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Die zulässigen Klagen sind begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten.
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Die gegen eine Baugenehmigung gerichtete Klage eines Nachbarn ist begründet, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen (§ 58 Abs. 1 Satz 1 LBO), die Baugenehmigung damit rechtswidrig ist und dadurch rechtlich geschützte Interessen des Nachbarn verletzt. Nur ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften hat zur Folge, dass der Nachbar in seinen subjektiven Rechten verletzt ist und deshalb im Klageverfahren die angefochtene Baugenehmigung aufgehoben werden kann (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Erforderlich ist somit, dass die angefochtene Baugenehmigung gegen eine Vorschrift verstößt, die auch dem Schutz der Interessen der Kläger zu dienen bestimmt ist. In Anwendung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass die dem Beigeladenen mit Bescheid vom 11.02.2008 erteilte Baugenehmigung für die Nutzung des ehemaligen Stallgebäudes auf dem Flurstück Nr. ... in A als Schlosserei rechtswidrig ist und gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt.
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Bauplanungsrechtlich beurteilt sich die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB. Die gemäß § 50 Abs. 2 LBO genehmigungspflichtige Nutzungsänderung ist allein im Hinblick auf die neue Nutzungsart streitig. Bezüglich seiner Nutzungsart ist die genehmigte Schlosserei an § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO zu messen, da die maßgebliche Umgebungsbebauung ihrer Art nach einem allgemeinen Wohngebiet entsprechend der Baunutzungsverordnung entspricht.
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Der räumliche Bereich der „näheren Umgebung“ im Sinne von § 34 Abs. 1 und 2 BauGB bestimmt sich danach, inwieweit sich die Ausführung des Bauvorhabens auf die Umgebung auswirken kann und inwieweit die Umgebung ihrerseits das Baugrundstück prägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.05.1978 - IV C 9.77 - BVerwGE 55, 369 und Beschluss vom 20.08.1998 - 4 B 79/98 - NVwZ-RR 1999, 105). Die nähere Umgebung eines Vorhabens im Sinne von § 34 Abs. 1 und 2 BauGB muss deshalb nicht notwendig alle Grundstücke in der Umgebung umfassen, die hinsichtlich der Merkmale, nach denen sich das Vorhaben einfügen muss, im Wesentlichen in gleicher Weise bebaut sind und genutzt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.08.1998 - 4 B 79/98 - a.a.O.). Wieweit die wechselseitige Prägung reicht, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles; dabei können auch die topographischen Gegebenheiten eine Rolle spielen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.08.1998 - 4 B 79/98 - a.a.O.).
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Nach diesen Maßstäben zählt die Bebauung östlich und westlich der L-Straße sowie die Bebauung zwischen der A-Straße und der H-Straße zur näheren Umgebung des Baugrundstücks. Innerhalb dieser näheren Umgebung entfaltet grundsätzlich alles Vorhandene prägende Wirkung. Einzubeziehen sind die tatsächlich vorhandenen baulichen Anlagen, unabhängig davon, wann die Bebauung der Umgebung und unter welchen auch baurechtlichen Voraussetzungen sie entstanden ist und unabhängig davon, ob sie städtebaulich wünschenswert ist oder nicht. Eine ungenehmigte bauliche Anlage spielt im Rahmen des § 34 BauGB allerdings nur dann eine Rolle, wenn sie in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die zuständige Behörde mit ihrem Vorhandensein abgefunden hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998 - 4 B 29/98 - NVwZ-RR 1999, 364). Eine frühere Nutzung eines Gebäudes hat keinen Einfluss auf den Gebietscharakter der Umgebung, wenn sie keinen sichtbaren Niederschlag mehr findet, weil sie eingestellt oder beseitigt worden und mit einer Wiederaufnahme nicht zu rechnen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.08.1998 - 4 C 5/98 - NVwZ 1999, 523). Außer Betracht bleiben schließlich bauliche Anlagen, die von ihrem quantitativen Erscheinungsbild oder nach ihrer Qualität nicht die Kraft zur prägenden Wirkung haben oder völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung als Fremdkörper