65 
Unabhängig davon erweist sich die Verfügung auch nicht als unverhältnismäßig im Einzelfall. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte - auch ohne das Vorliegen einer konkreten Gesundheitsgefahr - dem mit den zugrunde liegenden Regelungen geschützten öffentlichen Interesse am vorbeugenden (vgl. dazu Zipfel/Rathke, a.a.O., C 170, § 17 Tier-LMHV Rn. 1; § 1 Nr. 1 LFGB sowie Zipfel/Rathke, a.a.O., C 102, § 1 LFGB, Rn. 14 f.) Gesundheits- und Verbraucherschutz potentieller Konsumenten und damit hochrangigen Rechtsgütern den Vorrang eingeräumt hat. Das vom Kläger angeführte wirtschaftliche Interesse am Rohmilchverkauf an einem verkehrsgünstigen Standort im Ortsteil ... an der B ... führt nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der Verfügung. Bei einer Abwägung der gegenläufigen Interessen ist zunächst von Bedeutung, dass der angestrebte unmittelbare Rohmilchverkauf nur einen Teil der vom Kläger produzierten Milch betrifft. Ferner bezieht sich das Verbot lediglich auf den Stammbetrieb in der Hauptstraße. Auch wenn der Kläger dort den Rohmilchverkauf in der Vergangenheit praktiziert haben sollte, kann er sich auf Bestandsschutz nicht berufen. Es ist ihm - ungeachtet weiterer Möglichkeiten, die Rohmilch zu verwerten (etwa Verkauf nach Pasteurisierung, Verkauf als Vorzugsmilch) - unbenommen, den Rohmilchverkauf an den Standort seines lediglich zwei Kilometer entfernten Milchviehstalls zu verlegen. Dass dem unüberwindbare oder nicht zumutbare Hindernisse entgegenstehen, ist für den Senat nicht ersichtlich. Dieser Standort ist angesichts seiner verkehrsmäßigen Erschließung über die L ... und der Entfernung von lediglich zwei Kilometern für potentielle Kunden mit dem PKW oder dem Fahrrad ohne weiteres erreichbar. Das in der mündlichen Verhandlung erwähnte Problem, der Kundenverkehr könne dort das Arbeiten bzw. den Verkehr mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen beeinträchtigen, erscheint durch entsprechende organisatorische und/oder bauliche Maßnahmen lösbar. Dass möglicherweise notwendig werdende bauliche Maßnahmen (etwa auch ein Unterstand für den Milchautomaten) den Kläger in wirtschaftlicher Hinsicht unverhältnismäßig belasten würden, ist nicht erkennbar. Die Äußerung in der mündlichen Verhandlung, der Standort des Milchviehstalls sei aus hygienischen Gründen für einen Kundenverkehr „problematischer“ als der Abgabeort am Stammbetrieb, ist eine Vermutung des Klägers, die indes - soweit alle sonstigen Vorschriften eingehalten werden - die Eignung des Standorts am Milchviehstall nicht ernsthaft in Frage stellt. Um die Folgen der verkehrsungünstigeren Lage zu mindern, könnte der Kläger schließlich an seinem Stammbetrieb einen deutlichen Hinweis auf den neuen Standort der Rohmilchabgabe installieren. Gleichwohl verbleibende Umsatzeinbußen sind mit Blick auf den Rang der mit der Verfügung geschützten Rechtsgüter hinzunehmen. Vor diesem Hintergrund kann sich eine Unverhältnismäßigkeit schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der „Art des Verstoßes“ oder des „bisherigen Verhaltens“ des Klägers „mit Blick auf Verstöße“ (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004) ergeben.
66 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
67 
Die Revision wird nicht zugelassen (§ 132 VwGO). Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig. Sie lassen sich mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Normauslegung ohne weiteres beantworten.
68 
Beschluss vom 16. Juni 2014
69 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (vgl. §§ 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 2 GKG).
70 
Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
17 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
18 
Die zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 124a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO) eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil ist nicht zu ändern. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
19 
Eine Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.05.2008 (ABl. Nr. C 115 S. 47) - AEUV - hält der Senat nicht für erforderlich. Denn er hat weder Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Bestimmungen des Primärrechts noch der Verordnungen (EG) 882/2004 oder 853/2004. Im Übrigen kann das Urteil des Senats mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden (vgl. Art. 267 Abs. 3 AEUV). Ein solches Rechtsmittel stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde bei Nichtzulassung der Revision gemäß § 133 VwGO dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.10.1997 - 6 B 32/97 -, NVwZ-RR 1998, 752/754; siehe auch Borchardt in Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 5. Aufl., Art. 267 AEUV Rn. 41).
20 
Die als Anfechtungsklage statthafte (vgl. § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) und auch sonst zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vom 15.01.2010 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.07.2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Untersagungsverfügung stellt ihrem Inhalt nach einen Dauerverwaltungsakt dar. Sie verbietet dem Kläger generell für die Zukunft die Abgabe von Rohmilch am Standort des Stammbetriebs und erschöpft sich damit nicht im Verlangen eines einmaligen Tuns oder Unterlassens. Der Senat hat deshalb die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen, da das materielle Recht nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22.01.1998 - 3 C 6/97 -, BVerwGE 106, 141).
I.
21 
Der Beklagte hat die Untersagungsverfügung auf § 39 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) in der derzeit gültigen Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung des LFGB vom 28.05.2014 (BGBl. I 2014, 698) i.V.m. § 17 Tier-LMHV gestützt. Nach § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB trifft die zuständige Behörde - und damit das gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 LFGB i.V.m. § 19 Abs. 1, § 18 Abs. 4 AG-LMGB, § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG zur Lebensmittelüberwachung berufene Landratsamt - die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind. Sie kann dabei u.a. das Herstellen, Behandeln oder das Inverkehrbringen von Erzeugnissen verbieten oder beschränken (vgl. § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LFGB).
22 
Nach Auffassung des Senats ist § 39 Abs. 2 LFGB allerdings nicht anwendbar. Vielmehr ergibt sich im Falle der Feststellung eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften die Befugnisnorm für auf Abhilfe gerichtete Maßnahmen der Lebensmittelbehörde, wie etwa ein Verkehrsverbot, aus Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. b) der Verordnung (EG) 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz vom 29.04.2004 (ABl. L Nr. 165, 1 ff.) .
23 
Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 517/2013 des Rates vom 13.05.2013, ABl. L 158, 1, lautet: Stellt die zuständige Behörde einen Verstoß fest, so trifft sie die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft. Nach Art. 54 Abs. 2 Nr. b) dieser Verordnung kann dazu (u.a.) die Maßnahme der Einschränkung oder Untersagung des Inverkehrbringens von Futtermitteln, Lebensmitteln oder Tieren gehören. Nach der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 10 der Verordnung handelt es sich bei einem Verstoß um die „Nichteinhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrechts und der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz“.
24 
Art. 54 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) 882/2004 gilt unmittelbar und verdrängt wegen des Anwendungsvorrangs des Unionrechts (vgl. Art. 288 AEUV sowie Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Band 3, Stand: August 2012, Art. 288 Rn. 53; Streinz, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2011, B Einführung Rn. 38b) in seinem Anwendungsbereich die nationale Rechtsgrundlage des § 39 Abs. 2 LFGB (vgl. auch § 39 Abs. 2 Satz 3 LFGB sowie die diesbezügliche Gesetzesbegründung, BTDrucks. 16/8100, 20: „Diese Regelungen [= Art. 54 Abs. 1 und 2 Verordnung (EG) 882/2004] sind als unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht von den zuständigen Behörden vorrangig anzuwenden“). Hier liegt ein den Anwendungsvorrang auslösender Kollisionsfall vor (zu diesem Erfordernis vgl. Nettesheim, a.a.O., Art. 288 Rn. 52; Streinz/Herrmann, BayVBl. 2008, 1, 3 f.). In den Erwägungsgründen 2 und 3 der Verordnung (EG) 882/2004 stellt der Verordnungsgeber fest, dass das europäische Futtermittel- und Lebensmittelrecht sowohl in der grundlegenden Verordnung (EG) 178/2002 als auch in speziellen Vorschriften für Bereiche wie Futtermittel- und Lebensmittelhygiene kodifiziert sei. Die Mitgliedstaaten sollten das Futtermittel- und Lebensmittelrecht durchsetzen sowie überwachen und überprüfen, dass die entsprechenden Anforderungen von den Unternehmern auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen eingehalten werden, wofür auf Gemeinschaftsebene ein einheitlicher Rahmen in Form allgemeiner Vorschriften für die Organisation von Kontrollen geschaffen werden sollte (Erwägungsgründe 6 und 7). In Umsetzung der vorstehenden Erwägungsgründe bestimmt Art. 1 der Verordnung (EG) 882/2004 deren Anwendungsbereich dahingehend, dass in der Verordnung allgemeine Regeln für die Durchführung amtlicher Kontrollen u.a. zur Vermeidung, Beseitigung oder Senkung von unmittelbar oder über die Umwelt auftretenden Risiken für Mensch und Tier festgelegt würden. Aus den Erwägungsgründen 41, 42 und 43 ergibt sich, dass Verstöße gegen das Futtermittel- und Lebensmittelrecht „in der gesamten Gemeinschaft Gegenstand wirksamer, abschreckender und angemessener Maßnahmen sein“ sollten. Unter dem Titel VII „Durchsetzungsmaßnahmen“ der Verordnung ist das Kapitel I mit „Nationale Durchsetzungsmaßnahmen“ überschrieben. Der hier normierte Art. 54 („Maßnahmen im Fall eines Verstoßes“) sieht in seinem zweiten Absatz einen konkreten Maßnahmenkatalog vor. Angesichts des aufgezeigten umfassenden Regelungsanspruchs der Verordnung (EG) 882/2004 und der Zielsetzung, den nationalen Behörden für die Durchsetzung des Lebensmittelrechts unmittelbare rechtliche Vorgaben zu machen, hat der Senat keine Zweifel, dass die Mitgliedstaaten bei festgestellten lebensmittelrechtlichen Verstößen Maßnahmen mit dem Ziel der Abhilfe nunmehr auf Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 stützen können (so auch Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: Juli/November 2012, C 102, § 39 LFGB Rn. 10 f., 21, 63 ff.; Meyer/Streinz, LFGB, 2. Aufl. 2012, § 39 Rn. 1, 10, 23; Wehlau, LFGB, 2010, § 39 Rn. 10 ff.; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 05.09.2011 - 5 Bs 139/11 -, NVwZ-RR 2012, 92; unklar: BayVGH, Beschluss vom 26.11.2011 - 9 ZB 09.2116 -, Juris; zum Verbot, unmittelbar geltende Vorschriften des EU-Rechts im Recht der Mitgliedstaaten zu wiederholen vgl. König in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 2. Aufl. 2010, § 2 Rn. 41 m.w.N.; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243, 247; zur Problematik der Rechtsunsicherheit in der deutschen Überwachungspraxis vgl. dies., ZLR 2010, 243, 246; Meyer/Streinz, a.a.O., § 39 Rn. 1). Ob bzw. inwieweit § 39 Abs. 2 LFGB etwa bei Maßnahmen zur Feststellung oder zur Ausräumung eines bestimmten Verdachts über die unionsrechtliche Ermächtigung in Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 hinausgeht und deshalb insoweit weiter anwendbar bleibt, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. dazu Zipfel/Rathke, a.a.O., § 39 LFGB Rn. 10; Meyer/Streinz, a.a.O., § 39 Rn. 1; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243 ff.).
25 
Ungeachtet der anders lautenden behördlichen Begründung kann die angefochtene Verfügung auf Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 gestützt werden.
26 
§ 39 Abs. 2 LFGB und Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 sind ähnlich aufgebaut, sie bestehen aus einer Generalklausel (§ 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB bzw. Art. 54 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) 882/2004) und einer beispielartigen, nicht abschließenden Aufzählung möglicher Maßnahmen (§ 39 Abs. 2 Satz 2 LFGB sowie Art. 54 Abs. 2 der Verordnung (EG) 882/2004; vgl. Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 10). Weder in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzungen noch die Rechtsfolgen weisen die Bestimmungen relevante Unterschiede auf: Beide setzen die Feststellung eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften voraus und verpflichten die Behörde („trifft die zuständige Behörde“ bzw. „trifft sie“) zu notwendigen bzw. erforderlichen Maßnahmen (kein Entschließungsermessen; zu Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 vgl. VG Hannover, Urteil vom 27.06.2012 - 9 A 50/12 -, Juris, zu § 39 Abs. 2 LFGB vgl. Senatsurteil vom 02.03.2010 - 9 S 171/09 -, VBlBW 2010, 314, sowie Senatsbeschluss vom 12.11.1997 - 9 S 2530/97 -, VBlBW 1998, 186; Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 40; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 102 § 39 Rn. 17 f.). Diese können insbesondere auch in dem Verbot bzw. der Untersagung des Inverkehrbringens von Erzeugnissen bzw. Lebensmitteln bestehen. Allenfalls im Hinblick auf die im Einzelfall konkret zu ergreifende Maßnahme ist der Behörde im Grundsatz ein Auswahlermessen eingeräumt. Angesichts der Parallelität beider Normen ist nicht erkennbar, weshalb diese vom Senat zu § 39 Abs. 2 LFGB vertretene Auffassung (vgl. Senatsurteil vom 02.03.2010, a.a.O.; Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 40) nicht auch für die unionsrechtliche Rechtsgrundlage zu gelten hätte. Im Rahmen ihrer Entscheidung hat die Behörde schließlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: März 2013, C 102, § 39 Rn. 17 f.; 73).
27 
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist ein Auswechseln der Rechtsgrundlage zulässig. Denn dies führt weder zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Verwaltungsakts noch wird die Rechtsverfolgung des Klägers in beachtlicher Weise erschwert (zu diesem Maßstab vgl. BVerwG, Urteil vom 27.01.1982 - 8 C 127/81 -, BVerwGE 64, 356; Urteil vom 21.11.1989 - 9 C 28/89 -, NVwZ 1990, 673). Angesichts des identischen Befugnisrahmens und der gleich gerichteten Ermessensdirektiven würde dies selbst dann gelten, wenn der Behörde im konkreten Fall ein Auswahlermessen bezüglich der konkret zu treffenden Maßnahmen eingeräumt gewesen wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.05.1994 - 5 S 2637/93 -, NVwZ 1995, 397; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. Ergänzungslieferung 2013, § 113 Rn. 21; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 54). Dies war indes nicht der Fall (dazu noch unten unter II. 3.). Handelte es sich mithin bei der gegenständlichen Maßnahme um eine gebundene Entscheidung, war der Senat berechtigt und verpflichtet, die unionsrechtliche Rechtsgrundlage zu berücksichtigen (vgl. nur Schmidt, in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 113 Rn. 17, 22).
II.
28 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004liegen vor. Die Abgabe von Rohmilch durch den am Stammbetrieb des Klägers aufgestellten Rohmilchautomaten begründet einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Tier-LMHV; der Inhalt der Verordnung (EG) 853/2004 (ABI. L 139 vom 30.04.2004, S. 55) steht einer Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen (hierzu unter 1.). Die Voraussetzungen der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV sind nicht gegeben (hierzu unter 2.). Zur Beseitigung des festgestellten Verstoßes und zur Verhütung künftiger Verstöße war die Untersagung der Rohmilchabgabe „erforderlich“ im Sinne Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft; auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war die gegenständliche Maßnahme nicht zu beanstanden (dazu unter 3.).
29 
1. Nach § 17 Abs. 1 Tier-LMHV ist es verboten, Rohmilch oder Rohrahm an Verbraucher abzugeben.
30 
a) Auch eine Nichteinhaltung dieser nationalen Vorschrift des Lebensmittelrechts ist geeignet, einen „Verstoß“ im Sinne des Art. 54 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 zu begründen (zu diesem Begriff vgl. Art. 2 Nr. 10 der Verordnung). Nach Art. 2 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 gelten für die Zwecke der vorliegenden Verordnung die Begriffsbestimmungen der Artikel 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Gemäß Art. 3 dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Lebensmittelrecht“ die Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Lebensmittel im Allgemeinen und die Lebensmittelsicherheit im Besonderen, sei es auf gemeinschaftlicheroder auf einzelstaatlicher Ebene (Hervorhebung nur hier). Mithin ist dieses Verständnis auch der Auslegung des Art. 54 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 zugrunde zu legen (so ausdrücklich auch Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243, 249; vgl. auch Zipfel/Rathke, a.a.O., § 39 LFGB Rn. 67 und C 101, Art. 3 Verordnung (EG) Nr. 178/2002, Rn. 6).
31 
b) § 17 Abs. 1 Tier-LMHV beruht auf einer eigenständigen nationalen Rechtsgrundlage. Der Verordnungsgeber hat sich hierbei ausdrücklich auf die spezielle Ermächtigung in Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 (ABI. L 139 vom 30.4.2004, S. 55) gestützt, die es dem einzelnen Mitgliedstaat überlässt, aus eigener Initiative und unter Einhaltung der allgemeinen Bestimmungen des Primärrechts einzelstaatliche Vorschriften beizubehalten oder einzuführen, mit denen das Inverkehrbringen von Rohmilch oder Rohrahm, die für den unmittelbaren menschlichen Verzehr bestimmt sind, in seinem Hoheitsgebiet untersagt oder eingeschränkt wird (vgl. BRDrucks. 327/07, Amtliche Begründung zu § 17; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 178 § 17 Tier-LMHV Rn. 3 ff.). Da es sich um eine spezielle, rein mitgliedstaatliche Regelung handelt, dürfte auch der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob mit Blick auf Art. 1 Abs. 3 c) der Verordnung (EG) 853/2004 (danach gilt die Verordnung nicht für die direkte Abgabe kleiner Mengen von Primärerzeugnissen durch den Erzeuger an den Endverbraucher oder an örtliche Einzelhandelsunternehmen, die die Erzeugnisse direkt an den Endverbraucher abgeben) der Anwendungsbereich der Verordnung überhaupt eröffnet ist, keine maßgebliche Bedeutung zukommen (vgl. auch die Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg vom 19.07.2007, Seite 23 c der Behördenakte).
32 
Dass der Verordnungsgeber die Grenzen des Unionsrechts überschritten hätte, vermag der Senat nicht festzustellen. Zwar wird die Ermächtigung der Mitgliedstaaten durch Art. 10 Abs. 3 und 4 Verordnung (EG) 853/2004 eingeschränkt. Nach Art. 10 Abs. 3 dürfen diese beim Erlass einzelstaatlicher Vorschriften nach den Absätzen 4 bis 8 „die Erreichung der Ziele dieser Verordnung“ nicht gefährden. Dass dies der Fall wäre, ist indes nicht ersichtlich. Das grundsätzliche Verbot des Inverkehrbringens von Rohmilch zum unmittelbaren menschlichen Verzehr dient gerade den primären Zielen der Verordnung (EG) 853/2004, ein hohes Gesundheitsschutz- und Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (vgl. die Erwägungsgründe 3 und 9 der Verordnung (EG) 853/2004). Mithin kann von einer Gefährdung der Erreichung der Ziele der Verordnung keine Rede sein. Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, die in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV aufgestellte Voraussetzung diene überhaupt keinen hygienerechtlichen Zwecken. Zur Begründung kann auf die nachfolgenden Ausführungen unter 2.a) verwiesen werden. Soweit nach Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004 die einzelstaatlichen Vorschiften u.a. zum Ziel haben, die weitere Anwendung traditioneller Methoden auf allen Produktions-, Verarbeitungs- oder Vertriebsstufen von Lebensmitteln zu ermöglichen, könnte ein generelles Verbot des Inverkehrbringens von Rohmilch zum unmittelbaren menschlichen Verzehr möglicherweise unionsrechtliche Fragen aufwerfen, soweit in dem betreffenden Mitgliedstaat eine entsprechende Tradition bestand (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., C 178 § 17 Tier-LMHV Rn. 5 f.). Hier hat der deutsche Verordnungsgeber indes kein generelles Abgabeverbot erlassen, sondern das grundsätzliche Abgabeverbot nach § 17 Abs. 1 mit den Ausnahmeregelungen in § 17 Abs. 2 bis 4 Tier-LMHV verknüpft. Indem er in Abs. 4 Satz 1 weiterhin ausdrücklich die sog. „Milch-ab-Hof-Abgabe“ zulässt (vgl. die ähnliche Vorgängerregelung in § 8 Abs. 1 Milchverordnung), hat er dieser traditionellen Vertriebsform explizit Rechnung getragen und damit auch Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004 berücksichtigt.
33 
Der Kläger meint ferner, mit § 17 habe der Verordnungsgeber gegen die nach Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 einzuhaltenden „allgemeinen Bestimmungen des Vertrags“ verstoßen. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.
34 
Soweit er sich auf Art. 38 Abs. 1, Art. 39 Abs. 1 b), Art. 39 Abs. 1 e) und Art. 40 Abs. 1 a) AEUV beruft, ist bereits weder dargetan noch sonst für den Senat erkennbar, inwieweit diese Normen geeignet sind, bezogen auf die hier einschlägige Fallgestaltung subjektive Rechte des Klägers zu begründen (vgl. Priebe, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand: März 2011, Art. 38 AEUV Rn. 100; Art. 39 Rn. 2, 6).
35 
Dass die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Zulässigkeit der Abgabe von Rohmilch für den unmittelbaren menschlichen Verzehr unterschiedliche Regelungen treffen dürfen und getroffen haben, ist im Übrigen ersichtlich unionsrechtlich bezweckte, notwendige Folge der speziellen Öffnungsklausel des Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004, die auch mit Blick auf ihren Wortlaut („in seinem Hoheitsgebiet untersagt oder eingeschränkt“) mit einem nicht unerheblichen Gestaltungsspielraum für die Mitgliedstaaten verbunden ist. Schon deshalb scheidet sowohl der behauptete Verstoß gegen die vom Kläger auf Art. 40 Abs. 1 a) AEUV gestützte „Wettbewerbsfreiheit“ wie auch eine Verletzung des Gleichheitssatzes gemäß Art. 20 GRCh aus. Im Übrigen findet die auf einen engen Anwendungsbereich beschränkte Regelung ihre sachliche Rechtfertigung - wie bereits dargelegt - vor allem in den Zielen, ein hohes Gesundheitsschutz- und Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (vgl. Erwägungsgründe 3 und 9 der Verordnung (EG) 853/2004) sowie die weitere Anwendung traditioneller Methoden auf allen Produktions-, Verarbeitungs- oder Vertriebsstufen von Lebensmitteln zu ermöglichen (vgl. Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004). Vor diesem Hintergrund erfährt auch der vom Kläger geltend gemachte Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 15 Abs. 1 GRCh seine Rechtfertigung jedenfalls durch Art. 52 Abs. 1 Satz 1 und 2 GRCh. Zur weiteren Begründung insbesondere zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wird auf die Ausführungen unter 2. b) verwiesen.
36 
Bei alledem kann dahingestellt bleiben, ob es beim Gebrauchmachen der Bundesrepublik Deutschland von der Öffnungsklausel des Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 um die Durchführung des Rechts der Union durch einen Mitgliedstaat im Sinne des Art. 51 Abs. 1 GRCh geht (vgl. dazu Jarass, Charta der Grundrechte, 2. Aufl. 2013, Art. 51 Rn. 11 ff., 16 ff.; Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Auf. 2011, Art. 51 Rn. 24 ff.) und damit der Anwendungsbereich der Grundrechte Charta überhaupt eröffnet ist. Ebenso kann offen bleiben, welche rechtliche Bedeutung insoweit dem Umstand zukommt, dass hier kein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt.
37 
2. Die Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV greift nicht zugunsten des Klägers ein.
38 
a) Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV darf Rohmilch abweichend von Absatz 1 von Milcherzeugungsbetrieben unmittelbar an Verbraucher abgegeben werden, wenn
39 
1. die Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb erfolgt,
2. die Rohmilch im eigenen Betrieb gewonnen und behandelt worden ist,
3. die Rohmilch am Tag der Abgabe oder am Tag zuvor gewonnen worden ist,
4. an der Abgabestelle gut sichtbar und lesbar der Hinweis „Rohmilch, vor dem Verzehr abkochen" angebracht ist und
5. die Abgabe von Rohmilch zuvor der zuständigen Behörde angezeigt worden ist.
40 
Nach der Überzeugung des Senats begrenzt § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV in Fällen, in denen ein landwirtschaftlicher Betrieb mehrere Betriebsstätten aufweist und etwa - wie hier - das Milchvieh nicht am Standort des Stammbetriebs gehalten wird, die Rohmilchabgabe räumlich auf die Örtlichkeit, an der die Milch tatsächlich gewonnen wird. Rohmilch wird nur dann in zulässiger Weise „im Milcherzeugungsbetrieb“ im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV abgegeben, wenn die Abgabe am Standort der Milchgewinnung erfolgt.
41 
Dies legt bereits der Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV nahe. Die normative Aufzählung von fünf Voraussetzungen, die alle kumulativ für das Vorliegen einer Ausnahme erfüllt sein müssen, spricht dafür, dass es sich bei der Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb" nach Nr. 1 um ein Tatbestandsmerkmal mit eigenständiger Aussagekraft handelt. Anders als die wenig ergiebige Legaldefinition des Begriffs „Milcherzeugungsbetrieb“ in § 2 Abs. 2 Nr. 3 Tier-LMHV in Verbindung mit 4.2 des Anhangs 1 der Verordnung (EG) 853/2004 („Betrieb mit einem oder mehreren Nutztieren, die zur Erzeugung von Milch, die als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden, gehalten werden“) deutet die mit der lokalen Präposition verbundene Wendung „im Milcherzeugungsbetrieb“ darauf hin, dass hier eine Aussage über den zulässigen Ort der Rohmilchabgabe getroffen wird. Dies wird durch das Bestehen eines unternehmerischen bzw. betriebswirtschaftlichen Zusammenhangs mit dem Stammbetrieb nicht in Frage gestellt. Denn nach der allgemeinen Definition in Art. 2 Abs. 1 Buchstabe c Verordnung (EG) Nr. 852/2004 ist unter Betrieb jede Einheit eines Lebensmittelunternehmens zu verstehen. Im Gegensatz zu dem in der Verordnung (EG) 178/2002 selbständig definierten Begriff des Lebensmittelunternehmens dürfte der Begriff des Betriebs hier nicht als unternehmerische Zusammenfassung einer Tätigkeit, sondern als eine organisatorische und/oder örtliche Zusammenfassung der Herstellung oder des Inverkehrbringens von Lebensmitteln zu verstehen sein; dabei ist - gerade auch im hygienerechtlichen Kontext - in der Regel davon auszugehen, dass ein Betrieb durch die örtliche Zusammenfassung gebildet wird (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: März 2008, C 170, Art. 2 Verordnung (EG) Nr. 852/2004 Rn. 14). Mithin kann der Teil eines landwirtschaftlichen Betriebs, an dem Milch gewonnen wird, als Milcherzeugungsbetrieb im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV angesehen werden.
42 
Erhärtet wird diese Auslegung durch den Sinn und Zweck der Regelung, der darin besteht, die Gesundheit der Verbraucher vor den potentiellen Risiken zu schützen, die mit dem Verzehr von Rohmilch verbunden sind (vgl. hierzu die amtliche Begründung BRDrucks. 327/07, S. 170; Zipfel/Rathke, a.a.O., C 178, § 17 Tier-LMHV Rn. 1). Alle in Nr. 1 bis 5 kumulativ verlangten Voraussetzungen haben eine hygienerechtliche Komponente. Entgegen der Ansicht des Klägers wird auch mit dem räumlichen Erfordernis der Nr. 1 ein hygienerechtlicher Schutzzweck verfolgt. Zu Recht hat der Beklagte insoweit darauf verwiesen, dass es in der Natur der Rohmilch liegt, dass sie Bakterien enthalten könne, die geeignet seien, die Verbrauchergesundheit zu schädigen, wie zum Beispiel Salmonellen, EHEC, Campylobacter, Listerien etc. (vgl. auch Bundesinstitut für Risikobewertung, Mitteilung vom 29.05.2009 unter http://www.bfr.bund.de/cd/29651; aktueller Bericht Anlage 1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 19.09.2013). Zur Vermeidung lebensmittelbedingter Infektionskrankheiten empfiehlt die WHO in einer ihrer „Zehn Goldenen Regeln“: „always buy pasteurized as opposed to raw milk“. Unstreitig kann sich ein Anfangskeimgehalt der Milch, auch wenn dieser noch nicht die infektiöse Dosis darstellen sollte, aufgrund des für diese Bakterien gut geeigneten Nährmediums Rohmilch bei weiterer Lagerung und Handhabung vermehren. Behandlungsschritte wie Umfüllen, Lagern und Transportieren erhöhen die Kontaminationsgefahr in Form eines zusätzlichen Bakterienantrags. Darüber hinaus kann eine damit einhergehende Unterbrechung der Kühlkette zu Bakterienwachstum führen.
43 
Angesichts der nach Abschluss der Rohmilchgewinnung im Falle zusätzlicher Behandlungsschritte typischerweise auftretenden vermehrten Risiken hat der Verordnungsgeber in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV die Abgabe der Rohmilch mithin der Sache nach räumlich auf den Standort der tatsächlichen Milchgewinnung beschränkt und damit den Transport der Rohmilch als abstrakt risikoerhöhenden Umstand untersagt. An anderen Örtlichkeiten kommt deshalb eine Rohmilchabgabe nicht in Betracht, selbst wenn sie sich in der Verfügungsgewalt des Milcherzeugers befinden (so auch Zipfel/Rathke, a.a.O., § 17 Tier-LMHV Rn. 41).
44 
Diese enge Auslegung wird bestätigt durch die verordnungsrechtliche Systematik. Bei der in § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV geregelten Möglichkeit der „Milch-ab-Hof-Abgabe“ handelt es sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz des Rohmilchabgabeverbots in Absatz 1. Allgemeinen Grundsätzen entsprechend legt dies eine restriktive Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale in § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV nahe. Das spricht dagegen, die Abgabe von Rohmilch an Örtlichkeiten zuzulassen, die zwar Teil des landwirtschaftlichen Betriebs sind, aber mit der eigentlichen Milcherzeugung in keinem räumlichen Zusammenhang stehen. Auch die Vorgaben für die sog. Vorzugsmilch legen einen hygienerechtlichen Schutzzweck der in § 17 Abs. 4 Nr. 1 Tier-LMHV normierten Voraussetzungen nahe. Vorzugsmilch ist Rohmilch, die in Fertigpackungen oder sonst in verschlossene Behältnisse abgefüllt wurde, die aber gehandelt und deshalb vom Verbraucher auch im Einzelhandel erworben werden kann. Im Gegensatz zur unmittelbaren Abgabe von Rohmilch nach § 17 Abs. 4 Tier-LMHV ist die Abgabe von Vorzugsmilch an den Verbraucher örtlich nicht auf den Erzeugungsbetrieb beschränkt, vielmehr erfolgen hier im Anschluss an die Milchgewinnung typischerweise weitere Behandlungsschritte einschließlich des Transports. Allerdings stellt der Verordnungsgeber an Vorzugsmilch auch deutlich strengere Hygieneanforderungen. Während für die unmittelbar abzugebende Rohmilch nach § 17 Abs. 4 Satz 2 Tier-LMHV lediglich die Anforderungen nach Anlage 2 der LMHV entsprechend gelten, muss die Vorzugsmilch insbesondere in einem Milcherzeugungsbetrieb, für den die zuständige Behörde eine vorherige Genehmigung nach § 18 Abs. 1 Tier-LMHV erteilt hat, unter Einhaltung der Anforderungen der (sehr detaillierten) Anlage 9 Kapitel I Nr. 1 und 2 gewonnen und behandelt worden sein (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Tier-LMHV). Wenn der Verordnungsgeber derart strenge hygienische Anforderungen im Falle der Milch-ab-Hof-Abgabe nach § 17 Abs. 4 Tier-LMHV für verzichtbar hält, zeigt dies, dass er von einem engen Anwendungsbereich der Bestimmung ausgeht und der räumlichen Begrenzung des Ausnahmetatbestands auf eine Abgabe am Standort der tatsächlichen Milchgewinnung eine maßgebliche Bedeutung für einen wirksamen gesundheitlichen Verbraucherschutz zuschreibt.
45 
b) In dieser Auslegung begegnet § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
46 
Insbesondere vermag der Senat nicht festzustellen, dass das Erfordernis betroffene Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung verletzt.
47 
Eine hinreichende normative Grundlage im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG liegt vor. Die verordnungsrechtliche Bestimmung findet ihre Ermächtigung in § 13 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 6, § 34 Satz 1 Nr. 1 und 4 LFGB, mithin ist hier die Berufsausübung auf Grund eines Gesetzes geregelt worden.
48 
Auch ein Verstoß gegen den rechtstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz lässt sich nicht feststellen. Das Erfordernis, den Anwendungsbereich der Norm im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, bedeutet noch keine Verletzung des Bestimmtheitsgebots, solange eine solche Auslegung mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.05.1988 - 2 BvR 579/84 -, BVerfGE 78, 205, 212 ff.; BVerfG, Beschluss vom 14.12.2000 - 2 BvR 1741/99, 2 BvR 276/00, 2 BvR 2061/00 -, NJW 2001, 879, 880).
49 
Hiervon ausgehend hat der Senat an der ausreichenden Bestimmtheit der Bestimmung keine durchgreifenden Zweifel. Aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV geht für den Betroffenen erkennbar hervor, dass die Milchabgabe in räumlicher Hinsicht an den „Milcherzeugungsbetrieb“ geknüpft ist. Zwar bedarf es einer weitergehenden Eingrenzung und Konkretisierung der örtlichen Voraussetzungen, diesem Erfordernis kann indes - wie oben dargelegt - im Wege der Auslegung insbesondere anhand der Systematik und des Zwecks der Regelung jedenfalls im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle Rechnung getragen werden. Dabei weist der Senat darauf hin, dass die vom Kläger befürwortete weite Interpretation der Vorschrift mit erheblich größeren Bestimmtheitsdefiziten verbunden wäre. Denn sollte die Regelung nicht an den Ort der tatsächlichen Milchgewinnung anknüpfen, müsste bestimmt werden, ab welcher Distanz zwischen verschiedenen Teilen eines landwirtschaftlichen Betriebs noch von einer Abgabe im „Milcherzeugungsbetrieb“ ausgegangen werden kann. Hierfür sind greifbare Maßstäbe nicht ersichtlich.
50 
Darüber hinaus muss die Regelung durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010 - 1 BvR 1789/10 -, NVwZ 2011, 355; BVerfG, Beschluss vom 26.02.1997 - 1 BvR 1864/94, 1 BvR 1102/95 -, BVerfGE 95, 193, 214). Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt indes nicht vor.
51 
Mit der Beschränkung der Abgabe von Rohmilch auf den Standort der Milchgewinnung regelt der Verordnungsgeber lediglich die Modalitäten der Berufsausübung des Inhabers eines landwirtschaftlichen Betriebs. Selbst wenn die Bestimmung die Ebene der Rentabilität einer beruflichen Tätigkeit berühren sollte, sind Bedrohungen der wirtschaftlichen Existenz der Betreiber derartiger Abgabestellen nicht dessen typische Folge. Denn regelmäßig - wie auch im vorliegenden Fall - gelangt lediglich ein Teil der gewonnenen Milch als Rohmilch zum unmittelbaren Verkauf; außerdem wird der Rohmilchverkauf nicht generell untersagt, sondern lediglich auf den Standort der Milchgewinnung beschränkt.
52 
Mit dem oben dargestellten Zweck der Regelung, die Gesundheit der Verbraucher vor den potentiellen Risiken zu schützen, die mit dem Verzehr von Rohmilch verbunden sind, verfolgt der Verordnungsgeber ein legitimes Anliegen des Gemeinwohls.
53 
Die Regelung ist auch zur Zweckerreichung geeignet, weil mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.). Dem Normgeber kommt auch insoweit ein Einschätzungs- und Prognosevorrang zu; ihm obliegt es, unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will (BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.). Wird der Normgeber zur Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit tätig, so belässt ihm die Verfassung bei der Prognose und Einschätzung der in den Blick genommenen Gefährdung einen Beurteilungsspielraum, der auch von den Fachgerichten bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung zu beachten ist. Der Beurteilungsspielraum ist erst dann überschritten, wenn die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen sein können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2003 - 1 S 377/02 -, VBlBW 2004, 20-28).
54 
Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs ist die Annahme des Verordnungsgebers, dass die in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV vorgenommene räumliche Beschränkung der Abgabe der Rohmilch auf den Standort der tatsächlichen Milchgewinnung zu einer Verringerung der mit einer Rohmilchabgabe einhergehenden Gefahren führt, nicht zu beanstanden. Insbesondere erscheint die Einschätzung naheliegend, der Transport der Rohmilch im Anschluss an die Milchgewinnung sei typischerweise mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden. Entgegen der Ansicht des Klägers reicht diese durch sachverständiger Stellungnahmen hinreichend verlässlich abgesicherte abstrakte Gefährdungslage aus.
55 
Ebenso wie bei der Frage der Geeignetheit verfügt der Normgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.07.2000 - 1 BvR 539/96 -, BVerfGE 102, 197, 218; Urteil vom 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 -, BVerfGE 115, 276, 309). Infolge dieser Einschätzungsprärogative können Maßnahmen, die der Normgeber zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts wie der Eindämmung von Gefahren, die mit der Abgabe von Rohmilch verbunden sind, für erforderlich hält, verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach den dem Normgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht kommen, zwar die gleiche Wirksamkeit versprechen, indessen die Betroffenen weniger belasten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.).
56 
Derartige mildere, aber vergleichbar wirksame Mittel sind vorliegend weder dargetan noch sonst ersichtlich. Dabei kommt auch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift Bedeutung zu. Denn der Verordnungsgeber wollte mit der Bestimmung erkennbar die traditionell praktizierte, inhaltsgleich bereits in der Milchverordnung geregelte „Milch-ab-Hof-Abgabe“ weiter ermöglichen. Damit trug er auch der Regelung in Art. 10 Abs. 4a i) Verordnung (EG) 853/2004 Rechnung. Insoweit lag es nicht fern, auf die Vorgabe besonders strenger hygienerechtlicher Anforderungen nach Art der Vorzugsmilch zu verzichten, aber den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift auf den typischen Fall der „Milch-ab-Hof-Abgabe“ zu begrenzen.
57 
Schließlich ergibt eine Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe, dass die Grenze der Zumutbarkeit und damit der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gewahrt ist. Die räumliche Beschränkung der Rohmilchabgabe dient dem Schutz hochrangiger Gemeinschaftsgüter, nämlich der Gesundheit von Konsumenten vor möglicherweise gravierenden gesundheitlichen Risiken. Auf der anderen Seite beschränken sich die Auswirkungen des Eingriffs, der auf der Ebene der Berufsausübung verbleibt, auf eine Verringerung des Umsatzes aus dem Verkauf der Rohmilch, den der Inhaber eines aus mehreren Teilen bestehenden landwirtschaftlichen Betriebs tendenziell vermeiden kann, indem er die Abgabestelle an den Standort der Milchgewinnung legt. Dass die Milchabgabe insoweit nicht immer am verkehrsgünstigsten und damit lukrativsten Standort erfolgen kann, erscheint dem Betriebsinhaber zumutbar.
58 
Bei alledem nimmt § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV maßgeblich das Verhalten des für das Inverkehrbringen der Rohmilch lebensmittelrechtlich verantwortlichen Milcherzeugers in den Blick und nicht etwa auch ein potentielles Verhalten des Konsumenten im Anschluss an die erfolgte Abgabe der Rohmilch an diesen. Dies kann nicht beanstandet werden.
59 
c) Gemessen hieran erfüllt die Rohmilchabgabe durch den Rohmilchautomaten am Standort Hauptstraße ... nicht das Tatbestandsmerkmal der Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb". Die Milchgewinnung erfolgt in der zwei Kilometer hiervon entfernten im Jahr 1996 errichteten weiteren Betriebsstätte auf dem Flurstück ... ..., in der der neue Milchviehstall steht und die Melk-Technik vorgehalten wird. Auch der behauptete „Notstall" für z.B. kranke Tiere macht den Standort Hauptstraße ... nicht zum Milcherzeugungsbetrieb im Sinne von § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV. Schließlich ist es nach Sinn und Zweck der vom Verordnungsgeber gewollten Beschränkung auch nicht maßgeblich, dass der gegenwärtige Standort des Rohmilchautomaten verkehrsgünstiger liegt und der Milchviehstall für die Kunden des Klägers demgegenüber schwerer zu erreichen wäre.
60 
Da für eine zulässige Rohmilchabgabe sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV kumulativ erfüllt sein müssen, kommt es auf die Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV durch den Kläger nicht an,
61 
3. Die angefochtene Verfügung begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken.
62 
Der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde kam bei der Anordnung nach Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. b) Verordnung (EG) 882/2004 i.V.m. § 17 Tier-LMHV kein Entschließungsermessen zu. Vielmehr war sie verpflichtet, bei Vorliegen eines Verstoßes die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (vgl. bereits oben). Das Abgabeverbot zielt auch darauf ab, dass der Unternehmer Abhilfe schafft (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 102 § 39 Rn. 65).
63 
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Behörde im vorliegenden Fall ein Auswahlermessen eingeräumt war (vgl. ebenfalls bereits oben sowie Senatsurteil vom 02.03.2010, a.a.O., zu § 39 Abs. 2 LFGB). Vielmehr kam als Reaktion auf den Rechtsverstoß allein die Untersagung der Abgabe von Rohmilch am Stammbetrieb des Klägers als zulässige und im Sinne Art. 54 Abs. 1 Verordnung (EG) 882/2004 „erforderliche“ Maßnahme in Betracht (im Ergebnis vergleichbar BayVGH, Beschluss vom 17.01.2011 - 9 ZB 09.2654 -, Juris). Die auf die Fehlerhaftigkeit der Ermessensausübung durch den Beklagten zielenden Angriffe gehen daher ins Leere. Das ergibt sich aus Folgendem:
64 
Nach der Regel-Ausnahme-Systematik des § 17 Tier-LMHV ist das Verbot der Abgabe von Rohmilch klar vorgegeben, wenn keine der Ausnahmen der Absätze 2 bis 4 vorliegt. Zur wirksamen Durchsetzung dieser nach dem eindeutigen Willen des Verordnungsgebers zwingenden Rechtsfolge und in Ansehung des in § 1 Abs. Nr. 1 LFGB normierten Gesetzeszwecks, den Schutz der Verbraucher durch Vorbeugung gegen eine Gefahr für die menschliche Gesundheit sicherzustellen, kommt auch bei Einbeziehung des in Art. 54 Abs. 2 Verordnung (EG) 882/2004 grundsätzlich zur Verfügung stehenden Instrumentariums allein die Untersagung der Abgabe der Rohmilch auf der Grundlage des Art. 54 Abs. 2 Nr. b) Verordnung (EG) 882/2004 in Betracht. Deshalb kann dem Kläger - entgegen seiner Auffassung - die Rohmilchabgabe an seinem Stammbetrieb auch nicht unter Auflagen gestattet werden (Inverkehrbringen unter eigener oder behördlicher Kontrolle, Auflagen der Probenziehung oder der täglichen oder zweitäglichen Leerung des Behälters o.Ä.). Etwas anderes gilt auch nicht mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004). Denn eine Korrektur der Verwaltung im Einzelfall mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt nur in Betracht, soweit das Gesetz bzw. die Verordnung dieser einen Spielraum einräumt (vgl. Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 148; Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 90a). Dies ist hier indes nicht der Fall. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV ist verfassungsrechtlich unbedenkliches zwingendes Recht, die Tier-LMHV sieht eine Zulassung der Rohmilchabgabe unter Verzicht auf dieses Erfordernis etwa im Falle einer „Kompensation“ durch hygienerechtliche Auflagen nicht vor. Ein anderes Ergebnis würde zu einer Verwischung der Grenzen zwischen den einzelnen Ausnahmetatbeständen und damit letztlich zu einer Missachtung des Willens des Normgebers führen.
65 
Unabhängig davon erweist sich die Verfügung auch nicht als unverhältnismäßig im Einzelfall. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte - auch ohne das Vorliegen einer konkreten Gesundheitsgefahr - dem mit den zugrunde liegenden Regelungen geschützten öffentlichen Interesse am vorbeugenden (vgl. dazu Zipfel/Rathke, a.a.O., C 170, § 17 Tier-LMHV Rn. 1; § 1 Nr. 1 LFGB sowie Zipfel/Rathke, a.a.O., C 102, § 1 LFGB, Rn. 14 f.) Gesundheits- und Verbraucherschutz potentieller Konsumenten und damit hochrangigen Rechtsgütern den Vorrang eingeräumt hat. Das vom Kläger angeführte wirtschaftliche Interesse am Rohmilchverkauf an einem verkehrsgünstigen Standort im Ortsteil ... an der B ... führt nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der Verfügung. Bei einer Abwägung der gegenläufigen Interessen ist zunächst von Bedeutung, dass der angestrebte unmittelbare Rohmilchverkauf nur einen Teil der vom Kläger produzierten Milch betrifft. Ferner bezieht sich das Verbot lediglich auf den Stammbetrieb in der Hauptstraße. Auch wenn der Kläger dort den Rohmilchverkauf in der Vergangenheit praktiziert haben sollte, kann er sich auf Bestandsschutz nicht berufen. Es ist ihm - ungeachtet weiterer Möglichkeiten, die Rohmilch zu verwerten (etwa Verkauf nach Pasteurisierung, Verkauf als Vorzugsmilch) - unbenommen, den Rohmilchverkauf an den Standort seines lediglich zwei Kilometer entfernten Milchviehstalls zu verlegen. Dass dem unüberwindbare oder nicht zumutbare Hindernisse entgegenstehen, ist für den Senat nicht ersichtlich. Dieser Standort ist angesichts seiner verkehrsmäßigen Erschließung über die L ... und der Entfernung von lediglich zwei Kilometern für potentielle Kunden mit dem PKW oder dem Fahrrad ohne weiteres erreichbar. Das in der mündlichen Verhandlung erwähnte Problem, der Kundenverkehr könne dort das Arbeiten bzw. den Verkehr mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen beeinträchtigen, erscheint durch entsprechende organisatorische und/oder bauliche Maßnahmen lösbar. Dass möglicherweise notwendig werdende bauliche Maßnahmen (etwa auch ein Unterstand für den Milchautomaten) den Kläger in wirtschaftlicher Hinsicht unverhältnismäßig belasten würden, ist nicht erkennbar. Die Äußerung in der mündlichen Verhandlung, der Standort des Milchviehstalls sei aus hygienischen Gründen für einen Kundenverkehr „problematischer“ als der Abgabeort am Stammbetrieb, ist eine Vermutung des Klägers, die indes - soweit alle sonstigen Vorschriften eingehalten werden - die Eignung des Standorts am Milchviehstall nicht ernsthaft in Frage stellt. Um die Folgen der verkehrsungünstigeren Lage zu mindern, könnte der Kläger schließlich an seinem Stammbetrieb einen deutlichen Hinweis auf den neuen Standort der Rohmilchabgabe installieren. Gleichwohl verbleibende Umsatzeinbußen sind mit Blick auf den Rang der mit der Verfügung geschützten Rechtsgüter hinzunehmen. Vor diesem Hintergrund kann sich eine Unverhältnismäßigkeit schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der „Art des Verstoßes“ oder des „bisherigen Verhaltens“ des Klägers „mit Blick auf Verstöße“ (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004) ergeben.
66 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
67 
Die Revision wird nicht zugelassen (§ 132 VwGO). Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig. Sie lassen sich mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Normauslegung ohne weiteres beantworten.
68 
Beschluss vom 16. Juni 2014
69 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (vgl. §§ 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 2 GKG).
70 
Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Soweit ein Natura 2000-Gebiet ein geschützter Teil von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 ist, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden. Der Projektträger hat die zur Prüfung der Verträglichkeit sowie der Voraussetzungen nach den Absätzen 3 bis 5 erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

(2) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.

(3) Abweichend von Absatz 2 darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es

1.
aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und
2.
zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

(4) Können von dem Projekt im Gebiet vorkommende prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen werden, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1 können nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.

(5) Soll ein Projekt nach Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 4, zugelassen oder durchgeführt werden, sind die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die zuständige Behörde unterrichtet die Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit über die getroffenen Maßnahmen.

(6) Bedarf ein Projekt im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, das nicht von einer Behörde durchgeführt wird, nach anderen Rechtsvorschriften keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde, so ist es der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese kann die Durchführung des Projekts zeitlich befristen oder anderweitig beschränken, um die Einhaltung der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 sicherzustellen. Trifft die Behörde innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige keine Entscheidung, kann mit der Durchführung des Projekts begonnen werden. Wird mit der Durchführung eines Projekts ohne die erforderliche Anzeige begonnen, kann die Behörde die vorläufige Einstellung anordnen. Liegen im Fall des Absatzes 2 die Voraussetzungen der Absätze 3 bis 5 nicht vor, hat die Behörde die Durchführung des Projekts zu untersagen. Die Sätze 1 bis 5 sind nur insoweit anzuwenden, als Schutzvorschriften der Länder, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten.

(7) Für geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 sind die Absätze 1 bis 6 nur insoweit anzuwenden, als die Schutzvorschriften, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten. Die Verpflichtungen nach Absatz 4 Satz 2 zur Beteiligung der Kommission und nach Absatz 5 Satz 2 zur Unterrichtung der Kommission bleiben unberührt.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten mit Ausnahme von Bebauungsplänen, die eine Planfeststellung ersetzen, nicht für Vorhaben im Sinne des § 29 des Baugesetzbuches in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuches und während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuches.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Soweit ein Natura 2000-Gebiet ein geschützter Teil von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 ist, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden. Der Projektträger hat die zur Prüfung der Verträglichkeit sowie der Voraussetzungen nach den Absätzen 3 bis 5 erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

(2) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.

(3) Abweichend von Absatz 2 darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es

1.
aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und
2.
zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

(4) Können von dem Projekt im Gebiet vorkommende prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen werden, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1 können nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.

(5) Soll ein Projekt nach Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 4, zugelassen oder durchgeführt werden, sind die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die zuständige Behörde unterrichtet die Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit über die getroffenen Maßnahmen.

(6) Bedarf ein Projekt im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, das nicht von einer Behörde durchgeführt wird, nach anderen Rechtsvorschriften keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde, so ist es der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese kann die Durchführung des Projekts zeitlich befristen oder anderweitig beschränken, um die Einhaltung der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 sicherzustellen. Trifft die Behörde innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige keine Entscheidung, kann mit der Durchführung des Projekts begonnen werden. Wird mit der Durchführung eines Projekts ohne die erforderliche Anzeige begonnen, kann die Behörde die vorläufige Einstellung anordnen. Liegen im Fall des Absatzes 2 die Voraussetzungen der Absätze 3 bis 5 nicht vor, hat die Behörde die Durchführung des Projekts zu untersagen. Die Sätze 1 bis 5 sind nur insoweit anzuwenden, als Schutzvorschriften der Länder, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten.

(7) Für geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 sind die Absätze 1 bis 6 nur insoweit anzuwenden, als die Schutzvorschriften, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten. Die Verpflichtungen nach Absatz 4 Satz 2 zur Beteiligung der Kommission und nach Absatz 5 Satz 2 zur Unterrichtung der Kommission bleiben unberührt.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten mit Ausnahme von Bebauungsplänen, die eine Planfeststellung ersetzen, nicht für Vorhaben im Sinne des § 29 des Baugesetzbuches in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuches und während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuches.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 26. August 2015 - 1 K 95/15 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die naturschutzrechtliche Entscheidung des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 17. Oktober 2014 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf EUR 5.000,-- festgesetzt.

Gründe

 
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige (§§ 147 Abs. 1, 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO), insbesondere auch den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechende Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.
Die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) geben Anlass, die vom Verwaltungsgericht zu ihrem Nachteil getroffene Abwägungsentscheidung zu ändern und dem Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes stattzugeben.
Entgegen der Beschwerde ist das Verwaltungsgericht allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Begründung des Sofortvollzugs dem Erfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO genügte. Erforderlich ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehung notwendig ist und hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, von dem angefochtenen Verwaltungsakt einstweilen nicht betroffen zu werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO 21. A. 2015, § 80 Rn. 85 m.w.N.). Diesen f o r m e l l e n Anforderungen ist hier ohne weiteres genügt, da es im öffentlichen Interesse als dringend geboten erachtet wurde, „zum Schutz der in den Tunneln überwinternden Fledermäuse erhebliche Störungen durch zusätzlichen Fahrbetrieb im Winter, bis hin zu Tötungen und Verlust dieser Lebensstätten, während eines anhängigen Widerspruchs- oder Klageverfahrens zu verhindern“ (vgl. die angefochtene naturschutzrechtliche Entscheidung v. 17.10.2014, S. 23). Darauf, ob tatsächlich ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse bestand und diesem Vorrang zukam, kommt es hierbei nicht an. Insofern ist auch unerheblich, ob, was die Antragstellerin bezweifelt, der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine Abwägung mit ihren gegenläufigen Interessen vorausgegangen war, wovon im Hinblick auf die in der Entscheidung angestellten Ermessenserwägungen (a.a.O., S. 15 ff.) freilich auszugehen sein dürfte.
Das Verwaltungsgericht hat bei der von ihm nach Maßgabe des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung dem (besonderen) öffentlichen Interesse an der angeordneten sofortigen Vollziehung (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) der naturschutzrechtlichen Entscheidung vom 17.10.2014 jedoch zu Unrecht Vorrang vor dem privaten Interesse der Antragstellerin gegeben, von deren Wirkungen vorläufig verschont zu bleiben.
Mit seiner naturschutzrechtlichen Entscheidung hatte das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis der Antragstellerin - gestützt auf § 3 Abs. 2 BNatSchG - die Durchführung des Eisenbahnbetriebs in den Tunneln der inzwischen von ihr betriebenen Museumsbahnstrecke („Sauschwänzlebahn“) zwischen dem „Buchbergtunnel“ (Nordportal) und dem Kehrtunnel „Im Weiler“ (Westportal) jeweils für den Zeitraum vom 1. November eines Jahres bis zum 31. März des Folgejahres untersagt. Da die Tunnel von (u. a. Mops-) Fledermäusen als wichtige Überwinterungsstätte genutzt würden, verstieße ein gleichwohl durchgeführter „Winterbetrieb“ gegen Bestimmungen des Naturschutzrechts, insbesondere gegen solche des Arten- und Habitatschutzrechts.
Anders als das Verwaltungsgericht hält der Senat bei Berücksichtigung der wechselseitigen öffentlichen und privaten Interessen eine Aussetzung des angeordneten Sofortvollzugs für angezeigt. Denn die angefochtene naturschutzrechtliche Entscheidung erweist sich schon jetzt als offensichtlich rechtswidrig.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis als untere Naturschutzbehörde für die hier allein in Rede stehende Untersagung des „Winterbetriebs“ der von der Antragstellerin betriebenen Museumsbahnstrecke „Sauschwänzlebahn“ schon nicht sachlich zuständig. Denn eine solche konnte und kann derzeit allenfalls von dem für die Eisenbahnaufsicht über eine nichtbundeseigene Eisenbahn zuständigen Ministerium für Verkehr und Infrastruktur ausgesprochen werden. Der Umstand, dass sich im Eisenbahnrecht keine Ermächtigungsgrundlage findet, die ausdrücklich die Untersagung eines Eisenbahnbetriebs vorsieht, ändert nichts.
Zu erinnern ist zunächst daran, dass der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin unter Geltung des Landeseisenbahngesetzes vom 12.07.1951 (Reg.Bl. S. 49) am 25.04.1978 das Recht zum Bau und Betrieb einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahn verliehen worden war (vgl. § 2 Abs. 2 u. 1 LEG), nachdem - am 10.01.1978 - der für die Verleihung letztlich maßgebende endgültige Planfeststellungsbeschluss zum Betrieb einer Museumsbahn erlassen worden war (vgl. §§ 5, 11 LEG). In der Wiederinbetriebnahme der zum 01.01.1976 stillgelegten Eisenbahnstrecke in Form eines Museumsbetriebs mit Dampfzugfahrten zur Personenbeförderung war seinerzeit eine wesentliche Änderung des Unternehmens im Betrieb i. S. des § 2 Abs. 2 LEG gesehen worden. Am 24.09.1987 wurde das Unternehmungsrecht erneuert. Am 18.12.1996 wurde der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin - nach Maßgabe der am 10.01.1978 festgestellten Pläne - eine Genehmigung zum Betreiben einer nichtöffentlichen Eisenbahninfrastruktur erteilt (vgl. § 11 Abs. 3 Nr. 2 LEisenbG i. d. F. 08.06.1995 ). Diese wurde am 25.10.2006 durch eine Genehmigung zum Betreiben einer öffentlichen Eisenbahninfrastruktur ersetzt (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 3 AEG), wiederum nach Maßgabe der am 10.01.1978 festgestellten Pläne. Am 13.04.2012 wurde der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin auch eine Genehmigung zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen erteilt (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 1 AEG). Inzwischen ist die Antragstellerin Inhaberin beider Genehmigungen.
Wäre der „Winterbetrieb“, wie das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis meint, von dem (ausdrücklich auch den Betrieb betreffenden) Planfeststellungsbeschluss vom 10.01.1978 nicht umfasst gewesen, fehlte es möglicherweise von vornherein an einem rechtmäßigen Bahnbetrieb während der Wintermonate. Einen solchen zu untersagen obläge indes - unabhängig von etwa darüber hinaus drohenden Verstößen gegen Naturschutzrecht - nicht der Naturschutzbehörde, sondern dem für die Eisenbahnaufsicht über eine nichtbundeseigene Eisenbahn zuständigen Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (vgl. § 2 Nr. 1 und § 1 der Eisenbahnzuständigkeitsverordnung (EZuVO) vom 11.09.1995, zuletzt geändert durch Art. 200 der Verordnung vom 25.01.2012 (GBl. S. 65, 87), da dann ein Verstoß gegen den eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss vorläge (vgl. § 15 des Landeseisenbahngesetzes (LEisenbG) vom 08.06.1995 (GBl. S. 417, 421), zuletzt geändert durch Art. 64 der Verordnung vom 25.01.2012 (GBl. S. 65).
10 
Auf die - sich etwa bei der Durchführung von Unterhaltungsmaßnahmen entlang der Gleise stellende - Frage, ob die für die Eisenbahnaufsicht zuständige Behörde gegebenenfalls auch gegen Verstöße gegen Bestimmungen des (Bundes-) Naturschutzrechts einzuschreiten berechtigt wäre, käme es dabei nicht an. Es erscheint im Übrigen zweifelhaft, ob dies, wenn die Aufsicht über eine nichtbundeseigene Eisenbahn durch eine Landesbehörde in Rede steht, unter Hinweis auf die beschränkte Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamts überzeugend verneint werden könnte. Dass dem Eisenbahn-Bundesamt der Vollzug von Landesrecht grundsätzlich verfassungsrechtlich verwehrt sein mag (vgl. OVG NW, Urt. v. 08.06.2005 - 8 A 262/05 -, NuR 2005, 660), führte in diesem Zusammenhang ohnehin nicht weiter, weil das Naturschutzrecht inzwischen weitgehend Bundesrecht ist.
11 
Überwiegendes spricht allerdings dafür, dass der untersagte „Winterbetrieb“ - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - vom Planfeststellungsbeschluss umfasst ist. Denn dem Planfeststellungsbeschluss vom 10.01.1978 ist - ebenso wenig wie den Verleihungen und späteren Genehmigungen - eine Einschränkung des Betriebs auf einen „Sommerbetrieb“ nicht zu entnehmen. Eine solche Einschränkung dürfte sich auch nicht daraus ergeben, dass die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin in ihrem Erläuterungsbericht vom 02.02.1977 erkennen ließ (a.a.O., S. 3), dass nur an einen „Betrieb in den Monaten Mai bis Mitte Oktober“ gedacht war, und das Regierungspräsidium Freiburg im Anhörungsverfahren auf die „lediglich erneute und gelegentliche Inbetriebnahme während der Sommermonate“ hingewiesen hatte. Denn abgesehen davon, dass darüber hinaus „auch Sonderfahrten nach Bedarf (mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h)“ vorgesehen waren, fand dies keine Entsprechung im späteren Planfeststellungsbeschluss. Insbesondere ergab sich solches nicht aus II. 4. des verfügenden Teils, der eine erste Kontrolle „jährlich vor Aufnahme des Betriebs“ vorsah. Auch war der Erläuterungsbericht vom 02.02.1977 nicht planfestgestellt worden. Für eine ausdrückliche Regelung, so eine zeitliche Einschränkung des Betriebs beabsichtigt gewesen wäre, hätte indes Anlass bestanden, da eine planfestgestellte Eisenbahnstrecke typischerweise einen ihrer Kapazität entsprechenden Betrieb ermöglicht und die planfestgestellte Eisenbahnstrecke bereits seit 1890 - ersichtlich ohne jahreszeitliche Einschränkungen - in Betrieb war. Aus Anlass der seinerzeitigen Planfeststellung hätten auch durchaus Einschränkungen aus Gründen des Naturschutzes getroffen werden können (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 3 LEisenbG; Schreiben der Anhörungsbehörde v. 21.03.1977, S. 6. insbes. auch den Zusatz für das Referat 6 im Hause; auch die Niederschrift über die Erörterungsverhandlung gem. Art. 21 des Württ. Zwangsenteignungsgesetzes v. 20.12.1888 v. 24.05.1977).
12 
Ausgehend davon wäre aber - ohne einen vorherigen Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses - eine (unmittelbare) Untersagung des Bahnbetriebs (derzeit) gar nicht möglich, auch nicht durch die für die Eisenbahnaufsicht zuständige Landesbehörde. Denn aufgrund der Genehmigungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. LVwVfG) steht die Zulässigkeit des Bahnbetriebs grundsätzlich im Hinblick auf alle davon berührten öffentliche Belange - einschließlich der Belange des Naturschutzes - verbindlich fest. Aufgrund der formellen Konzentrationswirkung entfiel dabei die Zuständigkeit anderer Behörden; insoweit erfolgte eine Zuständigkeitsverlagerung auf die Planfeststellungsbehörde (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. LVwVfG; hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG 15. A. 2014, § 75 Rn. 15). Die Entscheidung, ob nachträgliche Verstöße gegen das bei der Planfeststellung zu prüfende materielle Recht zum Anlass genommen werden, das Planfeststellungsverfahren wieder aufzugreifen bzw. einen Teilwiderruf auszusprechen (etwa nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG), obliegt indes allein der Planfeststellungsbehörde bzw. der Behörde, die nunmehr für den Erlass des eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses sachlich zuständig wäre (vgl. § 49 Abs. 5 LVwVfG; hierzu BVerwG, Urt. v. 20.12.1999 - 7 C 42.98 -, BVerwGE 110, 226). Dies wäre hier das Regierungspräsidium Freiburg (vgl. § 3 Nr. 2 EZuVO).
13 
Ohne vorherigen teilweisen Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses dürfte eine Einschränkung des Bahnbetriebs über mehrere Monate darüber hinaus der Funktionssicherungsklausel des § 4 Nr. 3 BNatSchG widersprechen, die auch bei Maßnahmen des Naturschutzes die bestimmungsgemäße Nutzung eines in einem verbindlichen Plan für Zwecke des öffentlichen Verkehrs ausgewiesenen öffentlichen Verkehrswegs gewährleisten will. Der Anwendungsvorrang von Unionsrecht dürfte daran nichts ändern, sollte dieses vorliegend materielle Geltung beanspruchen. Denn Unionsrecht gibt nicht vor, in welchem Verfahren von welcher Behörde materielles Unionsrecht vorrangig anzuwenden ist (vgl. Art. 291 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV). Auch über eine Verträglichkeit nach § 34 BNatSchG ist grundsätzlich von der für das Projekt zuständigen Behörde in dem dafür vorgesehenen sog. Trägerverfahren zu entscheiden (vgl. § 34 Abs. 6 BNatSchG).
14 
Nach alldem könnten inzwischen möglicherweise aus Gründen des Naturschutzes gebotene Einschränkungen des Betriebs - etwa im Hinblick auf anderenfalls zu besorgende Verstöße gegen das Habitat- und/oder Artenschutzrecht - nur in einem wiederaufgegriffenen Planfeststellungsverfahren bzw. im Wege eines Teilwiderrufs von der Planfeststellungsbehörde und nicht nach § 3 Abs. 2 BNatSchG von der unteren Naturschutzbehörde angeordnet werden. Solchen stünde auch nicht entgegen, dass aus Anlass einer (Bau-) Planfeststellung nach § 18 AEG keine Betriebsregelungen getroffen werden könnten. Denn aufgrund des zu beachtenden Konfliktbewältigungsgebots, aber auch im Hinblick auf die Konzentrationswirkung der Planfeststellung, sind auch die Auswirkungen des mit dem Vorhaben verbundenen Betriebs einer Eisenbahnstrecke in den Blick zu nehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2013 - 7 A 28.12 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 71). Erforderlichenfalls sind daher aufgrund des Konfliktbewältigungsgebots bereits im Planfeststellungsbeschluss betriebliche Einschränkungen - gegebenenfalls auch solche aus Gründen des Naturschutzes - zu treffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2013, a.a.O.; Wurster, in: Beck‘scher AEG-Komm. 2. A. 2014 § 18 Rn. 244). Davon scheint auch das Regierungspräsidium Freiburg in seinem Widerspruchsbescheid vom 23.09.2015 auszugehen (a.a.O., S. 27). Die gewerberechtlichen Genehmigungen nach § 6 AEG oder eine etwa noch erforderliche Erlaubnis nach § 7f AEG wären demgegenüber - aufgrund ihres eingeschränkten Prüfungsgegenstands - solchen Einschränkungen von vornherein nicht zugänglich.
15 
Ob Unionsrecht es nicht nur ermöglichte (vgl. § 49 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG), sondern sogar geböte, den Planfeststellungsbeschluss vom 10.01.1978 teilweise (freilich nur gegen Entschädigung, vgl. § 49 Abs. 6 Satz 1 LVwVfG) zu widerrufen (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 07.09.2004 C-127/02 -, NuR 2004, 730; auch Würtenberger, NuR 210, 316 <319>), weil der seinerzeit wohl bereits umfassend genehmigte Eisenbahnbetrieb nunmehr ein Natura 2000-Gebiet beeinträchtigte oder zumindest eine Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten besorgen lassen könnte, bedarf hier keiner Entscheidung.
16 
Im Hinblick auf ein weiteres Verwaltungsverfahren, bemerkt der Senat gleichwohl das Folgende (vgl. auch Uhlenhut, Zugangsrecht contra Naturschutz - Die Mopsfledermaus auf der Sauschwänzlebahn, in: Ronellenfitsch/Esch-weiler/Hörster (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts ... 2015, S. 113 - 140):
17 
Im Hinblick auf eine unterbliebene Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Abs. 1 BNatSchG (vgl. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL) dürfte ein Teilwiderruf nicht geboten sein. Denn eine solche Prüfung ist vor der Zulassung eines Projekts durchzuführen, sodass ein bereits endgültig genehmigtes Projekt diesen Vorgaben nicht mehr unterliegen kann (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 17.03.2011 - C-275/09 -, NuR 2011, 282 u. Urt. v. 14.01.2010 - C-226/08 -, NuR 2010, 114). Dass die Eisenbahnstrecke auch nach Inkrafttreten der FFH-Richtlinie weiterbetrieben wird, vermag daran noch nichts zu ändern, da der Betrieb als solcher grundsätzlich kein neues Projekt darstellt (vgl. zu § 1 Abs. 2 der UVP-RL EuGH, Urt. v. 17.03.2011 - C-275/09 -, auf „materielle Veränderungen“ abstellend). Zwar mag bei betrieblichen Änderungen das Vorliegen eines neuen Projekts i. S. des § 34 Abs. 1 BNatSchG nicht von vornherein ausgeschlossen sein, da ein solches mehr als der Projektbegriff der UVP-Richtlinie (vgl. § 2 Abs. 2 UVPG), der insoweit orientierend herangezogen werden kann (vgl. Urt. v. 14.01.2010, a.a.O.; Urt. v. 07.09.2004, a.a.O.; BT-Drs. 16/122274, S. 65), wirkungsbezogen zu verstehen sein dürfte (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.12.2013 - 4 C 14.12 -, BVerwGE 149, 17). Insofern kämen auch solche Tätigkeiten in Betracht, die - ohne bauliche Veränderungen - ein Schutzgebiet gefährden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.04.2013, a.a.O.; OVG NW, Beschl. v. 21.02.2011 - 8 A 1837/09 -, NuR 2011, 591; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, UmwR II, § 34 BNatSchG Rn. 7). Doch erscheint mehr als zweifelhaft, ob hier von einem neuen Projekt schon deshalb gesprochen werden könnte (vgl. EuGH, Urt. v. 14.01.2010 - C-226/08 -, NuR 2010, 114), weil der Bahnbetrieb in den Monaten vom November bis April nicht mehr - wie bisher - nur bei Bedarf (insbesondere zur Unterhaltung der Strecke), sondern regelmäßig auch - aber auch nur - an den (Advents-) Wochenenden (sog. „Nikolausfahrten“) stattfinden soll. Denn auch der bisherige Winterbetrieb wäre bereits aus Anlass der Planfeststellung einer Verträglichkeits- oder Abweichungsprüfung zu unterziehen gewesen, wäre eine solche bereits vorgegeben gewesen. Dürfte danach eher nicht von einem neuen Projekt auszugehen sein, könnte jedoch möglicherweise noch auf § 33 Abs. 1 BNatSchG (bzw. Art. 6. Abs. 2 FFH-RL) zurückzugreifen sein, sollte dem nicht der Grundsatz der Rechtssicherheit entgegenstehen (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 14.01.2010, a.a.O.; auch Lütkes/Ewer, BNatSchG, § 33 Rn. 4 m.w.N.; Gellermann, a.a.O., § 33 BNatSchG Rn. 3).
18 
Die seinerzeit noch gar nicht geltenden Verbote der Naturschutzgebietsverordnung vom 27.09.1979 dürften einen Widerruf freilich nicht gebieten (vgl. auch § 23 Abs. 2 Satz1 BNatSchG; hierzu auch die Ausnahmevorschrift in § 5 der Verordnung).
19 
In Betracht käme jedoch, dass die von den Naturschutzbehörden angeführten besonderen artenschutzrechtliche Verbote (insbes. nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) eine jahreszeitliche Einschränkung des Betriebs erforderten, sollten nicht andere - etwa die von der Antragstellerin vorgeschlagenen - betriebsregelnde Maßnahmen genügen. Dabei wäre dann auch zu klären, ob eine erhebliche Störung bzw. Verschlechterung des Erhaltungszustands einer lokalen Fledermauspopulation durch die Befahrung eines jeden Tunnels eintreten würde.
20 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
21 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

Bei Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege ist auf Flächen, die ausschließlich oder überwiegend Zwecken

1.
der Verteidigung, einschließlich der Erfüllung internationaler Verpflichtungen und des Schutzes der Zivilbevölkerung,
2.
der Bundespolizei,
3.
des öffentlichen Verkehrs als öffentliche Verkehrswege,
4.
der See- oder Binnenschifffahrt,
5.
der Versorgung, einschließlich der hierfür als schutzbedürftig erklärten Gebiete, und der Entsorgung,
6.
des Schutzes vor Überflutung durch Hochwasser oder
7.
der Telekommunikation
dienen oder in einem verbindlichen Plan für die genannten Zwecke ausgewiesen sind, die bestimmungsgemäße Nutzung zu gewährleisten. Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind zu berücksichtigen.

(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Soweit ein Natura 2000-Gebiet ein geschützter Teil von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 ist, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden. Der Projektträger hat die zur Prüfung der Verträglichkeit sowie der Voraussetzungen nach den Absätzen 3 bis 5 erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

(2) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.

(3) Abweichend von Absatz 2 darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es

1.
aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und
2.
zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

(4) Können von dem Projekt im Gebiet vorkommende prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen werden, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1 können nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.

(5) Soll ein Projekt nach Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 4, zugelassen oder durchgeführt werden, sind die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die zuständige Behörde unterrichtet die Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit über die getroffenen Maßnahmen.

(6) Bedarf ein Projekt im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, das nicht von einer Behörde durchgeführt wird, nach anderen Rechtsvorschriften keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde, so ist es der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese kann die Durchführung des Projekts zeitlich befristen oder anderweitig beschränken, um die Einhaltung der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 sicherzustellen. Trifft die Behörde innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige keine Entscheidung, kann mit der Durchführung des Projekts begonnen werden. Wird mit der Durchführung eines Projekts ohne die erforderliche Anzeige begonnen, kann die Behörde die vorläufige Einstellung anordnen. Liegen im Fall des Absatzes 2 die Voraussetzungen der Absätze 3 bis 5 nicht vor, hat die Behörde die Durchführung des Projekts zu untersagen. Die Sätze 1 bis 5 sind nur insoweit anzuwenden, als Schutzvorschriften der Länder, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten.

(7) Für geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 sind die Absätze 1 bis 6 nur insoweit anzuwenden, als die Schutzvorschriften, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten. Die Verpflichtungen nach Absatz 4 Satz 2 zur Beteiligung der Kommission und nach Absatz 5 Satz 2 zur Unterrichtung der Kommission bleiben unberührt.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten mit Ausnahme von Bebauungsplänen, die eine Planfeststellung ersetzen, nicht für Vorhaben im Sinne des § 29 des Baugesetzbuches in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuches und während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuches.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

(1) Die Länder wählen die Gebiete, die der Kommission nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 4 Absatz 1 und 2 der Richtlinie 2009/147/EG zu benennen sind, nach den in diesen Vorschriften genannten Maßgaben aus. Sie stellen das Benehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit her. Dieses beteiligt die anderen fachlich betroffenen Bundesministerien und benennt die ausgewählten Gebiete der Kommission. Es übermittelt der Kommission gleichzeitig Schätzungen über eine finanzielle Beteiligung der Gemeinschaft, die zur Erfüllung der Verpflichtungen nach Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG einschließlich der Zahlung eines finanziellen Ausgleichs insbesondere für die Land- und Forstwirtschaft erforderlich ist.

(2) Die in die Liste nach Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG aufgenommenen Gebiete sind nach Maßgabe des Artikels 4 Absatz 4 dieser Richtlinie und die nach Artikel 4 Absatz 1 und 2 der Richtlinie 2009/147/EG benannten Gebiete entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 zu erklären.

(3) Die Schutzerklärung bestimmt den Schutzzweck entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen und die erforderlichen Gebietsbegrenzungen. Es soll dargestellt werden, ob prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten zu schützen sind. Durch geeignete Gebote und Verbote sowie Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen ist sicherzustellen, dass den Anforderungen des Artikels 6 der Richtlinie 92/43/EWG entsprochen wird. Weiter gehende Schutzvorschriften bleiben unberührt.

(4) Die Unterschutzstellung nach den Absätzen 2 und 3 kann unterbleiben, soweit nach anderen Rechtsvorschriften einschließlich dieses Gesetzes und gebietsbezogener Bestimmungen des Landesrechts, nach Verwaltungsvorschriften, durch die Verfügungsbefugnis eines öffentlichen oder gemeinnützigen Trägers oder durch vertragliche Vereinbarungen ein gleichwertiger Schutz gewährleistet ist.

(5) Für Natura 2000-Gebiete können Bewirtschaftungspläne selbständig oder als Bestandteil anderer Pläne aufgestellt werden.

(6) Die Auswahl und die Erklärung von Gebieten im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 2 im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 richten sich nach § 57.

(7) Für Schutzerklärungen im Sinne der Absätze 2 und 3, für den Schutz nach anderen Rechtsvorschriften im Sinne von Absatz 4 sowie für Pläne im Sinne von Absatz 5 gilt § 22 Absatz 2a und 2b entsprechend. Dies gilt auch für Schutzerklärungen nach § 33 Absatz 2 bis 4 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 28. Februar 2010 geltenden Fassung.

(1) Es wird ein Netz verbundener Biotope (Biotopverbund) geschaffen, das mindestens 10 Prozent der Fläche eines jeden Landes umfassen soll.

(2) Teile von Natur und Landschaft können geschützt werden

1.
nach Maßgabe des § 23 als Naturschutzgebiet,
2.
nach Maßgabe des § 24 als Nationalpark oder als Nationales Naturmonument,
3.
als Biosphärenreservat,
4.
nach Maßgabe des § 26 als Landschaftsschutzgebiet,
5.
als Naturpark,
6.
als Naturdenkmal oder
7.
als geschützter Landschaftsbestandteil.

(3) Die in Absatz 2 genannten Teile von Natur und Landschaft sind, soweit sie geeignet sind, Bestandteile des Biotopverbunds.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

(1) Für dieses Gesetz gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1.
biologische Vielfaltdie Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten einschließlich der innerartlichen Vielfalt sowie die Vielfalt an Formen von Lebensgemeinschaften und Biotopen;
2.
Naturhaushaltdie Naturgüter Boden, Wasser, Luft, Klima, Tiere und Pflanzen sowie das Wirkungsgefüge zwischen ihnen;
3.
Erholungnatur- und landschaftsverträglich ausgestaltetes Natur- und Freizeiterleben einschließlich natur- und landschaftsverträglicher sportlicher Betätigung in der freien Landschaft, soweit dadurch die sonstigen Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht beeinträchtigt werden;
4.
natürliche Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interessedie in Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Lebensraumtypen;
5.
prioritäre natürliche Lebensraumtypendie in Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG mit dem Zeichen (*) gekennzeichneten Lebensraumtypen;
6.
Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutungdie in die Liste nach Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG aufgenommenen Gebiete, auch wenn ein Schutz im Sinne des § 32 Absatz 2 bis 4 noch nicht gewährleistet ist;
7.
Europäische VogelschutzgebieteGebiete im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 und 2 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 20 vom 26.1.2010, S. 7), wenn ein Schutz im Sinne des § 32 Absatz 2 bis 4 bereits gewährleistet ist;
8.
Natura 2000-GebieteGebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und Europäische Vogelschutzgebiete;
9.
ErhaltungszieleZiele, die im Hinblick auf die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands eines natürlichen Lebensraumtyps von gemeinschaftlichem Interesse, einer in Anhang II der Richtlinie 92/43/EWG oder in Artikel 4 Absatz 2 oder Anhang I der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführten Art für ein Natura 2000-Gebiet festgelegt sind;
10.
günstiger ErhaltungszustandZustand im Sinne von Artikel 1 Buchstabe e und i der Richtlinie 92/43/EWG und von Artikel 2 Nummer 4 der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. L 143 vom 30.4.2004, S. 56), die zuletzt durch die Richtlinie 2009/31/EG (ABl. L 140 vom 5.6.2009, S. 114) geändert worden ist.

(2) Für dieses Gesetz gelten folgende weitere Begriffsbestimmungen:

1.
Tiere
a)
wild lebende, gefangene oder gezüchtete und nicht herrenlos gewordene sowie tote Tiere wild lebender Arten,
b)
Eier, auch im leeren Zustand, sowie Larven, Puppen und sonstige Entwicklungsformen von Tieren wild lebender Arten,
c)
ohne Weiteres erkennbare Teile von Tieren wild lebender Arten und
d)
ohne Weiteres erkennbar aus Tieren wild lebender Arten gewonnene Erzeugnisse;
2.
Pflanzen
a)
wild lebende, durch künstliche Vermehrung gewonnene sowie tote Pflanzen wild lebender Arten,
b)
Samen, Früchte oder sonstige Entwicklungsformen von Pflanzen wild lebender Arten,
c)
ohne Weiteres erkennbare Teile von Pflanzen wild lebender Arten und
d)
ohne Weiteres erkennbar aus Pflanzen wild lebender Arten gewonnene Erzeugnisse;
als Pflanzen im Sinne dieses Gesetzes gelten auch Flechten und Pilze;
3.
Artjede Art, Unterart oder Teilpopulation einer Art oder Unterart; für die Bestimmung einer Art ist ihre wissenschaftliche Bezeichnung maßgebend;
4.
BiotopLebensraum einer Lebensgemeinschaft wild lebender Tiere und Pflanzen;
5.
Lebensstätteregelmäßiger Aufenthaltsort der wild lebenden Individuen einer Art;
6.
Populationeine biologisch oder geografisch abgegrenzte Zahl von Individuen einer Art;
7.
(weggefallen)
8.
(weggefallen)
9.
invasive Arteine invasive gebietsfremde Art im Sinne des Artikels 3 Nummer 2 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014
a)
die in der Unionsliste nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 aufgeführt ist,
b)
für die Dringlichkeitsmaßnahmen nach Artikel 10 Absatz 4 oder für die Durchführungsrechtsakte nach Artikel 11 Absatz 2 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 in Kraft sind, soweit die Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 nach den genannten Rechtsvorschriften anwendbar ist oder
c)
die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 3 aufgeführt ist;
10.
Arten von gemeinschaftlichem Interessedie in Anhang II, IV oder V der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tier- und Pflanzenarten;
11.
prioritäre Artendie in Anhang II der Richtlinie 92/43/EWG mit dem Zeichen (*) gekennzeichneten Tier- und Pflanzenarten;
12.
europäische Vogelartenin Europa natürlich vorkommende Vogelarten im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 2009/147/EG;
13.
besonders geschützte Arten
a)
Tier- und Pflanzenarten, die in Anhang A oder Anhang B der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (ABl. L 61 vom 3.3.1997, S. 1, L 100 vom 17.4.1997, S. 72, L 298 vom 1.11.1997, S. 70, L 113 vom 27.4.2006, S. 26), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 709/2010 (ABl. L 212 vom 12.8.2010, S. 1) geändert worden ist, aufgeführt sind,
b)
nicht unter Buchstabe a fallende
aa)
Tier- und Pflanzenarten, die in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführt sind,
bb)
europäische Vogelarten,
c)
Tier- und Pflanzenarten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 aufgeführt sind;
14.
streng geschützte Artenbesonders geschützte Arten, die
a)
in Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 338/97,
b)
in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG,
c)
in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 2
aufgeführt sind;
15.
gezüchtete TiereTiere, die in kontrollierter Umgebung geboren oder auf andere Weise erzeugt und deren Elterntiere rechtmäßig erworben worden sind;
16.
künstlich vermehrte PflanzenPflanzen, die aus Samen, Gewebekulturen, Stecklingen oder Teilungen unter kontrollierten Bedingungen herangezogen worden sind;
17.
AnbietenErklärung der Bereitschaft zu verkaufen oder zu kaufen und ähnliche Handlungen, einschließlich der Werbung, der Veranlassung zur Werbung oder der Aufforderung zu Verkaufs- oder Kaufverhandlungen;
18.
Inverkehrbringendas Anbieten, Vorrätighalten zur Abgabe, Feilhalten und jedes Abgeben an andere;
19.
rechtmäßigin Übereinstimmung mit den jeweils geltenden Rechtsvorschriften zum Schutz der betreffenden Art im jeweiligen Staat sowie mit Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Artenschutzes und dem Übereinkommen vom 3. März 1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (BGBl. 1975 II S. 773, 777) – Washingtoner Artenschutzübereinkommen – im Rahmen ihrer jeweiligen räumlichen und zeitlichen Geltung oder Anwendbarkeit;
20.
Mitgliedstaatein Staat, der Mitglied der Europäischen Union ist;
21.
Drittstaatein Staat, der nicht Mitglied der Europäischen Union ist.

(3) Soweit in diesem Gesetz auf Anhänge der

1.
Verordnung (EG) Nr. 338/97,
2.
Verordnung (EWG) Nr. 3254/91 des Rates vom 4. November 1991 zum Verbot von Tellereisen in der Gemeinschaft und der Einfuhr von Pelzen und Waren von bestimmten Wildtierarten aus Ländern, die Tellereisen oder den internationalen humanen Fangnormen nicht entsprechende Fangmethoden anwenden (ABl. L 308 vom 9.11.1991, S. 1),
3.
Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG,
4.
Richtlinie 83/129/EWG des Rates vom 28. März 1983 betreffend die Einfuhr in die Mitgliedstaaten von Fellen bestimmter Jungrobben und Waren daraus (ABl. L 91 vom 9.4.1983, S. 30), die zuletzt durch die Richtlinie 89/370/EWG (ABl. L 163 vom 14.6.1989, S. 37) geändert worden ist,
oder auf Vorschriften der genannten Rechtsakte verwiesen wird, in denen auf Anhänge Bezug genommen wird, sind die Anhänge jeweils in der sich aus den Veröffentlichungen im Amtsblatt Teil L der Europäischen Union ergebenden geltenden Fassung maßgeblich.

(4) Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gibt die besonders geschützten und die streng geschützten Arten sowie den Zeitpunkt ihrer jeweiligen Unterschutzstellung bekannt.

(5) Wenn besonders geschützte Arten bereits auf Grund der bis zum 8. Mai 1998 geltenden Vorschriften unter besonderem Schutz standen, gilt als Zeitpunkt der Unterschutzstellung derjenige, der sich aus diesen Vorschriften ergibt. Entsprechendes gilt für die streng geschützten Arten, soweit sie nach den bis zum 8. Mai 1998 geltenden Vorschriften als vom Aussterben bedroht bezeichnet waren.

Auf

1.
Linienbestimmungen nach § 16 des Bundesfernstraßengesetzes und § 13 des Bundeswasserstraßengesetzes sowie
2.
Pläne, die bei behördlichen Entscheidungen zu beachten oder zu berücksichtigen sind
ist § 34 Absatz 1 bis 5 entsprechend anzuwenden.
Bei Raumordnungsplänen im Sinne des § 3 Absatz 1 Nummer 7 des Raumordnungsgesetzes und bei Bauleitplänen und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 des Baugesetzbuches findet § 34 Absatz 1 Satz 1 keine Anwendung.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Soweit ein Natura 2000-Gebiet ein geschützter Teil von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 ist, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden. Der Projektträger hat die zur Prüfung der Verträglichkeit sowie der Voraussetzungen nach den Absätzen 3 bis 5 erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

(2) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.

(3) Abweichend von Absatz 2 darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es

1.
aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und
2.
zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

(4) Können von dem Projekt im Gebiet vorkommende prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen werden, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1 können nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.

(5) Soll ein Projekt nach Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 4, zugelassen oder durchgeführt werden, sind die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die zuständige Behörde unterrichtet die Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit über die getroffenen Maßnahmen.

(6) Bedarf ein Projekt im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, das nicht von einer Behörde durchgeführt wird, nach anderen Rechtsvorschriften keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde, so ist es der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese kann die Durchführung des Projekts zeitlich befristen oder anderweitig beschränken, um die Einhaltung der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 sicherzustellen. Trifft die Behörde innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige keine Entscheidung, kann mit der Durchführung des Projekts begonnen werden. Wird mit der Durchführung eines Projekts ohne die erforderliche Anzeige begonnen, kann die Behörde die vorläufige Einstellung anordnen. Liegen im Fall des Absatzes 2 die Voraussetzungen der Absätze 3 bis 5 nicht vor, hat die Behörde die Durchführung des Projekts zu untersagen. Die Sätze 1 bis 5 sind nur insoweit anzuwenden, als Schutzvorschriften der Länder, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten.

(7) Für geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 sind die Absätze 1 bis 6 nur insoweit anzuwenden, als die Schutzvorschriften, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten. Die Verpflichtungen nach Absatz 4 Satz 2 zur Beteiligung der Kommission und nach Absatz 5 Satz 2 zur Unterrichtung der Kommission bleiben unberührt.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten mit Ausnahme von Bebauungsplänen, die eine Planfeststellung ersetzen, nicht für Vorhaben im Sinne des § 29 des Baugesetzbuches in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuches und während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuches.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Soweit ein Natura 2000-Gebiet ein geschützter Teil von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 ist, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden. Der Projektträger hat die zur Prüfung der Verträglichkeit sowie der Voraussetzungen nach den Absätzen 3 bis 5 erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

(2) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.

(3) Abweichend von Absatz 2 darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es

1.
aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und
2.
zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

(4) Können von dem Projekt im Gebiet vorkommende prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen werden, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1 können nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.

(5) Soll ein Projekt nach Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 4, zugelassen oder durchgeführt werden, sind die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die zuständige Behörde unterrichtet die Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit über die getroffenen Maßnahmen.

(6) Bedarf ein Projekt im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, das nicht von einer Behörde durchgeführt wird, nach anderen Rechtsvorschriften keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde, so ist es der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese kann die Durchführung des Projekts zeitlich befristen oder anderweitig beschränken, um die Einhaltung der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 sicherzustellen. Trifft die Behörde innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige keine Entscheidung, kann mit der Durchführung des Projekts begonnen werden. Wird mit der Durchführung eines Projekts ohne die erforderliche Anzeige begonnen, kann die Behörde die vorläufige Einstellung anordnen. Liegen im Fall des Absatzes 2 die Voraussetzungen der Absätze 3 bis 5 nicht vor, hat die Behörde die Durchführung des Projekts zu untersagen. Die Sätze 1 bis 5 sind nur insoweit anzuwenden, als Schutzvorschriften der Länder, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten.

(7) Für geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 sind die Absätze 1 bis 6 nur insoweit anzuwenden, als die Schutzvorschriften, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten. Die Verpflichtungen nach Absatz 4 Satz 2 zur Beteiligung der Kommission und nach Absatz 5 Satz 2 zur Unterrichtung der Kommission bleiben unberührt.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten mit Ausnahme von Bebauungsplänen, die eine Planfeststellung ersetzen, nicht für Vorhaben im Sinne des § 29 des Baugesetzbuches in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuches und während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuches.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein im Land Hessen anerkannter Naturschutzverein, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der Bundesautobahn A 44 Kassel - Herleshausen im Teilabschnitt Anschlussstelle Hessisch Lichtenau-Ost bis Hasselbach (VKE 32).

2

Die neue Autobahn soll eine Lücke im Autobahnnetz auf der Achse Ruhrgebiet-Kassel-Dresden zwischen der A 7 bei Kassel und der A 4 bei Eisenach schließen. Die Gesamtplanung gliedert sich in zehn als Verkehrskosteneinheiten (VKE) bezeichnete Planungsabschnitte. Die westlich an die VKE 32 anschließende VKE 31 steht bereits unter Verkehr, die daran nach Westen anschließende VKE 20 ist in Bau. Für die noch weiter westlich gelegene VKE 12 und die VKE 33, den östlichen Folgeabschnitt der VKE 32, sind Planfeststellungsbeschlüsse ergangen, die noch keine Bestandskraft erlangt haben.

3

Die Trasse der VKE 32 verläuft auf einer Länge von 4,3 km mit zwei Fahrstreifen pro Richtungsfahrbahn im Tal der Wehre über das Gebiet der Städte Hessisch Lichtenau und Waldkappel. Im östlichen Anschluss an die VKE 31 folgt sie zunächst leicht nördlich versetzt der vorhandenen B 7, unterfährt den Ort Küchen in einem Tunnel und wird sodann wieder gebündelt mit der B 7 bis zum Bauende östlich von Hasselbach geführt. Dort ist zunächst ein provisorischer Anschluss an die B 7 geplant.

4

Die A 44 zwischen Kassel und Eisenach gehört zu den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit. Der Fernstraßenbedarfsplan weist sie als vierstreifige Autobahn der Kategorie "vordringlicher Bedarf" aus. Außerdem ist sie in das Leitschema des transeuropäischen Verkehrsnetzes aufgenommen worden.

5

Die geplante Trasse verläuft in der Nähe mehrerer FFH-Gebiete und eines Europäischen Vogelschutzgebiets, ohne diese Gebiete unmittelbar zu berühren. Auf nahezu gesamter Länge wird sie in einem Korridor zwischen Teilen des FFH-Gebiets D 4825-302 "Werra- und Wehretal" geführt, an das sie bis auf 120 m heranreicht. Dieses Gebiet mit einer Fläche von über 24 000 ha wird durch die Täler der Werra, Wehre und Sontra, die ihm nicht angehören, in eine Reihe von Teilgebieten gegliedert. Unter Schutz gestellt sind vor allem zusammenhängende Waldflächen mit den Lebensraumtypen Hainsimsen-Buchenwald und Waldmeister-Buchenwald. Das Gebiet ist in mehreren Tranchen an die Europäische Kommission gemeldet worden, die es am 7. Dezember 2004 in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen hat. Die Gebietsmeldung diente dem verwendeten Standard-Datenbogen zufolge in erster Linie dem Ziel, den bestehenden Laubholzanteil als Lebensraum für die im Gebiet ansässigen Fledermausarten Großes Mausohr und Bechsteinfledermaus zu erhalten. Nachdem festgestellt worden war, dass die Gebietsgrenzen am Rande des Wehretals zusammenhängende Waldflächen durchschneiden, wurde das Gebiet durch die Verordnung über die Natura-2000-Gebiete in Hessen vom 16. Januar 2008 (GVBl I S. 30) in erweiterten, näher an die Trasse heranreichenden Grenzen ausgewiesen. Die Gebietserweiterung ist noch nicht an die Europäische Kommission gemeldet worden. Südwestlich der geplanten Trasse liegt das FFH-Gebiet DE 4824-301 "Reichenbacher Kalkberge" mit ausgedehnten Kalk-Buchenwäldern. Zu den Schutzgegenständen dieses Gebiets gehören u.a. mehrere Buchenwaldtypen, prioritäre Erlen-Eschen-Auenwälder, kalkreiche Niedermoore und prioritäre Kalktuffquellen. Als Ersatz für einen durch den Bau des Tunnels Küchen entfallenden Trinkwasserbrunnen soll in diesem Gebiet ein neuer Trinkwasserbrunnen angelegt werden. Im Zuge der Erweiterung des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" ist eine vorher zum FFH-Gebiet "Reichenbacher Kalkberge" gehörende Waldfläche von ca. 32 ha dem erstgenannten Gebiet angegliedert worden. Nördlich der Trasse liegt das bis auf 500 m an sie heranreichende Vogelschutzgebiet "Meißner", das sich teilweise mit Flächen des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" deckt. In diesem Gebiet nisten u.a. Schwarzstörche.

6

Das Bundesministerium für Verkehr bestimmte mit Erlass vom 15. Dezember 1998 die Linie der A 44, die weitgehend der heutigen Vorzugsvariante entspricht.

7

Auf Antrag des Amtes für Straßen- und Verkehrswesen Kassel vom 18. Mai 2001 leitete das Regierungspräsidium Kassel das Planfeststellungsverfahren ein. Der Kläger machte von der ihm eingeräumten Gelegenheit zur Äußerung mit Schreiben vom 21. Juli 2001 fristgerecht Gebrauch. Seine Einwendungen, mit denen er u.a. eine fehlerhafte Trassenwahl, eine unzureichende Berücksichtigung der Schutzgebiete und eine mangelnde Untersuchung verschiedener Tierarten rügte, konnten im Erörterungstermin am 5./7. Februar 2002 nicht ausgeräumt werden.

8

In der Folgezeit brachte der Vorhabenträger eine überarbeitete Fassung des landschaftspflegerischen Begleitplans, Verträglichkeitsprüfungen für die FFH-Gebiete "Werra- und Wehretal" und "Reichenbacher Kalkberge" sowie einen artenschutzrechtlichen Fachbeitrag zum landschaftspflegerischen Begleitplan in das Verfahren ein. Das Regierungspräsidium Kassel führte daraufhin ein ergänzendes Anhörungsverfahren durch, in dem es den Kläger durch Übersendung der geänderten Planunterlagen beteiligte. Der Kläger machte von der ihm unter Hinweis auf den Ausschluss verspäteter Einwendungen eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme mit Schreiben vom 10. April 2006 fristgerecht Gebrauch. Er erhob im Wesentlichen folgende Einwendungen: Die Planung berücksichtige nur ungenügend die Belange des Vogelschutzes. Sie verkenne, dass das Lichtenauer Becken ein faktisches Vogelschutzgebiet sei. Außerdem sei eine Verträglichkeitsprüfung für das Vogelschutzgebiet "Meißner" fehlerhaft unterblieben. Die Verträglichkeitsprüfung für das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" sei unzureichend. Für die von dem Vorhaben betroffenen Fledermausarten seien keine ausreichenden Daten erhoben worden. Die Ermittlung und Bewertung der Beeinträchtigungen leide in vielfacher Hinsicht an Fehlern. So seien die Flächenverluste von Jagdhabitaten des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus falsch berechnet und unzureichend gewichtet worden. Auswirkungen von Kollisionen, Lichtreizen sowie Lärm- und Schadstoffeinträgen auf diese Arten seien unterschätzt worden. Die gebotene Berücksichtigung abschnittsübergreifender Wirkungen im Rahmen einer Verträglichkeitsprüfung für den gesamten Planungsraum sei unterblieben. Unzureichend sei auch die Verträglichkeitsprüfung für das Gebiet "Reichenbacher Kalkberge". Die hydrologischen Auswirkungen des geplanten Ersatzbrunnens auf mehrere grundwasserabhängige Schutzgegenstände des Gebiets seien nicht berücksichtigt worden. Ferner leide die artenschutzrechtliche Beurteilung in vielfacher Hinsicht an Mängeln. Am 7. und 9. November 2006 fand ein Erörterungstermin statt, in dem die Einwendungen des Klägers nicht ausgeräumt wurden.

