Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 21. Okt. 2015 - W 6 K 15.30149

bei uns veröffentlicht am21.10.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Die Nummern 1 und 3 bis 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Dezember 2013 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1. Die am ... 1989 geborene Klägerin, iranische Staatsangehörige, reiste nach eigenen Angaben am 5. Oktober 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 16. November 2012 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Auf die Niederschrift über die Anhörung am 18. Juli 2013 wird Bezug genommen. Zur Begründung ihres Asylantrages gab die Klägerin im Wesentlichen an, sie sei im Jahr 2005 festgenommen und von Ordnungskräften vergewaltigt worden. Sie sei anschließend tabletten- und rauschgiftsüchtig geworden. Sie habe durch eine Freundin die Bahá’í-Religion kennengelernt. Im Jahr 2012 sei sie erneut festgenommen und für einen Monat inhaftiert worden. Nach ihrer Freilassung habe sie das Land verlassen.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2013 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und den Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) ab. Weiter stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von dreißig Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle der Klageerhebung innerhalb von dreißig Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens, zu verlassen. Die Abschiebung in den Iran oder in einen anderen Staat wurde angedroht (Nr. 5). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe ihre begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Das Vorbringen zu den Geschehnissen, die zu ihrer Ausreise geführt hätten, vermittle nicht den Eindruck, insofern von tatsächlich Erlebtem berichtet zu haben. Die angebliche Hinwendung der Klägerin zur Religion der Bahá’í könne nicht geglaubt werden. Sie habe noch keine weiteren Aktivitäten unternommen und nicht an einem Ruhi-Kurs teilgenommen. Der Bescheid wurde der Klägerin laut Postzustellungsurkunde am 21. Dezember 2013 zugestellt.

2. Am 23. Dezember 2013 ließ die Klägerin Klage erheben. Mit Schriftsatz vom 12. April 2014 ließ die Klägerin die heutige Schreibweise ihres Namens erläutern sowie die Kopie einer Vorladung vorlegen. Außerdem ließ sie weiter vorbringen, sie sei aufgrund ihrer Hinwendung zur Religion der Bahá’í vorverfolgt ausgereist. Die Klägerin sei Anhängerin der Lehre der Bahá’í und vom muslimischen Glauben abgefallen. Eine offizielle Aufnahme als Mitglied durch die Bahá’í-Gemeinschaft in Deutschland sei zwar noch nicht erfolgt. Gleichwohl müsse sie bei einer Rückkehr in den Iran mit Verfolgungshandlungen rechnen. In der Folgezeit ließ die Klägerin weitere Unterlagen vorlegen.

Mit Schriftsatz vom 7. April 2015 ließ die Klägerin weiter ausführen: Sie habe zwischenzeitlich das Aufnahmegespräch bei der Zentrale der Bahá’í in Deutschland gehabt. Allerdings sei noch keine Entscheidung über die offizielle Aufnahme und Bescheinigung der Mitgliedschaft erfolgt bzw. der Klägerin zugegangen. Selbstverständlich lebe die Klägerin aber weiterhin ihren Bahá’í-Glauben. Die Vorladung vom 6.4.1392 bzw. 20.6.2013 sowie eine Übersetzung dieser Vorladung in deutscher Sprache würden zur Vorlage gebracht. Derzeit sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen es der deutschen Botschaft nicht möglich gewesen sei, die Echtheit der Vorladung zu überprüfen. Weiterhin sei die Klägerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung in Behandlung. Hierzu werde eine Kopie der fachärztlichen Bescheinigung vom 13. Mai 2014 zur Vorlage gebracht.

Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2015 ließ die Klägerin unter Vorlage verschiedener Unterlagen (Schreiben, Bestätigung, Mitgliedsausweis) mitteilen, dass sie nunmehr offizielles Mitglied der Religionsgemeinschaft der Bahá’í sei.

3. Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 7. Januar 2014,

die Klage abzuweisen.