herausfallen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.02.1990 - 4 C 23/86 - BVerwGE 84, 322). Nach diesen Grundsätzen entspricht die Nutzungsstruktur der maßgeblichen näheren Umgebung der eines allgemeinen Wohngebiets. Dieser Bereich ist vorwiegend durch Wohnnutzung geprägt. Das im rückwärtigen Bereich des Flurstücks Nr. ... stehende Gebäude wird vom Musikverein als Vereinsheim genutzt und in einer ehemaligen Scheuer auf dem Flurstück Nr. ... werden Särge gelagert. Dies sind Nutzungen, die einem typischen allgemeinen Wohngebiet entsprechen, in dem Wohngebäude, Anlagen für soziale Zwecke allgemein und die Lagerhalle für Särge als nicht störender Gewerbebetrieb ausnahmsweise zulässig sind. Eine Nutzung des Flurstücks Nr. ... durch einen Speditionsbetrieb konnte beim Augenscheinstermin nicht festgestellt werden. Die beim Augenscheinstermin anwesenden Beklagtenvertreter haben diesbezüglich erklärt, Genehmigungsakten hinsichtlich einer auf dem Grundstück L-Straße 7 (Flurstück Nr. ...) betriebenen Spedition seien nicht vorhanden. Zwar sind die nördlich des Grundstücks der Kläger gelegenen Grundstücke nach dem Bebauungsplan „Döllen II“ vom 04.05.1990 als Mischgebiet ausgewiesen. Dies hat auf die Einordnung der näheren Umgebung des Baugrundstücks indes keinen Einfluss, da für die Beurteilung eines Vorhabens nach § 34 BauGB ausschließlich die vorhandene Bebauung maßgebend ist (vgl. VGH München, Beschl. v. 26.05.2008 - 1 CS 08.881 - BauR 2008, 1556). Auch der Umstand, dass in einer ehemaligen Scheuer auf dem Baugrundstück Vorrichtungen zur Reparatur von Kraftfahrzeugen vorhanden und darin zahlreiche Fahrzeuge abgestellt sind, steht der Einstufung als allgemeines Wohngebiet nicht entgegen. Denn diese nicht genehmigte Nutzung ist nur dann maßgebend, wenn sie in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die zuständigen Behörden auf Dauer mit ihrem Vorhandensein abgefunden haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998 - 4 B 29/98 - a.a.O. und Beschl. v. 11.02.2000 - 4 B 1/00 - BRS 63 Nr. 102). Eine solche Duldung liegt hier aber nicht vor. Vielmehr war der auf dem Baugrundstück möglicherweise betriebene Kfz-Reparaturbetrieb den Vertretern des Landratsamts beim Augenscheinstermin nicht bekannt.
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In einem faktischen allgemeinen Wohngebiet ist die genehmigte Schlosserei weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO). Gleiches würde gelten, falls die nähere Umgebung des Baugrundstücks entsprechend der Ansicht des Beklagten als Mischgebiet eingestuft würde.
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Der dem Beigeladenen genehmigte Schlossereibetrieb ist kein sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb, der in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig wäre. Auch im Falle der Annahme eines faktischen Mischgebiets würde der genehmigte Schlossereibetrieb nicht als nicht wesentlich störender, wohnverträglicher Gewerbebetrieb angesehen werden können.
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Bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit von sonstigen nicht störenden Gewerbebetrieben wie auch von sonstigen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben ist in der Regel nicht auf die konkreten Verhältnisse des jeweiligen Vorhabens abzustellen, sondern von einer typisierenden Betrachtungsweise auszugehen. Zu fragen ist, ob das zur Genehmigung gestellte Vorhaben generell geeignet ist, das Wohnen in einem allgemeinen Wohngebiet oder Mischgebiet zu stören. Gegenstand der Betrachtung sind die Auswirkungen, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art, insbesondere nach seinem räumlichen Umfang und der Größe seines betrieblichen Einzugsbereichs, der Art und Weise der Betriebsvorgänge, dem vorhabenbedingten An- und Abfahrtsverkehr sowie der zeitlichen Dauer dieser Auswirkungen und ihrer Verteilung auf die Tages- und Nachtzeiten, ausgehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.03.2002 - 4 C 1/02 - BVerwGE 116, 155 und Beschl. v. 28.02.2008 - 4 B 60/07 - NVwZ 2008, 786). Entscheidend ist dabei nicht, ob etwa die mit der Nutzung verbundenen immissionsschutzrechtlichen Lärmwerte eingehalten werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.03.2002 - 4 C 1/02 - a.a.O. und Beschl. v. 28.02.2008 - 4 B 60/07 - a.a.O.).
