Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 12. Apr. 2018 - 11 S 428/18

published on 12/04/2018 00:00
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 12. Apr. 2018 - 11 S 428/18
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Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. Januar 2018 - 5 K 3884/16 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, insbesondere nach § 124a Abs. 4 Sätze 1 und 4 VwGO rechtzeitig gestellt und begründet worden. Er ist jedoch unbegründet. Die Berufung ist nicht - wie ausschließlich geltend gemacht - nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zuzulassen.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen vor, wenn unter Berücksichtigung der vom Antragsteller dargelegten Gesichtspunkte (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10.03.2004 - 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838, vom 15.12.2003 - 7 AV 2.03 -, NVwZ 2004, 744, vom 12.11.2002 - 7 AV 4.02 -, juris, vom 11.11.2002 - 7 AV 3.02 -, DVBl. 2003, 401, und vom 14.06.2002 - 7 AV 1.02 -, DVBl. 2002, 1556). Mit anderen Worten: Sie sind immer schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, NJW 2004, 2510, Kammerbeschluss vom 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 -, NVwZ 2011, 546). Dabei ist davon auszugehen, dass das Zulassungsverfahren das Berufungsverfahren nicht vorwegnehmen soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21.12.2009 - 1 BvR 812/09 -, NJW 2010, 1062), es sei denn, es lässt sich schon im Zulassungsverfahren zuverlässig sagen, das Verwaltungsgericht habe die Rechtssache im Ergebnis richtig entschieden und die angestrebte Berufung werde deshalb keinen Erfolg haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004, a.a.O.), sofern nicht seinerseits andere Gründe wiederum auf einen anderen Zulassungsgrund hinführen würden (vgl. hierzu Bader u.a., VwGO, 6. Aufl., § 124 Rn. 22). Dabei sind auch nach Erlass der angegriffenen Entscheidung und bis zum Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) neu eingetretene Tatsachen sowie erhebliche Änderungen des maßgeblichen Rechts zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14.06.2002 und vom 15.12.2003, jew. a.a.O.; Bader u.a., a.a.O., § 124 Rn. 26 ff.). Zur Darlegung ernstlicher Zweifel ist eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung erforderlich. Der Streitstoff muss dabei unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil gesichtet, rechtlich durchdrungen und aufbereitet werden; erforderlich ist eine fallbezogene Begründung, die dem Berufungsgericht eine Beurteilung der Zulassungsfrage ohne weitere eigene aufwendige Ermittlungen ermöglicht. Das Maß der zu leistenden Substantiierung kann dabei von der jeweiligen Begründungsdichte und dem Begründungsaufwand der Entscheidung abhängig sein.
Gemessen hieran zeigt die Antragsbegründung, die im Kern die Auslegung und Anwendung des § 6 FreizügG/EU durch das Verwaltungsgericht rügt, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils auf:
1. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die abgeurteilten Straftaten einen ausreichend hohen Schweregrad für eine Maßnahme nach § 6 Abs. 1-3 und 5 FreizügG/EU aufwiesen. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Verwaltungsgericht dies nämlich keineswegs allein auf den Umstand gestützt, dass der Kläger zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt wurde.
Vielmehr war sich das Gericht der spezifischen Maßstäbe bewusst, wie sie sich insbesondere aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09 - und vom 22.05.2012 - C-348/09 -, beide juris) ergeben (UA S. 8 f.). Es hat nicht nur festgehalten, dass nach § 6 Abs. 2 FreizügG/EU, der Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie) umsetzt, die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung für sich allein nicht genügt, um die in § 6 Abs. 1 FreizügG/EU genannten Entscheidungen oder Maßnahmen zu begründen (UA S. 7 f.), sondern auch die spezifischen Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU bedacht, die aus dem Tatbestandsmerkmal „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit“ folgen. Dazu gehört namentlich, dass Maßnahmen nach dieser Vorschrift auf außergewöhnliche Umstände begrenzt sind und die Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit einen besonders hohen Schweregrad aufweisen muss (vgl. EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, Rn. 40 f., a.a.O.) sowie dass dann, wenn Straftaten wie die in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV angeführten als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses angesehen werden, die geeignet ist, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen, und die damit unter den Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit fallen kann, die Art und Weise der Begehung solcher Straftaten besonders schwerwiegende Merkmale aufweisen muss. Dies hat das Gericht auf der Grundlage einer individuellen Prüfung des konkreten Falles zu klären (EuGH, 22.05.2012 - C-348/09 -, Rn. 33, a.a.O.).