9

In der Folgezeit holte der Vorhabenträger gutachtliche Stellungnahmen zu den Auswirkungen der vorgesehenen, in den Verträglichkeitsprüfungen noch nicht berücksichtigten Änderungen der FFH-Gebiete "Werra- und Wehretal" und "Reichenbacher Kalkberge" sowie eine Ergänzung zum artenschutzrechtlichen Fachbeitrag ein. Auch hierzu nahm der Kläger innerhalb der ihm eingeräumten Frist Stellung. Er wandte insbesondere ein, die Gebietserweiterungen beträfen nur einen kleinen Teil der von den Fledermäusen bevorzugt bejagten Habitate und seien daher unvollständig. Der artenschutzrechtliche Fachbeitrag gehe nach wie vor von zu geringen Betroffenheiten aus; namentlich sei der Luchs völlig übersehen worden.

10

Mit Beschluss vom 16. November 2007 stellte der Beklagte den Plan für den Neubau der A 44 im Abschnitt der VKE 32 fest. In dem Beschluss wurden Befreiungen von artenschutzrechtlichen Verboten für das Große Mausohr, die Bechsteinfledermaus, die Haselmaus, die Schlingnatter sowie 52 europäische Vogelarten erteilt.

11

Zu den planfestgestellten Unterlagen gehören der landschaftspflegerische Begleitplan und die Verträglichkeitsprüfung für das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" in der Fassung vom 25. November 2005. Der landschaftspflegerische Begleitplan sieht insbesondere eine Reihe von Maßnahmen vor, die dem Schutz von Fledermäusen dienen. Um die Querpassierbarkeit der Trasse zu erhöhen und Immissionen zu mindern, soll der Tunnel Küchen in einen Wechselbereich der Bechsteinfledermaus hinein verlängert werden. Östlich des Tunnels sind zwei Grünbrücken und ein Bachdurchlass als Querungshilfen für Fledermäuse vorgesehen. Ergänzt werden diese Querungshilfen durch Irritationsschutzwände, Fledermaussperr- und -leiteinrichtungen sowie Schutz- und Leitpflanzungen. Die Verträglichkeitsprüfung, die für die VKE 32 bis 50 insgesamt durchgeführt worden ist, kommt zu dem Ergebnis, erhebliche Gebietsbeeinträchtigungen seien nicht zu besorgen, weil Eingriffe durch die geplanten Schutzmaßnahmen weitestgehend vermieden bzw. stark vermindert würden. Zwar seien Jagdhabitate und Hauptflugrouten bzw. Wechselbereiche des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus betroffen. Jagdhabitatverluste dieser bevorzugt im Wald jagenden Arten träten aber nur gebietsextern auf; selbst wenn man die Verluste an den gebietsintern anwendbaren Maßstäben messe, blieben sie unter der Erheblichkeitsschwelle. Die Funktionalität der von der Trasse zerschnittenen bedeutenden Flugrouten und Wechselbereiche werde durch die planfestgestellten Schutzmaßnahmen gewahrt. Diese gewährleisteten auch einen hinreichenden Kollisionsschutz für die Tiere. Ferner würden keine zum Gegenstand von Erhaltungszielen gewordenen Lebensräume erheblich beeinträchtigt. Die als Beurteilungsmaßstab für deren Stickstoffbelastung zugrunde zu legenden Critical Loads würden bereits im Nullfall überschritten. Projektbedingte Zusatzdepositionen in Höhe der Critical-Load-Werte würden auf den Flächen der geschützten Lebensräume nicht erreicht.

12

Die Einwendungen des Klägers wies der Beschluss zurück: Das Vorhaben stehe mit dem Habitatschutzrecht in Einklang. Das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" sei jedenfalls nach der Gebietserweiterung anhand des fachlich fundierten Abgrenzungskriteriums der (Laub-)Wald-/Feldgrenze zutreffend abgegrenzt. Die Verträglichkeitsprüfung habe die Flächen der damals noch nicht vollzogenen Gebietserweiterung als faktische FFH-Gebiete berücksichtigt. Die Auswirkungen des Vorhabens auf das Schutzgebiet seien in der Verträglichkeitsprüfung sorgfältig ermittelt und bewertet worden; Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele seien danach nicht zu besorgen. Das Projekt sei auch verträglich mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets "Reichenbacher Kalkberge". Beeinträchtigungen grundwasserabhängiger Lebensräume, die unter die Erhaltungsziele des Gebiets fielen, seien aufgrund der hydrogeologischen Verhältnisse und der geplanten Abdichtung des Ersatzbrunnens ausgeschlossen. Einer Verträglichkeitsprüfung für das Vogelschutzgebiet "Meißner" habe es nicht bedurft. Die Entfernung des Schutzgebiets von der Trasse sei so groß, dass Auswirkungen auf die Gebietsflächen ausgeschlossen seien. Ebenso wenig seien Störungen funktionaler Beziehungen dieses Gebiets zu anderen europäischen Schutzgebieten zu besorgen. Es treffe nicht zu, dass das Lichtenauer Becken ein faktisches Vogelschutzgebiet sei. Das Artenschutzrecht stelle gleichfalls kein Zulassungshindernis dar. Soweit das Vorhaben artenschutzrechtliche Verbotstatbestände verwirkliche, würden Befreiungen erteilt, deren Voraussetzungen gegeben seien.

13

Am 21. Januar 2008 hat der Kläger gegen den durch Auslegung vom 7. bis 21. Dezember 2007 öffentlich bekannt gemachten Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben.

14

Prozessbegleitend hat der Beklagte ein Änderungsverfahren mit dem Ziel durchgeführt, ein Monitoring- und Risikomanagementkonzept anzuordnen. Der Kläger ist hierzu beteiligt worden. Nachträglich hat der Beklagte weitere Themenkomplexe, darunter die Ermittlung und Beurteilung von Stickstoffdepositionen, in das Verfahren einbezogen.

15

Durch Planergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2009 hat er dem Planfeststellungsbeschluss Nebenbestimmungen beigefügt. Sie betreffen vor allem ein Monitoring der planfestgestellten Schutzmaßnahmen für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus, ein Monitoring der Bestandsentwicklung der Kolonien dieser Arten sowie den Vorbehalt nachträglicher Korrekturmaßnahmen nach Maßgabe der Monitoringergebnisse. Außerdem ist der Planfeststellungsbeschluss um zusätzliche nachrichtliche Planunterlagen ergänzt worden, darunter die "Konsolidierte Fassung der im Zusammenhang mit den Planungen der Teilstücke VKE 40.1 und 40.2 aktualisierten Verträglichkeitsprüfung für das Gebiet 'Werra- und Wehretal'" vom 24. August 2009. Zur Begründung wird im Planergänzungsbeschluss im Wesentlichen ausgeführt: Die ergänzenden Nebenbestimmungen für ein Risikomanagement seien aus Gründen der Vorsorge getroffen worden, obgleich erhebliche Beeinträchtigungen des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus schon nach dem Schutzkonzept des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses ausgeschlossen seien. Sollte sich diese positive Prognose nach den Monitoringergebnissen nicht bewahrheiten, ließen sich mit den vorgesehenen Korrekturmaßnahmen erhebliche Gebietsbeeinträchtigungen zuverlässig ausschließen. Die ergänzend durchgeführten Untersuchungen zu Stickstoffdepositionen bestätigten im Ergebnis die Annahme, dass erhebliche Beeinträchtigungen geschützter Lebensräume auch unter diesem Aspekt ausgeschlossen seien. Die ermittelten Zusatzbelastungen seien so gering, dass sie mit bis zu 3 % der Critical Loads weit unter der Signifikanzschwelle der einschlägigen Vollzugshilfe des Landesumweltamts Brandenburg von 10 % der Critical Loads blieben. Die konsolidierte Fassung der Verträglichkeitsprüfung berücksichtige, soweit sie die VKE 32 betreffe, fachliche Stellungnahmen, die die ursprüngliche Verträglichkeitsprüfung ergänzten und teils zum Gegenstand einer Beteiligung der Träger öffentlicher Belange gemacht, teils in das verwaltungsgerichtliche Verfahren eingeführt worden seien.

16

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss nochmals um Schutzauflagen ergänzt.

17

Zur Begründung seiner Klage wiederholt und vertieft der Kläger seine im Planfeststellungsverfahren erhobenen Einwendungen. Ergänzend macht er im Wesentlichen geltend: Zu der durch den Planergänzungsbeschluss als nachrichtliche Planunterlage einbezogenen aktualisierten Fassung der Verträglichkeitsprüfung für das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" sei er nicht angehört worden. Durch diese Unterlage sei die zur Grundlage der Planfeststellung gemachte Verträglichkeitsprüfung in ihrer ursprünglichen Fassung überholt. Das nachträglich angeordnete Konzept eines Risikomanagements sei zu unbestimmt und überdies lückenhaft. Der Planergänzungsbeschluss beurteile ebenso wie schon der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss die Stickstoffbelastung habitatrechtlich geschützter Waldflächen im FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" fehlerhaft. Umfang und Stärke der Belastung seien unzutreffend ermittelt worden. Für Irrelevanzschwellen der Zusatzbelastung, wie sie der Beklagte zugrunde legen wolle, gebe es keine Rechtfertigung.

18

Der Kläger beantragt,

den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 16. November 2007 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2009 und der in der mündlichen Verhandlung vom 10. und 11. März 2010 vorgenommenen Ergänzungen und Klarstellungen aufzuheben.

19

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

20

Er verteidigt den Planfeststellungsbeschluss in der ergänzten Fassung.

Entscheidungsgründe

21

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Planfeststellungsbeschluss, der in der Fassung gilt und angefochten ist, die er durch den Planergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2009 und die in der mündlichen Verhandlung erklärten Ergänzungen und Klarstellungen erhalten hat, leidet an keinem zur Aufhebung des Beschlusses oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führenden Rechtsfehler. Er verstößt nicht in einer diese Rechtsfolgen rechtfertigenden Weise gegen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes 2002, gegen Vorschriften, die aufgrund oder die im Rahmen dieses Gesetzes erlassen worden sind oder fortgelten, oder gegen andere Rechtsvorschriften, die bei Erlass der Entscheidung zu beachten waren und zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind (vgl. § 61 Abs. 2 BNatSchG 2002).

22

A. Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht mit formellen Mängeln behaftet, welche dem Klagebegehren ganz oder teilweise zum Erfolg verhelfen würden.

23

Allerdings hat der Beklagte den Kläger in dem von ihm durchgeführten vereinfachten Änderungsverfahren nach § 17d FStrG i.V.m. § 76 Abs. 3 VwVfG nicht ausreichend beteiligt. Wenngleich diese Verfahrensart nicht die Durchführung eines Anhörungsverfahrens nach § 17a FStrG i.V.m. § 73 VwVfG erforderte, musste der Beklagte den Kläger als anerkannten Naturschutzverein nach Maßgabe der einschlägigen naturschutzrechtlichen Bestimmungen beteiligen (vgl. Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 76 Rn. 28). Dies ist nur ungenügend geschehen. Der Kläger hatte zwar Gelegenheit, zu den vom Vorhabenträger beantragten Ergänzungen des Fledermausschutzkonzepts Stellung zu nehmen. Zu den nachträglich in das Änderungsverfahren eingebrachten Untersuchungen der Stickstoffdepositionen, auf deren Grundlage der Beklagte im Planergänzungsbeschluss die Auswirkungen dieser Depositionen auf habitatrechtlich geschützte Lebensräume neu bewertet hat, ist dem Kläger aber keine Möglichkeit zur Äußerung eingeräumt worden.

24

Von einer Beteiligung zu dieser Problematik konnte nicht nach § 48 Abs. 2 des Hessischen Naturschutzgesetzes - HENatG - vom 4. Dezember 2006 (GVBl I S. 619) abgesehen werden. Unabhängig davon, dass eine Entscheidung, von dieser Möglichkeit Gebrauch machen zu wollen, in dem Planergänzungsbeschluss keinen Ausdruck gefunden hat, hätte sie vorausgesetzt, dass keine oder nur geringfügige Auswirkungen auf Natur und Landschaft zu erwarten waren. Bezogen auf Auswirkungen auf FFH-Gebiete ist eine solche Erwartung angesichts des für diese Gebiete geltenden strengen Schutzregimes nur dann gerechtfertigt, wenn und soweit schon aufgrund einer bloßen Vorprüfung keine erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets zu besorgen sind. Geht es hingegen - wie hier - um Untersuchungen, die Bestandteile von Verträglichkeitsprüfungen sind, so kann die Bagatellregelung des § 48 Abs. 2 HENatG nicht zum Tragen kommen.

25

Der Beteiligungsmangel ist aber unerheblich (vgl. § 17e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FStrG i.V.m. § 46 VwVfG). Der Kläger hat von den Ergebnissen der neuen Untersuchungen, auf die der Beklagte seine Beurteilung der Stickstoffdepositionen stützt, im Klageverfahren Kenntnis erlangt und sich damit schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung auseinandergesetzt. Der Beklagte hat seinerseits unter Hinweis auf die fachliche Einschätzung seiner Gutachter klar zum Ausdruck gebracht, dass er die in diesem Rahmen vorgebrachten Einwände des Klägers als nicht stichhaltig erachtet und in ihnen keinen Anlass sieht, von seiner Beurteilung abzurücken. Angesichts dessen fehlt es an der konkreten Möglichkeit, dass die behördliche Entscheidung nach ordnungsgemäßer Beteiligung des Klägers in der Sache anders ausgefallen wäre.

26

B. Der Planfeststellungsbeschluss leidet auch nicht an materiellen Rechtsfehlern, auf die sich die Klage stützen ließe.

27

1. Soweit es darauf für das Klagebegehren ankommt, steht der Beschluss in Einklang mit den Vorschriften, die dem Schutz von FFH-Gebieten und Europäischen Vogelschutzgebieten dienen. Nach § 34 HENatG, mit dem Art. 6 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl EG Nr. L 206 S. 7 - Habitatrichtlinie - FFH-RL) umgesetzt worden ist, sind Projekte vor ihrer Zulassung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura-2000-Gebietes zu überprüfen. Sie dürfen nach § 34 Abs. 2 HENatG grundsätzlich nur zugelassen werden, wenn die Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass das Projekt nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen eines solchen Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Hinsichtlich der Gebiete, für die das Vorhaben Verträglichkeitsprüfungen unterzogen worden ist, ist der Beklagte unter Berücksichtigung der Prüfungsergebnisse zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, erhebliche Beeinträchtigungen seien nicht zu besorgen. Für weitere Gebiete bedurfte es schon keiner Verträglichkeitsprüfungen.

28

a) Für das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" ist eine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden. Nach deren Ergebnissen durfte der Beklagte davon ausgehen, dass das Vorhaben mit den Erhaltungszielen des Gebiets verträglich ist.

29

aa) Bei seiner im Planfeststellungsbeschluss vom 16. November 2007 vorgenommenen Verträglichkeitsbeurteilung hat sich der Beklagte auf die zu den planfestgestellten Unterlagen gehörende Verträglichkeitsprüfung vom 25. November 2005 und die sie ergänzende Stellungnahme vom September 2007 zu den Auswirkungen der vorgesehenen Gebietsveränderung auf das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung gestützt. Entgegen der Auffassung des Klägers wird die Eignung dieser Unterlagen als Beurteilungsgrundlage nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Verträglichkeitsprüfung inzwischen in einer aktualisierten Fassung vom 24. August 2009 vorliegt, die im Planergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2009 als nachrichtliche Unterlage aufgeführt ist. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist grundsätzlich der Erlass des Planfeststellungsbeschlusses. In diesem Zeitpunkt war die Ursprungsfassung der Verträglichkeitsprüfung mit der Ergänzung vom September 2007 aktuell. Auf den Zeitpunkt eines Planergänzungsbeschlusses ist allenfalls insoweit abzustellen, als er bestimmte Probleme einer Neubewertung unterzieht. Das ist hier nur für die Stickstoffbelastung habitatrechtlich geschützter Lebensräume geschehen, für die der Beklagte im Ergänzungsbeschluss folgerichtig zwischenzeitlich ergänzend durchgeführte Ermittlungen und gewonnene Erkenntnisse verarbeitet hat, die in die aktualisierte Fassung der Verträglichkeitsprüfung eingegangen sind. Die Beurteilung im Übrigen war hingegen nicht Gegenstand des Ergänzungsbeschlusses, so dass es für die Frage der Aktualität der Beurteilungsgrundlagen insoweit nicht auf dessen Erlasszeitpunkt ankommen konnte. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Aktualisierung der Verträglichkeitsprüfung vor allem andere Abschnitte des Gesamtprojekts der A 44 betrifft, während sie für die VKE 32 - abgesehen von den Angaben zur Stickstoffbelastung - keine erheblichen tatsächlichen Veränderungen oder veränderten Erkenntnisse aufzeigt, die für die Beurteilung der Verträglichkeit des Vorhabens von Bedeutung sein könnten.

30

bb) Das Vorhaben ist in der Verträglichkeitsprüfung an den für das FFH-Gebiet maßgeblichen Erhaltungszielen gemessen worden. Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des jeweiligen Gebiets zu überprüfen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 HENatG); ist das Gebiet bereits durch eine Natura-2000-Verordnung des Landes als Schutzgebiet ausgewiesen, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften (§ 34 Abs. 1 Satz 2 HENatG). Da bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses eine solche Verordnung noch nicht ergangen war, musste auf die Erhaltungsziele abgestellt werden. § 3 Satz 2 Nr. 3 HENatG definiert die Erhaltungsziele als Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der natürlichen Lebensräume und Arten nach den Anhängen I und II der Habitatrichtlinie sowie der Vogelarten nach Anhang I der Richtlinie79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl EG Nr. L 103 S. 1 - Vogelschutzrichtlinie - VRL), für die das Gebiet bestimmt ist. Die Erhaltungsziele sind zu ermitteln durch Auswertung der zur Vorbereitung der Gebietsmeldung gefertigten Standard-Datenbögen, in denen die Merkmale des Gebiets beschrieben werden, die aus nationaler Sicht erhebliche ökologische Bedeutung für das Ziel der Erhaltung der natürlichen Lebensräume und Arten haben (Urteile vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 und vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 ). Die Verträglichkeitsprüfung ist in dieser Weise vorgegangen und hat die im Standard-Datenbogen mit signifikanten Vorkommen im Gebiet vertretenen Lebensräume des Anhangs I und Arten des Anhangs II der Habitatrichtlinie als Gegenstände von Erhaltungszielen zugrundegelegt. Die besondere Bedeutung, die den großen, zusammenhängenden Buchenwaldbeständen der Gebietsteile laut Standard-Datenbogen als Jagdhabitat für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus zukommt, ist dabei ausdrücklich berücksichtigt worden.

31

cc) Der Verträglichkeitsprüfung ist ein zutreffender räumlicher Umgriff zugrundegelegt worden. Sie erstreckt sich auf das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" in seinen bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses festgelegten Grenzen und bezieht zusätzlich die Flächen der damals noch nicht umgesetzten Gebietserweiterung sowie gebietsexterne Funktionsbeziehungen zwischen den Teilgebieten ein. Dieser räumliche Umgriff war einerseits ausreichend, um alle relevanten Auswirkungen in den Blick nehmen zu können, andererseits aber auch geboten, so dass die gerichtliche Überprüfung keinen der genannten Teilbereiche aussparen kann. Soweit die Verträglichkeitsprüfung darüber hinaus hilfsweise gebietsexterne Jagdhabitate des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus berücksichtigt hat, war dies hingegen rechtlich nicht geboten mit der Folge, dass Auswirkungen auf diese die Verträglichkeit des Projekts nicht in Frage stellen können.

32

(1) Das Schutzregime des Art. 6 FFH-RL beschränkt sich flächenmäßig grundsätzlich auf das FFH-Gebiet in seinen administrativen Grenzen. Das Schutzkonzept der Habitatrichtlinie beruht auf zwei Säulen, nämlich zum einen dem ubiquitären Artenschutz (Art. 12 FFH-RL) und zum andern dem besonderen Gebietsschutz (Art. 6 FFH-RL). Letzterer knüpft an die Unterschutzstellung einer bestimmten Fläche an. Dementsprechend definiert Art. 1 FFH-RL unter Buchstabe j ein "Gebiet" als "einen geographisch definierten Bereich mit klar abgegrenzter Fläche" und unter Buchstabe l ein "besonderes Schutzgebiet" als "ein... ausgewiesenes Gebiet, in dem die Maßnahmen, die zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der natürlichen Lebensräume und/oder Populationen der Arten, für die das Gebiet bestimmt ist, erforderlich sind, durchgeführt werden". Das schließt aus, den Gebietsschutz mit Blick auf Folgewirkungen von Beeinträchtigungen gebietsexterner Flächen über die Gebietsgrenzen auszudehnen. Deshalb wäre es verfehlt, gebietsexterne Flächen, die von im Gebiet ansässigen Vorkommen geschützter Tierarten zur Nahrungssuche genutzt werden, in den Gebietsschutz einzubeziehen. Sind die dem Gebietsschutz unterfallenden Vorkommen auf die betreffenden gebietsexternen Nahrungshabitate zwingend angewiesen, um in einem günstigen Erhaltungszustand zu verbleiben, so ist das Gebiet, wie noch auszuführen sein wird, im Regelfall des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 FFH-RL, falsch abgegrenzt und muss auf diese Nahrungshabitate ausgedehnt werden. Dagegen wäre es systemwidrig, die Habitate losgelöst von der Gebietsabgrenzung als durch die Erhaltungsziele des Gebiets mitumfasst zu behandeln.

33

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das Konzept des Gebietsschutzes sich auf die Errichtung eines Schutzgebietsnetzes richtet. Der angestrebten Vernetzung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass geschützte Arten in isolierten Reservaten insbesondere wegen des notwendigen genetischen Austauschs, oft aber auch wegen ihrer Lebensgewohnheiten im Übrigen nicht auf Dauer erhalten werden können. Deshalb ist der Schutz der Austauschbeziehungen zwischen verschiedenen Gebieten und Gebietsteilen unverzichtbar. Beeinträchtigungen dieser Austauschbeziehungen, z.B. durch Unterbrechung von Flugrouten und Wanderkorridoren, unterfallen mithin dem Schutzregime des Gebietsschutzes (so bereits Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 36).

34

Besonderheiten ergeben sich, wenn Gebiete, die nach ihren Eigenschaften in die Kommissionsliste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 3 FFH-RL aufgenommen werden könnten oder gar müssten, diesen Status noch nicht erlangt haben oder in dieser Liste enthaltene Gebiete fehlerhaft zu klein abgegrenzt worden sind. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urteile vom 13. Januar 2005 - Rs. C-117/03 - Slg. 2005, I-00167 und vom 14. September 2006 - Rs. C-244/05 - Slg. 2006, I-08445 ) müssen die in Art. 6 FFH-RL vorgesehenen Schutzmaßnahmen nur für die Gebiete getroffen werden, die in die Kommissionsliste eingetragen sind. Für Gebiete, die zwar von den Mitgliedstaaten gemeldet, aber noch nicht gelistet worden sind, gelten hingegen andere Maßgaben. Gemeinschaftsrechtlich sind für sie "geeignete Schutzmaßnahmen" geboten, "um die ökologischen Merkmale dieser Gebiete zu erhalten" (Urteil vom 14. September 2006 a.a.O. Rn. 44). Erläuternd heißt es hierzu in dem zuletzt zitierten Urteil (a.a.O. Rn. 46), die Mitgliedstaaten dürften keine Eingriffe zulassen, die die ökologischen Merkmale des Gebiets ernsthaft beeinträchtigen könnten; dies gelte insbesondere dann, wenn ein Eingriff die Fläche des Gebiets wesentlich verringern oder zum Verschwinden von in dem Gebiet vorkommenden prioritären Arten führen oder aber die Zerstörung des Gebiets oder die Beseitigung seiner repräsentativen Merkmale zur Folge haben könnte. Diese Erläuterung zeigt, dass das von den Mitgliedstaaten vor der Gebietslistung zu gewährleistende Schutzregime hinter den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zurückbleiben darf. Die anwendbaren Verfahrensmodalitäten bestimmen sich nach dem innerstaatlichen Recht, dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als die, die für gleichartige innerstaatliche Situationen gelten (Urteil vom 14. September 2006 a.a.O. Rn. 50).

35

Diese Grundsätze finden in gleicher Weise Anwendung, soweit es um Flächen geht, deren Einbeziehung in ein bereits gelistetes Gebiet in Rede steht. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Gebietserweiterung der Kommission bereits vorgeschlagen worden ist oder ob dies noch nicht geschehen ist, die Nachmeldung sich aber aufdrängt. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat über diese Fallgestaltungen zwar bisher nicht entschieden; es gibt aber keine stichhaltigen Gründe, sie abweichend zu behandeln.

36

Hiernach ist es gemeinschaftsrechtlich zulässig, für gemeldete oder zu meldende Erweiterungsflächen weniger strenge Schutzanforderungen zu stellen als für die Flächen des gelisteten Gebiets. Als Mittel dazu kommt grundsätzlich - als Regelung für vergleichbare innerstaatliche Situationen - eine vorläufige Unterschutzstellung der betreffenden Flächen in Betracht, die den Schutzstandard näher umschreibt. Für das Land Hessen scheidet diese Möglichkeit aber in entsprechender Anwendung des § 3 Satz 2 Nr. 5 HENatG aus. Nach dieser Vorschrift gehören auch die gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 bis 3 BNatSchG 2002 an die Kommission gemeldeten, aber noch nicht gelisteten Gebiete zu den Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung, für die das Schutzregime der §§ 33 und 34 HENatG gilt. Die Zielrichtung der Vorschrift, den Gebietsschutz auf Flächen auszudehnen, deren Listung als möglich oder sogar sicher erscheint, passt für Gebiete und Gebietsteile, die noch nicht gemeldet sind, deren Meldung sich aber aufdrängt, gleichermaßen wie für gemeldete Gebiete. Für sie findet somit nach hessischem Landesrecht das Schutzregime der habitatrechtlichen Regelungen Anwendung.

37

(2) Nach diesen Grundsätzen musste die Verträglichkeitsprüfung über das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" in seinen bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geltenden Grenzen hinaus ausgedehnt werden. Zusätzlich einzubeziehen waren die Flächen, um die das Gebiet nachträglich durch die hessische Natura-2000-Verordnung erweitert worden ist, nicht dagegen auch die Flächen, die nach Auffassung des Klägers wegen ihrer Funktion als Jagdhabitate des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus dem Gebiet hätten zusätzlich angegliedert werden müssen.

38

Die Maßstäbe für die Gebietsabgrenzung ergeben sich aus Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Phase 1 FFH-RL. Diese Regelung findet nicht nur für die Identifizierung von FFH-Gebieten, sondern auch für deren konkrete Abgrenzung Anwendung (Urteile vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <156> und vom 17. Mai 2002 - BVerwG 4 A 28.01 - BVerwGE 116, 254 <258>). Maßgebend sind ausschließlich die in Anhang III Phase 1 genannten naturschutzfachlichen Kriterien; Erwägungen, die auf Interessen gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Art abstellen, sind nicht statthaft (Urteile vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <24> und vom 27. Oktober 2000 a.a.O. S. 156; ebenso für die Gebietsauswahl durch die Mitgliedstaaten EuGH, Urteil vom 7. November 2000 - Rs. C-371/98 - Slg. 2000, I-09235). Für die Anwendung der Kriterien ist den zuständigen Stellen ein fachlicher Beurteilungsspielraum eingeräumt; zwingend ist eine Gebietsmeldung nur, wenn und soweit die fraglichen Flächen die von der Habitatrichtlinie vorausgesetzte ökologische Qualität zweifelsfrei aufweisen (Urteile vom 31. Januar 2002 - BVerwG 4 A 15.01 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 168 S. 102 und vom 22. Januar 2004 - BVerwG 4 A 4.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 4 S. 31). Dementsprechend dürfen Gebietsteile, die den Auswahlkriterien zweifelsfrei entsprechen, bei der Gebietsmeldung nicht ausgespart werden (Urteil vom 17. Mai 2002 a.a.O. S. 258).

39

Ist die Phase 2 des Auswahlverfahrens abgeschlossen, ein FFH-Gebiet also wie das hier betroffene Gebiet "Werra- und Wehretal" bereits von der Kommission in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden, so sind an die Darlegung einer fehlerhaften Gebietsabgrenzung allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Für eine gerichtliche Prüfung ist zwar weiterhin Raum (offengelassen im Beschluss vom 13. März 2008 - BVerwG 9 VR 9.07 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 33 Rn. 22), da sich trotz der Fachkunde der mit dem Auswahlprozess betrauten Stellen Fehleinschätzungen nie völlig ausschließen lassen und die dynamische Entwicklung der Natur zu veränderten Verhältnissen führen kann. Mit Rücksicht auf die durch den Auswahlprozess verbürgte hohe Richtigkeitsgewähr der Gebietsabgrenzung bedürfen Einwände gegen die Sachgerechtigkeit der Abgrenzung aber einer besonderen Substantiierung (Beschluss vom 13. März 2008 a.a.O.).

40

Nach diesem Maßstab ist die bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 16. November 2007 geltende Gebietsabgrenzung im Einwirkungsbereich der VKE 32 korrekturbedürftig gewesen. Die nachträglich in das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" einbezogenen Erweiterungsflächen entsprechen unter Zugrundelegung der Erhaltungsziele des Gebiets zweifelsfrei den maßgeblichen Auswahlkriterien. In Anbetracht der besonderen Bedeutung, die nach dem Standard-Datenbogen dem Erhalt der großen, zusammenhängenden Laubwaldbestände als Lebensraum für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus bei der Gebietsauswahl beigemessen wurde, war es fachlich zwingend geboten, größere zusammenhängende Laubwaldbestände insgesamt unter Schutz zu stellen. Dem widersprach die Gebietsabgrenzung, die das Abgrenzungskriterium der (Laub-)Wald-/Feldgrenze nicht konsequent durchgehalten und Anteile am zusammenhängenden Laubwald in Gestalt der späteren Erweiterungsflächen südlich der Ortschaft Küchen (Langer Berg), nordöstlich von Hasselbach (Beerberg) und westlich von Waldkappel (Wehrberg) ohne ersichtlichen Grund aus dem Gebiet ausgegrenzt hat. Hierzu gehört auch eine bisher dem FFH-Gebiet "Reichenbacher Kalkberge" zugehörige Waldfläche zwischen dem FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" und der Erweiterungsfläche Langer Berg, die die Verbindung zwischen beiden bildet. Da diese erst nachträglich hinzugekommenen Flächen - wie in einer Stellungnahme des Hessischen Ministeriums für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz vom 5. September 2007 ausdrücklich eingeräumt - nach Lage und Funktion integrale Bestandteile des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" darstellen, bestand insoweit im Erlasszeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses ein sich aufdrängender Korrekturbedarf.

41

Die Einbeziehung weiterer für die Beurteilung des Vorhabens relevanter Flächen in das Gebiet brauchte sich hingegen nicht aufzudrängen. Der Kläger beruft sich für seine gegenteilige Auffassung vor allem auf die Eignung und tatsächliche Nutzung von Offenland, Übergangsbereichen und Waldstücken im Wehretal durch das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus als Jagdhabitate sowie die Lage von Quartierbäumen der Bechsteinfledermaus am Rand bzw. sogar außerhalb des (erweiterten) FFH-Gebiets. Beide Gesichtspunkte rechtfertigen es nicht, von einer zu engen Gebietsabgrenzung auszugehen.

42

Aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anhang III Phase 1 Buchst. B.b FFH-RL ergibt sich, dass die Gebietsabgrenzung die für die zum Gegenstand von Erhaltungszielen gemachten Arten wichtigen Habitatelemente einbeziehen muss. Für Arten, die große Lebensräume beanspruchen, lässt Art. 4 Abs. 1 Satz 2 FFH-RL es demgegenüber genügen, wenn die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente unter Schutz gestellt werden. Letzteres rechtfertigt den Gegenschluss, dass für die unter Art. 4 Abs. 1 Satz 1 FFH-RL fallenden Arten, zumindest soweit sie für die Gebietsmeldung ausschlaggebend sind, alle wichtigen Habitatelemente vom Gebiet umfasst sein müssen. Dazu zählen auch Jagdhabitate in einem Umfang, der die zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der betreffenden Art im Gebiet notwendige Nahrungsgrundlage sicherstellt.

43

Die der Abgrenzung des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" zugrundeliegende naturschutzfachliche Einschätzung, diese Voraussetzung sei sowohl für das Große Mausohr als auch für die Bechsteinfledermaus erfüllt, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken; ob das Große Mausohr überhaupt unter Art. 4 Abs. 1 Satz 1 FFH-RL fällt oder ob diese Art wegen ihres Aktionsradius von ca. 15 km Art. 4 Abs. 1 Satz 2 FFH-RL zuzuordnen ist, kann daher offenbleiben. Wie bereits erwähnt, ist die Gebietsabgrenzung anhand des (Laub-)Wald/Feld-Kriteriums vorgenommen worden. Dieses Kriterium ist für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus gleichermaßen naturschutzfachlich abgesichert. Die im Rahmen der Grunddatenermittlung für die Verträglichkeitsprüfung durchgeführten telemetrischen Untersuchungen kommen im Einklang mit der einschlägigen Fachliteratur zu dem Ergebnis, dass das Große Mausohr überwiegend und die Bechsteinfledermaus sogar fast ausschließlich im Wald jagt. Das Große Mausohr nutzt nach den Telemetrieergebnissen im FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" zwar auch Übergangsbereiche und Offenland in einem Umfang von 20,2 % bzw. 8,5 %. In der für die Arterhaltung besonders wichtigen Phase der Laktation jagen aber 85 % der telemetrierten Tiere im Wald.

44

Der Kläger hat keine Umstände aufgezeigt, die die vorgenommene Gebietsabgrenzung gleichwohl als naturschutzfachlich nicht vertretbar erscheinen lassen. Zum Großen Mausohr verweist er darauf, dass die in Trassennähe der VKE 32 festgestellten Jagdhabitate sich überwiegend außerhalb der Gebietsgrenzen befinden. Das lässt sich aber damit erklären, dass die Trasse dem Talverlauf folgt und daher weitestgehend im Offenland verläuft. Betrachtet man die Gesamtsituation, so liegen - wie die Karte 2 zur Fledermauskundlichen Grunddatenerfassung 2003 (NPU 23) ausweist - viele der weiter entfernten Jagdhabitate in den Wäldern des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" oder angrenzender FFH-Gebiete. Auch die Rechnung, mit der der Kläger belegen will, dass sämtliche als Jagdhabitate im Wehretal genutzten Flächen für den Erhalt der Art notwendig sind, überzeugt nicht. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass es nicht angeht, die Zahl der im Aktionsraum der Wochenstuben jagenden Fledermäuse zu ermitteln, indem die Zahl der in der jeweiligen Wochenstube lebenden Weibchen verdoppelt wird. Da die Männchen ihre Quartiere ganz überwiegend abseits der Wochenstuben nehmen, werden die Bereiche um die Wochenstuben im Wesentlichen von Weibchen bejagt.

45

Bezogen auf die Bechsteinfledermaus wendet der Kläger ein, der weit überwiegende Teil telemetrisch festgestellter Jagdhabitate liege gebietsextern. Dieser Umstand stellt eine fachgerechte Gebietsabgrenzung schon deshalb nicht in Frage, weil angesichts der kleinen Zahl telemetrierter Tiere nicht angenommen werden kann, die tatsächlich genutzten Jagdhabitate seien auch nur annähernd erfasst worden. In diesem Zusammenhang weist der Beklagte nachvollziehbar darauf hin, dass die Telemetrierung lediglich dazu gedient habe, eine Grundlage zur Abschätzung des potentiellen Aktionsraums der Bechsteinfledermauskolonien zu gewinnen. Ausgehend von regelmäßig nachgewiesenen Aktionsradien der Art von etwa 3 km wurde auf der Basis der Telemetrieergebnisse ein potentieller Aktionsraum der Kolonien ermittelt, der jeweils große Laubwaldanteile im FFH-Gebiet (einschließlich der Erweiterungsflächen) enthält. Gebietsextern liegen hingegen nur kleinere Waldinseln und -streifen, wie ein Vergleich zwischen der Karte 1 der Grundlagendatenermittlung zur Verträglichkeitsprüfung (NPU 25) und der Übersichtskarte 1 der Stellungnahme zu den Auswirkungen der Gebietsveränderung (NPU 32) zeigt. Das FFH-Gebiet enthält nach den überzeugenden Ausführungen in der Stellungnahme der Planungsgruppe Umwelt und der S. GbR vom 13. März 2010 große Potentiale bislang von der Bechsteinfledermaus noch gar nicht genutzter Jagdhabitate. Wie bereits im Planfeststellungsbeschluss (S. 243) erwähnt und in der mündlichen Verhandlung seitens des Gutachters Si. näher erläutert worden ist, stellt der Aktionsraum von Bechsteinfledermäusen keine fixe Größe dar. Die Tiere sind vielmehr in der Lage, ihn in Maßen den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen, soweit sie geeignete Habitatstrukturen vorfinden. Anschaulich bestätigt wird diese Flexibilität durch die vollständige Verlagerung des Quartierzentrums der Bechsteinfledermauskolonie Nordwest-Harmuthsachsen innerhalb des FFH-Gebiets, die nach den Ausführungen des Gutachters im Jahr 2009 stattgefunden hat. Bei dieser Sachlage ist die der Gebietsabgrenzung zugrundeliegende naturschutzfachliche Einschätzung, durch die gebietsinternen Flächen werde eine ausreichende Nahrungsgrundlage der beiden durch die VKE 32 betroffenen Kolonien der Bechsteinfledermaus gewährleistet, nicht erschüttert.

46

Die Lage der von Kolonien der Bechsteinfledermaus genutzten Quartierbäume erforderte - soweit hier von Belang - gleichfalls keine großräumigere Gebietsabgrenzung. Mit einer Ausnahme befinden sich die ermittelten Quartierbäume innerhalb der Grenzen des (erweiterten) FFH-Gebiets. Ausweislich des Vorschlags der S. GbR vom 2. August 2007 zur Gebietserweiterung (Anlage zur NPU 28) wurde jeder Quartierbaum mit einem Puffer von 100 m versehen, soweit in diesem Umkreis geeignete Habitatstrukturen vorhanden waren. Anhand des vorgelegten Kartenmaterials lässt sich nachvollziehen, dass dort, wo ein geringerer Abstand zur Gebietsgrenze besteht, tatsächlich keine geeigneten Habitatstrukturen vorhanden sind (vgl. den Bestands- und Konfliktplan der NPU 32). Dass ein Quartierbaum knapp außerhalb des Gebiets steht, ist nicht entscheidungserheblich, weil er sich etwa 850 m von der Trasse entfernt und damit weit außerhalb ihres Einwirkungsbereichs befindet.

47

(3) Sind alle Habitatelemente, die für eine zum Gegenstand eines Erhaltungsziels gewordene Art wichtig sind, schon bei der Gebietsabgrenzung zu berücksichtigen, so brauchten über das festgelegte Gebiet einschließlich sich aufdrängender Erweiterungsflächen hinaus gebietsexterne Flächen nicht in die Verträglichkeitsprüfung einbezogen zu werden. Soweit die hier durchgeführte Verträglichkeitsprüfung "vorsorglich" auch Verluste und Beeinträchtigungen solcher Flächen als Nahrungshabitate des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus in den Blick genommen hat, entsprach dies keinem rechtlichen Erfordernis und ist deshalb für die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses ohne Belang. Gebietsextern mussten vielmehr nur die Funktionsbeziehungen zwischen den Teilgebieten des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" sowie zwischen diesem Gebiet und anderen FFH-Gebieten geprüft werden. Dies ist geschehen, indem untersucht worden ist, ob und inwieweit die Flugrouten des Großen Mausohrs und die Wechselbereiche der Bechsteinfledermaus durch den Bau und Betrieb der Trasse beeinträchtigt werden können, in welchem Ausmaß es zu Kollisionen von Exemplaren beider Arten mit dem Autobahnverkehr kommen kann und in welchem Umfang diese Risiken durch das geplante Schutzkonzept beherrschbar sind.

48

Soweit der Planfeststellungsbeschluss für die Bechsteinfledermaus von der Annahme ausgegangen ist, die Wechselbeziehungen zwischen den Gebietsteilen seien nicht von den Erhaltungszielen des Gebiets umfasst (S. 241 und 243), trifft diese Sicht freilich nicht zu, da die Aktionsräume der Bechsteinfledermaus zwar deutlich kleiner als die des Großen Mausohrs sind, aber dennoch FFH-Gebietsteile auf beiden Seiten des Wehretals einschließen. Daraus, dass die Bechsteinfledermaus zum Gegenstand des Gebietsschutzes geworden ist, ergibt sich die Notwendigkeit, auch die artspezifischen Wechselbeziehungen zwischen den Gebietsteilen als Erhaltungsziel anzusehen. Die abweichende Auffassung des Planfeststellungsbeschlusses ist jedoch letztlich unerheblich, weil er die Aufrechterhaltung der Wechselbeziehungen zwar nicht als Erhaltungsziel verstanden, aber gleichwohl im Anschluss an die Verträglichkeitsprüfung wegen ihrer Bedeutung für den Erhaltungszustand der Art in den Gebietsschutz einbezogen hat (S. 243).

49

dd) Die Beurteilung der Verträglichkeit des Vorhabens beruht auf einer ausreichenden Erfassung und Bewertung der maßgeblichen Bestandteile des FFH-Gebiets.

50

Um die projektbedingten Einwirkungen zutreffend auf ihre Erheblichkeit hin beurteilen zu können, hat die Verträglichkeitsprüfung eine sorgfältige Bestandserfassung und -bewertung der von dem Projekt betroffenen maßgeblichen Gebietsbestandteile zu leisten. Dazu bedarf es keiner flächendeckenden Ermittlung des floristischen und faunistischen Gebietsinventars sowie der Habitatstrukturen. Vielmehr genügt die Erfassung und Bewertung der für die Erhaltungsziele maßgeblichen Gebietsbestandteile in einem solchen Umfang, dass die Einwirkungen des Projekts bestimmt und bewertet werden können. Die Methode der Bestandsaufnahme ist nicht normativ festgelegt; die Methodenwahl muss aber den für die Verträglichkeitsprüfung allgemein maßgeblichen Standard der "besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse" einhalten (vgl. Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 ). Dem wird die im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung durchgeführte Bestandsaufnahme gerecht.

51

Soweit der Kläger geltend macht, die Methoden zur Erfassung des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus sowie ihrer Habitatnutzung seien in zu geringem Umfang angewandt worden, was insbesondere für die Telemetrie gelte, überzeugt dies nicht. Für beide Fledermausarten wurden Vorkommen und Habitatnutzung durch einen Methodenmix, bestehend aus Detektorkartierungen, Netzfängen und Telemetrie, erhoben. In Anbetracht des hohen Aufwandes, der mit der letztgenannten Methode verbunden ist, leuchtet es ein, dass sie nur eingesetzt worden ist, um die durch Detektorkartierungen und Netzfänge gewonnenen Erkenntnisse zu ergänzen. Im Zusammenhang mit der Ermittlung von Jagdhabitaten sind telemetrische Untersuchungen im Übrigen nicht durchgeführt worden, um die tatsächlich genutzten Habitate flächendeckend zu erfassen; vielmehr ging es - wie schon erwähnt - nur darum, Erkenntnisse über die Art der genutzten Strukturen zu erlangen, um so eine Grundlage zur Bestimmung potentieller Jagdhabitate zu gewinnen. Dass unter diesem Blickwinkel weitere Untersuchungen keine zusätzlichen planungsrelevanten Erkenntnisse erwarten ließen, leuchtet ein. Auch der Kläger hat nicht dargetan, welche konkreten Erkenntnisse er in dieser Hinsicht vermisst.

52

Seine Rüge, die Verträglichkeitsprüfung beschränke sich in ihrer Habitatanalyse auf eine schematische Dreiteilung der in Frage kommenden Habitatflächen, trifft nicht zu. Bezogen auf das Große Mausohr wurde im Rahmen der Grunddatenerhebung zunächst untersucht, ob es Jagdhabitate gibt, die von dieser Art bevorzugt werden. Nachdem Telemetrierungen ergeben hatten, dass die Tiere überwiegend im Wald jagen und die Jagd in Offenlandbereichen zudem saisonal vor bzw. nach der für die Arterhaltung entscheidenden Wochenstubenzeit erfolgt, wurde der Schluss gezogen, dass die Waldgebiete das deutlich bevorzugte Jagdhabitat des Großen Mausohrs sind. Im Folgenden wurden daher nur diese Gebiete differenziert untersucht, und zwar in Bezug auf den Waldtyp (Laubwald, Mischwald, Nadelwald) und das Alter des Waldes. Da die Übergangsbereiche ein strukturell sehr unterschiedliches Bild bieten, wurde ihre Eignung als Jagdhabitat nach Experteneinschätzung im Einzelfall bestimmt. Bezogen auf die Bechsteinfledermaus ist in vergleichbarer Weise verfahren worden. Angesichts der nahezu ausschließlichen Nutzung von Wäldern als Jagdhabitate durch diese Art ist nicht zu beanstanden, dass lediglich Waldflächen einer differenzierenden Analyse unterzogen wurden.

53

Ebenso wenig sind die Einwände gegen die Erhebung der Flugrouten des Großen Mausohrs berechtigt. Die Flugrouten wurden durch Sicht- und Detektorbeobachtungen sowie Telemetrie erfasst. Soweit der Kläger die Zahl der Beobachtungsstandorte ins Verhältnis zur Länge der Gesamtstrecke setzt, ist dies nicht aussagekräftig, da Beobachtungsstandorte verstärkt im Bereich der Wochenstuben eingerichtet wurden, während die Flugrouten im Übrigen über Telemetrie ermittelt wurden. Dieses Vorgehen ist plausibel. Die Ausflugrouten an den Wochenstuben lassen sich verlässlich durch Beobachtungen ermitteln. Je weiter sich die Tiere von ihren Quartieren entfernen, desto mehr sind die Untersuchungen hingegen auf die Verfolgung einzelner Tiere über Telemetrie angewiesen.

54

Ferner hat der Beklagte den Untersuchungszeitraum nachvollziehbar begründet. Da vorliegend vor allem die Beeinträchtigung von Wochenstubenquartieren in Rede steht, ist es plausibel, die Untersuchungen auf die sensiblen Trage-, Laktations- und Aufzuchtzeiten zu konzentrieren.

55

Auch die Auswahl der charakteristischen Arten für den zum Gegenstand von Erhaltungszielen gewordenen Lebensraum "Hainsimsen-Buchenwald" ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers müssen nicht alle in einem durch das Vorhaben betroffenen Lebensraumtyp vorkommenden charakteristischen Arten speziell untersucht werden, sondern nur diejenigen, deren Betroffenheit über die Prüfung des Lebensraums als Ganzen nicht adäquat erfasst wird. Da vorliegend Lärmeinwirkungen auf den Lebensraum in Rede standen, wäre es nicht sinnvoll gewesen, die vom Kläger aufgeführten Pilze, Pflanzen, Schnecken und Falter in die Betrachtung einzubeziehen. Im Hinblick darauf, dass die Verträglichkeitsprüfung mit den untersuchten Spechtarten nach damaligem Kenntnisstand besonders lärmempfindliche Arten untersucht hat, bestand überdies kein Anlass, die Bestandsaufnahme auf weitere charakteristische Vogelarten zu erstrecken. Im Übrigen überzeugt die der Verträglichkeitsprüfung zugrundegelegte Begründung, nach der Spechte ausgewählt wurden, weil sie durch das Schaffen von Höhlen maßgeblich an der typgerechten Gestaltung des Lebensraums beteiligt sind. Schließlich bedurfte es auch nicht zwingend einer Revierkartierung; um die für die Erhaltungsziele maßgeblichen Habitatbestandteile der Spechtarten zu ermitteln und deren Beeinträchtigung abzuschätzen, genügte vielmehr die vorgenommene Potentialanalyse.

56

ee) Die Verträglichkeitsprüfung ist auf der Grundlage der ermittelten Daten zu Recht zu einem positivem Ergebnis gelangt.

57

Ob ein Projekt ein FFH-Gebiet in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigen kann, ist anhand seiner Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Gebietsbestandteile zu beurteilen. Maßgebliches Beurteilungskriterium ist der günstige Erhaltungszustand der geschützten Lebensräume und Arten im Sinne der Legaldefinitionen des Art. 1 Buchst. e und i FFH-RL; ein günstiger Erhaltungszustand muss trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben (Urteile vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 und vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 94). Für die Frage, ob dies gewährleistet ist, dürfen zugunsten des zu beurteilenden Projekts die vom Vorhabenträger geplanten oder in der Planfeststellung angeordneten Schutz- und Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt werden; denn es macht aus der Sicht des Habitatschutzes keinen Unterschied, ob durch ein Projekt verursachte Beeinträchtigungen von vornherein als unerheblich einzustufen sind oder ob sie diese Eigenschaft erst durch entsprechende Vorkehrungen erlangen (vgl. Urteile vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <27>, vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 53 und vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 94). Dies verkennt der Kläger, indem er dem Beklagten vorhält, die Verträglichkeitsprüfung habe sich durch Berücksichtigung von "Managementmaßnahmen" einer verfehlten Bewertungsmethodik bedient.

58

(1) Unter Berücksichtigung der angeordneten Schutzmaßnahmen und ergänzenden Vorkehrungen sind bezogen auf die Fledermausarten Großes Mausohr und Bechsteinfledermaus weder bau- noch anlage- oder betriebsbedingt erhebliche Beeinträchtigungen zu besorgen.

59

(a) Der Bau des Tunnels und des östlich anschließenden Straßenstücks kann zwar unstreitig zu Konflikten im Bereich der dortigen Hauptflugrouten des Großen Mausohrs und Wechselbereiche der Bechsteinfledermaus führen. Das planfestgestellte Schutzkonzept gewährleistet aber, dass der Erhaltungszustand beider Fledermausarten stabil bleibt, so dass die einschlägigen Erhaltungsziele nicht berührt sind.

60

Deutlich begrenzt werden die baubedingten Auswirkungen bereits durch die jahreszeitliche Baubeschränkung (Schadensbegrenzungsmaßnahme M 10.2 in der Fassung der Protokollerklärung vom 10. März 2010), die einen uneingeschränkten Baubetrieb nur in der Zeit vom 1. November bis 15. April erlaubt, wobei Rodungen auf die Zeit vom 1. November bis 1. März beschränkt sind. Es mag zutreffen, dass Große Mausohren ihre außerhalb des Trassenbereichs gelegenen Winterquartiere je nach Witterung und Höhenlage schon ab März eines Jahres verlassen. Die störungsanfällige Wochenstubenphase beginnt jedoch erst im April oder Mai; Geburten finden selbst in warmen Jahren erst ab Ende Mai statt (Petersen u.a., Das Europäische Schutzgebietssystem Natura 2000, Band 2: Wirbeltiere, 2004, S. 504). Für Bechsteinfledermäuse geht der Kläger selbst davon aus, dass diese ihre Quartierbäume erst ab Mitte April beziehen.

61

Außerhalb der Zeit vom 1. November bis 1. März gelten für den Baubetrieb sowohl räumliche Beschränkungen als auch besondere zeitliche Maßgaben. So darf für die Bau- und Lagerfläche am Hasselbach lediglich ein Ackerstandort in Anspruch genommen werden, der zudem durch Bauzäune von anschließenden Gehölzflächen sowie vom Hasselbachtal abgegrenzt wird. Dass die in diesem Bereich vorgesehenen Materialmieten wegen der angeordneten Höhenbegrenzung die dortige Flugroute des Großen Mausohrs nicht unterbrechen, hält der Senat für überzeugend, zumal davon auszugehen ist, dass derartige Mieten in Flugrichtung abgeböscht ausgebildet werden. Die Schadensbegrenzungsmaßnahme M 11 hat eine zügige Realisierung der Luftbogenstrecke am Tunnelportal unmittelbar bei Baubeginn in der Ruhezeit der Fledermäuse zum Gegenstand; die Arbeiten daran müssen vor der Aktivitätsphase der Tiere abgeschlossen werden. Da auch die Querungshilfen östlich des Tunnels schon während der Ruhezeit angelegt werden, bleibt die Autobahntrasse sowohl im Tunnelabschnitt als auch im offenen Anschlussbereich während der Bauphase quer zu ihrem Verlauf passierbar. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die geplanten Grünbrücken seien zunächst nicht funktionsfähig. Nach den Erläuterungen seitens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist nämlich davon auszugehen, dass die Grünbrücken sofort bepflanzt und mit seitlichen Schutzwänden eingefasst werden, so dass auf ihnen eine - wenn auch noch nicht voll ausgebildete - Leitstruktur rechtzeitig zur Verfügung steht. Die zeitlich versetzte Herstellung der Richtungsfahrbahnen erleichtert ebenfalls die Querpassierbarkeit der Trasse. Sie hat außerdem zur Folge, dass sich die Leitstrukturen, die den Fledermäusen die Orientierung ermöglichen, nur schrittweise und damit schonend ändern. Ungeachtet der Frage, ob die Flugrouten beider in Rede stehenden Fledermausarten eher als Linie oder als Korridor ausgeprägt sind, werden dadurch gravierende Hindernisse für die Orientierung der Tiere vermieden.

62

Von dem zusätzlich zur Begrenzung der baubedingten Einwirkungen beitragenden Nachtbauverbot gilt freilich für den Tunnelbau Küchen eine Ausnahme. Die Verträglichkeitsprüfung räumt selbst ein, dass sich daraus am östlichen Tunnelende, das in offener Bauweise erstellt werden soll, Konflikte ergeben könnten. Ihre Einschätzung, die Vorkehrungen des Planfeststellungsbeschlusses begegneten dem wirkungsvoll, ist indes nicht zu beanstanden. Durch die - wie erwähnt - frühzeitig anzulegende Luftbogenstrecke werden im Zusammenwirken mit seitlichen blickdichten Bauzäunen die nächtlichen Tunnelbauarbeiten einschließlich der von ihnen ausgehenden Lichtreize weitgehend abgeschirmt. Soweit die Ausnahme vom Nachtbauverbot zusätzlich ein östlich an den Tunnel anschließendes, gleichfalls innerhalb des Wechselbereichs der Bechsteinfledermaus liegendes Teilstück der Autobahn umfasst, wird die Trasse zwar nur zur Seite, nicht aber nach oben abgeschirmt. Der Beklagte hat dieses Teilstück jedoch in der mündlichen Verhandlung auf eine Länge von 100 m begrenzt mit der Folge, dass nur in diesem engen Bereich nächtliche Bauarbeiten einschließlich des ihnen zuzurechnenden Transports von Abraum mit Baufahrzeugen durchgeführt werden dürfen, während der Weitertransport allein tagsüber zulässig ist. Da die in Rede stehenden Arbeiten nicht kontinuierlich, sondern nur jeweils im Anschluss an Sprengungen im Tunnel stattfinden, leuchtet die vom Kläger nicht mit Sachargumenten erschütterte Beurteilung des Beklagten ein, dass insoweit Irritationen der Fledermäuse, die deren Kolonien destabilisieren könnten, auszuschließen sind.

63

(b) Anlagebedingte Beeinträchtigungen in Gestalt der Inanspruchnahme von Jagdhabitatflächen scheiden nach den obigen Ausführungen schon deshalb aus, weil es nicht zu gebietsinternen Verlusten solcher Flächen kommt.

64

(c) Die Verträglichkeitsprüfung ist zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass Anlage und Betrieb der Autobahn die für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus maßgeblichen Erhaltungsziele durch Zerschneidung von Flugrouten bzw. Wechselbereichen sowie signifikant gesteigerte Kollisionsrisiken beim Queren der Autobahn beeinträchtigen kann, dass das planfestgestellte Schutzkonzept aber erhebliche Beeinträchtigungen in diesem Sinne verhindert. Ausweislich der im Auftrag des Vorhabenträgers durchgeführten Untersuchungen queren bedeutende Flugrouten des Großen Mausohrs die Trasse im östlichen Teil des Tunnels Küchen und weiter östlich am Hasselbach. Außerdem erstreckt sich ein Wechselbereich der Bechsteinfledermaus vom östlichen Endstück des Tunnels über eine Entfernung von ca. 700 m nach Osten. Es liegt auf der Hand, dass die im Regelquerschnitt 27 m breite Autobahn mit ihrem Verkehrsstrom ohne Schutzmaßnahmen für die Fledermäuse eine schwer zu überwindende Hürde darstellen und zugleich das Risiko von Kollisionen der Tiere mit dem Kfz-Verkehr beträchtlich erhöhen würde. Noch verstärkt werden könnten diese Beeinträchtigungen durch den Wegfall von Vegetationselementen im Bereich einer trassenparallelen Hauptflugroute des Großen Mausohrs. Soweit am Ostende des planfestgestellten Autobahnabschnitts in der Verträglichkeitsprüfung ein zweiter Wechselbereich der Bechsteinfledermaus lokalisiert worden ist, kommt dem hingegen keine Bedeutung zu. Nach den vom Kläger nicht in Frage gestellten Erläuterungen des Beklagten ist dort nämlich nur ein einzelnes Männchen telemetriert worden, so dass der fragliche Bereich keine Vernetzungsfunktion zwischen Teilen des FFH-Gebiets oder mit anderen FFH-Gebieten erfüllt. Aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich der eingehenden Diskussion in der mündlichen Verhandlung unter Beteiligung der Gutachter Dipl.-Biol. Sp. auf Seiten des Klägers sowie Dr. D. und Dipl.-Ing. G. auf Seiten des Beklagten hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass die im Planfeststellungsbeschluss vorgesehenen Vermeidungsmaßnahmen in Verbindung mit dem zusätzlich angeordneten Risikomanagement ausreichen, um die aufgezeigten Risiken zu bewältigen und vernünftige Zweifel am Ausbleiben einer vorhabenbedingten Verschlechterung des Erhaltungszustands der Mausohr- und Bechsteinfledermauspopulation im FFH-Gebiet auszuschließen.

65

Kernstück des Schutzkonzepts sind Querungshilfen in Gestalt des in den Wechselbereich der Bechsteinfledermaus hinein verlängerten Tunnels, zweier Grünbrücken und des Durchlasses unter der Hasselbachbrücke. Eingebunden werden sie in ein Gefüge aus Leiteinrichtungen, bestehend aus talseitigen Wällen und bergseitigen Böschungen, überwiegend beidseitigen trassenbegleitenden Bepflanzungen, Schutzzäunen und -wänden. Diese Einrichtungen haben die doppelte Funktion, die Fledermäuse als Leitstrukturen zu den Querungshilfen hinzuleiten und sie zugleich von einem Überflug über die Trasse an anderer Stelle abzuhalten. Durch ein Monitoring soll die Wirksamkeit der Maßnahmen überwacht und so die Grundlage geschaffen werden, um durch vorbehaltene ergänzende Maßnahmen erst nachträglich sichtbar werdende Schwachstellen des Schutzkonzepts zu beheben.

66

Die Verträglichkeitsprüfung und - ihr folgend - der Planfeststellungsbeschluss sind zu Recht davon ausgegangen, dass die vorgesehenen Schadensvermeidungs- und -minderungsmaßnahmen die Funktionalität der Flugrouten des Großen Mausohrs und des Wechselbereichs der Bechsteinfledermaus erhalten. Die dagegen vom Kläger erhobenen Einwände greifen nicht durch.

67

Der grundsätzliche Einwand, die Wirksamkeit von Querungshilfen und Leiteinrichtungen für Fledermäuse sei wissenschaftlich nicht belegt, findet in den einschlägigen Studien und Richtlinien keine Stütze. Das aktuelle Merkblatt zur Anlage von Querungshilfen für Tiere und zur Vernetzung von Lebensräumen an Straßen (MAQ) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Stand: März 2008, bezeichnet die dort beschriebenen Querungshilfen und ergänzenden Vorkehrungen als "in ihrer Wirkungsweise belegt" und "zur Vermeidung bzw. Minderung der Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft geeignet" (S. 6). Richtig ist allerdings, dass andere aktuelle wissenschaftliche Stellungnahmen betonen, empirische Untersuchungen zur Wirksamkeit von Querungshilfen gebe es bislang nur in geringer Zahl (vgl. den Entwurf eines Leitfadens für Straßenbauvorhaben im Freistaat Sachsen "Planung und Gestaltung von Querungshilfen für Fledermäuse", Dezember 2008 ). Trotz der Beweisregel des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL, wonach kein vernünftiger Zweifel am Ausbleiben erheblicher Beeinträchtigungen bestehen darf (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 ), hindert das aber nicht, die in dem erwähnten Merkblatt angegebenen Querungshilfen als wirksam zu betrachten. In einer Situation, die von derzeit noch nicht ausräumbaren wissenschaftlichen Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge geprägt ist, darf mit Prognosewahrscheinlichkeiten, Schätzungen und Analogieschlüssen gearbeitet werden (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 64). Neben ersten Evaluierungsstudien bilden Verhaltensbeobachtungen von Fledermäusen an Straßen eine fundierte Basis, um die Wirksamkeit von Querungshilfen und flankierenden Schutzmaßnahmen prognostisch einzuschätzen. Auf diese Weise ist es jedenfalls gerechtfertigt, die grundsätzliche Wirksamkeit von Durchlässen und Grünbrücken als Querungshilfen zu bejahen. Unsicherheiten über die im jeweiligen Einzelfall gebotene Lage und Ausgestaltung der Hilfen bedeuten kein unüberwindbares Zulassungshindernis, wenn das Schutzkonzept ein wirksames Risikomanagement entwickelt hat (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 64). Der Beklagte ist in dieser Weise vorgegangen, indem er sich bei der Ausgestaltung der Schadensvermeidungs- und Schadensminderungsmaßnahmen am Merkblatt orientiert und ergänzend ein Risikomanagement angeordnet hat, um bei Bedarf das Schutzkonzept "nachjustieren" zu können.

68

Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen keine Bedenken gegen die Lage der geplanten Querungshilfen. Während eine Hauptflugroute des Großen Mausohrs die Trasse über dem Tunnel quert, befindet sich die zweite querende Hauptflugroute in der Nähe des Hasselbachs. Sowohl der Durchlass unter der Hasselbachbrücke als auch die Grünbrücke Hasselbach sollen in nahem räumlichen Zusammenhang mit dieser Hauptflugroute errichtet und durch Leiteinrichtungen mit ihr verknüpft werden. Auch die Bechsteinfledermaus wird den Tunnel als Querungshilfe nutzen können, weil dieser infolge der vorgesehenen Tunnelverlängerung einen Teil ihres Wechselbereichs abdecken wird. Die Grünbrücke am ehemaligen Bahnhof Hasselbach wird in der Mitte des Wechselbereichs liegen und damit unstreitig richtig platziert sein. Dass die Grünbrücke Hasselbach und die Hasselbachbrücke ca. 50 bzw. 120 m außerhalb des Wechselbereichs geplant sind, stellt ihre Eignung als Querungshilfe - auch - für die Bechsteinfledermaus nicht in Frage, sofern sie fachgerecht durch Leitstrukturen mit diesem Bereich verknüpft werden.

69

Die Behauptung des Klägers, die geplanten Querungshilfen könnten wegen unzureichender Maße und Bepflanzung ihre Funktion nicht erfüllen, vermag nicht zu überzeugen. Die Grünbrücken sollen 12 bzw. 13 m breit ausgeführt werden, während das MAQ lediglich eine Mindestbreite von 8 m vorsieht (Tabelle 4.6 auf S. 46). Soweit in dem Merkblatt eine Breite ab 50 m empfohlen wird (S. 18), betrifft dies Standard-Grünbrücken zur Vernetzung gesamter Lebensräume. Darum geht es hier nicht. Der Empfehlung, die Brücken mit doppelreihigem Bewuchs sowie Licht- und Lärmschutz auszustatten (S. 43 f.), trägt die Planung Rechnung; neben zwei Gehölzstreifen sind merkblattblattkonform an den Brückenrändern 3 m hohe Irritationsschutzwände vorgesehen, um die Brücken von der Autobahn abzuschirmen. Anders als die beiden Grünbrücken entspricht der Durchlass unter der Hasselbachbrücke allerdings nicht voll den Vorgaben des Merkblatts. Während dieses für "sonstige Unterführungen" bezogen auf andere als wassergebunden fliegende Arten eine lichte Höhe von mindestens 4,5 m und eine lichte Weite von mindestens 5 m fordert (Tabelle 4.6 auf S. 47), weist die Hasselbachbrücke eine lichte Höhe von 3,5 m und eine lichte Weite von 10 m auf. Ausweislich der Erläuterungen der Gutachter des Beklagten, die klägerseitig nicht substantiiert angegriffen worden sind, nutzen Große Mausohren, für die die Hasselbachbrücke in erster Linie als Querungshilfe dienen soll, Durchlässe aber bereits ab einer Größe von 2 x 2 m; die in dem Merkblatt geforderten größeren Abmessungen seien auf die Bedürfnisse anderer Arten zurückzuführen. Angesichts dessen durfte der Beklagte die Eignung der Hasselbachbrücke als Querungshilfe für das Große Mausohr bejahen, zumal deren Breite die Mindestangaben des Merkblatts weit übersteigt. Sollte die Eignung für die Bechsteinfledermaus eingeschränkt sein, stellt dies die Stimmigkeit des Schutzkonzepts nicht in Frage, weil für diese Art die näher zum Wechselbereich hin gelegene Grünbrücke Hasselbach ohnehin den wesentlichen Baustein bildet, um die Funktionalität des Wechselbereichs in seinem östlichen Teil aufrechtzuerhalten.

70

Die Sorge des Klägers, die Grünbrücken könnten mangels ausreichend entwickelter Vegetationsstruktur im Zeitpunkt der Verkehrsfreigabe wirkungslos bleiben, ist unbegründet. Das MAQ verlangt nicht, dass die Vegetationsstruktur bei Inbetriebnahme der Trasse voll entwickelt ist. Es weist nur darauf hin, dass Sperr- und Leiteinrichtungen für Fledermäuse ihre Funktion erst ab einer Höhe von 3 m erfüllen, und verlangt, diese Einrichtungen müssten rechtzeitig vor Verkehrsfreigabe funktionsfähig sein. Sollte dies zeitlich nicht möglich sein, könnten die Pflanzungen mit entsprechend hohen Holzwänden kombiniert werden (S. 61). Dem trägt die Planung Rechnung. Die Verträglichkeitsprüfung sieht vor, dass die Grünbrücken vorgezogen erstellt und mit mindestens 3 m hohen Irritationsschutzwänden versehen werden. In Anbetracht dessen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Wirksamkeit bei Verkehrsfreigabe.

71

Ebenso wenig kann der Kläger mit seiner Kritik an der Einbindung der Querungshilfen in die Landschaft durchdringen. Die Planung sieht für den Trassenabschnitt östlich des Tunnels lückenlose trassenbegleitende Leitstrukturen entlang der Autobahn vor. Im unmittelbaren Anschluss an die Querungshilfen sind 4 m hohe Irritationsschutzwände geplant, an die sich Leitpflanzungen und - teils zusätzlich, teils ersatzweise - fledermausspezifische oder -angepasste Schutzzäune anschließen. Diese Einrichtungen sind südlich der Autobahn durchgehend auf einem 4 m hohen Wall, nördlich am Hang geplant, so dass die Autobahn in einem tiefen Einschnitt liegen wird. Es leuchtet ein, dass die genannten Einrichtungen ihre Leitfunktion dadurch frühzeitig wahrnehmen können. Während die trassenparallelen Leitstrukturen nach Norden hin durch zusätzliche Pflanzungen an vorhandene Gehölzflächen anbinden, ist dem Kläger allerdings zuzugeben, dass es nach Süden hin wegen der B 7 an einer entsprechenden Verknüpfung fehlt. Aufgrund der von Seiten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen hat sich das Gericht aber davon überzeugen können, dass die - schon bisher vorhandene und künftig wesentlich entlastete - B 7 kein ernsthaftes Hindernis für die nach Süden fliegenden bzw. von dort kommenden Tiere darstellen wird.

72

Erhebliche Beeinträchtigungen der trassenparallelen Flugroute des Großen Mausohrs brauchte der Beklagte ebenfalls nicht in Rechnung zu stellen. Zwar ist diese Flugroute, worauf der Kläger zutreffend hinweist, durch Rodungsarbeiten seitlich des ehemaligen Bahndamms betroffen. Durch die trassenbegleitenden Anpflanzungen werden jedoch gleichgerichtete Leitstrukturen geschaffen, die in der Lage sind, die Funktion der verlorengehenden Gehölzsäume zu übernehmen.

73

Auf die Einwände des Klägers gegen die im Bereich des Wehrebogens geplanten Schutzvorkehrungen kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Dort sind keine Hauptflugrouten des Großen Mausohrs oder Wechselbereiche der Bechsteinfledermaus festgestellt worden, denen eine Vernetzungsfunktion zwischen den Teilen des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" oder zwischen diesem Gebiet und anderen FFH-Gebieten zukommt. Soweit die Trasse dort Trennwirkungen, etwa in Bezug auf die Erreichbarkeit von Nahrungshabitaten der Fledermäuse, hervorruft, sind Schutzvorkehrungen nicht an den Bestimmungen des Habitatrechts, sondern denen des allgemeinen Artenschutzrechts zu messen.

74

Das planfestgestellte Schutzkonzept ist aber nicht nur geeignet, die habitatrechtlich relevante Vernetzungsfunktion der Hauptflugrouten des Großen Mausohrs bzw. des Wechselbereichs der Bechsteinfledermaus aufrechtzuerhalten; darüber hinaus rechtfertigt es auch die Prognose, das Kollisionsrisiko werde so reduziert, dass eine Beeinträchtigung des Erhaltungszustands dieser Arten im FFH-Gebiet ausgeschlossen sei. In dem kritischen Bereich östlich des Tunnelportals wird dem Risiko eines Einfliegens der Tiere in die Trasse durch ein Bündel von Maßnahmen begegnet. Dazu gehört der Lärmschutzwall von über 4 m Höhe auf der Südseite, der zusätzlich dicht bepflanzt wird, ebenso wie durchgehende Schutzzäune auf der Nordseite, die zwischen dem östlichen Tunnelportal und den Querungsbauwerken als fledermausspezifische Schutzzäune mit einer Höhe von 4 m nebst zusätzlich aufgesetztem Drahtgeflecht von 1,5 m und im Übrigen als fledermausgerecht modifizierte Wildschutzzäune von 2 m Höhe ausgebildet werden. Diese Einrichtungen sind ebenso wie die geplanten Bepflanzungen zwar für die Fledermäuse überfliegbar, vermindern durch ihre Höhe aber das Risiko, dass die Tiere bodennah in die Trasse einfliegen und dort von Fahrzeugen erfasst werden. Die Zweifel des Klägers an der Eignung dieser Anlagen zur Risikominderung sind unbegründet. Sie entsprechen in ihrer konkreten Ausgestaltung den Vorgaben des MAQ. Freilich ist dem Kläger zuzugeben, dass die Schutzwirkung der geplanten Einrichtungen begrenzt ist; insbesondere besteht die Gefahr fort, dass die Flughöhe der Tiere nach Überwinden der Sperreinrichtungen wegen der Trassenbreite deutlich absinkt und so zu Kollisionen mit Kraftfahrzeugen führt (vgl. Sächsischer Leitfaden, S. 86 f., 95). Diesem Umstand kommt aber keine ausschlaggebende Bedeutung zu, weil die Sperrwirkung ohnehin nur einen Nebeneffekt der primär als Leitstrukturen dienenden Einrichtungen darstellt.

75

Soweit wegen der geringen Zahl empirischer Untersuchungen zur Eignung von Querungshilfen einschließlich ergänzender Leit- und Sperreinrichtungen Prognoseunsicherheiten über die Wirksamkeit der planfestgestellten Maßnahmen verbleiben, trägt die Planung dem durch das angeordnete Risikomanagement Rechnung. Die daran vom Kläger geübte Kritik kann dem Klagebegehren nicht zum Erfolg verhelfen.

76

Der Kläger wendet ein, die Datenermittlung zur Funktionskontrolle der Querungshilfen nebst flankierenden Einrichtungen habe sich nach der Regelung im Planergänzungsbeschluss auf anerkannte fachliche Standards zu stützen, obwohl es solche gar nicht gebe. Das Fehlen einschlägiger Standards stützt er auf die Annahme, wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit von Schadensbegrenzungsmaßnahmen für Fledermäuse lägen noch nicht in ausreichendem Maße vor. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Die einschlägige Nebenbestimmung im Planergänzungsbeschluss (IV.15) schreibt vor, bei der Ermittlung des Nutzungsumfangs von Grünbrücken usw. durch das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus sowie der Wirkung von Schutzeinrichtungen seien anerkannte Standards zugrunde zu legen. Das besagt nichts über anerkannte Standards bezüglich der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen, sondern verweist auf Standards nur für die Methoden, mit denen das Verhalten von Fledermäusen im Bereich der fraglichen Einrichtungen überprüft werden soll. In engem Zusammenhang mit der vorstehenden Kritik wirft der Kläger dem Beklagten vor, die Monitoringmaßnahmen seien nicht genügend konkret festgelegt worden. Die Nebenbestimmungen IV.15 und 16 des Planergänzungsbeschlusses umschreiben indes sowohl die Gegenstände des Monitorings als auch die Untersuchungsmethoden sowie Anzahl und Methodik der Untersuchungen. In Anbetracht der Bezugnahme auf einschlägige Standards konnte die Ausgestaltung der Untersuchungsmaßnahmen im Detail der Ausführungsplanung überlassen werden.

77

Auch gegen die inhaltliche Ausgestaltung des Monitorings ist nichts zu erinnern. Die Kontrolle ist so konzipiert, dass Ergebnisse erst nach Beendigung der Bauphase gewonnen werden. Das ist entgegen der Auffassung des Klägers sachgerecht. Die Risiken, denen mit dem angeordneten Risikomanagement begegnet werden soll, betreffen allein die Betriebsphase der Autobahn. Darauf durfte der Beklagte die zeitliche Vorgabe für die geplanten Untersuchungen ausrichten. Ebenso wenig bestand eine Notwendigkeit, den Verlust von Jagdhabitaten in die Überprüfung einzubeziehen; denn Gegenstand des Monitorings ist nur die Wirksamkeit von Schutzeinrichtungen zur Aufrechterhaltung von Flugkorridoren und zum Ausschluss von Kollisionsverlusten. Soweit der Kläger geltend macht, nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand hätte eine umfangreiche Todfundsuche angeordnet werden müssen, hat er einen entsprechenden Methodenstandard zwar behauptet, aber nicht ausreichend belegt. Dass im Fall der Autobahn A 17 von Dresden nach Prag eine derartige Suche durchgeführt worden ist, belegt nicht, dass ein anders konzipiertes Monitoring ohne entsprechende Suche den aktuellen methodischen Standard verfehlt. Eine andere vom Kläger als Beleg benannte Untersuchung betrifft keine Verkehrsanlagen und ist schon deshalb nicht einschlägig.

78

Die Rüge, das Monitoring hätte, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, Referenzpopulationen des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus einbeziehen müssen, übersieht, das eben dies für die Bechsteinfledermaus geschehen ist. Die Entwicklung der besonders in den Blick genommenen Kolonie "Langer Berg" ist nach der Nebenbestimmung IV.16 a des Planergänzungsbeschlusses nämlich an derjenigen der weiteren Kolonien im Wirkbereich der Planungsabschnitte VKE 32 und 33 zu messen. Wegen ihrer unterschiedlichen Betroffenheit ist es sachgerecht, diese weiteren Kolonien als Referenzkolonien heranzuziehen. Für das Große Mausohr findet sich zwar keine vergleichbare Regelung, weil beide unter IV.16 b des Planergänzungsbeschlusses angesprochenen Kolonien Untersuchungsgegenstand und damit keine Referenzobjekte sind. Dennoch können Vergleiche zwischen ihrer jeweiligen Entwicklung Aufschlüsse über Auswirkungen des Projekts geben. Dies gilt umso mehr unter Berücksichtigung der Erkenntnisse, die aus den Funktionskontrollen der planfestgestellten Schutzmaßnahmen gewonnen werden.

79

Soweit der Kläger behauptet, die Funktionsfähigkeit sämtlicher Schadensvermeidungs- und -minderungsmaßnahmen für die Bechsteinfledermaus im Bereich zwischen Hasselbach und dem östlichen Planungsende seien vom Monitoring ausgenommen, trifft dies nicht zu; die Nebenbestimmung IV.15 des Planergänzungsbeschlusses enthält keine entsprechende räumliche Beschränkung. Nicht stichhaltig ist ferner der Einwand, die unter IV.16 des Planergänzungsbeschlusses für das Große Mausohr vorgenommene Beschränkung des Monitorings auf die Populationsgröße sei unzureichend. Es mag zutreffen, dass die Erhebung weiterer Parameter die Aussagekraft der Untersuchungsergebnisse noch steigern würde, weil es möglich wäre, andere Ursachen für eine Abnahme der Population als die mangelnde Funktionsfähigkeit von Schutzmaßnahmen auszuschließen. Wenn die Planfeststellungsbehörde aus einer signifikanten Abnahme der Populationsgröße den Schluss ziehen will, das Schutzkonzept reiche nicht aus und müsse deshalb ergänzt werden, geht das aber jedenfalls nicht zu Lasten der Erhaltungsziele des Gebiets und begründet deshalb keinen Mangel des Monitoringkonzepts.

80

Der Kläger rügt darüber hinaus, die Regelungen im Planergänzungsbeschluss über die Reaktion auf die Monitoringergebnisse seien zu unbestimmt; es sei nicht festgelegt, wann und unter welchen Voraussetzungen ergänzende Maßnahmen anzuordnen seien. Auch diese Rüge ist nicht berechtigt. Der Planergänzungsbeschluss verknüpft das Monitoring und das weitere Risikomanagement in Bezug auf Schutzeinrichtungen durch einen Vorbehalt (IV.17 a). Für den Fall, dass die im Rahmen des Monitorings durchzuführenden Soll-Ist-Abgleiche "relevante negative Abweichungen" von der Prognose anzeigen, sind Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Erfüllt ist die genannte Voraussetzung, wenn entweder die überprüften Einrichtungen "die prognostizierte Funktion ... nicht ausreichend erfüllen" oder wenn "das Monitoring der Bestandsentwicklungen der Kolonien ... negative Veränderungen erkennen lässt, die den Projektwirkungen zugerechnet werden können" (IV.17 b). Damit sind die Reaktionsvoraussetzungen hinreichend umrissen. Ihre nähere Konkretisierung hat anhand von Maßstäben zu erfolgen, die nach Abstimmung mit der Oberen Naturschutzbehörde der Planfeststellungsbehörde vor Baubeginn zur Genehmigung vorzulegen sind. Auch die eigentliche Entscheidung über die zu ergreifenden Korrekturmaßnahmen ist der Planfeststellungsbehörde vorbehalten (IV.17 a). Damit wird den rechtlichen Anforderungen, die an Entscheidungsvorbehalte zu stellen sind (vgl. Beschluss vom 30. August 1994 - BVerwG 4 B 105.94 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 31 S. 9 ff.), Rechnung getragen. Die Planfeststellungsbehörde behält es nämlich in der Hand, über das "Ob" und "Wie" von Korrekturmaßnahmen zu entscheiden. Dass die nähere Konkretisierung der Reaktionsvoraussetzungen nicht im Planergänzungsbeschluss erfolgt, sondern der Ausführungsplanung vorbehalten worden ist, findet seine Rechtfertigung darin, dass die vom Kläger vermissten Erwartungswerte für den gebotenen Soll-Ist-Abgleich bei Erlass des Beschlusses noch nicht hinreichend konkret formulierbar waren. Zum einen fehlte die Detailplanung der Schadensvermeidungsmaßnahmen, die erst mit dem landschaftspflegerischen Ausführungsplan erfolgt; zum anderen hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Ableitung von Erwartungswerten von Daten abhängt, die möglichst kurz vor Beginn des Eingriffs erhoben werden sollen.

81

Ebenso wenig verfängt die Kritik des Klägers, die vorbehaltenen Korrekturmaßnahmen seien lückenhaft und im Übrigen wirkungslos. Soweit er Korrekturmaßnahmen mit Schutzrichtung für Jagdhabitate und zur Abwehr bau- und anlagenbedingter Beeinträchtigungen vermisst, ist sein Vortrag unbeachtlich, weil das planfestgestellte Schutzkonzept insoweit keiner Ergänzung durch ein Risikomanagement bedurfte. Auch seine Rüge, betriebsbedingten Zerschneidungswirkungen und Kollisionsverlusten lasse sich über den Vorbehalt nicht abhelfen, vermag nicht zu überzeugen. Dass nachträgliche Grünbrücken aufgrund der Geländeverhältnisse nicht realisierbar seien, stellt eine unsubstantiierte Behauptung dar. Die mangelnde Eignung des Vorbehalts zur Bewältigung von Zerschneidungswirkungen lässt sich auch nicht damit begründen, dass neben den im Planergänzungsbeschluss angesprochenen weitere Korrekturmaßnahmen möglich, aber nicht vorbehalten seien. Der Kläger nennt zwar einen ganzen Strauß solcher Maßnahmen. Abgesehen davon, dass die vorgeschlagene Nachpflanzung und Erhöhung der Gehölzstreifen auf den geplanten Grünbrücken und dem Tunneldach von der vorbehaltenen "Verdichtung der bisherigen Bepflanzung" umfasst wird, verkennt er aber, dass nach der unter IV.17 c getroffenen Regelung die ausdrücklich benannten Korrekturmaßnahmen nur Regelbeispiele sind. Gegenüber der Behauptung, die vorbehaltenen Korrekturmaßnahmen zur Ergänzung bzw. Modifizierung von Sperreinrichtungen seien wirkungslos, ist auf das MAQ zu verweisen, das solche Einrichtungen ausdrücklich vorsieht.

82

Im Übrigen würden etwaige Mängel der Regelung über das Risikomanagement dem Klagebegehren ohnehin nicht zum Erfolg verhelfen. Da die Möglichkeit wirksamer Monitoring- und Korrekturmaßnahmen keinen grundsätzlichen Zweifeln begegnet, ließen etwaige Mängel der getroffenen Regelung das Planungskonzept unberührt und könnten demgemäß durch schlichte Planergänzung ausgeräumt werden. Das schließt es aus, ihretwegen den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben oder für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären (§ 17e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 FStrG entsprechend).

83

(d) Der Autobahnbetrieb wird keine Immissionen hervorrufen, die fledermausbezogene Erhaltungsziele des FFH-Gebiets beeinträchtigen. Für Lichtreize, Geräusche und Stickstoffdepositionen, die auf Habitatflächen des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus außerhalb der Gebietsgrenzen einwirken, gilt dies in gleicher Weise wie für unmittelbare Flächenverluste schon deshalb, weil diese Flächen nicht unter den Habitatschutz fallen. Zu einer der Prüfung bedürfenden Neuverlärmung kommt es freilich auch auf gebietsinternen Habitatflächen, wenn man trotz neuerer Untersuchungen, die ein Meideverhalten oder zumindest eingeschränkte Jagdaktivitäten der Fledermäuse nur für Distanzen von 25 bzw. 50 m seitlich von Straßen ermittelt haben, mit der Verträglichkeitsprüfung für Lärmeinwirkungen eine Relevanzschwelle von 55 dB(A) zugrunde legt. Insoweit stehen neu verlärmten Flächen am "Langer Berg" von 0,49 ha und am Beerberg von 0,09 ha Flächen am "Langer Berg" von 2,86 ha gegenüber, auf denen der Lärm durch die Entlastung der B 7 und die Tunnelführung der A 44 unter diese Schwelle absinkt. Da die Be- und Entlastungsflächen im Wesentlichen gleichartige Habitatelemente darstellen und in räumlichem Zusammenhang zueinander stehen, ist es mit den Erhaltungszielen vereinbar, sie saldierend zu betrachten mit der Folge, dass keine relevante Neuverlärmung eintritt. Dass es durch die äußerst geringen Zusatzbelastungen gebietsinterner Habitatflächen mit Stickstoff zu einer die Jagd der Fledermäuse behindernden Verkrautung oder Ausbreitung von Brombeeren kommen könnte, ist eine vom Kläger nicht ansatzweise belegte Behauptung.

84

(2) Soweit die Verträglichkeitsprüfung erhebliche Beeinträchtigungen der zum Gegenstand von Erhaltungszielen des Gebiets gewordenen Lebensräume 9110 (Hainsimsen-Buchenwald), 9130 (Waldmeister-Buchenwald) und 91E0* (Erlen-Eschen- und Weichholzauenwälder) durch Stickstoffbelastungen verneint hat, greifen die dagegen vom Kläger erhobenen Einwendungen im Ergebnis ebenfalls nicht durch.

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(a) Der Kläger ist mit diesen Einwendungen allerdings nicht nach § 61 Abs. 3 BNatSchG 2002 bzw. § 17a Nr. 7 Satz 2 FStrG ausgeschlossen. Zwar hat er sich in seinem Einwendungsschreiben vom 10. April 2006 darauf beschränkt, Beeinträchtigungen des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus durch erhöhte Stickstoffdepositionen geltend zu machen, die die Krautschicht von Laubwäldern veränderten und deren Eignung als Jagdhabitate für die Fledermäuse ungünstig beeinflussten. Negative Auswirkungen auf Vegetationsflächen bestimmter Lebensraumtypen dürften damit nicht hinreichend klar gerügt sein. Gleiches gilt für das im Rahmen der ergänzenden Anhörung zu den Konsequenzen der Gebietserweiterung eingereichte Einwendungsschreiben des Klägers vom 31. Oktober 2007, in dem nicht die Prüfung oder Bewertung von Stickstoffeinträgen in Flächen des Lebensraumtyps 9110, sondern nur die mangelnde Berücksichtigung anderer Beeinträchtigungen dieses Lebensraums beanstandet worden ist. Die Möglichkeit, Vortrag zur Stickstoffbelastung von Flächen der dem Gebietsschutz unterfallenden Lebensraumtypen im gerichtlichen Verfahren nachzuschieben, wurde dem Kläger aber dadurch eröffnet, dass die Planfeststellungsbehörde ihre Entscheidungsgrundlagen in dem prozessbegleitend durchgeführten ergänzenden Verfahren durch Einbeziehung des Endberichts des Ingenieurbüros L. GmbH & Co. KG zur Berechnung der Stickstoffdepositionen vom Juni 2008 und weiterer Untersuchungen nachträglich ergänzt hat, ohne diese Unterlagen dem Kläger noch zur Stellungnahme zuzuleiten. Werden den Naturschutz betreffende neue Untersuchungen angestellt, auf die - wie hier - die Planungsentscheidung gestützt werden soll, so müssen die anerkannten Naturschutzvereine erneut beteiligt werden, auch wenn die vorgesehene Entscheidung nicht zu zusätzlichen Eingriffen in Natur und Landschaft führt (Urteil vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 19.95 - BVerwGE 102, 358 <362>). Wird ihnen diese Möglichkeit vorenthalten, so kann ihnen nicht vorgeworfen werden, dass sie im ursprünglichen Anhörungsverfahren keine entsprechenden Einwendungen erhoben haben (Urteil vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 A 73.07 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 39 Rn. 58 m.w.N.).

86

(b) In der Sache greifen die Einwände des Klägers jedoch nicht durch. Die behördliche Beurteilung der Stickstoffbelastung habitatrechtlich geschützter Waldlebensräume ist zwar nicht frei von Rechtsfehlern; diese haben aber keinen Einfluss auf das Beurteilungsergebnis.

87

Die Verträglichkeitsprüfung hat in ihrer Ursprungsfassung die Stickstoffdepositionen nach dem Konzept der sog. Critical Loads (nachfolgend: CL) bewertet und dabei für die in Rede stehenden Lebensräume empirische CL von 10 bis 15 kg N/ha*a zugrundegelegt (vgl. zum CL-Konzept Kieler Institut für Landschaftsökologie, Bewertung von Stickstoffeinträgen im Kontext der FFH-Verträglichkeitsstudie, Februar 2008 , S. 7). Dem ist der Planfeststellungsbeschluss vom 16. November 2007 ungeachtet ausführlicher Zitate aus einer dieses Konzept modifizierenden Stellungnahme der Gutachterin Dr. habil. Sch. vom 12. November 2007 letztlich gefolgt (S. 257 und 263 f.). Die CL sollen naturwissenschaftlich begründete Belastungsgrenzen für Vegetationstypen und andere Schutzgüter umschreiben, bei deren Einhaltung signifikant schädliche Effekte von Luftschadstoffdepositionen auch langfristig ausgeschlossen werden können. In Anbetracht der Unsicherheiten, denen die Beurteilung der durch ein Projekt für habitatrechtlich geschützte Lebensräume hervorgerufenen Stickstoffbelastungen unterliegt (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 ), ist gegen die Verwendung dieses Konzepts nichts einzuwenden (Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 ).

88

Den habitatrechtlichen Schutzansatz hat der Planfeststellungsbeschluss in seiner Ursprungsfassung indes dadurch verfehlt, dass er allein die Zusatzbelastungen an den CL als Beurteilungswerte gemessen hat. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL und § 34 Abs. 1 und 2 HENatG fordern zwar eine projektbezogene Prüfung. Die Beurteilung der Einwirkungen des jeweiligen konkreten Vorhabens kann aber nicht losgelöst von den Einwirkungen, denen der betroffene Lebensraum im Übrigen unterliegt, vorgenommen werden. Maßstab für die Erheblichkeit von Gebietsbeeinträchtigungen sind - wie schon erwähnt - die für das Gebiet maßgeblichen Erhaltungsziele (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 41), also die Festlegungen zur Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der in einem FFH-Gebiet vorkommenden Lebensräume und Arten nach den Anhängen I bzw. II FFH-RL (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 BNatSchG 2002). Eine an den Erhaltungszielen orientierte Prüfung ist nicht möglich, ohne neben den vorhabenbedingten Einwirkungen auch Einwirkungen in den Blick zu nehmen, denen der geschützte Lebensraum oder die geschützte Art von anderer Seite ausgesetzt ist. Daher ist für eine am Erhaltungsziel orientierte Beurteilung der projektbedingten Zusatzbelastung die Berücksichtigung der Vorbelastung unverzichtbar (Beschluss vom 10. November 2009 - BVerwG 9 B 28.09 - NVwZ 2010, 319 m.w.N.). Das schließt es aus, allein die Zusatzbelastung an dem einschlägigen CL-Wert zu messen.

89

Dieser Rechtsmangel ist durch den Planergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2009 nicht behoben worden. Eine Heilung nach Maßgabe von § 17e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 FStrG scheitert freilich nicht daran, dass der Planergänzungsbeschluss ausdrücklich hervorhebt, eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses sei insoweit nicht erforderlich (S. 18 oben). In seiner Begründung hat sich der Ergänzungsbeschluss mit der Beurteilung der Stickstoffdepositionen auf der Grundlage einer vertiefenden Untersuchung des Ingenieurbüros L. und neuer vegetationskundlicher Erhebungen, die beide in der konsolidierten Fassung der Verträglichkeitsprüfung ausgewertet und verarbeitet worden sind, erneut auseinandergesetzt. Der Sache nach hat er damit die Zulassungsentscheidung hinsichtlich der Stickstoffproblematik auf eine neue Grundlage gestellt. Das entspricht den Anforderungen, die der Senat in dieser Hinsicht an die Fehlerheilung stellt (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 71; Beschluss vom 10. Dezember 2009 - BVerwG 9 A 9.08 - NVwZ 2010, 320 ).

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Ebenso wenig kann einer Fehlerheilung entgegengehalten werden, die Stickstoffbelastung der geschützten Lebensräume sei in der Untersuchung des Büros L. fehlerhaft berechnet worden. Der Kläger hat gerügt, bei der Berechnung der Zusatzbelastung sei die nasse Deposition unberücksichtigt geblieben und die der Berechnung zugrundegelegten Werte für die Geschwindigkeit der trockenen Deposition seien nicht angegeben worden. Unter beiden Gesichtspunkten sind die Berechnungsergebnisse nicht zu beanstanden. Der Gutachter Dipl.-Ing. Lo. vom Büro L. hat hierzu in der mündlichen Verhandlung erläuternd ausgeführt, dass die durch niederschlagsbedingte Auswaschung des Stickstoffs aus Luftschichten resultierende nasse Deposition infolge der Verdünnung des Stickstoffs in der Luft bei den hier in Rede stehenden Entfernungen sich im Milligrammbereich bewege und deshalb neben der trockenen Deposition nicht ins Gewicht falle. Als Depositionsgeschwindigkeiten seien die vom Umweltbundesamt angegebenen Werte berücksichtigt worden, um eine einheitliche Behandlung der Zusatzbelastung und der ebenfalls nach diesen Werten berechneten Vorbelastung zu gewährleisten. Diese Erläuterungen erscheinen plausibel und sind auch von Klägerseite nicht weiter in Frage gestellt worden.

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Die Heilung scheitert aber daran, dass die in der konsolidierten Fassung der Verträglichkeitsprüfung und im Planergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2009 vorgenommene Neubeurteilung anhand der "Vollzugshilfe zur Ermittlung erheblicher und irrelevanter Stoffeinträge in Natura 2000-Gebiete" des Landesumweltamtes Brandenburg vom November 2008 (nachfolgend: Brandenburger Vollzugshilfe) erfolgt ist, wonach für zusätzliche Stickstoffbelastungen in der Regel eine Irrelevanzschwelle von 10 % des CL-Wertes anzuwenden ist (Nr. 4.4 und 4.5). Dies steht nicht in Einklang mit den für die Verträglichkeitsprüfung geltenden rechtlichen Maßstäben. Kommt es für die Erheblichkeit einer Beeinträchtigung darauf an, ob diese dem einschlägigen Erhaltungsziel zuwiderläuft, so ist grundsätzlich jede Überschreitung eines Wertes, der die Grenze der nach naturschutzfachlicher Einschätzung für das Erhaltungsziel unbedenklichen Auswirkungen bestimmter Art markiert, als erheblich anzusehen. Bei Zugrundelegung des CL-Konzepts für die Verträglichkeitsprüfung fungieren die CL als Beurteilungswerte in diesem Sinne. Werden sie bereits von der Vorbelastung ausgeschöpft oder sogar überschritten, so folgt daraus, dass prinzipiell jede Zusatzbelastung mit dem Erhaltungsziel unvereinbar und deshalb erheblich ist, weil sie die kritische Grenze überschreitet oder schon mit der Vorbelastung verbundene Schadeffekte verstärkt (Beschluss vom 10. November 2009 a.a.O. Rn. 6; vgl. auch schon Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 108).