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Die typisierende Betrachtungsweise scheidet jedoch von vornherein aus, wenn der Betrieb zu einer Branche gehört, bei der die üblichen Betriebsformen hinsichtlich des Störgrades eine vom nicht wesentlich störenden bis zum störenden oder gar bis zum erheblich belästigenden Betrieb reichende Bandbreite aufweisen. Maßgeblich in diesem Fall ist die jeweilige Betriebsstruktur, d. h. ob sich die Störwirkungen, die die konkrete Anlage bei funktionsgerechter Nutzung erwarten lässt, innerhalb des Rahmens halten, der durch die Gebietseigenart vorgegeben wird (vgl. für Bauunternehmen BVerwG, Beschl. v. 22.11.2002 - 4 B 72/02 - BauR 2004, 645; für Kfz-Werkstätten BVerwG, Urt. v. 07.02.1986 - 4 C 49/82 - NVwZ 1986, 642; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2002 - 3 S 1637/01 - GewArch 2002, 497; für SB-Waschanlagen BVerwG, Beschl. v. 18.08.1998 - 4 B 82/98 - NVwZ-RR 1999, 107).
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Diese Voraussetzungen einer Einstufung entsprechend der konkreten Betriebsgestaltung sind bei dem Vorhaben des Beigeladenen indes nicht erfüllt. Schlossereien und andere metallverarbeitende Betriebe, in denen regelmäßig lärmintensive Arbeiten wie Hämmern, Schleifen, Trennschleifen, Stanzen und Schmieden vorgenommen werden, stören das Wohnen typischerweise wesentlich und sind deshalb in allen Baugebieten, die auch dem Wohnen dienen, unzulässig (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 20.12.1973 - 1 A 57/72 - juris; OVG Greifswald, Beschl. v. 25.10.1994 - 3 M 167/94 - MDR 1995, 797; VGH München, Beschl. v. 13.12.2006 - 1 ZB 04.3549 - NVwZ-RR 2007, 659; a. A. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.03.2001 - 8 S 2120/00 - BauR 2002, 65, wonach sich metallverarbeitende Betriebe einer generalisierenden Betrachtung entzögen). Entsprechendes gilt für Tischlereiwerkstätten (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.05.1971 - IV C 76.68 - Buchholz § 406.11 § 2 BBauG Nr. 7; VGH München, Beschl. v. 02.11.2004 - 20 ZB 04.1559 - NVwZ-RR 2005, 602; OVG Münster, Beschl. v. 31.01.1997 - 10 B 3207/96 - BRS 59 Nr. 202; OVG Schleswig, Beschl. v. 07.06.1999 - 1 M 119/98 - NordÖR 2000, 426) sowie für Zimmereibetriebe (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.02.1990 - 4 C 23/86 - BVerwGE 84, 322). Eine Ausnahme von der typisierenden Einstufung dieser Betriebe kommt nur in Betracht, wenn es sich um ein atypisches, von dem branchenüblichen Erscheinungsbild abweichendes Vorhaben handelt und wenn anzunehmen ist, dass nach der Art und Betriebsweise keine Störungen zu befürchten sind und der Betrieb diesen atypischen Charakter auch künftig behalten wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.05.1971 - IV C 76.68 -a.a.O.; VGH München, Beschl. v. 13.12.2006 - 1 ZB 04.3549 - a.a.O.).
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Der dem Beigeladenen genehmigte Schlossereibetrieb kann indes nicht als atypisch mit der Folge angesehen werden, dass er mit dem Charakter eines allgemeinen Wohngebietes oder eines Mischgebietes vereinbar wäre.