In Anwendung dieser Maßstäbe hat das Verwaltungsgericht - anders als der Kläger meint - eine individuelle Prüfung des konkreten Einzelfalls durchgeführt. Es ist von der Anwendbarkeit des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU zugunsten des Klägers ausgegangen (vgl. zur Anwendbarkeit des verstärkten Ausweisungsschutzes bei Vollzug von Freiheitsstrafen den Beschluss des Senats vom 27.04.2016 - 11 S 2081/15 -, juris) und hat das Vorliegen zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit - im Anschluss an die Würdigung des Strafgerichts - unter spezifischer Berücksichtigung für und gegen den Kläger sprechender Gesichtspunkte, seines Verhaltens im Strafprozess sowie der Umstände und Folgen seiner Straftaten bejaht (UA S. 9 f.; vgl. zur Notwendigkeit der Berücksichtigung der Hintergründe der Straftaten und der Tatbegehung in diesem Zusammenhang auch BVerwG, Urteil vom 28.06.2011 - 1 C 18.10 -, BVerwGE 140, 72-77). Im Einklang mit den Anforderungen der unionsrechtlichen Rechtsprechung (vgl. EuGH, 22.05.2012 - C-348/09 -, Rn. 25 ff., a.a.O.) ist es angesichts der konkreten Umstände der vom Kläger begangenen Straftaten zu dem Ergebnis gelangt, dass diese dem Bereich besonders schwerer Kriminalität zuzurechnen sind. Es hat - entgegen der Darstellung des Klägers - sehr wohl auch berücksichtigt, dass der Kläger ein jahrzehntelang straffreies Leben vorweisen kann (UA S. 10), seit Anfang der 1980er Jahre in Deutschland wohnt und hier zwei leibliche Kinder sowie eine Verlobte nebst „Stieftochter“ hat (UA S. 14). Unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid gemäß § 117 Abs. 5 VwGO (UA S. 14) hat es überdies die umfangreichen Integrationsleistungen und persönlichen Verhältnisse des Klägers in den Blick genommen, die der Beklagte detailliert aufgeführt (Bescheid S. 8 f.) und zum Anlass genommen hat, von der vollen Integration des Klägers und einem hohen Verwurzelungsgrad in der Bundesrepublik Deutschland auszugehen. Auch den Umstand, dass der Kläger und seine langjährige Lebensgefährtin zuletzt konkrete Heiratsabsichten hegten, hat das Verwaltungsgericht berücksichtigt (UA S. 12). Soweit der Kläger schließlich meint, das Verwaltungsgericht habe außer Acht gelassen, dass er in seinem Heimatland „überhaupt nicht integriert“ sei, kann dahinstehen, ob seine Behauptung überhaupt zutrifft, nachdem er die italienische Sprache beherrscht, Geschwister in Italien hat und ursprünglich wohl auch plante, sich nach der Haftentlassung nach Italien zu begeben (vgl. Bericht der JVA ... vom 03.03.2014). Denn das Verwaltungsgericht hat sich mit dem Gesichtspunkt der Integration in den Heimatstaat entgegen dem klägerischen Vortrag jedenfalls individuell und einzelfallbezogen auseinandergesetzt sowie diesen in die Abwägung eingestellt (UA S. 14).
2. Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe „in keinster Weise“ geprüft, ob von dem Kläger tatsächlich immer noch eine „gegenwärtige Gefahr“ für Unionsbürger ausgehe, bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
Zunächst ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht auch insoweit von zutreffenden Maßstäben ausgegangen ist. Es hat gesehen, dass nach Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie) vorausgesetzt wird, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft
oder des Aufnahmemitgliedstaats berührt - wobei diese Feststellung im Allgemeinen bedeutet, dass eine Neigung des Betroffenen bestehen muss, das Verhalten in Zukunft beizubehalten, - und dass die Beeinträchtigung des grundlegenden gesellschaftlichen Interesses - hier des Schutzes von Mädchen und Frauen vor sexuellen Übergriffen - ferner geeignet sein muss, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen (UA S. 9; zu diesen Erfordernissen EuGH, 22.05.2012 - C-348/09 -, Rn. 33 f., a.a.O.).