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Angesichts dessen sind Irrelevanzschwellen, die generalisierend Zusatzbelastungen bis zu einem bestimmten Prozentsatz der CL für unbedenklich erklären, mit den habitatrechtlichen Vorgaben nicht ohne Weiteres zu vereinbaren und bedürfen besonderer, naturschutzfachlich fundierter Rechtfertigung. Daran ändert nichts, dass die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene Technische Anleitung Luft ebenfalls Irrelevanzschwellen für Zusatzbelastungen mit Schadstoffen enthält, worauf die Brandenburger Vollzugshilfe ausdrücklich Bezug nimmt (4.4); denn Vorbilder aus anderen Rechtsbereichen können nicht eine Handhabung rechtfertigen, die sich von dem maßgeblichen habitatrechtlichen Maßstab entfernt. Naturschutzfachliche Gesichtspunkte, auf die sich eine Irrelevanzschwelle von 10 % der CL stützen ließe, sind indessen weder in der Brandenburger Vollzugshilfe benannt (vgl. dazu KIfL, S. 19) noch sonst ersichtlich. Namentlich liefern die Umstände, dass CL "rohe" wissenschaftliche Ergebnisse mit hohen Unsicherheitsmargen darstellen (KIfL, S. 26), die Methoden der Depositionsberechnung noch mit Unsicherheiten behaftet sind und Daten der Vorbelastung nur gerundet zur Verfügung stehen, hierfür keine hinreichende Rechtfertigung. Falls derartige Unsicherheiten nicht ohnehin im Wege einer Modifizierung der CL durch Zu- oder Abschläge zu bewältigen sind, könnten sie allenfalls eine Rolle spielen, soweit es um die Beurteilung von Zusatzbelastungen geht, die zusammen mit der Vorbelastung zu einer sich im Grenzbereich des CL-Wertes bewegenden Gesamtbelastung führen. Überschreitet dagegen bereits die Vorbelastung den CL-Wert deutlich, kann es auf Unsicherheiten, die die richtige Grenzziehung betreffen, nicht ankommen. Ebenso sind Probleme, rechnerisch belegte Zusatzbelastungen geringer Größenordnung messtechnisch nachzuweisen, für die Beurteilung unerheblich. Schließlich fehlt es bisher an jeglichem Begründungsansatz, der Zusatzbelastungen in einer Größenordnung von bis zu 10 % der CL als eine im Hinblick auf ihre Wirkungen zu vernachlässigende Bagatelle erscheinen ließe.

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Erweist sich eine Neubeurteilung der projektbedingten Stickstoffdepositionen anhand des Bewertungsmodells der Brandenburger Vollzugshilfe als zur Fehlerheilung ungeeignet, so verhilft dies der Klage gleichwohl nicht zum Erfolg; denn der Beurteilungsmangel hat sich nicht auf das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung ausgewirkt (§ 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG entsprechend). Dies folgt daraus, dass jedenfalls in Fallgestaltungen, in denen die Vorbelastung - wie hier - die CL um mehr als das Doppelte übersteigt, eine Irrelevanzschwelle von 3 % des jeweiligen CL-Wertes anzuerkennen ist. Eine so bemessene Schwelle findet ihre Rechtfertigung in dem Bagatellvorbehalt, unter dem jede Unverträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines FFH-Gebiets steht. Als allgemeiner, im gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EUV) wurzelnder Rechtsgedanke kann dieser Vorbehalt nicht nur bei direkten Flächenverlusten (vgl. dazu Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 124), sondern auch bei mittelbaren Einwirkungen auf einen Lebensraum wie den hier in Rede stehenden Stickstoffdepositionen zum Tragen kommen (Beschluss vom 10. November 2009 a.a.O. Rn. 8). Wann eine Einwirkung Bagatellcharakter hat, ist eine zuvörderst naturschutzfachliche Frage.

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Eine Orientierungshilfe bietet insoweit der vom Kieler Institut für Landschaftsökologie erarbeitete Fachkonventionsvorschlag, der unabhängig vom betroffenen Flächenumfang eine Schwelle von 3 % des CL empfiehlt (KIfL, S. 35). Ausweislich dieser naturschutzfachlich fundierten Ausarbeitung wird von konsultierten Experten eine Zusatzbelastung in der Größenordnung von 3 % des CL übereinstimmend als nicht signifikant verändernd eingestuft (ebd. S. 36; vgl. auch die auf einem internationalen Workshop vom 18. bis 20. Mai 2009 beruhende Publikation von Uhl u.a., "Ermittlung und Bewertung von Wirkungen durch Stickstoffdepositionen auf Natura 2000 Gebiete in Deutschland"). Die Erläuterungen der Gutachter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, denen der Gutachter des Klägers keine fachlichen Einwände von Gewicht entgegenzusetzen vermocht hat, haben diese Einschätzung bestätigt; danach besteht mittlerweile ein fachwissenschaftlicher Konsens darüber, dass Zusatzbelastungen von nicht mehr als 3 % des CL außerstande sind, signifikante Veränderungen des Ist-Zustandes auszulösen oder die Wiederherstellung eines günstigen Zustandes signifikant einzuschränken. Gemessen an der habitatrechtlichen Zielsetzung, einen günstigen Erhaltungszustand zu erhalten oder wiederherzustellen, erweisen sich damit vorhabenbedingte Zusatzbelastungen bis zu dieser Schwelle unabhängig vom Umfang der betroffenen Fläche als Bagatelle, die die Verträglichkeit des Vorhabens nicht in Frage stellt. Dies trifft jedenfalls dann zu, wenn schon die Vorbelastung den CL um mehr als das Doppelte übersteigt. Denn bei dieser Sachlage fällt zum einen die Zusatzbelastung gegenüber der Vorbelastung sehr gering ins Gewicht, zum anderen lässt sich dann ein dem CL-Wert entsprechender Zustand ohnehin nicht mit den spezifischen Mitteln des Habitatrechts, sondern nur durch eine effektive Luftreinhaltepolitik erzielen.

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Hiervon ausgehend kann sich die fehlerhafte Annahme einer 10%igen Irrelevanzschwelle in der konsolidierten Fassung der Verträglichkeitsprüfung und im Planergänzungsbeschluss auf das Entscheidungsergebnis nicht ausgewirkt haben. Denn auch bei Zugrundelegung einer Irrelevanzschwelle von 3 % des CL wäre die vorhabenbedingte Stickstoffdeposition zu vernachlässigen. Der für die hier betroffenen Waldlebensräume in der konsolidierten Fassung der Verträglichkeitsprüfung (S. 156) und im Planergänzungsbeschluss in Ansatz gebrachte CL von 10 bis 12 kg N/ha*a, der den naturräumlichen Gegebenheiten in nicht zu beanstandender Weise Rechnung trägt, wird schon von der Vorbelastung weit überschritten; nach den der OSIRIS-Datenbank des Umweltbundesamtes entnommenen Angaben war für die im FFH-Gebiet geschützten Waldlebensräume von einer Vorbelastung zwischen 37 und 48 kgN/ha*a und punktuell noch darüber auszugehen. Die ermittelten Zusatzbelastungen liegen dagegen weitgehend bei < oder = 0,1 kg N/ha*a und erreichen nur kleinflächig bis zu 0,3 kg N/ha*a. Damit geht bei einer hohen, den CL-Wert um mehr als das Dreifache übersteigenden Vorbelastung die Zusatzbelastung an keiner Stelle über die Irrelevanzschwelle von 3 % des CL hinaus.

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(3) Im Planfeststellungsbeschluss wird unter Rückgriff auf die die Verträglichkeitsprüfung ergänzende Stellungnahme zu den Auswirkungen der Gebietsveränderung (NPU 32) die Auffassung vertreten, Grau- und Schwarzspecht als charakteristische Arten der Waldlebensräume 9110 und 9130 würden durch Immissionen der geplanten Autobahn nicht erheblich beeinträchtigt. Diese Beurteilung lässt keine Rechtsfehler erkennen. Bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses als dem insoweit maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt entsprach es noch dem Stand der Wissenschaft, in Bezug auf Vögel Lärmimmissionen als entscheidende Störungsquelle zu betrachten und ihre Störwirkung anhand der 50- bzw. 55-dB(A)-Isophone zu bewerten. Neuere Erkenntnisse, die sich aus dem Abschlussbericht eines vom Kieler Institut für Landschaftsökologie durchgeführten Forschungsvorhabens "Vögel und Verkehrslärm" ergeben, können nicht als zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt vorausgesetzt werden, weil der auf "November 2007" datierte Bericht entweder nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses oder allenfalls wenige Tage vorher fertiggestellt wurde. Hiernach war eine relevante Neubelastung zu verneinen, da - vergleichbar der Situation der Fledermäuse - den über die genannten Werte hinaus neu belasteten Habitatflächen in größerem Umfang entsprechend entlastete Flächen gegen-überstehen. Dies gilt sowohl bezogen auf die gebietsinternen Spechthabitate insgesamt als auch bezogen auf die dem jeweiligen Lebensraumtyp zugehörigen Be- und Entlastungsflächen. Da die fraglichen Habitatelemente in räumlichem Zusammenhang zueinanderstehen und auf demselben Einwirkungspfad be- und entlastet werden, ist gegen die vorgenommene Saldierung nichts zu erinnern.

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(4) An der Beurteilung, dass die Erhaltungsziele des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" nicht beeinträchtigt werden, ändert sich auch dann nichts, wenn die Auswirkungen anderer Planungen sowie anderer Abschnitte der Autobahnplanung in die Betrachtung einbezogen werden. Auswirkungen auf die Fledermausarten "Großes Mausohr" und "Bechsteinfledermaus" in Gestalt von Zerschneidungseffekten und Kollisionsrisiken sind durch das planfestgestellte Schutzkonzept so bewältigt, dass es nicht zur Summation mit Wirkungen anderer Projekte bzw. Projektteile oder gar zu Synergismen kommen kann. Für die weiteren vorstehend behandelten Auswirkungen des planfestgestellten Vorhabens trifft Gleiches zu, ohne dass es überhaupt besonderer Schutzmaßnahmen bedürfte.

98

b) Erhebliche Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets "Reichenbacher Kalkberge" sind ebenfalls nicht zu besorgen. Die für das Gebiet durchgeführte Verträglichkeitsprüfung hat die vom Kläger angesprochene Problematik hydrologischer Einwirkungen des geplanten Ersatzbrunnens auf geschützte Lebensräume zwar nur kursorisch behandelt, indem sie unter Hinweis auf die ausschließliche Förderung von Tiefenwasser und die Abdichtung des Brunnens bis zu 70 m unter Gelände eine Beeinflussung dieser Lebensräume ausgeschlossen hat (S. 22; vgl. auch den ergänzenden Hinweis in der Umweltverträglichkeitsstudie Ersatzwasserbeschaffung Brunnen Küchen, S. 17). Erläuterungen des vom Beklagten eingeschalteten Fachgutachters Dipl.-Geologe M. in der mündlichen Verhandlung anhand eines Modells der hydrogeologischen Verhältnisse im FFH-Gebiet haben die Richtigkeit der in der Verträglichkeitsprüfung enthaltenen fachlichen Einschätzung aber überzeugend bestätigt. Die zum Gegenstand von Erhaltungszielen des FFH-Gebiets gewordenen Kalktuffquellen (LRT 7220*) und Erlen-Eschen-Auenwälder (LRT 91E0*) werden von den wasserführenden Schichten, aus denen das Brunnenwasser gefördert wird, durch eine geologische Sperre in Gestalt einer schräg einfallenden Rötschicht getrennt. In Verbindung mit der geplanten Abdichtung des Bohrlochs, deren technische Realisierbarkeit keinen begründeten Zweifeln unterliegt, erscheint eine hydraulische Verbindung, die dazu führen könnte, dass den geschützten Lebensräumen durch den Betrieb des Ersatzbrunnens Wasser entzogen wird, ausgeschlossen. Im Übrigen hat der Gutachter M. verdeutlicht, dass der durch die Fördermenge des Brunnens bewirkte Grundwasser-Absenkungstrichter von diesen Lebensräumen einen weiten Abstand hält. Diesen Überlegungen hat der Kläger nicht länger widersprochen. Der für den Kläger tätige Gutachter Sp. verweist allerdings auf den gleichfalls im FFH-Gebiet geschützten Lebensraum Kalkreiche Niedermoore (LRT 7230), der von dem Brunnen nicht durch eine geologische Sperrschicht getrennt werde. Auch insoweit hat der Gutachter M. Gefährdungen aber zur Überzeugung des Gerichts auszuschließen vermocht. Aus seinen Erläuterungen folgt, dass dieser Lebensraum sich zum einen nach den örtlichen Verhältnissen nicht aus dem Grundwasser speist und zum anderen ebenso wenig wie die zuvor behandelten Lebensräume von dem Absenkungstrichter des Brunnens erfasst wird.

99

c) Von einer Verträglichkeitsprüfung für das Vogelschutzgebiet "Meißner" durfte der Beklagte absehen. Wie sich aus Art. 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 7 FFH-RL ergibt, erfordern Projekte eine Prüfung ihrer Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines ausgewiesenen Vogelschutzgebiets nur dann, wenn sie das Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten. Stellt sich dagegen schon nach einer bloßen Vorprüfung heraus, dass keine vernünftigen Zweifel am Ausbleiben erheblicher Beeinträchtigungen bestehen, so erübrigt sich eine Verträglichkeitsprüfung (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 ; Beschluss vom 26. November 2007 - BVerwG 4 BN 46.07 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 29 S. 91 f.). Dies trifft vorliegend zu. Erhebliche Einwirkungen auf das Schutzgebiet sind von vornherein ausgeschlossen. Es werden weder Gebietsflächen in Anspruch genommen noch ist aufgrund der Entfernung des Vogelschutzgebiets von der offenen Trasse mit relevanten Immissionen zu rechnen. Ausweislich der Lärmdifferenzkarte halten nicht nur die 55-dB(A)-, sondern auch die 50-dB(A)-Isophone im Planfall einen Abstand von mehr als 300 m von der Gebietsgrenze. Wo die Trasse im Tunnel geführt wird, ergeben sich im Vergleich zu dem durch den Verkehrslärm der B 7 beeinflussten Ist-Zustand sogar Entlastungen. Angesichts dessen sind Störwirkungen auf die im Gebiet geschützten Vögel einschließlich der vom Kläger besonders angesprochenen Schwarzstörche durch Lärm zu verneinen. Entsprechendes gilt für Fluchtdistanzen des Schwarzstorchs, die nach Angaben des Klägers gegenüber Personen 100 m und gegenüber Baumaschinen 500 m betragen; denn die offenen Teilstücke der Trasse liegen einschließlich der Tunnelportale mindestens 750 m vom Vogelschutzgebiet entfernt.

100

Soweit der Kläger die Gefahr sieht, Horste des Schwarzstorchs in den Biotopkomplexen "Langer Berg" und "Lochmannsberg" gingen wegen ihrer Nähe zur Trasse verloren, hat er nicht dargetan, warum sich diese auf das etwa 1 km entfernte Vogelschutzgebiet und die dort nistenden Brutpaare des Schwarzstorchs auswirken sollte. Das Erfordernis eines strikten Gebietsbezugs habitatrechtlich erheblicher Beeinträchtigungen verkennt der Kläger auch insoweit, als er die Beeinträchtigung von Nahrungshabitaten des Schwarzstorchs im Wehrebogen geltend macht. Da nichts für eine fehlerhafte Abgrenzung des Vogelschutzgebiets spricht, kommt es auf die Frage, ob außerhalb der festgelegten Gebietsgrenzen gelegene Nahrungshabitate durch das Projekt beeinträchtigt werden könnten, nach den obigen Ausführungen zur vergleichbaren Problematik für die im FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" geschützten Fledermausarten nicht an.

101

Ferner lässt sich ausschließen, dass für den Fortbestand eines günstigen Erhaltungszustands der im Vogelschutzgebiet lebenden Schwarzstörche unverzichtbare Austauschbeziehungen zu Schwarzstorchbeständen, die Gegenstand der Erhaltungsziele anderer Natura-2000-Gebiete sind, beeinträchtigt werden könnten. Die Trasse stellt für Schwarzstörche selbst dort, wo sie nicht im Tunnel verläuft, kein Überflughindernis dar und kann deshalb bislang vorhandene Austauschbeziehungen nicht unterbrechen.

102

d) Entgegen der Auffassung des Klägers brauchte der Beklagte nicht vom Vorhandensein eines faktischen Vogelschutzgebiets "Lichtenauer Becken" auszugehen, das durch das planfestgestellte Vorhaben betroffen sein könnte. Der Senat hat dies in seinem Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - (BVerwGE 130, 299 ), das auf die Klage des Klägers gegen den die VKE 20 betreffenden Planfeststellungsbeschluss des Beklagten ergangen ist, näher begründet. Darauf wird Bezug genommen. Umstände, die nunmehr Anlass zu einer abweichenden Beurteilung geben könnten, sind weder im vorliegenden Verfahren dargetan noch sonst ersichtlich.

103

2. Es stellt keinen Rechtsfehler dar, dass die Planfeststellungsbehörde im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens nicht die Verträglichkeit des Gesamtprojekts der A 44 zwischen Kassel und Eisenach mit den Erhaltungszielen aller in diesem Raum vorhandenen FFH-Gebiete geprüft, sondern sich hinsichtlich der weiteren Planungsabschnitte mit einer Vorschau nach Art eines "vorläufigen positiven Gesamturteils" begnügt hat. § 34 HENatG schreibt im Einklang mit § 34 BNatSchG 2002 eine Verträglichkeitsprüfung im Rahmen der Projektzulassung nur für das jeweilige Projekt im Sinne des § 3 Satz 2 Nr. 8 HENatG, bei einer abschnittweise erfolgenden Planung also nur für den einzelnen Planungsabschnitt vor. Die FFH-Verträglichkeit der Gesamtplanung ist hingegen allein im Verfahren der Linienbestimmung zu beurteilen (§ 34 Abs. 7 HENatG, § 35 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG 2002). Eine Ausnahme ist auch nicht für den Fall vorgesehen, dass das Erfordernis einer die Gesamtplanung betreffenden Verträglichkeitsprüfung im Linienbestimmungsverfahren noch nicht zum Tragen kommen konnte, weil die Linienbestimmung - wie hier - vor Inkrafttreten der genannten gesetzlichen Vorschriften und vor Aufnahme der einzelnen FFH-Gebiete in die von der Kommission festgelegte Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (Art. 4 Abs. 5 FFH-RL) erfolgt ist (Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 32 f.). Dass dem Gesamtprojekt in anderen Planungsabschnitten auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit, die jeweiligen Abschnitte im Wege einer Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 und 4 HENatG zuzulassen, unüberwindliche, ein vorläufiges positives Gesamturteil ausschließende Hindernisse entgegenstünden, hat der Kläger selbst nicht geltend gemacht; dies ist auch sonst nicht ersichtlich.

104

3. Das Vorhaben widerspricht ferner nicht in einer das Klagebegehren rechtfertigenden Weise den Anforderungen des Artenschutzrechts.

105

a) Mit seinem Einwand, der Beklagte habe es versäumt, den Luchs bei seiner artenschutzrechtlichen Prüfung zu berücksichtigen, ist der Kläger nach der hier maßgeblichen Präklusionsregelung des § 61 Abs. 3 BNatSchG 2002 i.V.m. § 35 Abs. 2 Satz 2 HENatG i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 18. Juni 2002 (GVBl I S. 364) ausgeschlossen. Gegenstand des zweiten Anhörungsverfahrens, in dem der Kläger durch Übersendung der maßgeblichen Planunterlagen beteiligt wurde, waren sowohl die Deckblattfassung des landschaftspflegerischen Begleitplans als auch der artenschutzrechtliche Fachbeitrag. Diesen Unterlagen ließ sich im Einzelnen entnehmen, welche Arten mit welchen Methoden vom Vorhabenträger untersucht worden waren. Der Luchs gehörte erkennbar nicht zu den in den Blick genommenen Arten. Innerhalb der Äußerungsfrist, die mit ca. zwei Monaten jedenfalls nicht zu knapp bemessen war, hat der Kläger umfangreiche Einwendungen erhoben, ein Vorkommen des Luchses oder Gesichtspunkte, die ein solches Vorkommen nahelegen könnten, jedoch ebenso wenig angesprochen wie im ersten Anhörungsverfahren. Da er auf die Rechtsfolgen verspäteter Einwendungen hingewiesen worden war, führt dies zum Einwendungsausschluss.

106

An der eingetretenen Präklusion vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass der Kläger das Vorkommen des Luchses in der ihm von der Planfeststellungsbehörde ermöglichten Äußerung zu den Stellungnahmen des Vorhabenträgers zum artenschutzrechtlichen Fachbeitrag behauptet hat. Gegenstände dieser Stellungnahmen waren eine veränderte - individuenbezogene - Beurteilung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände auf der Grundlage unveränderter Daten und die Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen des § 62 BNatSchG 2002. Die Erhebungsphase, deren Defizite der Kläger mit seinem Einwand geltend macht, war zu diesem Zeitpunkt längst abgeschlossen, und auch die Stellungnahmen zum artenschutzrechtlichen Fachbeitrag warfen insofern keine neuen Fragen auf, die den Gegenstand der Anhörung gebildet hätten.

107

Der Präklusion stehen Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften dürfen das nationale Verfahrens- und Prozessrecht zwar die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Urteile vom 14. Dezember 1995 - Rs. C-312/93 - Slg. 1995, I-4599 und - Rs. C-430/93 und 431/93 - Slg. 1995, I-4705 ). Ob eine nationale Verfahrensvorschrift diesem Erfordernis entspricht, ist unter Berücksichtigung ihrer Stellung im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens zu prüfen (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 2003 - Rs. C-327/00 - Slg. 2003, I-1877 ). Nach diesem Maßstab bestehen gegen den Einwendungsausschluss keine Bedenken. Die Regelungen der Einwendungspräklusion im deutschen Recht dienen der Rechtssicherheit, namentlich dem gesteigerten Bedürfnis des Vorhabenträgers nach Schutz und Beständigkeit der unter Drittbeteiligung zustande gekommenen Zulassungsentscheidung. Mit Rücksicht auf die genannte Zielsetzung stehen diese Präklusionsregelungen grundsätzlich in Einklang mit dem erwähnten gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgebot (Beschluss vom 11. November 2009 - BVerwG 4 B 57.09 - UPR 2010, 103 ). Anders als bei prozessrechtlichen Ausschlussfristen, für die Gleiches in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt ist (vgl. Urteil vom 16. Mai 2000 - Rs. C-78/98 - Slg. 2000, I-3201 ), tritt der Einwendungsausschluss insoweit zwar bereits vor Erlass eines gerichtlich anfechtbaren Rechtsakts ein. Das ist aber ohne Bedeutung, weil das Einwendungsrecht als Anknüpfungspunkt für die Präklusion einem vorgezogenen Rechtsschutz gleichkommt. Dieser Rechtsschutz ist nicht unzureichend; denn er liegt auch im wohl verstandenen Interesse der Einwendungsberechtigten, weil sie durch ihr Vorbringen die Chance der Einflussnahme wahren können, bevor eine Art von planerischer Verfestigung eingetreten ist (Beschluss vom 11. November 2009 a.a.O. Rn. 7). Die hier in Rede stehende Präklusionsregelung enthält keine Besonderheiten, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten. Da der Einwendungsausschluss eine angemessene Erkundigungs- und Äußerungsfrist sowie eine ausreichende Belehrung über die Folgen verspäteten Vorbringens voraussetzt, wird die Rechtsverfolgung nicht mehr als aus Gründen der Rechtssicherheit geboten erschwert.

108

Mit der hier vertretenen Auffassung setzt sich das Gericht entgegen der Ansicht des Klägers nicht in Widerspruch zu dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 15. Oktober 2009 - Rs. C-263/08 - (NuR 2009, 773). Im Ausgangsfall, der zu dieser Entscheidung führte, hatte eine Umweltschutzvereinigung gegen die Zulassung eines Projekts durch eine der nationalen Gerichtsbarkeit zugehörige Stelle geklagt, nachdem sie sich an dem von dieser Stelle durchgeführten Genehmigungsverfahren beteiligt hatte. Dem Gerichtshof wurde die Frage vorgelegt, ob das Gemeinschaftsrecht es erfordert, einer Vereinigung unter diesen Umständen den Rechtsweg zu eröffnen. Der Gerichtshof hat das bejaht und den Rechtssatz aufgestellt, den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 und Art. 10a der UVP-Richtlinie müsse es möglich sein, die von einer der nationalen Gerichtsbarkeit eines Mitgliedstaates zugehörigen Stelle erlassene Entscheidung über den Antrag auf Genehmigung eines Projekts anzufechten, gleichviel, welche Rolle sie in dem Verfahren über den Genehmigungsantrag vor dieser Stelle durch ihre Beteiligung an und ihre Äußerung in diesem Verfahren spielen konnte. Der Gerichtshof hat sich damit nur zu der Problematik geäußert, ob der Klageweg mit der Erwägung versperrt werden darf, dass das Beteiligungsrechte gewährende Genehmigungsverfahren von einer Stelle mit Gerichtscharakter im Rahmen verwaltungsbehördlicher Zuständigkeit durchgeführt worden ist (a.a.O. Rn. 37). Zur Problematik des Einwendungsausschlusses im Falle ungenügenden Gebrauchmachens von der Möglichkeit der Äußerung im Verwaltungsverfahren besagt dies nichts.

109

b) Die auf andere Tierarten bezogenen Rügen des Klägers sind zwar bereits in seinen im Planfeststellungsverfahren erhobenen Einwendungen angelegt, führen in der Sache aber nicht auf entscheidungserhebliche Fehler.

110

Bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 16. November 2007 war das Vorhaben an den §§ 42, 43 und 62 BNatSchG 2002 zu messen, die nach § 11 Satz 1 BNatSchG 2002 unmittelbar galten. Durch diese Vorschriften war an sich eine dreistufige Prüfung vorgegeben, bei der zu klären war, ob das Vorhaben einen Verbotstatbestand des § 42 BNatSchG 2002 verwirklicht, ob eine gesetzliche Ausnahme vom Verbot nach § 43 BNatSchG 2002 eingreift oder ob das Verbot aufgrund einer Befreiung nach § 62 BNatSchG 2002 entfällt. Die auf der zweiten Stufe zu beachtende Legalausnahme des § 43 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG 2002 für die Durchführung eines nach § 19 BNatSchG 2002 zugelassenen Eingriffs konnte indessen grundsätzlich nicht zum Tragen kommen, weil die Vorschrift die Ausnahme nicht von sämtlichen Voraussetzungen des Art. 16 FFH-RL bzw. des Art. 9 VRL abhängig machte, deren Umsetzung zu den Zielen der artenschutzrechtlichen Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes 2002 gehörte. Das hinderte die Planfeststellungsbehörde aber nicht, unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG 2002 eine Befreiung zu erteilen (vgl. Urteil vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 A 73.07 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 39 ). Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die artenschutzrechtlichen Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes 2002 nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses durch Gesetz vom 12. Dezember 2007 (BGBl I S. 2873) geändert worden sind. Soweit diese Änderungen zu einer Einschränkung der Verbotstatbestände geführt haben, ist die geänderte Gesetzesfassung für die gerichtliche Beurteilung maßgeblich; denn es kann keinen Anspruch auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit geben, wenn der Planfeststellungsbeschluss aufgrund der Rechtsänderung mit gleichem Inhalt und gleicher Begründung erneut erlassen werden könnte (vgl. Urteil vom 13. Mai 2009 a.a.O. Rn. 88 m.w.N.). Hiervon ausgehend leidet der Planfeststellungsbeschluss auch in artenschutzrechtlicher Hinsicht nicht an einem zu seiner Aufhebung oder der Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führenden Fehler.

111

aa) Der Planfeststellungsbeschluss hat - teilweise nur vorsorglich - Verbotstatbestände für die im Anhang IV der Habitatrichtlinie aufgeführten Arten Bechsteinfledermaus, Großes Mausohr, Haselmaus und Schlingnatter sowie für 52 europäische Vogelarten als erfüllt zugrundegelegt. Entgegen der Auffassung des Klägers war damit der Kreis der von artenschutzrechtlich relevanten Auswirkungen betroffenen Anhang-IV-Arten und mit Ausnahme der Bachstelze auch der europäischen Vogelarten jedenfalls nicht zu eng gezogen. Ebenso wenig sind für die als betroffen erachteten Arten einzelne Verbotstatbestände zu Unrecht verneint worden.

112

(1) Bezogen auf die Wildkatze ist der Planfeststellungsbeschluss davon ausgegangen, dass keiner der Verbotstatbestände des § 42 BNatSchG 2002 erfüllt sei. Aufzuchtstätten der Wildkatze seien im Wirkbereich der Trasse wegen der hohen Vorbelastung durch den Lärm der B 7 nicht zu erwarten. Eine Störung durch Zerschneidung räumlich-funktionaler Beziehungen im Streifgebiet der Wildkatze sei im Hinblick auf die Vorbelastung durch die B 7, die ein Querungshindernis darstelle, und die geplanten Querungsbauwerke nicht zu erwarten. Diese Bewertung lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

113

Die Einschätzung, geschützte Lebensstätten der Wildkatze im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002, die bei der Verwirklichung des Vorhabens beschädigt oder zerstört werden könnten, seien im Trassenbereich nicht vorhanden, wird durch den naturschutzfachlichen Einschätzungsspielraum der Planfeststellungsbehörde (vgl. Urteil vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 ) gedeckt. Angesichts der Verlärmung des Untersuchungsraums durch die stark mit Verkehr belastete B 7 und die besondere Lärmempfindlichkeit der Art konnte der Beklagte auch ohne gezielte Suche nach solchen Stätten davon ausgehen, die Wildkatze nutze den fraglichen Bereich nur als Streifgebiet, nicht aber für die Aufzucht der Jungtiere oder als Ruheraum; dies umso mehr, als sich in den ausgewerteten Untersuchungen keine entsprechenden Hinweise gefunden hatten. Die hohe Empfindlichkeit der Art gegenüber Störungen durch Straßen ist durch Fachliteratur belegt (vgl. Petersen u.a., Das Europäische Schutzgebietssystem Natura 2000, Band 2: Wirbeltiere, 2004, S. 404). Soweit der Kläger demgegenüber darauf verweist, neuere telemetrische Untersuchungen hätten ergeben, dass die Tiere nachts die Nähe von Autobahnen und Straßen nicht meiden, kann dies Aussagekraft nur für das Streifverhalten der Tiere haben; denn die in Rede stehenden Lebensstätten müssen ihre Funktion auch tagsüber erfüllen können.

114

Auch wenn Trennwirkungen unter das artenschutzrechtliche Störungsverbot fallen können (bejahend Urteil vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 105; kritisch dazu Gellermann, NuR 2009, 85 <87>), ist jedenfalls der Störungstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 nicht verwirklicht. Der Planfeststellungsbeschluss geht zu Recht davon aus, dass die mit dem Vorhaben bewirkte Zerschneidung des Streifgebiets der Wildkatze durch die Trennwirkung der bisher stark belasteten B 7 relativiert und durch die vorgesehenen Querungshilfen erheblich gemindert wird. Die vom Kläger geäußerten Zweifel an der Akzeptanz dieser Querungshilfen sind bei zweckentsprechender Ausgestaltung unberechtigt. Die Errichtung von Grünbrücken wird für Wildkatzen ausdrücklich empfohlen (vgl. Petersen u.a., a.a.O.) und - zumindest für vorhandene Autobahnen - vom Kläger selbst gefordert (vgl. den Begleittext zu seinem Wildkatzenwegeplan, S. 14). Es sind ferner keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die beiden in der VKE 32 vorgesehenen Grünbrücken wegen ihrer Lage oder Ausgestaltung der Funktion als Querungshilfen (auch) für die Wildkatze nicht gerecht würden. Namentlich ist der Abstand zwischen ihnen mit ca. 300 m nicht zu groß, um die Durchlässigkeit der Trasse zu gewährleisten (vgl. die im Auftrag des Vorhabenträgers vom Büro für angewandte Ökologie und Forstplanung durchgeführten ökologischen Grundlagenerhebungen Wildtiere, S. 20).

115

(2) Auch für die Bechsteinfledermaus und das Große Mausohr brauchte der Beklagte die Verwirklichung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände nicht in Rechnung zu stellen; soweit er vorsorglich die Voraussetzungen des Störungsverbots wegen vorhabenbedingter Verluste von Jagdhabitaten bejaht und davon eine Befreiung erteilt hat, bestand hierfür keine Notwendigkeit.

116

Ein Verstoß gegen das Tötungsverbot des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 ist zu verneinen. Rodungsarbeiten für den Bau der Autobahn, in deren Verlauf Exemplare dieser Arten zu Schaden kommen könnten, sind nach der in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses auf die Zeit vom 1. November eines Jahres bis zum 1. März des Folgejahres beschränkt. In diesen Monaten könnten nur Winterquartiere betroffen sein. Die Nachforschungen des Vorhabenträgers haben jedoch ergeben, dass im Trassenbereich Bäume mit Stammhöhlen, die als Winterquartiere geeignet wären, nicht vorhanden sind. Asthöhlen, die vom Boden aus nur schwer erkannt und deshalb aufgrund der durchgeführten Prüfungen nicht sicher ausgeschlossen werden können, sind nach den einleuchtenden Ausführungen des Gutachters Dipl.-Biol. Si. ebenso wie Spalte hinter vorstehender Baumborke als Winterquartiere ungeeignet, weil sie den Tieren keinen genügenden Schutz vor Kälte bieten. Ein Verstoß gegen das Tötungsverbot wegen signifikanter Erhöhung des verkehrsbedingten Kollisionsrisikos lässt sich aufgrund der vorgesehenen Leit- und Sperreinrichtungen gleichfalls ausschließen. Ausweislich der Ausführungen zum Habitatschutz erweist sich das aus einem Bündel von Maßnahmen bestehende Schutzkonzept als geeignet, gesteigerte Kollisionsrisiken auszuschließen. Dies gilt namentlich im Bereich östlich des Tunnels Küchen, wo Hauptflugrouten des Großen Mausohrs und ein bedeutender Wechselbereich der Bechsteinfledermaus die Trasse queren. Westlich des Tunnels ist die Strecke zwar auf einer Länge von etwa 700 m nur durch beiderseitige Schutzpflanzungen, nicht hingegen durch fledermausspezifisch ausgebildete Schutzzäune abgeschirmt. Daraus lässt sich aber kein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko ableiten, weil in diesem Bereich trotz umfänglicher Untersuchungen weder bedeutende Jagdhabitate noch Flugrouten festgestellt worden sind.

117

Ein Verstoß gegen das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot (§ 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002), das nach den Ergebnissen der durchgeführten Baumhöhlensuche nur in Gestalt des Zugriffs auf Sommerquartiere der Männchen vorstellbar wäre, wird durch die vorerwähnte Regelung der Rodungszeiten ausgeschlossen.

118

Ferner sind auch verbotswidrige Störungen beider Fledermausarten zu verneinen. Da das planfestgestellte Fledermausschutzkonzept populationsrelevante Trennwirkungen verhindert, scheidet unter diesem Gesichtspunkt zumindest ein Verstoß gegen das Störungsverbot in der Fassung des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 aus. Ob die Inanspruchnahme von Jagdhabitaten oder deren stickstoffbedingte Verkrautung als Störung im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2002 bzw. des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 zu begreifen wären, erscheint zweifelhaft; bei der schlichten Beseitigung von Flächen, die bislang als Nahrungsgrundlage genutzt worden sind, und bei vegetationsverändernden Immissionen fehlt es nämlich an einer zwanghaften Einwirkung auf das natürliche Verhalten der Tiere, das nach dem Wortsinn als Störung zu werten ist. Letztlich mag dies aber auf sich beruhen; denn auch in der Zusammenschau dieser Einwirkungen wäre eine etwaige Störung nicht erheblich im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007. Da die hier berührten Populationen des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus nach den Ausführungen zur Frage ordnungsgemäßer Abgrenzung des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" in diesem Gebiet die zur Wahrung eines günstigen Erhaltungszustands notwendige Nahrungsgrundlage zur Verfügung haben, kann es durch die in Rede stehenden Beeinträchtigungen, die ausschließlich die Trasse und deren Nahbereich und damit gebietsexterne Flächen betreffen können, nicht zu einer für den Erhaltungszustand der lokalen Populationen dieser Arten relevanten Störung kommen.

119

(3) Andere in Anhang IV der Habitatrichtlinie aufgeführte Fledermausarten sind von verbotswidrigen Auswirkungen des Vorhabens ebenfalls nicht betroffen. Hinsichtlich des Tötungsverbots gilt insoweit Gleiches wie für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus. Aber auch bezogen auf das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot sowie das Störungsverbot sind dem Vorbringen des Klägers keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Verbotstatbestände im Planfeststellungsbeschluss zu Unrecht verneint worden sind.

120

Trotz ausreichender Untersuchungen zur Bestandserhebung sind keine nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 bzw. § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2007 geschützten Lebensstätten der vom Kläger im Zusammenhang mit dem Beschädigungs- und Zerstörungsverbot angesprochenen Arten Wasserfledermaus, Große und Kleine Bartfledermaus und Fransenfledermaus ermittelt worden. Entgegen der Behauptung des Klägers lässt sich der FFH-Verträglichkeitsprüfung südlich Hessisch Lichtenau kein Hinweis auf die Nutzung eines Gehölzes im Bereich des Biotopkomplexes "Wehrebogen" als Fortpflanzungs- oder Ruhestätte der Wasserfledermaus entnehmen. Die Darstellung eines Exemplars dieser Art im Wehrebogen auf der Karte 1b der erwähnten Verträglichkeitsprüfung geht auf eine Untersuchung des Büros S. aus dem Jahr 2004 zurück. Mit der darin angewandten Detektormethode wurden ausdrücklich nur Jagdaktivitäten erfasst. Während die Große Bartfledermaus im Untersuchungsraum schon gar nicht nachgewiesen worden ist, konnte ein Vorkommen der Kleinen Bartfledermaus dort festgestellt werden. Sie nutzt als Winterquartiere, die in Anbetracht der zeitlichen Beschränkung der Rodungsarbeiten allein in den Blick zu nehmen wären, aber nur frostfreie Höhlen, Stollen und Keller (Petersen u.a., a.a.O. S. 513). Solche Unterschlupfmöglichkeiten sind von dem Vorhaben unstreitig nicht betroffen. Der Nachweis der Fransenfledermaus in den Wäldern östlich von Küchen und am Beerberg lässt ebenfalls nicht den Schluss auf eingriffsbetroffene Lebensstätten dieser Art zu, da die Quartiersuche hierfür keine Anhaltspunkte erbracht hat.

121

Auch das Störungsverbot wird hinsichtlich keiner der neben dem Großen Mausohr und der Bechsteinfledermaus im Untersuchungsraum festgestellten Fledermausarten verletzt, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Inanspruchnahme von Jagdhabitaten als Tathandlung im Sinne des Störungstatbestandes anzusehen ist. Flächen, die möglicherweise von der Breitflügelfledermaus, der Großen oder der Kleinen Bartfledermaus sowie der Fransenfledermaus zur Jagd genutzt werden, gehen nur in geringem Umfang verloren. Nach der naturschutzfachlichen Einschätzung des Beklagten sind daher Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der jeweiligen lokalen Population auszuschließen, zumal durch vorgesehene Ausgleichsmaßnahmen die Eignung anderer Flächen als Jagdhabitate für diese Arten verbessert wird. Der Kläger hat nichts vorgetragen, was die Vertretbarkeit dieser Einschätzung in Frage stellen könnte. Hiernach fehlt es einer etwaigen Störung durch Jagdhabitatverluste an dem in § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 vorausgesetzten Populationsbezug. Entsprechendes gilt für die Wasserfledermaus, die dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag zufolge lediglich während der Bauphase durch eine temporäre Inanspruchnahme von Teilen ihrer Jagdhabitate betroffen ist, und die Zwergfledermaus, für deren örtliche Population sich die geringen Jagdhabitatverluste ausweislich des Fachbeitrags im Hinblick auf das weite Spektrum der von ihr zur Jagd nutzbaren Biotopstrukturen nur geringfügig auswirken können. Die Neuverlärmung von Jagdhabitaten des Braunen und des Grauen Langohrs fällt nach den einleuchtenden Ausführungen im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag wegen der Entlastung bisher verlärmter Jagdhabitatflächen durch den Tunnel Küchen per Saldo nicht ins Gewicht. Beide Arten werden zwar darüber hinaus - wie im Planfeststellungsbeschluss eingeräumt - auch durch die Flächeninanspruchnahme ortsnaher Jagdlebensräume betroffen. In Anbetracht des geringen Umfangs der in Anspruch genommenen Flächen und der Kompensation durch Aufwertung anderer Flächen gilt für sie aber ebenso wie für die übrigen Fledermausarten, dass diese Inanspruchnahme den Erhaltungszustand der lokalen Population unberührt lässt.

122

(4) Der Planfeststellungsbeschluss unterstellt ein Vorkommen der Haselmaus im Trassenbereich und geht von der Annahme aus, dass bezogen auf sie artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt seien und das Vorhaben deshalb nur unter Erteilung einer artenschutzrechtlichen Befreiung zugelassen werden könne. Dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag und der Stellungnahme des Vorhabenträgers zu diesem Fachbeitrag ist zu entnehmen, dass wegen der möglichen Zerstörung von Aufzuchtstätten der Haselmaus der Tatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 und wegen der Überbauung eines als vorhanden unterstellten Wanderkorridors der Tatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2002 als verwirklicht angesehen worden ist. Diese Beurteilung lässt keine Mängel zu Lasten des Artenschutzes erkennen.

123

Die Neufassung der Verbotstatbestände führt allerdings teilweise zu einer Neubewertung. Zwar ist auch der Zerstörungstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 BNatSchG 2007 erfüllt; denn die vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen werden zum Eingriffszeitpunkt noch nicht wirksam sein und können deshalb die Funktion der - möglicherweise - verloren gehenden Fortpflanzungsstätten nicht bruchlos übernehmen, wie es § 42 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG 2007 voraussetzt. Die anfängliche Unvereinbarkeit mit dem Störungsverbot ist aber entfallen, weil nach der unwidersprochen gebliebenen Einschätzung des Beklagten die Querungshilfen und Kompensationsmaßnahmen eine Verschlechterung des Erhaltungszustands der lokalen Population ausschließen (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007).

124

(5) Für die Schlingnatter ist der Planfeststellungsbeschluss von Auswirkungen des Vorhabens ausgegangen, die den artenschutzrechtlichen Verboten des § 42 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG 2002 unterfallen. Er hat sich dazu auf die Wirkungsanalyse des Vorhabenträgers im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag und in der Stellungnahme zu diesem Fachbeitrag bezogen, in denen die Beschädigung oder Zerstörung durch § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 geschützter Lebensstätten dieser Art, der Fang und die Störung der Tiere beim Umsetzen von ihrem bisherigen Lebensraum, dem überplanten Bahndamm, in ein Ersatzhabitat sowie die Tötung nicht eingefangener Exemplare beim Bau und Betrieb der Autobahn angenommen worden sind. Ob tatsächlich sämtliche als erfüllt erachteten Verbotstatbestände gegeben waren und ob die entsprechenden Verbote des § 42 Abs. 1 BNatSchG 2007 in gleichem Umfang eingreifen, kann offenbleiben; insbesondere muss nicht entschieden werden, ob das Ergreifen der Tiere, um sie in das Ersatzhabitat zu verbringen, unter das Fangverbot fällt oder ob unter Berücksichtigung des Regelungszwecks nur Fänge zum Zwecke der Entnahme der Tiere aus der Natur den Verbotstatbestand verwirklichen. Die erteilte Befreiung hält nämlich - wie noch auszuführen sein wird - rechtlicher Überprüfung auch dann stand, wenn sämtliche vorgenannten Verbotstatbestände zu bejahen sind.

125

(6) Bezogen auf 52 Vogelarten ist der Planfeststellungsbeschluss der Beurteilung des Vorhabenträgers in dessen Stellungnahme zum artenschutzrechtlichen Fachbeitrag gefolgt, dass die Voraussetzungen des Beschädigungs- und Zerstörungsverbots sowie mit Ausnahme der Wasseramsel auch des Störungsverbots (§ 42 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BNatSchG 2002) erfüllt seien. Wie sich aus der in Bezug genommenen Stellungnahme des Vorhabenträgers ergibt, hat er das Tötungsverbot durchgängig verneint, weil in Anbetracht der verkehrlichen Vorbelastung durch die B 7 und der geplanten Schutzmaßnahmen sich die verkehrsbedingten Kollisionsgefahren nicht erhöhten und baubedingte Tötungen durch Schutzmaßnahmen ausgeschlossen würden. Für keine der 52 Vogelarten lasse sich indes ausschließen, dass im Zuge der Baufeldräumung einzelne Brutreviere verloren gingen. Außer der Wasseramsel könnten auch alle Arten von tatbestandsmäßigen Störungen betroffen werden. Abweichend von der Stellungnahme zum Fachbeitrag, die auch für die Bachstelze den Verlust einzelner Brutreviere und Störungen in Rechnung gestellt hat, hat der Planfeststellungsbeschluss diesen Vogel weder unter den verbotswidrig betroffenen Vogelarten erwähnt noch für ihn eine Befreiung erteilt. Mit Ausnahme der Bachstelze hält seine Beurteilung rechtlicher Kontrolle stand, wobei zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass durch die nachträgliche Änderung des Störungstatbestands die im Planfeststellungsbeschluss angenommenen Verstöße gegen das Störungsverbot entfallen sind. Die fehlende Berücksichtigung der Bachstelze als verbotswidrig betroffener Vogelart, die auf einem Versehen beruhen dürfte, stellt einen rechtlichen Mangel dar, doch hat sich dieser auf die Zulassungsentscheidung nicht ausgewirkt.

126

Dass der Beklagte den Tötungstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 für keine der im Untersuchungsraum vorkommenden Vogelarten angenommen hat, ist nicht zu beanstanden. Sowohl für die Bau- als auch für die spätere Betriebsphase der Autobahn hat der Planfeststellungsbeschluss mit den angeordneten Schutzmaßnahmen hinreichende Vorsorge getroffen, um Verstöße gegen das Tötungsverbot auszuschließen. Für die Bauphase ist dies mit der Bauzeitenregelung, für die Betriebsphase mit den Anordnungen und Regelungen zur Abschirmung der Autobahn durch Schutzpflanzungen und Sperreinrichtungen geschehen, von denen der Beklagte angesichts der hohen verkehrlichen Vorbelastung durch die B 7 annehmen durfte, dass sie eine signifikante Erhöhung des verkehrsbedingten Kollisionsrisikos ausschließen; dies umso mehr, als die Eignung des unmittelbaren Nahbereichs der A 44 als Vogelhabitat durch die Störwirkung des Autobahnverkehrs erheblich gemindert wird. Für aasfressende Raubvögel war entgegen der Auffassung des Klägers keine abweichende Beurteilung geboten. Die Wildschutzzäune, die die Autobahn durchgängig abschirmen werden, sind nämlich im unteren Bereich so engmaschig auszuführen, dass Mittelsäuger nicht auf die Fahrbahn gelangen, überfahren werden und als Aas Raubvögel anlocken können. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, warum diese Maßnahme ihre Wirkung verfehlen sollte. Soweit er behauptet, der artenschutzrechtliche Fachbeitrag schließe für den Mäusebussard und den Rotmilan ein erhöhtes Kollisionsrisiko selbst nicht aus, verkennt er, dass es sich um eine grundsätzliche Aussage handelt, die die im Planfeststellungsbeschluss angeordneten Schutzmaßnahmen noch nicht einbezieht.

127

Ebenso wenig ist es rechtsfehlerhaft, dass der Planfeststellungsbeschluss für 52 näher bezeichnete Vogelarten den Beschädigungs- und Zerstörungstatbestand bejaht hat. Mangels einer detaillierten Revierkartierung hat sich der Beklagte in dieser Hinsicht zwar mit der Wahrunterstellung begnügt, den betreffenden Arten gingen jeweils einzelne Brutreviere verloren. Gegen dieses Vorgehen ist aber rechtlich nichts zu erinnern, da die Wahrunterstellung nicht zu Lasten des Artenschutzes geht und geeignet ist, die Dimension der Verbotswidrigkeit angemessen zu erfassen. Zusätzlich ist allerdings auch für die Bachstelze ein Verstoß gegen das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot in Rechnung zu stellen, denn dem Planfeststellungsbeschluss sind ebenso wenig wie dem prozessualen Vortrag des Beklagten Umstände zu entnehmen, die die diesbezügliche Einschätzung in der Stellungnahme des Vorhabenträgers zum artenschutzrechtlichen Fachbeitrag in Frage stellen könnte.

128

Soweit der Planfeststellungsbeschluss mit Ausnahme der Wasseramsel auch den Störungstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2002 als verwirklicht angesehen hat, ergibt sich aufgrund der Neufassung dieses Tatbestandes in § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 eine abweichende Beurteilung. Auf entsprechende Anfrage des Gerichts hat der Beklagte unter Vorlage naturschutzfachlicher Stellungnahmen des Leiters der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland sowie der Planungsgruppe Umwelt ausgeführt, dass Auswirkungen von Störungen auf den Erhaltungszustand der jeweiligen lokalen Population dieser Arten nicht zu erwarten seien. Die Stellungnahme der Planungsgruppe Umwelt begründet diese fachliche Einschätzung gesondert für jede der betroffenen Arten. Die zentrale zugrundeliegende Erwägung, außer dem Neuntöter hätten die betroffenen Vogelarten lokale Populationen in weit größeren räumlichen Zusammenhängen, als von dem Vorhaben betroffen seien, leuchtet ein. Für den Neuntöter verneint die Stellungnahme der Planungsgruppe Umwelt ebenfalls vertretbar eine Störung mit Populationsbezug, weil angesichts der Vorbelastung lediglich mit der zusätzlichen Störung eines Brutreviers zu rechnen sei und umfangreiche Kompensationsmaßnahmen erfolgten. Zur Bachstelze enthalten die nachträglichen gutachtlichen Stellungnahmen keine Angaben zum Populationsbezug der Störung; da es sich um eine ubiquitäre, nach dem Leitfaden für die artenschutzrechtliche Prüfung in Hessen landesweit häufig vorkommende Art handelt, die im Planungsraum weit über den Eingriffsbereich hinaus geeignete Habitatstrukturen vorfindet, lässt sich jedoch auch für sie ein Populationsbezug der Störung ausschließen.

129

bb) Soweit das Vorhaben hiernach artenschutzrechtlichen Verboten zuwiderläuft, finden die im Planfeststellungsbeschluss für die Schlingnatter, die Haselmaus und 52 Vogelarten erteilten Befreiungen in § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG 2002 eine tragfähige Grundlage. Dass für die Bachstelze eine Befreiung unterblieben ist, verhilft dem Antragsbegehren des Klägers in entsprechender Anwendung des § 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG ebenfalls nicht zum Erfolg.

130

(1) Für sämtliche von verbotswidrigen Auswirkungen des Vorhabens betroffene Arten bestand eine objektive Befreiungslage. Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG 2002 konnte von den Verboten des § 42 BNatSchG 2002 auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn überwiegende Gründe des Gemeinwohls die Befreiung erfordern und die Art. 12, 13 und 16 FFH-RL oder die Art. 5 bis 7 und 9 VRL nicht entgegenstehen. Diese Voraussetzungen lagen vor.

131

(a) Das Vorhaben kann überwiegende Gründe des Gemeinwohls für sich in Anspruch nehmen, die die Befreiung erforderten.

132

Der Planfeststellungsbeschluss beruft sich insoweit auf die gesetzliche Bedarfsfeststellung, die Zugehörigkeit des Vorhabens zu den Projekten des "Transeuropäischen Verkehrsnetzes" (Entscheidung Nr. 1692/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996, ABl EG Nr. L 228 S. 1), seine Lückenschlussfunktion im deutschen Autobahnnetz und die damit verbundene Bedeutung für das Zusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands, die innerörtliche Verkehrsentlastung der von den Bundesstraßen B 7 und B 400 durchschnittenen Ortschaften und die Erschließungsfunktion der Autobahn für eine strukturschwache Region. Er hebt damit auf Gründe ab, die ihrer Art nach eine Befreiung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG 2002 zu tragen vermögen (vgl. Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 ). Zumal in ihrem Zusammenwirken kommt diesen Gesichtspunkten auch konkret hohes Gewicht zu. Soweit der Kläger dem entgegenhält, aufgrund veränderter Verkehrsprognosezahlen sei ein Verkehrsbedürfnis für das Autobahnprojekt entfallen, findet sein Vorbringen in der von ihm herangezogenen Fortschreibung der Verkehrsprognose keine Stütze. Auch nach der aktualisierten Prognose wird die Straße mit Werten zwischen 25 500 und 50 500 Kfz/24 h eine Verkehrsbelastung erreichen, die nach den einschlägigen Richtlinien für die Anlage von Straßen (RAS-Q 96) für den Autobahnbau verwendete Regelquerschnitte rechtfertigt. Wie das Gericht bereits in seinem Urteil vom 12. März 2008 (a.a.O. Rn. 46) ausgeführt hat, bleiben die mit dem Vorhaben verfolgten Planungsziele auch bei aktualisierten Verkehrsbedarf erreichbar. Darauf wird Bezug genommen.

133

Angesichts dessen erweisen sich die für das Vorhaben angeführten Gründe gegenüber den konkret betroffenen artenschutzrechtlichen Belangen als durchsetzungsfähig. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Gewicht der für die Haselmaus und die Schlingnatter in Betracht zu ziehenden Verbotswidrigkeiten durch die vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen, die geeignet sind, deren Habitatbedingungen auf Dauer sogar zu verbessern, stark relativiert wird. Die Zahl der durch mögliche Revierverluste betroffenen Vogelarten ist zwar groß; es handelt sich aber ganz überwiegend um häufig vorkommende, nicht gefährdete Arten, und es kommt jeweils nur zu geringen Flächenverlusten. Nimmt man hinzu, dass das Verbreitungsgebiet der betroffenen Populationen zumeist weit über den Eingriffsbereich hinausreicht und ganze naturräumliche Einheiten umfasst (vgl. die Stellungnahmen des Leiters der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland sowie der Planungsgruppe Umwelt), so liegt das Übergewicht der für das Vorhaben sprechenden Gründe des Gemeinwohls auf der Hand.

134

(b) Artenschutzrechtliche Vorschriften der Habitatrichtlinie und der Vogelschutzrichtlinie stehen einer Befreiung nicht entgegen.

135

(aa) Da die Schlingnatter und die Haselmaus im Anhang IV der Habitatrichtlinie aufgeführt sind, ist die für sie erteilte Befreiung an Art. 12 und 16 FFH-RL zu messen. Aus den im Rahmen der Prüfung des § 42 Abs. 1 BNatSchG 2002 genannten Gründen ist davon auszugehen, dass das Vorhaben bezogen auf beide Arten auch die den als verwirklicht unterstellten nationalen Verbotstatbeständen korrespondierenden Verbotstatbestände des Art. 12 Abs. 1 FFH-RL verwirklicht. Die Voraussetzungen für eine Abweichung nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c letzte Alternative FFH-RL liegen aber vor.

136

Das Vorhaben kann zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses für sich in Anspruch nehmen. Dies folgt aus den gleichen Erwägungen, wie sie für den Befreiungsgrund des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG 2002 zutreffen. Eine Befreiung vom Fangverbot hinsichtlich der Schlingnatter wird in Anbetracht des mit dem Fang der Tiere verfolgten Zwecks, sie in ein Ersatzhabitat zu verbringen, zusätzlich durch die damit verbundenen positiven Auswirkungen auf die Umwelt (Art. 16 Abs. 1 Buchst. c FFH-RL) gerechtfertigt.

137

Zur Erreichung der Planungsziele gibt es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL. Ein Vorhabenträger braucht sich auf eine Alternativlösung nicht verweisen zu lassen, wenn sich die FFH- und vogelschutzrechtlichen Schutzvorschriften am Alternativstandort als ebenso wirksame Zulassungssperre erweisen wie an dem von ihm gewählten Standort. Außerdem darf eine Alternativlösung auch verworfen werden, wenn sie sich aus naturschutzexternen Gründen als unverhältnismäßiges Mittel erweist (Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 240 m.w.N.). Nach diesem Maßstab geht der Planfeststellungsbeschluss zu Recht davon aus, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt. Für die sogenannte Süd-Alternative des BUND, die bereits Gegenstand des Klageverfahrens zur VKE 20 gewesen ist, gilt dies schon deshalb, weil sie ausweislich der Ausführungen in dem dieses Verfahren abschließenden Senatsurteil vom 12. März 2008 (Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30 Rn. 182 ff.; insoweit in BVerwGE 130, 299 nicht abgedruckt) den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets "Glimmerode und Hambach" widerspräche. Ähnliches trifft für die vom Kläger vorgeschlagene "Große Südumfahrung" zu. Wie der Gutachter des Klägers in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, würde sie trotz der vorgeschlagenen teilweisen Führung in einem Tunnel am westlichen Tunnelmund zur Beeinträchtigung eines Natura-2000-Gebiets führen. Dass sie gleichwohl naturschutzfachlich vorzugswürdig wäre, ist nicht substantiiert dargetan. Angesichts dessen kann offenbleiben, ob diese Trasse trotz ihres Verlaufs fernab des Wehretals geeignet wäre, die mit dem Vorhaben unter anderem verfolgten Planungsziele einer Erschließung des dortigen Siedlungsraums und einer Entlastung der dortigen Ortsdurchfahrten der B 7 - wenn auch mit Abstrichen - zu erreichen. Schließlich stellt auch die vom Kläger favorisierte Nordalternative keine zufriedenstellende Lösung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL dar. Zum einen würde sie einen wesentlich längeren Tunnel erfordern als die planfestgestellte Lösung und deshalb einen zusätzlichen Kostenaufwand von ca. 57 Mio. € verursachen. Mehrkosten in dieser Größenordnung ständen außer Verhältnis zu den artenschutzrechtlichen Nachteilen, deren Vermeidung die Planungsalternative dienen soll. Darüber hinaus haben die für den Beklagten tätigen Gutachter der Planungsgruppe Umwelt in der mündlichen Verhandlung schlüssig erläutert, dass die Trasse im Bereich des östlichen Tunnelportals die Waldflächen des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" anschneiden würde. Soweit der klägerseitig tätige Gutachter Dipl.-Biol. Sp. dem entgegengehalten hat, dies lasse sich durch eine Überführung der B 7 verhindern, haben die Gutachter des Beklagten diesen Einwand mit der Erwägung entkräftet, eine solche Modifizierung der Alternativplanung würde zusätzliche Rampen für die B 7 erfordern, die ihrerseits das FFH-Gebiet beeinträchtigten. Dieser Erwägung hat der Gutachter des Klägers nichts von Substanz entgegenzusetzen vermocht.

138

Schließlich ist auch dem Erfordernis Genüge getan, dass die Populationen der verbotswidrig betroffenen Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen.

139

Die Schlingnatter befindet sich ausweislich des Anhangs 4 des Leitfadens für die artenschutzrechtliche Prüfung in Hessen in diesem Bundesland in einem günstigen Erhaltungszustand. Daran wird das Vorhaben unter Berücksichtigung der planfestgestellten Kompensationsmaßnahme A/E 2.1 des landschaftspflegerischen Begleitplans nichts ändern. Sie gewährleistet nach der naturschutzfachlich fundierten Einschätzung des Beklagten, dass ein funktionsfähiger Ersatzlebensraum für die Schlingnatter geschaffen wird. Damit wird der derzeitige Erhaltungszustand nicht nur aufrechterhalten, sondern auf lokaler Ebene sogar verbessert. Dies folgt aus dem Umstand, dass das eingriffsbetroffene Schlingnattervorkommen sich auf Sekundärhabitate in Gestalt von Bahndammabschnitten beschränkt, die nach den unbestrittenen Angaben im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag durch Gehölzsukzession ohnehin auf Dauer verloren gehen würden. Die lokale Schlingnatterpopulation wäre somit ohne Realisierung des Vorhabens mittel- bis langfristig in ihrem Bestand gefährdet, während die Maßnahme A/E 2.1 ihren Bestand langfristig sichert.

140

Für die Haselmaus sind zwar ebenfalls Kompensationsmaßnahmen vorgesehen, die durch Anlage deckungsreicher Leitstrukturen zur Vernetzung und Erweiterung potenzieller Haselmauslebensräume nach naturschutzfachlich vertretbarer Einschätzung der Planfeststellungsbehörde eine Verschlechterung der Habitatbedingungen dieser Art verhindern oder deren Habitatbedingungen sogar verbessern (Maßnahmenkomplex A/E 5). Gesicherte Erkenntnisse über den Erhaltungszustand der Haselmaus fehlen jedoch, so dass von einem bisher günstigen Erhaltungszustand nicht ausgegangen werden kann. Dieser Umstand hinderte jedoch nicht, von dem Verbot des Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL abzuweichen.

141

Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Juni 2007 - Rs. C-342/05 - (Slg. 2007, I-4713 ) kann von den artenschutzrechtlichen Verboten des Art. 12 FFH-RL auch bei einem ungünstigen Erhaltungszustand der betroffenen Populationen ausnahmsweise dann abgewichen werden, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass die Abweichung diesen ungünstigen Erhaltungszustand nicht verschlechtern und die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindern kann. Die deutsche Fassung des maßgeblichen Satzes 1 der Rn. 29 des Urteils vom 14. Juni 2007 erweckt allerdings den Eindruck, das sei nicht ohne Weiteres möglich. Ihr zufolge sind solche Ausnahmen nur "unter außergewöhnlichen Umständen weiterhin zulässig, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass sie den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen nicht verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindern können". Diese Formulierung legt den Schluss nahe, das Vorliegen "außergewöhnlicher Umstände" stelle eine eigenständige Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahme im Falle des ungünstigen Erhaltungszustands der Populationen der betroffenen Art dar. Außerdem kann nach der deutschen Fassung angenommen werden, dass es ausreicht, dass die weiteren Voraussetzungen - keine Verschlechterung des ungünstigen Erhaltungszustands oder keine Behinderung der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands - alternativ vorliegen. Beides ist jedoch nach der gemäß Art. 31 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs verbindlichen Fassung des Urteils in der Verfahrenssprache, hier also in der finnischen Sprache, eindeutig zu verneinen. Bei einer Übersetzung der verbindlichen finnischen Fassung des oben genannten Satzes in der amtlichen Sammlung des Gerichtshofs in die deutsche Sprache unter Zuhilfenahme allgemein zugänglicher Hilfsmittel wird die Erteilung einer Ausnahme nicht vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände abhängig gemacht, sondern Ausnahmen dürfen "ausnahmsweise" (poikkeuksellisesti) dann gewährt werden, wenn sachgemäß nachgewiesen ist, dass sie weder den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen weiter verschlechtern noch die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands dieser Populationen behindern.

142

Diese Formulierung deckt sich inhaltlich mit derjenigen in der englischen, französischen, spanischen, italienischen, portugiesischen und griechischen Fassung dieses Satzes in der Sammlung des Gerichtshofs. Lediglich die niederländische Fassung des Satzes weicht insoweit davon ab, als danach die Verbote der Verschlechterung des Erhaltungszustands und der Behinderung der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht kumulativ, sondern nur alternativ gelten würden. Bei dieser Sachlage beruht die deutsche Fassung offensichtlich auf einem Übersetzungsfehler; sie verfälscht den Aussagegehalt des genannten Satzes im Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juni 2007 zum einen, indem sie den Schluss nahelegt, das Verbot einer weiteren Verschlechterung des ungünstigen Erhaltungszustands und das Verbot einer Behinderung der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands seien nur alternativ einzuhalten, und zum anderen, indem als weitere Voraussetzung für eine Ausnahme "außergewöhnliche Umstände" verlangt werden. Beides trifft nicht zu (so auch Beschluss vom 17. April 2010 - BVerwG 9 B 5.10 - juris Rn. 7 ff.). Da - wie ausgeführt - durch die planfestgestellte Kompensationsmaßnahme zumindest eine Verschlechterung des aktuellen Erhaltungszustands der Haselmaus verhindert und die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindert wird, durfte trotz eines - unterstellt - ungünstigen Erhaltungszustands dieser Art ausnahmsweise von dem artenschutzrechtlichen Verbot des Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL abgewichen werden.

143

(bb) Für die 53 Vogelarten, für die der Tatbestand des Beschädigungs- und Zerstörungsverbots nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 erfüllt ist, liegt nicht zugleich auch ein Verstoß gegen das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot des Art. 5 Buchst. b VRL vor, mit der Folge, dass die Bestimmungen der Vogelschutzrichtlinie eine Befreiung nicht hindern. Die letztgenannte Vorschrift verbietet die absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern sowie die Entfernung von Nestern. Ihr Anwendungsbereich ist deutlich enger gefasst als der Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002, der auch den Funktionsraum, auf dem sich das Nest befindet oder der wiederkehrend zum Bau neuer Nester benutzt wird, in seinen Schutz einschließt (vgl. Urteile vom 21. Juni 2006 - BVerwG 9 A 28.05 - BVerwGE 126, 166 und vom 12. März 2008 a.a.O. ). Dem Wortlaut nach, der auf den Begriff des Nestes abstellt und diesen in einen engen Zusammenhang zum weiteren Schutzobjekt der Eier rückt, umfasst der Schutz das selbstgebaute, aktuell belegte Nest. Gründe des Funktionsschutzes mögen es rechtfertigen, über den Wortlaut der Richtlinie hinaus auch diejenigen Nester bzw. nestersetzenden Strukturen in den Schutzbereich der Norm einzubeziehen, auf deren Wiederverwendung die konkret betroffenen Vögel artbedingt angewiesen sind. An einen solchen Angewiesensein fehlt es aber, falls sie auf - natürlich vorhandenen oder künstlich geschaffenen - Ersatz ausweichen können (Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 ).

144

Die Beschädigung oder Zerstörung aktuell besetzter Nester droht nicht. Die Maßnahme S 9 des landschaftspflegerischen Begleitplans richtet sich darauf, zum Schutz und zur Schonung der Vögel im gesamten Trassenverlauf bauvorbereitende Arbeiten einschließlich der Entfernung von Vegetationsstrukturen außerhalb der Brutperiode durchzuführen. Rodungen sind nach den in der mündlichen Verhandlung diesbezüglich vorgenommenen Planergänzungen auf die Zeit vom 1. November bis zum 1. März beschränkt. Der Einwand des Klägers, die Bauzeitenregelung sei für die Arten Buntspecht, Wacholderdrossel und Wasseramsel unzureichend, verfängt nicht. Der Buntspecht und die Wacholderdrossel brüten innerhalb des Zeitraums, in dem die baulichen Beschränkungen gelten. Bei der Wasseramsel handelt es sich zwar um einen sehr frühen Brüter, dessen Legeperiode in Mitteleuropa bereits Mitte Februar beginnt. Dieser Besonderheit hat der Beklagte indes in der mündlichen Verhandlung mit einer Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um die Nebenbestimmung Rechnung getragen, dass der im Bereich des Widerlagers einer Wehrebrücke vorhandene Nistkasten der Wasseramsel vor dem 15. Februar beseitigt wird.

145

Es ist auch keine Vogelart auf die Wiederbenutzung ihrer Nester angewiesen. Die vom Kläger angeführten Arten Gebirgsstelze, Neuntöter und Wacholderdrossel kehren nach den unwidersprochen gebliebenen Darlegungen des Beklagten zwar jährlich an die selben Orte zurück, legen dort aber jeweils neue Nester an. Sie sind daher allenfalls auf einen bestimmten Funktionsraum angewiesen, der vom Begriff des Nestes nicht umfasst ist. Für verlassene Niststätten der Rabenkrähe und des Buntspechts, die möglicherweise im nächsten Jahr von anderen Vogel- oder sonstigen Tierarten genutzt werden, gilt Gleiches erst recht. Der einzige Wiederverwender ist die Wasseramsel. Auch sie ist auf den ihr verloren gehenden Nistkasten jedoch nicht angewiesen. Der landschaftspflegerische Begleitplan sieht vor, mit der Maßnahme G/S 6 nach der Verlegung der Wehre standorttypische Randstrukturen zu entwickeln und unter den Wehrebrücken jeweils eine Wasseramselnisthilfe in Form eines Nistkastens zu errichten. Zweifel daran, dass diese vorgezogene Ausgleichsmaßnahme wirkt, bestehen nicht; denn nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten ist die Art auf häufige Verluste ihrer Brutstätten durch Hochwasser eingerichtet und nimmt Nistkästen daher gerne an.

146

(2) Soweit der Beklagte die objektive Befreiungslage genutzt und von den artenschutzrechtlichen Verboten Befreiungen erteilt hat, ist dies ermessensfehlerfrei geschehen. Der Planfeststellungsbeschluss stellt einerseits auf die verfolgten Gemeinwohlbelange, andererseits auf das Ausbleiben einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der betroffenen Arten ab. Das lässt Ermessensfehler nicht erkennen.

147

Dass der Beklagte für die Bachstelze trotz objektiver Befreiungslage - versehentlich - keine Befreiung erteilt hat, führt zwar zur Fehlerhaftigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Dieser Mangel ist aber entsprechend § 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG unerheblich, weil er das Entscheidungsergebnis nicht beeinflusst hat. Angesichts der großen Zahl von Vogelarten, für die der Beklagte von den artenschutzrechtlichen Verboten dispensiert hat, erscheint es ausgeschlossen, dass er dem Vorhabenträger eine Befreiung für eine einzelne weitere Vogelart versagt hätte; dies umso mehr, als die Bachstelze hinsichtlich ihres Gefährdungsgrades keine Besonderheiten aufweist, die für sie eine restriktivere Handhabung der Befreiungsregelung als für die anderen betroffenen Arten nahelegen würde.

(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Soweit ein Natura 2000-Gebiet ein geschützter Teil von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 ist, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden. Der Projektträger hat die zur Prüfung der Verträglichkeit sowie der Voraussetzungen nach den Absätzen 3 bis 5 erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

(2) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.

(3) Abweichend von Absatz 2 darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es

1.
aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und
2.
zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

(4) Können von dem Projekt im Gebiet vorkommende prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen werden, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1 können nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.

(5) Soll ein Projekt nach Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 4, zugelassen oder durchgeführt werden, sind die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die zuständige Behörde unterrichtet die Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit über die getroffenen Maßnahmen.

(6) Bedarf ein Projekt im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, das nicht von einer Behörde durchgeführt wird, nach anderen Rechtsvorschriften keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde, so ist es der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese kann die Durchführung des Projekts zeitlich befristen oder anderweitig beschränken, um die Einhaltung der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 sicherzustellen. Trifft die Behörde innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige keine Entscheidung, kann mit der Durchführung des Projekts begonnen werden. Wird mit der Durchführung eines Projekts ohne die erforderliche Anzeige begonnen, kann die Behörde die vorläufige Einstellung anordnen. Liegen im Fall des Absatzes 2 die Voraussetzungen der Absätze 3 bis 5 nicht vor, hat die Behörde die Durchführung des Projekts zu untersagen. Die Sätze 1 bis 5 sind nur insoweit anzuwenden, als Schutzvorschriften der Länder, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten.

(7) Für geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 sind die Absätze 1 bis 6 nur insoweit anzuwenden, als die Schutzvorschriften, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten. Die Verpflichtungen nach Absatz 4 Satz 2 zur Beteiligung der Kommission und nach Absatz 5 Satz 2 zur Unterrichtung der Kommission bleiben unberührt.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten mit Ausnahme von Bebauungsplänen, die eine Planfeststellung ersetzen, nicht für Vorhaben im Sinne des § 29 des Baugesetzbuches in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuches und während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuches.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Soweit ein Natura 2000-Gebiet ein geschützter Teil von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 ist, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden. Der Projektträger hat die zur Prüfung der Verträglichkeit sowie der Voraussetzungen nach den Absätzen 3 bis 5 erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

(2) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.

(3) Abweichend von Absatz 2 darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es

1.
aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und
2.
zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

(4) Können von dem Projekt im Gebiet vorkommende prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen werden, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1 können nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.

(5) Soll ein Projekt nach Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 4, zugelassen oder durchgeführt werden, sind die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die zuständige Behörde unterrichtet die Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit über die getroffenen Maßnahmen.

(6) Bedarf ein Projekt im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, das nicht von einer Behörde durchgeführt wird, nach anderen Rechtsvorschriften keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde, so ist es der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese kann die Durchführung des Projekts zeitlich befristen oder anderweitig beschränken, um die Einhaltung der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 sicherzustellen. Trifft die Behörde innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige keine Entscheidung, kann mit der Durchführung des Projekts begonnen werden. Wird mit der Durchführung eines Projekts ohne die erforderliche Anzeige begonnen, kann die Behörde die vorläufige Einstellung anordnen. Liegen im Fall des Absatzes 2 die Voraussetzungen der Absätze 3 bis 5 nicht vor, hat die Behörde die Durchführung des Projekts zu untersagen. Die Sätze 1 bis 5 sind nur insoweit anzuwenden, als Schutzvorschriften der Länder, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten.

(7) Für geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 sind die Absätze 1 bis 6 nur insoweit anzuwenden, als die Schutzvorschriften, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten. Die Verpflichtungen nach Absatz 4 Satz 2 zur Beteiligung der Kommission und nach Absatz 5 Satz 2 zur Unterrichtung der Kommission bleiben unberührt.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten mit Ausnahme von Bebauungsplänen, die eine Planfeststellung ersetzen, nicht für Vorhaben im Sinne des § 29 des Baugesetzbuches in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuches und während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuches.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Für dieses Gesetz gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1.
biologische Vielfaltdie Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten einschließlich der innerartlichen Vielfalt sowie die Vielfalt an Formen von Lebensgemeinschaften und Biotopen;
2.
Naturhaushaltdie Naturgüter Boden, Wasser, Luft, Klima, Tiere und Pflanzen sowie das Wirkungsgefüge zwischen ihnen;
3.
Erholungnatur- und landschaftsverträglich ausgestaltetes Natur- und Freizeiterleben einschließlich natur- und landschaftsverträglicher sportlicher Betätigung in der freien Landschaft, soweit dadurch die sonstigen Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht beeinträchtigt werden;
4.
natürliche Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interessedie in Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Lebensraumtypen;
5.
prioritäre natürliche Lebensraumtypendie in Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG mit dem Zeichen (*) gekennzeichneten Lebensraumtypen;
6.
Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutungdie in die Liste nach Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG aufgenommenen Gebiete, auch wenn ein Schutz im Sinne des § 32 Absatz 2 bis 4 noch nicht gewährleistet ist;
7.
Europäische VogelschutzgebieteGebiete im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 und 2 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 20 vom 26.1.2010, S. 7), wenn ein Schutz im Sinne des § 32 Absatz 2 bis 4 bereits gewährleistet ist;
8.
Natura 2000-GebieteGebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und Europäische Vogelschutzgebiete;
9.
ErhaltungszieleZiele, die im Hinblick auf die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands eines natürlichen Lebensraumtyps von gemeinschaftlichem Interesse, einer in Anhang II der Richtlinie 92/43/EWG oder in Artikel 4 Absatz 2 oder Anhang I der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführten Art für ein Natura 2000-Gebiet festgelegt sind;
10.
günstiger ErhaltungszustandZustand im Sinne von Artikel 1 Buchstabe e und i der Richtlinie 92/43/EWG und von Artikel 2 Nummer 4 der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. L 143 vom 30.4.2004, S. 56), die zuletzt durch die Richtlinie 2009/31/EG (ABl. L 140 vom 5.6.2009, S. 114) geändert worden ist.

(2) Für dieses Gesetz gelten folgende weitere Begriffsbestimmungen:

1.
Tiere
a)
wild lebende, gefangene oder gezüchtete und nicht herrenlos gewordene sowie tote Tiere wild lebender Arten,
b)
Eier, auch im leeren Zustand, sowie Larven, Puppen und sonstige Entwicklungsformen von Tieren wild lebender Arten,
c)
ohne Weiteres erkennbare Teile von Tieren wild lebender Arten und
d)
ohne Weiteres erkennbar aus Tieren wild lebender Arten gewonnene Erzeugnisse;
2.
Pflanzen
a)
wild lebende, durch künstliche Vermehrung gewonnene sowie tote Pflanzen wild lebender Arten,
b)
Samen, Früchte oder sonstige Entwicklungsformen von Pflanzen wild lebender Arten,
c)
ohne Weiteres erkennbare Teile von Pflanzen wild lebender Arten und
d)
ohne Weiteres erkennbar aus Pflanzen wild lebender Arten gewonnene Erzeugnisse;
als Pflanzen im Sinne dieses Gesetzes gelten auch Flechten und Pilze;
3.
Artjede Art, Unterart oder Teilpopulation einer Art oder Unterart; für die Bestimmung einer Art ist ihre wissenschaftliche Bezeichnung maßgebend;
4.
BiotopLebensraum einer Lebensgemeinschaft wild lebender Tiere und Pflanzen;
5.
Lebensstätteregelmäßiger Aufenthaltsort der wild lebenden Individuen einer Art;
6.
Populationeine biologisch oder geografisch abgegrenzte Zahl von Individuen einer Art;
7.
(weggefallen)
8.
(weggefallen)
9.
invasive Arteine invasive gebietsfremde Art im Sinne des Artikels 3 Nummer 2 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014
a)
die in der Unionsliste nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 aufgeführt ist,
b)
für die Dringlichkeitsmaßnahmen nach Artikel 10 Absatz 4 oder für die Durchführungsrechtsakte nach Artikel 11 Absatz 2 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 in Kraft sind, soweit die Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 nach den genannten Rechtsvorschriften anwendbar ist oder
c)
die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 3 aufgeführt ist;
10.
Arten von gemeinschaftlichem Interessedie in Anhang II, IV oder V der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tier- und Pflanzenarten;
11.
prioritäre Artendie in Anhang II der Richtlinie 92/43/EWG mit dem Zeichen (*) gekennzeichneten Tier- und Pflanzenarten;
12.
europäische Vogelartenin Europa natürlich vorkommende Vogelarten im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 2009/147/EG;
13.
besonders geschützte Arten
a)
Tier- und Pflanzenarten, die in Anhang A oder Anhang B der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (ABl. L 61 vom 3.3.1997, S. 1, L 100 vom 17.4.1997, S. 72, L 298 vom 1.11.1997, S. 70, L 113 vom 27.4.2006, S. 26), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 709/2010 (ABl. L 212 vom 12.8.2010, S. 1) geändert worden ist, aufgeführt sind,
b)
nicht unter Buchstabe a fallende
aa)
Tier- und Pflanzenarten, die in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführt sind,
bb)
europäische Vogelarten,
c)
Tier- und Pflanzenarten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 aufgeführt sind;
14.
streng geschützte Artenbesonders geschützte Arten, die
a)
in Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 338/97,
b)
in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG,
c)
in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 2
aufgeführt sind;
15.
gezüchtete TiereTiere, die in kontrollierter Umgebung geboren oder auf andere Weise erzeugt und deren Elterntiere rechtmäßig erworben worden sind;
16.
künstlich vermehrte PflanzenPflanzen, die aus Samen, Gewebekulturen, Stecklingen oder Teilungen unter kontrollierten Bedingungen herangezogen worden sind;
17.
AnbietenErklärung der Bereitschaft zu verkaufen oder zu kaufen und ähnliche Handlungen, einschließlich der Werbung, der Veranlassung zur Werbung oder der Aufforderung zu Verkaufs- oder Kaufverhandlungen;
18.
Inverkehrbringendas Anbieten, Vorrätighalten zur Abgabe, Feilhalten und jedes Abgeben an andere;
19.
rechtmäßigin Übereinstimmung mit den jeweils geltenden Rechtsvorschriften zum Schutz der betreffenden Art im jeweiligen Staat sowie mit Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Artenschutzes und dem Übereinkommen vom 3. März 1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (BGBl. 1975 II S. 773, 777) – Washingtoner Artenschutzübereinkommen – im Rahmen ihrer jeweiligen räumlichen und zeitlichen Geltung oder Anwendbarkeit;
20.
Mitgliedstaatein Staat, der Mitglied der Europäischen Union ist;
21.
Drittstaatein Staat, der nicht Mitglied der Europäischen Union ist.

(3) Soweit in diesem Gesetz auf Anhänge der

1.
Verordnung (EG) Nr. 338/97,
2.
Verordnung (EWG) Nr. 3254/91 des Rates vom 4. November 1991 zum Verbot von Tellereisen in der Gemeinschaft und der Einfuhr von Pelzen und Waren von bestimmten Wildtierarten aus Ländern, die Tellereisen oder den internationalen humanen Fangnormen nicht entsprechende Fangmethoden anwenden (ABl. L 308 vom 9.11.1991, S. 1),
3.
Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG,
4.
Richtlinie 83/129/EWG des Rates vom 28. März 1983 betreffend die Einfuhr in die Mitgliedstaaten von Fellen bestimmter Jungrobben und Waren daraus (ABl. L 91 vom 9.4.1983, S. 30), die zuletzt durch die Richtlinie 89/370/EWG (ABl. L 163 vom 14.6.1989, S. 37) geändert worden ist,
oder auf Vorschriften der genannten Rechtsakte verwiesen wird, in denen auf Anhänge Bezug genommen wird, sind die Anhänge jeweils in der sich aus den Veröffentlichungen im Amtsblatt Teil L der Europäischen Union ergebenden geltenden Fassung maßgeblich.

(4) Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gibt die besonders geschützten und die streng geschützten Arten sowie den Zeitpunkt ihrer jeweiligen Unterschutzstellung bekannt.

(5) Wenn besonders geschützte Arten bereits auf Grund der bis zum 8. Mai 1998 geltenden Vorschriften unter besonderem Schutz standen, gilt als Zeitpunkt der Unterschutzstellung derjenige, der sich aus diesen Vorschriften ergibt. Entsprechendes gilt für die streng geschützten Arten, soweit sie nach den bis zum 8. Mai 1998 geltenden Vorschriften als vom Aussterben bedroht bezeichnet waren.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten,
2.
wild lebende Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder zu nutzen oder ihre Bestände niederzuschlagen oder auf sonstige Weise zu verwüsten,
3.
Lebensstätten wild lebender Tiere und Pflanzen ohne vernünftigen Grund zu beeinträchtigen oder zu zerstören.

(2) Vorbehaltlich jagd- oder fischereirechtlicher Bestimmungen ist es verboten, wild lebende Tiere und Pflanzen der in Anhang V der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten aus der Natur zu entnehmen. Die Länder können Ausnahmen von Satz 1 unter den Voraussetzungen des § 45 Absatz 7 oder des Artikels 14 der Richtlinie 92/43/EWG zulassen.

(3) Jeder darf abweichend von Absatz 1 Nummer 2 wild lebende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze, Tee- und Heilkräuter sowie Zweige wild lebender Pflanzen aus der Natur an Stellen, die keinem Betretungsverbot unterliegen, in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnehmen und sich aneignen.

(4) Das gewerbsmäßige Entnehmen, Be- oder Verarbeiten wild lebender Pflanzen bedarf unbeschadet der Rechte der Eigentümer und sonstiger Nutzungsberechtigter der Genehmigung der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn der Bestand der betreffenden Art am Ort der Entnahme nicht gefährdet und der Naturhaushalt nicht erheblich beeinträchtigt werden. Die Entnahme hat pfleglich zu erfolgen. Bei der Entscheidung über Entnahmen zu Zwecken der Produktion regionalen Saatguts sind die günstigen Auswirkungen auf die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu berücksichtigen.

(4a) Ein vernünftiger Grund nach Absatz 1 liegt insbesondere vor, wenn wissenschaftliche oder naturkundliche Untersuchungen an Tieren oder Pflanzen sowie diesbezügliche Maßnahmen der Umweltbildung im zur Erreichung des Untersuchungsziels oder Bildungszwecks notwendigen Umfang vorgenommen werden. Vorschriften des Tierschutzrechts bleiben unberührt.

(5) Es ist verboten,

1.
die Bodendecke auf Wiesen, Feldrainen, Hochrainen und ungenutzten Grundflächen sowie an Hecken und Hängen abzubrennen oder nicht land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich genutzte Flächen so zu behandeln, dass die Tier- oder Pflanzenwelt erheblich beeinträchtigt wird,
2.
Bäume, die außerhalb des Waldes, von Kurzumtriebsplantagen oder gärtnerisch genutzten Grundflächen stehen, Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September abzuschneiden, auf den Stock zu setzen oder zu beseitigen; zulässig sind schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen,
3.
Röhrichte in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September zurückzuschneiden; außerhalb dieser Zeiten dürfen Röhrichte nur in Abschnitten zurückgeschnitten werden,
4.
ständig wasserführende Gräben unter Einsatz von Grabenfräsen zu räumen, wenn dadurch der Naturhaushalt, insbesondere die Tierwelt erheblich beeinträchtigt wird.
Die Verbote des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 gelten nicht für
1.
behördlich angeordnete Maßnahmen,
2.
Maßnahmen, die im öffentlichen Interesse nicht auf andere Weise oder zu anderer Zeit durchgeführt werden können, wenn sie
a)
behördlich durchgeführt werden,
b)
behördlich zugelassen sind oder
c)
der Gewährleistung der Verkehrssicherheit dienen,
3.
nach § 15 zulässige Eingriffe in Natur und Landschaft,
4.
zulässige Bauvorhaben, wenn nur geringfügiger Gehölzbewuchs zur Verwirklichung der Baumaßnahmen beseitigt werden muss.
Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung bei den Verboten des Satzes 1 Nummer 2 und 3 für den Bereich eines Landes oder für Teile des Landes erweiterte Verbotszeiträume vorzusehen und den Verbotszeitraum aus klimatischen Gründen um bis zu zwei Wochen zu verschieben. Sie können die Ermächtigung nach Satz 3 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(6) Es ist verboten, Höhlen, Stollen, Erdkeller oder ähnliche Räume, die als Winterquartier von Fledermäusen dienen, in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. März aufzusuchen; dies gilt nicht zur Durchführung unaufschiebbarer und nur geringfügig störender Handlungen sowie für touristisch erschlossene oder stark genutzte Bereiche.

(7) Weiter gehende Schutzvorschriften insbesondere des Kapitels 4 und des Abschnitts 3 des Kapitels 5 einschließlich der Bestimmungen über Ausnahmen und Befreiungen bleiben unberührt.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

(1) Von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes, in einer Rechtsverordnung auf Grund des § 57 sowie nach dem Naturschutzrecht der Länder kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

1.
dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2.
die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Im Rahmen des Kapitels 5 gilt Satz 1 nur für die §§ 39 und 40, 42 und 43.

(2) Von den Verboten des § 33 Absatz 1 Satz 1 und des § 44 sowie von Geboten und Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde. Im Fall des Verbringens von Tieren oder Pflanzen aus dem Ausland wird die Befreiung vom Bundesamt für Naturschutz gewährt.