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Abzustellen ist auf den Betrieb, der konkret Gegenstand der Baugenehmigung ist. Dabei ist von dem der Baugenehmigung zugrunde liegenden Nutzungsumfang auszugehen, nicht aber von einer lediglich derzeit hinter diesem Umfang zurückbleibenden tatsächlichen Nutzung, es sei denn, aufgrund zuverlässig feststehender, gleichbleibender Umstände kann davon ausgegangen werden, dass die Anlage dauerhaft in einem geringeren Umfang als genehmigt genutzt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.02.1992 - 4 C 50/89 - NJW 1992, 2170; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.10.2002 - 5 S 1706/01 - juris -). Weder eine verbindliche Betriebsbeschreibung noch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung legen den Schlossereibetrieb in einer Weise fest, der vom normalen Erscheinungsbild abweicht. Die für eine Schlosserei erforderlichen Maschinen, die Lärmimmissionen verursachen, die normalerweise mit einer benachbarten Wohnnutzung unvereinbar sind, sind sämtlich vorhanden. Hinzu kommen der An- und Abtransport des Rohmaterials. Dass bei den typischerweise in einer Schlosserei vorhandenen Maschinen und Arbeitsgeräten lärmerzeugende Arbeiten zwangsläufig anfallen, ist eine Erfahrungstatsache und wird auch vom Beigeladenen nicht ernsthaft bestritten. Arbeiten, die mit Hämmern, Schlagen, Schleifen und Sägen verbunden sind, verursachen impulsartige Geräusche, die unvermeidbar nach außen dringen und daher besonders störend wirken (vgl. VGH München, Urt. v. 08.09.1998 - 27 B 96.1407 - BayVBl 1999, 215). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Vorbringen des Beklagten, der derzeitige Pächter der Schlosserei arbeite vorwiegend vor Ort bei den Kunden und hieraus folge die Atypik. Ein Hinweis auf derartige Vorortarbeiten ist der Baugenehmigung nicht zu entnehmen, dementsprechend enthält sie auch keine diesbezügliche Auflage. Dass der derzeitige Pächter der Schlosserei einen Schlossereibetrieb üblichen Zuschnitts betreiben will, ergibt sich zudem aus den von den Klägern vorgelegten Werbebroschüren des derzeitigen Pächters. In diesen Werbematerialien wirbt der Pächter der Schlosserei damit, dass er sämtliche Schlosserarbeiten, Schweißarbeiten, Montagen, Edelstahlverarbeitung, Reparaturen ausführt. Ausgehend von dem der Baugenehmigung zugrunde liegenden Nutzungsumfang handelt es sich somit bei der genehmigten Schlosserei um einen typischen Betrieb dieser Art. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Betrieb dauerhaft in einem geringeren Umfang als genehmigt genutzt wird, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
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Erweist sich mithin der dem Beigeladenen genehmigte Betrieb weder in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet i.S.d. § 4 BauNVO noch in einem faktischen Mischgebiet i.S.d. § 6 BauNVO als zulässig, so verstößt er zugleich gegen den Anspruch der Kläger auf Bewahrung der Gebietsart in dem hier maßgebenden Bereich.
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Der Gebietsbewahrungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, § 1 Abs. 3 BauNVO) oder in einem faktischen Baugebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB) das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen. Der Anspruch beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist. Im Hinblick auf diese wechselseitig wirkende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) hat jeder Eigentümer das Recht, sich gegen eine schleichende Umwandlung des Gebiets durch Zulassung einer gebietsfremden Nutzung zur Wehr zu setzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.09.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151; Urt. v. 23.08.1996 - 4 C 13/94 - BVerwGE 101, 364; Beschl. v. 02.02.2000 - 4 B 87/99 - NVwZ 2000, 679; Urt. v. 24.02.2000 - 4 C 23/98 - NVwZ 2000, 1054 und Urt. v. 28.04.2004 - 4 C 10/03 - NVwZ 2004, 1244). In einem faktischen Baugebiet ist der Anspruch in räumlicher Hinsicht auf die Grundstücke begrenzt, die zur näheren Umgebung des Baugrundstücks zählen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.08.1998 - 4 B 79/98 - NVwZ-RR 1999, 105). An diesem Nachbarschutz nehmen die Kläger, deren Grundstück sich unmittelbar neben dem Baugrundstück befindet, teil. Da die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung auch dann abgewehrt werden kann, wenn der Nachbar durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.02.2000 - 4 B 87/99 - a.a.O. und Urt. v. 28.04.2004 - 4 C 10/03 - a.a.O.), bedarf es zusätzlicher Feststellungen einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung und damit der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme in diesem Zusammenhang nicht.
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Selbst wenn die nähere Umgebung einem Baugebiet i.S.d. Baunutzungsverordnung nicht zugeordnet werden könnte und das Bauvorhaben deshalb nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen wäre, würde die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung gegen das im Erfordernis des Einfügens nach § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme zu Lasten der Kläger verstoßen.
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Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Es kann umso mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt. Die vorzunehmende Interessenabwägung hat sich an dem Kriterium der Unzumutbarkeit auszurichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.1981 - 4 C 1/78 - DVBl 1981, 928 und Urt. v. 25.02.1977 - IV C 22/75 - BVerwGE 52, 122).
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Nach diesen Grundsätzen ist das genehmigte Vorhaben im Hinblick auf die von ihm ausgehenden Lärmimmissionen gegenüber den Klägern rücksichtslos. Mit den in der Baugenehmigung aufgenommenen Auflagen zum Schutz der Anwohner vor Lärm hat der Beklagte dem Rücksichtnahmegebot nicht ausreichend Rechnung getragen.