10 
Im Rahmen seiner Prognoseentscheidung zur Wiederholungsgefahr ist das Verwaltungsgericht weiter zutreffend davon ausgegangen, dass ein mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts erforderlich ist, dass mithin an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.10.2012 - 1 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230, Rn. 18). Es ist sodann unter einzelfallbezogener Würdigung der besonderen Schwere der drohenden Straftaten einerseits sowie insbesondere des Haft- und Therapieverlaufs andererseits (UA S. 11 f.) der Prognoseentscheidung des Beklagten gefolgt.
11 
Dabei hat sich das Verwaltungsgericht keineswegs - wie der Kläger meint - ausschließlich auf eine Stellungnahme vom 21.07.2015 gestützt, die der behandelnde Psychotherapeut ... nach dem Abbruch der Therapie in der Behandlungsabteilung für Sexualstraftäter der JVA ... verfasst hatte. Es hat auch nicht - entgegen der Darstellung des Klägers - den seither verstrichenen Zeitraum von mehr als zweieinhalb Jahren und die zwischenzeitlich eingetretene Entwicklung außer Acht gelassen. Der Therapieverlauf, die Umstände des Therapieabbruchs und das damalige Resümee des behandelnden Therapeuten, der Kläger verlasse sich allein auf seine medikamentöse Behandlung und zeige kein Interesse an der Entwicklung psychotherapeutischer Strategien zur Rückfallprävention, dienten dem Gericht vielmehr nur als Ausgangspunkt seiner Prognose. Es hat sodann festgestellt, es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger nachhaltig an sich gearbeitet habe. Er verlasse sich „auch heute noch“ (UA S. 12) ausschließlich auf die Behandlung mit Androcur. Seine Sexualproblematik habe er nicht aufgearbeitet, wie sich aus einem Bericht der JVA vom 11.04.2016 ergebe. Soweit er sich „zuletzt“ um einen Therapieplatz in ... ... ... bemüht habe, handele es sich „derzeit“ um eine bloße Absichtserklärung, die in Anbetracht der „schon früher gezeigten“ opportunistischen Haltung des Klägers zu Therapieangeboten keine abweichende Prognose begründe. Dies gelte ebenso für die „zuletzt konkreter gewordenen“ Heiratsabsichten des Klägers, nachdem er sich auch von seinen bereits begangenen Sexualstraftaten nicht durch das gleichzeitige Bestehen einer festen Beziehung habe abhalten lassen.
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Nach alledem hat das Verwaltungsgericht für seine Prognose sehr wohl die seitherige Entwicklung und den - zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - aktuellen Status quo in den Blick genommen. Im Übrigen schließt sich auch der Senat dieser Prognose nach den eindeutigen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer an, die die vorzeitige Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung - mehrfach - namentlich unter Hinweis auf die mangelnde psychotherapeutische Aufarbeitung der Straftaten abgelehnt und die Prognose dabei aus strafvollstreckungsrechtlicher Sicht stets neu überprüft hat (Beschlüsse vom 12.05.2016, 08.08.2016, 03.11.2016, 03.03.2017). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich - und im Übrigen auch mit der Begründung des Zulassungsantrags nicht vorgetragen -, die eine abweichende Bewertung aus ausländerrechtlicher Perspektive rechtfertigen könnten. Dies gilt zumal, da der Kläger aufgrund des spezifischen Vollzugsverlaufs keine vollzugsöffnenden Maßnahmen erhalten hat und deshalb mit Erreichen der Endstrafe nicht nur ohne abgeschlossene Therapie, sondern auch nahezu ohne jede tiefer gehende Vorbereitung und Erprobung von Verhaltensstrategien in Freiheit entlassen werden wird.
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Demgegenüber ist der Hinweis des Klägers, das Fehlen einer Gefahr ergebe sich auch daraus, dass das Strafgericht (ursprünglich) keine Sicherungsverwahrung angeordnet habe, nicht von Belang. Denn zum einen knüpft die Anordnung der Sicherungsverwahrung - zumal bei Ersttätern - gegenüber der hier zu stellenden Prognose an abweichende rechtliche Voraussetzungen an. Zum anderen kommt es für die Prognose - wie der Kläger letztlich selbst argumentiert - auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an; es liegt insoweit auf der Hand, dass das erkennende Strafgericht den Vollzugsverlauf noch nicht berücksichtigen konnte.