(3) Die Befreiung kann mit Nebenbestimmungen versehen werden. § 15 Absatz 1 bis 4 und Absatz 6 sowie § 17 Absatz 5 und 7 finden auch dann Anwendung, wenn kein Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 vorliegt.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf EUR 100.000,-- festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den nach Verweisung durch das zunächst angerufene Verwaltungsgericht Stuttgart (Az.: 2 K 289/12) der beschließende Gerichtshof zu entscheiden hat, bleibt ohne Erfolg.
Mit der begehrten einstweiligen Anordnung will der Antragsteller erreichen, dass der Antragsgegnerin aufgegeben wird, der beigeladenen Vorhabenträgerin vorläufig weitere Rückbaumaßnahmen am Stuttgarter Hauptbahnhof - insbesondere den bevorstehenden Abriss des Südflügels - als dem urheberrechtlich geschützten Werk seines Großvaters - des Architekten Paul Bonatz - zu untersagen, bis über seinen beim Eisenbahn-Bundesamt am 24.01.2012 gestellten Antrag entschieden ist, dem Planfeststellungsbeschluss für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart „Projekt Stuttgart 21“ Planfeststellungsabschnitt 1.1 („Talquerung mit neuem Hauptbahnhof“) vom 28.01.2005 eine Nebenbestimmung beizufügen, nach der solche Maßnahmen erst zulässig sein sollen, wenn auch die Planfeststellungsabschnitte 1.3 („Filderbahnhof“) und 1.6b („Abstellbahnhof“) unanfechtbar planfestgestellt sind.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht (der Hauptsache), auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Die Voraussetzungen für eine solche, hier allein in Rede stehende Sicherungsanordnung liegen nicht vor.
Dem Antragsteller fehlt bereits die erforderliche Antragsbefugnis (entspr. § 42 Abs. 2 VwGO). Das von seinem Großvater als Architekten des Stuttgarter Hauptbahnhofs ererbte Urheberrecht (vgl. § 28 Abs. 1 UrhG) scheidet im Planfeststellungsverfahren als denkbarer Anknüpfungspunkt für einen Aufhebungs- oder Änderungsanspruch von vornherein aus (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.12.1993 - 4 B 200.93 -, Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 201). Denn dieses wird von der öffentlich-rechtlichen Gestaltungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG) nicht erfasst. Insofern kommt eine Verletzung des Urheberrechts durch den Planfeststellungsbeschluss nicht in Betracht. Aus diesem Grunde brauchte die Planfeststellungsbehörde ihm auch bei ihrer Entscheidung nicht Rechnung zu tragen. Soweit im Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 06.10.2010 - 4 U 106/10 - (DVBl 2011, 440) von „missachteten“ Urheberrechten die Rede ist, bezog sich dies auf die davon zu unterscheidende urheberrechtliche Interessenabwägung.
Vor diesem Hintergrund hatte der Antragsteller seinen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch (vgl. § 97 Abs. 1 UrhG) zunächst auch - wenngleich erfolglos - im Zivilrechtswege geltend gemacht (vgl. § 104 UrhG). Mit seinem nunmehr gestellten Antrag auf nachträgliche „Schutzauflagen“ nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG beruft er sich der Sache nach eben auf den ihm von den ordentlichen Gerichten bereits rechtskräftig abgesprochenen Anspruch. Dass dieser nur mehr auf eine vorläufige Unterlassung (Baustopp bis zur Unanfechtbarkeit der noch ausstehenden Planfeststellungsbeschlüsse) gerichtet ist, ändert nichts. Auch einem solchen Antrag hätte im Zivilrechtsweg ggf. entsprochen werden können, wenn den Eigentümerinteressen im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung nur dann höheres Gewicht als dem geltend gemachten Urheberinteresse zugekommen wäre, wenn die bei einer Abschnittsbildung im Schienenwegerecht trotz des Erfordernisses eines „vorläufigen positiven Gesamturteils“ (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.11.1995 - VR 15.95 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 7) nicht völlig auszuschließende Gefahr der Entstehung eines Planungstorsos ausgeräumt ist. Dass der Antragsteller dies vor den Zivilgerichten nicht geltend gemacht hat, vermittelt ihm noch keine Antragsbefugnis für das vorliegende Antragsverfahren.
Darüber hinaus bestehen Zweifel am erforderlichen Anordnungsgrund (vgl. Kopp/Schenke, VwGO 17. A. 2011, § 123 Rn. 26) bzw. unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Verwirkung (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 Rn. 21; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO <22. Erg.lfg. 2011>, § 123 Rn. 111). So hat der Antragsteller mit der erstmaligen Geltendmachung seines Anspruchs im Verwaltungsrechtsweg bis zum 26.01.2012 zugewartet, obwohl ihm bereits aufgrund des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 bekannt war, dass im Zuge seiner Verwirklichung weitere Rückbaumaßnahmen am Stuttgarter Hauptbahnhof, insbesondere auch der Abriss des Südflügels, zugelassen sind, ohne dass zuvor die Unanfechtbarkeit weiterer Planfeststellungsabschnitte abgewartet werden müsste. Auch wenn sich das Risiko der Entstehung eines Planungstorsos aufgrund der vom Antragsteller angeführten „neuen Tatsachen“ (fehlende Planfeststellungsreife der Abschnitte 1.3 u. 1.6b, Unwägbarkeiten bei der Verwirklichung der Maßnahmen S 21 plus, Einwände gegen die „Misch“-Finanzierung des Vorhabens) erhöht haben sollte, waren ihm diese Umstände doch nach seinem eigenen Vorbringen bereits seit April 2009 bzw. seit 2010 bekannt. Insbesondere war nach der Verlautbarung der Beigeladenen vom 14.09.2011 mit dem Rückbau des Südflügels nach Durchführung der Volksabstimmung am 28.11.2011 nunmehr jederzeit zu rechnen. Der Umstand, dass der Antragsteller gleichwohl erstmals am 24.01.2012 zu erkennen gab, das urheberrechtliche Änderungsverbot (vgl. § 39 Abs. 1 UrhG) nunmehr auch im Verwaltungsrechtswege geltend zu machen, weckt Zweifel am Vorliegen eines Anordnungsgrundes bzw. lässt sein prozessuales Verhalten als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen. Aus denselben Erwägungen hatte seinerzeit auch das Oberlandesgericht die beantragte einstweilige Verfügung gegen den Abriss des Nordflügels mangels eines Verfügungsgrundes abgelehnt (vgl. Beschl. v. 11.08.2010 - 4 U 106/10 -, NZBau 2010, 639). Warum dem Antragsteller eine weitere Bedenkzeit“ zuzubilligen gewesen sein sollte, erschließt sich dem Senat nicht.
Der Eilantrag des Antragstellers hätte allerdings auch dann - wegen Fehlens eines Anordnungsanspruchs - keinen Erfolg haben können, wenn sein ererbtes Urheberrecht grundsätzlich Anknüpfungspunkt für den am 24.01.2006 gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt geltend gemachten Anspruch auf Beifügung einer Nebenbestimmung sein könnte. Hierbei kann dahinstehen, ob dies bereits daraus folgt, dass der Antragsteller mit seinem Urheberinteresse ohnehin bereits materiell präkludiert wäre. So erscheint zweifelhaft, ob er sich in seinem Einwendungsschreiben vom 20.10.2002 bereits auf das ererbte Urheberrecht seines Großvaters berufen hatte. Zwar hatte er Einwendungen „als Architekt und Enkel von Paul Bonatz“ erhoben, jedoch mit keinem Wort auf das ihm als Architekt durchaus bekannte urheberrechtliche Änderungsverbot hingewiesen. Vielmehr hatte er lediglich auf die Bedeutung des Hauptbahnhofs als geschütztes Kulturdenkmal hingewiesen.
Doch auch dann, wenn damit der Sache nach bereits das Urheberrecht thematisiert worden sein sollte (vgl. LG Stuttgart, Urt. v. 20.05.2010 - 17 O 42/10 -, ZUM-RD 2010, 491), fehlte es offensichtlich an einem Anordnungsanspruch. So hat der Antragsteller nicht glaubhaft zu machen vermocht, dass ihm ein Anspruch auf nachträgliche Aufnahme der begehrten Nebenbestimmung in den auch ihm gegenüber bestandskräftig gewordenen Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 zustehen könnte. Soweit der Antragsteller auf die noch nicht abgeschlossenen Planänderungsverfahren verweist, geht dies schon deshalb fehl, weil die bestandskräftige Zulassung der Rückbaumaßnahmen am Stuttgarter Hauptbahnhof von diesen Verfahren ersichtlich unberührt blieb.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers lässt sich der geltend gemachte Anspruch auf einen vorläufigen Baustopp nicht auf § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG stützen. Denn in der von ihm gewünschten Nebenbestimmung kann ersichtlich keine nachträgliche „Schutzauflage“ bzw. „Schutzvorkehrung“ (vgl. § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG) gesehen werden. Vielmehr steht, wie der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 28.01.2012 nunmehr selbst ausführt, eine aufschiebende Bedingung i. S. des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG in Rede, da nicht lediglich nachteilige „Auswirkungen“ des Vorhabens vermieden, sondern dieses selbst - teilweise -, wenn auch nur vorübergehend, verhindert werden soll (vgl. zu einer entsprechenden Nebenbestimmung BVerwG, Urt. v. 25.01.1996 - 4 C 5.95 -, BVerwGE 100, 238). Eine solche Nebenbestimmung kann dem Vorhabenträger aber in einem Planänderungsverfahren nach § 76 VwVfG nur unter den weiteren, für einen Teilwiderruf bzw. eine Teilrücknahme geltenden Voraussetzungen der §§ 48 f. VwVfG auferlegt werden (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG 12. A. 2011, § 75 Rn. 21). Dass der Antragsteller eine entsprechende Änderung bzw. Teilaufhebung des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses beanspruchen könnte, hat dieser mit seinen bloßen Zweifeln an der weiteren Verwirklichung des Gesamtvorhabens jedoch nicht glaubhaft gemacht. Es ist schon nicht zu erkennen, inwiefern das Verfahren mit Rücksicht auf die geltend gemachten Urheberinteressen wiederaufzugreifen wäre. So sind noch nicht einmal Wiederaufnahmegründe i. S. des § 51 Abs. 1 VwVfG ersichtlich, die außerhalb eines Planfeststellungsverfahrens (vgl. § 72 Abs. 1 VwVfG) einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens begründen könnten. Hinzukommt auch in diesem Zusammenhang, dass sich der Antragsteller, nachdem ihm die von ihm angeführten „neuen Tatsachen“ bekannt geworden waren, Jahre lang, mithin deutlich mehr als drei Monate Zeit gelassen hat (vgl. § 51 Abs. 3 VwVfG), um auf die Notwendigkeit einer solchen Nebenbestimmung hinzuwirken.
10 
Nach alledem konnte der Eilantrag keinen Erfolg haben.
11 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs. Der Senat hält auch im vorliegenden Verfahren den vom Oberlandesgericht Stuttgart im einstweiligen Verfügungsverfahren (vgl. Beschl. v. 11.08.2010 - 4 U 106/10 -, NZBau 2010, 639) festgesetzten Streitwert für angemessen.
12 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. März 2007 - 16 K 4091/06 - geändert. Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung der Beklagten vom 27. September 2004 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 31. Oktober 2006 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen einen Widerrufsvorbehalt, der von der Beklagten nachträglich einer 1994 erteilten Baugenehmigung für eine Sammelhinweistafel beigefügt worden ist.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen zur Herstellung und Errichtung von Hinweistafeln. Am 26.4.1994 erhielt sie die Baugenehmigung zur Aufstellung eines „Sammelhinweisers“ auf dem Grundstück Flst. Nr. 6751/13. Errichtet wurde die Anlage an der Kreuzung Herderstraße/Unter dem Birkenkopf, neben der dort befindlichen Eisenbahnunterführung auf dem Gehweg vor der Stützmauer des Bahndammes. Der Baugenehmigung war folgender „Besonderer Hinweis“ beigefügt: „Für die Sondernutzung öffentlichen Straßenraumes wird vom Tiefbauamt nach der ‚ Satzung über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen in Stuttgart’ in der jeweils geltenden Fassung eine Nutzungsgebühr festgesetzt.“
Nach vorheriger Anhörung nahm die Beklagte mit Entscheidung vom 4.2.2004 die Baugenehmigung vom 26.4.1994 zurück. Zur Begründung hieß es u. a., dass die Baugenehmigung gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG zurückgenommen werde. Sie sei rechtswidrig gewesen, weil sie nicht widerruflich erteilt worden sei. Der Standort des Sammelhinweisers befinde sich auf dem Gehweg der Herderstraße, also auf bebauungsplanmäßig ausgewiesener, straßenrechtlich gewidmeter öffentlicher Verkehrsfläche. Die Baugenehmigung habe daher nach § 16 Abs. 1 StrG nur auf Widerruf oder auf Zeit erteilt werden dürfen. Den weiteren Ausführungen des Bescheids lässt sich entnehmen, dass nach Auffassung der Beklagten die 1994 genehmigte Sammelhinweistafel weder den gestalterischen Anforderungen an ein angemessenes modernes, einheitliches Erscheinungsbild entspreche noch von Standort, Größe und Bauart her geeignet sei, eine entsprechende Anzahl von Firmen aufzunehmen, die zudem von der Kreuzung aus hinreichend gesehen werden sollten. Da auf den Bahngrundstücken zwei neue Anlagen errichtet werden sollten, würde der vorhandene „Sammelhinweiser“ zumindest als unpassend, wenn nicht sogar als Störfaktor vor dem begrünten Bahndamm empfunden.
Dagegen erhob die Klägerin am 13.2.2004 Widerspruch mit dem Hinweis, dass sie im Vertrauen auf die unbefristet und endgültig erteilte Baugenehmigung mit ihren Kunden langfristig bindende Verträge abgeschlossen habe.
Mit weiterer Entscheidung vom 27.9.2004 fügte die Beklagte der Baugenehmigung vom 26.4.1994 - unter Anordnung des Sofortvollzugs (Nr. 2) - gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG folgende Nebenbestimmung (Nr. 1) bei: "Die Baugenehmigung wird gemäß § 16 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Straßengesetz widerruflich erteilt." Gleichzeitig änderte sie die Entscheidung vom 4.2.2004 insoweit, dass das Wort "zurückgenommen" durch das Wort "widerrufen" ersetzt werde (Nr. 3). Zur Begründung der Beifügung des Widerrufsvorbehalts in Nr. 1 der Verfügung stützte sie sich im wesentlichen auf die gleichen rechtlichen Erwägungen wie im Bescheid vom 4.2.2004.
Auch dagegen legte die Klägerin am 16.10.2004 Widerspruch ein und begründete ihn u. a. damit, dass die Verlegung des Standortes der bereits 1987 genehmigten Tafel an den jetzigen Aufstellungsort auf den ausdrücklichen Wunsch der Beklagten hin erfolgt sei. Die nachträgliche Ergänzung um den Widerrufsvorbehalt stelle gleichsam die vollständige Beseitigung der Baugenehmigung dar. Es gebe auch keine neuen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte.
Auf den gleichzeitig gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO setzte das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 15.11.2004 die Vollziehung der Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung vom 27.9.2004 mit der Begründung aus, dass es an dem erforderlichen besonderen öffentlichen Interesse am Sofortvollzug fehle (16 K 4103/04).
Daraufhin nahm die Beklagte mit Verfügung vom 29.12.2004 die Nr. 3 der Entscheidung vom 27.9.2004 einschließlich der Entscheidung vom 4.2.2004 (Widerruf der Baugenehmigung vom 26.4.1994) zurück, so dass nur noch die Nr. 1 der Entscheidung vom 27.9.2004 (Beifügung des Widerrufsvorbehalts) bestehen blieb.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.2006 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch vom 13.2.2004 gegen die Verfügung der Beklagten vom 4.2.2004 und den Widerspruch vom 16.10.2004 gegen die Verfügung vom 27.9.2004 zurück, soweit diesen Widersprüchen nicht abgeholfen worden sei. Zur Begründung hieß es in dem Widerspruchsbescheid u. a., dass durch die Rücknahme der baurechtlichen Entscheidung vom 4.2.2004 und Nr. 3 der baurechtlichen Entscheidung vom 27.9.2004 den Widersprüchen vom 13.2.2004 und 16.10.2004 teilweise abgeholfen worden sei. Eine teilweise Abhilfe liege vor, da der Ausgangsbescheid durch den Bescheid vom 29.12.2004 aus widerspruchsbezogenen Gründen aufgehoben und damit das Widerspruchsverfahren insoweit auch formal abgeschlossen worden sei. Über die baurechtliche Entscheidung vom 4.2.2004 und Nr. 3 der baurechtlichen Entscheidung vom 27.9.2004 sei damit gemäß § 73 Abs. 1 VwGO nicht mehr durch die Widerspruchsbehörde zu entscheiden. Der verbleibende Widerspruch vom 16.10.2004 gegen Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung vom 27.9.2004, über den noch zu entscheiden sei, sei zwar zulässig, aber nicht begründet. Die angegriffene Entscheidung der unteren Baurechtsbehörde sei insoweit rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die nachträgliche Anordnung eines Widerrufsvorbehalts hinsichtlich der Baugenehmigung vom 26.4.1994 sei als teilweise Rücknahme gem. § 48 Abs. 1 LVwVfG zulässig. Die Baugenehmigung vom 26.4.1994, die gem. § 16 Abs. 6 StrG die für die Werbeanlage erforderliche Sondernutzungserlaubnis ersetze, sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, da sie gem. § 16 Abs. 1 StrG nur befristet oder widerruflich hätte erteilt werden dürfen. Die teilweise Rücknahme durch nachträgliche Anordnung eines Widerrufsvorbehalts entspreche auch pflichtgemäßem Ermessen. Das öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände überwiege das private Interesse der Klägerin, eine Baugenehmigung ohne den gesetzlich vorgesehenen Widerrufsvorbehalt zu behalten. Durch die nachträgliche Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts werde die Klägerin nicht schlechter gestellt, als wenn sie bereits im Jahr 1994 eine widerrufliche und damit rechtmäßige Baugenehmigung erhalten hätte. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da sie als Fachfirma die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gekannt oder jedenfalls infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Die nachträgliche Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts sei auch verhältnismäßig, insbesondere stelle sie gegenüber einer Rücknahme des Verwaltungsakts das mildere Mittel dar. Wirtschaftlich beeinträchtigt werde die Klägerin durch die Beifügung des Widerrufsvorbehalts noch nicht.
10 
Dagegen hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens beantragt, die Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung vom 27.9.2004 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 31.10.2006 aufzuheben.
11 
Mit Urteil vom 21.3.2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen den Rechtsstandpunkt der angefochtenen Bescheide bestätigt. Ergänzend hat es ausgeführt, dass die Entscheidungen auch unter Ermessensgesichtspunkten nicht beanstandet werden könnten. Ihnen liege eine sachgerechte Abwägung des öffentlichen Interesses an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände mit dem gegenläufigen Vertrauensschutzinteresse der Klägerin am Fortbestand einer uneingeschränkten Baugenehmigung zugrunde. Die 1-Jahres-Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG sei gewahrt, da sie erst mit dem Anhörungsschreiben vom 19.1.2004 zu laufen begonnen habe.
12 
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 19.9.2007 - 8 S 1018/07 - zugelassene Berufung der Klägerin, mit der sie beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. März 2007 - 16 K 4091/06 - zu ändern und die Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung der Beklagten vom 27.9.2004 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 31.10.2006 aufzuheben.
14 
Sie wiederholt zur Begründung im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Sie trägt noch vor, dass für Fälle, in denen die Sondernutzungserlaubnis gemäß § 16 Abs. 6 StrG von einer Baugenehmigung umfasst werde, eine materiell andere Rechtslage als für § 16 Abs. 1 StrG-Fälle nicht gelten könne, insbesondere könne die Frage der Widerruflichkeit nicht anders zu beurteilen sein. § 16 Abs. 6 StrG sei eine Vorschrift nur formeller Art, die der Verfahrenskonzentration diene. Das Fehlen des Widerrufsvorbehalts sei tatbestandliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. § 16 Abs. 1 StrG enthalte insoweit gegenüber § 36 LVwVfG eine spezielle Regelung. Die Sondernutzungserlaubnis dürfe grundsätzlich nur widerruflich (oder befristet) erteilt werden. Ein Verstoß gegen § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG führe zur Rechtswidrigkeit der Erlaubnis, wobei unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes keine Rücknahme der Erlaubnis nach § 48 LVwVfG, sondern lediglich die nachträgliche Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts oder einer Befristung in Betracht komme.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die dem Senat vorliegenden Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage der Klägerin nicht abweisen dürfen, weil Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung der Beklagten vom 27.9.2004 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 31.10.2006 rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
20 
Streitgegenstand ist die durch Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung der Beklagten vom 27.9.2004 erfolgte nachträgliche Beifügung eines Widerrufsvorbehalts zu der Baugenehmigung vom 26.4.1994 und die Zurückweisung des dagegen gerichteten Widerspruchs vom 16.10.2004 durch den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 31.10.2006. Zwar lässt die Tenorierung des Widerspruchsbescheids Raum für die Annahme, es habe nicht nur der Widerspruch vom 16.10.2004, sondern auch derjenige vom 13.2.2004 in einem darüber hinausgehenden, inhaltlich - auch in der Begründung - nicht näher festgehaltenen Umfang zurückgewiesen werden sollen, nämlich „soweit ihnen nicht abgeholfen wurde“. Nachdem die Beklagte mit bestandskräftiger Verfügung vom 29.12.2004 ihre Entscheidung vom 4.2.2004 und Nr. 3 ihrer Entscheidung vom 27.9.2004 zurückgenommen hatte, gab es jedoch keinen offenen Teil des Widerspruchs vom 13.2.2004 mehr, und auch der noch zu bescheidende Umfang des Widerspruchs vom 16.10.2004 beschränkte sich auf Nr. 1 der Verfügung vom 27.9.2004. Dies ist erkennbar auch die Entscheidungsbasis des Widerspruchsbescheids, wie sie sich aus den materiellen Ausführungen zur Begründung der Widerspruchsentscheidung ablesen lässt. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass der Widerspruchsbescheid vom 31.10.2006 - insbesondere hinsichtlich des Widerspruchs vom 13.2.2004 - keinen „Rest“ enthält, der infolge der Formulierung des gestellten Sachantrags den oben beschriebenen Streitgegenstand erweitern würde.
II.
21 
Zu Recht gingen die angegriffenen Bescheide davon aus, dass als Rechtsgrundlage für den der Baugenehmigung vom 26.4.1994 beigefügten Widerrufsvorbehalt nur § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG in Frage kommt. Zwar handelt es sich bei dem Widerrufsvorbehalt der Sache nach um eine Nebenbestimmung (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG), deren Beifügung sich grundsätzlich nach § 36 LVwVfG richtet. § 36 LVwVfG geht jedoch ersichtlich davon aus, dass ein Verwaltungsakt gleichzeitig mit seinem Erlass mit einer Nebenbestimmung versehen wird (s. den Wortlaut des § 36 Abs. 2 LVwVfG „darf ein Verwaltungsakt... erlassen werden“; ebenso Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. § 36 Rn. 12; Knack, VwVfG, 8. Aufl., § 36 Rn. 31). Wird dagegen eine Nebenbestimmung - wie im vorliegenden Fall - nachträglich beigefügt, handelt es sich um eine selbständige Regelung, die als belastender Eingriff aus rechtsstaatlichen Gründen (Vorbehalt des Gesetzes) einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 36 Rn. 9c); ob darüber hinaus zusätzlich die Grenzen des § 36 LVwVfG zu beachten sind (so Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O. Rn. 9b), muss vorliegend mangels Entscheidungserheblichkeit nicht näher untersucht werden. Eine spezielle gesetzliche Regelung für die nachträgliche Beschränkung einer bestandskräftigen Baugenehmigung findet sich im Bauordnungsrecht allerdings nur in § 58 Abs. 6 LBO, dessen Voraussetzungen vorliegend aber offensichtlich nicht einschlägig sind. Die nachträgliche Beifügung eines Widerrufsvorbehalts kommt daher einer teilweisen Rücknahme bzw. einem teilweisen Widerruf der Baugenehmigung gleich (vgl. Kopp/Ramsauer a.a.O. Rn. 12, 50ff.), was wiederum nur unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 LVwVfG zulässig ist. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt.
22 
Denn zwar kann nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG scheitert im vorliegenden Fall jedoch bereits daran, dass die Baugenehmigung vom 26.4.1994 nicht aus dem von der Beklagten in Anspruch genommenen Grund rechtswidrig ist. Nach ihrer Meinung ist die Baugenehmigung deshalb rechtswidrig, weil sie bereits bei ihrer Erteilung zwingend mit einem Widerrufsvorbehalt hätte versehen werden müssen bzw. nur befristet hätte erteilt werden dürfen, was aber beides nicht geschehen sei. Die Beklagte stützt sich dabei auf § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG, wonach die Sondernutzungserlaubnis nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden darf.
23 
§ 16 Abs. 1 Satz 2 StrG erfasst den vorliegenden Fall jedoch nicht, weil § 16 Abs. 6 StrG insoweit eine Sonderregelung enthält. Danach bedarf es u. a. dann keiner Sondernutzungserlaubnis i. S. von § 16 Abs. 1 StrG, wenn die Benutzung der Straße einer Anlage dient, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist. Die Vorschrift, die ihrem Zweck entsprechend auch dann Anwendung findet, wenn die Sondernutzung - wie im vorliegenden Fall - unmittelbar in der Errichtung einer baulichen Anlage besteht (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 5.7.2001 - 8 S 716/01 - VBlBW 2002, 122; Urteil vom 12.12.1996 - 8 S 1725/96 - NVwZ 1998, 652; Urteil vom 11.3.1993 - 5 S 1127/92 - VBlBW 1994, 17, 20), enthält nach ihrem Wortlaut für die benannten Erlaubnisse und Genehmigungen weder eine dem § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG entsprechende Regelung noch verweist sie auf die dortige Regelung. Es wird im Gegenteil bestimmt, dass es in den genannten Fällen keiner Erlaubnis nach Abs. 1 bedarf. Bedarf es aber keiner Sondernutzungserlaubnis und wird dementsprechend auch eine solche nicht erteilt, verliert die in § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG enthaltene Regelung, wonach die Erlaubnis nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden darf, ihr Substrat und damit ihren Sinn. Der Annahme der Beklagten, dass die Baugenehmigung an die Stelle der Sondernutzungserlaubnis trete und daher wie diese auch zwingend nur befristet oder auf Widerruf erteilt werden dürfe, steht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die differenzierte Regelung des § 16 Abs. 6 StrG entgegen. Zwar folgt aus der verfahrenskonzentrierenden Wirkung des § 16 Abs. 6 StrG, dass die Baugenehmigungsbehörde nicht nur die baurechtlich relevanten öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO zu prüfen, sondern zusätzlich auch darüber zu entscheiden hat, ob die mit dem Vorhaben verbundene Sondernutzung zugelassen werden kann. Die Entscheidung darüber steht in ihrem Ermessen, bei dessen Ausübung sie keinen anderen Bindungen unterliegt, als die sonst für die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zuständige Behörde (vgl. Senatsurteil vom 5.7.2001 - 8 S 716/01 - VBlBW 2002, 122; Nagel, StrG, 3. Aufl., § 16 Rn. 37; Lorenz/Will, StrG, 2. Aufl., Rn. 68; Schnebelt/Sigel, Straßenrecht Baden-Württemberg, 2. Aufl., Rn. 273). Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Baugenehmigungsbehörde - über den Wortlaut des § 16 Abs. 6 StrG hinaus -verpflichtet ist, die Baugenehmigung nur befristet oder mit einem Widerrufsvorbehalt zu erteilen, wie die für die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zuständige Behörde dies bei der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis nach § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG von Gesetzes wegen tun muss.
24 
Es ist auch nicht ersichtlich, dass dadurch den straßenrechtlichen Belangen nicht hinreichend Rechnung getragen werden würde. Denn insoweit gilt, dass die Baugenehmigungsbehörde vor ihrer Entscheidung die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde zu hören und - soweit Träger der Straßenbaulast eine Gemeinde oder ein Landkreis ist - die von dieser Behörde geforderten Bedingungen, Auflagen und Sondernutzungsgebühren dem Antragsteller in der Baugenehmigung aufzuerlegen hat (vgl. zu einem straßenverkehrsrechtlichen Fall VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.3.2005 - 5 S 2421/03 -). Dadurch wird einerseits den straßenrechtlichen Belangen auch bei der Erteilung einer Baugenehmigung durch eine andere Behörde Geltung verschafft. Andererseits kann damit aber auch ein möglicherweise bestehendes berechtigtes Interesse des Bauherrn daran berücksichtigt werden, dass die Baugenehmigung nicht nur befristet oder auf Widerruf sondern dauerhaft erteilt wird, worauf er beispielsweise bei Investitionen von einigem Umfang angewiesen sein kann. In einem solchen Fall kann die Baugenehmigungsbehörde die Baugenehmigung vorbehaltlos erteilen, wenn das straßenrechtliche Interesse nur von untergeordneter Bedeutung ist. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Baugenehmigung zwar auf der Grundlage pflichtgemäßer Ermessensausübung mit einem Widerrufsvorbehalt versehen bzw. nur befristet erteilt werden kann, dass hierzu aber von Gesetzes wegen keine Verpflichtung besteht. Dementsprechend hat die Beklagte der Klägerin zwar eine Sondernutzungsgebühr auferlegt, aber von Bedingungen und Auflagen abgesehen, was nach allem nicht zu beanstanden ist.
25 
Es gibt auch keinen Anlass zu der Annahme, dass die ursprünglich rechtmäßig erteilte Baugenehmigung durch eine Änderung der Sachlage rechtswidrig geworden wäre (vgl. hierzu Senatsurteil vom 24.9.2001 - 8 S 641/01 -, NVwZ-RR 2002, 621). Die Beklagte hat sich hierauf beim Erlass der angefochtenen Verfügung auch nicht berufen, so dass die rechtliche Relevanz einer möglichen Sachverhaltsänderung dahingestellt bleiben kann.
26 
Fehlt es somit bereits an der ersten Voraussetzung für eine teilweise Rücknahme der Baugenehmigung vom 26.4.1994, braucht auf die weiteren Voraussetzungen des § 48 LVwVfG nicht mehr eingegangen zu werden.
27 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28 
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
29 
Beschluss
30 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 EUR festgesetzt.
31 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage der Klägerin nicht abweisen dürfen, weil Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung der Beklagten vom 27.9.2004 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 31.10.2006 rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
20 
Streitgegenstand ist die durch Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung der Beklagten vom 27.9.2004 erfolgte nachträgliche Beifügung eines Widerrufsvorbehalts zu der Baugenehmigung vom 26.4.1994 und die Zurückweisung des dagegen gerichteten Widerspruchs vom 16.10.2004 durch den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 31.10.2006. Zwar lässt die Tenorierung des Widerspruchsbescheids Raum für die Annahme, es habe nicht nur der Widerspruch vom 16.10.2004, sondern auch derjenige vom 13.2.2004 in einem darüber hinausgehenden, inhaltlich - auch in der Begründung - nicht näher festgehaltenen Umfang zurückgewiesen werden sollen, nämlich „soweit ihnen nicht abgeholfen wurde“. Nachdem die Beklagte mit bestandskräftiger Verfügung vom 29.12.2004 ihre Entscheidung vom 4.2.2004 und Nr. 3 ihrer Entscheidung vom 27.9.2004 zurückgenommen hatte, gab es jedoch keinen offenen Teil des Widerspruchs vom 13.2.2004 mehr, und auch der noch zu bescheidende Umfang des Widerspruchs vom 16.10.2004 beschränkte sich auf Nr. 1 der Verfügung vom 27.9.2004. Dies ist erkennbar auch die Entscheidungsbasis des Widerspruchsbescheids, wie sie sich aus den materiellen Ausführungen zur Begründung der Widerspruchsentscheidung ablesen lässt. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass der Widerspruchsbescheid vom 31.10.2006 - insbesondere hinsichtlich des Widerspruchs vom 13.2.2004 - keinen „Rest“ enthält, der infolge der Formulierung des gestellten Sachantrags den oben beschriebenen Streitgegenstand erweitern würde.
II.
21 
Zu Recht gingen die angegriffenen Bescheide davon aus, dass als Rechtsgrundlage für den der Baugenehmigung vom 26.4.1994 beigefügten Widerrufsvorbehalt nur § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG in Frage kommt. Zwar handelt es sich bei dem Widerrufsvorbehalt der Sache nach um eine Nebenbestimmung (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG), deren Beifügung sich grundsätzlich nach § 36 LVwVfG richtet. § 36 LVwVfG geht jedoch ersichtlich davon aus, dass ein Verwaltungsakt gleichzeitig mit seinem Erlass mit einer Nebenbestimmung versehen wird (s. den Wortlaut des § 36 Abs. 2 LVwVfG „darf ein Verwaltungsakt... erlassen werden“; ebenso Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. § 36 Rn. 12; Knack, VwVfG, 8. Aufl., § 36 Rn. 31). Wird dagegen eine Nebenbestimmung - wie im vorliegenden Fall - nachträglich beigefügt, handelt es sich um eine selbständige Regelung, die als belastender Eingriff aus rechtsstaatlichen Gründen (Vorbehalt des Gesetzes) einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 36 Rn. 9c); ob darüber hinaus zusätzlich die Grenzen des § 36 LVwVfG zu beachten sind (so Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O. Rn. 9b), muss vorliegend mangels Entscheidungserheblichkeit nicht näher untersucht werden. Eine spezielle gesetzliche Regelung für die nachträgliche Beschränkung einer bestandskräftigen Baugenehmigung findet sich im Bauordnungsrecht allerdings nur in § 58 Abs. 6 LBO, dessen Voraussetzungen vorliegend aber offensichtlich nicht einschlägig sind. Die nachträgliche Beifügung eines Widerrufsvorbehalts kommt daher einer teilweisen Rücknahme bzw. einem teilweisen Widerruf der Baugenehmigung gleich (vgl. Kopp/Ramsauer a.a.O. Rn. 12, 50ff.), was wiederum nur unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 LVwVfG zulässig ist. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt.
22 
Denn zwar kann nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG scheitert im vorliegenden Fall jedoch bereits daran, dass die Baugenehmigung vom 26.4.1994 nicht aus dem von der Beklagten in Anspruch genommenen Grund rechtswidrig ist. Nach ihrer Meinung ist die Baugenehmigung deshalb rechtswidrig, weil sie bereits bei ihrer Erteilung zwingend mit einem Widerrufsvorbehalt hätte versehen werden müssen bzw. nur befristet hätte erteilt werden dürfen, was aber beides nicht geschehen sei. Die Beklagte stützt sich dabei auf § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG, wonach die Sondernutzungserlaubnis nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden darf.
23 
§ 16 Abs. 1 Satz 2 StrG erfasst den vorliegenden Fall jedoch nicht, weil § 16 Abs. 6 StrG insoweit eine Sonderregelung enthält. Danach bedarf es u. a. dann keiner Sondernutzungserlaubnis i. S. von § 16 Abs. 1 StrG, wenn die Benutzung der Straße einer Anlage dient, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist. Die Vorschrift, die ihrem Zweck entsprechend auch dann Anwendung findet, wenn die Sondernutzung - wie im vorliegenden Fall - unmittelbar in der Errichtung einer baulichen Anlage besteht (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 5.7.2001 - 8 S 716/01 - VBlBW 2002, 122; Urteil vom 12.12.1996 - 8 S 1725/96 - NVwZ 1998, 652; Urteil vom 11.3.1993 - 5 S 1127/92 - VBlBW 1994, 17, 20), enthält nach ihrem Wortlaut für die benannten Erlaubnisse und Genehmigungen weder eine dem § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG entsprechende Regelung noch verweist sie auf die dortige Regelung. Es wird im Gegenteil bestimmt, dass es in den genannten Fällen keiner Erlaubnis nach Abs. 1 bedarf. Bedarf es aber keiner Sondernutzungserlaubnis und wird dementsprechend auch eine solche nicht erteilt, verliert die in § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG enthaltene Regelung, wonach die Erlaubnis nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden darf, ihr Substrat und damit ihren Sinn. Der Annahme der Beklagten, dass die Baugenehmigung an die Stelle der Sondernutzungserlaubnis trete und daher wie diese auch zwingend nur befristet oder auf Widerruf erteilt werden dürfe, steht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die differenzierte Regelung des § 16 Abs. 6 StrG entgegen. Zwar folgt aus der verfahrenskonzentrierenden Wirkung des § 16 Abs. 6 StrG, dass die Baugenehmigungsbehörde nicht nur die baurechtlich relevanten öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO zu prüfen, sondern zusätzlich auch darüber zu entscheiden hat, ob die mit dem Vorhaben verbundene Sondernutzung zugelassen werden kann. Die Entscheidung darüber steht in ihrem Ermessen, bei dessen Ausübung sie keinen anderen Bindungen unterliegt, als die sonst für die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zuständige Behörde (vgl. Senatsurteil vom 5.7.2001 - 8 S 716/01 - VBlBW 2002, 122; Nagel, StrG, 3. Aufl., § 16 Rn. 37; Lorenz/Will, StrG, 2. Aufl., Rn. 68; Schnebelt/Sigel, Straßenrecht Baden-Württemberg, 2. Aufl., Rn. 273). Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Baugenehmigungsbehörde - über den Wortlaut des § 16 Abs. 6 StrG hinaus -verpflichtet ist, die Baugenehmigung nur befristet oder mit einem Widerrufsvorbehalt zu erteilen, wie die für die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zuständige Behörde dies bei der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis nach § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG von Gesetzes wegen tun muss.
24 
Es ist auch nicht ersichtlich, dass dadurch den straßenrechtlichen Belangen nicht hinreichend Rechnung getragen werden würde. Denn insoweit gilt, dass die Baugenehmigungsbehörde vor ihrer Entscheidung die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde zu hören und - soweit Träger der Straßenbaulast eine Gemeinde oder ein Landkreis ist - die von dieser Behörde geforderten Bedingungen, Auflagen und Sondernutzungsgebühren dem Antragsteller in der Baugenehmigung aufzuerlegen hat (vgl. zu einem straßenverkehrsrechtlichen Fall VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.3.2005 - 5 S 2421/03 -). Dadurch wird einerseits den straßenrechtlichen Belangen auch bei der Erteilung einer Baugenehmigung durch eine andere Behörde Geltung verschafft. Andererseits kann damit aber auch ein möglicherweise bestehendes berechtigtes Interesse des Bauherrn daran berücksichtigt werden, dass die Baugenehmigung nicht nur befristet oder auf Widerruf sondern dauerhaft erteilt wird, worauf er beispielsweise bei Investitionen von einigem Umfang angewiesen sein kann. In einem solchen Fall kann die Baugenehmigungsbehörde die Baugenehmigung vorbehaltlos erteilen, wenn das straßenrechtliche Interesse nur von untergeordneter Bedeutung ist. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Baugenehmigung zwar auf der Grundlage pflichtgemäßer Ermessensausübung mit einem Widerrufsvorbehalt versehen bzw. nur befristet erteilt werden kann, dass hierzu aber von Gesetzes wegen keine Verpflichtung besteht. Dementsprechend hat die Beklagte der Klägerin zwar eine Sondernutzungsgebühr auferlegt, aber von Bedingungen und Auflagen abgesehen, was nach allem nicht zu beanstanden ist.
25 
Es gibt auch keinen Anlass zu der Annahme, dass die ursprünglich rechtmäßig erteilte Baugenehmigung durch eine Änderung der Sachlage rechtswidrig geworden wäre (vgl. hierzu Senatsurteil vom 24.9.2001 - 8 S 641/01 -, NVwZ-RR 2002, 621). Die Beklagte hat sich hierauf beim Erlass der angefochtenen Verfügung auch nicht berufen, so dass die rechtliche Relevanz einer möglichen Sachverhaltsänderung dahingestellt bleiben kann.
26 
Fehlt es somit bereits an der ersten Voraussetzung für eine teilweise Rücknahme der Baugenehmigung vom 26.4.1994, braucht auf die weiteren Voraussetzungen des § 48 LVwVfG nicht mehr eingegangen zu werden.
27 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28 
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
29 
Beschluss
30 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 EUR festgesetzt.
31 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Durch die Planfeststellung wird die Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen an anderen Anlagen im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt; neben der Planfeststellung sind andere behördliche Entscheidungen, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen nicht erforderlich. Durch die Planfeststellung werden alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt.

(1a) Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange sind nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Erhebliche Mängel bei der Abwägung oder eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften führen nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung, wenn sie nicht durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können; die §§ 45 und 46 bleiben unberührt.

(2) Ist der Planfeststellungsbeschluss unanfechtbar geworden, so sind Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen. Treten nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf das Recht eines anderen erst nach Unanfechtbarkeit des Plans auf, so kann der Betroffene Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen verlangen, welche die nachteiligen Wirkungen ausschließen. Sie sind dem Träger des Vorhabens durch Beschluss der Planfeststellungsbehörde aufzuerlegen. Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, so richtet sich der Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld. Werden Vorkehrungen oder Anlagen im Sinne des Satzes 2 notwendig, weil nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens auf einem benachbarten Grundstück Veränderungen eingetreten sind, so hat die hierdurch entstehenden Kosten der Eigentümer des benachbarten Grundstücks zu tragen, es sei denn, dass die Veränderungen durch natürliche Ereignisse oder höhere Gewalt verursacht worden sind; Satz 4 ist nicht anzuwenden.

(3) Anträge, mit denen Ansprüche auf Herstellung von Einrichtungen oder auf angemessene Entschädigung nach Absatz 2 Satz 2 und 4 geltend gemacht werden, sind schriftlich an die Planfeststellungsbehörde zu richten. Sie sind nur innerhalb von drei Jahren nach dem Zeitpunkt zulässig, zu dem der Betroffene von den nachteiligen Wirkungen des dem unanfechtbar festgestellten Plan entsprechenden Vorhabens oder der Anlage Kenntnis erhalten hat; sie sind ausgeschlossen, wenn nach Herstellung des dem Plan entsprechenden Zustands 30 Jahre verstrichen sind.

(4) Wird mit der Durchführung des Plans nicht innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen, so tritt er außer Kraft. Als Beginn der Durchführung des Plans gilt jede erstmals nach außen erkennbare Tätigkeit von mehr als nur geringfügiger Bedeutung zur plangemäßen Verwirklichung des Vorhabens; eine spätere Unterbrechung der Verwirklichung des Vorhabens berührt den Beginn der Durchführung nicht.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Betriebsanlagen einer Eisenbahn einschließlich der Bahnfernstromleitungen dürfen nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Für das Planfeststellungsverfahren gelten die §§ 72 bis 78 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Maßgabe dieses Gesetzes. Wird eine bestehende Betriebsanlage einer Eisenbahn erneuert, liegt nur dann eine Änderung im Sinne von Satz 1 vor, wenn der Grundriss oder der Aufriss der Betriebsanlage oder beides wesentlich geändert wird. Eine wesentliche Änderung des Grundrisses oder Aufrisses einer Betriebsanlage im Sinne von Satz 4 liegt insbesondere nicht vor, wenn sie im Zuge des Wiederaufbaus nach einer Naturkatastrophe erforderlich ist, um diese vor Naturereignissen zu schützen, und in einem räumlich begrenzten Korridor entlang des Trassenverlaufs erfolgt.

(1a) Für folgende Einzelmaßnahmen, die den Bau oder die Änderung von Betriebsanlagen einer Eisenbahn vorsehen, bedarf es keiner vorherigen Planfeststellung oder Plangenehmigung, sofern keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht:

1.
die Ausstattung einer bestehenden Bahnstrecke mit einer Oberleitung einschließlich dafür notwendiger räumlich begrenzter baulicher Anpassungen, insbesondere von Tunneln mit geringer Länge oder von Kreuzungsbauwerken,
2.
die im Rahmen der Digitalisierung einer Bahnstrecke erforderlichen Baumaßnahmen, insbesondere die Ausstattung einer Bahnstrecke mit Signal- und Sicherungstechnik des Standards European Rail Traffic Management System (ERTMS),
3.
der barrierefreie Umbau, die Erhöhung oder die Verlängerung von Bahnsteigen,
4.
die Errichtung von Lärmschutzwänden zur Lärmsanierung,
5.
die Herstellung von Überleitstellen für Gleiswechselbetriebe,
6.
die Herstellung von Gleisanschlüssen bis 2 000 Meter und von Zuführungs- und Industriestammgleisen bis 3 000 Meter.
Für die in Satz 1 Nummer 1 bis 6 genannten Einzelmaßnahmen ist keine weitere baurechtliche Zulassung erforderlich; landesrechtliche Regelungen bleiben unberührt. Werden durch das Vorhaben private oder öffentliche Belange einschließlich der Belange der Umwelt berührt, kann der Träger des Vorhabens die Feststellung des Planes nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Ungeachtet dessen hat sich der Träger des Vorhabens vor Durchführung einer Einzelmaßnahme im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 und 2 durch das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr vor der Durchführung bestätigen zu lassen, dass keine militärischen Belange entgegenstehen. Kann für das Vorhaben die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen, hat der Träger des Vorhabens bei der Planfeststellungsbehörde den Antrag nach § 5 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung zu stellen. Satz 1 Nummer 1 und 2 ist nur anzuwenden, wenn die zuständige Behörde feststellt, dass Vorgaben über die Errichtung und über wesentliche Änderungen von Anlagen eingehalten sind, die in einer elektrische, magnetische oder elektromagnetische Felder betreffenden und auf Grund von § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 in Verbindung mit § 48b des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 erlassenen Rechtsverordnung enthalten sind.

(2) Ist das Planfeststellungsverfahren eingeleitet, kann die Planfeststellungsbehörde nach Anhörung der betroffenen Gemeinde eine vorläufige Anordnung erlassen, in der vorbereitende Maßnahmen oder Teilmaßnahmen zum Bau oder zur Änderung festgesetzt werden,

1.
soweit es sich um reversible Maßnahmen handelt,
2.
wenn an dem vorzeitigen Beginn ein öffentliches Interesse besteht,
3.
wenn mit einer Entscheidung zugunsten des Trägers des Vorhabens gerechnet werden kann und
4.
wenn die nach § 74 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu berücksichtigenden Interessen gewahrt werden.
In der vorläufigen Anordnung sind die Auflagen zur Sicherung dieser Interessen und der Umfang der vorläufig zulässigen Maßnahmen festzulegen. Sie ist den anliegenden Gemeinden sowie den Beteiligten zuzustellen oder öffentlich bekannt zu machen. Sie ersetzt nicht die Planfeststellung. § 17 bleibt unberührt. Soweit die vorbereitenden Maßnahmen oder Teilmaßnahmen zum Bau oder zur Änderung durch die Planfeststellung für unzulässig erklärt sind, ordnet die Planfeststellungsbehörde gegenüber dem Träger des Vorhabens an, den früheren Zustand wiederherzustellen. Dies gilt auch, wenn der Antrag auf Planfeststellung zurückgenommen wurde. Der Betroffene ist durch den Vorhabenträger zu entschädigen, soweit die Wiederherstellung des früheren Zustands nicht möglich oder mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden oder ein Schaden eingetreten ist, der durch die Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht ausgeglichen wird. Rechtsbehelfe gegen die vorläufige Anordnung haben keine aufschiebende Wirkung; ein Vorverfahren findet nicht statt. Betrifft die vorläufige Anordnung ein Vorhaben im Sinne des § 18e Absatz 1, ist § 18e Absatz 1 und 5 in Bezug auf Rechtsbehelfe gegen die vorläufige Anordnung entsprechend anzuwenden.

(3) Unterhaltungsmaßnahmen bedürfen keiner vorherigen Planfeststellung oder Plangenehmigung.

(1) Von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes, in einer Rechtsverordnung auf Grund des § 57 sowie nach dem Naturschutzrecht der Länder kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

1.
dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2.
die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Im Rahmen des Kapitels 5 gilt Satz 1 nur für die §§ 39 und 40, 42 und 43.

(2) Von den Verboten des § 33 Absatz 1 Satz 1 und des § 44 sowie von Geboten und Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde. Im Fall des Verbringens von Tieren oder Pflanzen aus dem Ausland wird die Befreiung vom Bundesamt für Naturschutz gewährt.

(3) Die Befreiung kann mit Nebenbestimmungen versehen werden. § 15 Absatz 1 bis 4 und Absatz 6 sowie § 17 Absatz 5 und 7 finden auch dann Anwendung, wenn kein Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 vorliegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die betreffen

1.
die Errichtung, den Betrieb, die sonstige Innehabung, die Veränderung, die Stillegung, den sicheren Einschluß und den Abbau von Anlagen im Sinne der §§ 7 und 9a Abs. 3 des Atomgesetzes,
1a.
das Bestehen und die Höhe von Ausgleichsansprüchen auf Grund der §§ 7e und 7f des Atomgesetzes,
2.
die Bearbeitung, Verarbeitung und sonstige Verwendung von Kernbrennstoffen außerhalb von Anlagen der in § 7 des Atomgesetzes bezeichneten Art (§ 9 des Atomgesetzes) und die wesentliche Abweichung oder die wesentliche Veränderung im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 des Atomgesetzes sowie die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen außerhalb der staatlichen Verwahrung (§ 6 des Atomgesetzes),
3.
die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Kraftwerken mit Feuerungsanlagen für feste, flüssige und gasförmige Brennstoffe mit einer Feuerungswärmeleistung von mehr als dreihundert Megawatt,
3a.
die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern sowie Anlagen von Windenergie auf See im Küstenmeer,
3b.
die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen im Sinne des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes ab einer Feuerungswärmeleistung von 50 Megawatt,
4.
Planfeststellungsverfahren gemäß § 43 des Energiewirtschaftsgesetzes, soweit nicht die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Absatz 1 Nummer 6 begründet ist,
4a.
Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren für die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Einrichtungen nach § 66 Absatz 1 des Windenergie-auf-See-Gesetzes, soweit nicht die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Absatz 1 Nummer 6 begründet ist,
5.
Verfahren für die Errichtung, den Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Anlagen zur Verbrennung oder thermischen Zersetzung von Abfällen mit einer jährlichen Durchsatzleistung (effektive Leistung) von mehr als einhunderttausend Tonnen und von ortsfesten Anlagen, in denen ganz oder teilweise Abfälle im Sinne des § 48 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes gelagert oder abgelagert werden,
6.
das Anlegen, die Erweiterung oder Änderung und den Betrieb von Verkehrsflughäfen und von Verkehrslandeplätzen mit beschränktem Bauschutzbereich,
7.
Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung der Strecken von Straßenbahnen, Magnetschwebebahnen und von öffentlichen Eisenbahnen sowie für den Bau oder die Änderung von Rangier- und Containerbahnhöfen,
8.
Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung von Bundesfernstraßen und Landesstraßen,
9.
Planfeststellungsverfahren für den Neubau oder den Ausbau von Bundeswasserstraßen,
10.
Planfeststellungsverfahren für Maßnahmen des öffentlichen Küsten- oder Hochwasserschutzes,
11.
Planfeststellungsverfahren nach § 68 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes oder nach landesrechtlichen Vorschriften für die Errichtung, die Erweiterung oder die Änderung von Häfen, die für Wasserfahrzeuge mit mehr als 1 350 Tonnen Tragfähigkeit zugänglich sind, unbeschadet der Nummer 9,
12.
Planfeststellungsverfahren nach § 68 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes für die Errichtung, die Erweiterung oder die Änderung von Wasserkraftanlagen mit einer elektrischen Nettoleistung von mehr als 100 Megawatt,
12a
Gewässerbenutzungen im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen,
12b
Planfeststellungsverfahren für Gewässerausbauten im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen,
13.
Planfeststellungsverfahren nach dem Bundesberggesetz,
14.
Zulassungen von
a)
Rahmenbetriebsplänen,
b)
Hauptbetriebsplänen,
c)
Sonderbetriebsplänen und
d)
Abschlussbetriebsplänen
sowie Grundabtretungsbeschlüsse, jeweils im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen, und
15.
Planfeststellungsverfahren nach § 65 Absatz 1 in Verbindung mit Anlage 1 Nummer 19.7 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Errichtung und den Betrieb oder die Änderung von Dampf- oder Warmwasserpipelines.
Satz 1 gilt auch für Streitigkeiten über Genehmigungen, die anstelle einer Planfeststellung erteilt werden, sowie für Streitigkeiten über sämtliche für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse, auch soweit sie Nebeneinrichtungen betreffen, die mit ihm in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen. Die Länder können durch Gesetz vorschreiben, daß über Streitigkeiten, die Besitzeinweisungen in den Fällen des Satzes 1 betreffen, das Oberverwaltungsgericht im ersten Rechtszug entscheidet.

(2) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im ersten Rechtszug ferner über Klagen gegen die von einer obersten Landesbehörde nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Vereinsgesetzes ausgesprochenen Vereinsverbote und nach § 8 Abs. 2 Satz 1 des Vereinsgesetzes erlassenen Verfügungen.

(3) Abweichend von § 21e Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes soll das Präsidium des Oberverwaltungsgerichts anordnen, dass ein Spruchkörper, der in einem Verfahren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 tätig geworden ist, für dieses nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, die im Jahr 2007 planfestgestellten Betriebsregelungen für den Nachtflugbetrieb auf dem Verkehrsflughafen Leipzig/Halle aufzuheben.

2

Mit Planfeststellungsbeschluss vom 4. November 2004 stellte das Regierungspräsidium Leipzig Aus- und Umbaumaßnahmen für den Flughafen Leipzig/Halle fest, um diesen zu einem Drehkreuz für den Frachtflugverkehr auszubauen. Auf Klagen von Anwohnern, darunter auch dem Kläger, verpflichtete der Senat den Beklagten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut darüber zu entscheiden, ob der Nachtflugbetrieb, soweit es nicht um Frachtflüge zum Transport von Expressgut geht, über die getroffenen flugbetrieblichen Regelungen hinaus beschränkt wird, und wies die Klagen im Übrigen ab (BVerwG, Urteil vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 ).

3

Den nächtlichen Flugbetrieb regelte das Regierungspräsidium Leipzig in einem Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss vom 27. Juni 2007. Die Regelungen A II.4.7.1. Satz 2 und A II.4.7.3.6. bis A II.4.7.3.8. gestatten in weitem Umfang nächtlichen Fracht- und Militärflugverkehr. Die gegen den Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss erhobene Klage des Klägers wies der Senat mit Urteil vom 24. Juli 2008 - 4 A 3001.07 - (BVerwGE 131, 316) ab. Eine dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an (BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 2009 - 1 BvR 3474/08 - NVwZ 2009, 1489). Eine Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erklärte dieser für unzulässig (EGMR, Entscheidung vom 10. Juni 2014 - 25330/10 - NVwZ 2015, 1119).

4

Der Kläger ist Miteigentümer eines Grundstücks, das er selbst bewohnt. Es liegt etwa 11,5 km entfernt in östlicher Verlängerung der südlichen Start- und Landebahn des Flughafens innerhalb des vom Planfeststellungsbeschluss festgesetzten Nachtschutzgebietes. Für diese Ortslage prognostiziert der Planfeststellungsbeschluss eine nächtliche Lärmbelastung mit einem Dauerschallpegel Leq(3) = 51,2 dB(A), 20,3 Lärmereignissen mit LAmax ≥ 68 dB(A) und 1,2 Lärmereignissen mit LAmax ≥ 75 dB(A). Auf Kosten der Beigeladenen sind in den Schlafräumen des Wohnanwesens des Klägers Lüftungseinrichtungen sowie Schallschutzfenster eingebaut worden, die nach den Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses bei geschlossenen Fenstern eine Außen-Innen-Pegeldifferenz von 25 dB(A) gewährleisten sollen. Nach Angaben der Beigeladenen liegen die in den Schlafräumen auftretenden Maximalpegel unter 50 dB(A).

5

Im September 2014 beantragte der Kläger, die Bestimmungen zum Nachtflugbetrieb zurückzunehmen, hilfsweise zu widerrufen sowie das Ergänzungsplanfeststellungsverfahren wiederaufzugreifen oder erneut durchzuführen. In dem erneuten Verwaltungsverfahren seien die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Auswirkungen nächtlichen Fluglärms zu beachten. Mit Schreiben vom 19. September 2014, das keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält, lehnte die Landesdirektion Sachsen die Anträge ab. Einen Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2015 als unzulässig und unbegründet zurück.

6

Mit seiner am 4. April 2015 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Annahmen aus dem Planfeststellungsbeschluss zu Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Fluglärm seien wissenschaftlich überholt. Dies gelte insbesondere für die Grenze einer Gesundheitsgefährdung ab einem nächtlichen Dauerschallpegel von 60 dB(A) (außen) und einem Maximalpegel (innen) von 65 dB(A) sowie für die Pegeldifferenz eines gekippten Fensters von 15 dB(A). Der Beklagte dürfe daher an dem Planfeststellungsbeschluss nicht festhalten.

7

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19. September 2014 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2015 zu verpflichten,

die Regelungen A II.4.7.1. Satz 2, A II.4.7.3.6. bis A II.4.7.3.8. sowie A II.4.7.6. Satz 2 und 3 des Planfeststellungsbeschlusses vom 4. November 2004 in der Fassung des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses vom 27. Juni 2007 zurückzunehmen,

hilfsweise diese Regelungen zu widerrufen,

hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, das Planfeststellungsverfahren hinsichtlich dieser Regelungen wiederaufzugreifen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Die Klage sei unbegründet. Gemäß einer Nebenbestimmung zum Planfeststellungsbeschluss sei im Jahr 2009 ein inzwischen bestandskräftiger Änderungsplanfeststellungsbeschluss ergangen; für weitere Änderungen habe es bisher keinen Anlass gegeben. Eine Rücknahme oder ein Widerruf seien unbehelflich, weil in diesem Fall die bisherigen Regelungen - eine unbeschränkte Nachtflugerlaubnis gemäß der luftrechtlichen Betriebsgenehmigung vom 20. September 1990 in der Fassung des Bescheides vom 14. März 2000 - in Kraft träten. Der Kläger habe im Übrigen nicht dargelegt, dass die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Annahmen wissenschaftlich überholt seien. Ein Wiederaufgreifen sei von Rechts wegen ausgeschlossen.

10

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Die Klage sei unzulässig, jedenfalls unbegründet. Die Rechtskraft des Urteils vom 24. Juli 2008 - 4 A 3001.07 - bilde ein Prozesshindernis. Der Kläger sei nicht klagebefugt, da ihm der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zustehen könne. Jedenfalls fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil es bei einem Erfolg der Klage bei den für den Kläger nicht günstigeren Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses aus dem Jahr 2004 bliebe. Die Klage sei auch unbegründet. Einen Meinungswandel in der Wissenschaft lege der Kläger nicht substantiiert dar. Zudem gewähre das Schallschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses sogar besseren Schutz als die gesetzliche Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FluglärmG.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

13

I. Die Klage ist zulässig.

14

1. Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung zuständig. Nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin (Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz - VerkPBG) vom 16. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2174), zuletzt geändert durch Art. 464 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren und Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben nach § 1 VerkPBG betreffen. Zu diesen gehört nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 11 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 VerkPBG auch die Planung des Baus und der Änderung von Verkehrsflughäfen im Land Sachsen, wenn die Planfeststellung bis zum Ablauf des 16. Dezember 2006 beantragt wurde.

15

Diese Zuständigkeit erstreckt sich auch auf den Streit um die Verpflichtung der Behörde, Betriebsregelungen eines in den zeitlichen Geltungsbereich des Gesetzes fallenden Planfeststellungsbeschlusses aufzuheben und das Verfahren wiederaufzunehmen. Denn § 5 Abs. 1 VerkPBG wird grundsätzlich weit verstanden (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Oktober 1994 - 7 VR 10.94 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 3 S. 5 und vom 18. Mai 2000 - 11 A 6.99 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 11 S. 2) und erfasst alle Verwaltungsstreitsachen, die einen unmittelbaren Bezug zu konkreten Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren nach § 1 VerkPBG haben. Die Vorschrift gilt daher auch für Klagen, die auf die Verpflichtung zur vollständigen Rücknahme eines Planfeststellungsbeschlusses gerichtet sind (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2012 - 4 A 7001.11 u.a. - BVerwGE 144, 44 Rn. 18), oder - wie hier - auf eine teilweise Aufhebung und ein Wiederaufgreifen des Verfahrens. Denn die angegriffenen betrieblichen Regelungen sind Teil der genehmigungsrechtlichen Bewältigung des Vorhabens (BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2011 - 7 VR 8.11 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 20 Rn. 5).

16

Die damit eröffnete erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts unterliegt jedoch zeitlichen Grenzen: Die besonderen Vorschriften des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes gelten nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkPBG nur bis zum Ablauf des 16. Dezember 2006. Wird § 5 Abs. 1 VerkPBG auf Verpflichtungsklagen auf vollständige oder teilweise Aufhebung von Planfeststellungsbeschlüssen erstreckt, birgt dies die Gefahr einer vom Gesetzgeber nicht gewollten erstinstanzlichen Dauerzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2012 - 4 A 7001.11 u.a. - BVerwGE 144, 14 Rn. 19). § 5 Abs. 1 VerkPBG setzt daher einen unmittelbaren zeitlichen Bezug zu dem jeweiligen Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren voraus. Dieser besteht hier noch. Der Senat weist aber darauf hin, dass nach seiner Einschätzung der notwendige unmittelbare zeitliche Bezug jedenfalls nach einem Zeitraum von fünfzehn Jahren nach dem 16. Dezember 2006 entfallen sein wird.

17

2. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig.

18

Anders als die Beigeladene meint, ist der Kläger klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Es ist nicht von vornherein und nach jeder Sichtweise ausgeschlossen (stRspr; vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Dezember 2014 - 4 C 36.13 - BVerwGE 151, 138 Rn. 14 und vom 5. August 2015 - 6 C 8.14 - Buchholz 11 Art. 87f GG Nr. 4 Rn. 11), dass ihm der geltend gemachte Anspruch zusteht.

19

Die Klagefrist ist gewahrt. Der Kläger hat gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 VwGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides Klage erhoben. Die Klage wäre aber auch fristgerecht erhoben, wenn es nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 74 Abs. 1 Satz 2, § 70 Abs. 1 VwVfG keines Vorverfahrens bedurft hätte. Denn der Ausgangsbescheid vom 19. September 2014 enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung, so dass die Klage in diesem Fall binnen der Jahresfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach der Bekanntgabe des Ausgangsbescheides erhoben werden konnte.

20

Für die Klage besteht ein Rechtsschutzbedürfnis. Allerdings lässt der Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2007 keine Verkehre zum Betrieb zu, sondern beschränkt den durch die frühere luftrechtliche Genehmigung zugelassenen Betrieb für die Nachtzeit (BVerwG, Urteil vom 24. Juli 2008 - 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316 Rn. 22). Nach dem rechtskräftigen und die Beteiligten nach § 121 Nr. 1 VwGO bindenden Beschluss des Senates vom 2. Mai 2007 - 4 A 2002.07 - war der Beklagte indes mit Blick auf die durch den Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2004 geschaffenen Regelungen verpflichtet, erneut darüber zu entscheiden, ob der Nachtflugbetrieb, soweit es nicht um Frachtflüge zum Transport von Expressgut geht, über die getroffenen flugbetrieblichen Regelungen hinaus beschränkt wird. Solange es - und sei es in Folge einer behördlichen Aufhebung der flugbetrieblichen Regelungen - an der damit gebotenen Vervollständigung des Lärmschutzkonzeptes fehlte, wäre nach Inbetriebnahme der Start- und Landebahn Süd jeglicher Flugverkehr, der nicht dem Transport von Expressgut dient, zwischen 22:00 und 6:00 Uhr unzulässig (BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2007 - 4 A 2002.07 - Rn. 10 i.V.m. Urteil vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 77).

21

Auch die materielle Rechtskraft des Senatsurteils vom 24. Juli 2008 - 4 A 3001.07 - (BVerwGE 131, 316) steht der Klage nicht entgegen, weil nicht derselbe Streitgegenstand in Rede steht. Streitgegenstand des Senatsurteils vom 24. Juli 2008 (a.a.O.) war die vollständige oder teilweise gerichtliche Aufhebung der Nachtflugregelungen im Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss vom 27. Juni 2007. Darum geht es hier nicht, sondern um die Verpflichtung des Beklagten, diese Regelungen aufzuheben oder das Verfahren wiederaufzugreifen.

22

II. Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger kann vom Beklagten weder die Aufhebung der beanstandeten Regelungen noch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens verlangen.

23

1. Nebenbestimmungen zum Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss vom 27. Juni 2007 stützen das klägerische Begehren nicht.

24

Der Nebenbestimmung A II.4.9.1. hat der Beklagte bereits durch Erlass eines Änderungsplanfeststellungsbeschlusses im Jahr 2009 Rechnung getragen. Weiter gehende Ansprüche begründet sie nicht. Mit der Nebenbestimmung A II.4.9.2. behält sich die Planfeststellungsbehörde nachträgliche Anordnungen, insbesondere zur Abgrenzung des Nachtschutzgebietes, für den Fall vor, dass in zwei aufeinanderfolgenden Jahren das nach einer Auswertung durch die Beigeladene berechnete Gebiet über das planfestgestellte Nachtschutzgebiet oder das Nachtschutzgebiet nach Inbetriebnahme, sofern dies weiterreicht, hinausgeht. Ein solcher Fall ist bisher nicht eingetreten. Im Übrigen könnte der Kläger aus einer "insbesondere" vorgesehenen neuen Abgrenzung des Nachtschutzgebietes keinen Nutzen ziehen, da sein Grundstück bereits innerhalb dieses Gebietes liegt.

25

2. Der Kläger kann keine Rücknahme der beanstandeten Regelungen nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG oder eine Ermessensentscheidung hierüber verlangen.

26

Nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Vorschrift gilt auch für Planfeststellungsbeschlüsse (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2012 - 4 A 7001.11 u.a. - BVerwGE 144, 44 Rn. 23). Sie setzt die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts voraus. Weil der Anspruch auf Rücknahme nicht weiter gehen kann als der Aufhebungsanspruch bei fristgerechter Anfechtung (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2012 ebd.), kommt ein Anspruch eines Dritten auf Rücknahme oder ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber nur in Betracht, wenn der Planfeststellungsbeschluss gerade ein Recht dieses Dritten verletzt. Daran fehlt es.

27

Maßgebend für die Rechtswidrigkeit ist der Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts (BVerwG, Urteile vom 9. Mai 2012 - 6 C 3.11 - BVerwGE 143, 87 Rn. 43 f. und vom 28. Mai 2015 - 1 C 24.14 - NVwZ-RR 2015, 753 Rn. 18). Mit Rechtskraft des Senatsurteils vom 24. Juli 2008 - 4 A 3001.07 - (BVerwGE 131, 316 Rn. 27) steht für die Beteiligten nach § 121 Nr. 1 VwGO bindend fest, dass der Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss vom 27. Juni 2007 bei seinem Erlass den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt hat. Aus den in Hinblick auf Art. 35 Abs. 1 EMRK prozessrechtlich veranlassten Formulierungen des EGMR in seiner Entscheidung vom 10. Juni 2014 - 25330/10 - (NVwZ 2015, 1119 Rn. 22 ff.) folgt nichts Anderes.

28

Die Rechtsprechung lässt gelegentlich, namentlich bei Dauerverwaltungsakten, die Rücknahme eines Verwaltungsakts nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zu, wenn dieser nachträglich rechtswidrig geworden ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Mai 1989 - 8 C 87.87 - BVerwGE 82, 98 <99>, vom 9. Mai 2012 - 6 C 3.11 - BVerwGE 143, 87 Rn. 43 und vom 28. Juni 2012 - 2 C 13.11 - BVerwGE 143, 230 Rn. 15). Die Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG auf Fälle nachträglicher Rechtswidrigkeit scheidet indes für luftverkehrsrechtliche Planfeststellungsbeschlüsse von vornherein aus. Denn sowohl für die planerische Rechtfertigung eines luftverkehrsrechtlichen Vorhabens als auch für die planerische Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Plan maßgebend (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2007 - 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 Rn. 68 und Beschluss vom 22. Juni 2015 - 4 B 61.14 - juris Rn. 5). Einem Dritten ist es also im Anfechtungsprozess versagt, die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses unter Hinweis auf Veränderungen der Sach- und Rechtslage nach Erlass dieses Beschlusses geltend zu machen. Es stände hierzu in Widerspruch, wenn der Kläger unter Hinweis auf solche Veränderungen einen Anspruch auf Rücknahme oder ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber zugesprochen bekäme.

29

3. Der Kläger kann auch keinen Widerruf der im Streit stehenden Regelungen oder eine Ermessensentscheidung hierüber verlangen.

30

a) Der vollständige oder teilweise Widerruf eines Verwaltungsakts findet seine Rechtsgrundlage in § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 49 VwVfG.

31

Diese Norm findet zwar auch auf Planfeststellungsbeschlüsse Anwendung, die Widerrufsmöglichkeit erweist sich hier aber - entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - als ultima ratio. Dritte können einen Widerruf nur verlangen, wenn Schutzauflagen nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nicht als Abhilfe ausreichen (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 1997 - 11 C 1.96 - BVerwGE 105, 6 <13> und Beschluss vom 16. Dezember 2003 - 4 B 75.03 - Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 14 S. 7 f.). Gerade hierin liegt die erhöhte Bestandskraft von Planfeststellungsbeschlüssen.

32

Der Vorrang nachträglicher Schutzauflagen lässt es nicht zu, die Regelungen über den nächtlichen Flugbetrieb zu widerrufen, um auf diesem Wege den Kläger besser vor Fluglärm zu schützen. Nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG kann ein Betroffener Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen verlangen, welche nachteilige Wirkungen ausschließen, wenn nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf sein Recht erst nach Unanfechtbarkeit des Plans auftreten. Nicht voraussehbar in diesem Sinn sind auch Auswirkungen, deren Schädlichkeit oder Gefährlichkeit sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und des technischen Fortschritts erst nachträglich herausstellt (BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2004 - 4 B 82.03 - NVwZ 2004, 618). Es ist aber weder ersichtlich noch vorgetragen, dass etwaigen - vom Kläger behaupteten - veränderten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Fluglärm nicht durch weitere Schutzauflagen, insbesondere besseren baulichen Lärmschutz, Rechnung getragen werden könnte.

33

Ob der Kläger einen Anspruch auf nachträgliche Schutzauflagen nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hat, war nicht Gegenstand der Klage; für einen solchen Anspruch wäre das Bundesverwaltungsgericht im Übrigen erstinstanzlich nicht zuständig (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Juni 2010 - 9 A 36.08 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 18). Der Senat weist aber darauf hin, dass es dem Kläger wohl nicht gelungen sein dürfte, eine veränderte wissenschaftliche Bewertung der ihn treffenden Belastung mit Fluglärm darzulegen. Die von ihm vorgelegten Unterlagen äußern sich jedenfalls in ganz überwiegendem Umfang dazu, welche Fluglärmbelastung Schallschutzmaßnahmen erfordert. Darauf kommt es für den Kläger nicht an, weil er über baulichen Schallschutz verfügt. Auch sein Sachbeistand hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, die Belastung des Klägers erscheine unter Berücksichtigung des baulichen Schallschutzes relativ gering. Einer Entscheidung bedarf die Frage aber nicht.

34

b) Der Vorrang des § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG steht einem Widerruf nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 49 VwVfG nur insoweit nicht entgegen, als Beeinträchtigungen in Rede stehen, die durch nachträgliche Schutzauflagen nicht abgewehrt werden können. Solche Beeinträchtigungen macht der Kläger für den Schutz der Nachtruhe in einem weiteren Sinn geltend. Ferner wendet er sich gegen die Bewertung des Nachtflugbedarfs in der planerischen Abwägung.

35

(1) Die Voraussetzungen des § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG liegen insoweit nicht vor.

36

Nach diesen Normen darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Auch die geänderte Bewertung von Sachverhalten kann eine Änderung von Tatsachen im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG sein. Eine Einzelmeinung, die sich in der wissenschaftlichen Diskussion bisher nicht durchgesetzt hat, ist dagegen grundsätzlich keine neue Tatsache, die einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG rechtfertigen kann (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2015 - 3 B 5.15 - UPR 2015, 506 Rn. 12).

37

Der Kläger fordert einen Schutz vor Störungen der Nachtruhe im Sinne eines Schutzes vor einer nächtlichen Betriebsamkeit durch Flugbewegungen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 75). Dies zeigt keine veränderten Tatsachen auf. Der Gesetzgeber kann, wie im Fluglärmschutzgesetz geschehen, seiner aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit genügen, indem er zum Schutz vor Fluglärm Grenzwerte für energieäquivalente Dauerschallpegel und eine begrenzte Zahl von Maximalpegeln festsetzt (BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 - NVwZ 2008, 780 Rn. 82, 84; BVerwG, Beschluss vom 25. März 2009 - 4 B 63.08 - juris Rn. 11 ). Es ist nicht ersichtlich, dass sich hiervon abweichend die Meinung durchgesetzt haben könnte, der rechtlich gebotene Schutz der Nachtruhe stehe der Durchführung von nächtlichen Flügen entgegen, ohne dass es überhaupt auf deren akustische Wahrnehmbarkeit ankäme.

38

Der Vorwurf des Klägers, die Annahmen der Planfeststellungsbehörde zur Notwendigkeit von Nachtflügen beruhten auf Fehlannahmen, zeigt schon keine nachträglich eingetretenen Tatsachen im Sinne des § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG auf. Zur konkreten Situation am Flughafen Leipzig/Halle äußert sich allein ein Papier des klägerischen Sachbeistands aus dem Jahr 2008. Die dort erhobenen Einwände hat der Senat indes bereits zurückgewiesen (BVerwG, Urteil vom 24. Juli 2008 - 4 A 3001.07 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 31 Rn. 52, 68 ).

39

(2) Auch an den Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG fehlt es. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Die Norm stellt mit der Verhütung oder Beseitigung von schweren Nachteilen für das Gemeinwohl besonders strenge Anforderungen an den Widerrufsgrund, ist jedoch ansonsten voraussetzungslos. Das beeinträchtigte Recht muss daher einen Rang aufweisen, der es zum Gemeinwohlbelang erhebt, und dessen Verletzung muss so gravierend sein, dass sie auch und gerade im Interesse der Allgemeinheit nicht hingenommen oder aufrechterhalten bleiben kann (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2015 - 3 B 5.15 - UPR 2015, 506 Rn. 16). Dieses Ausmaß erreicht die Belastung des Klägers mit Fluglärm nicht.

40

4. Der Kläger hat keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens.

41

Nach § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 72 Abs. 1 VwVfG ist § 51 VwVfG in einem Planfeststellungsverfahren nicht anzuwenden (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 1989 - 4 C 12.87 - Buchholz 407.4 § 18c FStrG Nr. 2 S. 8, vom 21. Mai 1997 - 11 C 1.96 - BVerwGE 105, 6 <11> und vom 31. Juli 2012 - 4 A 7001.11 u.a. - BVerwGE 144, 44 Rn. 23). Beachtliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung sind nicht ersichtlich, da die §§ 48, 49, 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG ausreichen, um Änderungen der Sach- und Rechtslage Rechnung zu tragen (Schink, in: Knack/Henneke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 72 Rn. 55; im Ergebnis auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 72 Rn. 23 <"noch vereinbar">).

42

§ 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 72 Abs. 1 VwVfG schließt damit ein Wiederaufgreifen des Verfahrens auf Antrag des Betroffenen nach § 51 Abs. 1 VwVfG aus. Da § 51 VwVfG aber insgesamt nicht anzuwenden ist, ist auch ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinn ausgeschlossen (VGH Mannheim, Beschluss vom 13. August 2012 - 5 S 1200/12 - VBlBW 2013, 101 <103>). Die so bezeichnete Befugnis der Behörde, ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren bei Fehlen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten eines Betroffenen wiederaufzugreifen, bedarf zur Überwindung der Bestandskraft einer gesetzlichen Grundlage (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 1988 - 2 BvR 260/88 - NVwZ 1989, 141; BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2009 - 1 C 15.08 - BVerwGE 135, 121 Rn. 24). Dies gilt jedenfalls, wenn ein Verwaltungsakt - wie hier - zuvor gerichtlich bestätigt worden ist. Die erforderliche Rechtsgrundlage bietet allein § 51 Abs. 5 VwVfG, dessen Anwendung § 1 SächsVwVfZG i.V.m. § 72 Abs. 1 VwVfG aber entgegensteht.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 26. August 2015 - 1 K 95/15 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die naturschutzrechtliche Entscheidung des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 17. Oktober 2014 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf EUR 5.000,-- festgesetzt.

Gründe

 
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige (§§ 147 Abs. 1, 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO), insbesondere auch den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechende Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.
Die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) geben Anlass, die vom Verwaltungsgericht zu ihrem Nachteil getroffene Abwägungsentscheidung zu ändern und dem Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes stattzugeben.
Entgegen der Beschwerde ist das Verwaltungsgericht allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Begründung des Sofortvollzugs dem Erfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO genügte. Erforderlich ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehung notwendig ist und hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, von dem angefochtenen Verwaltungsakt einstweilen nicht betroffen zu werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO 21. A. 2015, § 80 Rn. 85 m.w.N.). Diesen f o r m e l l e n Anforderungen ist hier ohne weiteres genügt, da es im öffentlichen Interesse als dringend geboten erachtet wurde, „zum Schutz der in den Tunneln überwinternden Fledermäuse erhebliche Störungen durch zusätzlichen Fahrbetrieb im Winter, bis hin zu Tötungen und Verlust dieser Lebensstätten, während eines anhängigen Widerspruchs- oder Klageverfahrens zu verhindern“ (vgl. die angefochtene naturschutzrechtliche Entscheidung v. 17.10.2014, S. 23). Darauf, ob tatsächlich ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse bestand und diesem Vorrang zukam, kommt es hierbei nicht an. Insofern ist auch unerheblich, ob, was die Antragstellerin bezweifelt, der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine Abwägung mit ihren gegenläufigen Interessen vorausgegangen war, wovon im Hinblick auf die in der Entscheidung angestellten Ermessenserwägungen (a.a.O., S. 15 ff.) freilich auszugehen sein dürfte.
Das Verwaltungsgericht hat bei der von ihm nach Maßgabe des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung dem (besonderen) öffentlichen Interesse an der angeordneten sofortigen Vollziehung (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) der naturschutzrechtlichen Entscheidung vom 17.10.2014 jedoch zu Unrecht Vorrang vor dem privaten Interesse der Antragstellerin gegeben, von deren Wirkungen vorläufig verschont zu bleiben.
Mit seiner naturschutzrechtlichen Entscheidung hatte das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis der Antragstellerin - gestützt auf § 3 Abs. 2 BNatSchG - die Durchführung des Eisenbahnbetriebs in den Tunneln der inzwischen von ihr betriebenen Museumsbahnstrecke („Sauschwänzlebahn“) zwischen dem „Buchbergtunnel“ (Nordportal) und dem Kehrtunnel „Im Weiler“ (Westportal) jeweils für den Zeitraum vom 1. November eines Jahres bis zum 31. März des Folgejahres untersagt. Da die Tunnel von (u. a. Mops-) Fledermäusen als wichtige Überwinterungsstätte genutzt würden, verstieße ein gleichwohl durchgeführter „Winterbetrieb“ gegen Bestimmungen des Naturschutzrechts, insbesondere gegen solche des Arten- und Habitatschutzrechts.
Anders als das Verwaltungsgericht hält der Senat bei Berücksichtigung der wechselseitigen öffentlichen und privaten Interessen eine Aussetzung des angeordneten Sofortvollzugs für angezeigt. Denn die angefochtene naturschutzrechtliche Entscheidung erweist sich schon jetzt als offensichtlich rechtswidrig.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis als untere Naturschutzbehörde für die hier allein in Rede stehende Untersagung des „Winterbetriebs“ der von der Antragstellerin betriebenen Museumsbahnstrecke „Sauschwänzlebahn“ schon nicht sachlich zuständig. Denn eine solche konnte und kann derzeit allenfalls von dem für die Eisenbahnaufsicht über eine nichtbundeseigene Eisenbahn zuständigen Ministerium für Verkehr und Infrastruktur ausgesprochen werden. Der Umstand, dass sich im Eisenbahnrecht keine Ermächtigungsgrundlage findet, die ausdrücklich die Untersagung eines Eisenbahnbetriebs vorsieht, ändert nichts.
Zu erinnern ist zunächst daran, dass der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin unter Geltung des Landeseisenbahngesetzes vom 12.07.1951 (Reg.Bl. S. 49) am 25.04.1978 das Recht zum Bau und Betrieb einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahn verliehen worden war (vgl. § 2 Abs. 2 u. 1 LEG), nachdem - am 10.01.1978 - der für die Verleihung letztlich maßgebende endgültige Planfeststellungsbeschluss zum Betrieb einer Museumsbahn erlassen worden war (vgl. §§ 5, 11 LEG). In der Wiederinbetriebnahme der zum 01.01.1976 stillgelegten Eisenbahnstrecke in Form eines Museumsbetriebs mit Dampfzugfahrten zur Personenbeförderung war seinerzeit eine wesentliche Änderung des Unternehmens im Betrieb i. S. des § 2 Abs. 2 LEG gesehen worden. Am 24.09.1987 wurde das Unternehmungsrecht erneuert. Am 18.12.1996 wurde der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin - nach Maßgabe der am 10.01.1978 festgestellten Pläne - eine Genehmigung zum Betreiben einer nichtöffentlichen Eisenbahninfrastruktur erteilt (vgl. § 11 Abs. 3 Nr. 2 LEisenbG i. d. F. 08.06.1995 ). Diese wurde am 25.10.2006 durch eine Genehmigung zum Betreiben einer öffentlichen Eisenbahninfrastruktur ersetzt (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 3 AEG), wiederum nach Maßgabe der am 10.01.1978 festgestellten Pläne. Am 13.04.2012 wurde der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin auch eine Genehmigung zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen erteilt (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 1 AEG). Inzwischen ist die Antragstellerin Inhaberin beider Genehmigungen.
Wäre der „Winterbetrieb“, wie das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis meint, von dem (ausdrücklich auch den Betrieb betreffenden) Planfeststellungsbeschluss vom 10.01.1978 nicht umfasst gewesen, fehlte es möglicherweise von vornherein an einem rechtmäßigen Bahnbetrieb während der Wintermonate. Einen solchen zu untersagen obläge indes - unabhängig von etwa darüber hinaus drohenden Verstößen gegen Naturschutzrecht - nicht der Naturschutzbehörde, sondern dem für die Eisenbahnaufsicht über eine nichtbundeseigene Eisenbahn zuständigen Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (vgl. § 2 Nr. 1 und § 1 der Eisenbahnzuständigkeitsverordnung (EZuVO) vom 11.09.1995, zuletzt geändert durch Art. 200 der Verordnung vom 25.01.2012 (GBl. S. 65, 87), da dann ein Verstoß gegen den eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss vorläge (vgl. § 15 des Landeseisenbahngesetzes (LEisenbG) vom 08.06.1995 (GBl. S. 417, 421), zuletzt geändert durch Art. 64 der Verordnung vom 25.01.2012 (GBl. S. 65).
10 
Auf die - sich etwa bei der Durchführung von Unterhaltungsmaßnahmen entlang der Gleise stellende - Frage, ob die für die Eisenbahnaufsicht zuständige Behörde gegebenenfalls auch gegen Verstöße gegen Bestimmungen des (Bundes-) Naturschutzrechts einzuschreiten berechtigt wäre, käme es dabei nicht an. Es erscheint im Übrigen zweifelhaft, ob dies, wenn die Aufsicht über eine nichtbundeseigene Eisenbahn durch eine Landesbehörde in Rede steht, unter Hinweis auf die beschränkte Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamts überzeugend verneint werden könnte. Dass dem Eisenbahn-Bundesamt der Vollzug von Landesrecht grundsätzlich verfassungsrechtlich verwehrt sein mag (vgl. OVG NW, Urt. v. 08.06.2005 - 8 A 262/05 -, NuR 2005, 660), führte in diesem Zusammenhang ohnehin nicht weiter, weil das Naturschutzrecht inzwischen weitgehend Bundesrecht ist.
11 
Überwiegendes spricht allerdings dafür, dass der untersagte „Winterbetrieb“ - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - vom Planfeststellungsbeschluss umfasst ist. Denn dem Planfeststellungsbeschluss vom 10.01.1978 ist - ebenso wenig wie den Verleihungen und späteren Genehmigungen - eine Einschränkung des Betriebs auf einen „Sommerbetrieb“ nicht zu entnehmen. Eine solche Einschränkung dürfte sich auch nicht daraus ergeben, dass die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin in ihrem Erläuterungsbericht vom 02.02.1977 erkennen ließ (a.a.O., S. 3), dass nur an einen „Betrieb in den Monaten Mai bis Mitte Oktober“ gedacht war, und das Regierungspräsidium Freiburg im Anhörungsverfahren auf die „lediglich erneute und gelegentliche Inbetriebnahme während der Sommermonate“ hingewiesen hatte. Denn abgesehen davon, dass darüber hinaus „auch Sonderfahrten nach Bedarf (mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h)“ vorgesehen waren, fand dies keine Entsprechung im späteren Planfeststellungsbeschluss. Insbesondere ergab sich solches nicht aus II. 4. des verfügenden Teils, der eine erste Kontrolle „jährlich vor Aufnahme des Betriebs“ vorsah. Auch war der Erläuterungsbericht vom 02.02.1977 nicht planfestgestellt worden. Für eine ausdrückliche Regelung, so eine zeitliche Einschränkung des Betriebs beabsichtigt gewesen wäre, hätte indes Anlass bestanden, da eine planfestgestellte Eisenbahnstrecke typischerweise einen ihrer Kapazität entsprechenden Betrieb ermöglicht und die planfestgestellte Eisenbahnstrecke bereits seit 1890 - ersichtlich ohne jahreszeitliche Einschränkungen - in Betrieb war. Aus Anlass der seinerzeitigen Planfeststellung hätten auch durchaus Einschränkungen aus Gründen des Naturschutzes getroffen werden können (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 3 LEisenbG; Schreiben der Anhörungsbehörde v. 21.03.1977, S. 6. insbes. auch den Zusatz für das Referat 6 im Hause; auch die Niederschrift über die Erörterungsverhandlung gem. Art. 21 des Württ. Zwangsenteignungsgesetzes v. 20.12.1888 v. 24.05.1977).
12 
Ausgehend davon wäre aber - ohne einen vorherigen Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses - eine (unmittelbare) Untersagung des Bahnbetriebs (derzeit) gar nicht möglich, auch nicht durch die für die Eisenbahnaufsicht zuständige Landesbehörde. Denn aufgrund der Genehmigungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. LVwVfG) steht die Zulässigkeit des Bahnbetriebs grundsätzlich im Hinblick auf alle davon berührten öffentliche Belange - einschließlich der Belange des Naturschutzes - verbindlich fest. Aufgrund der formellen Konzentrationswirkung entfiel dabei die Zuständigkeit anderer Behörden; insoweit erfolgte eine Zuständigkeitsverlagerung auf die Planfeststellungsbehörde (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. LVwVfG; hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG 15. A. 2014, § 75 Rn. 15). Die Entscheidung, ob nachträgliche Verstöße gegen das bei der Planfeststellung zu prüfende materielle Recht zum Anlass genommen werden, das Planfeststellungsverfahren wieder aufzugreifen bzw. einen Teilwiderruf auszusprechen (etwa nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG), obliegt indes allein der Planfeststellungsbehörde bzw. der Behörde, die nunmehr für den Erlass des eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses sachlich zuständig wäre (vgl. § 49 Abs. 5 LVwVfG; hierzu BVerwG, Urt. v. 20.12.1999 - 7 C 42.98 -, BVerwGE 110, 226). Dies wäre hier das Regierungspräsidium Freiburg (vgl. § 3 Nr. 2 EZuVO).
13 
Ohne vorherigen teilweisen Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses dürfte eine Einschränkung des Bahnbetriebs über mehrere Monate darüber hinaus der Funktionssicherungsklausel des § 4 Nr. 3 BNatSchG widersprechen, die auch bei Maßnahmen des Naturschutzes die bestimmungsgemäße Nutzung eines in einem verbindlichen Plan für Zwecke des öffentlichen Verkehrs ausgewiesenen öffentlichen Verkehrswegs gewährleisten will. Der Anwendungsvorrang von Unionsrecht dürfte daran nichts ändern, sollte dieses vorliegend materielle Geltung beanspruchen. Denn Unionsrecht gibt nicht vor, in welchem Verfahren von welcher Behörde materielles Unionsrecht vorrangig anzuwenden ist (vgl. Art. 291 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV). Auch über eine Verträglichkeit nach § 34 BNatSchG ist grundsätzlich von der für das Projekt zuständigen Behörde in dem dafür vorgesehenen sog. Trägerverfahren zu entscheiden (vgl. § 34 Abs. 6 BNatSchG).
14 
Nach alldem könnten inzwischen möglicherweise aus Gründen des Naturschutzes gebotene Einschränkungen des Betriebs - etwa im Hinblick auf anderenfalls zu besorgende Verstöße gegen das Habitat- und/oder Artenschutzrecht - nur in einem wiederaufgegriffenen Planfeststellungsverfahren bzw. im Wege eines Teilwiderrufs von der Planfeststellungsbehörde und nicht nach § 3 Abs. 2 BNatSchG von der unteren Naturschutzbehörde angeordnet werden. Solchen stünde auch nicht entgegen, dass aus Anlass einer (Bau-) Planfeststellung nach § 18 AEG keine Betriebsregelungen getroffen werden könnten. Denn aufgrund des zu beachtenden Konfliktbewältigungsgebots, aber auch im Hinblick auf die Konzentrationswirkung der Planfeststellung, sind auch die Auswirkungen des mit dem Vorhaben verbundenen Betriebs einer Eisenbahnstrecke in den Blick zu nehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2013 - 7 A 28.12 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 71). Erforderlichenfalls sind daher aufgrund des Konfliktbewältigungsgebots bereits im Planfeststellungsbeschluss betriebliche Einschränkungen - gegebenenfalls auch solche aus Gründen des Naturschutzes - zu treffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2013, a.a.O.; Wurster, in: Beck‘scher AEG-Komm. 2. A. 2014 § 18 Rn. 244). Davon scheint auch das Regierungspräsidium Freiburg in seinem Widerspruchsbescheid vom 23.09.2015 auszugehen (a.a.O., S. 27). Die gewerberechtlichen Genehmigungen nach § 6 AEG oder eine etwa noch erforderliche Erlaubnis nach § 7f AEG wären demgegenüber - aufgrund ihres eingeschränkten Prüfungsgegenstands - solchen Einschränkungen von vornherein nicht zugänglich.
15 
Ob Unionsrecht es nicht nur ermöglichte (vgl. § 49 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG), sondern sogar geböte, den Planfeststellungsbeschluss vom 10.01.1978 teilweise (freilich nur gegen Entschädigung, vgl. § 49 Abs. 6 Satz 1 LVwVfG) zu widerrufen (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 07.09.2004 C-127/02 -, NuR 2004, 730; auch Würtenberger, NuR 210, 316 <319>), weil der seinerzeit wohl bereits umfassend genehmigte Eisenbahnbetrieb nunmehr ein Natura 2000-Gebiet beeinträchtigte oder zumindest eine Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten besorgen lassen könnte, bedarf hier keiner Entscheidung.
16 
Im Hinblick auf ein weiteres Verwaltungsverfahren, bemerkt der Senat gleichwohl das Folgende (vgl. auch Uhlenhut, Zugangsrecht contra Naturschutz - Die Mopsfledermaus auf der Sauschwänzlebahn, in: Ronellenfitsch/Esch-weiler/Hörster (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts ... 2015, S. 113 - 140):
17 
Im Hinblick auf eine unterbliebene Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Abs. 1 BNatSchG (vgl. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL) dürfte ein Teilwiderruf nicht geboten sein. Denn eine solche Prüfung ist vor der Zulassung eines Projekts durchzuführen, sodass ein bereits endgültig genehmigtes Projekt diesen Vorgaben nicht mehr unterliegen kann (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 17.03.2011 - C-275/09 -, NuR 2011, 282 u. Urt. v. 14.01.2010 - C-226/08 -, NuR 2010, 114). Dass die Eisenbahnstrecke auch nach Inkrafttreten der FFH-Richtlinie weiterbetrieben wird, vermag daran noch nichts zu ändern, da der Betrieb als solcher grundsätzlich kein neues Projekt darstellt (vgl. zu § 1 Abs. 2 der UVP-RL EuGH, Urt. v. 17.03.2011 - C-275/09 -, auf „materielle Veränderungen“ abstellend). Zwar mag bei betrieblichen Änderungen das Vorliegen eines neuen Projekts i. S. des § 34 Abs. 1 BNatSchG nicht von vornherein ausgeschlossen sein, da ein solches mehr als der Projektbegriff der UVP-Richtlinie (vgl. § 2 Abs. 2 UVPG), der insoweit orientierend herangezogen werden kann (vgl. Urt. v. 14.01.2010, a.a.O.; Urt. v. 07.09.2004, a.a.O.; BT-Drs. 16/122274, S. 65), wirkungsbezogen zu verstehen sein dürfte (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.12.2013 - 4 C 14.12 -, BVerwGE 149, 17). Insofern kämen auch solche Tätigkeiten in Betracht, die - ohne bauliche Veränderungen - ein Schutzgebiet gefährden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.04.2013, a.a.O.; OVG NW, Beschl. v. 21.02.2011 - 8 A 1837/09 -, NuR 2011, 591; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, UmwR II, § 34 BNatSchG Rn. 7). Doch erscheint mehr als zweifelhaft, ob hier von einem neuen Projekt schon deshalb gesprochen werden könnte (vgl. EuGH, Urt. v. 14.01.2010 - C-226/08 -, NuR 2010, 114), weil der Bahnbetrieb in den Monaten vom November bis April nicht mehr - wie bisher - nur bei Bedarf (insbesondere zur Unterhaltung der Strecke), sondern regelmäßig auch - aber auch nur - an den (Advents-) Wochenenden (sog. „Nikolausfahrten“) stattfinden soll. Denn auch der bisherige Winterbetrieb wäre bereits aus Anlass der Planfeststellung einer Verträglichkeits- oder Abweichungsprüfung zu unterziehen gewesen, wäre eine solche bereits vorgegeben gewesen. Dürfte danach eher nicht von einem neuen Projekt auszugehen sein, könnte jedoch möglicherweise noch auf § 33 Abs. 1 BNatSchG (bzw. Art. 6. Abs. 2 FFH-RL) zurückzugreifen sein, sollte dem nicht der Grundsatz der Rechtssicherheit entgegenstehen (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 14.01.2010, a.a.O.; auch Lütkes/Ewer, BNatSchG, § 33 Rn. 4 m.w.N.; Gellermann, a.a.O., § 33 BNatSchG Rn. 3).
18 
Die seinerzeit noch gar nicht geltenden Verbote der Naturschutzgebietsverordnung vom 27.09.1979 dürften einen Widerruf freilich nicht gebieten (vgl. auch § 23 Abs. 2 Satz1 BNatSchG; hierzu auch die Ausnahmevorschrift in § 5 der Verordnung).
19 
In Betracht käme jedoch, dass die von den Naturschutzbehörden angeführten besonderen artenschutzrechtliche Verbote (insbes. nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) eine jahreszeitliche Einschränkung des Betriebs erforderten, sollten nicht andere - etwa die von der Antragstellerin vorgeschlagenen - betriebsregelnde Maßnahmen genügen. Dabei wäre dann auch zu klären, ob eine erhebliche Störung bzw. Verschlechterung des Erhaltungszustands einer lokalen Fledermauspopulation durch die Befahrung eines jeden Tunnels eintreten würde.
20 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
21 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

(1) Naturschutzgebiete sind rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen erforderlich ist

1.
zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung von Lebensstätten, Biotopen oder Lebensgemeinschaften bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten,
2.
aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder
3.
wegen ihrer Seltenheit, besonderen Eigenart oder hervorragenden Schönheit.

(2) Alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Soweit es der Schutzzweck erlaubt, können Naturschutzgebiete der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.

(3) In Naturschutzgebieten ist die Errichtung von Anlagen zur Durchführung von Gewässerbenutzungen im Sinne des § 9 Absatz 2 Nummer 3 und 4 des Wasserhaushaltsgesetzes verboten.

(4) In Naturschutzgebieten ist im Außenbereich nach § 35 des Baugesetzbuches die Neuerrichtung von Beleuchtungen an Straßen und Wegen sowie von beleuchteten oder lichtemittierenden Werbeanlagen verboten. Von dem Verbot des Satzes 1 kann auf Antrag eine Ausnahme zugelassen werden, soweit

1.
die Schutzzwecke des Gebietes nicht beeinträchtigt werden können oder
2.
dies aus Gründen der Verkehrssicherheit oder anderer Interessen der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist.
Weitergehende Schutzvorschriften, insbesondere solche des § 41a und einer auf Grund von § 54 Absatz 4d erlassenen Rechtsverordnung sowie solche des Landesrechts, bleiben unberührt.

Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden als Grundlage vorsorgenden Handelns im Rahmen der Landschaftsplanung überörtlich und örtlich konkretisiert und die Erfordernisse und Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Ziele dargestellt und begründet.

(1) Die überörtlichen konkretisierten Ziele, Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden für den Bereich eines Landes im Landschaftsprogramm oder für Teile des Landes in Landschaftsrahmenplänen dargestellt. Die Ziele der Raumordnung sind zu beachten; die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind zu berücksichtigen.

(2) Landschaftsprogramme können aufgestellt werden. Landschaftsrahmenpläne sind für alle Teile des Landes aufzustellen, soweit nicht ein Landschaftsprogramm seinen Inhalten und seinem Konkretisierungsgrad nach einem Landschaftsrahmenplan entspricht.

(3) Die konkretisierten Ziele, Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind, soweit sie raumbedeutsam sind, in der Abwägung nach § 7 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes zu berücksichtigen.

(4) Landschaftsrahmenpläne und Landschaftsprogramme im Sinne des Absatzes 2 Satz 2 sind mindestens alle zehn Jahre fortzuschreiben. Mindestens alle zehn Jahre ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine Aufstellung oder Fortschreibung sonstiger Landschaftsprogramme erforderlich ist.

(5) Die landschaftsplanerischen Inhalte werden eigenständig erarbeitet und dargestellt. Im Übrigen richten sich die Zuständigkeit, das Verfahren der Aufstellung und das Verhältnis von Landschaftsprogrammen und Landschaftsrahmenplänen zu Raumordnungsplänen nach § 13 des Raumordnungsgesetzes nach Landesrecht.

Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden als Grundlage vorsorgenden Handelns im Rahmen der Landschaftsplanung überörtlich und örtlich konkretisiert und die Erfordernisse und Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Ziele dargestellt und begründet.

(1) Die überörtlichen konkretisierten Ziele, Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden für den Bereich eines Landes im Landschaftsprogramm oder für Teile des Landes in Landschaftsrahmenplänen dargestellt. Die Ziele der Raumordnung sind zu beachten; die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind zu berücksichtigen.

(2) Landschaftsprogramme können aufgestellt werden. Landschaftsrahmenpläne sind für alle Teile des Landes aufzustellen, soweit nicht ein Landschaftsprogramm seinen Inhalten und seinem Konkretisierungsgrad nach einem Landschaftsrahmenplan entspricht.

(3) Die konkretisierten Ziele, Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind, soweit sie raumbedeutsam sind, in der Abwägung nach § 7 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes zu berücksichtigen.

(4) Landschaftsrahmenpläne und Landschaftsprogramme im Sinne des Absatzes 2 Satz 2 sind mindestens alle zehn Jahre fortzuschreiben. Mindestens alle zehn Jahre ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine Aufstellung oder Fortschreibung sonstiger Landschaftsprogramme erforderlich ist.