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Das Rücksichtnahmegebot verlangt, dass die Nachbarschaft nicht mit Geräuschimmissionen belastet wird, die ihr im Hinblick auf die örtlichen Verhältnisse billigerweise nicht zugemutet werden können. Die Schwelle der Unzumutbarkeit entspricht dabei den schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG, die nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG bei Errichtung der Anlage - soweit nach dem Stand der Technik vermeidbar - zu verhindern sind oder - soweit sie nach dem Stand der Technik unvermeidbar sind - auf ein Mindestmaß beschränkt werden müssen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.01.1989 - 7 C 77/87 - BVerwGE 81, 197 und Beschl. v. 08.11.1994 - 7 B 73/94 - NVwZ 1995, 993). Hat die Baugenehmigungsbehörde Lärmrichtwerte in Gestalt von Auflagen zum Lärmschutz in die Baugenehmigung aufgenommen, schöpfen diese den Gehalt des beachtlichen Rücksichtnahmegebots im Hinblick auf Geräuschimmissionen nicht stets aus; sie legen den Maßstab des der Nachbarschaft Zumutbaren nicht abschließend fest (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.01.1989 - 4 B 116/88 - NVwZ 1989, 666).
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Nach diesen Grundsätzen sind für das Grundstück der Kläger im Hinblick auf den der Baugenehmigung zugrunde liegenden Nutzungsumfang unzumutbare Lärmbelästigungen zu befürchten. Dabei kommt der aus Sicht des Gerichts unzureichenden Beschränkung des genehmigten Schlossereibetriebs durch die der Baugenehmigung beigefügten Auflagen eine wesentliche Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.02.1974 - IV C 73.72 - BayVBl 1974, 379). Nach Auffassung des Gerichts sind die mit der Erteilung der Genehmigung festgesetzten Auflagen zum Schutz der Nachbarschaft vor Lärmimmissionen nicht ausreichend, um den Betrieb in seiner konkreten Ausgestaltung noch als mit dem benachbarten Wohnen verträglich ansehen zu können.
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Die Baugenehmigung verstößt gegen das Bestimmtheitsgebot gemäß § 37 Abs. 1 LVwVfG, soweit sie festgesetzte Lärmgrenzwerte abstrakt einzelnen Baugebieten zuordnet. Solche Aussagen einer Baugenehmigung lassen sich bestenfalls als Hinweise, aber nicht als Nebenbestimmungen mit Regelungscharakter verstehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2001 - 7 C 16/00 - NVwZ 2001, 1167). Die Baugenehmigung enthält keine konkrete Festlegung dazu, welcher Art das Gebiet ist, in dem die Kläger wohnen. Zwar enthält die mit der Baugenehmigung ergangenen Entscheidung über die Nachbareinwendungen die Aussage, dass das Grundstück der Kläger als Mischgebiet eingestuft wird; dies genügt dem Bestimmtheitsgebot jedoch nicht.
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Auch die in die Baugenehmigung aufgenommene Auflage, nach der lärmintensivere Arbeiten nur in der Zeit von 07:00 Uhr bis 20:00 Uhr durchgeführt werden dürfen, entspricht nicht den Anforderungen der Bestimmtheit gemäß § 37 Abs. 1 LVwVfG. Hinsichtlich des Regelungsinhalts erfordert das Bestimmtheitsgebot, dass dieser für die Adressaten nach Art und Umfang aus sich heraus verständlich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.02.1990 - 4 C 41/87 - BVerwGE 84, 335; Kopp/Ramsauer, VwGO, 10. Aufl., § 37 Rn. 12). Ohne die Nennung von Beispielsfällen ist die zeitliche Einschränkung lärmintensiverer Arbeiten nicht hinreichend konkretisiert und verstößt damit gegen § 37 Abs. 1 LVwVfG (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.05.2002 - 3 S 1637/01 - VBlBW 2003, 18). Damit spricht schon vieles dafür, dass die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung die Kläger wegen eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot gemäß § 37 Abs. 1 LVwVfG in ihren Rechten verletzt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.02.1993 - 5 S 1650/92 - BRS 55 Nr. 193).
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Jedenfalls fehlen hinreichende Auflagen zum Schutz der Nachbarschaft vor Lärmimmissionen. Dies hat zur Folge, dass der Schlossereibetrieb - wobei nicht vom gegenwärtigen, sondern vom genehmigten Umfang auszugehen ist - zu unzumutbaren Störungen der Wohnruhe in der Nachbarschaft führen kann und die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung somit gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt.
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