14 
3. Nach vorstehenden Ausführungen verhilft auch die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe zur „Prognose des straffreien Verhaltens in der Zukunft“ ein Sachverständigengutachten einholen müssen, dem Antrag nicht zum Erfolg. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich daraus - wie zuvor dargelegt - schon deshalb nicht, weil keine tatsächlichen Gesichtspunkte vorgetragen wurden, die zu einer abweichenden Prognose Anlass geben könnten.
15 
Die Rüge führt aber darüber hinaus auch nicht auf einen Verfahrensfehler im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Zwar kann der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ein unrichtiger oder unvollständiger Sachverhalt zugrunde liegen, wenn der verwaltungsprozessuale Untersuchungsgrundsatz verletzt worden ist. Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO obliegt den Tatsachengerichten die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 30.06.2010 - 2 B 72.09 -, und vom 20.12.2012 - 4 B 20.12 -, beide juris; zum Erfordernis der zureichenden Sachverhaltsaufklärung auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 26.10.2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris). Dabei entscheidet das Tatsachengericht über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme im Rahmen seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen nach Ermessen.
16 
Die Rüge der Verletzung des verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatzes setzt zum einen die substantiierte Darlegung voraus, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Zum anderen muss dargelegt werden, dass entweder bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden war, oder dass sich dem Verwaltungsgericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22.02.1988 - 7 B 28.88 -, NVwZ 1988, 1020, vom 31.01.1996 - 9 B 417.95 -, NVwZ 1996, 1102, und vom 01.03.2001 - 6 B 6.01 -, NVwZ 2001, 923). Werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils aus einem Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts in Gestalt der Verletzung der Aufklärungspflicht gerügt, wird der Zulassungsgrund daher nur dann ausreichend dargelegt, wenn dem Darlegungserfordernis der Verfahrensrüge genügt wird. Entspricht das Vorbringen diesen Anforderungen, so kommt eine Zulassung nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge zu einer Zulassung führen würde (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.02.2009 - 10 S 3156/08 -, juris).
17 
Dass das Verwaltungsgericht seine Aufklärungspflicht verletzt haben könnte, ist nach diesen Maßstäben schon nicht ausreichend dargelegt; jedenfalls liegt in der Sache kein Fehler vor, der zur Zulassung der Berufung führt. Denn der - schon in erster Instanz anwaltlich vertretene - Kläger hat nicht dargelegt, dass er bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hätte, deren Unterbleiben er nunmehr rügt. Dass sich dem Verwaltungsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens ohne ein solches Hinwirken von sich aus nicht aufdrängen musste, ergibt sich aus den obigen Ausführungen (unter 2.).
18 
Hinzu kommt, dass der Kläger keine tatsächlichen Umstände vorträgt, über die durch Einholung eines Gutachtens hätte Beweis erhoben werden können, sondern mit seinem Zulassungsvorbringen lediglich das Unterbleiben der Einholung eines Gutachtens zur „Prognose“ als solches rügt. Bei wortwörtlichem Verständnis wäre ein solcher Antrag - wäre er als Beweisantrag gestellt worden - nicht auf den Beweis einer Tatsache, sondern auf eine dem Gericht vorbehaltene und der Beweiserhebung nicht zugängliche rechtliche Würdigung gerichtet und deshalb unzulässig. Die Frage, ob eine Wiederholungsgefahr vorliegt, kann und muss das Gericht nämlich aufgrund der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls selbst beurteilen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (Urteile vom 28.01.1997 - BVerwG 1 C 17.94 -, Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 10 S. 41, vom 16.11.2000 - BVerwG 9 C 6.00 -, BVerwGE 112, 185 <193> m.w.N., und zuletzt vom 13.12.2012 - BVerwG 1 C 20.11 -, Rn. 23). Bei der ausländerrechtlichen Gefahrenprognose bewegt sich das Gericht regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die dem Richter allgemein zugänglich sind. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (BVerwG, Urteil vom 04.10.2012 - 1 C 13.11 -, InfAuslR 2013, 63).