(5) Die landschaftsplanerischen Inhalte werden eigenständig erarbeitet und dargestellt. Im Übrigen richten sich die Zuständigkeit, das Verfahren der Aufstellung und das Verhältnis von Landschaftsprogrammen und Landschaftsrahmenplänen zu Raumordnungsplänen nach § 13 des Raumordnungsgesetzes nach Landesrecht.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16.11.2011 - 5 K 1869/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Untersagung der Abgabe von Rohmilch an seiner Betriebsstätte in der Hauptstraße ... ...
Der Kläger führt zusammen mit seiner Ehefrau einen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb mit dem Schwerpunkt Milcherzeugung. Der Stammbetrieb befindet sich in der Hauptstraße ... und umfasst die Betriebswohnung der Familie, das landwirtschaftliche Büro, den Notstall, mehrere Maschinenhallen, ein Getreidelager, die Werkstatt für Landtechnik sowie das Spritzmittellager. Dort hat der Kläger auch einen Milchautomaten zur Abgabe von Rohmilch an Kunden aufgestellt. Die in ca. zwei Kilometern Entfernung hiervon im Gewann „W...“ im Jahr 1996 errichtete weitere Betriebsstätte umfasst im Wesentlichen den neuen Stall für die Unterbringung von ca. 50 Milchkühen mit Nachzucht sowie die Melk-Technik.
Mit Verfügung vom 15.01.2010 untersagte das Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis dem Kläger, Rohmilch aus dem Milchautomaten (Standort: ..., Hauptstr. ...) abzugeben und in Verkehr zu bringen. Die sofortige Vollziehung dieser Verfügung wurde angeordnet. Da die Abgabe der Rohmilch nicht im Milcherzeugungsbetrieb erfolge, liege ein Verstoß gegen § 17 der Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tier-LMHV) vor.
Am 20.01.2010 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Am 05.02.2010 beantragte er beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederherzustellen. Mit Beschluss vom 29.03.2010 lehnte das Verwaltungsgericht diesen Antrag ab (10 K 312/10). Der Beschluss ist rechtskräftig.
Mit Bescheid vom 06.07.2010 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch des Klägers zurück: Nach § 17 Abs. 1 Tier-LMHV sei es verboten, Rohmilch oder Rohrahm an den Verbraucher abzugeben. Das Verbot bestehe aus Gründen des vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutzes. Eine Ausnahme vom Verbot sei in § 17 Abs. 4 Tier-LMHV für die Abgabevon Milcherzeugungsbetrieben unter den strengen Bedingungen der Ziffern 1 bis 5 dieses Absatzes möglich. Nach Ziffer 1 der Vorschrift müsse die Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb erfolgen. Dies sei auch in der Vorgängerregelung, § 8 der Milchverordnung, im sog. „Milch-ab-Hof-Abgabe"-Paragrafen so geregelt gewesen. Der Verordnungsgeber habe schon durch die Wortwahl Abgabe „von Milcherzeugungsbetrieben“ nur „im Milcherzeugungsbetrieb“ in Halbsatz 1 und 2 von § 17 Abs. 4 Tier-LMHV die spezifische Regelungsabsicht deutlich gemacht. Der Milcherzeugungsbetrieb sei in Anhang I Nr. 4.2 der Verordnung (EG) 853/2004 definiert als Betrieb, in dem ein oder mehrere Nutztiere zur Erzeugung von Milch, die als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden soll, gehalten werden. Diese rechtliche Vorgabe erfülle der Kläger nicht, da die Abgabe der Rohmilch an seiner Betriebsstätte in der Hauptstraße ... und nicht in der zwei Kilometer entfernten Betriebsstätte, in welchem die Rohmilch gewonnen werde, stattfinde. Außerhalb des Erzeugerbetriebes liegende Räumlichkeiten dürften zur Milch-ab-Hof-Abgabe nicht verwendet werden, selbst wenn sie in der Verfügungsgewalt des Milcherzeugers lägen. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, sein Milcherzeugungsbetrieb bestehe aus zwei Betriebsstätten. Im Hygienerecht sei es unabdingbar, jede Betriebsstätte unabhängig voneinander zu betrachten. Eine enge und einheitliche rechtliche Auslegung der Vorschrift sei auch deshalb geboten, da der Verbraucher so durch den unmittelbaren Kontakt mit dem Erzeugungsbetrieb eine eigene Beurteilung der Hygiene bei der Milchviehhaltung und der Milchgewinnung treffen könne. In der Vergangenheit seien mehrere Fälle mit zum Teil tödlichem Verlauf des HUS-Syndroms (hämolytisch-urämisches Syndrom) aufgetreten, das auf Enterohämorrhagische E-Coli (EHEC) in Rohmilch zurückzuführen gewesen sei. Dies sei zwar ein seltenes, aber mitunter sehr gravierendes Erkrankungsrisiko beim Verzehr von Rohmilch oder nach einer Kontamination von Küchengegenständen und anderen Speisen beim Umgang im privaten Bereich. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 09.07.2010 zugestellt.
Der Kläger hat am 03.08.2010 Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und die Aufhebung der Verfügung des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vom 15.01.2010 sowie des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.07.2010 beantragt.
Mit Urteil vom 16.11.2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen der auf § 39 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) i.V.m. § 17 Tier-LMHV gestützten Untersagungsverfügung lägen vor. Die Abgabe von Rohmilch durch den Rohmilchautomaten am Standort ..., Hauptstraße ... verstoße gegen § 17 Tier-LMHV. Der Anwendung der Bestimmung stehe nicht der Inhalt der Verordnung (EG) 853/2004 entgegen. Denn Art. 10 Abs. 8a dieser Verordnung überlasse es ausdrücklich dem einzelnen Mitgliedstaat, insoweit aus eigener Initiative und unter Einhaltung der allgemeinen Bestimmungen des Primärrechts einzelstaatliche Vorschriften beizubehalten oder einzuführen. Aufgrund dieser Öffnungsklausel könne der Kläger sich auch nicht mit Erfolg auf die unterschiedliche Handhabung der Abgabe von Rohmilch oder Rohrahm in anderen Mitgliedstaaten berufen. Die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV lägen nicht vor. Bei der Abgabe von Rohmilch aus einem Rohmilchautomaten am Standort Hauptstraße ... handele es sich nicht um eine Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb" im Sinne der Vorschrift. § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV begrenze die Rohmilchabgabe auf den eigentlichen Milcherzeugungsbetrieb, somit auf den Ort, an dem die Milch gewonnen wird. Bei der in der Nr. 1 aufgestellten Anforderung, der Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb", handele es sich um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal. Aus der Systematik folge, dass die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV als Ausnahmetatbestand zu dem grundsätzlichen Rohmilchabgabeverbot in Absatz 1 eng auszulegen seien. Auch die Verwendung des unter Nr. 4.1. des Anhang I der Verordnung (EG) 853/2004 definierten Begriffs des „Milcherzeugungsbetriebs" stehe einem engen Verständnis des Begriffs „im Milcherzeugungsbetrieb" nicht entgegen. Sinn und Zweck der Regelung sei der Schutz der Verbraucher vor den gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Rohmilch. Rohmilch könne Krankheitserreger wie EHEC-Bakterien oder Campylobacter enthalten, die insbesondere bei kleinen Kindern zu Infektionen mit schweren gesundheitlichen Schäden führen könnten. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV begrenze die Rohmilchabgabe dementsprechend räumlich auf den eigentlichen Milcherzeugungsbetrieb als den Ort, wo die Milch gewonnen werde. Die Existenz der Strafbestimmung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 6 Tier-LMHV i.V.m. § 58 Abs. 1 Nr. 18, Abs. 4 bis 6 LFGB und die Höhe der Strafandrohung verdeutlichten die hohe Wertigkeit, die der Gesetzgeber dem Rechtsgut der Gesundheit des Verbrauchers beimesse. Auf die Erfüllung der sonstigen - insbesondere der hygienerechtlichen - Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV durch den Kläger komme es nicht an.
Gegen das Urteil hat der Kläger die durch Senatsbeschluss vom 17.06.2013 (9 S 347/12) zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er insbesondere vor:
Das Verwaltungsgericht habe ausgehend von dem Begriff des „Milcherzeugungsbetriebs“ in Anhang I Ziff. 4.2 der Verordnung (EG) 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2004 die Einengung des Begriffs „Milcherzeugungsbetrieb“ in der vorgenannten Vorschrift des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV in europarechtswidriger Weise vorgenommen. Der nationale Gesetzgeber dürfe entsprechend Art. 10 Abs. 8 der EG-Verordnung einschränkende Regelungen treffen, die jedoch eines Sachgrunds bedürften, der zwingend mit den Zielvorstellungen der zugrundeliegenden Normen, nämlich mit hygienerechtlichen Bestimmungen, in Einklang zu bringen sein müsse. Hygienerechtliche Belange spielten indes für das Merkmal der „Örtlichkeit“ keine Rolle. Europarechtlich sei kein Anhaltspunkt dafür zu erkennen, dass die Tiere nicht an einer anderen Stelle gehalten werden könnten als am Ort der Milchabgabe. Ansonsten hätte der Verordnungsgeber sinngemäß regeln können, dass der „Milcherzeugungsbetrieb“ nur dahin zu verstehen sei, dass der Ort des Betriebs gemeint sei, an dem gleichzeitig die Milch in den Verkehr gebracht werden soll. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV habe keinerlei hygienerechtliche Komponente, aber eine Schutzfunktion zu Gunsten der landwirtschaftlichen bzw. milcherzeugenden Betriebe. Die hygiene- und gesundheitsrechtlichen Aspekte würden in § 17 Abs. 4 Tier-LMHV abgedeckt, jedoch gerade nicht in Nr. 1 dieser Regelung. Das Verwaltungsgericht habe sich mit den primärrechtlichen Grundlagen nicht auseinandergesetzt (Zielsetzungen des Binnenmarkts, Vorschriften der Landwirtschaft in Art. 38 Abs. 1 AEUV, Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik, Art. 39 Abs. 1b AEUV, Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen, Art. 39 Abs. 1e AEUV, Wettbewerbsfreiheit, Art. 40 Abs. 1a AEUV, Berufsfreiheit des Klägers, Art. 15 der Europäischen Grundrechtscharta sowie Gleichheitsgrundsatz, Art. 20 der Europäischen Grundrechtscharta). Jedenfalls sei § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV nicht verfassungskonform und auch nicht europarechtskonform. Wäre gesetzgeberisches Ziel die Einhaltung von Hygienebestimmungen, so wäre die Regelung in der Ziff. 1 hierfür untauglich. Die Einhaltung von Hygienebestimmungen bzw. die Vermeidung von Gefährdungslagen werde nicht dadurch gefördert bzw. beseitigt, dass die Milch unmittelbar an der „Stalltür“ abzugeben sei. Somit sei kein legitimer verfassungsrechtlicher Zweck erkennbar. Bis heute seien seitens der zuständigen Behörden keine hygienerechtlichen Bedenken erhoben worden und lägen auch keinerlei negative Kontrollergebnisse vor. Die Einhaltung hygienerechtlicher Bestimmungen und damit die Gewährleistung von Gesundheits- und Lebensmittelschutz werde auch dann nicht garantiert, wenn die Milch an der Stalltüre abgegeben werde, in dem Betrieb aber zum Beispiel unsachgemäß gearbeitet werde oder eine hohe Keimzahl vorhanden sei. Die Einhaltung der hygienerechtlichen Bestimmungen und nicht der Standort der Abgabe sei der entscheidende Ansatz. Der Kläger halte indes alle diesbezüglichen Vorschriften an seinem Hof ein. Dies belege der konkrete Ablauf der Milchproduktion (wird im Einzelnen unter Vorlage einer Foto-Dokumentation dargelegt). Wäre gesetzgeberische Intention die Möglichkeit einer besseren Kontrolle durch den Betriebsinhaber bzw. Milcherzeuger, wäre dies an dem Standort des Milchautomaten am Stammbetrieb gerade gewährleistet. Nach alledem sei die Beschränkung des Begriffs des „Milcherzeugungsbetriebs“ im Sinne der unmittelbaren Verbindung zwischen Kuhstall und Abgabeort gemessen am Maßstab der normgeberischen Zielsetzung hygienerechtlicher Anforderungen nicht nur verfehlt, sondern auch untauglich. Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums könne ein Verbraucher auch in einer vermeintlich sauberen Umgebung gerade nicht abschätzen bzw. erkennen, ob die von ihm abgeholte Rohmilch hygienerechtlich beanstandungsfrei sei oder nicht. Auch die Formulierung in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Tier-LMHV bezüglich des Hinweises auf das Abkochen der Rohmilch und auf die Anbringung des Schildes an der „Abgabestelle“ spreche dafür, dass der nationale Verordnungsgeber die hier gegenständliche restriktive Handhabung nicht gewollt habe. Der Begriff der „Abgabestelle“ sei nämlich ein anderer als der Begriff des „Milcherzeugungsbetriebs“. Im Übrigen verstoße die Regelung gegen den verfassungsrechtlich verankerten Bestimmtheitsgrundsatz. Aus der Norm könnte weder der jeweils betroffene Landwirt noch die rechtsanwendende Behörde ableiten, wie weit die konkrete Abgabestelle vom Stallgebäude entfernt sein dürfe. Auch die Ermessensausübung der Behörde sei zu beanstanden. Der Zweck der Ermächtigung sei in der Überwachung und Einhaltung der Vorschriften zum Schutz vor Gesundheitsgefahren für Verbraucher zu sehen. Der Bereich sei im weitesten Sinne der Gefahrenabwehr und dem Gesundheitsschutz zuzuordnen. In dem gesamten Verfahren sei jedoch verkannt worden, dass die Hygienebestimmungen überhaupt nicht verletzt seien. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV in der Form der vom Beklagten vorgenommenen engen Auslegung sei vor dem Hintergrund der hygienerechtlichen Bestimmungen zur Zweckerreichung schlechthin ungeeignet und verletze ihn deshalb in seinem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege vor, weil zwei gleichgelagerte Sachverhalte in W. und in N. anders behandelt würden als sein Fall. Auch Art. 14 Abs. 1 GG sei verletzt. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liege vor. Die Regelung sei ungeeignet, weil mit der Abgabe von Rohmilch am Stallgebäude keine Verbesserung der hygienerechtlichen Situation einhergehe. Außerdem gebe es mildere Mittel gegenüber der vollständigen Untersagung der Milchabgabe. Jedenfalls falle eine Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse des Gesundheits- und Lebensmittelschutzes und den Rechtsgütern des Klägers zu dessen Gunsten aus. Es sei nicht ersichtlich, dass irgendein Fall der Rohmilchabgabe zu ernsthaften Problemen geführt habe. Es werde nicht ausreichen, lediglich auf abstrakte/potentielle Gefahren hinzuweisen, die sich in keinem einzigen Fall realisiert hätten. Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen sei gegebenenfalls eine Aussetzung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und eine Vorlage an den EuGH geboten.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16.11.2011 - 5 K 1869/10 - zu ändern und die Verfügung des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vom 15.01.2010 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.07.2010 aufzuheben.
12 
Der Beklagte beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Er verteidigt das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor: Bei der näheren Bestimmung der Bedeutung der Formulierung „Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb“ sei zunächst auf Sinn und Zweck der Vorschriften abzustellen. Regelungsziel der Tier-LMHV sei es, durch Hygienevorschriften die Gefahren, die im Umgang mit Lebensmitteln tierischen Ursprungs für die öffentliche Gesundheit ausgingen, auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Die in § 17 Abs. 4 Tier-LMHV kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen für die unmittelbare Rohmilchabgabe vom Erzeuger an den Endverbraucher seien allesamt in diesem Sinnzusammenhang zu sehen. Es handele sich hierbei ausschließlich um Hygieneanforderungen im Umgang mit Rohmilch, die dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienten. Dies gelte ausdrücklich auch für die Voraussetzung der Milchabgabe im Milcherzeugungsbetrieb. Dies könne unter Berücksichtigung des hygienerechtlichen Hintergrundes nur als dahingehendes Verbot verstanden werden, Rohmilch weg vom Milcherzeugungsbetrieb an einen anderen Abgabeort zu transportieren. Mit dem Transport der Rohmilch steige das Risiko einer Belastung der Milch mit Krankheitserregern und damit auch die Infektionsgefahr für den Menschen. Rohmilch als solche berge immer die potentielle Gefahr, mit Krankheitserregern belastet zu sein. Ein Anfangskeimgehalt der Milch, auch wenn dieser noch nicht die infektiöse Dosis darstellen sollte, könne sich aufgrund des für diese Bakterien gut geeigneten Nährmediums Milch bei weiterer Lagerung und Handhabung vermehren. Bearbeitungsschritte wie Umfüllen, Lagern und Transportieren erhöhten die Kontaminationsgefahr in Form eines zusätzlichen Bakterienantrags. Außerdem könnte die damit einhergehenden Unterbrechung der Kühlkette zu Bakterienwachstum führen. Der Verordnungsgeber habe in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV deshalb diese durch zusätzliche Bearbeitungsschritte bedingten Risiken von vornherein ausgeschlossen. Er habe den Transport als abstrakt risikoerhöhenden Umstand gänzlich verboten. Die Auslegung, dass die Regelung keine hygienerechtliche Komponente enthalte, sondern nur bezwecke, einen Ankauf von Rohmilch durch Dritte zu verhindern, sei mit dem hygienerechtlichen Schutzzweck der Tier-LMHV nicht zu vereinbaren. Auch das Verbot des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Tier-LMHV, andere als im eigenen Betrieb gewonnene Rohmilch zu verkaufen, bezwecke nicht, die landwirtschaftlichen milcherzeugenden Betriebe vor Konkurrenz durch Zwischenhändler zu schützen. Im Rahmen der Wortauslegung werde der Ortsbezug deutlich, wenn man die vollständige Formulierung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV „die Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb erfolgt“, betrachtet. Die Örtlichkeit müsse mit der Milcherzeugung in einem räumlichen Zusammenhang stehen, ein rein betriebswirtschaftlicher Zusammenhang reiche nicht aus. Festzuhalten sei, dass eine Wortlautauslegung ergebe, dass die Milchabgabe an dem Ort zu erfolgen habe, an dem ein Betrieb - bestehend aus einem oder mehreren Nutztieren, die vom Erzeuger zum Zweck der Erzeugung von Milch, die als Lebensmittel in Verkehr gebracht werden soll, gehalten werden - tatsächlich Milch erzeuge. Auch eine systematische Auslegung führe zu keinem anderen Ergebnis. Im Gegensatz zu der unmittelbaren Abgabe von Rohmilch sei die Abgabe von Vorzugsmilch an den Verbraucher nicht örtlich auf den Erzeugerbetrieb beschränkt. Vorzugsmilch könne vielmehr gehandelt werden; der Verbraucher könne Vorzugsmilch auch im Einzelhandel erwerben. Im Unterschied zur Rohmilchabgabe unterliege die Vorzugsmilchabgabe jedoch deutlich strengeren Hygieneanforderungen. Mit § 17 Abs. 4 Tier-LMHV habe der Verordnungsgeber den früher gängigen Vorgang - das Abholen frischer Milch direkt vom Bauernhof regelmäßig mit eigens mitgebrachten Flaschen und Kannen - weiterhin zugelassen. Mit § 17 Abs. 2 und Abs. 3 Tier-LMHV habe der Verordnungsgeber hingegen dem Verbraucher den Zugang zu dem Produkt „(nahezu) unbehandelte Milch“ ermöglichen wollen. Außerdem sei zu beachten, dass die den Ausnahmetatbestand begründenden Tatbestandsvoraussetzungen eng auszulegen seien. Ausweislich der Begründung habe der deutsche Verordnungsgeber die in der Milchverordnung in § 8 ehemals geregelte „Milch-ab-Hof-Abgabe“ inhaltsgleich in den neuen § 17 Tier-LMHV übernehmen wollen. Eindeutig in der Begründung nachzulesen sei, dass ausschließlicher Zweck der nur als Ausnahme zugelassenen direkten Rohmilchabgabe sei, die Gesundheit der Verbraucher vor potentiellen Risiken, die mit dem Verzehr von Rohmilch verbunden seien, zu schützen. Entgegen der Ansicht des Klägers sei § 17 Tier-LMHV in jeglicher Hinsicht verfassungsgemäß. Insbesondere werde nicht in rechtswidriger Weise in Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen. Die Vorgabe der Abgabe von Rohmilch nur im Milcherzeugungsbetrieb stelle eine Berufsausübungsregelung dar, die zum Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt sei. Da der Transport der Rohmilch das Risiko erhöhe, dass diese mit Krankheitserregern kontaminiert sei, sei das Transportverbot geeignet, den angestrebten Zweck zu erfüllen. Die klägerseits vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des § 17 Tier-LMHV mit Europarecht könnten nicht geteilt werden. Bei § 17 Tier-LMHV handele es sich um eine nationale Regelung, die - neben europarechtlichen Vorschriften - den Umgang mit Rohmilch regele. In Art. 10 Abs. 3, Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 ermächtige der europäische Gesetzgeber die Mitgliedstaaten dazu, weitergehende einzelstaatliche Vorschriften zu erlassen, die das Inverkehrbringen von Rohmilch, die für den unmittelbaren menschlichen Verzehr bestimmt sei, in seinem Hoheitsgebiet untersagen oder einschränken. In Absatz 11 der Präambel heiße es darüber hinaus, dass es bei der direkten Abgabe kleiner Mengen von Primärerzeugnissen durch den Erzeuger an den Endverbraucher angezeigt sei, die öffentliche Gesundheit durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften zu schützen. Dadurch werde deutlich, dass der europäische Gesetzgeber die Thematik der Rohmilchabgabe nicht abschließend habe regeln wollen. Der europäische Gesetzgeber räume seinen Mitgliedstaaten dabei einen gewissen Spielraum ein. Durch die hier in Rede stehende Anforderung, Rohmilch nur im Milcherzeugungsbetrieb abzugeben, habe der deutsche Gesetzgeber eine solche - im Vergleich zum Europarecht - weitergehende Hygieneanforderung geschaffen und hierbei im Rahmen des ihm zuerkannten Spielraums gehandelt. Die Abgabestelle ... ..., Hauptstraße ... könne nicht als Milcherzeugungsbetrieb qualifiziert werden. Der Abgabeort stehe in keinem räumlichen Zusammenhang mit dem Erzeugungsort. Auch der seitens des Klägers beschriebene Vorgang der Rohmilcherzeugung und Abgabe zeige deutlich, dass es hier - nach Ende des Melkvorgangs bis zur Abgabe an den Verbraucher - zu weiteren Behandlungsschritten der Milch komme. Der Transport gehöre aber nach Sinn und Zweck des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV nicht mehr zum Milcherzeugungsprozess und solle nach dieser Vorschrift aufgrund der damit einhergehenden Risikoerhöhung der abstrakten Gesundheitsgefahr gerade verhindert werden. Diese abstrakte Gefahr sei nach dem Willen des Verordnungsgebers maßgebliches Untersagungskriterium. Der Kläger könne die abstrakte Gefahr, die der Transport als solches mit sich bringe, nicht dadurch beseitigen, dass er die gesetzlichen Hygienevorgaben genauestens einhalte. Im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung habe sie zu berücksichtigen gehabt, dass es sich bei § 17 Abs. 1 Tier-LMHV um ein Verbot zum vorbeugenden Schutz der öffentlichen Gesundheit handele. Die Untersagungsverfügung sei auch nicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ermessensfehlerhaft. Insbesondere seien dem Kläger alternative Möglichkeiten, seine erzeugte Milch zu vermarkten, aufgezeigt worden. Ob die Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV bei den angeführten, im...-Kreis gelegenen Höfen eingehalten würden, könne offenbleiben. Selbst wenn eine Ungleichbehandlung zu bejahen wäre, könne sich der Kläger auf eine Gleichbehandlung im Unrecht nicht berufen.
15 
Die am 15.05.2014 durchgeführte mündliche Verhandlung ist mit Beschluss vom 27.05.2014 wiedereröffnet worden, um die Beteiligten zur Frage der maßgeblichen Rechtsgrundlage der gegenständlichen Verfügung anzuhören.
16 
Dem Senat liegen die Akten des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis (1 Band, 1 Aktenvermerk), des Regierungspräsidiums Karlsruhe (1 Band) und des Verwaltungsgerichts vor. Darauf und auf die gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
17 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
18 
Die zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 124a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO) eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil ist nicht zu ändern. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
19 
Eine Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.05.2008 (ABl. Nr. C 115 S. 47) - AEUV - hält der Senat nicht für erforderlich. Denn er hat weder Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Bestimmungen des Primärrechts noch der Verordnungen (EG) 882/2004 oder 853/2004. Im Übrigen kann das Urteil des Senats mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden (vgl. Art. 267 Abs. 3 AEUV). Ein solches Rechtsmittel stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde bei Nichtzulassung der Revision gemäß § 133 VwGO dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.10.1997 - 6 B 32/97 -, NVwZ-RR 1998, 752/754; siehe auch Borchardt in Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 5. Aufl., Art. 267 AEUV Rn. 41).
20 
Die als Anfechtungsklage statthafte (vgl. § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) und auch sonst zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vom 15.01.2010 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.07.2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Untersagungsverfügung stellt ihrem Inhalt nach einen Dauerverwaltungsakt dar. Sie verbietet dem Kläger generell für die Zukunft die Abgabe von Rohmilch am Standort des Stammbetriebs und erschöpft sich damit nicht im Verlangen eines einmaligen Tuns oder Unterlassens. Der Senat hat deshalb die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen, da das materielle Recht nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22.01.1998 - 3 C 6/97 -, BVerwGE 106, 141).
I.
21 
Der Beklagte hat die Untersagungsverfügung auf § 39 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) in der derzeit gültigen Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung des LFGB vom 28.05.2014 (BGBl. I 2014, 698) i.V.m. § 17 Tier-LMHV gestützt. Nach § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB trifft die zuständige Behörde - und damit das gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 LFGB i.V.m. § 19 Abs. 1, § 18 Abs. 4 AG-LMGB, § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG zur Lebensmittelüberwachung berufene Landratsamt - die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind. Sie kann dabei u.a. das Herstellen, Behandeln oder das Inverkehrbringen von Erzeugnissen verbieten oder beschränken (vgl. § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LFGB).
22 
Nach Auffassung des Senats ist § 39 Abs. 2 LFGB allerdings nicht anwendbar. Vielmehr ergibt sich im Falle der Feststellung eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften die Befugnisnorm für auf Abhilfe gerichtete Maßnahmen der Lebensmittelbehörde, wie etwa ein Verkehrsverbot, aus Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. b) der Verordnung (EG) 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz vom 29.04.2004 (ABl. L Nr. 165, 1 ff.) .
23 
Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 517/2013 des Rates vom 13.05.2013, ABl. L 158, 1, lautet: Stellt die zuständige Behörde einen Verstoß fest, so trifft sie die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft. Nach Art. 54 Abs. 2 Nr. b) dieser Verordnung kann dazu (u.a.) die Maßnahme der Einschränkung oder Untersagung des Inverkehrbringens von Futtermitteln, Lebensmitteln oder Tieren gehören. Nach der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 10 der Verordnung handelt es sich bei einem Verstoß um die „Nichteinhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrechts und der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz“.
24 
Art. 54 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) 882/2004 gilt unmittelbar und verdrängt wegen des Anwendungsvorrangs des Unionrechts (vgl. Art. 288 AEUV sowie Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Band 3, Stand: August 2012, Art. 288 Rn. 53; Streinz, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2011, B Einführung Rn. 38b) in seinem Anwendungsbereich die nationale Rechtsgrundlage des § 39 Abs. 2 LFGB (vgl. auch § 39 Abs. 2 Satz 3 LFGB sowie die diesbezügliche Gesetzesbegründung, BTDrucks. 16/8100, 20: „Diese Regelungen [= Art. 54 Abs. 1 und 2 Verordnung (EG) 882/2004] sind als unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht von den zuständigen Behörden vorrangig anzuwenden“). Hier liegt ein den Anwendungsvorrang auslösender Kollisionsfall vor (zu diesem Erfordernis vgl. Nettesheim, a.a.O., Art. 288 Rn. 52; Streinz/Herrmann, BayVBl. 2008, 1, 3 f.). In den Erwägungsgründen 2 und 3 der Verordnung (EG) 882/2004 stellt der Verordnungsgeber fest, dass das europäische Futtermittel- und Lebensmittelrecht sowohl in der grundlegenden Verordnung (EG) 178/2002 als auch in speziellen Vorschriften für Bereiche wie Futtermittel- und Lebensmittelhygiene kodifiziert sei. Die Mitgliedstaaten sollten das Futtermittel- und Lebensmittelrecht durchsetzen sowie überwachen und überprüfen, dass die entsprechenden Anforderungen von den Unternehmern auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen eingehalten werden, wofür auf Gemeinschaftsebene ein einheitlicher Rahmen in Form allgemeiner Vorschriften für die Organisation von Kontrollen geschaffen werden sollte (Erwägungsgründe 6 und 7). In Umsetzung der vorstehenden Erwägungsgründe bestimmt Art. 1 der Verordnung (EG) 882/2004 deren Anwendungsbereich dahingehend, dass in der Verordnung allgemeine Regeln für die Durchführung amtlicher Kontrollen u.a. zur Vermeidung, Beseitigung oder Senkung von unmittelbar oder über die Umwelt auftretenden Risiken für Mensch und Tier festgelegt würden. Aus den Erwägungsgründen 41, 42 und 43 ergibt sich, dass Verstöße gegen das Futtermittel- und Lebensmittelrecht „in der gesamten Gemeinschaft Gegenstand wirksamer, abschreckender und angemessener Maßnahmen sein“ sollten. Unter dem Titel VII „Durchsetzungsmaßnahmen“ der Verordnung ist das Kapitel I mit „Nationale Durchsetzungsmaßnahmen“ überschrieben. Der hier normierte Art. 54 („Maßnahmen im Fall eines Verstoßes“) sieht in seinem zweiten Absatz einen konkreten Maßnahmenkatalog vor. Angesichts des aufgezeigten umfassenden Regelungsanspruchs der Verordnung (EG) 882/2004 und der Zielsetzung, den nationalen Behörden für die Durchsetzung des Lebensmittelrechts unmittelbare rechtliche Vorgaben zu machen, hat der Senat keine Zweifel, dass die Mitgliedstaaten bei festgestellten lebensmittelrechtlichen Verstößen Maßnahmen mit dem Ziel der Abhilfe nunmehr auf Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 stützen können (so auch Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: Juli/November 2012, C 102, § 39 LFGB Rn. 10 f., 21, 63 ff.; Meyer/Streinz, LFGB, 2. Aufl. 2012, § 39 Rn. 1, 10, 23; Wehlau, LFGB, 2010, § 39 Rn. 10 ff.; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 05.09.2011 - 5 Bs 139/11 -, NVwZ-RR 2012, 92; unklar: BayVGH, Beschluss vom 26.11.2011 - 9 ZB 09.2116 -, Juris; zum Verbot, unmittelbar geltende Vorschriften des EU-Rechts im Recht der Mitgliedstaaten zu wiederholen vgl. König in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 2. Aufl. 2010, § 2 Rn. 41 m.w.N.; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243, 247; zur Problematik der Rechtsunsicherheit in der deutschen Überwachungspraxis vgl. dies., ZLR 2010, 243, 246; Meyer/Streinz, a.a.O., § 39 Rn. 1). Ob bzw. inwieweit § 39 Abs. 2 LFGB etwa bei Maßnahmen zur Feststellung oder zur Ausräumung eines bestimmten Verdachts über die unionsrechtliche Ermächtigung in Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 hinausgeht und deshalb insoweit weiter anwendbar bleibt, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. dazu Zipfel/Rathke, a.a.O., § 39 LFGB Rn. 10; Meyer/Streinz, a.a.O., § 39 Rn. 1; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243 ff.).
25 
Ungeachtet der anders lautenden behördlichen Begründung kann die angefochtene Verfügung auf Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 gestützt werden.
26 
§ 39 Abs. 2 LFGB und Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 sind ähnlich aufgebaut, sie bestehen aus einer Generalklausel (§ 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB bzw. Art. 54 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) 882/2004) und einer beispielartigen, nicht abschließenden Aufzählung möglicher Maßnahmen (§ 39 Abs. 2 Satz 2 LFGB sowie Art. 54 Abs. 2 der Verordnung (EG) 882/2004; vgl. Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 10). Weder in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzungen noch die Rechtsfolgen weisen die Bestimmungen relevante Unterschiede auf: Beide setzen die Feststellung eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften voraus und verpflichten die Behörde („trifft die zuständige Behörde“ bzw. „trifft sie“) zu notwendigen bzw. erforderlichen Maßnahmen (kein Entschließungsermessen; zu Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 vgl. VG Hannover, Urteil vom 27.06.2012 - 9 A 50/12 -, Juris, zu § 39 Abs. 2 LFGB vgl. Senatsurteil vom 02.03.2010 - 9 S 171/09 -, VBlBW 2010, 314, sowie Senatsbeschluss vom 12.11.1997 - 9 S 2530/97 -, VBlBW 1998, 186; Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 40; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 102 § 39 Rn. 17 f.). Diese können insbesondere auch in dem Verbot bzw. der Untersagung des Inverkehrbringens von Erzeugnissen bzw. Lebensmitteln bestehen. Allenfalls im Hinblick auf die im Einzelfall konkret zu ergreifende Maßnahme ist der Behörde im Grundsatz ein Auswahlermessen eingeräumt. Angesichts der Parallelität beider Normen ist nicht erkennbar, weshalb diese vom Senat zu § 39 Abs. 2 LFGB vertretene Auffassung (vgl. Senatsurteil vom 02.03.2010, a.a.O.; Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 40) nicht auch für die unionsrechtliche Rechtsgrundlage zu gelten hätte. Im Rahmen ihrer Entscheidung hat die Behörde schließlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: März 2013, C 102, § 39 Rn. 17 f.; 73).
27 
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist ein Auswechseln der Rechtsgrundlage zulässig. Denn dies führt weder zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Verwaltungsakts noch wird die Rechtsverfolgung des Klägers in beachtlicher Weise erschwert (zu diesem Maßstab vgl. BVerwG, Urteil vom 27.01.1982 - 8 C 127/81 -, BVerwGE 64, 356; Urteil vom 21.11.1989 - 9 C 28/89 -, NVwZ 1990, 673). Angesichts des identischen Befugnisrahmens und der gleich gerichteten Ermessensdirektiven würde dies selbst dann gelten, wenn der Behörde im konkreten Fall ein Auswahlermessen bezüglich der konkret zu treffenden Maßnahmen eingeräumt gewesen wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.05.1994 - 5 S 2637/93 -, NVwZ 1995, 397; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. Ergänzungslieferung 2013, § 113 Rn. 21; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 54). Dies war indes nicht der Fall (dazu noch unten unter II. 3.). Handelte es sich mithin bei der gegenständlichen Maßnahme um eine gebundene Entscheidung, war der Senat berechtigt und verpflichtet, die unionsrechtliche Rechtsgrundlage zu berücksichtigen (vgl. nur Schmidt, in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 113 Rn. 17, 22).
II.
28 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004liegen vor. Die Abgabe von Rohmilch durch den am Stammbetrieb des Klägers aufgestellten Rohmilchautomaten begründet einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Tier-LMHV; der Inhalt der Verordnung (EG) 853/2004 (ABI. L 139 vom 30.04.2004, S. 55) steht einer Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen (hierzu unter 1.). Die Voraussetzungen der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV sind nicht gegeben (hierzu unter 2.). Zur Beseitigung des festgestellten Verstoßes und zur Verhütung künftiger Verstöße war die Untersagung der Rohmilchabgabe „erforderlich“ im Sinne Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft; auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war die gegenständliche Maßnahme nicht zu beanstanden (dazu unter 3.).
29 
1. Nach § 17 Abs. 1 Tier-LMHV ist es verboten, Rohmilch oder Rohrahm an Verbraucher abzugeben.
30 
a) Auch eine Nichteinhaltung dieser nationalen Vorschrift des Lebensmittelrechts ist geeignet, einen „Verstoß“ im Sinne des Art. 54 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 zu begründen (zu diesem Begriff vgl. Art. 2 Nr. 10 der Verordnung). Nach Art. 2 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 gelten für die Zwecke der vorliegenden Verordnung die Begriffsbestimmungen der Artikel 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Gemäß Art. 3 dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Lebensmittelrecht“ die Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Lebensmittel im Allgemeinen und die Lebensmittelsicherheit im Besonderen, sei es auf gemeinschaftlicheroder auf einzelstaatlicher Ebene (Hervorhebung nur hier). Mithin ist dieses Verständnis auch der Auslegung des Art. 54 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 zugrunde zu legen (so ausdrücklich auch Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243, 249; vgl. auch Zipfel/Rathke, a.a.O., § 39 LFGB Rn. 67 und C 101, Art. 3 Verordnung (EG) Nr. 178/2002, Rn. 6).
31 
b) § 17 Abs. 1 Tier-LMHV beruht auf einer eigenständigen nationalen Rechtsgrundlage. Der Verordnungsgeber hat sich hierbei ausdrücklich auf die spezielle Ermächtigung in Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 (ABI. L 139 vom 30.4.2004, S. 55) gestützt, die es dem einzelnen Mitgliedstaat überlässt, aus eigener Initiative und unter Einhaltung der allgemeinen Bestimmungen des Primärrechts einzelstaatliche Vorschriften beizubehalten oder einzuführen, mit denen das Inverkehrbringen von Rohmilch oder Rohrahm, die für den unmittelbaren menschlichen Verzehr bestimmt sind, in seinem Hoheitsgebiet untersagt oder eingeschränkt wird (vgl. BRDrucks. 327/07, Amtliche Begründung zu § 17; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 178 § 17 Tier-LMHV Rn. 3 ff.). Da es sich um eine spezielle, rein mitgliedstaatliche Regelung handelt, dürfte auch der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob mit Blick auf Art. 1 Abs. 3 c) der Verordnung (EG) 853/2004 (danach gilt die Verordnung nicht für die direkte Abgabe kleiner Mengen von Primärerzeugnissen durch den Erzeuger an den Endverbraucher oder an örtliche Einzelhandelsunternehmen, die die Erzeugnisse direkt an den Endverbraucher abgeben) der Anwendungsbereich der Verordnung überhaupt eröffnet ist, keine maßgebliche Bedeutung zukommen (vgl. auch die Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg vom 19.07.2007, Seite 23 c der Behördenakte).
32 
Dass der Verordnungsgeber die Grenzen des Unionsrechts überschritten hätte, vermag der Senat nicht festzustellen. Zwar wird die Ermächtigung der Mitgliedstaaten durch Art. 10 Abs. 3 und 4 Verordnung (EG) 853/2004 eingeschränkt. Nach Art. 10 Abs. 3 dürfen diese beim Erlass einzelstaatlicher Vorschriften nach den Absätzen 4 bis 8 „die Erreichung der Ziele dieser Verordnung“ nicht gefährden. Dass dies der Fall wäre, ist indes nicht ersichtlich. Das grundsätzliche Verbot des Inverkehrbringens von Rohmilch zum unmittelbaren menschlichen Verzehr dient gerade den primären Zielen der Verordnung (EG) 853/2004, ein hohes Gesundheitsschutz- und Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (vgl. die Erwägungsgründe 3 und 9 der Verordnung (EG) 853/2004). Mithin kann von einer Gefährdung der Erreichung der Ziele der Verordnung keine Rede sein. Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, die in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV aufgestellte Voraussetzung diene überhaupt keinen hygienerechtlichen Zwecken. Zur Begründung kann auf die nachfolgenden Ausführungen unter 2.a) verwiesen werden. Soweit nach Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004 die einzelstaatlichen Vorschiften u.a. zum Ziel haben, die weitere Anwendung traditioneller Methoden auf allen Produktions-, Verarbeitungs- oder Vertriebsstufen von Lebensmitteln zu ermöglichen, könnte ein generelles Verbot des Inverkehrbringens von Rohmilch zum unmittelbaren menschlichen Verzehr möglicherweise unionsrechtliche Fragen aufwerfen, soweit in dem betreffenden Mitgliedstaat eine entsprechende Tradition bestand (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., C 178 § 17 Tier-LMHV Rn. 5 f.). Hier hat der deutsche Verordnungsgeber indes kein generelles Abgabeverbot erlassen, sondern das grundsätzliche Abgabeverbot nach § 17 Abs. 1 mit den Ausnahmeregelungen in § 17 Abs. 2 bis 4 Tier-LMHV verknüpft. Indem er in Abs. 4 Satz 1 weiterhin ausdrücklich die sog. „Milch-ab-Hof-Abgabe“ zulässt (vgl. die ähnliche Vorgängerregelung in § 8 Abs. 1 Milchverordnung), hat er dieser traditionellen Vertriebsform explizit Rechnung getragen und damit auch Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004 berücksichtigt.
33 
Der Kläger meint ferner, mit § 17 habe der Verordnungsgeber gegen die nach Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 einzuhaltenden „allgemeinen Bestimmungen des Vertrags“ verstoßen. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.
34 
Soweit er sich auf Art. 38 Abs. 1, Art. 39 Abs. 1 b), Art. 39 Abs. 1 e) und Art. 40 Abs. 1 a) AEUV beruft, ist bereits weder dargetan noch sonst für den Senat erkennbar, inwieweit diese Normen geeignet sind, bezogen auf die hier einschlägige Fallgestaltung subjektive Rechte des Klägers zu begründen (vgl. Priebe, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand: März 2011, Art. 38 AEUV Rn. 100; Art. 39 Rn. 2, 6).
35 
Dass die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Zulässigkeit der Abgabe von Rohmilch für den unmittelbaren menschlichen Verzehr unterschiedliche Regelungen treffen dürfen und getroffen haben, ist im Übrigen ersichtlich unionsrechtlich bezweckte, notwendige Folge der speziellen Öffnungsklausel des Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004, die auch mit Blick auf ihren Wortlaut („in seinem Hoheitsgebiet untersagt oder eingeschränkt“) mit einem nicht unerheblichen Gestaltungsspielraum für die Mitgliedstaaten verbunden ist. Schon deshalb scheidet sowohl der behauptete Verstoß gegen die vom Kläger auf Art. 40 Abs. 1 a) AEUV gestützte „Wettbewerbsfreiheit“ wie auch eine Verletzung des Gleichheitssatzes gemäß Art. 20 GRCh aus. Im Übrigen findet die auf einen engen Anwendungsbereich beschränkte Regelung ihre sachliche Rechtfertigung - wie bereits dargelegt - vor allem in den Zielen, ein hohes Gesundheitsschutz- und Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (vgl. Erwägungsgründe 3 und 9 der Verordnung (EG) 853/2004) sowie die weitere Anwendung traditioneller Methoden auf allen Produktions-, Verarbeitungs- oder Vertriebsstufen von Lebensmitteln zu ermöglichen (vgl. Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004). Vor diesem Hintergrund erfährt auch der vom Kläger geltend gemachte Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 15 Abs. 1 GRCh seine Rechtfertigung jedenfalls durch Art. 52 Abs. 1 Satz 1 und 2 GRCh. Zur weiteren Begründung insbesondere zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wird auf die Ausführungen unter 2. b) verwiesen.
36 
Bei alledem kann dahingestellt bleiben, ob es beim Gebrauchmachen der Bundesrepublik Deutschland von der Öffnungsklausel des Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 um die Durchführung des Rechts der Union durch einen Mitgliedstaat im Sinne des Art. 51 Abs. 1 GRCh geht (vgl. dazu Jarass, Charta der Grundrechte, 2. Aufl. 2013, Art. 51 Rn. 11 ff., 16 ff.; Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Auf. 2011, Art. 51 Rn. 24 ff.) und damit der Anwendungsbereich der Grundrechte Charta überhaupt eröffnet ist. Ebenso kann offen bleiben, welche rechtliche Bedeutung insoweit dem Umstand zukommt, dass hier kein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt.
37 
2. Die Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV greift nicht zugunsten des Klägers ein.
38 
a) Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV darf Rohmilch abweichend von Absatz 1 von Milcherzeugungsbetrieben unmittelbar an Verbraucher abgegeben werden, wenn
39 
1. die Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb erfolgt,
2. die Rohmilch im eigenen Betrieb gewonnen und behandelt worden ist,
3. die Rohmilch am Tag der Abgabe oder am Tag zuvor gewonnen worden ist,
4. an der Abgabestelle gut sichtbar und lesbar der Hinweis „Rohmilch, vor dem Verzehr abkochen" angebracht ist und
5. die Abgabe von Rohmilch zuvor der zuständigen Behörde angezeigt worden ist.
40 
Nach der Überzeugung des Senats begrenzt § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV in Fällen, in denen ein landwirtschaftlicher Betrieb mehrere Betriebsstätten aufweist und etwa - wie hier - das Milchvieh nicht am Standort des Stammbetriebs gehalten wird, die Rohmilchabgabe räumlich auf die Örtlichkeit, an der die Milch tatsächlich gewonnen wird. Rohmilch wird nur dann in zulässiger Weise „im Milcherzeugungsbetrieb“ im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV abgegeben, wenn die Abgabe am Standort der Milchgewinnung erfolgt.
41 
Dies legt bereits der Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV nahe. Die normative Aufzählung von fünf Voraussetzungen, die alle kumulativ für das Vorliegen einer Ausnahme erfüllt sein müssen, spricht dafür, dass es sich bei der Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb" nach Nr. 1 um ein Tatbestandsmerkmal mit eigenständiger Aussagekraft handelt. Anders als die wenig ergiebige Legaldefinition des Begriffs „Milcherzeugungsbetrieb“ in § 2 Abs. 2 Nr. 3 Tier-LMHV in Verbindung mit 4.2 des Anhangs 1 der Verordnung (EG) 853/2004 („Betrieb mit einem oder mehreren Nutztieren, die zur Erzeugung von Milch, die als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden, gehalten werden“) deutet die mit der lokalen Präposition verbundene Wendung „im Milcherzeugungsbetrieb“ darauf hin, dass hier eine Aussage über den zulässigen Ort der Rohmilchabgabe getroffen wird. Dies wird durch das Bestehen eines unternehmerischen bzw. betriebswirtschaftlichen Zusammenhangs mit dem Stammbetrieb nicht in Frage gestellt. Denn nach der allgemeinen Definition in Art. 2 Abs. 1 Buchstabe c Verordnung (EG) Nr. 852/2004 ist unter Betrieb jede Einheit eines Lebensmittelunternehmens zu verstehen. Im Gegensatz zu dem in der Verordnung (EG) 178/2002 selbständig definierten Begriff des Lebensmittelunternehmens dürfte der Begriff des Betriebs hier nicht als unternehmerische Zusammenfassung einer Tätigkeit, sondern als eine organisatorische und/oder örtliche Zusammenfassung der Herstellung oder des Inverkehrbringens von Lebensmitteln zu verstehen sein; dabei ist - gerade auch im hygienerechtlichen Kontext - in der Regel davon auszugehen, dass ein Betrieb durch die örtliche Zusammenfassung gebildet wird (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: März 2008, C 170, Art. 2 Verordnung (EG) Nr. 852/2004 Rn. 14). Mithin kann der Teil eines landwirtschaftlichen Betriebs, an dem Milch gewonnen wird, als Milcherzeugungsbetrieb im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV angesehen werden.
42 
Erhärtet wird diese Auslegung durch den Sinn und Zweck der Regelung, der darin besteht, die Gesundheit der Verbraucher vor den potentiellen Risiken zu schützen, die mit dem Verzehr von Rohmilch verbunden sind (vgl. hierzu die amtliche Begründung BRDrucks. 327/07, S. 170; Zipfel/Rathke, a.a.O., C 178, § 17 Tier-LMHV Rn. 1). Alle in Nr. 1 bis 5 kumulativ verlangten Voraussetzungen haben eine hygienerechtliche Komponente. Entgegen der Ansicht des Klägers wird auch mit dem räumlichen Erfordernis der Nr. 1 ein hygienerechtlicher Schutzzweck verfolgt. Zu Recht hat der Beklagte insoweit darauf verwiesen, dass es in der Natur der Rohmilch liegt, dass sie Bakterien enthalten könne, die geeignet seien, die Verbrauchergesundheit zu schädigen, wie zum Beispiel Salmonellen, EHEC, Campylobacter, Listerien etc. (vgl. auch Bundesinstitut für Risikobewertung, Mitteilung vom 29.05.2009 unter http://www.bfr.bund.de/cd/29651; aktueller Bericht Anlage 1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 19.09.2013). Zur Vermeidung lebensmittelbedingter Infektionskrankheiten empfiehlt die WHO in einer ihrer „Zehn Goldenen Regeln“: „always buy pasteurized as opposed to raw milk“. Unstreitig kann sich ein Anfangskeimgehalt der Milch, auch wenn dieser noch nicht die infektiöse Dosis darstellen sollte, aufgrund des für diese Bakterien gut geeigneten Nährmediums Rohmilch bei weiterer Lagerung und Handhabung vermehren. Behandlungsschritte wie Umfüllen, Lagern und Transportieren erhöhen die Kontaminationsgefahr in Form eines zusätzlichen Bakterienantrags. Darüber hinaus kann eine damit einhergehende Unterbrechung der Kühlkette zu Bakterienwachstum führen.
43 
Angesichts der nach Abschluss der Rohmilchgewinnung im Falle zusätzlicher Behandlungsschritte typischerweise auftretenden vermehrten Risiken hat der Verordnungsgeber in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV die Abgabe der Rohmilch mithin der Sache nach räumlich auf den Standort der tatsächlichen Milchgewinnung beschränkt und damit den Transport der Rohmilch als abstrakt risikoerhöhenden Umstand untersagt. An anderen Örtlichkeiten kommt deshalb eine Rohmilchabgabe nicht in Betracht, selbst wenn sie sich in der Verfügungsgewalt des Milcherzeugers befinden (so auch Zipfel/Rathke, a.a.O., § 17 Tier-LMHV Rn. 41).
44 
Diese enge Auslegung wird bestätigt durch die verordnungsrechtliche Systematik. Bei der in § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV geregelten Möglichkeit der „Milch-ab-Hof-Abgabe“ handelt es sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz des Rohmilchabgabeverbots in Absatz 1. Allgemeinen Grundsätzen entsprechend legt dies eine restriktive Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale in § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV nahe. Das spricht dagegen, die Abgabe von Rohmilch an Örtlichkeiten zuzulassen, die zwar Teil des landwirtschaftlichen Betriebs sind, aber mit der eigentlichen Milcherzeugung in keinem räumlichen Zusammenhang stehen. Auch die Vorgaben für die sog. Vorzugsmilch legen einen hygienerechtlichen Schutzzweck der in § 17 Abs. 4 Nr. 1 Tier-LMHV normierten Voraussetzungen nahe. Vorzugsmilch ist Rohmilch, die in Fertigpackungen oder sonst in verschlossene Behältnisse abgefüllt wurde, die aber gehandelt und deshalb vom Verbraucher auch im Einzelhandel erworben werden kann. Im Gegensatz zur unmittelbaren Abgabe von Rohmilch nach § 17 Abs. 4 Tier-LMHV ist die Abgabe von Vorzugsmilch an den Verbraucher örtlich nicht auf den Erzeugungsbetrieb beschränkt, vielmehr erfolgen hier im Anschluss an die Milchgewinnung typischerweise weitere Behandlungsschritte einschließlich des Transports. Allerdings stellt der Verordnungsgeber an Vorzugsmilch auch deutlich strengere Hygieneanforderungen. Während für die unmittelbar abzugebende Rohmilch nach § 17 Abs. 4 Satz 2 Tier-LMHV lediglich die Anforderungen nach Anlage 2 der LMHV entsprechend gelten, muss die Vorzugsmilch insbesondere in einem Milcherzeugungsbetrieb, für den die zuständige Behörde eine vorherige Genehmigung nach § 18 Abs. 1 Tier-LMHV erteilt hat, unter Einhaltung der Anforderungen der (sehr detaillierten) Anlage 9 Kapitel I Nr. 1 und 2 gewonnen und behandelt worden sein (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Tier-LMHV). Wenn der Verordnungsgeber derart strenge hygienische Anforderungen im Falle der Milch-ab-Hof-Abgabe nach § 17 Abs. 4 Tier-LMHV für verzichtbar hält, zeigt dies, dass er von einem engen Anwendungsbereich der Bestimmung ausgeht und der räumlichen Begrenzung des Ausnahmetatbestands auf eine Abgabe am Standort der tatsächlichen Milchgewinnung eine maßgebliche Bedeutung für einen wirksamen gesundheitlichen Verbraucherschutz zuschreibt.
45 
b) In dieser Auslegung begegnet § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
46 
Insbesondere vermag der Senat nicht festzustellen, dass das Erfordernis betroffene Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung verletzt.
47 
Eine hinreichende normative Grundlage im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG liegt vor. Die verordnungsrechtliche Bestimmung findet ihre Ermächtigung in § 13 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 6, § 34 Satz 1 Nr. 1 und 4 LFGB, mithin ist hier die Berufsausübung auf Grund eines Gesetzes geregelt worden.
48 
Auch ein Verstoß gegen den rechtstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz lässt sich nicht feststellen. Das Erfordernis, den Anwendungsbereich der Norm im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, bedeutet noch keine Verletzung des Bestimmtheitsgebots, solange eine solche Auslegung mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.05.1988 - 2 BvR 579/84 -, BVerfGE 78, 205, 212 ff.; BVerfG, Beschluss vom 14.12.2000 - 2 BvR 1741/99, 2 BvR 276/00, 2 BvR 2061/00 -, NJW 2001, 879, 880).
49 
Hiervon ausgehend hat der Senat an der ausreichenden Bestimmtheit der Bestimmung keine durchgreifenden Zweifel. Aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV geht für den Betroffenen erkennbar hervor, dass die Milchabgabe in räumlicher Hinsicht an den „Milcherzeugungsbetrieb“ geknüpft ist. Zwar bedarf es einer weitergehenden Eingrenzung und Konkretisierung der örtlichen Voraussetzungen, diesem Erfordernis kann indes - wie oben dargelegt - im Wege der Auslegung insbesondere anhand der Systematik und des Zwecks der Regelung jedenfalls im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle Rechnung getragen werden. Dabei weist der Senat darauf hin, dass die vom Kläger befürwortete weite Interpretation der Vorschrift mit erheblich größeren Bestimmtheitsdefiziten verbunden wäre. Denn sollte die Regelung nicht an den Ort der tatsächlichen Milchgewinnung anknüpfen, müsste bestimmt werden, ab welcher Distanz zwischen verschiedenen Teilen eines landwirtschaftlichen Betriebs noch von einer Abgabe im „Milcherzeugungsbetrieb“ ausgegangen werden kann. Hierfür sind greifbare Maßstäbe nicht ersichtlich.
50 
Darüber hinaus muss die Regelung durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010 - 1 BvR 1789/10 -, NVwZ 2011, 355; BVerfG, Beschluss vom 26.02.1997 - 1 BvR 1864/94, 1 BvR 1102/95 -, BVerfGE 95, 193, 214). Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt indes nicht vor.
51 
Mit der Beschränkung der Abgabe von Rohmilch auf den Standort der Milchgewinnung regelt der Verordnungsgeber lediglich die Modalitäten der Berufsausübung des Inhabers eines landwirtschaftlichen Betriebs. Selbst wenn die Bestimmung die Ebene der Rentabilität einer beruflichen Tätigkeit berühren sollte, sind Bedrohungen der wirtschaftlichen Existenz der Betreiber derartiger Abgabestellen nicht dessen typische Folge. Denn regelmäßig - wie auch im vorliegenden Fall - gelangt lediglich ein Teil der gewonnenen Milch als Rohmilch zum unmittelbaren Verkauf; außerdem wird der Rohmilchverkauf nicht generell untersagt, sondern lediglich auf den Standort der Milchgewinnung beschränkt.
52 
Mit dem oben dargestellten Zweck der Regelung, die Gesundheit der Verbraucher vor den potentiellen Risiken zu schützen, die mit dem Verzehr von Rohmilch verbunden sind, verfolgt der Verordnungsgeber ein legitimes Anliegen des Gemeinwohls.
53 
Die Regelung ist auch zur Zweckerreichung geeignet, weil mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.). Dem Normgeber kommt auch insoweit ein Einschätzungs- und Prognosevorrang zu; ihm obliegt es, unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will (BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.). Wird der Normgeber zur Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit tätig, so belässt ihm die Verfassung bei der Prognose und Einschätzung der in den Blick genommenen Gefährdung einen Beurteilungsspielraum, der auch von den Fachgerichten bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung zu beachten ist. Der Beurteilungsspielraum ist erst dann überschritten, wenn die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen sein können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2003 - 1 S 377/02 -, VBlBW 2004, 20-28).
54 
Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs ist die Annahme des Verordnungsgebers, dass die in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV vorgenommene räumliche Beschränkung der Abgabe der Rohmilch auf den Standort der tatsächlichen Milchgewinnung zu einer Verringerung der mit einer Rohmilchabgabe einhergehenden Gefahren führt, nicht zu beanstanden. Insbesondere erscheint die Einschätzung naheliegend, der Transport der Rohmilch im Anschluss an die Milchgewinnung sei typischerweise mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden. Entgegen der Ansicht des Klägers reicht diese durch sachverständiger Stellungnahmen hinreichend verlässlich abgesicherte abstrakte Gefährdungslage aus.
55 
Ebenso wie bei der Frage der Geeignetheit verfügt der Normgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.07.2000 - 1 BvR 539/96 -, BVerfGE 102, 197, 218; Urteil vom 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 -, BVerfGE 115, 276, 309). Infolge dieser Einschätzungsprärogative können Maßnahmen, die der Normgeber zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts wie der Eindämmung von Gefahren, die mit der Abgabe von Rohmilch verbunden sind, für erforderlich hält, verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach den dem Normgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht kommen, zwar die gleiche Wirksamkeit versprechen, indessen die Betroffenen weniger belasten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.).
56 
Derartige mildere, aber vergleichbar wirksame Mittel sind vorliegend weder dargetan noch sonst ersichtlich. Dabei kommt auch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift Bedeutung zu. Denn der Verordnungsgeber wollte mit der Bestimmung erkennbar die traditionell praktizierte, inhaltsgleich bereits in der Milchverordnung geregelte „Milch-ab-Hof-Abgabe“ weiter ermöglichen. Damit trug er auch der Regelung in Art. 10 Abs. 4a i) Verordnung (EG) 853/2004 Rechnung. Insoweit lag es nicht fern, auf die Vorgabe besonders strenger hygienerechtlicher Anforderungen nach Art der Vorzugsmilch zu verzichten, aber den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift auf den typischen Fall der „Milch-ab-Hof-Abgabe“ zu begrenzen.
57 
Schließlich ergibt eine Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe, dass die Grenze der Zumutbarkeit und damit der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gewahrt ist. Die räumliche Beschränkung der Rohmilchabgabe dient dem Schutz hochrangiger Gemeinschaftsgüter, nämlich der Gesundheit von Konsumenten vor möglicherweise gravierenden gesundheitlichen Risiken. Auf der anderen Seite beschränken sich die Auswirkungen des Eingriffs, der auf der Ebene der Berufsausübung verbleibt, auf eine Verringerung des Umsatzes aus dem Verkauf der Rohmilch, den der Inhaber eines aus mehreren Teilen bestehenden landwirtschaftlichen Betriebs tendenziell vermeiden kann, indem er die Abgabestelle an den Standort der Milchgewinnung legt. Dass die Milchabgabe insoweit nicht immer am verkehrsgünstigsten und damit lukrativsten Standort erfolgen kann, erscheint dem Betriebsinhaber zumutbar.
58 
Bei alledem nimmt § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV maßgeblich das Verhalten des für das Inverkehrbringen der Rohmilch lebensmittelrechtlich verantwortlichen Milcherzeugers in den Blick und nicht etwa auch ein potentielles Verhalten des Konsumenten im Anschluss an die erfolgte Abgabe der Rohmilch an diesen. Dies kann nicht beanstandet werden.
59 
c) Gemessen hieran erfüllt die Rohmilchabgabe durch den Rohmilchautomaten am Standort Hauptstraße ... nicht das Tatbestandsmerkmal der Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb". Die Milchgewinnung erfolgt in der zwei Kilometer hiervon entfernten im Jahr 1996 errichteten weiteren Betriebsstätte auf dem Flurstück ... ..., in der der neue Milchviehstall steht und die Melk-Technik vorgehalten wird. Auch der behauptete „Notstall" für z.B. kranke Tiere macht den Standort Hauptstraße ... nicht zum Milcherzeugungsbetrieb im Sinne von § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV. Schließlich ist es nach Sinn und Zweck der vom Verordnungsgeber gewollten Beschränkung auch nicht maßgeblich, dass der gegenwärtige Standort des Rohmilchautomaten verkehrsgünstiger liegt und der Milchviehstall für die Kunden des Klägers demgegenüber schwerer zu erreichen wäre.
60 
Da für eine zulässige Rohmilchabgabe sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV kumulativ erfüllt sein müssen, kommt es auf die Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV durch den Kläger nicht an,
61 
3. Die angefochtene Verfügung begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken.
62 
Der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde kam bei der Anordnung nach Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. b) Verordnung (EG) 882/2004 i.V.m. § 17 Tier-LMHV kein Entschließungsermessen zu. Vielmehr war sie verpflichtet, bei Vorliegen eines Verstoßes die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (vgl. bereits oben). Das Abgabeverbot zielt auch darauf ab, dass der Unternehmer Abhilfe schafft (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 102 § 39 Rn. 65).
63 
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Behörde im vorliegenden Fall ein Auswahlermessen eingeräumt war (vgl. ebenfalls bereits oben sowie Senatsurteil vom 02.03.2010, a.a.O., zu § 39 Abs. 2 LFGB). Vielmehr kam als Reaktion auf den Rechtsverstoß allein die Untersagung der Abgabe von Rohmilch am Stammbetrieb des Klägers als zulässige und im Sinne Art. 54 Abs. 1 Verordnung (EG) 882/2004 „erforderliche“ Maßnahme in Betracht (im Ergebnis vergleichbar BayVGH, Beschluss vom 17.01.2011 - 9 ZB 09.2654 -, Juris). Die auf die Fehlerhaftigkeit der Ermessensausübung durch den Beklagten zielenden Angriffe gehen daher ins Leere. Das ergibt sich aus Folgendem:
64 
Nach der Regel-Ausnahme-Systematik des § 17 Tier-LMHV ist das Verbot der Abgabe von Rohmilch klar vorgegeben, wenn keine der Ausnahmen der Absätze 2 bis 4 vorliegt. Zur wirksamen Durchsetzung dieser nach dem eindeutigen Willen des Verordnungsgebers zwingenden Rechtsfolge und in Ansehung des in § 1 Abs. Nr. 1 LFGB normierten Gesetzeszwecks, den Schutz der Verbraucher durch Vorbeugung gegen eine Gefahr für die menschliche Gesundheit sicherzustellen, kommt auch bei Einbeziehung des in Art. 54 Abs. 2 Verordnung (EG) 882/2004 grundsätzlich zur Verfügung stehenden Instrumentariums allein die Untersagung der Abgabe der Rohmilch auf der Grundlage des Art. 54 Abs. 2 Nr. b) Verordnung (EG) 882/2004 in Betracht. Deshalb kann dem Kläger - entgegen seiner Auffassung - die Rohmilchabgabe an seinem Stammbetrieb auch nicht unter Auflagen gestattet werden (Inverkehrbringen unter eigener oder behördlicher Kontrolle, Auflagen der Probenziehung oder der täglichen oder zweitäglichen Leerung des Behälters o.Ä.). Etwas anderes gilt auch nicht mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004). Denn eine Korrektur der Verwaltung im Einzelfall mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt nur in Betracht, soweit das Gesetz bzw. die Verordnung dieser einen Spielraum einräumt (vgl. Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 148; Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 90a). Dies ist hier indes nicht der Fall. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV ist verfassungsrechtlich unbedenkliches zwingendes Recht, die Tier-LMHV sieht eine Zulassung der Rohmilchabgabe unter Verzicht auf dieses Erfordernis etwa im Falle einer „Kompensation“ durch hygienerechtliche Auflagen nicht vor. Ein anderes Ergebnis würde zu einer Verwischung der Grenzen zwischen den einzelnen Ausnahmetatbeständen und damit letztlich zu einer Missachtung des Willens des Normgebers führen.
65 
Unabhängig davon erweist sich die Verfügung auch nicht als unverhältnismäßig im Einzelfall. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte - auch ohne das Vorliegen einer konkreten Gesundheitsgefahr - dem mit den zugrunde liegenden Regelungen geschützten öffentlichen Interesse am vorbeugenden (vgl. dazu Zipfel/Rathke, a.a.O., C 170, § 17 Tier-LMHV Rn. 1; § 1 Nr. 1 LFGB sowie Zipfel/Rathke, a.a.O., C 102, § 1 LFGB, Rn. 14 f.) Gesundheits- und Verbraucherschutz potentieller Konsumenten und damit hochrangigen Rechtsgütern den Vorrang eingeräumt hat. Das vom Kläger angeführte wirtschaftliche Interesse am Rohmilchverkauf an einem verkehrsgünstigen Standort im Ortsteil ... an der B ... führt nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der Verfügung. Bei einer Abwägung der gegenläufigen Interessen ist zunächst von Bedeutung, dass der angestrebte unmittelbare Rohmilchverkauf nur einen Teil der vom Kläger produzierten Milch betrifft. Ferner bezieht sich das Verbot lediglich auf den Stammbetrieb in der Hauptstraße. Auch wenn der Kläger dort den Rohmilchverkauf in der Vergangenheit praktiziert haben sollte, kann er sich auf Bestandsschutz nicht berufen. Es ist ihm - ungeachtet weiterer Möglichkeiten, die Rohmilch zu verwerten (etwa Verkauf nach Pasteurisierung, Verkauf als Vorzugsmilch) - unbenommen, den Rohmilchverkauf an den Standort seines lediglich zwei Kilometer entfernten Milchviehstalls zu verlegen. Dass dem unüberwindbare oder nicht zumutbare Hindernisse entgegenstehen, ist für den Senat nicht ersichtlich. Dieser Standort ist angesichts seiner verkehrsmäßigen Erschließung über die L ... und der Entfernung von lediglich zwei Kilometern für potentielle Kunden mit dem PKW oder dem Fahrrad ohne weiteres erreichbar. Das in der mündlichen Verhandlung erwähnte Problem, der Kundenverkehr könne dort das Arbeiten bzw. den Verkehr mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen beeinträchtigen, erscheint durch entsprechende organisatorische und/oder bauliche Maßnahmen lösbar. Dass möglicherweise notwendig werdende bauliche Maßnahmen (etwa auch ein Unterstand für den Milchautomaten) den Kläger in wirtschaftlicher Hinsicht unverhältnismäßig belasten würden, ist nicht erkennbar. Die Äußerung in der mündlichen Verhandlung, der Standort des Milchviehstalls sei aus hygienischen Gründen für einen Kundenverkehr „problematischer“ als der Abgabeort am Stammbetrieb, ist eine Vermutung des Klägers, die indes - soweit alle sonstigen Vorschriften eingehalten werden - die Eignung des Standorts am Milchviehstall nicht ernsthaft in Frage stellt. Um die Folgen der verkehrsungünstigeren Lage zu mindern, könnte der Kläger schließlich an seinem Stammbetrieb einen deutlichen Hinweis auf den neuen Standort der Rohmilchabgabe installieren. Gleichwohl verbleibende Umsatzeinbußen sind mit Blick auf den Rang der mit der Verfügung geschützten Rechtsgüter hinzunehmen. Vor diesem Hintergrund kann sich eine Unverhältnismäßigkeit schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der „Art des Verstoßes“ oder des „bisherigen Verhaltens“ des Klägers „mit Blick auf Verstöße“ (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004) ergeben.
66 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
67 
Die Revision wird nicht zugelassen (§ 132 VwGO). Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig. Sie lassen sich mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Normauslegung ohne weiteres beantworten.
68 
Beschluss vom 16. Juni 2014
69 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (vgl. §§ 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 2 GKG).
70 
Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
17 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
18 
Die zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 124a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO) eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil ist nicht zu ändern. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
19 
Eine Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.05.2008 (ABl. Nr. C 115 S. 47) - AEUV - hält der Senat nicht für erforderlich. Denn er hat weder Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Bestimmungen des Primärrechts noch der Verordnungen (EG) 882/2004 oder 853/2004. Im Übrigen kann das Urteil des Senats mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden (vgl. Art. 267 Abs. 3 AEUV). Ein solches Rechtsmittel stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde bei Nichtzulassung der Revision gemäß § 133 VwGO dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.10.1997 - 6 B 32/97 -, NVwZ-RR 1998, 752/754; siehe auch Borchardt in Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 5. Aufl., Art. 267 AEUV Rn. 41).
20 
Die als Anfechtungsklage statthafte (vgl. § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) und auch sonst zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vom 15.01.2010 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.07.2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Untersagungsverfügung stellt ihrem Inhalt nach einen Dauerverwaltungsakt dar. Sie verbietet dem Kläger generell für die Zukunft die Abgabe von Rohmilch am Standort des Stammbetriebs und erschöpft sich damit nicht im Verlangen eines einmaligen Tuns oder Unterlassens. Der Senat hat deshalb die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen, da das materielle Recht nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22.01.1998 - 3 C 6/97 -, BVerwGE 106, 141).
I.
21 
Der Beklagte hat die Untersagungsverfügung auf § 39 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) in der derzeit gültigen Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung des LFGB vom 28.05.2014 (BGBl. I 2014, 698) i.V.m. § 17 Tier-LMHV gestützt. Nach § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB trifft die zuständige Behörde - und damit das gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 LFGB i.V.m. § 19 Abs. 1, § 18 Abs. 4 AG-LMGB, § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG zur Lebensmittelüberwachung berufene Landratsamt - die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind. Sie kann dabei u.a. das Herstellen, Behandeln oder das Inverkehrbringen von Erzeugnissen verbieten oder beschränken (vgl. § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LFGB).
22 
Nach Auffassung des Senats ist § 39 Abs. 2 LFGB allerdings nicht anwendbar. Vielmehr ergibt sich im Falle der Feststellung eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften die Befugnisnorm für auf Abhilfe gerichtete Maßnahmen der Lebensmittelbehörde, wie etwa ein Verkehrsverbot, aus Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. b) der Verordnung (EG) 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz vom 29.04.2004 (ABl. L Nr. 165, 1 ff.) .
23 
Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 517/2013 des Rates vom 13.05.2013, ABl. L 158, 1, lautet: Stellt die zuständige Behörde einen Verstoß fest, so trifft sie die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft. Nach Art. 54 Abs. 2 Nr. b) dieser Verordnung kann dazu (u.a.) die Maßnahme der Einschränkung oder Untersagung des Inverkehrbringens von Futtermitteln, Lebensmitteln oder Tieren gehören. Nach der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 10 der Verordnung handelt es sich bei einem Verstoß um die „Nichteinhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrechts und der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz“.
24 
Art. 54 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) 882/2004 gilt unmittelbar und verdrängt wegen des Anwendungsvorrangs des Unionrechts (vgl. Art. 288 AEUV sowie Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Band 3, Stand: August 2012, Art. 288 Rn. 53; Streinz, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2011, B Einführung Rn. 38b) in seinem Anwendungsbereich die nationale Rechtsgrundlage des § 39 Abs. 2 LFGB (vgl. auch § 39 Abs. 2 Satz 3 LFGB sowie die diesbezügliche Gesetzesbegründung, BTDrucks. 16/8100, 20: „Diese Regelungen [= Art. 54 Abs. 1 und 2 Verordnung (EG) 882/2004] sind als unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht von den zuständigen Behörden vorrangig anzuwenden“). Hier liegt ein den Anwendungsvorrang auslösender Kollisionsfall vor (zu diesem Erfordernis vgl. Nettesheim, a.a.O., Art. 288 Rn. 52; Streinz/Herrmann, BayVBl. 2008, 1, 3 f.). In den Erwägungsgründen 2 und 3 der Verordnung (EG) 882/2004 stellt der Verordnungsgeber fest, dass das europäische Futtermittel- und Lebensmittelrecht sowohl in der grundlegenden Verordnung (EG) 178/2002 als auch in speziellen Vorschriften für Bereiche wie Futtermittel- und Lebensmittelhygiene kodifiziert sei. Die Mitgliedstaaten sollten das Futtermittel- und Lebensmittelrecht durchsetzen sowie überwachen und überprüfen, dass die entsprechenden Anforderungen von den Unternehmern auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen eingehalten werden, wofür auf Gemeinschaftsebene ein einheitlicher Rahmen in Form allgemeiner Vorschriften für die Organisation von Kontrollen geschaffen werden sollte (Erwägungsgründe 6 und 7). In Umsetzung der vorstehenden Erwägungsgründe bestimmt Art. 1 der Verordnung (EG) 882/2004 deren Anwendungsbereich dahingehend, dass in der Verordnung allgemeine Regeln für die Durchführung amtlicher Kontrollen u.a. zur Vermeidung, Beseitigung oder Senkung von unmittelbar oder über die Umwelt auftretenden Risiken für Mensch und Tier festgelegt würden. Aus den Erwägungsgründen 41, 42 und 43 ergibt sich, dass Verstöße gegen das Futtermittel- und Lebensmittelrecht „in der gesamten Gemeinschaft Gegenstand wirksamer, abschreckender und angemessener Maßnahmen sein“ sollten. Unter dem Titel VII „Durchsetzungsmaßnahmen“ der Verordnung ist das Kapitel I mit „Nationale Durchsetzungsmaßnahmen“ überschrieben. Der hier normierte Art. 54 („Maßnahmen im Fall eines Verstoßes“) sieht in seinem zweiten Absatz einen konkreten Maßnahmenkatalog vor. Angesichts des aufgezeigten umfassenden Regelungsanspruchs der Verordnung (EG) 882/2004 und der Zielsetzung, den nationalen Behörden für die Durchsetzung des Lebensmittelrechts unmittelbare rechtliche Vorgaben zu machen, hat der Senat keine Zweifel, dass die Mitgliedstaaten bei festgestellten lebensmittelrechtlichen Verstößen Maßnahmen mit dem Ziel der Abhilfe nunmehr auf Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 stützen können (so auch Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: Juli/November 2012, C 102, § 39 LFGB Rn. 10 f., 21, 63 ff.; Meyer/Streinz, LFGB, 2. Aufl. 2012, § 39 Rn. 1, 10, 23; Wehlau, LFGB, 2010, § 39 Rn. 10 ff.; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 05.09.2011 - 5 Bs 139/11 -, NVwZ-RR 2012, 92; unklar: BayVGH, Beschluss vom 26.11.2011 - 9 ZB 09.2116 -, Juris; zum Verbot, unmittelbar geltende Vorschriften des EU-Rechts im Recht der Mitgliedstaaten zu wiederholen vgl. König in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 2. Aufl. 2010, § 2 Rn. 41 m.w.N.; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243, 247; zur Problematik der Rechtsunsicherheit in der deutschen Überwachungspraxis vgl. dies., ZLR 2010, 243, 246; Meyer/Streinz, a.a.O., § 39 Rn. 1). Ob bzw. inwieweit § 39 Abs. 2 LFGB etwa bei Maßnahmen zur Feststellung oder zur Ausräumung eines bestimmten Verdachts über die unionsrechtliche Ermächtigung in Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 hinausgeht und deshalb insoweit weiter anwendbar bleibt, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. dazu Zipfel/Rathke, a.a.O., § 39 LFGB Rn. 10; Meyer/Streinz, a.a.O., § 39 Rn. 1; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243 ff.).
25 
Ungeachtet der anders lautenden behördlichen Begründung kann die angefochtene Verfügung auf Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 gestützt werden.
26 
§ 39 Abs. 2 LFGB und Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 sind ähnlich aufgebaut, sie bestehen aus einer Generalklausel (§ 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB bzw. Art. 54 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) 882/2004) und einer beispielartigen, nicht abschließenden Aufzählung möglicher Maßnahmen (§ 39 Abs. 2 Satz 2 LFGB sowie Art. 54 Abs. 2 der Verordnung (EG) 882/2004; vgl. Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 10). Weder in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzungen noch die Rechtsfolgen weisen die Bestimmungen relevante Unterschiede auf: Beide setzen die Feststellung eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften voraus und verpflichten die Behörde („trifft die zuständige Behörde“ bzw. „trifft sie“) zu notwendigen bzw. erforderlichen Maßnahmen (kein Entschließungsermessen; zu Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 vgl. VG Hannover, Urteil vom 27.06.2012 - 9 A 50/12 -, Juris, zu § 39 Abs. 2 LFGB vgl. Senatsurteil vom 02.03.2010 - 9 S 171/09 -, VBlBW 2010, 314, sowie Senatsbeschluss vom 12.11.1997 - 9 S 2530/97 -, VBlBW 1998, 186; Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 40; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 102 § 39 Rn. 17 f.). Diese können insbesondere auch in dem Verbot bzw. der Untersagung des Inverkehrbringens von Erzeugnissen bzw. Lebensmitteln bestehen. Allenfalls im Hinblick auf die im Einzelfall konkret zu ergreifende Maßnahme ist der Behörde im Grundsatz ein Auswahlermessen eingeräumt. Angesichts der Parallelität beider Normen ist nicht erkennbar, weshalb diese vom Senat zu § 39 Abs. 2 LFGB vertretene Auffassung (vgl. Senatsurteil vom 02.03.2010, a.a.O.; Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 40) nicht auch für die unionsrechtliche Rechtsgrundlage zu gelten hätte. Im Rahmen ihrer Entscheidung hat die Behörde schließlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: März 2013, C 102, § 39 Rn. 17 f.; 73).
27 
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist ein Auswechseln der Rechtsgrundlage zulässig. Denn dies führt weder zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Verwaltungsakts noch wird die Rechtsverfolgung des Klägers in beachtlicher Weise erschwert (zu diesem Maßstab vgl. BVerwG, Urteil vom 27.01.1982 - 8 C 127/81 -, BVerwGE 64, 356; Urteil vom 21.11.1989 - 9 C 28/89 -, NVwZ 1990, 673). Angesichts des identischen Befugnisrahmens und der gleich gerichteten Ermessensdirektiven würde dies selbst dann gelten, wenn der Behörde im konkreten Fall ein Auswahlermessen bezüglich der konkret zu treffenden Maßnahmen eingeräumt gewesen wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.05.1994 - 5 S 2637/93 -, NVwZ 1995, 397; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. Ergänzungslieferung 2013, § 113 Rn. 21; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 54). Dies war indes nicht der Fall (dazu noch unten unter II. 3.). Handelte es sich mithin bei der gegenständlichen Maßnahme um eine gebundene Entscheidung, war der Senat berechtigt und verpflichtet, die unionsrechtliche Rechtsgrundlage zu berücksichtigen (vgl. nur Schmidt, in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 113 Rn. 17, 22).
II.
28 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004liegen vor. Die Abgabe von Rohmilch durch den am Stammbetrieb des Klägers aufgestellten Rohmilchautomaten begründet einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Tier-LMHV; der Inhalt der Verordnung (EG) 853/2004 (ABI. L 139 vom 30.04.2004, S. 55) steht einer Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen (hierzu unter 1.). Die Voraussetzungen der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV sind nicht gegeben (hierzu unter 2.). Zur Beseitigung des festgestellten Verstoßes und zur Verhütung künftiger Verstöße war die Untersagung der Rohmilchabgabe „erforderlich“ im Sinne Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft; auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war die gegenständliche Maßnahme nicht zu beanstanden (dazu unter 3.).
29 
1. Nach § 17 Abs. 1 Tier-LMHV ist es verboten, Rohmilch oder Rohrahm an Verbraucher abzugeben.
30 
a) Auch eine Nichteinhaltung dieser nationalen Vorschrift des Lebensmittelrechts ist geeignet, einen „Verstoß“ im Sinne des Art. 54 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 zu begründen (zu diesem Begriff vgl. Art. 2 Nr. 10 der Verordnung). Nach Art. 2 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 gelten für die Zwecke der vorliegenden Verordnung die Begriffsbestimmungen der Artikel 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Gemäß Art. 3 dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Lebensmittelrecht“ die Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Lebensmittel im Allgemeinen und die Lebensmittelsicherheit im Besonderen, sei es auf gemeinschaftlicheroder auf einzelstaatlicher Ebene (Hervorhebung nur hier). Mithin ist dieses Verständnis auch der Auslegung des Art. 54 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 zugrunde zu legen (so ausdrücklich auch Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243, 249; vgl. auch Zipfel/Rathke, a.a.O., § 39 LFGB Rn. 67 und C 101, Art. 3 Verordnung (EG) Nr. 178/2002, Rn. 6).
31 
b) § 17 Abs. 1 Tier-LMHV beruht auf einer eigenständigen nationalen Rechtsgrundlage. Der Verordnungsgeber hat sich hierbei ausdrücklich auf die spezielle Ermächtigung in Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 (ABI. L 139 vom 30.4.2004, S. 55) gestützt, die es dem einzelnen Mitgliedstaat überlässt, aus eigener Initiative und unter Einhaltung der allgemeinen Bestimmungen des Primärrechts einzelstaatliche Vorschriften beizubehalten oder einzuführen, mit denen das Inverkehrbringen von Rohmilch oder Rohrahm, die für den unmittelbaren menschlichen Verzehr bestimmt sind, in seinem Hoheitsgebiet untersagt oder eingeschränkt wird (vgl. BRDrucks. 327/07, Amtliche Begründung zu § 17; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 178 § 17 Tier-LMHV Rn. 3 ff.). Da es sich um eine spezielle, rein mitgliedstaatliche Regelung handelt, dürfte auch der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob mit Blick auf Art. 1 Abs. 3 c) der Verordnung (EG) 853/2004 (danach gilt die Verordnung nicht für die direkte Abgabe kleiner Mengen von Primärerzeugnissen durch den Erzeuger an den Endverbraucher oder an örtliche Einzelhandelsunternehmen, die die Erzeugnisse direkt an den Endverbraucher abgeben) der Anwendungsbereich der Verordnung überhaupt eröffnet ist, keine maßgebliche Bedeutung zukommen (vgl. auch die Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg vom 19.07.2007, Seite 23 c der Behördenakte).
32 
Dass der Verordnungsgeber die Grenzen des Unionsrechts überschritten hätte, vermag der Senat nicht festzustellen. Zwar wird die Ermächtigung der Mitgliedstaaten durch Art. 10 Abs. 3 und 4 Verordnung (EG) 853/2004 eingeschränkt. Nach Art. 10 Abs. 3 dürfen diese beim Erlass einzelstaatlicher Vorschriften nach den Absätzen 4 bis 8 „die Erreichung der Ziele dieser Verordnung“ nicht gefährden. Dass dies der Fall wäre, ist indes nicht ersichtlich. Das grundsätzliche Verbot des Inverkehrbringens von Rohmilch zum unmittelbaren menschlichen Verzehr dient gerade den primären Zielen der Verordnung (EG) 853/2004, ein hohes Gesundheitsschutz- und Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (vgl. die Erwägungsgründe 3 und 9 der Verordnung (EG) 853/2004). Mithin kann von einer Gefährdung der Erreichung der Ziele der Verordnung keine Rede sein. Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, die in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV aufgestellte Voraussetzung diene überhaupt keinen hygienerechtlichen Zwecken. Zur Begründung kann auf die nachfolgenden Ausführungen unter 2.a) verwiesen werden. Soweit nach Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004 die einzelstaatlichen Vorschiften u.a. zum Ziel haben, die weitere Anwendung traditioneller Methoden auf allen Produktions-, Verarbeitungs- oder Vertriebsstufen von Lebensmitteln zu ermöglichen, könnte ein generelles Verbot des Inverkehrbringens von Rohmilch zum unmittelbaren menschlichen Verzehr möglicherweise unionsrechtliche Fragen aufwerfen, soweit in dem betreffenden Mitgliedstaat eine entsprechende Tradition bestand (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., C 178 § 17 Tier-LMHV Rn. 5 f.). Hier hat der deutsche Verordnungsgeber indes kein generelles Abgabeverbot erlassen, sondern das grundsätzliche Abgabeverbot nach § 17 Abs. 1 mit den Ausnahmeregelungen in § 17 Abs. 2 bis 4 Tier-LMHV verknüpft. Indem er in Abs. 4 Satz 1 weiterhin ausdrücklich die sog. „Milch-ab-Hof-Abgabe“ zulässt (vgl. die ähnliche Vorgängerregelung in § 8 Abs. 1 Milchverordnung), hat er dieser traditionellen Vertriebsform explizit Rechnung getragen und damit auch Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004 berücksichtigt.
33 
Der Kläger meint ferner, mit § 17 habe der Verordnungsgeber gegen die nach Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 einzuhaltenden „allgemeinen Bestimmungen des Vertrags“ verstoßen. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.
34 
Soweit er sich auf Art. 38 Abs. 1, Art. 39 Abs. 1 b), Art. 39 Abs. 1 e) und Art. 40 Abs. 1 a) AEUV beruft, ist bereits weder dargetan noch sonst für den Senat erkennbar, inwieweit diese Normen geeignet sind, bezogen auf die hier einschlägige Fallgestaltung subjektive Rechte des Klägers zu begründen (vgl. Priebe, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand: März 2011, Art. 38 AEUV Rn. 100; Art. 39 Rn. 2, 6).
35 
Dass die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Zulässigkeit der Abgabe von Rohmilch für den unmittelbaren menschlichen Verzehr unterschiedliche Regelungen treffen dürfen und getroffen haben, ist im Übrigen ersichtlich unionsrechtlich bezweckte, notwendige Folge der speziellen Öffnungsklausel des Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004, die auch mit Blick auf ihren Wortlaut („in seinem Hoheitsgebiet untersagt oder eingeschränkt“) mit einem nicht unerheblichen Gestaltungsspielraum für die Mitgliedstaaten verbunden ist. Schon deshalb scheidet sowohl der behauptete Verstoß gegen die vom Kläger auf Art. 40 Abs. 1 a) AEUV gestützte „Wettbewerbsfreiheit“ wie auch eine Verletzung des Gleichheitssatzes gemäß Art. 20 GRCh aus. Im Übrigen findet die auf einen engen Anwendungsbereich beschränkte Regelung ihre sachliche Rechtfertigung - wie bereits dargelegt - vor allem in den Zielen, ein hohes Gesundheitsschutz- und Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (vgl. Erwägungsgründe 3 und 9 der Verordnung (EG) 853/2004) sowie die weitere Anwendung traditioneller Methoden auf allen Produktions-, Verarbeitungs- oder Vertriebsstufen von Lebensmitteln zu ermöglichen (vgl. Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004). Vor diesem Hintergrund erfährt auch der vom Kläger geltend gemachte Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 15 Abs. 1 GRCh seine Rechtfertigung jedenfalls durch Art. 52 Abs. 1 Satz 1 und 2 GRCh. Zur weiteren Begründung insbesondere zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wird auf die Ausführungen unter 2. b) verwiesen.
36 
Bei alledem kann dahingestellt bleiben, ob es beim Gebrauchmachen der Bundesrepublik Deutschland von der Öffnungsklausel des Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 um die Durchführung des Rechts der Union durch einen Mitgliedstaat im Sinne des Art. 51 Abs. 1 GRCh geht (vgl. dazu Jarass, Charta der Grundrechte, 2. Aufl. 2013, Art. 51 Rn. 11 ff., 16 ff.; Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Auf. 2011, Art. 51 Rn. 24 ff.) und damit der Anwendungsbereich der Grundrechte Charta überhaupt eröffnet ist. Ebenso kann offen bleiben, welche rechtliche Bedeutung insoweit dem Umstand zukommt, dass hier kein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt.
37 
2. Die Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV greift nicht zugunsten des Klägers ein.
38 
a) Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV darf Rohmilch abweichend von Absatz 1 von Milcherzeugungsbetrieben unmittelbar an Verbraucher abgegeben werden, wenn
39 
1. die Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb erfolgt,
2. die Rohmilch im eigenen Betrieb gewonnen und behandelt worden ist,
3. die Rohmilch am Tag der Abgabe oder am Tag zuvor gewonnen worden ist,
4. an der Abgabestelle gut sichtbar und lesbar der Hinweis „Rohmilch, vor dem Verzehr abkochen" angebracht ist und
5. die Abgabe von Rohmilch zuvor der zuständigen Behörde angezeigt worden ist.
40 
Nach der Überzeugung des Senats begrenzt § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV in Fällen, in denen ein landwirtschaftlicher Betrieb mehrere Betriebsstätten aufweist und etwa - wie hier - das Milchvieh nicht am Standort des Stammbetriebs gehalten wird, die Rohmilchabgabe räumlich auf die Örtlichkeit, an der die Milch tatsächlich gewonnen wird. Rohmilch wird nur dann in zulässiger Weise „im Milcherzeugungsbetrieb“ im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV abgegeben, wenn die Abgabe am Standort der Milchgewinnung erfolgt.
41 
Dies legt bereits der Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV nahe. Die normative Aufzählung von fünf Voraussetzungen, die alle kumulativ für das Vorliegen einer Ausnahme erfüllt sein müssen, spricht dafür, dass es sich bei der Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb" nach Nr. 1 um ein Tatbestandsmerkmal mit eigenständiger Aussagekraft handelt. Anders als die wenig ergiebige Legaldefinition des Begriffs „Milcherzeugungsbetrieb“ in § 2 Abs. 2 Nr. 3 Tier-LMHV in Verbindung mit 4.2 des Anhangs 1 der Verordnung (EG) 853/2004 („Betrieb mit einem oder mehreren Nutztieren, die zur Erzeugung von Milch, die als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden, gehalten werden“) deutet die mit der lokalen Präposition verbundene Wendung „im Milcherzeugungsbetrieb“ darauf hin, dass hier eine Aussage über den zulässigen Ort der Rohmilchabgabe getroffen wird. Dies wird durch das Bestehen eines unternehmerischen bzw. betriebswirtschaftlichen Zusammenhangs mit dem Stammbetrieb nicht in Frage gestellt. Denn nach der allgemeinen Definition in Art. 2 Abs. 1 Buchstabe c Verordnung (EG) Nr. 852/2004 ist unter Betrieb jede Einheit eines Lebensmittelunternehmens zu verstehen. Im Gegensatz zu dem in der Verordnung (EG) 178/2002 selbständig definierten Begriff des Lebensmittelunternehmens dürfte der Begriff des Betriebs hier nicht als unternehmerische Zusammenfassung einer Tätigkeit, sondern als eine organisatorische und/oder örtliche Zusammenfassung der Herstellung oder des Inverkehrbringens von Lebensmitteln zu verstehen sein; dabei ist - gerade auch im hygienerechtlichen Kontext - in der Regel davon auszugehen, dass ein Betrieb durch die örtliche Zusammenfassung gebildet wird (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: März 2008, C 170, Art. 2 Verordnung (EG) Nr. 852/2004 Rn. 14). Mithin kann der Teil eines landwirtschaftlichen Betriebs, an dem Milch gewonnen wird, als Milcherzeugungsbetrieb im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV angesehen werden.
42 
Erhärtet wird diese Auslegung durch den Sinn und Zweck der Regelung, der darin besteht, die Gesundheit der Verbraucher vor den potentiellen Risiken zu schützen, die mit dem Verzehr von Rohmilch verbunden sind (vgl. hierzu die amtliche Begründung BRDrucks. 327/07, S. 170; Zipfel/Rathke, a.a.O., C 178, § 17 Tier-LMHV Rn. 1). Alle in Nr. 1 bis 5 kumulativ verlangten Voraussetzungen haben eine hygienerechtliche Komponente. Entgegen der Ansicht des Klägers wird auch mit dem räumlichen Erfordernis der Nr. 1 ein hygienerechtlicher Schutzzweck verfolgt. Zu Recht hat der Beklagte insoweit darauf verwiesen, dass es in der Natur der Rohmilch liegt, dass sie Bakterien enthalten könne, die geeignet seien, die Verbrauchergesundheit zu schädigen, wie zum Beispiel Salmonellen, EHEC, Campylobacter, Listerien etc. (vgl. auch Bundesinstitut für Risikobewertung, Mitteilung vom 29.05.2009 unter http://www.bfr.bund.de/cd/29651; aktueller Bericht Anlage 1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 19.09.2013). Zur Vermeidung lebensmittelbedingter Infektionskrankheiten empfiehlt die WHO in einer ihrer „Zehn Goldenen Regeln“: „always buy pasteurized as opposed to raw milk“. Unstreitig kann sich ein Anfangskeimgehalt der Milch, auch wenn dieser noch nicht die infektiöse Dosis darstellen sollte, aufgrund des für diese Bakterien gut geeigneten Nährmediums Rohmilch bei weiterer Lagerung und Handhabung vermehren. Behandlungsschritte wie Umfüllen, Lagern und Transportieren erhöhen die Kontaminationsgefahr in Form eines zusätzlichen Bakterienantrags. Darüber hinaus kann eine damit einhergehende Unterbrechung der Kühlkette zu Bakterienwachstum führen.
43 
Angesichts der nach Abschluss der Rohmilchgewinnung im Falle zusätzlicher Behandlungsschritte typischerweise auftretenden vermehrten Risiken hat der Verordnungsgeber in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV die Abgabe der Rohmilch mithin der Sache nach räumlich auf den Standort der tatsächlichen Milchgewinnung beschränkt und damit den Transport der Rohmilch als abstrakt risikoerhöhenden Umstand untersagt. An anderen Örtlichkeiten kommt deshalb eine Rohmilchabgabe nicht in Betracht, selbst wenn sie sich in der Verfügungsgewalt des Milcherzeugers befinden (so auch Zipfel/Rathke, a.a.O., § 17 Tier-LMHV Rn. 41).
44 
Diese enge Auslegung wird bestätigt durch die verordnungsrechtliche Systematik. Bei der in § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV geregelten Möglichkeit der „Milch-ab-Hof-Abgabe“ handelt es sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz des Rohmilchabgabeverbots in Absatz 1. Allgemeinen Grundsätzen entsprechend legt dies eine restriktive Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale in § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV nahe. Das spricht dagegen, die Abgabe von Rohmilch an Örtlichkeiten zuzulassen, die zwar Teil des landwirtschaftlichen Betriebs sind, aber mit der eigentlichen Milcherzeugung in keinem räumlichen Zusammenhang stehen. Auch die Vorgaben für die sog. Vorzugsmilch legen einen hygienerechtlichen Schutzzweck der in § 17 Abs. 4 Nr. 1 Tier-LMHV normierten Voraussetzungen nahe. Vorzugsmilch ist Rohmilch, die in Fertigpackungen oder sonst in verschlossene Behältnisse abgefüllt wurde, die aber gehandelt und deshalb vom Verbraucher auch im Einzelhandel erworben werden kann. Im Gegensatz zur unmittelbaren Abgabe von Rohmilch nach § 17 Abs. 4 Tier-LMHV ist die Abgabe von Vorzugsmilch an den Verbraucher örtlich nicht auf den Erzeugungsbetrieb beschränkt, vielmehr erfolgen hier im Anschluss an die Milchgewinnung typischerweise weitere Behandlungsschritte einschließlich des Transports. Allerdings stellt der Verordnungsgeber an Vorzugsmilch auch deutlich strengere Hygieneanforderungen. Während für die unmittelbar abzugebende Rohmilch nach § 17 Abs. 4 Satz 2 Tier-LMHV lediglich die Anforderungen nach Anlage 2 der LMHV entsprechend gelten, muss die Vorzugsmilch insbesondere in einem Milcherzeugungsbetrieb, für den die zuständige Behörde eine vorherige Genehmigung nach § 18 Abs. 1 Tier-LMHV erteilt hat, unter Einhaltung der Anforderungen der (sehr detaillierten) Anlage 9 Kapitel I Nr. 1 und 2 gewonnen und behandelt worden sein (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Tier-LMHV). Wenn der Verordnungsgeber derart strenge hygienische Anforderungen im Falle der Milch-ab-Hof-Abgabe nach § 17 Abs. 4 Tier-LMHV für verzichtbar hält, zeigt dies, dass er von einem engen Anwendungsbereich der Bestimmung ausgeht und der räumlichen Begrenzung des Ausnahmetatbestands auf eine Abgabe am Standort der tatsächlichen Milchgewinnung eine maßgebliche Bedeutung für einen wirksamen gesundheitlichen Verbraucherschutz zuschreibt.
45 
b) In dieser Auslegung begegnet § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
46 
Insbesondere vermag der Senat nicht festzustellen, dass das Erfordernis betroffene Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung verletzt.
47 
Eine hinreichende normative Grundlage im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG liegt vor. Die verordnungsrechtliche Bestimmung findet ihre Ermächtigung in § 13 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 6, § 34 Satz 1 Nr. 1 und 4 LFGB, mithin ist hier die Berufsausübung auf Grund eines Gesetzes geregelt worden.
48 
Auch ein Verstoß gegen den rechtstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz lässt sich nicht feststellen. Das Erfordernis, den Anwendungsbereich der Norm im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, bedeutet noch keine Verletzung des Bestimmtheitsgebots, solange eine solche Auslegung mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.05.1988 - 2 BvR 579/84 -, BVerfGE 78, 205, 212 ff.; BVerfG, Beschluss vom 14.12.2000 - 2 BvR 1741/99, 2 BvR 276/00, 2 BvR 2061/00 -, NJW 2001, 879, 880).
49 
Hiervon ausgehend hat der Senat an der ausreichenden Bestimmtheit der Bestimmung keine durchgreifenden Zweifel. Aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV geht für den Betroffenen erkennbar hervor, dass die Milchabgabe in räumlicher Hinsicht an den „Milcherzeugungsbetrieb“ geknüpft ist. Zwar bedarf es einer weitergehenden Eingrenzung und Konkretisierung der örtlichen Voraussetzungen, diesem Erfordernis kann indes - wie oben dargelegt - im Wege der Auslegung insbesondere anhand der Systematik und des Zwecks der Regelung jedenfalls im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle Rechnung getragen werden. Dabei weist der Senat darauf hin, dass die vom Kläger befürwortete weite Interpretation der Vorschrift mit erheblich größeren Bestimmtheitsdefiziten verbunden wäre. Denn sollte die Regelung nicht an den Ort der tatsächlichen Milchgewinnung anknüpfen, müsste bestimmt werden, ab welcher Distanz zwischen verschiedenen Teilen eines landwirtschaftlichen Betriebs noch von einer Abgabe im „Milcherzeugungsbetrieb“ ausgegangen werden kann. Hierfür sind greifbare Maßstäbe nicht ersichtlich.
50 
Darüber hinaus muss die Regelung durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010 - 1 BvR 1789/10 -, NVwZ 2011, 355; BVerfG, Beschluss vom 26.02.1997 - 1 BvR 1864/94, 1 BvR 1102/95 -, BVerfGE 95, 193, 214). Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt indes nicht vor.
51 
Mit der Beschränkung der Abgabe von Rohmilch auf den Standort der Milchgewinnung regelt der Verordnungsgeber lediglich die Modalitäten der Berufsausübung des Inhabers eines landwirtschaftlichen Betriebs. Selbst wenn die Bestimmung die Ebene der Rentabilität einer beruflichen Tätigkeit berühren sollte, sind Bedrohungen der wirtschaftlichen Existenz der Betreiber derartiger Abgabestellen nicht dessen typische Folge. Denn regelmäßig - wie auch im vorliegenden Fall - gelangt lediglich ein Teil der gewonnenen Milch als Rohmilch zum unmittelbaren Verkauf; außerdem wird der Rohmilchverkauf nicht generell untersagt, sondern lediglich auf den Standort der Milchgewinnung beschränkt.
52 
Mit dem oben dargestellten Zweck der Regelung, die Gesundheit der Verbraucher vor den potentiellen Risiken zu schützen, die mit dem Verzehr von Rohmilch verbunden sind, verfolgt der Verordnungsgeber ein legitimes Anliegen des Gemeinwohls.
53 
Die Regelung ist auch zur Zweckerreichung geeignet, weil mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.). Dem Normgeber kommt auch insoweit ein Einschätzungs- und Prognosevorrang zu; ihm obliegt es, unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will (BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.). Wird der Normgeber zur Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit tätig, so belässt ihm die Verfassung bei der Prognose und Einschätzung der in den Blick genommenen Gefährdung einen Beurteilungsspielraum, der auch von den Fachgerichten bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung zu beachten ist. Der Beurteilungsspielraum ist erst dann überschritten, wenn die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen sein können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2003 - 1 S 377/02 -, VBlBW 2004, 20-28).
54 
Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs ist die Annahme des Verordnungsgebers, dass die in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV vorgenommene räumliche Beschränkung der Abgabe der Rohmilch auf den Standort der tatsächlichen Milchgewinnung zu einer Verringerung der mit einer Rohmilchabgabe einhergehenden Gefahren führt, nicht zu beanstanden. Insbesondere erscheint die Einschätzung naheliegend, der Transport der Rohmilch im Anschluss an die Milchgewinnung sei typischerweise mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden. Entgegen der Ansicht des Klägers reicht diese durch sachverständiger Stellungnahmen hinreichend verlässlich abgesicherte abstrakte Gefährdungslage aus.
55 
Ebenso wie bei der Frage der Geeignetheit verfügt der Normgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.07.2000 - 1 BvR 539/96 -, BVerfGE 102, 197, 218; Urteil vom 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 -, BVerfGE 115, 276, 309). Infolge dieser Einschätzungsprärogative können Maßnahmen, die der Normgeber zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts wie der Eindämmung von Gefahren, die mit der Abgabe von Rohmilch verbunden sind, für erforderlich hält, verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach den dem Normgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht kommen, zwar die gleiche Wirksamkeit versprechen, indessen die Betroffenen weniger belasten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.).
56 
Derartige mildere, aber vergleichbar wirksame Mittel sind vorliegend weder dargetan noch sonst ersichtlich. Dabei kommt auch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift Bedeutung zu. Denn der Verordnungsgeber wollte mit der Bestimmung erkennbar die traditionell praktizierte, inhaltsgleich bereits in der Milchverordnung geregelte „Milch-ab-Hof-Abgabe“ weiter ermöglichen. Damit trug er auch der Regelung in Art. 10 Abs. 4a i) Verordnung (EG) 853/2004 Rechnung. Insoweit lag es nicht fern, auf die Vorgabe besonders strenger hygienerechtlicher Anforderungen nach Art der Vorzugsmilch zu verzichten, aber den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift auf den typischen Fall der „Milch-ab-Hof-Abgabe“ zu begrenzen.
57 
Schließlich ergibt eine Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe, dass die Grenze der Zumutbarkeit und damit der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gewahrt ist. Die räumliche Beschränkung der Rohmilchabgabe dient dem Schutz hochrangiger Gemeinschaftsgüter, nämlich der Gesundheit von Konsumenten vor möglicherweise gravierenden gesundheitlichen Risiken. Auf der anderen Seite beschränken sich die Auswirkungen des Eingriffs, der auf der Ebene der Berufsausübung verbleibt, auf eine Verringerung des Umsatzes aus dem Verkauf der Rohmilch, den der Inhaber eines aus mehreren Teilen bestehenden landwirtschaftlichen Betriebs tendenziell vermeiden kann, indem er die Abgabestelle an den Standort der Milchgewinnung legt. Dass die Milchabgabe insoweit nicht immer am verkehrsgünstigsten und damit lukrativsten Standort erfolgen kann, erscheint dem Betriebsinhaber zumutbar.
58 
Bei alledem nimmt § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV maßgeblich das Verhalten des für das Inverkehrbringen der Rohmilch lebensmittelrechtlich verantwortlichen Milcherzeugers in den Blick und nicht etwa auch ein potentielles Verhalten des Konsumenten im Anschluss an die erfolgte Abgabe der Rohmilch an diesen. Dies kann nicht beanstandet werden.
59 
c) Gemessen hieran erfüllt die Rohmilchabgabe durch den Rohmilchautomaten am Standort Hauptstraße ... nicht das Tatbestandsmerkmal der Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb". Die Milchgewinnung erfolgt in der zwei Kilometer hiervon entfernten im Jahr 1996 errichteten weiteren Betriebsstätte auf dem Flurstück ... ..., in der der neue Milchviehstall steht und die Melk-Technik vorgehalten wird. Auch der behauptete „Notstall" für z.B. kranke Tiere macht den Standort Hauptstraße ... nicht zum Milcherzeugungsbetrieb im Sinne von § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV. Schließlich ist es nach Sinn und Zweck der vom Verordnungsgeber gewollten Beschränkung auch nicht maßgeblich, dass der gegenwärtige Standort des Rohmilchautomaten verkehrsgünstiger liegt und der Milchviehstall für die Kunden des Klägers demgegenüber schwerer zu erreichen wäre.
60 
Da für eine zulässige Rohmilchabgabe sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV kumulativ erfüllt sein müssen, kommt es auf die Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV durch den Kläger nicht an,
61 
3. Die angefochtene Verfügung begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken.
62 
Der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde kam bei der Anordnung nach Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. b) Verordnung (EG) 882/2004 i.V.m. § 17 Tier-LMHV kein Entschließungsermessen zu. Vielmehr war sie verpflichtet, bei Vorliegen eines Verstoßes die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (vgl. bereits oben). Das Abgabeverbot zielt auch darauf ab, dass der Unternehmer Abhilfe schafft (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 102 § 39 Rn. 65).
63 
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Behörde im vorliegenden Fall ein Auswahlermessen eingeräumt war (vgl. ebenfalls bereits oben sowie Senatsurteil vom 02.03.2010, a.a.O., zu § 39 Abs. 2 LFGB). Vielmehr kam als Reaktion auf den Rechtsverstoß allein die Untersagung der Abgabe von Rohmilch am Stammbetrieb des Klägers als zulässige und im Sinne Art. 54 Abs. 1 Verordnung (EG) 882/2004 „erforderliche“ Maßnahme in Betracht (im Ergebnis vergleichbar BayVGH, Beschluss vom 17.01.2011 - 9 ZB 09.2654 -, Juris). Die auf die Fehlerhaftigkeit der Ermessensausübung durch den Beklagten zielenden Angriffe gehen daher ins Leere. Das ergibt sich aus Folgendem:
64 
Nach der Regel-Ausnahme-Systematik des § 17 Tier-LMHV ist das Verbot der Abgabe von Rohmilch klar vorgegeben, wenn keine der Ausnahmen der Absätze 2 bis 4 vorliegt. Zur wirksamen Durchsetzung dieser nach dem eindeutigen Willen des Verordnungsgebers zwingenden Rechtsfolge und in Ansehung des in § 1 Abs. Nr. 1 LFGB normierten Gesetzeszwecks, den Schutz der Verbraucher durch Vorbeugung gegen eine Gefahr für die menschliche Gesundheit sicherzustellen, kommt auch bei Einbeziehung des in Art. 54 Abs. 2 Verordnung (EG) 882/2004 grundsätzlich zur Verfügung stehenden Instrumentariums allein die Untersagung der Abgabe der Rohmilch auf der Grundlage des Art. 54 Abs. 2 Nr. b) Verordnung (EG) 882/2004 in Betracht. Deshalb kann dem Kläger - entgegen seiner Auffassung - die Rohmilchabgabe an seinem Stammbetrieb auch nicht unter Auflagen gestattet werden (Inverkehrbringen unter eigener oder behördlicher Kontrolle, Auflagen der Probenziehung oder der täglichen oder zweitäglichen Leerung des Behälters o.Ä.). Etwas anderes gilt auch nicht mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004). Denn eine Korrektur der Verwaltung im Einzelfall mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt nur in Betracht, soweit das Gesetz bzw. die Verordnung dieser einen Spielraum einräumt (vgl. Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 148; Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 90a). Dies ist hier indes nicht der Fall. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV ist verfassungsrechtlich unbedenkliches zwingendes Recht, die Tier-LMHV sieht eine Zulassung der Rohmilchabgabe unter Verzicht auf dieses Erfordernis etwa im Falle einer „Kompensation“ durch hygienerechtliche Auflagen nicht vor. Ein anderes Ergebnis würde zu einer Verwischung der Grenzen zwischen den einzelnen Ausnahmetatbeständen und damit letztlich zu einer Missachtung des Willens des Normgebers führen.
65 
Unabhängig davon erweist sich die Verfügung auch nicht als unverhältnismäßig im Einzelfall. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte - auch ohne das Vorliegen einer konkreten Gesundheitsgefahr - dem mit den zugrunde liegenden Regelungen geschützten öffentlichen Interesse am vorbeugenden (vgl. dazu Zipfel/Rathke, a.a.O., C 170, § 17 Tier-LMHV Rn. 1; § 1 Nr. 1 LFGB sowie Zipfel/Rathke, a.a.O., C 102, § 1 LFGB, Rn. 14 f.) Gesundheits- und Verbraucherschutz potentieller Konsumenten und damit hochrangigen Rechtsgütern den Vorrang eingeräumt hat. Das vom Kläger angeführte wirtschaftliche Interesse am Rohmilchverkauf an einem verkehrsgünstigen Standort im Ortsteil ... an der B ... führt nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der Verfügung. Bei einer Abwägung der gegenläufigen Interessen ist zunächst von Bedeutung, dass der angestrebte unmittelbare Rohmilchverkauf nur einen Teil der vom Kläger produzierten Milch betrifft. Ferner bezieht sich das Verbot lediglich auf den Stammbetrieb in der Hauptstraße. Auch wenn der Kläger dort den Rohmilchverkauf in der Vergangenheit praktiziert haben sollte, kann er sich auf Bestandsschutz nicht berufen. Es ist ihm - ungeachtet weiterer Möglichkeiten, die Rohmilch zu verwerten (etwa Verkauf nach Pasteurisierung, Verkauf als Vorzugsmilch) - unbenommen, den Rohmilchverkauf an den Standort seines lediglich zwei Kilometer entfernten Milchviehstalls zu verlegen. Dass dem unüberwindbare oder nicht zumutbare Hindernisse entgegenstehen, ist für den Senat nicht ersichtlich. Dieser Standort ist angesichts seiner verkehrsmäßigen Erschließung über die L ... und der Entfernung von lediglich zwei Kilometern für potentielle Kunden mit dem PKW oder dem Fahrrad ohne weiteres erreichbar. Das in der mündlichen Verhandlung erwähnte Problem, der Kundenverkehr könne dort das Arbeiten bzw. den Verkehr mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen beeinträchtigen, erscheint durch entsprechende organisatorische und/oder bauliche Maßnahmen lösbar. Dass möglicherweise notwendig werdende bauliche Maßnahmen (etwa auch ein Unterstand für den Milchautomaten) den Kläger in wirtschaftlicher Hinsicht unverhältnismäßig belasten würden, ist nicht erkennbar. Die Äußerung in der mündlichen Verhandlung, der Standort des Milchviehstalls sei aus hygienischen Gründen für einen Kundenverkehr „problematischer“ als der Abgabeort am Stammbetrieb, ist eine Vermutung des Klägers, die indes - soweit alle sonstigen Vorschriften eingehalten werden - die Eignung des Standorts am Milchviehstall nicht ernsthaft in Frage stellt. Um die Folgen der verkehrsungünstigeren Lage zu mindern, könnte der Kläger schließlich an seinem Stammbetrieb einen deutlichen Hinweis auf den neuen Standort der Rohmilchabgabe installieren. Gleichwohl verbleibende Umsatzeinbußen sind mit Blick auf den Rang der mit der Verfügung geschützten Rechtsgüter hinzunehmen. Vor diesem Hintergrund kann sich eine Unverhältnismäßigkeit schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der „Art des Verstoßes“ oder des „bisherigen Verhaltens“ des Klägers „mit Blick auf Verstöße“ (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004) ergeben.
66 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
67 
Die Revision wird nicht zugelassen (§ 132 VwGO). Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig. Sie lassen sich mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Normauslegung ohne weiteres beantworten.
68 
Beschluss vom 16. Juni 2014
69 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (vgl. §§ 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 2 GKG).
70 
Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Soweit ein Natura 2000-Gebiet ein geschützter Teil von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 ist, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden. Der Projektträger hat die zur Prüfung der Verträglichkeit sowie der Voraussetzungen nach den Absätzen 3 bis 5 erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

(2) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.

(3) Abweichend von Absatz 2 darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es

1.
aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und
2.
zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

(4) Können von dem Projekt im Gebiet vorkommende prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen werden, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1 können nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.

(5) Soll ein Projekt nach Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 4, zugelassen oder durchgeführt werden, sind die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die zuständige Behörde unterrichtet die Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit über die getroffenen Maßnahmen.

(6) Bedarf ein Projekt im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, das nicht von einer Behörde durchgeführt wird, nach anderen Rechtsvorschriften keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde, so ist es der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese kann die Durchführung des Projekts zeitlich befristen oder anderweitig beschränken, um die Einhaltung der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 sicherzustellen. Trifft die Behörde innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige keine Entscheidung, kann mit der Durchführung des Projekts begonnen werden. Wird mit der Durchführung eines Projekts ohne die erforderliche Anzeige begonnen, kann die Behörde die vorläufige Einstellung anordnen. Liegen im Fall des Absatzes 2 die Voraussetzungen der Absätze 3 bis 5 nicht vor, hat die Behörde die Durchführung des Projekts zu untersagen. Die Sätze 1 bis 5 sind nur insoweit anzuwenden, als Schutzvorschriften der Länder, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten.

(7) Für geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 sind die Absätze 1 bis 6 nur insoweit anzuwenden, als die Schutzvorschriften, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten. Die Verpflichtungen nach Absatz 4 Satz 2 zur Beteiligung der Kommission und nach Absatz 5 Satz 2 zur Unterrichtung der Kommission bleiben unberührt.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten mit Ausnahme von Bebauungsplänen, die eine Planfeststellung ersetzen, nicht für Vorhaben im Sinne des § 29 des Baugesetzbuches in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuches und während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuches.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Soweit ein Natura 2000-Gebiet ein geschützter Teil von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 ist, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden. Der Projektträger hat die zur Prüfung der Verträglichkeit sowie der Voraussetzungen nach den Absätzen 3 bis 5 erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

(2) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.

(3) Abweichend von Absatz 2 darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es

1.
aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und
2.
zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

(4) Können von dem Projekt im Gebiet vorkommende prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen werden, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1 können nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.

(5) Soll ein Projekt nach Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 4, zugelassen oder durchgeführt werden, sind die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die zuständige Behörde unterrichtet die Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit über die getroffenen Maßnahmen.

(6) Bedarf ein Projekt im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, das nicht von einer Behörde durchgeführt wird, nach anderen Rechtsvorschriften keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde, so ist es der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese kann die Durchführung des Projekts zeitlich befristen oder anderweitig beschränken, um die Einhaltung der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 sicherzustellen. Trifft die Behörde innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige keine Entscheidung, kann mit der Durchführung des Projekts begonnen werden. Wird mit der Durchführung eines Projekts ohne die erforderliche Anzeige begonnen, kann die Behörde die vorläufige Einstellung anordnen. Liegen im Fall des Absatzes 2 die Voraussetzungen der Absätze 3 bis 5 nicht vor, hat die Behörde die Durchführung des Projekts zu untersagen. Die Sätze 1 bis 5 sind nur insoweit anzuwenden, als Schutzvorschriften der Länder, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten.

(7) Für geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 sind die Absätze 1 bis 6 nur insoweit anzuwenden, als die Schutzvorschriften, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten. Die Verpflichtungen nach Absatz 4 Satz 2 zur Beteiligung der Kommission und nach Absatz 5 Satz 2 zur Unterrichtung der Kommission bleiben unberührt.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten mit Ausnahme von Bebauungsplänen, die eine Planfeststellung ersetzen, nicht für Vorhaben im Sinne des § 29 des Baugesetzbuches in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuches und während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuches.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 26. August 2015 - 1 K 95/15 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die naturschutzrechtliche Entscheidung des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 17. Oktober 2014 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf EUR 5.000,-- festgesetzt.

Gründe

 
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige (§§ 147 Abs. 1, 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO), insbesondere auch den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechende Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.
Die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) geben Anlass, die vom Verwaltungsgericht zu ihrem Nachteil getroffene Abwägungsentscheidung zu ändern und dem Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes stattzugeben.
Entgegen der Beschwerde ist das Verwaltungsgericht allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Begründung des Sofortvollzugs dem Erfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO genügte. Erforderlich ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehung notwendig ist und hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, von dem angefochtenen Verwaltungsakt einstweilen nicht betroffen zu werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO 21. A. 2015, § 80 Rn. 85 m.w.N.). Diesen f o r m e l l e n Anforderungen ist hier ohne weiteres genügt, da es im öffentlichen Interesse als dringend geboten erachtet wurde, „zum Schutz der in den Tunneln überwinternden Fledermäuse erhebliche Störungen durch zusätzlichen Fahrbetrieb im Winter, bis hin zu Tötungen und Verlust dieser Lebensstätten, während eines anhängigen Widerspruchs- oder Klageverfahrens zu verhindern“ (vgl. die angefochtene naturschutzrechtliche Entscheidung v. 17.10.2014, S. 23). Darauf, ob tatsächlich ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse bestand und diesem Vorrang zukam, kommt es hierbei nicht an. Insofern ist auch unerheblich, ob, was die Antragstellerin bezweifelt, der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine Abwägung mit ihren gegenläufigen Interessen vorausgegangen war, wovon im Hinblick auf die in der Entscheidung angestellten Ermessenserwägungen (a.a.O., S. 15 ff.) freilich auszugehen sein dürfte.
Das Verwaltungsgericht hat bei der von ihm nach Maßgabe des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung dem (besonderen) öffentlichen Interesse an der angeordneten sofortigen Vollziehung (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) der naturschutzrechtlichen Entscheidung vom 17.10.2014 jedoch zu Unrecht Vorrang vor dem privaten Interesse der Antragstellerin gegeben, von deren Wirkungen vorläufig verschont zu bleiben.
Mit seiner naturschutzrechtlichen Entscheidung hatte das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis der Antragstellerin - gestützt auf § 3 Abs. 2 BNatSchG - die Durchführung des Eisenbahnbetriebs in den Tunneln der inzwischen von ihr betriebenen Museumsbahnstrecke („Sauschwänzlebahn“) zwischen dem „Buchbergtunnel“ (Nordportal) und dem Kehrtunnel „Im Weiler“ (Westportal) jeweils für den Zeitraum vom 1. November eines Jahres bis zum 31. März des Folgejahres untersagt. Da die Tunnel von (u. a. Mops-) Fledermäusen als wichtige Überwinterungsstätte genutzt würden, verstieße ein gleichwohl durchgeführter „Winterbetrieb“ gegen Bestimmungen des Naturschutzrechts, insbesondere gegen solche des Arten- und Habitatschutzrechts.
Anders als das Verwaltungsgericht hält der Senat bei Berücksichtigung der wechselseitigen öffentlichen und privaten Interessen eine Aussetzung des angeordneten Sofortvollzugs für angezeigt. Denn die angefochtene naturschutzrechtliche Entscheidung erweist sich schon jetzt als offensichtlich rechtswidrig.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis als untere Naturschutzbehörde für die hier allein in Rede stehende Untersagung des „Winterbetriebs“ der von der Antragstellerin betriebenen Museumsbahnstrecke „Sauschwänzlebahn“ schon nicht sachlich zuständig. Denn eine solche konnte und kann derzeit allenfalls von dem für die Eisenbahnaufsicht über eine nichtbundeseigene Eisenbahn zuständigen Ministerium für Verkehr und Infrastruktur ausgesprochen werden. Der Umstand, dass sich im Eisenbahnrecht keine Ermächtigungsgrundlage findet, die ausdrücklich die Untersagung eines Eisenbahnbetriebs vorsieht, ändert nichts.
Zu erinnern ist zunächst daran, dass der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin unter Geltung des Landeseisenbahngesetzes vom 12.07.1951 (Reg.Bl. S. 49) am 25.04.1978 das Recht zum Bau und Betrieb einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahn verliehen worden war (vgl. § 2 Abs. 2 u. 1 LEG), nachdem - am 10.01.1978 - der für die Verleihung letztlich maßgebende endgültige Planfeststellungsbeschluss zum Betrieb einer Museumsbahn erlassen worden war (vgl. §§ 5, 11 LEG). In der Wiederinbetriebnahme der zum 01.01.1976 stillgelegten Eisenbahnstrecke in Form eines Museumsbetriebs mit Dampfzugfahrten zur Personenbeförderung war seinerzeit eine wesentliche Änderung des Unternehmens im Betrieb i. S. des § 2 Abs. 2 LEG gesehen worden. Am 24.09.1987 wurde das Unternehmungsrecht erneuert. Am 18.12.1996 wurde der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin - nach Maßgabe der am 10.01.1978 festgestellten Pläne - eine Genehmigung zum Betreiben einer nichtöffentlichen Eisenbahninfrastruktur erteilt (vgl. § 11 Abs. 3 Nr. 2 LEisenbG i. d. F. 08.06.1995 ). Diese wurde am 25.10.2006 durch eine Genehmigung zum Betreiben einer öffentlichen Eisenbahninfrastruktur ersetzt (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 3 AEG), wiederum nach Maßgabe der am 10.01.1978 festgestellten Pläne. Am 13.04.2012 wurde der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin auch eine Genehmigung zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen erteilt (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 1 AEG). Inzwischen ist die Antragstellerin Inhaberin beider Genehmigungen.
Wäre der „Winterbetrieb“, wie das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis meint, von dem (ausdrücklich auch den Betrieb betreffenden) Planfeststellungsbeschluss vom 10.01.1978 nicht umfasst gewesen, fehlte es möglicherweise von vornherein an einem rechtmäßigen Bahnbetrieb während der Wintermonate. Einen solchen zu untersagen obläge indes - unabhängig von etwa darüber hinaus drohenden Verstößen gegen Naturschutzrecht - nicht der Naturschutzbehörde, sondern dem für die Eisenbahnaufsicht über eine nichtbundeseigene Eisenbahn zuständigen Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (vgl. § 2 Nr. 1 und § 1 der Eisenbahnzuständigkeitsverordnung (EZuVO) vom 11.09.1995, zuletzt geändert durch Art. 200 der Verordnung vom 25.01.2012 (GBl. S. 65, 87), da dann ein Verstoß gegen den eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss vorläge (vgl. § 15 des Landeseisenbahngesetzes (LEisenbG) vom 08.06.1995 (GBl. S. 417, 421), zuletzt geändert durch Art. 64 der Verordnung vom 25.01.2012 (GBl. S. 65).
10 
Auf die - sich etwa bei der Durchführung von Unterhaltungsmaßnahmen entlang der Gleise stellende - Frage, ob die für die Eisenbahnaufsicht zuständige Behörde gegebenenfalls auch gegen Verstöße gegen Bestimmungen des (Bundes-) Naturschutzrechts einzuschreiten berechtigt wäre, käme es dabei nicht an. Es erscheint im Übrigen zweifelhaft, ob dies, wenn die Aufsicht über eine nichtbundeseigene Eisenbahn durch eine Landesbehörde in Rede steht, unter Hinweis auf die beschränkte Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamts überzeugend verneint werden könnte. Dass dem Eisenbahn-Bundesamt der Vollzug von Landesrecht grundsätzlich verfassungsrechtlich verwehrt sein mag (vgl. OVG NW, Urt. v. 08.06.2005 - 8 A 262/05 -, NuR 2005, 660), führte in diesem Zusammenhang ohnehin nicht weiter, weil das Naturschutzrecht inzwischen weitgehend Bundesrecht ist.
11 
Überwiegendes spricht allerdings dafür, dass der untersagte „Winterbetrieb“ - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - vom Planfeststellungsbeschluss umfasst ist. Denn dem Planfeststellungsbeschluss vom 10.01.1978 ist - ebenso wenig wie den Verleihungen und späteren Genehmigungen - eine Einschränkung des Betriebs auf einen „Sommerbetrieb“ nicht zu entnehmen. Eine solche Einschränkung dürfte sich auch nicht daraus ergeben, dass die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin in ihrem Erläuterungsbericht vom 02.02.1977 erkennen ließ (a.a.O., S. 3), dass nur an einen „Betrieb in den Monaten Mai bis Mitte Oktober“ gedacht war, und das Regierungspräsidium Freiburg im Anhörungsverfahren auf die „lediglich erneute und gelegentliche Inbetriebnahme während der Sommermonate“ hingewiesen hatte. Denn abgesehen davon, dass darüber hinaus „auch Sonderfahrten nach Bedarf (mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h)“ vorgesehen waren, fand dies keine Entsprechung im späteren Planfeststellungsbeschluss. Insbesondere ergab sich solches nicht aus II. 4. des verfügenden Teils, der eine erste Kontrolle „jährlich vor Aufnahme des Betriebs“ vorsah. Auch war der Erläuterungsbericht vom 02.02.1977 nicht planfestgestellt worden. Für eine ausdrückliche Regelung, so eine zeitliche Einschränkung des Betriebs beabsichtigt gewesen wäre, hätte indes Anlass bestanden, da eine planfestgestellte Eisenbahnstrecke typischerweise einen ihrer Kapazität entsprechenden Betrieb ermöglicht und die planfestgestellte Eisenbahnstrecke bereits seit 1890 - ersichtlich ohne jahreszeitliche Einschränkungen - in Betrieb war. Aus Anlass der seinerzeitigen Planfeststellung hätten auch durchaus Einschränkungen aus Gründen des Naturschutzes getroffen werden können (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 3 LEisenbG; Schreiben der Anhörungsbehörde v. 21.03.1977, S. 6. insbes. auch den Zusatz für das Referat 6 im Hause; auch die Niederschrift über die Erörterungsverhandlung gem. Art. 21 des Württ. Zwangsenteignungsgesetzes v. 20.12.1888 v. 24.05.1977).
12 
Ausgehend davon wäre aber - ohne einen vorherigen Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses - eine (unmittelbare) Untersagung des Bahnbetriebs (derzeit) gar nicht möglich, auch nicht durch die für die Eisenbahnaufsicht zuständige Landesbehörde. Denn aufgrund der Genehmigungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. LVwVfG) steht die Zulässigkeit des Bahnbetriebs grundsätzlich im Hinblick auf alle davon berührten öffentliche Belange - einschließlich der Belange des Naturschutzes - verbindlich fest. Aufgrund der formellen Konzentrationswirkung entfiel dabei die Zuständigkeit anderer Behörden; insoweit erfolgte eine Zuständigkeitsverlagerung auf die Planfeststellungsbehörde (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. LVwVfG; hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG 15. A. 2014, § 75 Rn. 15). Die Entscheidung, ob nachträgliche Verstöße gegen das bei der Planfeststellung zu prüfende materielle Recht zum Anlass genommen werden, das Planfeststellungsverfahren wieder aufzugreifen bzw. einen Teilwiderruf auszusprechen (etwa nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG), obliegt indes allein der Planfeststellungsbehörde bzw. der Behörde, die nunmehr für den Erlass des eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses sachlich zuständig wäre (vgl. § 49 Abs. 5 LVwVfG; hierzu BVerwG, Urt. v. 20.12.1999 - 7 C 42.98 -, BVerwGE 110, 226). Dies wäre hier das Regierungspräsidium Freiburg (vgl. § 3 Nr. 2 EZuVO).
13 
Ohne vorherigen teilweisen Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses dürfte eine Einschränkung des Bahnbetriebs über mehrere Monate darüber hinaus der Funktionssicherungsklausel des § 4 Nr. 3 BNatSchG widersprechen, die auch bei Maßnahmen des Naturschutzes die bestimmungsgemäße Nutzung eines in einem verbindlichen Plan für Zwecke des öffentlichen Verkehrs ausgewiesenen öffentlichen Verkehrswegs gewährleisten will. Der Anwendungsvorrang von Unionsrecht dürfte daran nichts ändern, sollte dieses vorliegend materielle Geltung beanspruchen. Denn Unionsrecht gibt nicht vor, in welchem Verfahren von welcher Behörde materielles Unionsrecht vorrangig anzuwenden ist (vgl. Art. 291 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV). Auch über eine Verträglichkeit nach § 34 BNatSchG ist grundsätzlich von der für das Projekt zuständigen Behörde in dem dafür vorgesehenen sog. Trägerverfahren zu entscheiden (vgl. § 34 Abs. 6 BNatSchG).
14 
Nach alldem könnten inzwischen möglicherweise aus Gründen des Naturschutzes gebotene Einschränkungen des Betriebs - etwa im Hinblick auf anderenfalls zu besorgende Verstöße gegen das Habitat- und/oder Artenschutzrecht - nur in einem wiederaufgegriffenen Planfeststellungsverfahren bzw. im Wege eines Teilwiderrufs von der Planfeststellungsbehörde und nicht nach § 3 Abs. 2 BNatSchG von der unteren Naturschutzbehörde angeordnet werden. Solchen stünde auch nicht entgegen, dass aus Anlass einer (Bau-) Planfeststellung nach § 18 AEG keine Betriebsregelungen getroffen werden könnten. Denn aufgrund des zu beachtenden Konfliktbewältigungsgebots, aber auch im Hinblick auf die Konzentrationswirkung der Planfeststellung, sind auch die Auswirkungen des mit dem Vorhaben verbundenen Betriebs einer Eisenbahnstrecke in den Blick zu nehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2013 - 7 A 28.12 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 71). Erforderlichenfalls sind daher aufgrund des Konfliktbewältigungsgebots bereits im Planfeststellungsbeschluss betriebliche Einschränkungen - gegebenenfalls auch solche aus Gründen des Naturschutzes - zu treffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2013, a.a.O.; Wurster, in: Beck‘scher AEG-Komm. 2. A. 2014 § 18 Rn. 244). Davon scheint auch das Regierungspräsidium Freiburg in seinem Widerspruchsbescheid vom 23.09.2015 auszugehen (a.a.O., S. 27). Die gewerberechtlichen Genehmigungen nach § 6 AEG oder eine etwa noch erforderliche Erlaubnis nach § 7f AEG wären demgegenüber - aufgrund ihres eingeschränkten Prüfungsgegenstands - solchen Einschränkungen von vornherein nicht zugänglich.
15 
Ob Unionsrecht es nicht nur ermöglichte (vgl. § 49 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG), sondern sogar geböte, den Planfeststellungsbeschluss vom 10.01.1978 teilweise (freilich nur gegen Entschädigung, vgl. § 49 Abs. 6 Satz 1 LVwVfG) zu widerrufen (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 07.09.2004 C-127/02 -, NuR 2004, 730; auch Würtenberger, NuR 210, 316 <319>), weil der seinerzeit wohl bereits umfassend genehmigte Eisenbahnbetrieb nunmehr ein Natura 2000-Gebiet beeinträchtigte oder zumindest eine Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten besorgen lassen könnte, bedarf hier keiner Entscheidung.
16 
Im Hinblick auf ein weiteres Verwaltungsverfahren, bemerkt der Senat gleichwohl das Folgende (vgl. auch Uhlenhut, Zugangsrecht contra Naturschutz - Die Mopsfledermaus auf der Sauschwänzlebahn, in: Ronellenfitsch/Esch-weiler/Hörster (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts ... 2015, S. 113 - 140):
17 
Im Hinblick auf eine unterbliebene Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Abs. 1 BNatSchG (vgl. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL) dürfte ein Teilwiderruf nicht geboten sein. Denn eine solche Prüfung ist vor der Zulassung eines Projekts durchzuführen, sodass ein bereits endgültig genehmigtes Projekt diesen Vorgaben nicht mehr unterliegen kann (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 17.03.2011 - C-275/09 -, NuR 2011, 282 u. Urt. v. 14.01.2010 - C-226/08 -, NuR 2010, 114). Dass die Eisenbahnstrecke auch nach Inkrafttreten der FFH-Richtlinie weiterbetrieben wird, vermag daran noch nichts zu ändern, da der Betrieb als solcher grundsätzlich kein neues Projekt darstellt (vgl. zu § 1 Abs. 2 der UVP-RL EuGH, Urt. v. 17.03.2011 - C-275/09 -, auf „materielle Veränderungen“ abstellend). Zwar mag bei betrieblichen Änderungen das Vorliegen eines neuen Projekts i. S. des § 34 Abs. 1 BNatSchG nicht von vornherein ausgeschlossen sein, da ein solches mehr als der Projektbegriff der UVP-Richtlinie (vgl. § 2 Abs. 2 UVPG), der insoweit orientierend herangezogen werden kann (vgl. Urt. v. 14.01.2010, a.a.O.; Urt. v. 07.09.2004, a.a.O.; BT-Drs. 16/122274, S. 65), wirkungsbezogen zu verstehen sein dürfte (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.12.2013 - 4 C 14.12 -, BVerwGE 149, 17). Insofern kämen auch solche Tätigkeiten in Betracht, die - ohne bauliche Veränderungen - ein Schutzgebiet gefährden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.04.2013, a.a.O.; OVG NW, Beschl. v. 21.02.2011 - 8 A 1837/09 -, NuR 2011, 591; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, UmwR II, § 34 BNatSchG Rn. 7). Doch erscheint mehr als zweifelhaft, ob hier von einem neuen Projekt schon deshalb gesprochen werden könnte (vgl. EuGH, Urt. v. 14.01.2010 - C-226/08 -, NuR 2010, 114), weil der Bahnbetrieb in den Monaten vom November bis April nicht mehr - wie bisher - nur bei Bedarf (insbesondere zur Unterhaltung der Strecke), sondern regelmäßig auch - aber auch nur - an den (Advents-) Wochenenden (sog. „Nikolausfahrten“) stattfinden soll. Denn auch der bisherige Winterbetrieb wäre bereits aus Anlass der Planfeststellung einer Verträglichkeits- oder Abweichungsprüfung zu unterziehen gewesen, wäre eine solche bereits vorgegeben gewesen. Dürfte danach eher nicht von einem neuen Projekt auszugehen sein, könnte jedoch möglicherweise noch auf § 33 Abs. 1 BNatSchG (bzw. Art. 6. Abs. 2 FFH-RL) zurückzugreifen sein, sollte dem nicht der Grundsatz der Rechtssicherheit entgegenstehen (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 14.01.2010, a.a.O.; auch Lütkes/Ewer, BNatSchG, § 33 Rn. 4 m.w.N.; Gellermann, a.a.O., § 33 BNatSchG Rn. 3).
18 
Die seinerzeit noch gar nicht geltenden Verbote der Naturschutzgebietsverordnung vom 27.09.1979 dürften einen Widerruf freilich nicht gebieten (vgl. auch § 23 Abs. 2 Satz1 BNatSchG; hierzu auch die Ausnahmevorschrift in § 5 der Verordnung).
19 
In Betracht käme jedoch, dass die von den Naturschutzbehörden angeführten besonderen artenschutzrechtliche Verbote (insbes. nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) eine jahreszeitliche Einschränkung des Betriebs erforderten, sollten nicht andere - etwa die von der Antragstellerin vorgeschlagenen - betriebsregelnde Maßnahmen genügen. Dabei wäre dann auch zu klären, ob eine erhebliche Störung bzw. Verschlechterung des Erhaltungszustands einer lokalen Fledermauspopulation durch die Befahrung eines jeden Tunnels eintreten würde.
20 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
21 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

Bei Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege ist auf Flächen, die ausschließlich oder überwiegend Zwecken

1.
der Verteidigung, einschließlich der Erfüllung internationaler Verpflichtungen und des Schutzes der Zivilbevölkerung,
2.
der Bundespolizei,
3.
des öffentlichen Verkehrs als öffentliche Verkehrswege,
4.
der See- oder Binnenschifffahrt,
5.
der Versorgung, einschließlich der hierfür als schutzbedürftig erklärten Gebiete, und der Entsorgung,
6.
des Schutzes vor Überflutung durch Hochwasser oder
7.
der Telekommunikation
dienen oder in einem verbindlichen Plan für die genannten Zwecke ausgewiesen sind, die bestimmungsgemäße Nutzung zu gewährleisten. Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind zu berücksichtigen.

(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Soweit ein Natura 2000-Gebiet ein geschützter Teil von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 ist, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden. Der Projektträger hat die zur Prüfung der Verträglichkeit sowie der Voraussetzungen nach den Absätzen 3 bis 5 erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

(2) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.

(3) Abweichend von Absatz 2 darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es

1.
aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und
2.
zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

(4) Können von dem Projekt im Gebiet vorkommende prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen werden, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1 können nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.

(5) Soll ein Projekt nach Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 4, zugelassen oder durchgeführt werden, sind die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die zuständige Behörde unterrichtet die Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit über die getroffenen Maßnahmen.

(6) Bedarf ein Projekt im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, das nicht von einer Behörde durchgeführt wird, nach anderen Rechtsvorschriften keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde, so ist es der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese kann die Durchführung des Projekts zeitlich befristen oder anderweitig beschränken, um die Einhaltung der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 sicherzustellen. Trifft die Behörde innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige keine Entscheidung, kann mit der Durchführung des Projekts begonnen werden. Wird mit der Durchführung eines Projekts ohne die erforderliche Anzeige begonnen, kann die Behörde die vorläufige Einstellung anordnen. Liegen im Fall des Absatzes 2 die Voraussetzungen der Absätze 3 bis 5 nicht vor, hat die Behörde die Durchführung des Projekts zu untersagen. Die Sätze 1 bis 5 sind nur insoweit anzuwenden, als Schutzvorschriften der Länder, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten.

(7) Für geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 sind die Absätze 1 bis 6 nur insoweit anzuwenden, als die Schutzvorschriften, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten. Die Verpflichtungen nach Absatz 4 Satz 2 zur Beteiligung der Kommission und nach Absatz 5 Satz 2 zur Unterrichtung der Kommission bleiben unberührt.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten mit Ausnahme von Bebauungsplänen, die eine Planfeststellung ersetzen, nicht für Vorhaben im Sinne des § 29 des Baugesetzbuches in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuches und während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuches.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

(1) Die Länder wählen die Gebiete, die der Kommission nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 4 Absatz 1 und 2 der Richtlinie 2009/147/EG zu benennen sind, nach den in diesen Vorschriften genannten Maßgaben aus. Sie stellen das Benehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit her. Dieses beteiligt die anderen fachlich betroffenen Bundesministerien und benennt die ausgewählten Gebiete der Kommission. Es übermittelt der Kommission gleichzeitig Schätzungen über eine finanzielle Beteiligung der Gemeinschaft, die zur Erfüllung der Verpflichtungen nach Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG einschließlich der Zahlung eines finanziellen Ausgleichs insbesondere für die Land- und Forstwirtschaft erforderlich ist.

(2) Die in die Liste nach Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG aufgenommenen Gebiete sind nach Maßgabe des Artikels 4 Absatz 4 dieser Richtlinie und die nach Artikel 4 Absatz 1 und 2 der Richtlinie 2009/147/EG benannten Gebiete entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 zu erklären.

(3) Die Schutzerklärung bestimmt den Schutzzweck entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen und die erforderlichen Gebietsbegrenzungen. Es soll dargestellt werden, ob prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten zu schützen sind. Durch geeignete Gebote und Verbote sowie Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen ist sicherzustellen, dass den Anforderungen des Artikels 6 der Richtlinie 92/43/EWG entsprochen wird. Weiter gehende Schutzvorschriften bleiben unberührt.

(4) Die Unterschutzstellung nach den Absätzen 2 und 3 kann unterbleiben, soweit nach anderen Rechtsvorschriften einschließlich dieses Gesetzes und gebietsbezogener Bestimmungen des Landesrechts, nach Verwaltungsvorschriften, durch die Verfügungsbefugnis eines öffentlichen oder gemeinnützigen Trägers oder durch vertragliche Vereinbarungen ein gleichwertiger Schutz gewährleistet ist.

(5) Für Natura 2000-Gebiete können Bewirtschaftungspläne selbständig oder als Bestandteil anderer Pläne aufgestellt werden.

(6) Die Auswahl und die Erklärung von Gebieten im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 2 im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 richten sich nach § 57.

(7) Für Schutzerklärungen im Sinne der Absätze 2 und 3, für den Schutz nach anderen Rechtsvorschriften im Sinne von Absatz 4 sowie für Pläne im Sinne von Absatz 5 gilt § 22 Absatz 2a und 2b entsprechend. Dies gilt auch für Schutzerklärungen nach § 33 Absatz 2 bis 4 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 28. Februar 2010 geltenden Fassung.

(1) Es wird ein Netz verbundener Biotope (Biotopverbund) geschaffen, das mindestens 10 Prozent der Fläche eines jeden Landes umfassen soll.

(2) Teile von Natur und Landschaft können geschützt werden

1.
nach Maßgabe des § 23 als Naturschutzgebiet,
2.
nach Maßgabe des § 24 als Nationalpark oder als Nationales Naturmonument,
3.
als Biosphärenreservat,
4.
nach Maßgabe des § 26 als Landschaftsschutzgebiet,
5.
als Naturpark,
6.
als Naturdenkmal oder
7.
als geschützter Landschaftsbestandteil.

(3) Die in Absatz 2 genannten Teile von Natur und Landschaft sind, soweit sie geeignet sind, Bestandteile des Biotopverbunds.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

(1) Für dieses Gesetz gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1.
biologische Vielfaltdie Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten einschließlich der innerartlichen Vielfalt sowie die Vielfalt an Formen von Lebensgemeinschaften und Biotopen;
2.
Naturhaushaltdie Naturgüter Boden, Wasser, Luft, Klima, Tiere und Pflanzen sowie das Wirkungsgefüge zwischen ihnen;
3.
Erholungnatur- und landschaftsverträglich ausgestaltetes Natur- und Freizeiterleben einschließlich natur- und landschaftsverträglicher sportlicher Betätigung in der freien Landschaft, soweit dadurch die sonstigen Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht beeinträchtigt werden;
4.
natürliche Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interessedie in Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Lebensraumtypen;
5.
prioritäre natürliche Lebensraumtypendie in Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG mit dem Zeichen (*) gekennzeichneten Lebensraumtypen;
6.
Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutungdie in die Liste nach Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG aufgenommenen Gebiete, auch wenn ein Schutz im Sinne des § 32 Absatz 2 bis 4 noch nicht gewährleistet ist;
7.
Europäische VogelschutzgebieteGebiete im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 und 2 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 20 vom 26.1.2010, S. 7), wenn ein Schutz im Sinne des § 32 Absatz 2 bis 4 bereits gewährleistet ist;
8.
Natura 2000-GebieteGebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und Europäische Vogelschutzgebiete;
9.
ErhaltungszieleZiele, die im Hinblick auf die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands eines natürlichen Lebensraumtyps von gemeinschaftlichem Interesse, einer in Anhang II der Richtlinie 92/43/EWG oder in Artikel 4 Absatz 2 oder Anhang I der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführten Art für ein Natura 2000-Gebiet festgelegt sind;
10.
günstiger ErhaltungszustandZustand im Sinne von Artikel 1 Buchstabe e und i der Richtlinie 92/43/EWG und von Artikel 2 Nummer 4 der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. L 143 vom 30.4.2004, S. 56), die zuletzt durch die Richtlinie 2009/31/EG (ABl. L 140 vom 5.6.2009, S. 114) geändert worden ist.

(2) Für dieses Gesetz gelten folgende weitere Begriffsbestimmungen:

1.
Tiere
a)
wild lebende, gefangene oder gezüchtete und nicht herrenlos gewordene sowie tote Tiere wild lebender Arten,
b)
Eier, auch im leeren Zustand, sowie Larven, Puppen und sonstige Entwicklungsformen von Tieren wild lebender Arten,
c)
ohne Weiteres erkennbare Teile von Tieren wild lebender Arten und
d)
ohne Weiteres erkennbar aus Tieren wild lebender Arten gewonnene Erzeugnisse;
2.
Pflanzen
a)
wild lebende, durch künstliche Vermehrung gewonnene sowie tote Pflanzen wild lebender Arten,
b)
Samen, Früchte oder sonstige Entwicklungsformen von Pflanzen wild lebender Arten,
c)
ohne Weiteres erkennbare Teile von Pflanzen wild lebender Arten und
d)
ohne Weiteres erkennbar aus Pflanzen wild lebender Arten gewonnene Erzeugnisse;
als Pflanzen im Sinne dieses Gesetzes gelten auch Flechten und Pilze;
3.
Artjede Art, Unterart oder Teilpopulation einer Art oder Unterart; für die Bestimmung einer Art ist ihre wissenschaftliche Bezeichnung maßgebend;
4.
BiotopLebensraum einer Lebensgemeinschaft wild lebender Tiere und Pflanzen;
5.
Lebensstätteregelmäßiger Aufenthaltsort der wild lebenden Individuen einer Art;
6.
Populationeine biologisch oder geografisch abgegrenzte Zahl von Individuen einer Art;
7.
(weggefallen)
8.
(weggefallen)
9.
invasive Arteine invasive gebietsfremde Art im Sinne des Artikels 3 Nummer 2 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014
a)
die in der Unionsliste nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 aufgeführt ist,
b)
für die Dringlichkeitsmaßnahmen nach Artikel 10 Absatz 4 oder für die Durchführungsrechtsakte nach Artikel 11 Absatz 2 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 in Kraft sind, soweit die Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 nach den genannten Rechtsvorschriften anwendbar ist oder
c)
die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 3 aufgeführt ist;
10.
Arten von gemeinschaftlichem Interessedie in Anhang II, IV oder V der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tier- und Pflanzenarten;
11.
prioritäre Artendie in Anhang II der Richtlinie 92/43/EWG mit dem Zeichen (*) gekennzeichneten Tier- und Pflanzenarten;
12.
europäische Vogelartenin Europa natürlich vorkommende Vogelarten im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 2009/147/EG;
13.
besonders geschützte Arten
a)
Tier- und Pflanzenarten, die in Anhang A oder Anhang B der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (ABl. L 61 vom 3.3.1997, S. 1, L 100 vom 17.4.1997, S. 72, L 298 vom 1.11.1997, S. 70, L 113 vom 27.4.2006, S. 26), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 709/2010 (ABl. L 212 vom 12.8.2010, S. 1) geändert worden ist, aufgeführt sind,
b)
nicht unter Buchstabe a fallende
aa)
Tier- und Pflanzenarten, die in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführt sind,
bb)
europäische Vogelarten,
c)
Tier- und Pflanzenarten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 aufgeführt sind;
14.
streng geschützte Artenbesonders geschützte Arten, die
a)
in Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 338/97,
b)
in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG,
c)
in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 2
aufgeführt sind;
15.
gezüchtete TiereTiere, die in kontrollierter Umgebung geboren oder auf andere Weise erzeugt und deren Elterntiere rechtmäßig erworben worden sind;
16.
künstlich vermehrte PflanzenPflanzen, die aus Samen, Gewebekulturen, Stecklingen oder Teilungen unter kontrollierten Bedingungen herangezogen worden sind;
17.
AnbietenErklärung der Bereitschaft zu verkaufen oder zu kaufen und ähnliche Handlungen, einschließlich der Werbung, der Veranlassung zur Werbung oder der Aufforderung zu Verkaufs- oder Kaufverhandlungen;
18.
Inverkehrbringendas Anbieten, Vorrätighalten zur Abgabe, Feilhalten und jedes Abgeben an andere;
19.
rechtmäßigin Übereinstimmung mit den jeweils geltenden Rechtsvorschriften zum Schutz der betreffenden Art im jeweiligen Staat sowie mit Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Artenschutzes und dem Übereinkommen vom 3. März 1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (BGBl. 1975 II S. 773, 777) – Washingtoner Artenschutzübereinkommen – im Rahmen ihrer jeweiligen räumlichen und zeitlichen Geltung oder Anwendbarkeit;
20.
Mitgliedstaatein Staat, der Mitglied der Europäischen Union ist;
21.
Drittstaatein Staat, der nicht Mitglied der Europäischen Union ist.

(3) Soweit in diesem Gesetz auf Anhänge der

1.
Verordnung (EG) Nr. 338/97,
2.
Verordnung (EWG) Nr. 3254/91 des Rates vom 4. November 1991 zum Verbot von Tellereisen in der Gemeinschaft und der Einfuhr von Pelzen und Waren von bestimmten Wildtierarten aus Ländern, die Tellereisen oder den internationalen humanen Fangnormen nicht entsprechende Fangmethoden anwenden (ABl. L 308 vom 9.11.1991, S. 1),
3.
Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG,
4.
Richtlinie 83/129/EWG des Rates vom 28. März 1983 betreffend die Einfuhr in die Mitgliedstaaten von Fellen bestimmter Jungrobben und Waren daraus (ABl. L 91 vom 9.4.1983, S. 30), die zuletzt durch die Richtlinie 89/370/EWG (ABl. L 163 vom 14.6.1989, S. 37) geändert worden ist,
oder auf Vorschriften der genannten Rechtsakte verwiesen wird, in denen auf Anhänge Bezug genommen wird, sind die Anhänge jeweils in der sich aus den Veröffentlichungen im Amtsblatt Teil L der Europäischen Union ergebenden geltenden Fassung maßgeblich.

(4) Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gibt die besonders geschützten und die streng geschützten Arten sowie den Zeitpunkt ihrer jeweiligen Unterschutzstellung bekannt.

(5) Wenn besonders geschützte Arten bereits auf Grund der bis zum 8. Mai 1998 geltenden Vorschriften unter besonderem Schutz standen, gilt als Zeitpunkt der Unterschutzstellung derjenige, der sich aus diesen Vorschriften ergibt. Entsprechendes gilt für die streng geschützten Arten, soweit sie nach den bis zum 8. Mai 1998 geltenden Vorschriften als vom Aussterben bedroht bezeichnet waren.

Auf

1.
Linienbestimmungen nach § 16 des Bundesfernstraßengesetzes und § 13 des Bundeswasserstraßengesetzes sowie
2.
Pläne, die bei behördlichen Entscheidungen zu beachten oder zu berücksichtigen sind
ist § 34 Absatz 1 bis 5 entsprechend anzuwenden.
Bei Raumordnungsplänen im Sinne des § 3 Absatz 1 Nummer 7 des Raumordnungsgesetzes und bei Bauleitplänen und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 des Baugesetzbuches findet § 34 Absatz 1 Satz 1 keine Anwendung.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Soweit ein Natura 2000-Gebiet ein geschützter Teil von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 ist, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden. Der Projektträger hat die zur Prüfung der Verträglichkeit sowie der Voraussetzungen nach den Absätzen 3 bis 5 erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

(2) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.

(3) Abweichend von Absatz 2 darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es

1.
aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und
2.
zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

(4) Können von dem Projekt im Gebiet vorkommende prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen werden, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1 können nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.

(5) Soll ein Projekt nach Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 4, zugelassen oder durchgeführt werden, sind die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die zuständige Behörde unterrichtet die Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit über die getroffenen Maßnahmen.

(6) Bedarf ein Projekt im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, das nicht von einer Behörde durchgeführt wird, nach anderen Rechtsvorschriften keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde, so ist es der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese kann die Durchführung des Projekts zeitlich befristen oder anderweitig beschränken, um die Einhaltung der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 sicherzustellen. Trifft die Behörde innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige keine Entscheidung, kann mit der Durchführung des Projekts begonnen werden. Wird mit der Durchführung eines Projekts ohne die erforderliche Anzeige begonnen, kann die Behörde die vorläufige Einstellung anordnen. Liegen im Fall des Absatzes 2 die Voraussetzungen der Absätze 3 bis 5 nicht vor, hat die Behörde die Durchführung des Projekts zu untersagen. Die Sätze 1 bis 5 sind nur insoweit anzuwenden, als Schutzvorschriften der Länder, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten.

(7) Für geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 sind die Absätze 1 bis 6 nur insoweit anzuwenden, als die Schutzvorschriften, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten. Die Verpflichtungen nach Absatz 4 Satz 2 zur Beteiligung der Kommission und nach Absatz 5 Satz 2 zur Unterrichtung der Kommission bleiben unberührt.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten mit Ausnahme von Bebauungsplänen, die eine Planfeststellung ersetzen, nicht für Vorhaben im Sinne des § 29 des Baugesetzbuches in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuches und während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuches.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Soweit ein Natura 2000-Gebiet ein geschützter Teil von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 ist, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden. Der Projektträger hat die zur Prüfung der Verträglichkeit sowie der Voraussetzungen nach den Absätzen 3 bis 5 erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

(2) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.

(3) Abweichend von Absatz 2 darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es

1.
aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und
2.
zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

(4) Können von dem Projekt im Gebiet vorkommende prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen werden, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1 können nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.

(5) Soll ein Projekt nach Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 4, zugelassen oder durchgeführt werden, sind die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die zuständige Behörde unterrichtet die Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit über die getroffenen Maßnahmen.

(6) Bedarf ein Projekt im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, das nicht von einer Behörde durchgeführt wird, nach anderen Rechtsvorschriften keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde, so ist es der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese kann die Durchführung des Projekts zeitlich befristen oder anderweitig beschränken, um die Einhaltung der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 sicherzustellen. Trifft die Behörde innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige keine Entscheidung, kann mit der Durchführung des Projekts begonnen werden. Wird mit der Durchführung eines Projekts ohne die erforderliche Anzeige begonnen, kann die Behörde die vorläufige Einstellung anordnen. Liegen im Fall des Absatzes 2 die Voraussetzungen der Absätze 3 bis 5 nicht vor, hat die Behörde die Durchführung des Projekts zu untersagen. Die Sätze 1 bis 5 sind nur insoweit anzuwenden, als Schutzvorschriften der Länder, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten.

(7) Für geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 sind die Absätze 1 bis 6 nur insoweit anzuwenden, als die Schutzvorschriften, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten. Die Verpflichtungen nach Absatz 4 Satz 2 zur Beteiligung der Kommission und nach Absatz 5 Satz 2 zur Unterrichtung der Kommission bleiben unberührt.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten mit Ausnahme von Bebauungsplänen, die eine Planfeststellung ersetzen, nicht für Vorhaben im Sinne des § 29 des Baugesetzbuches in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuches und während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuches.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein im Land Hessen anerkannter Naturschutzverein, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der Bundesautobahn A 44 Kassel - Herleshausen im Teilabschnitt Anschlussstelle Hessisch Lichtenau-Ost bis Hasselbach (VKE 32).

2

Die neue Autobahn soll eine Lücke im Autobahnnetz auf der Achse Ruhrgebiet-Kassel-Dresden zwischen der A 7 bei Kassel und der A 4 bei Eisenach schließen. Die Gesamtplanung gliedert sich in zehn als Verkehrskosteneinheiten (VKE) bezeichnete Planungsabschnitte. Die westlich an die VKE 32 anschließende VKE 31 steht bereits unter Verkehr, die daran nach Westen anschließende VKE 20 ist in Bau. Für die noch weiter westlich gelegene VKE 12 und die VKE 33, den östlichen Folgeabschnitt der VKE 32, sind Planfeststellungsbeschlüsse ergangen, die noch keine Bestandskraft erlangt haben.

3

Die Trasse der VKE 32 verläuft auf einer Länge von 4,3 km mit zwei Fahrstreifen pro Richtungsfahrbahn im Tal der Wehre über das Gebiet der Städte Hessisch Lichtenau und Waldkappel. Im östlichen Anschluss an die VKE 31 folgt sie zunächst leicht nördlich versetzt der vorhandenen B 7, unterfährt den Ort Küchen in einem Tunnel und wird sodann wieder gebündelt mit der B 7 bis zum Bauende östlich von Hasselbach geführt. Dort ist zunächst ein provisorischer Anschluss an die B 7 geplant.

4

Die A 44 zwischen Kassel und Eisenach gehört zu den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit. Der Fernstraßenbedarfsplan weist sie als vierstreifige Autobahn der Kategorie "vordringlicher Bedarf" aus. Außerdem ist sie in das Leitschema des transeuropäischen Verkehrsnetzes aufgenommen worden.

5

Die geplante Trasse verläuft in der Nähe mehrerer FFH-Gebiete und eines Europäischen Vogelschutzgebiets, ohne diese Gebiete unmittelbar zu berühren. Auf nahezu gesamter Länge wird sie in einem Korridor zwischen Teilen des FFH-Gebiets D 4825-302 "Werra- und Wehretal" geführt, an das sie bis auf 120 m heranreicht. Dieses Gebiet mit einer Fläche von über 24 000 ha wird durch die Täler der Werra, Wehre und Sontra, die ihm nicht angehören, in eine Reihe von Teilgebieten gegliedert. Unter Schutz gestellt sind vor allem zusammenhängende Waldflächen mit den Lebensraumtypen Hainsimsen-Buchenwald und Waldmeister-Buchenwald. Das Gebiet ist in mehreren Tranchen an die Europäische Kommission gemeldet worden, die es am 7. Dezember 2004 in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen hat. Die Gebietsmeldung diente dem verwendeten Standard-Datenbogen zufolge in erster Linie dem Ziel, den bestehenden Laubholzanteil als Lebensraum für die im Gebiet ansässigen Fledermausarten Großes Mausohr und Bechsteinfledermaus zu erhalten. Nachdem festgestellt worden war, dass die Gebietsgrenzen am Rande des Wehretals zusammenhängende Waldflächen durchschneiden, wurde das Gebiet durch die Verordnung über die Natura-2000-Gebiete in Hessen vom 16. Januar 2008 (GVBl I S. 30) in erweiterten, näher an die Trasse heranreichenden Grenzen ausgewiesen. Die Gebietserweiterung ist noch nicht an die Europäische Kommission gemeldet worden. Südwestlich der geplanten Trasse liegt das FFH-Gebiet DE 4824-301 "Reichenbacher Kalkberge" mit ausgedehnten Kalk-Buchenwäldern. Zu den Schutzgegenständen dieses Gebiets gehören u.a. mehrere Buchenwaldtypen, prioritäre Erlen-Eschen-Auenwälder, kalkreiche Niedermoore und prioritäre Kalktuffquellen. Als Ersatz für einen durch den Bau des Tunnels Küchen entfallenden Trinkwasserbrunnen soll in diesem Gebiet ein neuer Trinkwasserbrunnen angelegt werden. Im Zuge der Erweiterung des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" ist eine vorher zum FFH-Gebiet "Reichenbacher Kalkberge" gehörende Waldfläche von ca. 32 ha dem erstgenannten Gebiet angegliedert worden. Nördlich der Trasse liegt das bis auf 500 m an sie heranreichende Vogelschutzgebiet "Meißner", das sich teilweise mit Flächen des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" deckt. In diesem Gebiet nisten u.a. Schwarzstörche.

6

Das Bundesministerium für Verkehr bestimmte mit Erlass vom 15. Dezember 1998 die Linie der A 44, die weitgehend der heutigen Vorzugsvariante entspricht.

7

Auf Antrag des Amtes für Straßen- und Verkehrswesen Kassel vom 18. Mai 2001 leitete das Regierungspräsidium Kassel das Planfeststellungsverfahren ein. Der Kläger machte von der ihm eingeräumten Gelegenheit zur Äußerung mit Schreiben vom 21. Juli 2001 fristgerecht Gebrauch. Seine Einwendungen, mit denen er u.a. eine fehlerhafte Trassenwahl, eine unzureichende Berücksichtigung der Schutzgebiete und eine mangelnde Untersuchung verschiedener Tierarten rügte, konnten im Erörterungstermin am 5./7. Februar 2002 nicht ausgeräumt werden.

8

In der Folgezeit brachte der Vorhabenträger eine überarbeitete Fassung des landschaftspflegerischen Begleitplans, Verträglichkeitsprüfungen für die FFH-Gebiete "Werra- und Wehretal" und "Reichenbacher Kalkberge" sowie einen artenschutzrechtlichen Fachbeitrag zum landschaftspflegerischen Begleitplan in das Verfahren ein. Das Regierungspräsidium Kassel führte daraufhin ein ergänzendes Anhörungsverfahren durch, in dem es den Kläger durch Übersendung der geänderten Planunterlagen beteiligte. Der Kläger machte von der ihm unter Hinweis auf den Ausschluss verspäteter Einwendungen eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme mit Schreiben vom 10. April 2006 fristgerecht Gebrauch. Er erhob im Wesentlichen folgende Einwendungen: Die Planung berücksichtige nur ungenügend die Belange des Vogelschutzes. Sie verkenne, dass das Lichtenauer Becken ein faktisches Vogelschutzgebiet sei. Außerdem sei eine Verträglichkeitsprüfung für das Vogelschutzgebiet "Meißner" fehlerhaft unterblieben. Die Verträglichkeitsprüfung für das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" sei unzureichend. Für die von dem Vorhaben betroffenen Fledermausarten seien keine ausreichenden Daten erhoben worden. Die Ermittlung und Bewertung der Beeinträchtigungen leide in vielfacher Hinsicht an Fehlern. So seien die Flächenverluste von Jagdhabitaten des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus falsch berechnet und unzureichend gewichtet worden. Auswirkungen von Kollisionen, Lichtreizen sowie Lärm- und Schadstoffeinträgen auf diese Arten seien unterschätzt worden. Die gebotene Berücksichtigung abschnittsübergreifender Wirkungen im Rahmen einer Verträglichkeitsprüfung für den gesamten Planungsraum sei unterblieben. Unzureichend sei auch die Verträglichkeitsprüfung für das Gebiet "Reichenbacher Kalkberge". Die hydrologischen Auswirkungen des geplanten Ersatzbrunnens auf mehrere grundwasserabhängige Schutzgegenstände des Gebiets seien nicht berücksichtigt worden. Ferner leide die artenschutzrechtliche Beurteilung in vielfacher Hinsicht an Mängeln. Am 7. und 9. November 2006 fand ein Erörterungstermin statt, in dem die Einwendungen des Klägers nicht ausgeräumt wurden.

9

In der Folgezeit holte der Vorhabenträger gutachtliche Stellungnahmen zu den Auswirkungen der vorgesehenen, in den Verträglichkeitsprüfungen noch nicht berücksichtigten Änderungen der FFH-Gebiete "Werra- und Wehretal" und "Reichenbacher Kalkberge" sowie eine Ergänzung zum artenschutzrechtlichen Fachbeitrag ein. Auch hierzu nahm der Kläger innerhalb der ihm eingeräumten Frist Stellung. Er wandte insbesondere ein, die Gebietserweiterungen beträfen nur einen kleinen Teil der von den Fledermäusen bevorzugt bejagten Habitate und seien daher unvollständig. Der artenschutzrechtliche Fachbeitrag gehe nach wie vor von zu geringen Betroffenheiten aus; namentlich sei der Luchs völlig übersehen worden.

10

Mit Beschluss vom 16. November 2007 stellte der Beklagte den Plan für den Neubau der A 44 im Abschnitt der VKE 32 fest. In dem Beschluss wurden Befreiungen von artenschutzrechtlichen Verboten für das Große Mausohr, die Bechsteinfledermaus, die Haselmaus, die Schlingnatter sowie 52 europäische Vogelarten erteilt.

11

Zu den planfestgestellten Unterlagen gehören der landschaftspflegerische Begleitplan und die Verträglichkeitsprüfung für das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" in der Fassung vom 25. November 2005. Der landschaftspflegerische Begleitplan sieht insbesondere eine Reihe von Maßnahmen vor, die dem Schutz von Fledermäusen dienen. Um die Querpassierbarkeit der Trasse zu erhöhen und Immissionen zu mindern, soll der Tunnel Küchen in einen Wechselbereich der Bechsteinfledermaus hinein verlängert werden. Östlich des Tunnels sind zwei Grünbrücken und ein Bachdurchlass als Querungshilfen für Fledermäuse vorgesehen. Ergänzt werden diese Querungshilfen durch Irritationsschutzwände, Fledermaussperr- und -leiteinrichtungen sowie Schutz- und Leitpflanzungen. Die Verträglichkeitsprüfung, die für die VKE 32 bis 50 insgesamt durchgeführt worden ist, kommt zu dem Ergebnis, erhebliche Gebietsbeeinträchtigungen seien nicht zu besorgen, weil Eingriffe durch die geplanten Schutzmaßnahmen weitestgehend vermieden bzw. stark vermindert würden. Zwar seien Jagdhabitate und Hauptflugrouten bzw. Wechselbereiche des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus betroffen. Jagdhabitatverluste dieser bevorzugt im Wald jagenden Arten träten aber nur gebietsextern auf; selbst wenn man die Verluste an den gebietsintern anwendbaren Maßstäben messe, blieben sie unter der Erheblichkeitsschwelle. Die Funktionalität der von der Trasse zerschnittenen bedeutenden Flugrouten und Wechselbereiche werde durch die planfestgestellten Schutzmaßnahmen gewahrt. Diese gewährleisteten auch einen hinreichenden Kollisionsschutz für die Tiere. Ferner würden keine zum Gegenstand von Erhaltungszielen gewordenen Lebensräume erheblich beeinträchtigt. Die als Beurteilungsmaßstab für deren Stickstoffbelastung zugrunde zu legenden Critical Loads würden bereits im Nullfall überschritten. Projektbedingte Zusatzdepositionen in Höhe der Critical-Load-Werte würden auf den Flächen der geschützten Lebensräume nicht erreicht.

12

Die Einwendungen des Klägers wies der Beschluss zurück: Das Vorhaben stehe mit dem Habitatschutzrecht in Einklang. Das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" sei jedenfalls nach der Gebietserweiterung anhand des fachlich fundierten Abgrenzungskriteriums der (Laub-)Wald-/Feldgrenze zutreffend abgegrenzt. Die Verträglichkeitsprüfung habe die Flächen der damals noch nicht vollzogenen Gebietserweiterung als faktische FFH-Gebiete berücksichtigt. Die Auswirkungen des Vorhabens auf das Schutzgebiet seien in der Verträglichkeitsprüfung sorgfältig ermittelt und bewertet worden; Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele seien danach nicht zu besorgen. Das Projekt sei auch verträglich mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets "Reichenbacher Kalkberge". Beeinträchtigungen grundwasserabhängiger Lebensräume, die unter die Erhaltungsziele des Gebiets fielen, seien aufgrund der hydrogeologischen Verhältnisse und der geplanten Abdichtung des Ersatzbrunnens ausgeschlossen. Einer Verträglichkeitsprüfung für das Vogelschutzgebiet "Meißner" habe es nicht bedurft. Die Entfernung des Schutzgebiets von der Trasse sei so groß, dass Auswirkungen auf die Gebietsflächen ausgeschlossen seien. Ebenso wenig seien Störungen funktionaler Beziehungen dieses Gebiets zu anderen europäischen Schutzgebieten zu besorgen. Es treffe nicht zu, dass das Lichtenauer Becken ein faktisches Vogelschutzgebiet sei. Das Artenschutzrecht stelle gleichfalls kein Zulassungshindernis dar. Soweit das Vorhaben artenschutzrechtliche Verbotstatbestände verwirkliche, würden Befreiungen erteilt, deren Voraussetzungen gegeben seien.

13

Am 21. Januar 2008 hat der Kläger gegen den durch Auslegung vom 7. bis 21. Dezember 2007 öffentlich bekannt gemachten Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben.

14

Prozessbegleitend hat der Beklagte ein Änderungsverfahren mit dem Ziel durchgeführt, ein Monitoring- und Risikomanagementkonzept anzuordnen. Der Kläger ist hierzu beteiligt worden. Nachträglich hat der Beklagte weitere Themenkomplexe, darunter die Ermittlung und Beurteilung von Stickstoffdepositionen, in das Verfahren einbezogen.

15

Durch Planergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2009 hat er dem Planfeststellungsbeschluss Nebenbestimmungen beigefügt. Sie betreffen vor allem ein Monitoring der planfestgestellten Schutzmaßnahmen für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus, ein Monitoring der Bestandsentwicklung der Kolonien dieser Arten sowie den Vorbehalt nachträglicher Korrekturmaßnahmen nach Maßgabe der Monitoringergebnisse. Außerdem ist der Planfeststellungsbeschluss um zusätzliche nachrichtliche Planunterlagen ergänzt worden, darunter die "Konsolidierte Fassung der im Zusammenhang mit den Planungen der Teilstücke VKE 40.1 und 40.2 aktualisierten Verträglichkeitsprüfung für das Gebiet 'Werra- und Wehretal'" vom 24. August 2009. Zur Begründung wird im Planergänzungsbeschluss im Wesentlichen ausgeführt: Die ergänzenden Nebenbestimmungen für ein Risikomanagement seien aus Gründen der Vorsorge getroffen worden, obgleich erhebliche Beeinträchtigungen des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus schon nach dem Schutzkonzept des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses ausgeschlossen seien. Sollte sich diese positive Prognose nach den Monitoringergebnissen nicht bewahrheiten, ließen sich mit den vorgesehenen Korrekturmaßnahmen erhebliche Gebietsbeeinträchtigungen zuverlässig ausschließen. Die ergänzend durchgeführten Untersuchungen zu Stickstoffdepositionen bestätigten im Ergebnis die Annahme, dass erhebliche Beeinträchtigungen geschützter Lebensräume auch unter diesem Aspekt ausgeschlossen seien. Die ermittelten Zusatzbelastungen seien so gering, dass sie mit bis zu 3 % der Critical Loads weit unter der Signifikanzschwelle der einschlägigen Vollzugshilfe des Landesumweltamts Brandenburg von 10 % der Critical Loads blieben. Die konsolidierte Fassung der Verträglichkeitsprüfung berücksichtige, soweit sie die VKE 32 betreffe, fachliche Stellungnahmen, die die ursprüngliche Verträglichkeitsprüfung ergänzten und teils zum Gegenstand einer Beteiligung der Träger öffentlicher Belange gemacht, teils in das verwaltungsgerichtliche Verfahren eingeführt worden seien.

16

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss nochmals um Schutzauflagen ergänzt.

17

Zur Begründung seiner Klage wiederholt und vertieft der Kläger seine im Planfeststellungsverfahren erhobenen Einwendungen. Ergänzend macht er im Wesentlichen geltend: Zu der durch den Planergänzungsbeschluss als nachrichtliche Planunterlage einbezogenen aktualisierten Fassung der Verträglichkeitsprüfung für das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" sei er nicht angehört worden. Durch diese Unterlage sei die zur Grundlage der Planfeststellung gemachte Verträglichkeitsprüfung in ihrer ursprünglichen Fassung überholt. Das nachträglich angeordnete Konzept eines Risikomanagements sei zu unbestimmt und überdies lückenhaft. Der Planergänzungsbeschluss beurteile ebenso wie schon der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss die Stickstoffbelastung habitatrechtlich geschützter Waldflächen im FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" fehlerhaft. Umfang und Stärke der Belastung seien unzutreffend ermittelt worden. Für Irrelevanzschwellen der Zusatzbelastung, wie sie der Beklagte zugrunde legen wolle, gebe es keine Rechtfertigung.

18

Der Kläger beantragt,

den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 16. November 2007 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2009 und der in der mündlichen Verhandlung vom 10. und 11. März 2010 vorgenommenen Ergänzungen und Klarstellungen aufzuheben.

19

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

20

Er verteidigt den Planfeststellungsbeschluss in der ergänzten Fassung.

Entscheidungsgründe

21

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Planfeststellungsbeschluss, der in der Fassung gilt und angefochten ist, die er durch den Planergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2009 und die in der mündlichen Verhandlung erklärten Ergänzungen und Klarstellungen erhalten hat, leidet an keinem zur Aufhebung des Beschlusses oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führenden Rechtsfehler. Er verstößt nicht in einer diese Rechtsfolgen rechtfertigenden Weise gegen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes 2002, gegen Vorschriften, die aufgrund oder die im Rahmen dieses Gesetzes erlassen worden sind oder fortgelten, oder gegen andere Rechtsvorschriften, die bei Erlass der Entscheidung zu beachten waren und zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind (vgl. § 61 Abs. 2 BNatSchG 2002).

22

A. Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht mit formellen Mängeln behaftet, welche dem Klagebegehren ganz oder teilweise zum Erfolg verhelfen würden.

23

Allerdings hat der Beklagte den Kläger in dem von ihm durchgeführten vereinfachten Änderungsverfahren nach § 17d FStrG i.V.m. § 76 Abs. 3 VwVfG nicht ausreichend beteiligt. Wenngleich diese Verfahrensart nicht die Durchführung eines Anhörungsverfahrens nach § 17a FStrG i.V.m. § 73 VwVfG erforderte, musste der Beklagte den Kläger als anerkannten Naturschutzverein nach Maßgabe der einschlägigen naturschutzrechtlichen Bestimmungen beteiligen (vgl. Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 76 Rn. 28). Dies ist nur ungenügend geschehen. Der Kläger hatte zwar Gelegenheit, zu den vom Vorhabenträger beantragten Ergänzungen des Fledermausschutzkonzepts Stellung zu nehmen. Zu den nachträglich in das Änderungsverfahren eingebrachten Untersuchungen der Stickstoffdepositionen, auf deren Grundlage der Beklagte im Planergänzungsbeschluss die Auswirkungen dieser Depositionen auf habitatrechtlich geschützte Lebensräume neu bewertet hat, ist dem Kläger aber keine Möglichkeit zur Äußerung eingeräumt worden.

24

Von einer Beteiligung zu dieser Problematik konnte nicht nach § 48 Abs. 2 des Hessischen Naturschutzgesetzes - HENatG - vom 4. Dezember 2006 (GVBl I S. 619) abgesehen werden. Unabhängig davon, dass eine Entscheidung, von dieser Möglichkeit Gebrauch machen zu wollen, in dem Planergänzungsbeschluss keinen Ausdruck gefunden hat, hätte sie vorausgesetzt, dass keine oder nur geringfügige Auswirkungen auf Natur und Landschaft zu erwarten waren. Bezogen auf Auswirkungen auf FFH-Gebiete ist eine solche Erwartung angesichts des für diese Gebiete geltenden strengen Schutzregimes nur dann gerechtfertigt, wenn und soweit schon aufgrund einer bloßen Vorprüfung keine erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets zu besorgen sind. Geht es hingegen - wie hier - um Untersuchungen, die Bestandteile von Verträglichkeitsprüfungen sind, so kann die Bagatellregelung des § 48 Abs. 2 HENatG nicht zum Tragen kommen.

25

Der Beteiligungsmangel ist aber unerheblich (vgl. § 17e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FStrG i.V.m. § 46 VwVfG). Der Kläger hat von den Ergebnissen der neuen Untersuchungen, auf die der Beklagte seine Beurteilung der Stickstoffdepositionen stützt, im Klageverfahren Kenntnis erlangt und sich damit schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung auseinandergesetzt. Der Beklagte hat seinerseits unter Hinweis auf die fachliche Einschätzung seiner Gutachter klar zum Ausdruck gebracht, dass er die in diesem Rahmen vorgebrachten Einwände des Klägers als nicht stichhaltig erachtet und in ihnen keinen Anlass sieht, von seiner Beurteilung abzurücken. Angesichts dessen fehlt es an der konkreten Möglichkeit, dass die behördliche Entscheidung nach ordnungsgemäßer Beteiligung des Klägers in der Sache anders ausgefallen wäre.

26

B. Der Planfeststellungsbeschluss leidet auch nicht an materiellen Rechtsfehlern, auf die sich die Klage stützen ließe.

27

1. Soweit es darauf für das Klagebegehren ankommt, steht der Beschluss in Einklang mit den Vorschriften, die dem Schutz von FFH-Gebieten und Europäischen Vogelschutzgebieten dienen. Nach § 34 HENatG, mit dem Art. 6 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl EG Nr. L 206 S. 7 - Habitatrichtlinie - FFH-RL) umgesetzt worden ist, sind Projekte vor ihrer Zulassung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura-2000-Gebietes zu überprüfen. Sie dürfen nach § 34 Abs. 2 HENatG grundsätzlich nur zugelassen werden, wenn die Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass das Projekt nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen eines solchen Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Hinsichtlich der Gebiete, für die das Vorhaben Verträglichkeitsprüfungen unterzogen worden ist, ist der Beklagte unter Berücksichtigung der Prüfungsergebnisse zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, erhebliche Beeinträchtigungen seien nicht zu besorgen. Für weitere Gebiete bedurfte es schon keiner Verträglichkeitsprüfungen.

28

a) Für das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" ist eine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden. Nach deren Ergebnissen durfte der Beklagte davon ausgehen, dass das Vorhaben mit den Erhaltungszielen des Gebiets verträglich ist.

29

aa) Bei seiner im Planfeststellungsbeschluss vom 16. November 2007 vorgenommenen Verträglichkeitsbeurteilung hat sich der Beklagte auf die zu den planfestgestellten Unterlagen gehörende Verträglichkeitsprüfung vom 25. November 2005 und die sie ergänzende Stellungnahme vom September 2007 zu den Auswirkungen der vorgesehenen Gebietsveränderung auf das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung gestützt. Entgegen der Auffassung des Klägers wird die Eignung dieser Unterlagen als Beurteilungsgrundlage nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Verträglichkeitsprüfung inzwischen in einer aktualisierten Fassung vom 24. August 2009 vorliegt, die im Planergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2009 als nachrichtliche Unterlage aufgeführt ist. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist grundsätzlich der Erlass des Planfeststellungsbeschlusses. In diesem Zeitpunkt war die Ursprungsfassung der Verträglichkeitsprüfung mit der Ergänzung vom September 2007 aktuell. Auf den Zeitpunkt eines Planergänzungsbeschlusses ist allenfalls insoweit abzustellen, als er bestimmte Probleme einer Neubewertung unterzieht. Das ist hier nur für die Stickstoffbelastung habitatrechtlich geschützter Lebensräume geschehen, für die der Beklagte im Ergänzungsbeschluss folgerichtig zwischenzeitlich ergänzend durchgeführte Ermittlungen und gewonnene Erkenntnisse verarbeitet hat, die in die aktualisierte Fassung der Verträglichkeitsprüfung eingegangen sind. Die Beurteilung im Übrigen war hingegen nicht Gegenstand des Ergänzungsbeschlusses, so dass es für die Frage der Aktualität der Beurteilungsgrundlagen insoweit nicht auf dessen Erlasszeitpunkt ankommen konnte. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Aktualisierung der Verträglichkeitsprüfung vor allem andere Abschnitte des Gesamtprojekts der A 44 betrifft, während sie für die VKE 32 - abgesehen von den Angaben zur Stickstoffbelastung - keine erheblichen tatsächlichen Veränderungen oder veränderten Erkenntnisse aufzeigt, die für die Beurteilung der Verträglichkeit des Vorhabens von Bedeutung sein könnten.

30

bb) Das Vorhaben ist in der Verträglichkeitsprüfung an den für das FFH-Gebiet maßgeblichen Erhaltungszielen gemessen worden. Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des jeweiligen Gebiets zu überprüfen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 HENatG); ist das Gebiet bereits durch eine Natura-2000-Verordnung des Landes als Schutzgebiet ausgewiesen, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften (§ 34 Abs. 1 Satz 2 HENatG). Da bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses eine solche Verordnung noch nicht ergangen war, musste auf die Erhaltungsziele abgestellt werden. § 3 Satz 2 Nr. 3 HENatG definiert die Erhaltungsziele als Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der natürlichen Lebensräume und Arten nach den Anhängen I und II der Habitatrichtlinie sowie der Vogelarten nach Anhang I der Richtlinie79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl EG Nr. L 103 S. 1 - Vogelschutzrichtlinie - VRL), für die das Gebiet bestimmt ist. Die Erhaltungsziele sind zu ermitteln durch Auswertung der zur Vorbereitung der Gebietsmeldung gefertigten Standard-Datenbögen, in denen die Merkmale des Gebiets beschrieben werden, die aus nationaler Sicht erhebliche ökologische Bedeutung für das Ziel der Erhaltung der natürlichen Lebensräume und Arten haben (Urteile vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 und vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 ). Die Verträglichkeitsprüfung ist in dieser Weise vorgegangen und hat die im Standard-Datenbogen mit signifikanten Vorkommen im Gebiet vertretenen Lebensräume des Anhangs I und Arten des Anhangs II der Habitatrichtlinie als Gegenstände von Erhaltungszielen zugrundegelegt. Die besondere Bedeutung, die den großen, zusammenhängenden Buchenwaldbeständen der Gebietsteile laut Standard-Datenbogen als Jagdhabitat für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus zukommt, ist dabei ausdrücklich berücksichtigt worden.

31

cc) Der Verträglichkeitsprüfung ist ein zutreffender räumlicher Umgriff zugrundegelegt worden. Sie erstreckt sich auf das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" in seinen bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses festgelegten Grenzen und bezieht zusätzlich die Flächen der damals noch nicht umgesetzten Gebietserweiterung sowie gebietsexterne Funktionsbeziehungen zwischen den Teilgebieten ein. Dieser räumliche Umgriff war einerseits ausreichend, um alle relevanten Auswirkungen in den Blick nehmen zu können, andererseits aber auch geboten, so dass die gerichtliche Überprüfung keinen der genannten Teilbereiche aussparen kann. Soweit die Verträglichkeitsprüfung darüber hinaus hilfsweise gebietsexterne Jagdhabitate des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus berücksichtigt hat, war dies hingegen rechtlich nicht geboten mit der Folge, dass Auswirkungen auf diese die Verträglichkeit des Projekts nicht in Frage stellen können.

32

(1) Das Schutzregime des Art. 6 FFH-RL beschränkt sich flächenmäßig grundsätzlich auf das FFH-Gebiet in seinen administrativen Grenzen. Das Schutzkonzept der Habitatrichtlinie beruht auf zwei Säulen, nämlich zum einen dem ubiquitären Artenschutz (Art. 12 FFH-RL) und zum andern dem besonderen Gebietsschutz (Art. 6 FFH-RL). Letzterer knüpft an die Unterschutzstellung einer bestimmten Fläche an. Dementsprechend definiert Art. 1 FFH-RL unter Buchstabe j ein "Gebiet" als "einen geographisch definierten Bereich mit klar abgegrenzter Fläche" und unter Buchstabe l ein "besonderes Schutzgebiet" als "ein... ausgewiesenes Gebiet, in dem die Maßnahmen, die zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der natürlichen Lebensräume und/oder Populationen der Arten, für die das Gebiet bestimmt ist, erforderlich sind, durchgeführt werden". Das schließt aus, den Gebietsschutz mit Blick auf Folgewirkungen von Beeinträchtigungen gebietsexterner Flächen über die Gebietsgrenzen auszudehnen. Deshalb wäre es verfehlt, gebietsexterne Flächen, die von im Gebiet ansässigen Vorkommen geschützter Tierarten zur Nahrungssuche genutzt werden, in den Gebietsschutz einzubeziehen. Sind die dem Gebietsschutz unterfallenden Vorkommen auf die betreffenden gebietsexternen Nahrungshabitate zwingend angewiesen, um in einem günstigen Erhaltungszustand zu verbleiben, so ist das Gebiet, wie noch auszuführen sein wird, im Regelfall des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 FFH-RL, falsch abgegrenzt und muss auf diese Nahrungshabitate ausgedehnt werden. Dagegen wäre es systemwidrig, die Habitate losgelöst von der Gebietsabgrenzung als durch die Erhaltungsziele des Gebiets mitumfasst zu behandeln.

33

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das Konzept des Gebietsschutzes sich auf die Errichtung eines Schutzgebietsnetzes richtet. Der angestrebten Vernetzung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass geschützte Arten in isolierten Reservaten insbesondere wegen des notwendigen genetischen Austauschs, oft aber auch wegen ihrer Lebensgewohnheiten im Übrigen nicht auf Dauer erhalten werden können. Deshalb ist der Schutz der Austauschbeziehungen zwischen verschiedenen Gebieten und Gebietsteilen unverzichtbar. Beeinträchtigungen dieser Austauschbeziehungen, z.B. durch Unterbrechung von Flugrouten und Wanderkorridoren, unterfallen mithin dem Schutzregime des Gebietsschutzes (so bereits Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 36).

34

Besonderheiten ergeben sich, wenn Gebiete, die nach ihren Eigenschaften in die Kommissionsliste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 3 FFH-RL aufgenommen werden könnten oder gar müssten, diesen Status noch nicht erlangt haben oder in dieser Liste enthaltene Gebiete fehlerhaft zu klein abgegrenzt worden sind. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urteile vom 13. Januar 2005 - Rs. C-117/03 - Slg. 2005, I-00167 und vom 14. September 2006 - Rs. C-244/05 - Slg. 2006, I-08445 ) müssen die in Art. 6 FFH-RL vorgesehenen Schutzmaßnahmen nur für die Gebiete getroffen werden, die in die Kommissionsliste eingetragen sind. Für Gebiete, die zwar von den Mitgliedstaaten gemeldet, aber noch nicht gelistet worden sind, gelten hingegen andere Maßgaben. Gemeinschaftsrechtlich sind für sie "geeignete Schutzmaßnahmen" geboten, "um die ökologischen Merkmale dieser Gebiete zu erhalten" (Urteil vom 14. September 2006 a.a.O. Rn. 44). Erläuternd heißt es hierzu in dem zuletzt zitierten Urteil (a.a.O. Rn. 46), die Mitgliedstaaten dürften keine Eingriffe zulassen, die die ökologischen Merkmale des Gebiets ernsthaft beeinträchtigen könnten; dies gelte insbesondere dann, wenn ein Eingriff die Fläche des Gebiets wesentlich verringern oder zum Verschwinden von in dem Gebiet vorkommenden prioritären Arten führen oder aber die Zerstörung des Gebiets oder die Beseitigung seiner repräsentativen Merkmale zur Folge haben könnte. Diese Erläuterung zeigt, dass das von den Mitgliedstaaten vor der Gebietslistung zu gewährleistende Schutzregime hinter den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zurückbleiben darf. Die anwendbaren Verfahrensmodalitäten bestimmen sich nach dem innerstaatlichen Recht, dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als die, die für gleichartige innerstaatliche Situationen gelten (Urteil vom 14. September 2006 a.a.O. Rn. 50).

35

Diese Grundsätze finden in gleicher Weise Anwendung, soweit es um Flächen geht, deren Einbeziehung in ein bereits gelistetes Gebiet in Rede steht. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Gebietserweiterung der Kommission bereits vorgeschlagen worden ist oder ob dies noch nicht geschehen ist, die Nachmeldung sich aber aufdrängt. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat über diese Fallgestaltungen zwar bisher nicht entschieden; es gibt aber keine stichhaltigen Gründe, sie abweichend zu behandeln.

36

Hiernach ist es gemeinschaftsrechtlich zulässig, für gemeldete oder zu meldende Erweiterungsflächen weniger strenge Schutzanforderungen zu stellen als für die Flächen des gelisteten Gebiets. Als Mittel dazu kommt grundsätzlich - als Regelung für vergleichbare innerstaatliche Situationen - eine vorläufige Unterschutzstellung der betreffenden Flächen in Betracht, die den Schutzstandard näher umschreibt. Für das Land Hessen scheidet diese Möglichkeit aber in entsprechender Anwendung des § 3 Satz 2 Nr. 5 HENatG aus. Nach dieser Vorschrift gehören auch die gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 bis 3 BNatSchG 2002 an die Kommission gemeldeten, aber noch nicht gelisteten Gebiete zu den Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung, für die das Schutzregime der §§ 33 und 34 HENatG gilt. Die Zielrichtung der Vorschrift, den Gebietsschutz auf Flächen auszudehnen, deren Listung als möglich oder sogar sicher erscheint, passt für Gebiete und Gebietsteile, die noch nicht gemeldet sind, deren Meldung sich aber aufdrängt, gleichermaßen wie für gemeldete Gebiete. Für sie findet somit nach hessischem Landesrecht das Schutzregime der habitatrechtlichen Regelungen Anwendung.

37

(2) Nach diesen Grundsätzen musste die Verträglichkeitsprüfung über das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" in seinen bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geltenden Grenzen hinaus ausgedehnt werden. Zusätzlich einzubeziehen waren die Flächen, um die das Gebiet nachträglich durch die hessische Natura-2000-Verordnung erweitert worden ist, nicht dagegen auch die Flächen, die nach Auffassung des Klägers wegen ihrer Funktion als Jagdhabitate des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus dem Gebiet hätten zusätzlich angegliedert werden müssen.

38

Die Maßstäbe für die Gebietsabgrenzung ergeben sich aus Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Phase 1 FFH-RL. Diese Regelung findet nicht nur für die Identifizierung von FFH-Gebieten, sondern auch für deren konkrete Abgrenzung Anwendung (Urteile vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <156> und vom 17. Mai 2002 - BVerwG 4 A 28.01 - BVerwGE 116, 254 <258>). Maßgebend sind ausschließlich die in Anhang III Phase 1 genannten naturschutzfachlichen Kriterien; Erwägungen, die auf Interessen gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Art abstellen, sind nicht statthaft (Urteile vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <24> und vom 27. Oktober 2000 a.a.O. S. 156; ebenso für die Gebietsauswahl durch die Mitgliedstaaten EuGH, Urteil vom 7. November 2000 - Rs. C-371/98 - Slg. 2000, I-09235). Für die Anwendung der Kriterien ist den zuständigen Stellen ein fachlicher Beurteilungsspielraum eingeräumt; zwingend ist eine Gebietsmeldung nur, wenn und soweit die fraglichen Flächen die von der Habitatrichtlinie vorausgesetzte ökologische Qualität zweifelsfrei aufweisen (Urteile vom 31. Januar 2002 - BVerwG 4 A 15.01 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 168 S. 102 und vom 22. Januar 2004 - BVerwG 4 A 4.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 4 S. 31). Dementsprechend dürfen Gebietsteile, die den Auswahlkriterien zweifelsfrei entsprechen, bei der Gebietsmeldung nicht ausgespart werden (Urteil vom 17. Mai 2002 a.a.O. S. 258).

39

Ist die Phase 2 des Auswahlverfahrens abgeschlossen, ein FFH-Gebiet also wie das hier betroffene Gebiet "Werra- und Wehretal" bereits von der Kommission in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden, so sind an die Darlegung einer fehlerhaften Gebietsabgrenzung allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Für eine gerichtliche Prüfung ist zwar weiterhin Raum (offengelassen im Beschluss vom 13. März 2008 - BVerwG 9 VR 9.07 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 33 Rn. 22), da sich trotz der Fachkunde der mit dem Auswahlprozess betrauten Stellen Fehleinschätzungen nie völlig ausschließen lassen und die dynamische Entwicklung der Natur zu veränderten Verhältnissen führen kann. Mit Rücksicht auf die durch den Auswahlprozess verbürgte hohe Richtigkeitsgewähr der Gebietsabgrenzung bedürfen Einwände gegen die Sachgerechtigkeit der Abgrenzung aber einer besonderen Substantiierung (Beschluss vom 13. März 2008 a.a.O.).

40

Nach diesem Maßstab ist die bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 16. November 2007 geltende Gebietsabgrenzung im Einwirkungsbereich der VKE 32 korrekturbedürftig gewesen. Die nachträglich in das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" einbezogenen Erweiterungsflächen entsprechen unter Zugrundelegung der Erhaltungsziele des Gebiets zweifelsfrei den maßgeblichen Auswahlkriterien. In Anbetracht der besonderen Bedeutung, die nach dem Standard-Datenbogen dem Erhalt der großen, zusammenhängenden Laubwaldbestände als Lebensraum für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus bei der Gebietsauswahl beigemessen wurde, war es fachlich zwingend geboten, größere zusammenhängende Laubwaldbestände insgesamt unter Schutz zu stellen. Dem widersprach die Gebietsabgrenzung, die das Abgrenzungskriterium der (Laub-)Wald-/Feldgrenze nicht konsequent durchgehalten und Anteile am zusammenhängenden Laubwald in Gestalt der späteren Erweiterungsflächen südlich der Ortschaft Küchen (Langer Berg), nordöstlich von Hasselbach (Beerberg) und westlich von Waldkappel (Wehrberg) ohne ersichtlichen Grund aus dem Gebiet ausgegrenzt hat. Hierzu gehört auch eine bisher dem FFH-Gebiet "Reichenbacher Kalkberge" zugehörige Waldfläche zwischen dem FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" und der Erweiterungsfläche Langer Berg, die die Verbindung zwischen beiden bildet. Da diese erst nachträglich hinzugekommenen Flächen - wie in einer Stellungnahme des Hessischen Ministeriums für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz vom 5. September 2007 ausdrücklich eingeräumt - nach Lage und Funktion integrale Bestandteile des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" darstellen, bestand insoweit im Erlasszeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses ein sich aufdrängender Korrekturbedarf.

41

Die Einbeziehung weiterer für die Beurteilung des Vorhabens relevanter Flächen in das Gebiet brauchte sich hingegen nicht aufzudrängen. Der Kläger beruft sich für seine gegenteilige Auffassung vor allem auf die Eignung und tatsächliche Nutzung von Offenland, Übergangsbereichen und Waldstücken im Wehretal durch das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus als Jagdhabitate sowie die Lage von Quartierbäumen der Bechsteinfledermaus am Rand bzw. sogar außerhalb des (erweiterten) FFH-Gebiets. Beide Gesichtspunkte rechtfertigen es nicht, von einer zu engen Gebietsabgrenzung auszugehen.

42

Aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anhang III Phase 1 Buchst. B.b FFH-RL ergibt sich, dass die Gebietsabgrenzung die für die zum Gegenstand von Erhaltungszielen gemachten Arten wichtigen Habitatelemente einbeziehen muss. Für Arten, die große Lebensräume beanspruchen, lässt Art. 4 Abs. 1 Satz 2 FFH-RL es demgegenüber genügen, wenn die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente unter Schutz gestellt werden. Letzteres rechtfertigt den Gegenschluss, dass für die unter Art. 4 Abs. 1 Satz 1 FFH-RL fallenden Arten, zumindest soweit sie für die Gebietsmeldung ausschlaggebend sind, alle wichtigen Habitatelemente vom Gebiet umfasst sein müssen. Dazu zählen auch Jagdhabitate in einem Umfang, der die zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der betreffenden Art im Gebiet notwendige Nahrungsgrundlage sicherstellt.

43

Die der Abgrenzung des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" zugrundeliegende naturschutzfachliche Einschätzung, diese Voraussetzung sei sowohl für das Große Mausohr als auch für die Bechsteinfledermaus erfüllt, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken; ob das Große Mausohr überhaupt unter Art. 4 Abs. 1 Satz 1 FFH-RL fällt oder ob diese Art wegen ihres Aktionsradius von ca. 15 km Art. 4 Abs. 1 Satz 2 FFH-RL zuzuordnen ist, kann daher offenbleiben. Wie bereits erwähnt, ist die Gebietsabgrenzung anhand des (Laub-)Wald/Feld-Kriteriums vorgenommen worden. Dieses Kriterium ist für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus gleichermaßen naturschutzfachlich abgesichert. Die im Rahmen der Grunddatenermittlung für die Verträglichkeitsprüfung durchgeführten telemetrischen Untersuchungen kommen im Einklang mit der einschlägigen Fachliteratur zu dem Ergebnis, dass das Große Mausohr überwiegend und die Bechsteinfledermaus sogar fast ausschließlich im Wald jagt. Das Große Mausohr nutzt nach den Telemetrieergebnissen im FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" zwar auch Übergangsbereiche und Offenland in einem Umfang von 20,2 % bzw. 8,5 %. In der für die Arterhaltung besonders wichtigen Phase der Laktation jagen aber 85 % der telemetrierten Tiere im Wald.

44

Der Kläger hat keine Umstände aufgezeigt, die die vorgenommene Gebietsabgrenzung gleichwohl als naturschutzfachlich nicht vertretbar erscheinen lassen. Zum Großen Mausohr verweist er darauf, dass die in Trassennähe der VKE 32 festgestellten Jagdhabitate sich überwiegend außerhalb der Gebietsgrenzen befinden. Das lässt sich aber damit erklären, dass die Trasse dem Talverlauf folgt und daher weitestgehend im Offenland verläuft. Betrachtet man die Gesamtsituation, so liegen - wie die Karte 2 zur Fledermauskundlichen Grunddatenerfassung 2003 (NPU 23) ausweist - viele der weiter entfernten Jagdhabitate in den Wäldern des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" oder angrenzender FFH-Gebiete. Auch die Rechnung, mit der der Kläger belegen will, dass sämtliche als Jagdhabitate im Wehretal genutzten Flächen für den Erhalt der Art notwendig sind, überzeugt nicht. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass es nicht angeht, die Zahl der im Aktionsraum der Wochenstuben jagenden Fledermäuse zu ermitteln, indem die Zahl der in der jeweiligen Wochenstube lebenden Weibchen verdoppelt wird. Da die Männchen ihre Quartiere ganz überwiegend abseits der Wochenstuben nehmen, werden die Bereiche um die Wochenstuben im Wesentlichen von Weibchen bejagt.

45

Bezogen auf die Bechsteinfledermaus wendet der Kläger ein, der weit überwiegende Teil telemetrisch festgestellter Jagdhabitate liege gebietsextern. Dieser Umstand stellt eine fachgerechte Gebietsabgrenzung schon deshalb nicht in Frage, weil angesichts der kleinen Zahl telemetrierter Tiere nicht angenommen werden kann, die tatsächlich genutzten Jagdhabitate seien auch nur annähernd erfasst worden. In diesem Zusammenhang weist der Beklagte nachvollziehbar darauf hin, dass die Telemetrierung lediglich dazu gedient habe, eine Grundlage zur Abschätzung des potentiellen Aktionsraums der Bechsteinfledermauskolonien zu gewinnen. Ausgehend von regelmäßig nachgewiesenen Aktionsradien der Art von etwa 3 km wurde auf der Basis der Telemetrieergebnisse ein potentieller Aktionsraum der Kolonien ermittelt, der jeweils große Laubwaldanteile im FFH-Gebiet (einschließlich der Erweiterungsflächen) enthält. Gebietsextern liegen hingegen nur kleinere Waldinseln und -streifen, wie ein Vergleich zwischen der Karte 1 der Grundlagendatenermittlung zur Verträglichkeitsprüfung (NPU 25) und der Übersichtskarte 1 der Stellungnahme zu den Auswirkungen der Gebietsveränderung (NPU 32) zeigt. Das FFH-Gebiet enthält nach den überzeugenden Ausführungen in der Stellungnahme der Planungsgruppe Umwelt und der S. GbR vom 13. März 2010 große Potentiale bislang von der Bechsteinfledermaus noch gar nicht genutzter Jagdhabitate. Wie bereits im Planfeststellungsbeschluss (S. 243) erwähnt und in der mündlichen Verhandlung seitens des Gutachters Si. näher erläutert worden ist, stellt der Aktionsraum von Bechsteinfledermäusen keine fixe Größe dar. Die Tiere sind vielmehr in der Lage, ihn in Maßen den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen, soweit sie geeignete Habitatstrukturen vorfinden. Anschaulich bestätigt wird diese Flexibilität durch die vollständige Verlagerung des Quartierzentrums der Bechsteinfledermauskolonie Nordwest-Harmuthsachsen innerhalb des FFH-Gebiets, die nach den Ausführungen des Gutachters im Jahr 2009 stattgefunden hat. Bei dieser Sachlage ist die der Gebietsabgrenzung zugrundeliegende naturschutzfachliche Einschätzung, durch die gebietsinternen Flächen werde eine ausreichende Nahrungsgrundlage der beiden durch die VKE 32 betroffenen Kolonien der Bechsteinfledermaus gewährleistet, nicht erschüttert.