19 
Legt man das Zulassungsvorbringen demgegenüber dahingehend aus, dass sich die Beweiserhebung auf einen der rechtlichen Würdigung zugrundeliegenden Tatsachenkern hätte beziehen sollen, so fehlt es mangels Bezeichnung konkreter, unter Beweis gestellter Tatsachen jedenfalls an der gebotenen Substantiierung. Dass ein Fall vorliegt, in dem das Verwaltungsgericht nach dem vorstehenden Maßstab ein kriminalprognostisches Gutachten hätte beauftragen müssen, wird insoweit nicht ausreichend dargelegt. Dies gilt zumal unter Berücksichtigung des Umstands, dass dem Verwaltungsgericht im Ausgangspunkt bereits die Stellungnahme eines psychotherapeutischen Gutachters vorlag, gegenüber der sich die tatsächlichen Umstände - wie ausgeführt - auch im Hinblick auf das spezifische Krankheitsbild des Klägers bis zuletzt nicht signifikant verändert haben.
20 
4. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus seiner Rüge, das Verwaltungsgericht habe festgestellt, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU lägen „offensichtlich“ vor. Denn hierbei handelt es sich ersichtlich um das Ergebnis seiner eigenen Subsumtion („nach dem eben Gesagten“, UA S. 12).
21 
Ebenso wenig stichhaltig ist die Beanstandung, das Verwaltungsgericht habe „zwingend weniger strikte Maßnahmen“ als die Verlustfeststellung prüfen müssen. Der Kläger trägt schon nicht vor, welche dies - bei Vorliegen zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit - hätten sein können, denn für die von ihm insoweit vorgeschlagene Therapieauflage oder sonstige (vom Kläger nicht näher bezeichnete) Auflagen für den weiteren Aufenthalt fehlt es ersichtlich an einer ausländerrechtlichen Rechtsgrundlage. Mit dem bekundeten Bemühen des Klägers um eine ambulante Therapie hat sich das Verwaltungsgericht zudem auseinandergesetzt (UA S. 12) und ist zu dem - auch nach Auffassung des Senats - zutreffenden Ergebnis gelangt, dass der Beginn einer ambulanten Therapie nicht geeignet ist, die gestellte Prognose zugunsten des Klägers zu beeinflussen (vgl. ebenso die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 03.03.2017, in der Gefangenenpersonalakte).
22 
Für die Rüge schließlich, das Verwaltungsgericht hätte sich auch mit den Auswirkungen einer Verlustfeststellung „für Italien“ und die dortigen Unionsbürger befassen müssen, lässt der Kläger einen rechtlichen Anknüpfungspunkt vermissen, der im Übrigen auch nicht ersichtlich ist.
23 
5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 3 VwGO).
24 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
25 
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat hat bereits entschieden, dass der Streitwert im Falle einer Verlustfeststellung von Unionsbürgern in den Fällen des § 6 Abs. 1 bzw. Abs. 4 FreizügG/EU (vgl. auch Art. 28 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie) auf 10.000 EUR festzusetzen ist (Beschluss vom 09.09.2016 - 11 S 1414/16 -). Zwar weicht die Rechtsstellung von Unionsbürgern, die den höchsten Ausweisungsschutz im Sinne von § 6 Abs. 5 FreizügG/EU (vgl. auch Art. 28 Abs. 3 Unionsbürgerrichtlinie) genießen, hiervon ab. In ihren - insbesondere wirtschaftlichen - Auswirkungen unterscheidet sich die Verlustfeststellung ihnen gegenüber indes nicht in einer Weise, dass dies eine weitere Anhebung des Streitwertes rechtfertigen könnte.
26 
Der Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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published on 09/09/2016 00:00

Tenor Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 31. Mai 2016 - 9 K 3187/15 - wird abgelehnt.Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.Der Streitwert für das Zulassungsverfahre
published on 27/04/2016 00:00

Tenor I. Das Verfahren wird ausgesetzt.II. Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen eingeholt:1. Ist es von vornherein ausgeschlossen, dass die Verhängung und der anschließende Vo
published on 17/02/2009 00:00

Tenor Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10.November 2008 – 12 K 5012/07 – wird abgelehnt. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
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Annotations

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.