46

Die Lage der von Kolonien der Bechsteinfledermaus genutzten Quartierbäume erforderte - soweit hier von Belang - gleichfalls keine großräumigere Gebietsabgrenzung. Mit einer Ausnahme befinden sich die ermittelten Quartierbäume innerhalb der Grenzen des (erweiterten) FFH-Gebiets. Ausweislich des Vorschlags der S. GbR vom 2. August 2007 zur Gebietserweiterung (Anlage zur NPU 28) wurde jeder Quartierbaum mit einem Puffer von 100 m versehen, soweit in diesem Umkreis geeignete Habitatstrukturen vorhanden waren. Anhand des vorgelegten Kartenmaterials lässt sich nachvollziehen, dass dort, wo ein geringerer Abstand zur Gebietsgrenze besteht, tatsächlich keine geeigneten Habitatstrukturen vorhanden sind (vgl. den Bestands- und Konfliktplan der NPU 32). Dass ein Quartierbaum knapp außerhalb des Gebiets steht, ist nicht entscheidungserheblich, weil er sich etwa 850 m von der Trasse entfernt und damit weit außerhalb ihres Einwirkungsbereichs befindet.

47

(3) Sind alle Habitatelemente, die für eine zum Gegenstand eines Erhaltungsziels gewordene Art wichtig sind, schon bei der Gebietsabgrenzung zu berücksichtigen, so brauchten über das festgelegte Gebiet einschließlich sich aufdrängender Erweiterungsflächen hinaus gebietsexterne Flächen nicht in die Verträglichkeitsprüfung einbezogen zu werden. Soweit die hier durchgeführte Verträglichkeitsprüfung "vorsorglich" auch Verluste und Beeinträchtigungen solcher Flächen als Nahrungshabitate des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus in den Blick genommen hat, entsprach dies keinem rechtlichen Erfordernis und ist deshalb für die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses ohne Belang. Gebietsextern mussten vielmehr nur die Funktionsbeziehungen zwischen den Teilgebieten des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" sowie zwischen diesem Gebiet und anderen FFH-Gebieten geprüft werden. Dies ist geschehen, indem untersucht worden ist, ob und inwieweit die Flugrouten des Großen Mausohrs und die Wechselbereiche der Bechsteinfledermaus durch den Bau und Betrieb der Trasse beeinträchtigt werden können, in welchem Ausmaß es zu Kollisionen von Exemplaren beider Arten mit dem Autobahnverkehr kommen kann und in welchem Umfang diese Risiken durch das geplante Schutzkonzept beherrschbar sind.

48

Soweit der Planfeststellungsbeschluss für die Bechsteinfledermaus von der Annahme ausgegangen ist, die Wechselbeziehungen zwischen den Gebietsteilen seien nicht von den Erhaltungszielen des Gebiets umfasst (S. 241 und 243), trifft diese Sicht freilich nicht zu, da die Aktionsräume der Bechsteinfledermaus zwar deutlich kleiner als die des Großen Mausohrs sind, aber dennoch FFH-Gebietsteile auf beiden Seiten des Wehretals einschließen. Daraus, dass die Bechsteinfledermaus zum Gegenstand des Gebietsschutzes geworden ist, ergibt sich die Notwendigkeit, auch die artspezifischen Wechselbeziehungen zwischen den Gebietsteilen als Erhaltungsziel anzusehen. Die abweichende Auffassung des Planfeststellungsbeschlusses ist jedoch letztlich unerheblich, weil er die Aufrechterhaltung der Wechselbeziehungen zwar nicht als Erhaltungsziel verstanden, aber gleichwohl im Anschluss an die Verträglichkeitsprüfung wegen ihrer Bedeutung für den Erhaltungszustand der Art in den Gebietsschutz einbezogen hat (S. 243).

49

dd) Die Beurteilung der Verträglichkeit des Vorhabens beruht auf einer ausreichenden Erfassung und Bewertung der maßgeblichen Bestandteile des FFH-Gebiets.

50

Um die projektbedingten Einwirkungen zutreffend auf ihre Erheblichkeit hin beurteilen zu können, hat die Verträglichkeitsprüfung eine sorgfältige Bestandserfassung und -bewertung der von dem Projekt betroffenen maßgeblichen Gebietsbestandteile zu leisten. Dazu bedarf es keiner flächendeckenden Ermittlung des floristischen und faunistischen Gebietsinventars sowie der Habitatstrukturen. Vielmehr genügt die Erfassung und Bewertung der für die Erhaltungsziele maßgeblichen Gebietsbestandteile in einem solchen Umfang, dass die Einwirkungen des Projekts bestimmt und bewertet werden können. Die Methode der Bestandsaufnahme ist nicht normativ festgelegt; die Methodenwahl muss aber den für die Verträglichkeitsprüfung allgemein maßgeblichen Standard der "besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse" einhalten (vgl. Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 ). Dem wird die im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung durchgeführte Bestandsaufnahme gerecht.

51

Soweit der Kläger geltend macht, die Methoden zur Erfassung des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus sowie ihrer Habitatnutzung seien in zu geringem Umfang angewandt worden, was insbesondere für die Telemetrie gelte, überzeugt dies nicht. Für beide Fledermausarten wurden Vorkommen und Habitatnutzung durch einen Methodenmix, bestehend aus Detektorkartierungen, Netzfängen und Telemetrie, erhoben. In Anbetracht des hohen Aufwandes, der mit der letztgenannten Methode verbunden ist, leuchtet es ein, dass sie nur eingesetzt worden ist, um die durch Detektorkartierungen und Netzfänge gewonnenen Erkenntnisse zu ergänzen. Im Zusammenhang mit der Ermittlung von Jagdhabitaten sind telemetrische Untersuchungen im Übrigen nicht durchgeführt worden, um die tatsächlich genutzten Habitate flächendeckend zu erfassen; vielmehr ging es - wie schon erwähnt - nur darum, Erkenntnisse über die Art der genutzten Strukturen zu erlangen, um so eine Grundlage zur Bestimmung potentieller Jagdhabitate zu gewinnen. Dass unter diesem Blickwinkel weitere Untersuchungen keine zusätzlichen planungsrelevanten Erkenntnisse erwarten ließen, leuchtet ein. Auch der Kläger hat nicht dargetan, welche konkreten Erkenntnisse er in dieser Hinsicht vermisst.

52

Seine Rüge, die Verträglichkeitsprüfung beschränke sich in ihrer Habitatanalyse auf eine schematische Dreiteilung der in Frage kommenden Habitatflächen, trifft nicht zu. Bezogen auf das Große Mausohr wurde im Rahmen der Grunddatenerhebung zunächst untersucht, ob es Jagdhabitate gibt, die von dieser Art bevorzugt werden. Nachdem Telemetrierungen ergeben hatten, dass die Tiere überwiegend im Wald jagen und die Jagd in Offenlandbereichen zudem saisonal vor bzw. nach der für die Arterhaltung entscheidenden Wochenstubenzeit erfolgt, wurde der Schluss gezogen, dass die Waldgebiete das deutlich bevorzugte Jagdhabitat des Großen Mausohrs sind. Im Folgenden wurden daher nur diese Gebiete differenziert untersucht, und zwar in Bezug auf den Waldtyp (Laubwald, Mischwald, Nadelwald) und das Alter des Waldes. Da die Übergangsbereiche ein strukturell sehr unterschiedliches Bild bieten, wurde ihre Eignung als Jagdhabitat nach Experteneinschätzung im Einzelfall bestimmt. Bezogen auf die Bechsteinfledermaus ist in vergleichbarer Weise verfahren worden. Angesichts der nahezu ausschließlichen Nutzung von Wäldern als Jagdhabitate durch diese Art ist nicht zu beanstanden, dass lediglich Waldflächen einer differenzierenden Analyse unterzogen wurden.

53

Ebenso wenig sind die Einwände gegen die Erhebung der Flugrouten des Großen Mausohrs berechtigt. Die Flugrouten wurden durch Sicht- und Detektorbeobachtungen sowie Telemetrie erfasst. Soweit der Kläger die Zahl der Beobachtungsstandorte ins Verhältnis zur Länge der Gesamtstrecke setzt, ist dies nicht aussagekräftig, da Beobachtungsstandorte verstärkt im Bereich der Wochenstuben eingerichtet wurden, während die Flugrouten im Übrigen über Telemetrie ermittelt wurden. Dieses Vorgehen ist plausibel. Die Ausflugrouten an den Wochenstuben lassen sich verlässlich durch Beobachtungen ermitteln. Je weiter sich die Tiere von ihren Quartieren entfernen, desto mehr sind die Untersuchungen hingegen auf die Verfolgung einzelner Tiere über Telemetrie angewiesen.

54

Ferner hat der Beklagte den Untersuchungszeitraum nachvollziehbar begründet. Da vorliegend vor allem die Beeinträchtigung von Wochenstubenquartieren in Rede steht, ist es plausibel, die Untersuchungen auf die sensiblen Trage-, Laktations- und Aufzuchtzeiten zu konzentrieren.

55

Auch die Auswahl der charakteristischen Arten für den zum Gegenstand von Erhaltungszielen gewordenen Lebensraum "Hainsimsen-Buchenwald" ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers müssen nicht alle in einem durch das Vorhaben betroffenen Lebensraumtyp vorkommenden charakteristischen Arten speziell untersucht werden, sondern nur diejenigen, deren Betroffenheit über die Prüfung des Lebensraums als Ganzen nicht adäquat erfasst wird. Da vorliegend Lärmeinwirkungen auf den Lebensraum in Rede standen, wäre es nicht sinnvoll gewesen, die vom Kläger aufgeführten Pilze, Pflanzen, Schnecken und Falter in die Betrachtung einzubeziehen. Im Hinblick darauf, dass die Verträglichkeitsprüfung mit den untersuchten Spechtarten nach damaligem Kenntnisstand besonders lärmempfindliche Arten untersucht hat, bestand überdies kein Anlass, die Bestandsaufnahme auf weitere charakteristische Vogelarten zu erstrecken. Im Übrigen überzeugt die der Verträglichkeitsprüfung zugrundegelegte Begründung, nach der Spechte ausgewählt wurden, weil sie durch das Schaffen von Höhlen maßgeblich an der typgerechten Gestaltung des Lebensraums beteiligt sind. Schließlich bedurfte es auch nicht zwingend einer Revierkartierung; um die für die Erhaltungsziele maßgeblichen Habitatbestandteile der Spechtarten zu ermitteln und deren Beeinträchtigung abzuschätzen, genügte vielmehr die vorgenommene Potentialanalyse.

56

ee) Die Verträglichkeitsprüfung ist auf der Grundlage der ermittelten Daten zu Recht zu einem positivem Ergebnis gelangt.

57

Ob ein Projekt ein FFH-Gebiet in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigen kann, ist anhand seiner Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Gebietsbestandteile zu beurteilen. Maßgebliches Beurteilungskriterium ist der günstige Erhaltungszustand der geschützten Lebensräume und Arten im Sinne der Legaldefinitionen des Art. 1 Buchst. e und i FFH-RL; ein günstiger Erhaltungszustand muss trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben (Urteile vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 und vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 94). Für die Frage, ob dies gewährleistet ist, dürfen zugunsten des zu beurteilenden Projekts die vom Vorhabenträger geplanten oder in der Planfeststellung angeordneten Schutz- und Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt werden; denn es macht aus der Sicht des Habitatschutzes keinen Unterschied, ob durch ein Projekt verursachte Beeinträchtigungen von vornherein als unerheblich einzustufen sind oder ob sie diese Eigenschaft erst durch entsprechende Vorkehrungen erlangen (vgl. Urteile vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <27>, vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 53 und vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 94). Dies verkennt der Kläger, indem er dem Beklagten vorhält, die Verträglichkeitsprüfung habe sich durch Berücksichtigung von "Managementmaßnahmen" einer verfehlten Bewertungsmethodik bedient.

58

(1) Unter Berücksichtigung der angeordneten Schutzmaßnahmen und ergänzenden Vorkehrungen sind bezogen auf die Fledermausarten Großes Mausohr und Bechsteinfledermaus weder bau- noch anlage- oder betriebsbedingt erhebliche Beeinträchtigungen zu besorgen.

59

(a) Der Bau des Tunnels und des östlich anschließenden Straßenstücks kann zwar unstreitig zu Konflikten im Bereich der dortigen Hauptflugrouten des Großen Mausohrs und Wechselbereiche der Bechsteinfledermaus führen. Das planfestgestellte Schutzkonzept gewährleistet aber, dass der Erhaltungszustand beider Fledermausarten stabil bleibt, so dass die einschlägigen Erhaltungsziele nicht berührt sind.

60

Deutlich begrenzt werden die baubedingten Auswirkungen bereits durch die jahreszeitliche Baubeschränkung (Schadensbegrenzungsmaßnahme M 10.2 in der Fassung der Protokollerklärung vom 10. März 2010), die einen uneingeschränkten Baubetrieb nur in der Zeit vom 1. November bis 15. April erlaubt, wobei Rodungen auf die Zeit vom 1. November bis 1. März beschränkt sind. Es mag zutreffen, dass Große Mausohren ihre außerhalb des Trassenbereichs gelegenen Winterquartiere je nach Witterung und Höhenlage schon ab März eines Jahres verlassen. Die störungsanfällige Wochenstubenphase beginnt jedoch erst im April oder Mai; Geburten finden selbst in warmen Jahren erst ab Ende Mai statt (Petersen u.a., Das Europäische Schutzgebietssystem Natura 2000, Band 2: Wirbeltiere, 2004, S. 504). Für Bechsteinfledermäuse geht der Kläger selbst davon aus, dass diese ihre Quartierbäume erst ab Mitte April beziehen.

61

Außerhalb der Zeit vom 1. November bis 1. März gelten für den Baubetrieb sowohl räumliche Beschränkungen als auch besondere zeitliche Maßgaben. So darf für die Bau- und Lagerfläche am Hasselbach lediglich ein Ackerstandort in Anspruch genommen werden, der zudem durch Bauzäune von anschließenden Gehölzflächen sowie vom Hasselbachtal abgegrenzt wird. Dass die in diesem Bereich vorgesehenen Materialmieten wegen der angeordneten Höhenbegrenzung die dortige Flugroute des Großen Mausohrs nicht unterbrechen, hält der Senat für überzeugend, zumal davon auszugehen ist, dass derartige Mieten in Flugrichtung abgeböscht ausgebildet werden. Die Schadensbegrenzungsmaßnahme M 11 hat eine zügige Realisierung der Luftbogenstrecke am Tunnelportal unmittelbar bei Baubeginn in der Ruhezeit der Fledermäuse zum Gegenstand; die Arbeiten daran müssen vor der Aktivitätsphase der Tiere abgeschlossen werden. Da auch die Querungshilfen östlich des Tunnels schon während der Ruhezeit angelegt werden, bleibt die Autobahntrasse sowohl im Tunnelabschnitt als auch im offenen Anschlussbereich während der Bauphase quer zu ihrem Verlauf passierbar. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die geplanten Grünbrücken seien zunächst nicht funktionsfähig. Nach den Erläuterungen seitens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist nämlich davon auszugehen, dass die Grünbrücken sofort bepflanzt und mit seitlichen Schutzwänden eingefasst werden, so dass auf ihnen eine - wenn auch noch nicht voll ausgebildete - Leitstruktur rechtzeitig zur Verfügung steht. Die zeitlich versetzte Herstellung der Richtungsfahrbahnen erleichtert ebenfalls die Querpassierbarkeit der Trasse. Sie hat außerdem zur Folge, dass sich die Leitstrukturen, die den Fledermäusen die Orientierung ermöglichen, nur schrittweise und damit schonend ändern. Ungeachtet der Frage, ob die Flugrouten beider in Rede stehenden Fledermausarten eher als Linie oder als Korridor ausgeprägt sind, werden dadurch gravierende Hindernisse für die Orientierung der Tiere vermieden.

62

Von dem zusätzlich zur Begrenzung der baubedingten Einwirkungen beitragenden Nachtbauverbot gilt freilich für den Tunnelbau Küchen eine Ausnahme. Die Verträglichkeitsprüfung räumt selbst ein, dass sich daraus am östlichen Tunnelende, das in offener Bauweise erstellt werden soll, Konflikte ergeben könnten. Ihre Einschätzung, die Vorkehrungen des Planfeststellungsbeschlusses begegneten dem wirkungsvoll, ist indes nicht zu beanstanden. Durch die - wie erwähnt - frühzeitig anzulegende Luftbogenstrecke werden im Zusammenwirken mit seitlichen blickdichten Bauzäunen die nächtlichen Tunnelbauarbeiten einschließlich der von ihnen ausgehenden Lichtreize weitgehend abgeschirmt. Soweit die Ausnahme vom Nachtbauverbot zusätzlich ein östlich an den Tunnel anschließendes, gleichfalls innerhalb des Wechselbereichs der Bechsteinfledermaus liegendes Teilstück der Autobahn umfasst, wird die Trasse zwar nur zur Seite, nicht aber nach oben abgeschirmt. Der Beklagte hat dieses Teilstück jedoch in der mündlichen Verhandlung auf eine Länge von 100 m begrenzt mit der Folge, dass nur in diesem engen Bereich nächtliche Bauarbeiten einschließlich des ihnen zuzurechnenden Transports von Abraum mit Baufahrzeugen durchgeführt werden dürfen, während der Weitertransport allein tagsüber zulässig ist. Da die in Rede stehenden Arbeiten nicht kontinuierlich, sondern nur jeweils im Anschluss an Sprengungen im Tunnel stattfinden, leuchtet die vom Kläger nicht mit Sachargumenten erschütterte Beurteilung des Beklagten ein, dass insoweit Irritationen der Fledermäuse, die deren Kolonien destabilisieren könnten, auszuschließen sind.

63

(b) Anlagebedingte Beeinträchtigungen in Gestalt der Inanspruchnahme von Jagdhabitatflächen scheiden nach den obigen Ausführungen schon deshalb aus, weil es nicht zu gebietsinternen Verlusten solcher Flächen kommt.

64

(c) Die Verträglichkeitsprüfung ist zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass Anlage und Betrieb der Autobahn die für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus maßgeblichen Erhaltungsziele durch Zerschneidung von Flugrouten bzw. Wechselbereichen sowie signifikant gesteigerte Kollisionsrisiken beim Queren der Autobahn beeinträchtigen kann, dass das planfestgestellte Schutzkonzept aber erhebliche Beeinträchtigungen in diesem Sinne verhindert. Ausweislich der im Auftrag des Vorhabenträgers durchgeführten Untersuchungen queren bedeutende Flugrouten des Großen Mausohrs die Trasse im östlichen Teil des Tunnels Küchen und weiter östlich am Hasselbach. Außerdem erstreckt sich ein Wechselbereich der Bechsteinfledermaus vom östlichen Endstück des Tunnels über eine Entfernung von ca. 700 m nach Osten. Es liegt auf der Hand, dass die im Regelquerschnitt 27 m breite Autobahn mit ihrem Verkehrsstrom ohne Schutzmaßnahmen für die Fledermäuse eine schwer zu überwindende Hürde darstellen und zugleich das Risiko von Kollisionen der Tiere mit dem Kfz-Verkehr beträchtlich erhöhen würde. Noch verstärkt werden könnten diese Beeinträchtigungen durch den Wegfall von Vegetationselementen im Bereich einer trassenparallelen Hauptflugroute des Großen Mausohrs. Soweit am Ostende des planfestgestellten Autobahnabschnitts in der Verträglichkeitsprüfung ein zweiter Wechselbereich der Bechsteinfledermaus lokalisiert worden ist, kommt dem hingegen keine Bedeutung zu. Nach den vom Kläger nicht in Frage gestellten Erläuterungen des Beklagten ist dort nämlich nur ein einzelnes Männchen telemetriert worden, so dass der fragliche Bereich keine Vernetzungsfunktion zwischen Teilen des FFH-Gebiets oder mit anderen FFH-Gebieten erfüllt. Aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich der eingehenden Diskussion in der mündlichen Verhandlung unter Beteiligung der Gutachter Dipl.-Biol. Sp. auf Seiten des Klägers sowie Dr. D. und Dipl.-Ing. G. auf Seiten des Beklagten hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass die im Planfeststellungsbeschluss vorgesehenen Vermeidungsmaßnahmen in Verbindung mit dem zusätzlich angeordneten Risikomanagement ausreichen, um die aufgezeigten Risiken zu bewältigen und vernünftige Zweifel am Ausbleiben einer vorhabenbedingten Verschlechterung des Erhaltungszustands der Mausohr- und Bechsteinfledermauspopulation im FFH-Gebiet auszuschließen.

65

Kernstück des Schutzkonzepts sind Querungshilfen in Gestalt des in den Wechselbereich der Bechsteinfledermaus hinein verlängerten Tunnels, zweier Grünbrücken und des Durchlasses unter der Hasselbachbrücke. Eingebunden werden sie in ein Gefüge aus Leiteinrichtungen, bestehend aus talseitigen Wällen und bergseitigen Böschungen, überwiegend beidseitigen trassenbegleitenden Bepflanzungen, Schutzzäunen und -wänden. Diese Einrichtungen haben die doppelte Funktion, die Fledermäuse als Leitstrukturen zu den Querungshilfen hinzuleiten und sie zugleich von einem Überflug über die Trasse an anderer Stelle abzuhalten. Durch ein Monitoring soll die Wirksamkeit der Maßnahmen überwacht und so die Grundlage geschaffen werden, um durch vorbehaltene ergänzende Maßnahmen erst nachträglich sichtbar werdende Schwachstellen des Schutzkonzepts zu beheben.

66

Die Verträglichkeitsprüfung und - ihr folgend - der Planfeststellungsbeschluss sind zu Recht davon ausgegangen, dass die vorgesehenen Schadensvermeidungs- und -minderungsmaßnahmen die Funktionalität der Flugrouten des Großen Mausohrs und des Wechselbereichs der Bechsteinfledermaus erhalten. Die dagegen vom Kläger erhobenen Einwände greifen nicht durch.

67

Der grundsätzliche Einwand, die Wirksamkeit von Querungshilfen und Leiteinrichtungen für Fledermäuse sei wissenschaftlich nicht belegt, findet in den einschlägigen Studien und Richtlinien keine Stütze. Das aktuelle Merkblatt zur Anlage von Querungshilfen für Tiere und zur Vernetzung von Lebensräumen an Straßen (MAQ) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Stand: März 2008, bezeichnet die dort beschriebenen Querungshilfen und ergänzenden Vorkehrungen als "in ihrer Wirkungsweise belegt" und "zur Vermeidung bzw. Minderung der Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft geeignet" (S. 6). Richtig ist allerdings, dass andere aktuelle wissenschaftliche Stellungnahmen betonen, empirische Untersuchungen zur Wirksamkeit von Querungshilfen gebe es bislang nur in geringer Zahl (vgl. den Entwurf eines Leitfadens für Straßenbauvorhaben im Freistaat Sachsen "Planung und Gestaltung von Querungshilfen für Fledermäuse", Dezember 2008 ). Trotz der Beweisregel des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL, wonach kein vernünftiger Zweifel am Ausbleiben erheblicher Beeinträchtigungen bestehen darf (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 ), hindert das aber nicht, die in dem erwähnten Merkblatt angegebenen Querungshilfen als wirksam zu betrachten. In einer Situation, die von derzeit noch nicht ausräumbaren wissenschaftlichen Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge geprägt ist, darf mit Prognosewahrscheinlichkeiten, Schätzungen und Analogieschlüssen gearbeitet werden (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 64). Neben ersten Evaluierungsstudien bilden Verhaltensbeobachtungen von Fledermäusen an Straßen eine fundierte Basis, um die Wirksamkeit von Querungshilfen und flankierenden Schutzmaßnahmen prognostisch einzuschätzen. Auf diese Weise ist es jedenfalls gerechtfertigt, die grundsätzliche Wirksamkeit von Durchlässen und Grünbrücken als Querungshilfen zu bejahen. Unsicherheiten über die im jeweiligen Einzelfall gebotene Lage und Ausgestaltung der Hilfen bedeuten kein unüberwindbares Zulassungshindernis, wenn das Schutzkonzept ein wirksames Risikomanagement entwickelt hat (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 64). Der Beklagte ist in dieser Weise vorgegangen, indem er sich bei der Ausgestaltung der Schadensvermeidungs- und Schadensminderungsmaßnahmen am Merkblatt orientiert und ergänzend ein Risikomanagement angeordnet hat, um bei Bedarf das Schutzkonzept "nachjustieren" zu können.

68

Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen keine Bedenken gegen die Lage der geplanten Querungshilfen. Während eine Hauptflugroute des Großen Mausohrs die Trasse über dem Tunnel quert, befindet sich die zweite querende Hauptflugroute in der Nähe des Hasselbachs. Sowohl der Durchlass unter der Hasselbachbrücke als auch die Grünbrücke Hasselbach sollen in nahem räumlichen Zusammenhang mit dieser Hauptflugroute errichtet und durch Leiteinrichtungen mit ihr verknüpft werden. Auch die Bechsteinfledermaus wird den Tunnel als Querungshilfe nutzen können, weil dieser infolge der vorgesehenen Tunnelverlängerung einen Teil ihres Wechselbereichs abdecken wird. Die Grünbrücke am ehemaligen Bahnhof Hasselbach wird in der Mitte des Wechselbereichs liegen und damit unstreitig richtig platziert sein. Dass die Grünbrücke Hasselbach und die Hasselbachbrücke ca. 50 bzw. 120 m außerhalb des Wechselbereichs geplant sind, stellt ihre Eignung als Querungshilfe - auch - für die Bechsteinfledermaus nicht in Frage, sofern sie fachgerecht durch Leitstrukturen mit diesem Bereich verknüpft werden.

69

Die Behauptung des Klägers, die geplanten Querungshilfen könnten wegen unzureichender Maße und Bepflanzung ihre Funktion nicht erfüllen, vermag nicht zu überzeugen. Die Grünbrücken sollen 12 bzw. 13 m breit ausgeführt werden, während das MAQ lediglich eine Mindestbreite von 8 m vorsieht (Tabelle 4.6 auf S. 46). Soweit in dem Merkblatt eine Breite ab 50 m empfohlen wird (S. 18), betrifft dies Standard-Grünbrücken zur Vernetzung gesamter Lebensräume. Darum geht es hier nicht. Der Empfehlung, die Brücken mit doppelreihigem Bewuchs sowie Licht- und Lärmschutz auszustatten (S. 43 f.), trägt die Planung Rechnung; neben zwei Gehölzstreifen sind merkblattblattkonform an den Brückenrändern 3 m hohe Irritationsschutzwände vorgesehen, um die Brücken von der Autobahn abzuschirmen. Anders als die beiden Grünbrücken entspricht der Durchlass unter der Hasselbachbrücke allerdings nicht voll den Vorgaben des Merkblatts. Während dieses für "sonstige Unterführungen" bezogen auf andere als wassergebunden fliegende Arten eine lichte Höhe von mindestens 4,5 m und eine lichte Weite von mindestens 5 m fordert (Tabelle 4.6 auf S. 47), weist die Hasselbachbrücke eine lichte Höhe von 3,5 m und eine lichte Weite von 10 m auf. Ausweislich der Erläuterungen der Gutachter des Beklagten, die klägerseitig nicht substantiiert angegriffen worden sind, nutzen Große Mausohren, für die die Hasselbachbrücke in erster Linie als Querungshilfe dienen soll, Durchlässe aber bereits ab einer Größe von 2 x 2 m; die in dem Merkblatt geforderten größeren Abmessungen seien auf die Bedürfnisse anderer Arten zurückzuführen. Angesichts dessen durfte der Beklagte die Eignung der Hasselbachbrücke als Querungshilfe für das Große Mausohr bejahen, zumal deren Breite die Mindestangaben des Merkblatts weit übersteigt. Sollte die Eignung für die Bechsteinfledermaus eingeschränkt sein, stellt dies die Stimmigkeit des Schutzkonzepts nicht in Frage, weil für diese Art die näher zum Wechselbereich hin gelegene Grünbrücke Hasselbach ohnehin den wesentlichen Baustein bildet, um die Funktionalität des Wechselbereichs in seinem östlichen Teil aufrechtzuerhalten.

70

Die Sorge des Klägers, die Grünbrücken könnten mangels ausreichend entwickelter Vegetationsstruktur im Zeitpunkt der Verkehrsfreigabe wirkungslos bleiben, ist unbegründet. Das MAQ verlangt nicht, dass die Vegetationsstruktur bei Inbetriebnahme der Trasse voll entwickelt ist. Es weist nur darauf hin, dass Sperr- und Leiteinrichtungen für Fledermäuse ihre Funktion erst ab einer Höhe von 3 m erfüllen, und verlangt, diese Einrichtungen müssten rechtzeitig vor Verkehrsfreigabe funktionsfähig sein. Sollte dies zeitlich nicht möglich sein, könnten die Pflanzungen mit entsprechend hohen Holzwänden kombiniert werden (S. 61). Dem trägt die Planung Rechnung. Die Verträglichkeitsprüfung sieht vor, dass die Grünbrücken vorgezogen erstellt und mit mindestens 3 m hohen Irritationsschutzwänden versehen werden. In Anbetracht dessen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Wirksamkeit bei Verkehrsfreigabe.

71

Ebenso wenig kann der Kläger mit seiner Kritik an der Einbindung der Querungshilfen in die Landschaft durchdringen. Die Planung sieht für den Trassenabschnitt östlich des Tunnels lückenlose trassenbegleitende Leitstrukturen entlang der Autobahn vor. Im unmittelbaren Anschluss an die Querungshilfen sind 4 m hohe Irritationsschutzwände geplant, an die sich Leitpflanzungen und - teils zusätzlich, teils ersatzweise - fledermausspezifische oder -angepasste Schutzzäune anschließen. Diese Einrichtungen sind südlich der Autobahn durchgehend auf einem 4 m hohen Wall, nördlich am Hang geplant, so dass die Autobahn in einem tiefen Einschnitt liegen wird. Es leuchtet ein, dass die genannten Einrichtungen ihre Leitfunktion dadurch frühzeitig wahrnehmen können. Während die trassenparallelen Leitstrukturen nach Norden hin durch zusätzliche Pflanzungen an vorhandene Gehölzflächen anbinden, ist dem Kläger allerdings zuzugeben, dass es nach Süden hin wegen der B 7 an einer entsprechenden Verknüpfung fehlt. Aufgrund der von Seiten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen hat sich das Gericht aber davon überzeugen können, dass die - schon bisher vorhandene und künftig wesentlich entlastete - B 7 kein ernsthaftes Hindernis für die nach Süden fliegenden bzw. von dort kommenden Tiere darstellen wird.

72

Erhebliche Beeinträchtigungen der trassenparallelen Flugroute des Großen Mausohrs brauchte der Beklagte ebenfalls nicht in Rechnung zu stellen. Zwar ist diese Flugroute, worauf der Kläger zutreffend hinweist, durch Rodungsarbeiten seitlich des ehemaligen Bahndamms betroffen. Durch die trassenbegleitenden Anpflanzungen werden jedoch gleichgerichtete Leitstrukturen geschaffen, die in der Lage sind, die Funktion der verlorengehenden Gehölzsäume zu übernehmen.

73

Auf die Einwände des Klägers gegen die im Bereich des Wehrebogens geplanten Schutzvorkehrungen kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Dort sind keine Hauptflugrouten des Großen Mausohrs oder Wechselbereiche der Bechsteinfledermaus festgestellt worden, denen eine Vernetzungsfunktion zwischen den Teilen des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" oder zwischen diesem Gebiet und anderen FFH-Gebieten zukommt. Soweit die Trasse dort Trennwirkungen, etwa in Bezug auf die Erreichbarkeit von Nahrungshabitaten der Fledermäuse, hervorruft, sind Schutzvorkehrungen nicht an den Bestimmungen des Habitatrechts, sondern denen des allgemeinen Artenschutzrechts zu messen.

74

Das planfestgestellte Schutzkonzept ist aber nicht nur geeignet, die habitatrechtlich relevante Vernetzungsfunktion der Hauptflugrouten des Großen Mausohrs bzw. des Wechselbereichs der Bechsteinfledermaus aufrechtzuerhalten; darüber hinaus rechtfertigt es auch die Prognose, das Kollisionsrisiko werde so reduziert, dass eine Beeinträchtigung des Erhaltungszustands dieser Arten im FFH-Gebiet ausgeschlossen sei. In dem kritischen Bereich östlich des Tunnelportals wird dem Risiko eines Einfliegens der Tiere in die Trasse durch ein Bündel von Maßnahmen begegnet. Dazu gehört der Lärmschutzwall von über 4 m Höhe auf der Südseite, der zusätzlich dicht bepflanzt wird, ebenso wie durchgehende Schutzzäune auf der Nordseite, die zwischen dem östlichen Tunnelportal und den Querungsbauwerken als fledermausspezifische Schutzzäune mit einer Höhe von 4 m nebst zusätzlich aufgesetztem Drahtgeflecht von 1,5 m und im Übrigen als fledermausgerecht modifizierte Wildschutzzäune von 2 m Höhe ausgebildet werden. Diese Einrichtungen sind ebenso wie die geplanten Bepflanzungen zwar für die Fledermäuse überfliegbar, vermindern durch ihre Höhe aber das Risiko, dass die Tiere bodennah in die Trasse einfliegen und dort von Fahrzeugen erfasst werden. Die Zweifel des Klägers an der Eignung dieser Anlagen zur Risikominderung sind unbegründet. Sie entsprechen in ihrer konkreten Ausgestaltung den Vorgaben des MAQ. Freilich ist dem Kläger zuzugeben, dass die Schutzwirkung der geplanten Einrichtungen begrenzt ist; insbesondere besteht die Gefahr fort, dass die Flughöhe der Tiere nach Überwinden der Sperreinrichtungen wegen der Trassenbreite deutlich absinkt und so zu Kollisionen mit Kraftfahrzeugen führt (vgl. Sächsischer Leitfaden, S. 86 f., 95). Diesem Umstand kommt aber keine ausschlaggebende Bedeutung zu, weil die Sperrwirkung ohnehin nur einen Nebeneffekt der primär als Leitstrukturen dienenden Einrichtungen darstellt.

75

Soweit wegen der geringen Zahl empirischer Untersuchungen zur Eignung von Querungshilfen einschließlich ergänzender Leit- und Sperreinrichtungen Prognoseunsicherheiten über die Wirksamkeit der planfestgestellten Maßnahmen verbleiben, trägt die Planung dem durch das angeordnete Risikomanagement Rechnung. Die daran vom Kläger geübte Kritik kann dem Klagebegehren nicht zum Erfolg verhelfen.

76

Der Kläger wendet ein, die Datenermittlung zur Funktionskontrolle der Querungshilfen nebst flankierenden Einrichtungen habe sich nach der Regelung im Planergänzungsbeschluss auf anerkannte fachliche Standards zu stützen, obwohl es solche gar nicht gebe. Das Fehlen einschlägiger Standards stützt er auf die Annahme, wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit von Schadensbegrenzungsmaßnahmen für Fledermäuse lägen noch nicht in ausreichendem Maße vor. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Die einschlägige Nebenbestimmung im Planergänzungsbeschluss (IV.15) schreibt vor, bei der Ermittlung des Nutzungsumfangs von Grünbrücken usw. durch das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus sowie der Wirkung von Schutzeinrichtungen seien anerkannte Standards zugrunde zu legen. Das besagt nichts über anerkannte Standards bezüglich der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen, sondern verweist auf Standards nur für die Methoden, mit denen das Verhalten von Fledermäusen im Bereich der fraglichen Einrichtungen überprüft werden soll. In engem Zusammenhang mit der vorstehenden Kritik wirft der Kläger dem Beklagten vor, die Monitoringmaßnahmen seien nicht genügend konkret festgelegt worden. Die Nebenbestimmungen IV.15 und 16 des Planergänzungsbeschlusses umschreiben indes sowohl die Gegenstände des Monitorings als auch die Untersuchungsmethoden sowie Anzahl und Methodik der Untersuchungen. In Anbetracht der Bezugnahme auf einschlägige Standards konnte die Ausgestaltung der Untersuchungsmaßnahmen im Detail der Ausführungsplanung überlassen werden.

77

Auch gegen die inhaltliche Ausgestaltung des Monitorings ist nichts zu erinnern. Die Kontrolle ist so konzipiert, dass Ergebnisse erst nach Beendigung der Bauphase gewonnen werden. Das ist entgegen der Auffassung des Klägers sachgerecht. Die Risiken, denen mit dem angeordneten Risikomanagement begegnet werden soll, betreffen allein die Betriebsphase der Autobahn. Darauf durfte der Beklagte die zeitliche Vorgabe für die geplanten Untersuchungen ausrichten. Ebenso wenig bestand eine Notwendigkeit, den Verlust von Jagdhabitaten in die Überprüfung einzubeziehen; denn Gegenstand des Monitorings ist nur die Wirksamkeit von Schutzeinrichtungen zur Aufrechterhaltung von Flugkorridoren und zum Ausschluss von Kollisionsverlusten. Soweit der Kläger geltend macht, nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand hätte eine umfangreiche Todfundsuche angeordnet werden müssen, hat er einen entsprechenden Methodenstandard zwar behauptet, aber nicht ausreichend belegt. Dass im Fall der Autobahn A 17 von Dresden nach Prag eine derartige Suche durchgeführt worden ist, belegt nicht, dass ein anders konzipiertes Monitoring ohne entsprechende Suche den aktuellen methodischen Standard verfehlt. Eine andere vom Kläger als Beleg benannte Untersuchung betrifft keine Verkehrsanlagen und ist schon deshalb nicht einschlägig.

78

Die Rüge, das Monitoring hätte, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, Referenzpopulationen des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus einbeziehen müssen, übersieht, das eben dies für die Bechsteinfledermaus geschehen ist. Die Entwicklung der besonders in den Blick genommenen Kolonie "Langer Berg" ist nach der Nebenbestimmung IV.16 a des Planergänzungsbeschlusses nämlich an derjenigen der weiteren Kolonien im Wirkbereich der Planungsabschnitte VKE 32 und 33 zu messen. Wegen ihrer unterschiedlichen Betroffenheit ist es sachgerecht, diese weiteren Kolonien als Referenzkolonien heranzuziehen. Für das Große Mausohr findet sich zwar keine vergleichbare Regelung, weil beide unter IV.16 b des Planergänzungsbeschlusses angesprochenen Kolonien Untersuchungsgegenstand und damit keine Referenzobjekte sind. Dennoch können Vergleiche zwischen ihrer jeweiligen Entwicklung Aufschlüsse über Auswirkungen des Projekts geben. Dies gilt umso mehr unter Berücksichtigung der Erkenntnisse, die aus den Funktionskontrollen der planfestgestellten Schutzmaßnahmen gewonnen werden.

79

Soweit der Kläger behauptet, die Funktionsfähigkeit sämtlicher Schadensvermeidungs- und -minderungsmaßnahmen für die Bechsteinfledermaus im Bereich zwischen Hasselbach und dem östlichen Planungsende seien vom Monitoring ausgenommen, trifft dies nicht zu; die Nebenbestimmung IV.15 des Planergänzungsbeschlusses enthält keine entsprechende räumliche Beschränkung. Nicht stichhaltig ist ferner der Einwand, die unter IV.16 des Planergänzungsbeschlusses für das Große Mausohr vorgenommene Beschränkung des Monitorings auf die Populationsgröße sei unzureichend. Es mag zutreffen, dass die Erhebung weiterer Parameter die Aussagekraft der Untersuchungsergebnisse noch steigern würde, weil es möglich wäre, andere Ursachen für eine Abnahme der Population als die mangelnde Funktionsfähigkeit von Schutzmaßnahmen auszuschließen. Wenn die Planfeststellungsbehörde aus einer signifikanten Abnahme der Populationsgröße den Schluss ziehen will, das Schutzkonzept reiche nicht aus und müsse deshalb ergänzt werden, geht das aber jedenfalls nicht zu Lasten der Erhaltungsziele des Gebiets und begründet deshalb keinen Mangel des Monitoringkonzepts.

80

Der Kläger rügt darüber hinaus, die Regelungen im Planergänzungsbeschluss über die Reaktion auf die Monitoringergebnisse seien zu unbestimmt; es sei nicht festgelegt, wann und unter welchen Voraussetzungen ergänzende Maßnahmen anzuordnen seien. Auch diese Rüge ist nicht berechtigt. Der Planergänzungsbeschluss verknüpft das Monitoring und das weitere Risikomanagement in Bezug auf Schutzeinrichtungen durch einen Vorbehalt (IV.17 a). Für den Fall, dass die im Rahmen des Monitorings durchzuführenden Soll-Ist-Abgleiche "relevante negative Abweichungen" von der Prognose anzeigen, sind Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Erfüllt ist die genannte Voraussetzung, wenn entweder die überprüften Einrichtungen "die prognostizierte Funktion ... nicht ausreichend erfüllen" oder wenn "das Monitoring der Bestandsentwicklungen der Kolonien ... negative Veränderungen erkennen lässt, die den Projektwirkungen zugerechnet werden können" (IV.17 b). Damit sind die Reaktionsvoraussetzungen hinreichend umrissen. Ihre nähere Konkretisierung hat anhand von Maßstäben zu erfolgen, die nach Abstimmung mit der Oberen Naturschutzbehörde der Planfeststellungsbehörde vor Baubeginn zur Genehmigung vorzulegen sind. Auch die eigentliche Entscheidung über die zu ergreifenden Korrekturmaßnahmen ist der Planfeststellungsbehörde vorbehalten (IV.17 a). Damit wird den rechtlichen Anforderungen, die an Entscheidungsvorbehalte zu stellen sind (vgl. Beschluss vom 30. August 1994 - BVerwG 4 B 105.94 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 31 S. 9 ff.), Rechnung getragen. Die Planfeststellungsbehörde behält es nämlich in der Hand, über das "Ob" und "Wie" von Korrekturmaßnahmen zu entscheiden. Dass die nähere Konkretisierung der Reaktionsvoraussetzungen nicht im Planergänzungsbeschluss erfolgt, sondern der Ausführungsplanung vorbehalten worden ist, findet seine Rechtfertigung darin, dass die vom Kläger vermissten Erwartungswerte für den gebotenen Soll-Ist-Abgleich bei Erlass des Beschlusses noch nicht hinreichend konkret formulierbar waren. Zum einen fehlte die Detailplanung der Schadensvermeidungsmaßnahmen, die erst mit dem landschaftspflegerischen Ausführungsplan erfolgt; zum anderen hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Ableitung von Erwartungswerten von Daten abhängt, die möglichst kurz vor Beginn des Eingriffs erhoben werden sollen.

81

Ebenso wenig verfängt die Kritik des Klägers, die vorbehaltenen Korrekturmaßnahmen seien lückenhaft und im Übrigen wirkungslos. Soweit er Korrekturmaßnahmen mit Schutzrichtung für Jagdhabitate und zur Abwehr bau- und anlagenbedingter Beeinträchtigungen vermisst, ist sein Vortrag unbeachtlich, weil das planfestgestellte Schutzkonzept insoweit keiner Ergänzung durch ein Risikomanagement bedurfte. Auch seine Rüge, betriebsbedingten Zerschneidungswirkungen und Kollisionsverlusten lasse sich über den Vorbehalt nicht abhelfen, vermag nicht zu überzeugen. Dass nachträgliche Grünbrücken aufgrund der Geländeverhältnisse nicht realisierbar seien, stellt eine unsubstantiierte Behauptung dar. Die mangelnde Eignung des Vorbehalts zur Bewältigung von Zerschneidungswirkungen lässt sich auch nicht damit begründen, dass neben den im Planergänzungsbeschluss angesprochenen weitere Korrekturmaßnahmen möglich, aber nicht vorbehalten seien. Der Kläger nennt zwar einen ganzen Strauß solcher Maßnahmen. Abgesehen davon, dass die vorgeschlagene Nachpflanzung und Erhöhung der Gehölzstreifen auf den geplanten Grünbrücken und dem Tunneldach von der vorbehaltenen "Verdichtung der bisherigen Bepflanzung" umfasst wird, verkennt er aber, dass nach der unter IV.17 c getroffenen Regelung die ausdrücklich benannten Korrekturmaßnahmen nur Regelbeispiele sind. Gegenüber der Behauptung, die vorbehaltenen Korrekturmaßnahmen zur Ergänzung bzw. Modifizierung von Sperreinrichtungen seien wirkungslos, ist auf das MAQ zu verweisen, das solche Einrichtungen ausdrücklich vorsieht.

82

Im Übrigen würden etwaige Mängel der Regelung über das Risikomanagement dem Klagebegehren ohnehin nicht zum Erfolg verhelfen. Da die Möglichkeit wirksamer Monitoring- und Korrekturmaßnahmen keinen grundsätzlichen Zweifeln begegnet, ließen etwaige Mängel der getroffenen Regelung das Planungskonzept unberührt und könnten demgemäß durch schlichte Planergänzung ausgeräumt werden. Das schließt es aus, ihretwegen den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben oder für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären (§ 17e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 FStrG entsprechend).

83

(d) Der Autobahnbetrieb wird keine Immissionen hervorrufen, die fledermausbezogene Erhaltungsziele des FFH-Gebiets beeinträchtigen. Für Lichtreize, Geräusche und Stickstoffdepositionen, die auf Habitatflächen des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus außerhalb der Gebietsgrenzen einwirken, gilt dies in gleicher Weise wie für unmittelbare Flächenverluste schon deshalb, weil diese Flächen nicht unter den Habitatschutz fallen. Zu einer der Prüfung bedürfenden Neuverlärmung kommt es freilich auch auf gebietsinternen Habitatflächen, wenn man trotz neuerer Untersuchungen, die ein Meideverhalten oder zumindest eingeschränkte Jagdaktivitäten der Fledermäuse nur für Distanzen von 25 bzw. 50 m seitlich von Straßen ermittelt haben, mit der Verträglichkeitsprüfung für Lärmeinwirkungen eine Relevanzschwelle von 55 dB(A) zugrunde legt. Insoweit stehen neu verlärmten Flächen am "Langer Berg" von 0,49 ha und am Beerberg von 0,09 ha Flächen am "Langer Berg" von 2,86 ha gegenüber, auf denen der Lärm durch die Entlastung der B 7 und die Tunnelführung der A 44 unter diese Schwelle absinkt. Da die Be- und Entlastungsflächen im Wesentlichen gleichartige Habitatelemente darstellen und in räumlichem Zusammenhang zueinander stehen, ist es mit den Erhaltungszielen vereinbar, sie saldierend zu betrachten mit der Folge, dass keine relevante Neuverlärmung eintritt. Dass es durch die äußerst geringen Zusatzbelastungen gebietsinterner Habitatflächen mit Stickstoff zu einer die Jagd der Fledermäuse behindernden Verkrautung oder Ausbreitung von Brombeeren kommen könnte, ist eine vom Kläger nicht ansatzweise belegte Behauptung.

84

(2) Soweit die Verträglichkeitsprüfung erhebliche Beeinträchtigungen der zum Gegenstand von Erhaltungszielen des Gebiets gewordenen Lebensräume 9110 (Hainsimsen-Buchenwald), 9130 (Waldmeister-Buchenwald) und 91E0* (Erlen-Eschen- und Weichholzauenwälder) durch Stickstoffbelastungen verneint hat, greifen die dagegen vom Kläger erhobenen Einwendungen im Ergebnis ebenfalls nicht durch.

85

(a) Der Kläger ist mit diesen Einwendungen allerdings nicht nach § 61 Abs. 3 BNatSchG 2002 bzw. § 17a Nr. 7 Satz 2 FStrG ausgeschlossen. Zwar hat er sich in seinem Einwendungsschreiben vom 10. April 2006 darauf beschränkt, Beeinträchtigungen des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus durch erhöhte Stickstoffdepositionen geltend zu machen, die die Krautschicht von Laubwäldern veränderten und deren Eignung als Jagdhabitate für die Fledermäuse ungünstig beeinflussten. Negative Auswirkungen auf Vegetationsflächen bestimmter Lebensraumtypen dürften damit nicht hinreichend klar gerügt sein. Gleiches gilt für das im Rahmen der ergänzenden Anhörung zu den Konsequenzen der Gebietserweiterung eingereichte Einwendungsschreiben des Klägers vom 31. Oktober 2007, in dem nicht die Prüfung oder Bewertung von Stickstoffeinträgen in Flächen des Lebensraumtyps 9110, sondern nur die mangelnde Berücksichtigung anderer Beeinträchtigungen dieses Lebensraums beanstandet worden ist. Die Möglichkeit, Vortrag zur Stickstoffbelastung von Flächen der dem Gebietsschutz unterfallenden Lebensraumtypen im gerichtlichen Verfahren nachzuschieben, wurde dem Kläger aber dadurch eröffnet, dass die Planfeststellungsbehörde ihre Entscheidungsgrundlagen in dem prozessbegleitend durchgeführten ergänzenden Verfahren durch Einbeziehung des Endberichts des Ingenieurbüros L. GmbH & Co. KG zur Berechnung der Stickstoffdepositionen vom Juni 2008 und weiterer Untersuchungen nachträglich ergänzt hat, ohne diese Unterlagen dem Kläger noch zur Stellungnahme zuzuleiten. Werden den Naturschutz betreffende neue Untersuchungen angestellt, auf die - wie hier - die Planungsentscheidung gestützt werden soll, so müssen die anerkannten Naturschutzvereine erneut beteiligt werden, auch wenn die vorgesehene Entscheidung nicht zu zusätzlichen Eingriffen in Natur und Landschaft führt (Urteil vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 19.95 - BVerwGE 102, 358 <362>). Wird ihnen diese Möglichkeit vorenthalten, so kann ihnen nicht vorgeworfen werden, dass sie im ursprünglichen Anhörungsverfahren keine entsprechenden Einwendungen erhoben haben (Urteil vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 A 73.07 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 39 Rn. 58 m.w.N.).

86

(b) In der Sache greifen die Einwände des Klägers jedoch nicht durch. Die behördliche Beurteilung der Stickstoffbelastung habitatrechtlich geschützter Waldlebensräume ist zwar nicht frei von Rechtsfehlern; diese haben aber keinen Einfluss auf das Beurteilungsergebnis.

87

Die Verträglichkeitsprüfung hat in ihrer Ursprungsfassung die Stickstoffdepositionen nach dem Konzept der sog. Critical Loads (nachfolgend: CL) bewertet und dabei für die in Rede stehenden Lebensräume empirische CL von 10 bis 15 kg N/ha*a zugrundegelegt (vgl. zum CL-Konzept Kieler Institut für Landschaftsökologie, Bewertung von Stickstoffeinträgen im Kontext der FFH-Verträglichkeitsstudie, Februar 2008 , S. 7). Dem ist der Planfeststellungsbeschluss vom 16. November 2007 ungeachtet ausführlicher Zitate aus einer dieses Konzept modifizierenden Stellungnahme der Gutachterin Dr. habil. Sch. vom 12. November 2007 letztlich gefolgt (S. 257 und 263 f.). Die CL sollen naturwissenschaftlich begründete Belastungsgrenzen für Vegetationstypen und andere Schutzgüter umschreiben, bei deren Einhaltung signifikant schädliche Effekte von Luftschadstoffdepositionen auch langfristig ausgeschlossen werden können. In Anbetracht der Unsicherheiten, denen die Beurteilung der durch ein Projekt für habitatrechtlich geschützte Lebensräume hervorgerufenen Stickstoffbelastungen unterliegt (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 ), ist gegen die Verwendung dieses Konzepts nichts einzuwenden (Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 ).

88

Den habitatrechtlichen Schutzansatz hat der Planfeststellungsbeschluss in seiner Ursprungsfassung indes dadurch verfehlt, dass er allein die Zusatzbelastungen an den CL als Beurteilungswerte gemessen hat. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL und § 34 Abs. 1 und 2 HENatG fordern zwar eine projektbezogene Prüfung. Die Beurteilung der Einwirkungen des jeweiligen konkreten Vorhabens kann aber nicht losgelöst von den Einwirkungen, denen der betroffene Lebensraum im Übrigen unterliegt, vorgenommen werden. Maßstab für die Erheblichkeit von Gebietsbeeinträchtigungen sind - wie schon erwähnt - die für das Gebiet maßgeblichen Erhaltungsziele (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 41), also die Festlegungen zur Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der in einem FFH-Gebiet vorkommenden Lebensräume und Arten nach den Anhängen I bzw. II FFH-RL (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 BNatSchG 2002). Eine an den Erhaltungszielen orientierte Prüfung ist nicht möglich, ohne neben den vorhabenbedingten Einwirkungen auch Einwirkungen in den Blick zu nehmen, denen der geschützte Lebensraum oder die geschützte Art von anderer Seite ausgesetzt ist. Daher ist für eine am Erhaltungsziel orientierte Beurteilung der projektbedingten Zusatzbelastung die Berücksichtigung der Vorbelastung unverzichtbar (Beschluss vom 10. November 2009 - BVerwG 9 B 28.09 - NVwZ 2010, 319 m.w.N.). Das schließt es aus, allein die Zusatzbelastung an dem einschlägigen CL-Wert zu messen.

89

Dieser Rechtsmangel ist durch den Planergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2009 nicht behoben worden. Eine Heilung nach Maßgabe von § 17e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 FStrG scheitert freilich nicht daran, dass der Planergänzungsbeschluss ausdrücklich hervorhebt, eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses sei insoweit nicht erforderlich (S. 18 oben). In seiner Begründung hat sich der Ergänzungsbeschluss mit der Beurteilung der Stickstoffdepositionen auf der Grundlage einer vertiefenden Untersuchung des Ingenieurbüros L. und neuer vegetationskundlicher Erhebungen, die beide in der konsolidierten Fassung der Verträglichkeitsprüfung ausgewertet und verarbeitet worden sind, erneut auseinandergesetzt. Der Sache nach hat er damit die Zulassungsentscheidung hinsichtlich der Stickstoffproblematik auf eine neue Grundlage gestellt. Das entspricht den Anforderungen, die der Senat in dieser Hinsicht an die Fehlerheilung stellt (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 71; Beschluss vom 10. Dezember 2009 - BVerwG 9 A 9.08 - NVwZ 2010, 320 ).

90

Ebenso wenig kann einer Fehlerheilung entgegengehalten werden, die Stickstoffbelastung der geschützten Lebensräume sei in der Untersuchung des Büros L. fehlerhaft berechnet worden. Der Kläger hat gerügt, bei der Berechnung der Zusatzbelastung sei die nasse Deposition unberücksichtigt geblieben und die der Berechnung zugrundegelegten Werte für die Geschwindigkeit der trockenen Deposition seien nicht angegeben worden. Unter beiden Gesichtspunkten sind die Berechnungsergebnisse nicht zu beanstanden. Der Gutachter Dipl.-Ing. Lo. vom Büro L. hat hierzu in der mündlichen Verhandlung erläuternd ausgeführt, dass die durch niederschlagsbedingte Auswaschung des Stickstoffs aus Luftschichten resultierende nasse Deposition infolge der Verdünnung des Stickstoffs in der Luft bei den hier in Rede stehenden Entfernungen sich im Milligrammbereich bewege und deshalb neben der trockenen Deposition nicht ins Gewicht falle. Als Depositionsgeschwindigkeiten seien die vom Umweltbundesamt angegebenen Werte berücksichtigt worden, um eine einheitliche Behandlung der Zusatzbelastung und der ebenfalls nach diesen Werten berechneten Vorbelastung zu gewährleisten. Diese Erläuterungen erscheinen plausibel und sind auch von Klägerseite nicht weiter in Frage gestellt worden.

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Die Heilung scheitert aber daran, dass die in der konsolidierten Fassung der Verträglichkeitsprüfung und im Planergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2009 vorgenommene Neubeurteilung anhand der "Vollzugshilfe zur Ermittlung erheblicher und irrelevanter Stoffeinträge in Natura 2000-Gebiete" des Landesumweltamtes Brandenburg vom November 2008 (nachfolgend: Brandenburger Vollzugshilfe) erfolgt ist, wonach für zusätzliche Stickstoffbelastungen in der Regel eine Irrelevanzschwelle von 10 % des CL-Wertes anzuwenden ist (Nr. 4.4 und 4.5). Dies steht nicht in Einklang mit den für die Verträglichkeitsprüfung geltenden rechtlichen Maßstäben. Kommt es für die Erheblichkeit einer Beeinträchtigung darauf an, ob diese dem einschlägigen Erhaltungsziel zuwiderläuft, so ist grundsätzlich jede Überschreitung eines Wertes, der die Grenze der nach naturschutzfachlicher Einschätzung für das Erhaltungsziel unbedenklichen Auswirkungen bestimmter Art markiert, als erheblich anzusehen. Bei Zugrundelegung des CL-Konzepts für die Verträglichkeitsprüfung fungieren die CL als Beurteilungswerte in diesem Sinne. Werden sie bereits von der Vorbelastung ausgeschöpft oder sogar überschritten, so folgt daraus, dass prinzipiell jede Zusatzbelastung mit dem Erhaltungsziel unvereinbar und deshalb erheblich ist, weil sie die kritische Grenze überschreitet oder schon mit der Vorbelastung verbundene Schadeffekte verstärkt (Beschluss vom 10. November 2009 a.a.O. Rn. 6; vgl. auch schon Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 108).

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Angesichts dessen sind Irrelevanzschwellen, die generalisierend Zusatzbelastungen bis zu einem bestimmten Prozentsatz der CL für unbedenklich erklären, mit den habitatrechtlichen Vorgaben nicht ohne Weiteres zu vereinbaren und bedürfen besonderer, naturschutzfachlich fundierter Rechtfertigung. Daran ändert nichts, dass die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene Technische Anleitung Luft ebenfalls Irrelevanzschwellen für Zusatzbelastungen mit Schadstoffen enthält, worauf die Brandenburger Vollzugshilfe ausdrücklich Bezug nimmt (4.4); denn Vorbilder aus anderen Rechtsbereichen können nicht eine Handhabung rechtfertigen, die sich von dem maßgeblichen habitatrechtlichen Maßstab entfernt. Naturschutzfachliche Gesichtspunkte, auf die sich eine Irrelevanzschwelle von 10 % der CL stützen ließe, sind indessen weder in der Brandenburger Vollzugshilfe benannt (vgl. dazu KIfL, S. 19) noch sonst ersichtlich. Namentlich liefern die Umstände, dass CL "rohe" wissenschaftliche Ergebnisse mit hohen Unsicherheitsmargen darstellen (KIfL, S. 26), die Methoden der Depositionsberechnung noch mit Unsicherheiten behaftet sind und Daten der Vorbelastung nur gerundet zur Verfügung stehen, hierfür keine hinreichende Rechtfertigung. Falls derartige Unsicherheiten nicht ohnehin im Wege einer Modifizierung der CL durch Zu- oder Abschläge zu bewältigen sind, könnten sie allenfalls eine Rolle spielen, soweit es um die Beurteilung von Zusatzbelastungen geht, die zusammen mit der Vorbelastung zu einer sich im Grenzbereich des CL-Wertes bewegenden Gesamtbelastung führen. Überschreitet dagegen bereits die Vorbelastung den CL-Wert deutlich, kann es auf Unsicherheiten, die die richtige Grenzziehung betreffen, nicht ankommen. Ebenso sind Probleme, rechnerisch belegte Zusatzbelastungen geringer Größenordnung messtechnisch nachzuweisen, für die Beurteilung unerheblich. Schließlich fehlt es bisher an jeglichem Begründungsansatz, der Zusatzbelastungen in einer Größenordnung von bis zu 10 % der CL als eine im Hinblick auf ihre Wirkungen zu vernachlässigende Bagatelle erscheinen ließe.

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Erweist sich eine Neubeurteilung der projektbedingten Stickstoffdepositionen anhand des Bewertungsmodells der Brandenburger Vollzugshilfe als zur Fehlerheilung ungeeignet, so verhilft dies der Klage gleichwohl nicht zum Erfolg; denn der Beurteilungsmangel hat sich nicht auf das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung ausgewirkt (§ 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG entsprechend). Dies folgt daraus, dass jedenfalls in Fallgestaltungen, in denen die Vorbelastung - wie hier - die CL um mehr als das Doppelte übersteigt, eine Irrelevanzschwelle von 3 % des jeweiligen CL-Wertes anzuerkennen ist. Eine so bemessene Schwelle findet ihre Rechtfertigung in dem Bagatellvorbehalt, unter dem jede Unverträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines FFH-Gebiets steht. Als allgemeiner, im gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EUV) wurzelnder Rechtsgedanke kann dieser Vorbehalt nicht nur bei direkten Flächenverlusten (vgl. dazu Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 124), sondern auch bei mittelbaren Einwirkungen auf einen Lebensraum wie den hier in Rede stehenden Stickstoffdepositionen zum Tragen kommen (Beschluss vom 10. November 2009 a.a.O. Rn. 8). Wann eine Einwirkung Bagatellcharakter hat, ist eine zuvörderst naturschutzfachliche Frage.

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Eine Orientierungshilfe bietet insoweit der vom Kieler Institut für Landschaftsökologie erarbeitete Fachkonventionsvorschlag, der unabhängig vom betroffenen Flächenumfang eine Schwelle von 3 % des CL empfiehlt (KIfL, S. 35). Ausweislich dieser naturschutzfachlich fundierten Ausarbeitung wird von konsultierten Experten eine Zusatzbelastung in der Größenordnung von 3 % des CL übereinstimmend als nicht signifikant verändernd eingestuft (ebd. S. 36; vgl. auch die auf einem internationalen Workshop vom 18. bis 20. Mai 2009 beruhende Publikation von Uhl u.a., "Ermittlung und Bewertung von Wirkungen durch Stickstoffdepositionen auf Natura 2000 Gebiete in Deutschland"). Die Erläuterungen der Gutachter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, denen der Gutachter des Klägers keine fachlichen Einwände von Gewicht entgegenzusetzen vermocht hat, haben diese Einschätzung bestätigt; danach besteht mittlerweile ein fachwissenschaftlicher Konsens darüber, dass Zusatzbelastungen von nicht mehr als 3 % des CL außerstande sind, signifikante Veränderungen des Ist-Zustandes auszulösen oder die Wiederherstellung eines günstigen Zustandes signifikant einzuschränken. Gemessen an der habitatrechtlichen Zielsetzung, einen günstigen Erhaltungszustand zu erhalten oder wiederherzustellen, erweisen sich damit vorhabenbedingte Zusatzbelastungen bis zu dieser Schwelle unabhängig vom Umfang der betroffenen Fläche als Bagatelle, die die Verträglichkeit des Vorhabens nicht in Frage stellt. Dies trifft jedenfalls dann zu, wenn schon die Vorbelastung den CL um mehr als das Doppelte übersteigt. Denn bei dieser Sachlage fällt zum einen die Zusatzbelastung gegenüber der Vorbelastung sehr gering ins Gewicht, zum anderen lässt sich dann ein dem CL-Wert entsprechender Zustand ohnehin nicht mit den spezifischen Mitteln des Habitatrechts, sondern nur durch eine effektive Luftreinhaltepolitik erzielen.

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Hiervon ausgehend kann sich die fehlerhafte Annahme einer 10%igen Irrelevanzschwelle in der konsolidierten Fassung der Verträglichkeitsprüfung und im Planergänzungsbeschluss auf das Entscheidungsergebnis nicht ausgewirkt haben. Denn auch bei Zugrundelegung einer Irrelevanzschwelle von 3 % des CL wäre die vorhabenbedingte Stickstoffdeposition zu vernachlässigen. Der für die hier betroffenen Waldlebensräume in der konsolidierten Fassung der Verträglichkeitsprüfung (S. 156) und im Planergänzungsbeschluss in Ansatz gebrachte CL von 10 bis 12 kg N/ha*a, der den naturräumlichen Gegebenheiten in nicht zu beanstandender Weise Rechnung trägt, wird schon von der Vorbelastung weit überschritten; nach den der OSIRIS-Datenbank des Umweltbundesamtes entnommenen Angaben war für die im FFH-Gebiet geschützten Waldlebensräume von einer Vorbelastung zwischen 37 und 48 kgN/ha*a und punktuell noch darüber auszugehen. Die ermittelten Zusatzbelastungen liegen dagegen weitgehend bei < oder = 0,1 kg N/ha*a und erreichen nur kleinflächig bis zu 0,3 kg N/ha*a. Damit geht bei einer hohen, den CL-Wert um mehr als das Dreifache übersteigenden Vorbelastung die Zusatzbelastung an keiner Stelle über die Irrelevanzschwelle von 3 % des CL hinaus.

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(3) Im Planfeststellungsbeschluss wird unter Rückgriff auf die die Verträglichkeitsprüfung ergänzende Stellungnahme zu den Auswirkungen der Gebietsveränderung (NPU 32) die Auffassung vertreten, Grau- und Schwarzspecht als charakteristische Arten der Waldlebensräume 9110 und 9130 würden durch Immissionen der geplanten Autobahn nicht erheblich beeinträchtigt. Diese Beurteilung lässt keine Rechtsfehler erkennen. Bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses als dem insoweit maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt entsprach es noch dem Stand der Wissenschaft, in Bezug auf Vögel Lärmimmissionen als entscheidende Störungsquelle zu betrachten und ihre Störwirkung anhand der 50- bzw. 55-dB(A)-Isophone zu bewerten. Neuere Erkenntnisse, die sich aus dem Abschlussbericht eines vom Kieler Institut für Landschaftsökologie durchgeführten Forschungsvorhabens "Vögel und Verkehrslärm" ergeben, können nicht als zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt vorausgesetzt werden, weil der auf "November 2007" datierte Bericht entweder nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses oder allenfalls wenige Tage vorher fertiggestellt wurde. Hiernach war eine relevante Neubelastung zu verneinen, da - vergleichbar der Situation der Fledermäuse - den über die genannten Werte hinaus neu belasteten Habitatflächen in größerem Umfang entsprechend entlastete Flächen gegen-überstehen. Dies gilt sowohl bezogen auf die gebietsinternen Spechthabitate insgesamt als auch bezogen auf die dem jeweiligen Lebensraumtyp zugehörigen Be- und Entlastungsflächen. Da die fraglichen Habitatelemente in räumlichem Zusammenhang zueinanderstehen und auf demselben Einwirkungspfad be- und entlastet werden, ist gegen die vorgenommene Saldierung nichts zu erinnern.

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(4) An der Beurteilung, dass die Erhaltungsziele des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" nicht beeinträchtigt werden, ändert sich auch dann nichts, wenn die Auswirkungen anderer Planungen sowie anderer Abschnitte der Autobahnplanung in die Betrachtung einbezogen werden. Auswirkungen auf die Fledermausarten "Großes Mausohr" und "Bechsteinfledermaus" in Gestalt von Zerschneidungseffekten und Kollisionsrisiken sind durch das planfestgestellte Schutzkonzept so bewältigt, dass es nicht zur Summation mit Wirkungen anderer Projekte bzw. Projektteile oder gar zu Synergismen kommen kann. Für die weiteren vorstehend behandelten Auswirkungen des planfestgestellten Vorhabens trifft Gleiches zu, ohne dass es überhaupt besonderer Schutzmaßnahmen bedürfte.

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b) Erhebliche Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets "Reichenbacher Kalkberge" sind ebenfalls nicht zu besorgen. Die für das Gebiet durchgeführte Verträglichkeitsprüfung hat die vom Kläger angesprochene Problematik hydrologischer Einwirkungen des geplanten Ersatzbrunnens auf geschützte Lebensräume zwar nur kursorisch behandelt, indem sie unter Hinweis auf die ausschließliche Förderung von Tiefenwasser und die Abdichtung des Brunnens bis zu 70 m unter Gelände eine Beeinflussung dieser Lebensräume ausgeschlossen hat (S. 22; vgl. auch den ergänzenden Hinweis in der Umweltverträglichkeitsstudie Ersatzwasserbeschaffung Brunnen Küchen, S. 17). Erläuterungen des vom Beklagten eingeschalteten Fachgutachters Dipl.-Geologe M. in der mündlichen Verhandlung anhand eines Modells der hydrogeologischen Verhältnisse im FFH-Gebiet haben die Richtigkeit der in der Verträglichkeitsprüfung enthaltenen fachlichen Einschätzung aber überzeugend bestätigt. Die zum Gegenstand von Erhaltungszielen des FFH-Gebiets gewordenen Kalktuffquellen (LRT 7220*) und Erlen-Eschen-Auenwälder (LRT 91E0*) werden von den wasserführenden Schichten, aus denen das Brunnenwasser gefördert wird, durch eine geologische Sperre in Gestalt einer schräg einfallenden Rötschicht getrennt. In Verbindung mit der geplanten Abdichtung des Bohrlochs, deren technische Realisierbarkeit keinen begründeten Zweifeln unterliegt, erscheint eine hydraulische Verbindung, die dazu führen könnte, dass den geschützten Lebensräumen durch den Betrieb des Ersatzbrunnens Wasser entzogen wird, ausgeschlossen. Im Übrigen hat der Gutachter M. verdeutlicht, dass der durch die Fördermenge des Brunnens bewirkte Grundwasser-Absenkungstrichter von diesen Lebensräumen einen weiten Abstand hält. Diesen Überlegungen hat der Kläger nicht länger widersprochen. Der für den Kläger tätige Gutachter Sp. verweist allerdings auf den gleichfalls im FFH-Gebiet geschützten Lebensraum Kalkreiche Niedermoore (LRT 7230), der von dem Brunnen nicht durch eine geologische Sperrschicht getrennt werde. Auch insoweit hat der Gutachter M. Gefährdungen aber zur Überzeugung des Gerichts auszuschließen vermocht. Aus seinen Erläuterungen folgt, dass dieser Lebensraum sich zum einen nach den örtlichen Verhältnissen nicht aus dem Grundwasser speist und zum anderen ebenso wenig wie die zuvor behandelten Lebensräume von dem Absenkungstrichter des Brunnens erfasst wird.

99

c) Von einer Verträglichkeitsprüfung für das Vogelschutzgebiet "Meißner" durfte der Beklagte absehen. Wie sich aus Art. 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 7 FFH-RL ergibt, erfordern Projekte eine Prüfung ihrer Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines ausgewiesenen Vogelschutzgebiets nur dann, wenn sie das Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten. Stellt sich dagegen schon nach einer bloßen Vorprüfung heraus, dass keine vernünftigen Zweifel am Ausbleiben erheblicher Beeinträchtigungen bestehen, so erübrigt sich eine Verträglichkeitsprüfung (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 ; Beschluss vom 26. November 2007 - BVerwG 4 BN 46.07 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 29 S. 91 f.). Dies trifft vorliegend zu. Erhebliche Einwirkungen auf das Schutzgebiet sind von vornherein ausgeschlossen. Es werden weder Gebietsflächen in Anspruch genommen noch ist aufgrund der Entfernung des Vogelschutzgebiets von der offenen Trasse mit relevanten Immissionen zu rechnen. Ausweislich der Lärmdifferenzkarte halten nicht nur die 55-dB(A)-, sondern auch die 50-dB(A)-Isophone im Planfall einen Abstand von mehr als 300 m von der Gebietsgrenze. Wo die Trasse im Tunnel geführt wird, ergeben sich im Vergleich zu dem durch den Verkehrslärm der B 7 beeinflussten Ist-Zustand sogar Entlastungen. Angesichts dessen sind Störwirkungen auf die im Gebiet geschützten Vögel einschließlich der vom Kläger besonders angesprochenen Schwarzstörche durch Lärm zu verneinen. Entsprechendes gilt für Fluchtdistanzen des Schwarzstorchs, die nach Angaben des Klägers gegenüber Personen 100 m und gegenüber Baumaschinen 500 m betragen; denn die offenen Teilstücke der Trasse liegen einschließlich der Tunnelportale mindestens 750 m vom Vogelschutzgebiet entfernt.

100

Soweit der Kläger die Gefahr sieht, Horste des Schwarzstorchs in den Biotopkomplexen "Langer Berg" und "Lochmannsberg" gingen wegen ihrer Nähe zur Trasse verloren, hat er nicht dargetan, warum sich diese auf das etwa 1 km entfernte Vogelschutzgebiet und die dort nistenden Brutpaare des Schwarzstorchs auswirken sollte. Das Erfordernis eines strikten Gebietsbezugs habitatrechtlich erheblicher Beeinträchtigungen verkennt der Kläger auch insoweit, als er die Beeinträchtigung von Nahrungshabitaten des Schwarzstorchs im Wehrebogen geltend macht. Da nichts für eine fehlerhafte Abgrenzung des Vogelschutzgebiets spricht, kommt es auf die Frage, ob außerhalb der festgelegten Gebietsgrenzen gelegene Nahrungshabitate durch das Projekt beeinträchtigt werden könnten, nach den obigen Ausführungen zur vergleichbaren Problematik für die im FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" geschützten Fledermausarten nicht an.

101

Ferner lässt sich ausschließen, dass für den Fortbestand eines günstigen Erhaltungszustands der im Vogelschutzgebiet lebenden Schwarzstörche unverzichtbare Austauschbeziehungen zu Schwarzstorchbeständen, die Gegenstand der Erhaltungsziele anderer Natura-2000-Gebiete sind, beeinträchtigt werden könnten. Die Trasse stellt für Schwarzstörche selbst dort, wo sie nicht im Tunnel verläuft, kein Überflughindernis dar und kann deshalb bislang vorhandene Austauschbeziehungen nicht unterbrechen.

102

d) Entgegen der Auffassung des Klägers brauchte der Beklagte nicht vom Vorhandensein eines faktischen Vogelschutzgebiets "Lichtenauer Becken" auszugehen, das durch das planfestgestellte Vorhaben betroffen sein könnte. Der Senat hat dies in seinem Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - (BVerwGE 130, 299 ), das auf die Klage des Klägers gegen den die VKE 20 betreffenden Planfeststellungsbeschluss des Beklagten ergangen ist, näher begründet. Darauf wird Bezug genommen. Umstände, die nunmehr Anlass zu einer abweichenden Beurteilung geben könnten, sind weder im vorliegenden Verfahren dargetan noch sonst ersichtlich.

103

2. Es stellt keinen Rechtsfehler dar, dass die Planfeststellungsbehörde im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens nicht die Verträglichkeit des Gesamtprojekts der A 44 zwischen Kassel und Eisenach mit den Erhaltungszielen aller in diesem Raum vorhandenen FFH-Gebiete geprüft, sondern sich hinsichtlich der weiteren Planungsabschnitte mit einer Vorschau nach Art eines "vorläufigen positiven Gesamturteils" begnügt hat. § 34 HENatG schreibt im Einklang mit § 34 BNatSchG 2002 eine Verträglichkeitsprüfung im Rahmen der Projektzulassung nur für das jeweilige Projekt im Sinne des § 3 Satz 2 Nr. 8 HENatG, bei einer abschnittweise erfolgenden Planung also nur für den einzelnen Planungsabschnitt vor. Die FFH-Verträglichkeit der Gesamtplanung ist hingegen allein im Verfahren der Linienbestimmung zu beurteilen (§ 34 Abs. 7 HENatG, § 35 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG 2002). Eine Ausnahme ist auch nicht für den Fall vorgesehen, dass das Erfordernis einer die Gesamtplanung betreffenden Verträglichkeitsprüfung im Linienbestimmungsverfahren noch nicht zum Tragen kommen konnte, weil die Linienbestimmung - wie hier - vor Inkrafttreten der genannten gesetzlichen Vorschriften und vor Aufnahme der einzelnen FFH-Gebiete in die von der Kommission festgelegte Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (Art. 4 Abs. 5 FFH-RL) erfolgt ist (Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 32 f.). Dass dem Gesamtprojekt in anderen Planungsabschnitten auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit, die jeweiligen Abschnitte im Wege einer Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 und 4 HENatG zuzulassen, unüberwindliche, ein vorläufiges positives Gesamturteil ausschließende Hindernisse entgegenstünden, hat der Kläger selbst nicht geltend gemacht; dies ist auch sonst nicht ersichtlich.

104

3. Das Vorhaben widerspricht ferner nicht in einer das Klagebegehren rechtfertigenden Weise den Anforderungen des Artenschutzrechts.

105

a) Mit seinem Einwand, der Beklagte habe es versäumt, den Luchs bei seiner artenschutzrechtlichen Prüfung zu berücksichtigen, ist der Kläger nach der hier maßgeblichen Präklusionsregelung des § 61 Abs. 3 BNatSchG 2002 i.V.m. § 35 Abs. 2 Satz 2 HENatG i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 18. Juni 2002 (GVBl I S. 364) ausgeschlossen. Gegenstand des zweiten Anhörungsverfahrens, in dem der Kläger durch Übersendung der maßgeblichen Planunterlagen beteiligt wurde, waren sowohl die Deckblattfassung des landschaftspflegerischen Begleitplans als auch der artenschutzrechtliche Fachbeitrag. Diesen Unterlagen ließ sich im Einzelnen entnehmen, welche Arten mit welchen Methoden vom Vorhabenträger untersucht worden waren. Der Luchs gehörte erkennbar nicht zu den in den Blick genommenen Arten. Innerhalb der Äußerungsfrist, die mit ca. zwei Monaten jedenfalls nicht zu knapp bemessen war, hat der Kläger umfangreiche Einwendungen erhoben, ein Vorkommen des Luchses oder Gesichtspunkte, die ein solches Vorkommen nahelegen könnten, jedoch ebenso wenig angesprochen wie im ersten Anhörungsverfahren. Da er auf die Rechtsfolgen verspäteter Einwendungen hingewiesen worden war, führt dies zum Einwendungsausschluss.

106

An der eingetretenen Präklusion vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass der Kläger das Vorkommen des Luchses in der ihm von der Planfeststellungsbehörde ermöglichten Äußerung zu den Stellungnahmen des Vorhabenträgers zum artenschutzrechtlichen Fachbeitrag behauptet hat. Gegenstände dieser Stellungnahmen waren eine veränderte - individuenbezogene - Beurteilung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände auf der Grundlage unveränderter Daten und die Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen des § 62 BNatSchG 2002. Die Erhebungsphase, deren Defizite der Kläger mit seinem Einwand geltend macht, war zu diesem Zeitpunkt längst abgeschlossen, und auch die Stellungnahmen zum artenschutzrechtlichen Fachbeitrag warfen insofern keine neuen Fragen auf, die den Gegenstand der Anhörung gebildet hätten.

107

Der Präklusion stehen Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften dürfen das nationale Verfahrens- und Prozessrecht zwar die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Urteile vom 14. Dezember 1995 - Rs. C-312/93 - Slg. 1995, I-4599 und - Rs. C-430/93 und 431/93 - Slg. 1995, I-4705 ). Ob eine nationale Verfahrensvorschrift diesem Erfordernis entspricht, ist unter Berücksichtigung ihrer Stellung im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens zu prüfen (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 2003 - Rs. C-327/00 - Slg. 2003, I-1877 ). Nach diesem Maßstab bestehen gegen den Einwendungsausschluss keine Bedenken. Die Regelungen der Einwendungspräklusion im deutschen Recht dienen der Rechtssicherheit, namentlich dem gesteigerten Bedürfnis des Vorhabenträgers nach Schutz und Beständigkeit der unter Drittbeteiligung zustande gekommenen Zulassungsentscheidung. Mit Rücksicht auf die genannte Zielsetzung stehen diese Präklusionsregelungen grundsätzlich in Einklang mit dem erwähnten gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgebot (Beschluss vom 11. November 2009 - BVerwG 4 B 57.09 - UPR 2010, 103 ). Anders als bei prozessrechtlichen Ausschlussfristen, für die Gleiches in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt ist (vgl. Urteil vom 16. Mai 2000 - Rs. C-78/98 - Slg. 2000, I-3201 ), tritt der Einwendungsausschluss insoweit zwar bereits vor Erlass eines gerichtlich anfechtbaren Rechtsakts ein. Das ist aber ohne Bedeutung, weil das Einwendungsrecht als Anknüpfungspunkt für die Präklusion einem vorgezogenen Rechtsschutz gleichkommt. Dieser Rechtsschutz ist nicht unzureichend; denn er liegt auch im wohl verstandenen Interesse der Einwendungsberechtigten, weil sie durch ihr Vorbringen die Chance der Einflussnahme wahren können, bevor eine Art von planerischer Verfestigung eingetreten ist (Beschluss vom 11. November 2009 a.a.O. Rn. 7). Die hier in Rede stehende Präklusionsregelung enthält keine Besonderheiten, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten. Da der Einwendungsausschluss eine angemessene Erkundigungs- und Äußerungsfrist sowie eine ausreichende Belehrung über die Folgen verspäteten Vorbringens voraussetzt, wird die Rechtsverfolgung nicht mehr als aus Gründen der Rechtssicherheit geboten erschwert.

108

Mit der hier vertretenen Auffassung setzt sich das Gericht entgegen der Ansicht des Klägers nicht in Widerspruch zu dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 15. Oktober 2009 - Rs. C-263/08 - (NuR 2009, 773). Im Ausgangsfall, der zu dieser Entscheidung führte, hatte eine Umweltschutzvereinigung gegen die Zulassung eines Projekts durch eine der nationalen Gerichtsbarkeit zugehörige Stelle geklagt, nachdem sie sich an dem von dieser Stelle durchgeführten Genehmigungsverfahren beteiligt hatte. Dem Gerichtshof wurde die Frage vorgelegt, ob das Gemeinschaftsrecht es erfordert, einer Vereinigung unter diesen Umständen den Rechtsweg zu eröffnen. Der Gerichtshof hat das bejaht und den Rechtssatz aufgestellt, den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 und Art. 10a der UVP-Richtlinie müsse es möglich sein, die von einer der nationalen Gerichtsbarkeit eines Mitgliedstaates zugehörigen Stelle erlassene Entscheidung über den Antrag auf Genehmigung eines Projekts anzufechten, gleichviel, welche Rolle sie in dem Verfahren über den Genehmigungsantrag vor dieser Stelle durch ihre Beteiligung an und ihre Äußerung in diesem Verfahren spielen konnte. Der Gerichtshof hat sich damit nur zu der Problematik geäußert, ob der Klageweg mit der Erwägung versperrt werden darf, dass das Beteiligungsrechte gewährende Genehmigungsverfahren von einer Stelle mit Gerichtscharakter im Rahmen verwaltungsbehördlicher Zuständigkeit durchgeführt worden ist (a.a.O. Rn. 37). Zur Problematik des Einwendungsausschlusses im Falle ungenügenden Gebrauchmachens von der Möglichkeit der Äußerung im Verwaltungsverfahren besagt dies nichts.

109

b) Die auf andere Tierarten bezogenen Rügen des Klägers sind zwar bereits in seinen im Planfeststellungsverfahren erhobenen Einwendungen angelegt, führen in der Sache aber nicht auf entscheidungserhebliche Fehler.

110

Bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 16. November 2007 war das Vorhaben an den §§ 42, 43 und 62 BNatSchG 2002 zu messen, die nach § 11 Satz 1 BNatSchG 2002 unmittelbar galten. Durch diese Vorschriften war an sich eine dreistufige Prüfung vorgegeben, bei der zu klären war, ob das Vorhaben einen Verbotstatbestand des § 42 BNatSchG 2002 verwirklicht, ob eine gesetzliche Ausnahme vom Verbot nach § 43 BNatSchG 2002 eingreift oder ob das Verbot aufgrund einer Befreiung nach § 62 BNatSchG 2002 entfällt. Die auf der zweiten Stufe zu beachtende Legalausnahme des § 43 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG 2002 für die Durchführung eines nach § 19 BNatSchG 2002 zugelassenen Eingriffs konnte indessen grundsätzlich nicht zum Tragen kommen, weil die Vorschrift die Ausnahme nicht von sämtlichen Voraussetzungen des Art. 16 FFH-RL bzw. des Art. 9 VRL abhängig machte, deren Umsetzung zu den Zielen der artenschutzrechtlichen Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes 2002 gehörte. Das hinderte die Planfeststellungsbehörde aber nicht, unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG 2002 eine Befreiung zu erteilen (vgl. Urteil vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 A 73.07 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 39 ). Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die artenschutzrechtlichen Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes 2002 nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses durch Gesetz vom 12. Dezember 2007 (BGBl I S. 2873) geändert worden sind. Soweit diese Änderungen zu einer Einschränkung der Verbotstatbestände geführt haben, ist die geänderte Gesetzesfassung für die gerichtliche Beurteilung maßgeblich; denn es kann keinen Anspruch auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit geben, wenn der Planfeststellungsbeschluss aufgrund der Rechtsänderung mit gleichem Inhalt und gleicher Begründung erneut erlassen werden könnte (vgl. Urteil vom 13. Mai 2009 a.a.O. Rn. 88 m.w.N.). Hiervon ausgehend leidet der Planfeststellungsbeschluss auch in artenschutzrechtlicher Hinsicht nicht an einem zu seiner Aufhebung oder der Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führenden Fehler.

111

aa) Der Planfeststellungsbeschluss hat - teilweise nur vorsorglich - Verbotstatbestände für die im Anhang IV der Habitatrichtlinie aufgeführten Arten Bechsteinfledermaus, Großes Mausohr, Haselmaus und Schlingnatter sowie für 52 europäische Vogelarten als erfüllt zugrundegelegt. Entgegen der Auffassung des Klägers war damit der Kreis der von artenschutzrechtlich relevanten Auswirkungen betroffenen Anhang-IV-Arten und mit Ausnahme der Bachstelze auch der europäischen Vogelarten jedenfalls nicht zu eng gezogen. Ebenso wenig sind für die als betroffen erachteten Arten einzelne Verbotstatbestände zu Unrecht verneint worden.

112

(1) Bezogen auf die Wildkatze ist der Planfeststellungsbeschluss davon ausgegangen, dass keiner der Verbotstatbestände des § 42 BNatSchG 2002 erfüllt sei. Aufzuchtstätten der Wildkatze seien im Wirkbereich der Trasse wegen der hohen Vorbelastung durch den Lärm der B 7 nicht zu erwarten. Eine Störung durch Zerschneidung räumlich-funktionaler Beziehungen im Streifgebiet der Wildkatze sei im Hinblick auf die Vorbelastung durch die B 7, die ein Querungshindernis darstelle, und die geplanten Querungsbauwerke nicht zu erwarten. Diese Bewertung lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

113

Die Einschätzung, geschützte Lebensstätten der Wildkatze im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002, die bei der Verwirklichung des Vorhabens beschädigt oder zerstört werden könnten, seien im Trassenbereich nicht vorhanden, wird durch den naturschutzfachlichen Einschätzungsspielraum der Planfeststellungsbehörde (vgl. Urteil vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 ) gedeckt. Angesichts der Verlärmung des Untersuchungsraums durch die stark mit Verkehr belastete B 7 und die besondere Lärmempfindlichkeit der Art konnte der Beklagte auch ohne gezielte Suche nach solchen Stätten davon ausgehen, die Wildkatze nutze den fraglichen Bereich nur als Streifgebiet, nicht aber für die Aufzucht der Jungtiere oder als Ruheraum; dies umso mehr, als sich in den ausgewerteten Untersuchungen keine entsprechenden Hinweise gefunden hatten. Die hohe Empfindlichkeit der Art gegenüber Störungen durch Straßen ist durch Fachliteratur belegt (vgl. Petersen u.a., Das Europäische Schutzgebietssystem Natura 2000, Band 2: Wirbeltiere, 2004, S. 404). Soweit der Kläger demgegenüber darauf verweist, neuere telemetrische Untersuchungen hätten ergeben, dass die Tiere nachts die Nähe von Autobahnen und Straßen nicht meiden, kann dies Aussagekraft nur für das Streifverhalten der Tiere haben; denn die in Rede stehenden Lebensstätten müssen ihre Funktion auch tagsüber erfüllen können.

114

Auch wenn Trennwirkungen unter das artenschutzrechtliche Störungsverbot fallen können (bejahend Urteil vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 105; kritisch dazu Gellermann, NuR 2009, 85 <87>), ist jedenfalls der Störungstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 nicht verwirklicht. Der Planfeststellungsbeschluss geht zu Recht davon aus, dass die mit dem Vorhaben bewirkte Zerschneidung des Streifgebiets der Wildkatze durch die Trennwirkung der bisher stark belasteten B 7 relativiert und durch die vorgesehenen Querungshilfen erheblich gemindert wird. Die vom Kläger geäußerten Zweifel an der Akzeptanz dieser Querungshilfen sind bei zweckentsprechender Ausgestaltung unberechtigt. Die Errichtung von Grünbrücken wird für Wildkatzen ausdrücklich empfohlen (vgl. Petersen u.a., a.a.O.) und - zumindest für vorhandene Autobahnen - vom Kläger selbst gefordert (vgl. den Begleittext zu seinem Wildkatzenwegeplan, S. 14). Es sind ferner keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die beiden in der VKE 32 vorgesehenen Grünbrücken wegen ihrer Lage oder Ausgestaltung der Funktion als Querungshilfen (auch) für die Wildkatze nicht gerecht würden. Namentlich ist der Abstand zwischen ihnen mit ca. 300 m nicht zu groß, um die Durchlässigkeit der Trasse zu gewährleisten (vgl. die im Auftrag des Vorhabenträgers vom Büro für angewandte Ökologie und Forstplanung durchgeführten ökologischen Grundlagenerhebungen Wildtiere, S. 20).

115

(2) Auch für die Bechsteinfledermaus und das Große Mausohr brauchte der Beklagte die Verwirklichung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände nicht in Rechnung zu stellen; soweit er vorsorglich die Voraussetzungen des Störungsverbots wegen vorhabenbedingter Verluste von Jagdhabitaten bejaht und davon eine Befreiung erteilt hat, bestand hierfür keine Notwendigkeit.

116

Ein Verstoß gegen das Tötungsverbot des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 ist zu verneinen. Rodungsarbeiten für den Bau der Autobahn, in deren Verlauf Exemplare dieser Arten zu Schaden kommen könnten, sind nach der in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses auf die Zeit vom 1. November eines Jahres bis zum 1. März des Folgejahres beschränkt. In diesen Monaten könnten nur Winterquartiere betroffen sein. Die Nachforschungen des Vorhabenträgers haben jedoch ergeben, dass im Trassenbereich Bäume mit Stammhöhlen, die als Winterquartiere geeignet wären, nicht vorhanden sind. Asthöhlen, die vom Boden aus nur schwer erkannt und deshalb aufgrund der durchgeführten Prüfungen nicht sicher ausgeschlossen werden können, sind nach den einleuchtenden Ausführungen des Gutachters Dipl.-Biol. Si. ebenso wie Spalte hinter vorstehender Baumborke als Winterquartiere ungeeignet, weil sie den Tieren keinen genügenden Schutz vor Kälte bieten. Ein Verstoß gegen das Tötungsverbot wegen signifikanter Erhöhung des verkehrsbedingten Kollisionsrisikos lässt sich aufgrund der vorgesehenen Leit- und Sperreinrichtungen gleichfalls ausschließen. Ausweislich der Ausführungen zum Habitatschutz erweist sich das aus einem Bündel von Maßnahmen bestehende Schutzkonzept als geeignet, gesteigerte Kollisionsrisiken auszuschließen. Dies gilt namentlich im Bereich östlich des Tunnels Küchen, wo Hauptflugrouten des Großen Mausohrs und ein bedeutender Wechselbereich der Bechsteinfledermaus die Trasse queren. Westlich des Tunnels ist die Strecke zwar auf einer Länge von etwa 700 m nur durch beiderseitige Schutzpflanzungen, nicht hingegen durch fledermausspezifisch ausgebildete Schutzzäune abgeschirmt. Daraus lässt sich aber kein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko ableiten, weil in diesem Bereich trotz umfänglicher Untersuchungen weder bedeutende Jagdhabitate noch Flugrouten festgestellt worden sind.

117

Ein Verstoß gegen das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot (§ 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002), das nach den Ergebnissen der durchgeführten Baumhöhlensuche nur in Gestalt des Zugriffs auf Sommerquartiere der Männchen vorstellbar wäre, wird durch die vorerwähnte Regelung der Rodungszeiten ausgeschlossen.

118

Ferner sind auch verbotswidrige Störungen beider Fledermausarten zu verneinen. Da das planfestgestellte Fledermausschutzkonzept populationsrelevante Trennwirkungen verhindert, scheidet unter diesem Gesichtspunkt zumindest ein Verstoß gegen das Störungsverbot in der Fassung des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 aus. Ob die Inanspruchnahme von Jagdhabitaten oder deren stickstoffbedingte Verkrautung als Störung im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2002 bzw. des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 zu begreifen wären, erscheint zweifelhaft; bei der schlichten Beseitigung von Flächen, die bislang als Nahrungsgrundlage genutzt worden sind, und bei vegetationsverändernden Immissionen fehlt es nämlich an einer zwanghaften Einwirkung auf das natürliche Verhalten der Tiere, das nach dem Wortsinn als Störung zu werten ist. Letztlich mag dies aber auf sich beruhen; denn auch in der Zusammenschau dieser Einwirkungen wäre eine etwaige Störung nicht erheblich im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007. Da die hier berührten Populationen des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus nach den Ausführungen zur Frage ordnungsgemäßer Abgrenzung des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" in diesem Gebiet die zur Wahrung eines günstigen Erhaltungszustands notwendige Nahrungsgrundlage zur Verfügung haben, kann es durch die in Rede stehenden Beeinträchtigungen, die ausschließlich die Trasse und deren Nahbereich und damit gebietsexterne Flächen betreffen können, nicht zu einer für den Erhaltungszustand der lokalen Populationen dieser Arten relevanten Störung kommen.

119

(3) Andere in Anhang IV der Habitatrichtlinie aufgeführte Fledermausarten sind von verbotswidrigen Auswirkungen des Vorhabens ebenfalls nicht betroffen. Hinsichtlich des Tötungsverbots gilt insoweit Gleiches wie für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus. Aber auch bezogen auf das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot sowie das Störungsverbot sind dem Vorbringen des Klägers keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Verbotstatbestände im Planfeststellungsbeschluss zu Unrecht verneint worden sind.

120

Trotz ausreichender Untersuchungen zur Bestandserhebung sind keine nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 bzw. § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2007 geschützten Lebensstätten der vom Kläger im Zusammenhang mit dem Beschädigungs- und Zerstörungsverbot angesprochenen Arten Wasserfledermaus, Große und Kleine Bartfledermaus und Fransenfledermaus ermittelt worden. Entgegen der Behauptung des Klägers lässt sich der FFH-Verträglichkeitsprüfung südlich Hessisch Lichtenau kein Hinweis auf die Nutzung eines Gehölzes im Bereich des Biotopkomplexes "Wehrebogen" als Fortpflanzungs- oder Ruhestätte der Wasserfledermaus entnehmen. Die Darstellung eines Exemplars dieser Art im Wehrebogen auf der Karte 1b der erwähnten Verträglichkeitsprüfung geht auf eine Untersuchung des Büros S. aus dem Jahr 2004 zurück. Mit der darin angewandten Detektormethode wurden ausdrücklich nur Jagdaktivitäten erfasst. Während die Große Bartfledermaus im Untersuchungsraum schon gar nicht nachgewiesen worden ist, konnte ein Vorkommen der Kleinen Bartfledermaus dort festgestellt werden. Sie nutzt als Winterquartiere, die in Anbetracht der zeitlichen Beschränkung der Rodungsarbeiten allein in den Blick zu nehmen wären, aber nur frostfreie Höhlen, Stollen und Keller (Petersen u.a., a.a.O. S. 513). Solche Unterschlupfmöglichkeiten sind von dem Vorhaben unstreitig nicht betroffen. Der Nachweis der Fransenfledermaus in den Wäldern östlich von Küchen und am Beerberg lässt ebenfalls nicht den Schluss auf eingriffsbetroffene Lebensstätten dieser Art zu, da die Quartiersuche hierfür keine Anhaltspunkte erbracht hat.

121

Auch das Störungsverbot wird hinsichtlich keiner der neben dem Großen Mausohr und der Bechsteinfledermaus im Untersuchungsraum festgestellten Fledermausarten verletzt, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Inanspruchnahme von Jagdhabitaten als Tathandlung im Sinne des Störungstatbestandes anzusehen ist. Flächen, die möglicherweise von der Breitflügelfledermaus, der Großen oder der Kleinen Bartfledermaus sowie der Fransenfledermaus zur Jagd genutzt werden, gehen nur in geringem Umfang verloren. Nach der naturschutzfachlichen Einschätzung des Beklagten sind daher Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der jeweiligen lokalen Population auszuschließen, zumal durch vorgesehene Ausgleichsmaßnahmen die Eignung anderer Flächen als Jagdhabitate für diese Arten verbessert wird. Der Kläger hat nichts vorgetragen, was die Vertretbarkeit dieser Einschätzung in Frage stellen könnte. Hiernach fehlt es einer etwaigen Störung durch Jagdhabitatverluste an dem in § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 vorausgesetzten Populationsbezug. Entsprechendes gilt für die Wasserfledermaus, die dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag zufolge lediglich während der Bauphase durch eine temporäre Inanspruchnahme von Teilen ihrer Jagdhabitate betroffen ist, und die Zwergfledermaus, für deren örtliche Population sich die geringen Jagdhabitatverluste ausweislich des Fachbeitrags im Hinblick auf das weite Spektrum der von ihr zur Jagd nutzbaren Biotopstrukturen nur geringfügig auswirken können. Die Neuverlärmung von Jagdhabitaten des Braunen und des Grauen Langohrs fällt nach den einleuchtenden Ausführungen im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag wegen der Entlastung bisher verlärmter Jagdhabitatflächen durch den Tunnel Küchen per Saldo nicht ins Gewicht. Beide Arten werden zwar darüber hinaus - wie im Planfeststellungsbeschluss eingeräumt - auch durch die Flächeninanspruchnahme ortsnaher Jagdlebensräume betroffen. In Anbetracht des geringen Umfangs der in Anspruch genommenen Flächen und der Kompensation durch Aufwertung anderer Flächen gilt für sie aber ebenso wie für die übrigen Fledermausarten, dass diese Inanspruchnahme den Erhaltungszustand der lokalen Population unberührt lässt.

122

(4) Der Planfeststellungsbeschluss unterstellt ein Vorkommen der Haselmaus im Trassenbereich und geht von der Annahme aus, dass bezogen auf sie artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt seien und das Vorhaben deshalb nur unter Erteilung einer artenschutzrechtlichen Befreiung zugelassen werden könne. Dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag und der Stellungnahme des Vorhabenträgers zu diesem Fachbeitrag ist zu entnehmen, dass wegen der möglichen Zerstörung von Aufzuchtstätten der Haselmaus der Tatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 und wegen der Überbauung eines als vorhanden unterstellten Wanderkorridors der Tatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2002 als verwirklicht angesehen worden ist. Diese Beurteilung lässt keine Mängel zu Lasten des Artenschutzes erkennen.

123

Die Neufassung der Verbotstatbestände führt allerdings teilweise zu einer Neubewertung. Zwar ist auch der Zerstörungstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 BNatSchG 2007 erfüllt; denn die vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen werden zum Eingriffszeitpunkt noch nicht wirksam sein und können deshalb die Funktion der - möglicherweise - verloren gehenden Fortpflanzungsstätten nicht bruchlos übernehmen, wie es § 42 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG 2007 voraussetzt. Die anfängliche Unvereinbarkeit mit dem Störungsverbot ist aber entfallen, weil nach der unwidersprochen gebliebenen Einschätzung des Beklagten die Querungshilfen und Kompensationsmaßnahmen eine Verschlechterung des Erhaltungszustands der lokalen Population ausschließen (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007).

124

(5) Für die Schlingnatter ist der Planfeststellungsbeschluss von Auswirkungen des Vorhabens ausgegangen, die den artenschutzrechtlichen Verboten des § 42 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG 2002 unterfallen. Er hat sich dazu auf die Wirkungsanalyse des Vorhabenträgers im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag und in der Stellungnahme zu diesem Fachbeitrag bezogen, in denen die Beschädigung oder Zerstörung durch § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 geschützter Lebensstätten dieser Art, der Fang und die Störung der Tiere beim Umsetzen von ihrem bisherigen Lebensraum, dem überplanten Bahndamm, in ein Ersatzhabitat sowie die Tötung nicht eingefangener Exemplare beim Bau und Betrieb der Autobahn angenommen worden sind. Ob tatsächlich sämtliche als erfüllt erachteten Verbotstatbestände gegeben waren und ob die entsprechenden Verbote des § 42 Abs. 1 BNatSchG 2007 in gleichem Umfang eingreifen, kann offenbleiben; insbesondere muss nicht entschieden werden, ob das Ergreifen der Tiere, um sie in das Ersatzhabitat zu verbringen, unter das Fangverbot fällt oder ob unter Berücksichtigung des Regelungszwecks nur Fänge zum Zwecke der Entnahme der Tiere aus der Natur den Verbotstatbestand verwirklichen. Die erteilte Befreiung hält nämlich - wie noch auszuführen sein wird - rechtlicher Überprüfung auch dann stand, wenn sämtliche vorgenannten Verbotstatbestände zu bejahen sind.

125

(6) Bezogen auf 52 Vogelarten ist der Planfeststellungsbeschluss der Beurteilung des Vorhabenträgers in dessen Stellungnahme zum artenschutzrechtlichen Fachbeitrag gefolgt, dass die Voraussetzungen des Beschädigungs- und Zerstörungsverbots sowie mit Ausnahme der Wasseramsel auch des Störungsverbots (§ 42 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BNatSchG 2002) erfüllt seien. Wie sich aus der in Bezug genommenen Stellungnahme des Vorhabenträgers ergibt, hat er das Tötungsverbot durchgängig verneint, weil in Anbetracht der verkehrlichen Vorbelastung durch die B 7 und der geplanten Schutzmaßnahmen sich die verkehrsbedingten Kollisionsgefahren nicht erhöhten und baubedingte Tötungen durch Schutzmaßnahmen ausgeschlossen würden. Für keine der 52 Vogelarten lasse sich indes ausschließen, dass im Zuge der Baufeldräumung einzelne Brutreviere verloren gingen. Außer der Wasseramsel könnten auch alle Arten von tatbestandsmäßigen Störungen betroffen werden. Abweichend von der Stellungnahme zum Fachbeitrag, die auch für die Bachstelze den Verlust einzelner Brutreviere und Störungen in Rechnung gestellt hat, hat der Planfeststellungsbeschluss diesen Vogel weder unter den verbotswidrig betroffenen Vogelarten erwähnt noch für ihn eine Befreiung erteilt. Mit Ausnahme der Bachstelze hält seine Beurteilung rechtlicher Kontrolle stand, wobei zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass durch die nachträgliche Änderung des Störungstatbestands die im Planfeststellungsbeschluss angenommenen Verstöße gegen das Störungsverbot entfallen sind. Die fehlende Berücksichtigung der Bachstelze als verbotswidrig betroffener Vogelart, die auf einem Versehen beruhen dürfte, stellt einen rechtlichen Mangel dar, doch hat sich dieser auf die Zulassungsentscheidung nicht ausgewirkt.

126

Dass der Beklagte den Tötungstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 für keine der im Untersuchungsraum vorkommenden Vogelarten angenommen hat, ist nicht zu beanstanden. Sowohl für die Bau- als auch für die spätere Betriebsphase der Autobahn hat der Planfeststellungsbeschluss mit den angeordneten Schutzmaßnahmen hinreichende Vorsorge getroffen, um Verstöße gegen das Tötungsverbot auszuschließen. Für die Bauphase ist dies mit der Bauzeitenregelung, für die Betriebsphase mit den Anordnungen und Regelungen zur Abschirmung der Autobahn durch Schutzpflanzungen und Sperreinrichtungen geschehen, von denen der Beklagte angesichts der hohen verkehrlichen Vorbelastung durch die B 7 annehmen durfte, dass sie eine signifikante Erhöhung des verkehrsbedingten Kollisionsrisikos ausschließen; dies umso mehr, als die Eignung des unmittelbaren Nahbereichs der A 44 als Vogelhabitat durch die Störwirkung des Autobahnverkehrs erheblich gemindert wird. Für aasfressende Raubvögel war entgegen der Auffassung des Klägers keine abweichende Beurteilung geboten. Die Wildschutzzäune, die die Autobahn durchgängig abschirmen werden, sind nämlich im unteren Bereich so engmaschig auszuführen, dass Mittelsäuger nicht auf die Fahrbahn gelangen, überfahren werden und als Aas Raubvögel anlocken können. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, warum diese Maßnahme ihre Wirkung verfehlen sollte. Soweit er behauptet, der artenschutzrechtliche Fachbeitrag schließe für den Mäusebussard und den Rotmilan ein erhöhtes Kollisionsrisiko selbst nicht aus, verkennt er, dass es sich um eine grundsätzliche Aussage handelt, die die im Planfeststellungsbeschluss angeordneten Schutzmaßnahmen noch nicht einbezieht.

127

Ebenso wenig ist es rechtsfehlerhaft, dass der Planfeststellungsbeschluss für 52 näher bezeichnete Vogelarten den Beschädigungs- und Zerstörungstatbestand bejaht hat. Mangels einer detaillierten Revierkartierung hat sich der Beklagte in dieser Hinsicht zwar mit der Wahrunterstellung begnügt, den betreffenden Arten gingen jeweils einzelne Brutreviere verloren. Gegen dieses Vorgehen ist aber rechtlich nichts zu erinnern, da die Wahrunterstellung nicht zu Lasten des Artenschutzes geht und geeignet ist, die Dimension der Verbotswidrigkeit angemessen zu erfassen. Zusätzlich ist allerdings auch für die Bachstelze ein Verstoß gegen das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot in Rechnung zu stellen, denn dem Planfeststellungsbeschluss sind ebenso wenig wie dem prozessualen Vortrag des Beklagten Umstände zu entnehmen, die die diesbezügliche Einschätzung in der Stellungnahme des Vorhabenträgers zum artenschutzrechtlichen Fachbeitrag in Frage stellen könnte.

128

Soweit der Planfeststellungsbeschluss mit Ausnahme der Wasseramsel auch den Störungstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2002 als verwirklicht angesehen hat, ergibt sich aufgrund der Neufassung dieses Tatbestandes in § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 eine abweichende Beurteilung. Auf entsprechende Anfrage des Gerichts hat der Beklagte unter Vorlage naturschutzfachlicher Stellungnahmen des Leiters der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland sowie der Planungsgruppe Umwelt ausgeführt, dass Auswirkungen von Störungen auf den Erhaltungszustand der jeweiligen lokalen Population dieser Arten nicht zu erwarten seien. Die Stellungnahme der Planungsgruppe Umwelt begründet diese fachliche Einschätzung gesondert für jede der betroffenen Arten. Die zentrale zugrundeliegende Erwägung, außer dem Neuntöter hätten die betroffenen Vogelarten lokale Populationen in weit größeren räumlichen Zusammenhängen, als von dem Vorhaben betroffen seien, leuchtet ein. Für den Neuntöter verneint die Stellungnahme der Planungsgruppe Umwelt ebenfalls vertretbar eine Störung mit Populationsbezug, weil angesichts der Vorbelastung lediglich mit der zusätzlichen Störung eines Brutreviers zu rechnen sei und umfangreiche Kompensationsmaßnahmen erfolgten. Zur Bachstelze enthalten die nachträglichen gutachtlichen Stellungnahmen keine Angaben zum Populationsbezug der Störung; da es sich um eine ubiquitäre, nach dem Leitfaden für die artenschutzrechtliche Prüfung in Hessen landesweit häufig vorkommende Art handelt, die im Planungsraum weit über den Eingriffsbereich hinaus geeignete Habitatstrukturen vorfindet, lässt sich jedoch auch für sie ein Populationsbezug der Störung ausschließen.

129

bb) Soweit das Vorhaben hiernach artenschutzrechtlichen Verboten zuwiderläuft, finden die im Planfeststellungsbeschluss für die Schlingnatter, die Haselmaus und 52 Vogelarten erteilten Befreiungen in § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG 2002 eine tragfähige Grundlage. Dass für die Bachstelze eine Befreiung unterblieben ist, verhilft dem Antragsbegehren des Klägers in entsprechender Anwendung des § 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG ebenfalls nicht zum Erfolg.

130

(1) Für sämtliche von verbotswidrigen Auswirkungen des Vorhabens betroffene Arten bestand eine objektive Befreiungslage. Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG 2002 konnte von den Verboten des § 42 BNatSchG 2002 auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn überwiegende Gründe des Gemeinwohls die Befreiung erfordern und die Art. 12, 13 und 16 FFH-RL oder die Art. 5 bis 7 und 9 VRL nicht entgegenstehen. Diese Voraussetzungen lagen vor.

131

(a) Das Vorhaben kann überwiegende Gründe des Gemeinwohls für sich in Anspruch nehmen, die die Befreiung erforderten.

132

Der Planfeststellungsbeschluss beruft sich insoweit auf die gesetzliche Bedarfsfeststellung, die Zugehörigkeit des Vorhabens zu den Projekten des "Transeuropäischen Verkehrsnetzes" (Entscheidung Nr. 1692/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996, ABl EG Nr. L 228 S. 1), seine Lückenschlussfunktion im deutschen Autobahnnetz und die damit verbundene Bedeutung für das Zusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands, die innerörtliche Verkehrsentlastung der von den Bundesstraßen B 7 und B 400 durchschnittenen Ortschaften und die Erschließungsfunktion der Autobahn für eine strukturschwache Region. Er hebt damit auf Gründe ab, die ihrer Art nach eine Befreiung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG 2002 zu tragen vermögen (vgl. Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 ). Zumal in ihrem Zusammenwirken kommt diesen Gesichtspunkten auch konkret hohes Gewicht zu. Soweit der Kläger dem entgegenhält, aufgrund veränderter Verkehrsprognosezahlen sei ein Verkehrsbedürfnis für das Autobahnprojekt entfallen, findet sein Vorbringen in der von ihm herangezogenen Fortschreibung der Verkehrsprognose keine Stütze. Auch nach der aktualisierten Prognose wird die Straße mit Werten zwischen 25 500 und 50 500 Kfz/24 h eine Verkehrsbelastung erreichen, die nach den einschlägigen Richtlinien für die Anlage von Straßen (RAS-Q 96) für den Autobahnbau verwendete Regelquerschnitte rechtfertigt. Wie das Gericht bereits in seinem Urteil vom 12. März 2008 (a.a.O. Rn. 46) ausgeführt hat, bleiben die mit dem Vorhaben verfolgten Planungsziele auch bei aktualisierten Verkehrsbedarf erreichbar. Darauf wird Bezug genommen.

133

Angesichts dessen erweisen sich die für das Vorhaben angeführten Gründe gegenüber den konkret betroffenen artenschutzrechtlichen Belangen als durchsetzungsfähig. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Gewicht der für die Haselmaus und die Schlingnatter in Betracht zu ziehenden Verbotswidrigkeiten durch die vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen, die geeignet sind, deren Habitatbedingungen auf Dauer sogar zu verbessern, stark relativiert wird. Die Zahl der durch mögliche Revierverluste betroffenen Vogelarten ist zwar groß; es handelt sich aber ganz überwiegend um häufig vorkommende, nicht gefährdete Arten, und es kommt jeweils nur zu geringen Flächenverlusten. Nimmt man hinzu, dass das Verbreitungsgebiet der betroffenen Populationen zumeist weit über den Eingriffsbereich hinausreicht und ganze naturräumliche Einheiten umfasst (vgl. die Stellungnahmen des Leiters der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland sowie der Planungsgruppe Umwelt), so liegt das Übergewicht der für das Vorhaben sprechenden Gründe des Gemeinwohls auf der Hand.

134

(b) Artenschutzrechtliche Vorschriften der Habitatrichtlinie und der Vogelschutzrichtlinie stehen einer Befreiung nicht entgegen.

135

(aa) Da die Schlingnatter und die Haselmaus im Anhang IV der Habitatrichtlinie aufgeführt sind, ist die für sie erteilte Befreiung an Art. 12 und 16 FFH-RL zu messen. Aus den im Rahmen der Prüfung des § 42 Abs. 1 BNatSchG 2002 genannten Gründen ist davon auszugehen, dass das Vorhaben bezogen auf beide Arten auch die den als verwirklicht unterstellten nationalen Verbotstatbeständen korrespondierenden Verbotstatbestände des Art. 12 Abs. 1 FFH-RL verwirklicht. Die Voraussetzungen für eine Abweichung nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c letzte Alternative FFH-RL liegen aber vor.

136

Das Vorhaben kann zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses für sich in Anspruch nehmen. Dies folgt aus den gleichen Erwägungen, wie sie für den Befreiungsgrund des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG 2002 zutreffen. Eine Befreiung vom Fangverbot hinsichtlich der Schlingnatter wird in Anbetracht des mit dem Fang der Tiere verfolgten Zwecks, sie in ein Ersatzhabitat zu verbringen, zusätzlich durch die damit verbundenen positiven Auswirkungen auf die Umwelt (Art. 16 Abs. 1 Buchst. c FFH-RL) gerechtfertigt.

137

Zur Erreichung der Planungsziele gibt es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL. Ein Vorhabenträger braucht sich auf eine Alternativlösung nicht verweisen zu lassen, wenn sich die FFH- und vogelschutzrechtlichen Schutzvorschriften am Alternativstandort als ebenso wirksame Zulassungssperre erweisen wie an dem von ihm gewählten Standort. Außerdem darf eine Alternativlösung auch verworfen werden, wenn sie sich aus naturschutzexternen Gründen als unverhältnismäßiges Mittel erweist (Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 240 m.w.N.). Nach diesem Maßstab geht der Planfeststellungsbeschluss zu Recht davon aus, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt. Für die sogenannte Süd-Alternative des BUND, die bereits Gegenstand des Klageverfahrens zur VKE 20 gewesen ist, gilt dies schon deshalb, weil sie ausweislich der Ausführungen in dem dieses Verfahren abschließenden Senatsurteil vom 12. März 2008 (Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30 Rn. 182 ff.; insoweit in BVerwGE 130, 299 nicht abgedruckt) den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets "Glimmerode und Hambach" widerspräche. Ähnliches trifft für die vom Kläger vorgeschlagene "Große Südumfahrung" zu. Wie der Gutachter des Klägers in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, würde sie trotz der vorgeschlagenen teilweisen Führung in einem Tunnel am westlichen Tunnelmund zur Beeinträchtigung eines Natura-2000-Gebiets führen. Dass sie gleichwohl naturschutzfachlich vorzugswürdig wäre, ist nicht substantiiert dargetan. Angesichts dessen kann offenbleiben, ob diese Trasse trotz ihres Verlaufs fernab des Wehretals geeignet wäre, die mit dem Vorhaben unter anderem verfolgten Planungsziele einer Erschließung des dortigen Siedlungsraums und einer Entlastung der dortigen Ortsdurchfahrten der B 7 - wenn auch mit Abstrichen - zu erreichen. Schließlich stellt auch die vom Kläger favorisierte Nordalternative keine zufriedenstellende Lösung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL dar. Zum einen würde sie einen wesentlich längeren Tunnel erfordern als die planfestgestellte Lösung und deshalb einen zusätzlichen Kostenaufwand von ca. 57 Mio. € verursachen. Mehrkosten in dieser Größenordnung ständen außer Verhältnis zu den artenschutzrechtlichen Nachteilen, deren Vermeidung die Planungsalternative dienen soll. Darüber hinaus haben die für den Beklagten tätigen Gutachter der Planungsgruppe Umwelt in der mündlichen Verhandlung schlüssig erläutert, dass die Trasse im Bereich des östlichen Tunnelportals die Waldflächen des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" anschneiden würde. Soweit der klägerseitig tätige Gutachter Dipl.-Biol. Sp. dem entgegengehalten hat, dies lasse sich durch eine Überführung der B 7 verhindern, haben die Gutachter des Beklagten diesen Einwand mit der Erwägung entkräftet, eine solche Modifizierung der Alternativplanung würde zusätzliche Rampen für die B 7 erfordern, die ihrerseits das FFH-Gebiet beeinträchtigten. Dieser Erwägung hat der Gutachter des Klägers nichts von Substanz entgegenzusetzen vermocht.

138

Schließlich ist auch dem Erfordernis Genüge getan, dass die Populationen der verbotswidrig betroffenen Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen.

139

Die Schlingnatter befindet sich ausweislich des Anhangs 4 des Leitfadens für die artenschutzrechtliche Prüfung in Hessen in diesem Bundesland in einem günstigen Erhaltungszustand. Daran wird das Vorhaben unter Berücksichtigung der planfestgestellten Kompensationsmaßnahme A/E 2.1 des landschaftspflegerischen Begleitplans nichts ändern. Sie gewährleistet nach der naturschutzfachlich fundierten Einschätzung des Beklagten, dass ein funktionsfähiger Ersatzlebensraum für die Schlingnatter geschaffen wird. Damit wird der derzeitige Erhaltungszustand nicht nur aufrechterhalten, sondern auf lokaler Ebene sogar verbessert. Dies folgt aus dem Umstand, dass das eingriffsbetroffene Schlingnattervorkommen sich auf Sekundärhabitate in Gestalt von Bahndammabschnitten beschränkt, die nach den unbestrittenen Angaben im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag durch Gehölzsukzession ohnehin auf Dauer verloren gehen würden. Die lokale Schlingnatterpopulation wäre somit ohne Realisierung des Vorhabens mittel- bis langfristig in ihrem Bestand gefährdet, während die Maßnahme A/E 2.1 ihren Bestand langfristig sichert.

140

Für die Haselmaus sind zwar ebenfalls Kompensationsmaßnahmen vorgesehen, die durch Anlage deckungsreicher Leitstrukturen zur Vernetzung und Erweiterung potenzieller Haselmauslebensräume nach naturschutzfachlich vertretbarer Einschätzung der Planfeststellungsbehörde eine Verschlechterung der Habitatbedingungen dieser Art verhindern oder deren Habitatbedingungen sogar verbessern (Maßnahmenkomplex A/E 5). Gesicherte Erkenntnisse über den Erhaltungszustand der Haselmaus fehlen jedoch, so dass von einem bisher günstigen Erhaltungszustand nicht ausgegangen werden kann. Dieser Umstand hinderte jedoch nicht, von dem Verbot des Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL abzuweichen.

141

Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Juni 2007 - Rs. C-342/05 - (Slg. 2007, I-4713 ) kann von den artenschutzrechtlichen Verboten des Art. 12 FFH-RL auch bei einem ungünstigen Erhaltungszustand der betroffenen Populationen ausnahmsweise dann abgewichen werden, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass die Abweichung diesen ungünstigen Erhaltungszustand nicht verschlechtern und die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindern kann. Die deutsche Fassung des maßgeblichen Satzes 1 der Rn. 29 des Urteils vom 14. Juni 2007 erweckt allerdings den Eindruck, das sei nicht ohne Weiteres möglich. Ihr zufolge sind solche Ausnahmen nur "unter außergewöhnlichen Umständen weiterhin zulässig, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass sie den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen nicht verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindern können". Diese Formulierung legt den Schluss nahe, das Vorliegen "außergewöhnlicher Umstände" stelle eine eigenständige Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahme im Falle des ungünstigen Erhaltungszustands der Populationen der betroffenen Art dar. Außerdem kann nach der deutschen Fassung angenommen werden, dass es ausreicht, dass die weiteren Voraussetzungen - keine Verschlechterung des ungünstigen Erhaltungszustands oder keine Behinderung der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands - alternativ vorliegen. Beides ist jedoch nach der gemäß Art. 31 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs verbindlichen Fassung des Urteils in der Verfahrenssprache, hier also in der finnischen Sprache, eindeutig zu verneinen. Bei einer Übersetzung der verbindlichen finnischen Fassung des oben genannten Satzes in der amtlichen Sammlung des Gerichtshofs in die deutsche Sprache unter Zuhilfenahme allgemein zugänglicher Hilfsmittel wird die Erteilung einer Ausnahme nicht vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände abhängig gemacht, sondern Ausnahmen dürfen "ausnahmsweise" (poikkeuksellisesti) dann gewährt werden, wenn sachgemäß nachgewiesen ist, dass sie weder den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen weiter verschlechtern noch die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands dieser Populationen behindern.

142

Diese Formulierung deckt sich inhaltlich mit derjenigen in der englischen, französischen, spanischen, italienischen, portugiesischen und griechischen Fassung dieses Satzes in der Sammlung des Gerichtshofs. Lediglich die niederländische Fassung des Satzes weicht insoweit davon ab, als danach die Verbote der Verschlechterung des Erhaltungszustands und der Behinderung der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht kumulativ, sondern nur alternativ gelten würden. Bei dieser Sachlage beruht die deutsche Fassung offensichtlich auf einem Übersetzungsfehler; sie verfälscht den Aussagegehalt des genannten Satzes im Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juni 2007 zum einen, indem sie den Schluss nahelegt, das Verbot einer weiteren Verschlechterung des ungünstigen Erhaltungszustands und das Verbot einer Behinderung der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands seien nur alternativ einzuhalten, und zum anderen, indem als weitere Voraussetzung für eine Ausnahme "außergewöhnliche Umstände" verlangt werden. Beides trifft nicht zu (so auch Beschluss vom 17. April 2010 - BVerwG 9 B 5.10 - juris Rn. 7 ff.). Da - wie ausgeführt - durch die planfestgestellte Kompensationsmaßnahme zumindest eine Verschlechterung des aktuellen Erhaltungszustands der Haselmaus verhindert und die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindert wird, durfte trotz eines - unterstellt - ungünstigen Erhaltungszustands dieser Art ausnahmsweise von dem artenschutzrechtlichen Verbot des Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL abgewichen werden.

143

(bb) Für die 53 Vogelarten, für die der Tatbestand des Beschädigungs- und Zerstörungsverbots nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 erfüllt ist, liegt nicht zugleich auch ein Verstoß gegen das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot des Art. 5 Buchst. b VRL vor, mit der Folge, dass die Bestimmungen der Vogelschutzrichtlinie eine Befreiung nicht hindern. Die letztgenannte Vorschrift verbietet die absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern sowie die Entfernung von Nestern. Ihr Anwendungsbereich ist deutlich enger gefasst als der Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002, der auch den Funktionsraum, auf dem sich das Nest befindet oder der wiederkehrend zum Bau neuer Nester benutzt wird, in seinen Schutz einschließt (vgl. Urteile vom 21. Juni 2006 - BVerwG 9 A 28.05 - BVerwGE 126, 166 und vom 12. März 2008 a.a.O. ). Dem Wortlaut nach, der auf den Begriff des Nestes abstellt und diesen in einen engen Zusammenhang zum weiteren Schutzobjekt der Eier rückt, umfasst der Schutz das selbstgebaute, aktuell belegte Nest. Gründe des Funktionsschutzes mögen es rechtfertigen, über den Wortlaut der Richtlinie hinaus auch diejenigen Nester bzw. nestersetzenden Strukturen in den Schutzbereich der Norm einzubeziehen, auf deren Wiederverwendung die konkret betroffenen Vögel artbedingt angewiesen sind. An einen solchen Angewiesensein fehlt es aber, falls sie auf - natürlich vorhandenen oder künstlich geschaffenen - Ersatz ausweichen können (Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 ).

144

Die Beschädigung oder Zerstörung aktuell besetzter Nester droht nicht. Die Maßnahme S 9 des landschaftspflegerischen Begleitplans richtet sich darauf, zum Schutz und zur Schonung der Vögel im gesamten Trassenverlauf bauvorbereitende Arbeiten einschließlich der Entfernung von Vegetationsstrukturen außerhalb der Brutperiode durchzuführen. Rodungen sind nach den in der mündlichen Verhandlung diesbezüglich vorgenommenen Planergänzungen auf die Zeit vom 1. November bis zum 1. März beschränkt. Der Einwand des Klägers, die Bauzeitenregelung sei für die Arten Buntspecht, Wacholderdrossel und Wasseramsel unzureichend, verfängt nicht. Der Buntspecht und die Wacholderdrossel brüten innerhalb des Zeitraums, in dem die baulichen Beschränkungen gelten. Bei der Wasseramsel handelt es sich zwar um einen sehr frühen Brüter, dessen Legeperiode in Mitteleuropa bereits Mitte Februar beginnt. Dieser Besonderheit hat der Beklagte indes in der mündlichen Verhandlung mit einer Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um die Nebenbestimmung Rechnung getragen, dass der im Bereich des Widerlagers einer Wehrebrücke vorhandene Nistkasten der Wasseramsel vor dem 15. Februar beseitigt wird.

145

Es ist auch keine Vogelart auf die Wiederbenutzung ihrer Nester angewiesen. Die vom Kläger angeführten Arten Gebirgsstelze, Neuntöter und Wacholderdrossel kehren nach den unwidersprochen gebliebenen Darlegungen des Beklagten zwar jährlich an die selben Orte zurück, legen dort aber jeweils neue Nester an. Sie sind daher allenfalls auf einen bestimmten Funktionsraum angewiesen, der vom Begriff des Nestes nicht umfasst ist. Für verlassene Niststätten der Rabenkrähe und des Buntspechts, die möglicherweise im nächsten Jahr von anderen Vogel- oder sonstigen Tierarten genutzt werden, gilt Gleiches erst recht. Der einzige Wiederverwender ist die Wasseramsel. Auch sie ist auf den ihr verloren gehenden Nistkasten jedoch nicht angewiesen. Der landschaftspflegerische Begleitplan sieht vor, mit der Maßnahme G/S 6 nach der Verlegung der Wehre standorttypische Randstrukturen zu entwickeln und unter den Wehrebrücken jeweils eine Wasseramselnisthilfe in Form eines Nistkastens zu errichten. Zweifel daran, dass diese vorgezogene Ausgleichsmaßnahme wirkt, bestehen nicht; denn nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten ist die Art auf häufige Verluste ihrer Brutstätten durch Hochwasser eingerichtet und nimmt Nistkästen daher gerne an.

146

(2) Soweit der Beklagte die objektive Befreiungslage genutzt und von den artenschutzrechtlichen Verboten Befreiungen erteilt hat, ist dies ermessensfehlerfrei geschehen. Der Planfeststellungsbeschluss stellt einerseits auf die verfolgten Gemeinwohlbelange, andererseits auf das Ausbleiben einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der betroffenen Arten ab. Das lässt Ermessensfehler nicht erkennen.

147

Dass der Beklagte für die Bachstelze trotz objektiver Befreiungslage - versehentlich - keine Befreiung erteilt hat, führt zwar zur Fehlerhaftigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Dieser Mangel ist aber entsprechend § 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG unerheblich, weil er das Entscheidungsergebnis nicht beeinflusst hat. Angesichts der großen Zahl von Vogelarten, für die der Beklagte von den artenschutzrechtlichen Verboten dispensiert hat, erscheint es ausgeschlossen, dass er dem Vorhabenträger eine Befreiung für eine einzelne weitere Vogelart versagt hätte; dies umso mehr, als die Bachstelze hinsichtlich ihres Gefährdungsgrades keine Besonderheiten aufweist, die für sie eine restriktivere Handhabung der Befreiungsregelung als für die anderen betroffenen Arten nahelegen würde.

(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Soweit ein Natura 2000-Gebiet ein geschützter Teil von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 ist, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden. Der Projektträger hat die zur Prüfung der Verträglichkeit sowie der Voraussetzungen nach den Absätzen 3 bis 5 erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

(2) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.

(3) Abweichend von Absatz 2 darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es

1.
aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und
2.
zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

(4) Können von dem Projekt im Gebiet vorkommende prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen werden, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1 können nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.

(5) Soll ein Projekt nach Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 4, zugelassen oder durchgeführt werden, sind die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die zuständige Behörde unterrichtet die Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit über die getroffenen Maßnahmen.

(6) Bedarf ein Projekt im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, das nicht von einer Behörde durchgeführt wird, nach anderen Rechtsvorschriften keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde, so ist es der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese kann die Durchführung des Projekts zeitlich befristen oder anderweitig beschränken, um die Einhaltung der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 sicherzustellen. Trifft die Behörde innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige keine Entscheidung, kann mit der Durchführung des Projekts begonnen werden. Wird mit der Durchführung eines Projekts ohne die erforderliche Anzeige begonnen, kann die Behörde die vorläufige Einstellung anordnen. Liegen im Fall des Absatzes 2 die Voraussetzungen der Absätze 3 bis 5 nicht vor, hat die Behörde die Durchführung des Projekts zu untersagen. Die Sätze 1 bis 5 sind nur insoweit anzuwenden, als Schutzvorschriften der Länder, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten.

(7) Für geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 sind die Absätze 1 bis 6 nur insoweit anzuwenden, als die Schutzvorschriften, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten. Die Verpflichtungen nach Absatz 4 Satz 2 zur Beteiligung der Kommission und nach Absatz 5 Satz 2 zur Unterrichtung der Kommission bleiben unberührt.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten mit Ausnahme von Bebauungsplänen, die eine Planfeststellung ersetzen, nicht für Vorhaben im Sinne des § 29 des Baugesetzbuches in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuches und während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuches.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Soweit ein Natura 2000-Gebiet ein geschützter Teil von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 ist, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden. Der Projektträger hat die zur Prüfung der Verträglichkeit sowie der Voraussetzungen nach den Absätzen 3 bis 5 erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

(2) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.

(3) Abweichend von Absatz 2 darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es

1.
aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und
2.
zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

(4) Können von dem Projekt im Gebiet vorkommende prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen werden, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1 können nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.

(5) Soll ein Projekt nach Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 4, zugelassen oder durchgeführt werden, sind die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die zuständige Behörde unterrichtet die Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit über die getroffenen Maßnahmen.

(6) Bedarf ein Projekt im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, das nicht von einer Behörde durchgeführt wird, nach anderen Rechtsvorschriften keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde, so ist es der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese kann die Durchführung des Projekts zeitlich befristen oder anderweitig beschränken, um die Einhaltung der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 sicherzustellen. Trifft die Behörde innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige keine Entscheidung, kann mit der Durchführung des Projekts begonnen werden. Wird mit der Durchführung eines Projekts ohne die erforderliche Anzeige begonnen, kann die Behörde die vorläufige Einstellung anordnen. Liegen im Fall des Absatzes 2 die Voraussetzungen der Absätze 3 bis 5 nicht vor, hat die Behörde die Durchführung des Projekts zu untersagen. Die Sätze 1 bis 5 sind nur insoweit anzuwenden, als Schutzvorschriften der Länder, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten.

(7) Für geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 sind die Absätze 1 bis 6 nur insoweit anzuwenden, als die Schutzvorschriften, einschließlich der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen, keine strengeren Regelungen für die Zulässigkeit von Projekten enthalten. Die Verpflichtungen nach Absatz 4 Satz 2 zur Beteiligung der Kommission und nach Absatz 5 Satz 2 zur Unterrichtung der Kommission bleiben unberührt.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten mit Ausnahme von Bebauungsplänen, die eine Planfeststellung ersetzen, nicht für Vorhaben im Sinne des § 29 des Baugesetzbuches in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuches und während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuches.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Für dieses Gesetz gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1.
biologische Vielfaltdie Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten einschließlich der innerartlichen Vielfalt sowie die Vielfalt an Formen von Lebensgemeinschaften und Biotopen;
2.
Naturhaushaltdie Naturgüter Boden, Wasser, Luft, Klima, Tiere und Pflanzen sowie das Wirkungsgefüge zwischen ihnen;
3.
Erholungnatur- und landschaftsverträglich ausgestaltetes Natur- und Freizeiterleben einschließlich natur- und landschaftsverträglicher sportlicher Betätigung in der freien Landschaft, soweit dadurch die sonstigen Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht beeinträchtigt werden;
4.
natürliche Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interessedie in Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Lebensraumtypen;
5.
prioritäre natürliche Lebensraumtypendie in Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG mit dem Zeichen (*) gekennzeichneten Lebensraumtypen;
6.
Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutungdie in die Liste nach Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG aufgenommenen Gebiete, auch wenn ein Schutz im Sinne des § 32 Absatz 2 bis 4 noch nicht gewährleistet ist;
7.
Europäische VogelschutzgebieteGebiete im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 und 2 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 20 vom 26.1.2010, S. 7), wenn ein Schutz im Sinne des § 32 Absatz 2 bis 4 bereits gewährleistet ist;
8.
Natura 2000-GebieteGebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und Europäische Vogelschutzgebiete;
9.
ErhaltungszieleZiele, die im Hinblick auf die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands eines natürlichen Lebensraumtyps von gemeinschaftlichem Interesse, einer in Anhang II der Richtlinie 92/43/EWG oder in Artikel 4 Absatz 2 oder Anhang I der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführten Art für ein Natura 2000-Gebiet festgelegt sind;
10.
günstiger ErhaltungszustandZustand im Sinne von Artikel 1 Buchstabe e und i der Richtlinie 92/43/EWG und von Artikel 2 Nummer 4 der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. L 143 vom 30.4.2004, S. 56), die zuletzt durch die Richtlinie 2009/31/EG (ABl. L 140 vom 5.6.2009, S. 114) geändert worden ist.

(2) Für dieses Gesetz gelten folgende weitere Begriffsbestimmungen:

1.
Tiere
a)
wild lebende, gefangene oder gezüchtete und nicht herrenlos gewordene sowie tote Tiere wild lebender Arten,
b)
Eier, auch im leeren Zustand, sowie Larven, Puppen und sonstige Entwicklungsformen von Tieren wild lebender Arten,
c)
ohne Weiteres erkennbare Teile von Tieren wild lebender Arten und
d)
ohne Weiteres erkennbar aus Tieren wild lebender Arten gewonnene Erzeugnisse;
2.
Pflanzen
a)
wild lebende, durch künstliche Vermehrung gewonnene sowie tote Pflanzen wild lebender Arten,
b)
Samen, Früchte oder sonstige Entwicklungsformen von Pflanzen wild lebender Arten,
c)
ohne Weiteres erkennbare Teile von Pflanzen wild lebender Arten und
d)
ohne Weiteres erkennbar aus Pflanzen wild lebender Arten gewonnene Erzeugnisse;
als Pflanzen im Sinne dieses Gesetzes gelten auch Flechten und Pilze;
3.
Artjede Art, Unterart oder Teilpopulation einer Art oder Unterart; für die Bestimmung einer Art ist ihre wissenschaftliche Bezeichnung maßgebend;
4.
BiotopLebensraum einer Lebensgemeinschaft wild lebender Tiere und Pflanzen;
5.
Lebensstätteregelmäßiger Aufenthaltsort der wild lebenden Individuen einer Art;
6.
Populationeine biologisch oder geografisch abgegrenzte Zahl von Individuen einer Art;
7.
(weggefallen)
8.
(weggefallen)
9.
invasive Arteine invasive gebietsfremde Art im Sinne des Artikels 3 Nummer 2 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014
a)
die in der Unionsliste nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 aufgeführt ist,
b)
für die Dringlichkeitsmaßnahmen nach Artikel 10 Absatz 4 oder für die Durchführungsrechtsakte nach Artikel 11 Absatz 2 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 in Kraft sind, soweit die Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 nach den genannten Rechtsvorschriften anwendbar ist oder
c)
die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 3 aufgeführt ist;
10.
Arten von gemeinschaftlichem Interessedie in Anhang II, IV oder V der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tier- und Pflanzenarten;
11.
prioritäre Artendie in Anhang II der Richtlinie 92/43/EWG mit dem Zeichen (*) gekennzeichneten Tier- und Pflanzenarten;
12.
europäische Vogelartenin Europa natürlich vorkommende Vogelarten im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 2009/147/EG;
13.
besonders geschützte Arten
a)
Tier- und Pflanzenarten, die in Anhang A oder Anhang B der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (ABl. L 61 vom 3.3.1997, S. 1, L 100 vom 17.4.1997, S. 72, L 298 vom 1.11.1997, S. 70, L 113 vom 27.4.2006, S. 26), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 709/2010 (ABl. L 212 vom 12.8.2010, S. 1) geändert worden ist, aufgeführt sind,
b)
nicht unter Buchstabe a fallende
aa)
Tier- und Pflanzenarten, die in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführt sind,
bb)
europäische Vogelarten,
c)
Tier- und Pflanzenarten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 aufgeführt sind;
14.
streng geschützte Artenbesonders geschützte Arten, die
a)
in Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 338/97,
b)
in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG,
c)
in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 2
aufgeführt sind;
15.
gezüchtete TiereTiere, die in kontrollierter Umgebung geboren oder auf andere Weise erzeugt und deren Elterntiere rechtmäßig erworben worden sind;
16.
künstlich vermehrte PflanzenPflanzen, die aus Samen, Gewebekulturen, Stecklingen oder Teilungen unter kontrollierten Bedingungen herangezogen worden sind;
17.
AnbietenErklärung der Bereitschaft zu verkaufen oder zu kaufen und ähnliche Handlungen, einschließlich der Werbung, der Veranlassung zur Werbung oder der Aufforderung zu Verkaufs- oder Kaufverhandlungen;
18.
Inverkehrbringendas Anbieten, Vorrätighalten zur Abgabe, Feilhalten und jedes Abgeben an andere;
19.
rechtmäßigin Übereinstimmung mit den jeweils geltenden Rechtsvorschriften zum Schutz der betreffenden Art im jeweiligen Staat sowie mit Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Artenschutzes und dem Übereinkommen vom 3. März 1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (BGBl. 1975 II S. 773, 777) – Washingtoner Artenschutzübereinkommen – im Rahmen ihrer jeweiligen räumlichen und zeitlichen Geltung oder Anwendbarkeit;
20.
Mitgliedstaatein Staat, der Mitglied der Europäischen Union ist;
21.
Drittstaatein Staat, der nicht Mitglied der Europäischen Union ist.

(3) Soweit in diesem Gesetz auf Anhänge der

1.
Verordnung (EG) Nr. 338/97,
2.
Verordnung (EWG) Nr. 3254/91 des Rates vom 4. November 1991 zum Verbot von Tellereisen in der Gemeinschaft und der Einfuhr von Pelzen und Waren von bestimmten Wildtierarten aus Ländern, die Tellereisen oder den internationalen humanen Fangnormen nicht entsprechende Fangmethoden anwenden (ABl. L 308 vom 9.11.1991, S. 1),
3.
Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG,
4.
Richtlinie 83/129/EWG des Rates vom 28. März 1983 betreffend die Einfuhr in die Mitgliedstaaten von Fellen bestimmter Jungrobben und Waren daraus (ABl. L 91 vom 9.4.1983, S. 30), die zuletzt durch die Richtlinie 89/370/EWG (ABl. L 163 vom 14.6.1989, S. 37) geändert worden ist,
oder auf Vorschriften der genannten Rechtsakte verwiesen wird, in denen auf Anhänge Bezug genommen wird, sind die Anhänge jeweils in der sich aus den Veröffentlichungen im Amtsblatt Teil L der Europäischen Union ergebenden geltenden Fassung maßgeblich.

(4) Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gibt die besonders geschützten und die streng geschützten Arten sowie den Zeitpunkt ihrer jeweiligen Unterschutzstellung bekannt.

(5) Wenn besonders geschützte Arten bereits auf Grund der bis zum 8. Mai 1998 geltenden Vorschriften unter besonderem Schutz standen, gilt als Zeitpunkt der Unterschutzstellung derjenige, der sich aus diesen Vorschriften ergibt. Entsprechendes gilt für die streng geschützten Arten, soweit sie nach den bis zum 8. Mai 1998 geltenden Vorschriften als vom Aussterben bedroht bezeichnet waren.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten,
2.
wild lebende Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder zu nutzen oder ihre Bestände niederzuschlagen oder auf sonstige Weise zu verwüsten,
3.
Lebensstätten wild lebender Tiere und Pflanzen ohne vernünftigen Grund zu beeinträchtigen oder zu zerstören.

(2) Vorbehaltlich jagd- oder fischereirechtlicher Bestimmungen ist es verboten, wild lebende Tiere und Pflanzen der in Anhang V der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten aus der Natur zu entnehmen. Die Länder können Ausnahmen von Satz 1 unter den Voraussetzungen des § 45 Absatz 7 oder des Artikels 14 der Richtlinie 92/43/EWG zulassen.

(3) Jeder darf abweichend von Absatz 1 Nummer 2 wild lebende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze, Tee- und Heilkräuter sowie Zweige wild lebender Pflanzen aus der Natur an Stellen, die keinem Betretungsverbot unterliegen, in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnehmen und sich aneignen.

(4) Das gewerbsmäßige Entnehmen, Be- oder Verarbeiten wild lebender Pflanzen bedarf unbeschadet der Rechte der Eigentümer und sonstiger Nutzungsberechtigter der Genehmigung der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn der Bestand der betreffenden Art am Ort der Entnahme nicht gefährdet und der Naturhaushalt nicht erheblich beeinträchtigt werden. Die Entnahme hat pfleglich zu erfolgen. Bei der Entscheidung über Entnahmen zu Zwecken der Produktion regionalen Saatguts sind die günstigen Auswirkungen auf die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu berücksichtigen.

(4a) Ein vernünftiger Grund nach Absatz 1 liegt insbesondere vor, wenn wissenschaftliche oder naturkundliche Untersuchungen an Tieren oder Pflanzen sowie diesbezügliche Maßnahmen der Umweltbildung im zur Erreichung des Untersuchungsziels oder Bildungszwecks notwendigen Umfang vorgenommen werden. Vorschriften des Tierschutzrechts bleiben unberührt.

(5) Es ist verboten,

1.
die Bodendecke auf Wiesen, Feldrainen, Hochrainen und ungenutzten Grundflächen sowie an Hecken und Hängen abzubrennen oder nicht land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich genutzte Flächen so zu behandeln, dass die Tier- oder Pflanzenwelt erheblich beeinträchtigt wird,
2.
Bäume, die außerhalb des Waldes, von Kurzumtriebsplantagen oder gärtnerisch genutzten Grundflächen stehen, Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September abzuschneiden, auf den Stock zu setzen oder zu beseitigen; zulässig sind schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen,
3.
Röhrichte in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September zurückzuschneiden; außerhalb dieser Zeiten dürfen Röhrichte nur in Abschnitten zurückgeschnitten werden,
4.
ständig wasserführende Gräben unter Einsatz von Grabenfräsen zu räumen, wenn dadurch der Naturhaushalt, insbesondere die Tierwelt erheblich beeinträchtigt wird.
Die Verbote des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 gelten nicht für
1.
behördlich angeordnete Maßnahmen,
2.
Maßnahmen, die im öffentlichen Interesse nicht auf andere Weise oder zu anderer Zeit durchgeführt werden können, wenn sie
a)
behördlich durchgeführt werden,
b)
behördlich zugelassen sind oder
c)
der Gewährleistung der Verkehrssicherheit dienen,
3.
nach § 15 zulässige Eingriffe in Natur und Landschaft,
4.
zulässige Bauvorhaben, wenn nur geringfügiger Gehölzbewuchs zur Verwirklichung der Baumaßnahmen beseitigt werden muss.
Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung bei den Verboten des Satzes 1 Nummer 2 und 3 für den Bereich eines Landes oder für Teile des Landes erweiterte Verbotszeiträume vorzusehen und den Verbotszeitraum aus klimatischen Gründen um bis zu zwei Wochen zu verschieben. Sie können die Ermächtigung nach Satz 3 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(6) Es ist verboten, Höhlen, Stollen, Erdkeller oder ähnliche Räume, die als Winterquartier von Fledermäusen dienen, in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. März aufzusuchen; dies gilt nicht zur Durchführung unaufschiebbarer und nur geringfügig störender Handlungen sowie für touristisch erschlossene oder stark genutzte Bereiche.

(7) Weiter gehende Schutzvorschriften insbesondere des Kapitels 4 und des Abschnitts 3 des Kapitels 5 einschließlich der Bestimmungen über Ausnahmen und Befreiungen bleiben unberührt.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

(1) Von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes, in einer Rechtsverordnung auf Grund des § 57 sowie nach dem Naturschutzrecht der Länder kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

1.
dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2.
die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Im Rahmen des Kapitels 5 gilt Satz 1 nur für die §§ 39 und 40, 42 und 43.

(2) Von den Verboten des § 33 Absatz 1 Satz 1 und des § 44 sowie von Geboten und Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde. Im Fall des Verbringens von Tieren oder Pflanzen aus dem Ausland wird die Befreiung vom Bundesamt für Naturschutz gewährt.

(3) Die Befreiung kann mit Nebenbestimmungen versehen werden. § 15 Absatz 1 bis 4 und Absatz 6 sowie § 17 Absatz 5 und 7 finden auch dann Anwendung, wenn kein Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 vorliegt.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf EUR 100.000,-- festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den nach Verweisung durch das zunächst angerufene Verwaltungsgericht Stuttgart (Az.: 2 K 289/12) der beschließende Gerichtshof zu entscheiden hat, bleibt ohne Erfolg.
Mit der begehrten einstweiligen Anordnung will der Antragsteller erreichen, dass der Antragsgegnerin aufgegeben wird, der beigeladenen Vorhabenträgerin vorläufig weitere Rückbaumaßnahmen am Stuttgarter Hauptbahnhof - insbesondere den bevorstehenden Abriss des Südflügels - als dem urheberrechtlich geschützten Werk seines Großvaters - des Architekten Paul Bonatz - zu untersagen, bis über seinen beim Eisenbahn-Bundesamt am 24.01.2012 gestellten Antrag entschieden ist, dem Planfeststellungsbeschluss für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart „Projekt Stuttgart 21“ Planfeststellungsabschnitt 1.1 („Talquerung mit neuem Hauptbahnhof“) vom 28.01.2005 eine Nebenbestimmung beizufügen, nach der solche Maßnahmen erst zulässig sein sollen, wenn auch die Planfeststellungsabschnitte 1.3 („Filderbahnhof“) und 1.6b („Abstellbahnhof“) unanfechtbar planfestgestellt sind.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht (der Hauptsache), auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Die Voraussetzungen für eine solche, hier allein in Rede stehende Sicherungsanordnung liegen nicht vor.
Dem Antragsteller fehlt bereits die erforderliche Antragsbefugnis (entspr. § 42 Abs. 2 VwGO). Das von seinem Großvater als Architekten des Stuttgarter Hauptbahnhofs ererbte Urheberrecht (vgl. § 28 Abs. 1 UrhG) scheidet im Planfeststellungsverfahren als denkbarer Anknüpfungspunkt für einen Aufhebungs- oder Änderungsanspruch von vornherein aus (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.12.1993 - 4 B 200.93 -, Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 201). Denn dieses wird von der öffentlich-rechtlichen Gestaltungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG) nicht erfasst. Insofern kommt eine Verletzung des Urheberrechts durch den Planfeststellungsbeschluss nicht in Betracht. Aus diesem Grunde brauchte die Planfeststellungsbehörde ihm auch bei ihrer Entscheidung nicht Rechnung zu tragen. Soweit im Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 06.10.2010 - 4 U 106/10 - (DVBl 2011, 440) von „missachteten“ Urheberrechten die Rede ist, bezog sich dies auf die davon zu unterscheidende urheberrechtliche Interessenabwägung.
Vor diesem Hintergrund hatte der Antragsteller seinen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch (vgl. § 97 Abs. 1 UrhG) zunächst auch - wenngleich erfolglos - im Zivilrechtswege geltend gemacht (vgl. § 104 UrhG). Mit seinem nunmehr gestellten Antrag auf nachträgliche „Schutzauflagen“ nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG beruft er sich der Sache nach eben auf den ihm von den ordentlichen Gerichten bereits rechtskräftig abgesprochenen Anspruch. Dass dieser nur mehr auf eine vorläufige Unterlassung (Baustopp bis zur Unanfechtbarkeit der noch ausstehenden Planfeststellungsbeschlüsse) gerichtet ist, ändert nichts. Auch einem solchen Antrag hätte im Zivilrechtsweg ggf. entsprochen werden können, wenn den Eigentümerinteressen im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung nur dann höheres Gewicht als dem geltend gemachten Urheberinteresse zugekommen wäre, wenn die bei einer Abschnittsbildung im Schienenwegerecht trotz des Erfordernisses eines „vorläufigen positiven Gesamturteils“ (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.11.1995 - VR 15.95 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 7) nicht völlig auszuschließende Gefahr der Entstehung eines Planungstorsos ausgeräumt ist. Dass der Antragsteller dies vor den Zivilgerichten nicht geltend gemacht hat, vermittelt ihm noch keine Antragsbefugnis für das vorliegende Antragsverfahren.
Darüber hinaus bestehen Zweifel am erforderlichen Anordnungsgrund (vgl. Kopp/Schenke, VwGO 17. A. 2011, § 123 Rn. 26) bzw. unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Verwirkung (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 Rn. 21; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO <22. Erg.lfg. 2011>, § 123 Rn. 111). So hat der Antragsteller mit der erstmaligen Geltendmachung seines Anspruchs im Verwaltungsrechtsweg bis zum 26.01.2012 zugewartet, obwohl ihm bereits aufgrund des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 bekannt war, dass im Zuge seiner Verwirklichung weitere Rückbaumaßnahmen am Stuttgarter Hauptbahnhof, insbesondere auch der Abriss des Südflügels, zugelassen sind, ohne dass zuvor die Unanfechtbarkeit weiterer Planfeststellungsabschnitte abgewartet werden müsste. Auch wenn sich das Risiko der Entstehung eines Planungstorsos aufgrund der vom Antragsteller angeführten „neuen Tatsachen“ (fehlende Planfeststellungsreife der Abschnitte 1.3 u. 1.6b, Unwägbarkeiten bei der Verwirklichung der Maßnahmen S 21 plus, Einwände gegen die „Misch“-Finanzierung des Vorhabens) erhöht haben sollte, waren ihm diese Umstände doch nach seinem eigenen Vorbringen bereits seit April 2009 bzw. seit 2010 bekannt. Insbesondere war nach der Verlautbarung der Beigeladenen vom 14.09.2011 mit dem Rückbau des Südflügels nach Durchführung der Volksabstimmung am 28.11.2011 nunmehr jederzeit zu rechnen. Der Umstand, dass der Antragsteller gleichwohl erstmals am 24.01.2012 zu erkennen gab, das urheberrechtliche Änderungsverbot (vgl. § 39 Abs. 1 UrhG) nunmehr auch im Verwaltungsrechtswege geltend zu machen, weckt Zweifel am Vorliegen eines Anordnungsgrundes bzw. lässt sein prozessuales Verhalten als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen. Aus denselben Erwägungen hatte seinerzeit auch das Oberlandesgericht die beantragte einstweilige Verfügung gegen den Abriss des Nordflügels mangels eines Verfügungsgrundes abgelehnt (vgl. Beschl. v. 11.08.2010 - 4 U 106/10 -, NZBau 2010, 639). Warum dem Antragsteller eine weitere Bedenkzeit“ zuzubilligen gewesen sein sollte, erschließt sich dem Senat nicht.
Der Eilantrag des Antragstellers hätte allerdings auch dann - wegen Fehlens eines Anordnungsanspruchs - keinen Erfolg haben können, wenn sein ererbtes Urheberrecht grundsätzlich Anknüpfungspunkt für den am 24.01.2006 gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt geltend gemachten Anspruch auf Beifügung einer Nebenbestimmung sein könnte. Hierbei kann dahinstehen, ob dies bereits daraus folgt, dass der Antragsteller mit seinem Urheberinteresse ohnehin bereits materiell präkludiert wäre. So erscheint zweifelhaft, ob er sich in seinem Einwendungsschreiben vom 20.10.2002 bereits auf das ererbte Urheberrecht seines Großvaters berufen hatte. Zwar hatte er Einwendungen „als Architekt und Enkel von Paul Bonatz“ erhoben, jedoch mit keinem Wort auf das ihm als Architekt durchaus bekannte urheberrechtliche Änderungsverbot hingewiesen. Vielmehr hatte er lediglich auf die Bedeutung des Hauptbahnhofs als geschütztes Kulturdenkmal hingewiesen.
Doch auch dann, wenn damit der Sache nach bereits das Urheberrecht thematisiert worden sein sollte (vgl. LG Stuttgart, Urt. v. 20.05.2010 - 17 O 42/10 -, ZUM-RD 2010, 491), fehlte es offensichtlich an einem Anordnungsanspruch. So hat der Antragsteller nicht glaubhaft zu machen vermocht, dass ihm ein Anspruch auf nachträgliche Aufnahme der begehrten Nebenbestimmung in den auch ihm gegenüber bestandskräftig gewordenen Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 zustehen könnte. Soweit der Antragsteller auf die noch nicht abgeschlossenen Planänderungsverfahren verweist, geht dies schon deshalb fehl, weil die bestandskräftige Zulassung der Rückbaumaßnahmen am Stuttgarter Hauptbahnhof von diesen Verfahren ersichtlich unberührt blieb.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers lässt sich der geltend gemachte Anspruch auf einen vorläufigen Baustopp nicht auf § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG stützen. Denn in der von ihm gewünschten Nebenbestimmung kann ersichtlich keine nachträgliche „Schutzauflage“ bzw. „Schutzvorkehrung“ (vgl. § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG) gesehen werden. Vielmehr steht, wie der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 28.01.2012 nunmehr selbst ausführt, eine aufschiebende Bedingung i. S. des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG in Rede, da nicht lediglich nachteilige „Auswirkungen“ des Vorhabens vermieden, sondern dieses selbst - teilweise -, wenn auch nur vorübergehend, verhindert werden soll (vgl. zu einer entsprechenden Nebenbestimmung BVerwG, Urt. v. 25.01.1996 - 4 C 5.95 -, BVerwGE 100, 238). Eine solche Nebenbestimmung kann dem Vorhabenträger aber in einem Planänderungsverfahren nach § 76 VwVfG nur unter den weiteren, für einen Teilwiderruf bzw. eine Teilrücknahme geltenden Voraussetzungen der §§ 48 f. VwVfG auferlegt werden (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG 12. A. 2011, § 75 Rn. 21). Dass der Antragsteller eine entsprechende Änderung bzw. Teilaufhebung des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses beanspruchen könnte, hat dieser mit seinen bloßen Zweifeln an der weiteren Verwirklichung des Gesamtvorhabens jedoch nicht glaubhaft gemacht. Es ist schon nicht zu erkennen, inwiefern das Verfahren mit Rücksicht auf die geltend gemachten Urheberinteressen wiederaufzugreifen wäre. So sind noch nicht einmal Wiederaufnahmegründe i. S. des § 51 Abs. 1 VwVfG ersichtlich, die außerhalb eines Planfeststellungsverfahrens (vgl. § 72 Abs. 1 VwVfG) einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens begründen könnten. Hinzukommt auch in diesem Zusammenhang, dass sich der Antragsteller, nachdem ihm die von ihm angeführten „neuen Tatsachen“ bekannt geworden waren, Jahre lang, mithin deutlich mehr als drei Monate Zeit gelassen hat (vgl. § 51 Abs. 3 VwVfG), um auf die Notwendigkeit einer solchen Nebenbestimmung hinzuwirken.
10 
Nach alledem konnte der Eilantrag keinen Erfolg haben.
11 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs. Der Senat hält auch im vorliegenden Verfahren den vom Oberlandesgericht Stuttgart im einstweiligen Verfügungsverfahren (vgl. Beschl. v. 11.08.2010 - 4 U 106/10 -, NZBau 2010, 639) festgesetzten Streitwert für angemessen.
12 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. März 2007 - 16 K 4091/06 - geändert. Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung der Beklagten vom 27. September 2004 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 31. Oktober 2006 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen einen Widerrufsvorbehalt, der von der Beklagten nachträglich einer 1994 erteilten Baugenehmigung für eine Sammelhinweistafel beigefügt worden ist.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen zur Herstellung und Errichtung von Hinweistafeln. Am 26.4.1994 erhielt sie die Baugenehmigung zur Aufstellung eines „Sammelhinweisers“ auf dem Grundstück Flst. Nr. 6751/13. Errichtet wurde die Anlage an der Kreuzung Herderstraße/Unter dem Birkenkopf, neben der dort befindlichen Eisenbahnunterführung auf dem Gehweg vor der Stützmauer des Bahndammes. Der Baugenehmigung war folgender „Besonderer Hinweis“ beigefügt: „Für die Sondernutzung öffentlichen Straßenraumes wird vom Tiefbauamt nach der ‚ Satzung über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen in Stuttgart’ in der jeweils geltenden Fassung eine Nutzungsgebühr festgesetzt.“
Nach vorheriger Anhörung nahm die Beklagte mit Entscheidung vom 4.2.2004 die Baugenehmigung vom 26.4.1994 zurück. Zur Begründung hieß es u. a., dass die Baugenehmigung gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG zurückgenommen werde. Sie sei rechtswidrig gewesen, weil sie nicht widerruflich erteilt worden sei. Der Standort des Sammelhinweisers befinde sich auf dem Gehweg der Herderstraße, also auf bebauungsplanmäßig ausgewiesener, straßenrechtlich gewidmeter öffentlicher Verkehrsfläche. Die Baugenehmigung habe daher nach § 16 Abs. 1 StrG nur auf Widerruf oder auf Zeit erteilt werden dürfen. Den weiteren Ausführungen des Bescheids lässt sich entnehmen, dass nach Auffassung der Beklagten die 1994 genehmigte Sammelhinweistafel weder den gestalterischen Anforderungen an ein angemessenes modernes, einheitliches Erscheinungsbild entspreche noch von Standort, Größe und Bauart her geeignet sei, eine entsprechende Anzahl von Firmen aufzunehmen, die zudem von der Kreuzung aus hinreichend gesehen werden sollten. Da auf den Bahngrundstücken zwei neue Anlagen errichtet werden sollten, würde der vorhandene „Sammelhinweiser“ zumindest als unpassend, wenn nicht sogar als Störfaktor vor dem begrünten Bahndamm empfunden.
Dagegen erhob die Klägerin am 13.2.2004 Widerspruch mit dem Hinweis, dass sie im Vertrauen auf die unbefristet und endgültig erteilte Baugenehmigung mit ihren Kunden langfristig bindende Verträge abgeschlossen habe.
Mit weiterer Entscheidung vom 27.9.2004 fügte die Beklagte der Baugenehmigung vom 26.4.1994 - unter Anordnung des Sofortvollzugs (Nr. 2) - gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG folgende Nebenbestimmung (Nr. 1) bei: "Die Baugenehmigung wird gemäß § 16 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Straßengesetz widerruflich erteilt." Gleichzeitig änderte sie die Entscheidung vom 4.2.2004 insoweit, dass das Wort "zurückgenommen" durch das Wort "widerrufen" ersetzt werde (Nr. 3). Zur Begründung der Beifügung des Widerrufsvorbehalts in Nr. 1 der Verfügung stützte sie sich im wesentlichen auf die gleichen rechtlichen Erwägungen wie im Bescheid vom 4.2.2004.
Auch dagegen legte die Klägerin am 16.10.2004 Widerspruch ein und begründete ihn u. a. damit, dass die Verlegung des Standortes der bereits 1987 genehmigten Tafel an den jetzigen Aufstellungsort auf den ausdrücklichen Wunsch der Beklagten hin erfolgt sei. Die nachträgliche Ergänzung um den Widerrufsvorbehalt stelle gleichsam die vollständige Beseitigung der Baugenehmigung dar. Es gebe auch keine neuen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte.
Auf den gleichzeitig gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO setzte das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 15.11.2004 die Vollziehung der Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung vom 27.9.2004 mit der Begründung aus, dass es an dem erforderlichen besonderen öffentlichen Interesse am Sofortvollzug fehle (16 K 4103/04).
Daraufhin nahm die Beklagte mit Verfügung vom 29.12.2004 die Nr. 3 der Entscheidung vom 27.9.2004 einschließlich der Entscheidung vom 4.2.2004 (Widerruf der Baugenehmigung vom 26.4.1994) zurück, so dass nur noch die Nr. 1 der Entscheidung vom 27.9.2004 (Beifügung des Widerrufsvorbehalts) bestehen blieb.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.2006 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch vom 13.2.2004 gegen die Verfügung der Beklagten vom 4.2.2004 und den Widerspruch vom 16.10.2004 gegen die Verfügung vom 27.9.2004 zurück, soweit diesen Widersprüchen nicht abgeholfen worden sei. Zur Begründung hieß es in dem Widerspruchsbescheid u. a., dass durch die Rücknahme der baurechtlichen Entscheidung vom 4.2.2004 und Nr. 3 der baurechtlichen Entscheidung vom 27.9.2004 den Widersprüchen vom 13.2.2004 und 16.10.2004 teilweise abgeholfen worden sei. Eine teilweise Abhilfe liege vor, da der Ausgangsbescheid durch den Bescheid vom 29.12.2004 aus widerspruchsbezogenen Gründen aufgehoben und damit das Widerspruchsverfahren insoweit auch formal abgeschlossen worden sei. Über die baurechtliche Entscheidung vom 4.2.2004 und Nr. 3 der baurechtlichen Entscheidung vom 27.9.2004 sei damit gemäß § 73 Abs. 1 VwGO nicht mehr durch die Widerspruchsbehörde zu entscheiden. Der verbleibende Widerspruch vom 16.10.2004 gegen Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung vom 27.9.2004, über den noch zu entscheiden sei, sei zwar zulässig, aber nicht begründet. Die angegriffene Entscheidung der unteren Baurechtsbehörde sei insoweit rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die nachträgliche Anordnung eines Widerrufsvorbehalts hinsichtlich der Baugenehmigung vom 26.4.1994 sei als teilweise Rücknahme gem. § 48 Abs. 1 LVwVfG zulässig. Die Baugenehmigung vom 26.4.1994, die gem. § 16 Abs. 6 StrG die für die Werbeanlage erforderliche Sondernutzungserlaubnis ersetze, sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, da sie gem. § 16 Abs. 1 StrG nur befristet oder widerruflich hätte erteilt werden dürfen. Die teilweise Rücknahme durch nachträgliche Anordnung eines Widerrufsvorbehalts entspreche auch pflichtgemäßem Ermessen. Das öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände überwiege das private Interesse der Klägerin, eine Baugenehmigung ohne den gesetzlich vorgesehenen Widerrufsvorbehalt zu behalten. Durch die nachträgliche Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts werde die Klägerin nicht schlechter gestellt, als wenn sie bereits im Jahr 1994 eine widerrufliche und damit rechtmäßige Baugenehmigung erhalten hätte. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da sie als Fachfirma die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gekannt oder jedenfalls infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Die nachträgliche Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts sei auch verhältnismäßig, insbesondere stelle sie gegenüber einer Rücknahme des Verwaltungsakts das mildere Mittel dar. Wirtschaftlich beeinträchtigt werde die Klägerin durch die Beifügung des Widerrufsvorbehalts noch nicht.
10 
Dagegen hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens beantragt, die Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung vom 27.9.2004 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 31.10.2006 aufzuheben.
11 
Mit Urteil vom 21.3.2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen den Rechtsstandpunkt der angefochtenen Bescheide bestätigt. Ergänzend hat es ausgeführt, dass die Entscheidungen auch unter Ermessensgesichtspunkten nicht beanstandet werden könnten. Ihnen liege eine sachgerechte Abwägung des öffentlichen Interesses an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände mit dem gegenläufigen Vertrauensschutzinteresse der Klägerin am Fortbestand einer uneingeschränkten Baugenehmigung zugrunde. Die 1-Jahres-Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG sei gewahrt, da sie erst mit dem Anhörungsschreiben vom 19.1.2004 zu laufen begonnen habe.
12 
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 19.9.2007 - 8 S 1018/07 - zugelassene Berufung der Klägerin, mit der sie beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. März 2007 - 16 K 4091/06 - zu ändern und die Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung der Beklagten vom 27.9.2004 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 31.10.2006 aufzuheben.
14 
Sie wiederholt zur Begründung im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Sie trägt noch vor, dass für Fälle, in denen die Sondernutzungserlaubnis gemäß § 16 Abs. 6 StrG von einer Baugenehmigung umfasst werde, eine materiell andere Rechtslage als für § 16 Abs. 1 StrG-Fälle nicht gelten könne, insbesondere könne die Frage der Widerruflichkeit nicht anders zu beurteilen sein. § 16 Abs. 6 StrG sei eine Vorschrift nur formeller Art, die der Verfahrenskonzentration diene. Das Fehlen des Widerrufsvorbehalts sei tatbestandliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. § 16 Abs. 1 StrG enthalte insoweit gegenüber § 36 LVwVfG eine spezielle Regelung. Die Sondernutzungserlaubnis dürfe grundsätzlich nur widerruflich (oder befristet) erteilt werden. Ein Verstoß gegen § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG führe zur Rechtswidrigkeit der Erlaubnis, wobei unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes keine Rücknahme der Erlaubnis nach § 48 LVwVfG, sondern lediglich die nachträgliche Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts oder einer Befristung in Betracht komme.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die dem Senat vorliegenden Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage der Klägerin nicht abweisen dürfen, weil Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung der Beklagten vom 27.9.2004 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 31.10.2006 rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
20 
Streitgegenstand ist die durch Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung der Beklagten vom 27.9.2004 erfolgte nachträgliche Beifügung eines Widerrufsvorbehalts zu der Baugenehmigung vom 26.4.1994 und die Zurückweisung des dagegen gerichteten Widerspruchs vom 16.10.2004 durch den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 31.10.2006. Zwar lässt die Tenorierung des Widerspruchsbescheids Raum für die Annahme, es habe nicht nur der Widerspruch vom 16.10.2004, sondern auch derjenige vom 13.2.2004 in einem darüber hinausgehenden, inhaltlich - auch in der Begründung - nicht näher festgehaltenen Umfang zurückgewiesen werden sollen, nämlich „soweit ihnen nicht abgeholfen wurde“. Nachdem die Beklagte mit bestandskräftiger Verfügung vom 29.12.2004 ihre Entscheidung vom 4.2.2004 und Nr. 3 ihrer Entscheidung vom 27.9.2004 zurückgenommen hatte, gab es jedoch keinen offenen Teil des Widerspruchs vom 13.2.2004 mehr, und auch der noch zu bescheidende Umfang des Widerspruchs vom 16.10.2004 beschränkte sich auf Nr. 1 der Verfügung vom 27.9.2004. Dies ist erkennbar auch die Entscheidungsbasis des Widerspruchsbescheids, wie sie sich aus den materiellen Ausführungen zur Begründung der Widerspruchsentscheidung ablesen lässt. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass der Widerspruchsbescheid vom 31.10.2006 - insbesondere hinsichtlich des Widerspruchs vom 13.2.2004 - keinen „Rest“ enthält, der infolge der Formulierung des gestellten Sachantrags den oben beschriebenen Streitgegenstand erweitern würde.
II.
21 
Zu Recht gingen die angegriffenen Bescheide davon aus, dass als Rechtsgrundlage für den der Baugenehmigung vom 26.4.1994 beigefügten Widerrufsvorbehalt nur § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG in Frage kommt. Zwar handelt es sich bei dem Widerrufsvorbehalt der Sache nach um eine Nebenbestimmung (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG), deren Beifügung sich grundsätzlich nach § 36 LVwVfG richtet. § 36 LVwVfG geht jedoch ersichtlich davon aus, dass ein Verwaltungsakt gleichzeitig mit seinem Erlass mit einer Nebenbestimmung versehen wird (s. den Wortlaut des § 36 Abs. 2 LVwVfG „darf ein Verwaltungsakt... erlassen werden“; ebenso Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. § 36 Rn. 12; Knack, VwVfG, 8. Aufl., § 36 Rn. 31). Wird dagegen eine Nebenbestimmung - wie im vorliegenden Fall - nachträglich beigefügt, handelt es sich um eine selbständige Regelung, die als belastender Eingriff aus rechtsstaatlichen Gründen (Vorbehalt des Gesetzes) einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 36 Rn. 9c); ob darüber hinaus zusätzlich die Grenzen des § 36 LVwVfG zu beachten sind (so Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O. Rn. 9b), muss vorliegend mangels Entscheidungserheblichkeit nicht näher untersucht werden. Eine spezielle gesetzliche Regelung für die nachträgliche Beschränkung einer bestandskräftigen Baugenehmigung findet sich im Bauordnungsrecht allerdings nur in § 58 Abs. 6 LBO, dessen Voraussetzungen vorliegend aber offensichtlich nicht einschlägig sind. Die nachträgliche Beifügung eines Widerrufsvorbehalts kommt daher einer teilweisen Rücknahme bzw. einem teilweisen Widerruf der Baugenehmigung gleich (vgl. Kopp/Ramsauer a.a.O. Rn. 12, 50ff.), was wiederum nur unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 LVwVfG zulässig ist. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt.
22 
Denn zwar kann nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG scheitert im vorliegenden Fall jedoch bereits daran, dass die Baugenehmigung vom 26.4.1994 nicht aus dem von der Beklagten in Anspruch genommenen Grund rechtswidrig ist. Nach ihrer Meinung ist die Baugenehmigung deshalb rechtswidrig, weil sie bereits bei ihrer Erteilung zwingend mit einem Widerrufsvorbehalt hätte versehen werden müssen bzw. nur befristet hätte erteilt werden dürfen, was aber beides nicht geschehen sei. Die Beklagte stützt sich dabei auf § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG, wonach die Sondernutzungserlaubnis nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden darf.
23 
§ 16 Abs. 1 Satz 2 StrG erfasst den vorliegenden Fall jedoch nicht, weil § 16 Abs. 6 StrG insoweit eine Sonderregelung enthält. Danach bedarf es u. a. dann keiner Sondernutzungserlaubnis i. S. von § 16 Abs. 1 StrG, wenn die Benutzung der Straße einer Anlage dient, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist. Die Vorschrift, die ihrem Zweck entsprechend auch dann Anwendung findet, wenn die Sondernutzung - wie im vorliegenden Fall - unmittelbar in der Errichtung einer baulichen Anlage besteht (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 5.7.2001 - 8 S 716/01 - VBlBW 2002, 122; Urteil vom 12.12.1996 - 8 S 1725/96 - NVwZ 1998, 652; Urteil vom 11.3.1993 - 5 S 1127/92 - VBlBW 1994, 17, 20), enthält nach ihrem Wortlaut für die benannten Erlaubnisse und Genehmigungen weder eine dem § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG entsprechende Regelung noch verweist sie auf die dortige Regelung. Es wird im Gegenteil bestimmt, dass es in den genannten Fällen keiner Erlaubnis nach Abs. 1 bedarf. Bedarf es aber keiner Sondernutzungserlaubnis und wird dementsprechend auch eine solche nicht erteilt, verliert die in § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG enthaltene Regelung, wonach die Erlaubnis nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden darf, ihr Substrat und damit ihren Sinn. Der Annahme der Beklagten, dass die Baugenehmigung an die Stelle der Sondernutzungserlaubnis trete und daher wie diese auch zwingend nur befristet oder auf Widerruf erteilt werden dürfe, steht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die differenzierte Regelung des § 16 Abs. 6 StrG entgegen. Zwar folgt aus der verfahrenskonzentrierenden Wirkung des § 16 Abs. 6 StrG, dass die Baugenehmigungsbehörde nicht nur die baurechtlich relevanten öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO zu prüfen, sondern zusätzlich auch darüber zu entscheiden hat, ob die mit dem Vorhaben verbundene Sondernutzung zugelassen werden kann. Die Entscheidung darüber steht in ihrem Ermessen, bei dessen Ausübung sie keinen anderen Bindungen unterliegt, als die sonst für die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zuständige Behörde (vgl. Senatsurteil vom 5.7.2001 - 8 S 716/01 - VBlBW 2002, 122; Nagel, StrG, 3. Aufl., § 16 Rn. 37; Lorenz/Will, StrG, 2. Aufl., Rn. 68; Schnebelt/Sigel, Straßenrecht Baden-Württemberg, 2. Aufl., Rn. 273). Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Baugenehmigungsbehörde - über den Wortlaut des § 16 Abs. 6 StrG hinaus -verpflichtet ist, die Baugenehmigung nur befristet oder mit einem Widerrufsvorbehalt zu erteilen, wie die für die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zuständige Behörde dies bei der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis nach § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG von Gesetzes wegen tun muss.
24 
Es ist auch nicht ersichtlich, dass dadurch den straßenrechtlichen Belangen nicht hinreichend Rechnung getragen werden würde. Denn insoweit gilt, dass die Baugenehmigungsbehörde vor ihrer Entscheidung die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde zu hören und - soweit Träger der Straßenbaulast eine Gemeinde oder ein Landkreis ist - die von dieser Behörde geforderten Bedingungen, Auflagen und Sondernutzungsgebühren dem Antragsteller in der Baugenehmigung aufzuerlegen hat (vgl. zu einem straßenverkehrsrechtlichen Fall VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.3.2005 - 5 S 2421/03 -). Dadurch wird einerseits den straßenrechtlichen Belangen auch bei der Erteilung einer Baugenehmigung durch eine andere Behörde Geltung verschafft. Andererseits kann damit aber auch ein möglicherweise bestehendes berechtigtes Interesse des Bauherrn daran berücksichtigt werden, dass die Baugenehmigung nicht nur befristet oder auf Widerruf sondern dauerhaft erteilt wird, worauf er beispielsweise bei Investitionen von einigem Umfang angewiesen sein kann. In einem solchen Fall kann die Baugenehmigungsbehörde die Baugenehmigung vorbehaltlos erteilen, wenn das straßenrechtliche Interesse nur von untergeordneter Bedeutung ist. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Baugenehmigung zwar auf der Grundlage pflichtgemäßer Ermessensausübung mit einem Widerrufsvorbehalt versehen bzw. nur befristet erteilt werden kann, dass hierzu aber von Gesetzes wegen keine Verpflichtung besteht. Dementsprechend hat die Beklagte der Klägerin zwar eine Sondernutzungsgebühr auferlegt, aber von Bedingungen und Auflagen abgesehen, was nach allem nicht zu beanstanden ist.
25 
Es gibt auch keinen Anlass zu der Annahme, dass die ursprünglich rechtmäßig erteilte Baugenehmigung durch eine Änderung der Sachlage rechtswidrig geworden wäre (vgl. hierzu Senatsurteil vom 24.9.2001 - 8 S 641/01 -, NVwZ-RR 2002, 621). Die Beklagte hat sich hierauf beim Erlass der angefochtenen Verfügung auch nicht berufen, so dass die rechtliche Relevanz einer möglichen Sachverhaltsänderung dahingestellt bleiben kann.
26 
Fehlt es somit bereits an der ersten Voraussetzung für eine teilweise Rücknahme der Baugenehmigung vom 26.4.1994, braucht auf die weiteren Voraussetzungen des § 48 LVwVfG nicht mehr eingegangen zu werden.
27 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28 
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
29 
Beschluss
30 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 EUR festgesetzt.
31 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage der Klägerin nicht abweisen dürfen, weil Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung der Beklagten vom 27.9.2004 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 31.10.2006 rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
20 
Streitgegenstand ist die durch Nr. 1 der baurechtlichen Entscheidung der Beklagten vom 27.9.2004 erfolgte nachträgliche Beifügung eines Widerrufsvorbehalts zu der Baugenehmigung vom 26.4.1994 und die Zurückweisung des dagegen gerichteten Widerspruchs vom 16.10.2004 durch den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 31.10.2006. Zwar lässt die Tenorierung des Widerspruchsbescheids Raum für die Annahme, es habe nicht nur der Widerspruch vom 16.10.2004, sondern auch derjenige vom 13.2.2004 in einem darüber hinausgehenden, inhaltlich - auch in der Begründung - nicht näher festgehaltenen Umfang zurückgewiesen werden sollen, nämlich „soweit ihnen nicht abgeholfen wurde“. Nachdem die Beklagte mit bestandskräftiger Verfügung vom 29.12.2004 ihre Entscheidung vom 4.2.2004 und Nr. 3 ihrer Entscheidung vom 27.9.2004 zurückgenommen hatte, gab es jedoch keinen offenen Teil des Widerspruchs vom 13.2.2004 mehr, und auch der noch zu bescheidende Umfang des Widerspruchs vom 16.10.2004 beschränkte sich auf Nr. 1 der Verfügung vom 27.9.2004. Dies ist erkennbar auch die Entscheidungsbasis des Widerspruchsbescheids, wie sie sich aus den materiellen Ausführungen zur Begründung der Widerspruchsentscheidung ablesen lässt. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass der Widerspruchsbescheid vom 31.10.2006 - insbesondere hinsichtlich des Widerspruchs vom 13.2.2004 - keinen „Rest“ enthält, der infolge der Formulierung des gestellten Sachantrags den oben beschriebenen Streitgegenstand erweitern würde.
II.
21 
Zu Recht gingen die angegriffenen Bescheide davon aus, dass als Rechtsgrundlage für den der Baugenehmigung vom 26.4.1994 beigefügten Widerrufsvorbehalt nur § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG in Frage kommt. Zwar handelt es sich bei dem Widerrufsvorbehalt der Sache nach um eine Nebenbestimmung (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG), deren Beifügung sich grundsätzlich nach § 36 LVwVfG richtet. § 36 LVwVfG geht jedoch ersichtlich davon aus, dass ein Verwaltungsakt gleichzeitig mit seinem Erlass mit einer Nebenbestimmung versehen wird (s. den Wortlaut des § 36 Abs. 2 LVwVfG „darf ein Verwaltungsakt... erlassen werden“; ebenso Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. § 36 Rn. 12; Knack, VwVfG, 8. Aufl., § 36 Rn. 31). Wird dagegen eine Nebenbestimmung - wie im vorliegenden Fall - nachträglich beigefügt, handelt es sich um eine selbständige Regelung, die als belastender Eingriff aus rechtsstaatlichen Gründen (Vorbehalt des Gesetzes) einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 36 Rn. 9c); ob darüber hinaus zusätzlich die Grenzen des § 36 LVwVfG zu beachten sind (so Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O. Rn. 9b), muss vorliegend mangels Entscheidungserheblichkeit nicht näher untersucht werden. Eine spezielle gesetzliche Regelung für die nachträgliche Beschränkung einer bestandskräftigen Baugenehmigung findet sich im Bauordnungsrecht allerdings nur in § 58 Abs. 6 LBO, dessen Voraussetzungen vorliegend aber offensichtlich nicht einschlägig sind. Die nachträgliche Beifügung eines Widerrufsvorbehalts kommt daher einer teilweisen Rücknahme bzw. einem teilweisen Widerruf der Baugenehmigung gleich (vgl. Kopp/Ramsauer a.a.O. Rn. 12, 50ff.), was wiederum nur unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 LVwVfG zulässig ist. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt.
22 
Denn zwar kann nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG scheitert im vorliegenden Fall jedoch bereits daran, dass die Baugenehmigung vom 26.4.1994 nicht aus dem von der Beklagten in Anspruch genommenen Grund rechtswidrig ist. Nach ihrer Meinung ist die Baugenehmigung deshalb rechtswidrig, weil sie bereits bei ihrer Erteilung zwingend mit einem Widerrufsvorbehalt hätte versehen werden müssen bzw. nur befristet hätte erteilt werden dürfen, was aber beides nicht geschehen sei. Die Beklagte stützt sich dabei auf § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG, wonach die Sondernutzungserlaubnis nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden darf.
23 
§ 16 Abs. 1 Satz 2 StrG erfasst den vorliegenden Fall jedoch nicht, weil § 16 Abs. 6 StrG insoweit eine Sonderregelung enthält. Danach bedarf es u. a. dann keiner Sondernutzungserlaubnis i. S. von § 16 Abs. 1 StrG, wenn die Benutzung der Straße einer Anlage dient, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist. Die Vorschrift, die ihrem Zweck entsprechend auch dann Anwendung findet, wenn die Sondernutzung - wie im vorliegenden Fall - unmittelbar in der Errichtung einer baulichen Anlage besteht (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 5.7.2001 - 8 S 716/01 - VBlBW 2002, 122; Urteil vom 12.12.1996 - 8 S 1725/96 - NVwZ 1998, 652; Urteil vom 11.3.1993 - 5 S 1127/92 - VBlBW 1994, 17, 20), enthält nach ihrem Wortlaut für die benannten Erlaubnisse und Genehmigungen weder eine dem § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG entsprechende Regelung noch verweist sie auf die dortige Regelung. Es wird im Gegenteil bestimmt, dass es in den genannten Fällen keiner Erlaubnis nach Abs. 1 bedarf. Bedarf es aber keiner Sondernutzungserlaubnis und wird dementsprechend auch eine solche nicht erteilt, verliert die in § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG enthaltene Regelung, wonach die Erlaubnis nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden darf, ihr Substrat und damit ihren Sinn. Der Annahme der Beklagten, dass die Baugenehmigung an die Stelle der Sondernutzungserlaubnis trete und daher wie diese auch zwingend nur befristet oder auf Widerruf erteilt werden dürfe, steht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die differenzierte Regelung des § 16 Abs. 6 StrG entgegen. Zwar folgt aus der verfahrenskonzentrierenden Wirkung des § 16 Abs. 6 StrG, dass die Baugenehmigungsbehörde nicht nur die baurechtlich relevanten öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO zu prüfen, sondern zusätzlich auch darüber zu entscheiden hat, ob die mit dem Vorhaben verbundene Sondernutzung zugelassen werden kann. Die Entscheidung darüber steht in ihrem Ermessen, bei dessen Ausübung sie keinen anderen Bindungen unterliegt, als die sonst für die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zuständige Behörde (vgl. Senatsurteil vom 5.7.2001 - 8 S 716/01 - VBlBW 2002, 122; Nagel, StrG, 3. Aufl., § 16 Rn. 37; Lorenz/Will, StrG, 2. Aufl., Rn. 68; Schnebelt/Sigel, Straßenrecht Baden-Württemberg, 2. Aufl., Rn. 273). Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Baugenehmigungsbehörde - über den Wortlaut des § 16 Abs. 6 StrG hinaus -verpflichtet ist, die Baugenehmigung nur befristet oder mit einem Widerrufsvorbehalt zu erteilen, wie die für die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zuständige Behörde dies bei der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis nach § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG von Gesetzes wegen tun muss.
24 
Es ist auch nicht ersichtlich, dass dadurch den straßenrechtlichen Belangen nicht hinreichend Rechnung getragen werden würde. Denn insoweit gilt, dass die Baugenehmigungsbehörde vor ihrer Entscheidung die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde zu hören und - soweit Träger der Straßenbaulast eine Gemeinde oder ein Landkreis ist - die von dieser Behörde geforderten Bedingungen, Auflagen und Sondernutzungsgebühren dem Antragsteller in der Baugenehmigung aufzuerlegen hat (vgl. zu einem straßenverkehrsrechtlichen Fall VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.3.2005 - 5 S 2421/03 -). Dadurch wird einerseits den straßenrechtlichen Belangen auch bei der Erteilung einer Baugenehmigung durch eine andere Behörde Geltung verschafft. Andererseits kann damit aber auch ein möglicherweise bestehendes berechtigtes Interesse des Bauherrn daran berücksichtigt werden, dass die Baugenehmigung nicht nur befristet oder auf Widerruf sondern dauerhaft erteilt wird, worauf er beispielsweise bei Investitionen von einigem Umfang angewiesen sein kann. In einem solchen Fall kann die Baugenehmigungsbehörde die Baugenehmigung vorbehaltlos erteilen, wenn das straßenrechtliche Interesse nur von untergeordneter Bedeutung ist. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Baugenehmigung zwar auf der Grundlage pflichtgemäßer Ermessensausübung mit einem Widerrufsvorbehalt versehen bzw. nur befristet erteilt werden kann, dass hierzu aber von Gesetzes wegen keine Verpflichtung besteht. Dementsprechend hat die Beklagte der Klägerin zwar eine Sondernutzungsgebühr auferlegt, aber von Bedingungen und Auflagen abgesehen, was nach allem nicht zu beanstanden ist.
25 
Es gibt auch keinen Anlass zu der Annahme, dass die ursprünglich rechtmäßig erteilte Baugenehmigung durch eine Änderung der Sachlage rechtswidrig geworden wäre (vgl. hierzu Senatsurteil vom 24.9.2001 - 8 S 641/01 -, NVwZ-RR 2002, 621). Die Beklagte hat sich hierauf beim Erlass der angefochtenen Verfügung auch nicht berufen, so dass die rechtliche Relevanz einer möglichen Sachverhaltsänderung dahingestellt bleiben kann.
26 
Fehlt es somit bereits an der ersten Voraussetzung für eine teilweise Rücknahme der Baugenehmigung vom 26.4.1994, braucht auf die weiteren Voraussetzungen des § 48 LVwVfG nicht mehr eingegangen zu werden.
27 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28 
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
29 
Beschluss
30 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 EUR festgesetzt.
31 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Durch die Planfeststellung wird die Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen an anderen Anlagen im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt; neben der Planfeststellung sind andere behördliche Entscheidungen, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen nicht erforderlich. Durch die Planfeststellung werden alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt.

(1a) Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange sind nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Erhebliche Mängel bei der Abwägung oder eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften führen nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung, wenn sie nicht durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können; die §§ 45 und 46 bleiben unberührt.

(2) Ist der Planfeststellungsbeschluss unanfechtbar geworden, so sind Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen. Treten nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf das Recht eines anderen erst nach Unanfechtbarkeit des Plans auf, so kann der Betroffene Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen verlangen, welche die nachteiligen Wirkungen ausschließen. Sie sind dem Träger des Vorhabens durch Beschluss der Planfeststellungsbehörde aufzuerlegen. Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, so richtet sich der Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld. Werden Vorkehrungen oder Anlagen im Sinne des Satzes 2 notwendig, weil nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens auf einem benachbarten Grundstück Veränderungen eingetreten sind, so hat die hierdurch entstehenden Kosten der Eigentümer des benachbarten Grundstücks zu tragen, es sei denn, dass die Veränderungen durch natürliche Ereignisse oder höhere Gewalt verursacht worden sind; Satz 4 ist nicht anzuwenden.

(3) Anträge, mit denen Ansprüche auf Herstellung von Einrichtungen oder auf angemessene Entschädigung nach Absatz 2 Satz 2 und 4 geltend gemacht werden, sind schriftlich an die Planfeststellungsbehörde zu richten. Sie sind nur innerhalb von drei Jahren nach dem Zeitpunkt zulässig, zu dem der Betroffene von den nachteiligen Wirkungen des dem unanfechtbar festgestellten Plan entsprechenden Vorhabens oder der Anlage Kenntnis erhalten hat; sie sind ausgeschlossen, wenn nach Herstellung des dem Plan entsprechenden Zustands 30 Jahre verstrichen sind.

(4) Wird mit der Durchführung des Plans nicht innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen, so tritt er außer Kraft. Als Beginn der Durchführung des Plans gilt jede erstmals nach außen erkennbare Tätigkeit von mehr als nur geringfügiger Bedeutung zur plangemäßen Verwirklichung des Vorhabens; eine spätere Unterbrechung der Verwirklichung des Vorhabens berührt den Beginn der Durchführung nicht.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Betriebsanlagen einer Eisenbahn einschließlich der Bahnfernstromleitungen dürfen nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Für das Planfeststellungsverfahren gelten die §§ 72 bis 78 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Maßgabe dieses Gesetzes. Wird eine bestehende Betriebsanlage einer Eisenbahn erneuert, liegt nur dann eine Änderung im Sinne von Satz 1 vor, wenn der Grundriss oder der Aufriss der Betriebsanlage oder beides wesentlich geändert wird. Eine wesentliche Änderung des Grundrisses oder Aufrisses einer Betriebsanlage im Sinne von Satz 4 liegt insbesondere nicht vor, wenn sie im Zuge des Wiederaufbaus nach einer Naturkatastrophe erforderlich ist, um diese vor Naturereignissen zu schützen, und in einem räumlich begrenzten Korridor entlang des Trassenverlaufs erfolgt.

(1a) Für folgende Einzelmaßnahmen, die den Bau oder die Änderung von Betriebsanlagen einer Eisenbahn vorsehen, bedarf es keiner vorherigen Planfeststellung oder Plangenehmigung, sofern keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht:

1.
die Ausstattung einer bestehenden Bahnstrecke mit einer Oberleitung einschließlich dafür notwendiger räumlich begrenzter baulicher Anpassungen, insbesondere von Tunneln mit geringer Länge oder von Kreuzungsbauwerken,
2.
die im Rahmen der Digitalisierung einer Bahnstrecke erforderlichen Baumaßnahmen, insbesondere die Ausstattung einer Bahnstrecke mit Signal- und Sicherungstechnik des Standards European Rail Traffic Management System (ERTMS),
3.
der barrierefreie Umbau, die Erhöhung oder die Verlängerung von Bahnsteigen,
4.
die Errichtung von Lärmschutzwänden zur Lärmsanierung,
5.
die Herstellung von Überleitstellen für Gleiswechselbetriebe,
6.
die Herstellung von Gleisanschlüssen bis 2 000 Meter und von Zuführungs- und Industriestammgleisen bis 3 000 Meter.
Für die in Satz 1 Nummer 1 bis 6 genannten Einzelmaßnahmen ist keine weitere baurechtliche Zulassung erforderlich; landesrechtliche Regelungen bleiben unberührt. Werden durch das Vorhaben private oder öffentliche Belange einschließlich der Belange der Umwelt berührt, kann der Träger des Vorhabens die Feststellung des Planes nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Ungeachtet dessen hat sich der Träger des Vorhabens vor Durchführung einer Einzelmaßnahme im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 und 2 durch das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr vor der Durchführung bestätigen zu lassen, dass keine militärischen Belange entgegenstehen. Kann für das Vorhaben die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen, hat der Träger des Vorhabens bei der Planfeststellungsbehörde den Antrag nach § 5 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung zu stellen. Satz 1 Nummer 1 und 2 ist nur anzuwenden, wenn die zuständige Behörde feststellt, dass Vorgaben über die Errichtung und über wesentliche Änderungen von Anlagen eingehalten sind, die in einer elektrische, magnetische oder elektromagnetische Felder betreffenden und auf Grund von § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 in Verbindung mit § 48b des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 erlassenen Rechtsverordnung enthalten sind.

(2) Ist das Planfeststellungsverfahren eingeleitet, kann die Planfeststellungsbehörde nach Anhörung der betroffenen Gemeinde eine vorläufige Anordnung erlassen, in der vorbereitende Maßnahmen oder Teilmaßnahmen zum Bau oder zur Änderung festgesetzt werden,

1.
soweit es sich um reversible Maßnahmen handelt,
2.
wenn an dem vorzeitigen Beginn ein öffentliches Interesse besteht,
3.
wenn mit einer Entscheidung zugunsten des Trägers des Vorhabens gerechnet werden kann und
4.
wenn die nach § 74 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu berücksichtigenden Interessen gewahrt werden.
In der vorläufigen Anordnung sind die Auflagen zur Sicherung dieser Interessen und der Umfang der vorläufig zulässigen Maßnahmen festzulegen. Sie ist den anliegenden Gemeinden sowie den Beteiligten zuzustellen oder öffentlich bekannt zu machen. Sie ersetzt nicht die Planfeststellung. § 17 bleibt unberührt. Soweit die vorbereitenden Maßnahmen oder Teilmaßnahmen zum Bau oder zur Änderung durch die Planfeststellung für unzulässig erklärt sind, ordnet die Planfeststellungsbehörde gegenüber dem Träger des Vorhabens an, den früheren Zustand wiederherzustellen. Dies gilt auch, wenn der Antrag auf Planfeststellung zurückgenommen wurde. Der Betroffene ist durch den Vorhabenträger zu entschädigen, soweit die Wiederherstellung des früheren Zustands nicht möglich oder mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden oder ein Schaden eingetreten ist, der durch die Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht ausgeglichen wird. Rechtsbehelfe gegen die vorläufige Anordnung haben keine aufschiebende Wirkung; ein Vorverfahren findet nicht statt. Betrifft die vorläufige Anordnung ein Vorhaben im Sinne des § 18e Absatz 1, ist § 18e Absatz 1 und 5 in Bezug auf Rechtsbehelfe gegen die vorläufige Anordnung entsprechend anzuwenden.

(3) Unterhaltungsmaßnahmen bedürfen keiner vorherigen Planfeststellung oder Plangenehmigung.

(1) Von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes, in einer Rechtsverordnung auf Grund des § 57 sowie nach dem Naturschutzrecht der Länder kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

1.
dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2.
die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Im Rahmen des Kapitels 5 gilt Satz 1 nur für die §§ 39 und 40, 42 und 43.

(2) Von den Verboten des § 33 Absatz 1 Satz 1 und des § 44 sowie von Geboten und Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde. Im Fall des Verbringens von Tieren oder Pflanzen aus dem Ausland wird die Befreiung vom Bundesamt für Naturschutz gewährt.

(3) Die Befreiung kann mit Nebenbestimmungen versehen werden. § 15 Absatz 1 bis 4 und Absatz 6 sowie § 17 Absatz 5 und 7 finden auch dann Anwendung, wenn kein Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 vorliegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.