4. Die Kammer übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 20. März 2014 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

Mit Beschluss vom 24. März 2014 bewilligte das Gericht der Klägerin Prozesskostenhilfe, soweit sie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzes bzw. die Feststellung von Abschiebungsverboten begehrt, und ordnete ihr ihren Prozessbevollmächtigten bei. Im Übrigen wurde der Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt.

In der mündlichen Verhandlung am 30. April 2014 hörte das Gericht die Klägerin informatorisch an. Des Weiteren erließ das Gericht einen Beweisbeschluss zur Einholung einer sachverständigen Auskunft des Auswärtigen Amtes.

Das Auswärtige Amt nahm mit Schreiben vom 9. Februar 2015 zu den Beweisfragen des Gerichts Stellung.

Das Bundeskriminalamt teilte auf Nachfrage des Gerichts mit Schreiben vom 2. März 2015 mit, dass gegen die Klägerin kein internationaler Haftbefehl vorliege und auch in der Vergangenheit nicht vorgelegen habe.

In der mündlichen Verhandlung am 22. April 2015 hörte das Gericht die Klägerin erneut informatorisch an, insbesondere zur Konversion zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í sowie zu ihren psychischen Problemen. Mit Bezug auf eine mögliche psychische Erkrankung, insbesondere eine eventuelle posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), erließ das Gericht einen Beweisbeschluss.

Am 26. August 2015 ging das psychiatrische Gutachten der F. GmbH von Dr. B. vom 24. August 2015 bei Gericht ein, welches zu den im Beweisbeschluss aufgeworfenen Fragen Stellung nahm und eine Gefahr für die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen bei einer Rückkehr in den Iran im Ergebnis verneinte.

In der mündlichen Verhandlung am 21. Oktober 2015 nahm die Klägerin die Klage auf Aufhebung der Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides und auf Anerkennung als Asylberechtigte zurück. Das Gericht trennte diesen Klageteil ab und führte unter dem Az. W 6 K 15.30699 fort. Das Gericht stellte das Verfahren W 6 K 15.30699 infolge der Klagerücknahme auf Kosten der Klägerin ein.

Der Klägerbevollmächtigte beantragte,

die Beklagte unter Aufhebung der Nrn. 1 und 3 bis 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Dezember 2013 zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;

hilfsweise der Klägerin den subsidiären Schutz zuzuerkennen;

hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Das Gericht hörte die Klägerin informatorisch an. Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird verwiesen.

5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen, die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet.

1. Unter Berücksichtigung der aktuellen abschiebungsrelevanten Lage im Iran hat die Klägerin - unabhängig von ihrem Vorfluchtschicksal und von ihren gesundheitlichen Problemen - einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Dezember 2013 ist in seinen Nummern 1 und 3 bis 5 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG. Aus diesem Grund war der streitgegenständliche Bescheid, wie beantragt, insoweit aufzuheben. Über die hilfsweise gestellten Anträge zum subsidiären Schutz (§ 4 AsylVfG) bzw. zu den nationalen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) war nicht zu entscheiden.

2. Aufgrund der aktuellen Lage, die sich aus den ins Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln ergibt, besteht im Iran für Mitglieder der Bahá’í und insbesondere für Konvertiten die beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen.

Das Gericht geht nach den ins Verfahren eingeführten Erkenntnissen davon aus, dass Mitgliedern der Religion der Bahá’í im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, weil die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Tatsachen und eine Rückkehr unzumutbar erscheinen lassen. So enthalten schon die Lageberichte des Auswärtigen Amtes der letzten Jahre durchweg die Aussage, dass die Situation der Bahá’í problematisch ist, da diese im Iran diskriminiert werden und Repressionen unterliegen. Auch in den Erkenntnissen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Informationszentrum Asyl und Migration) der letzten Jahre werden immer wieder Übergriffe gerade gegen Mitglieder der Bahá’í dokumentiert. Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist das Gericht überzeugt, dass Bahá’í mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran droht. Dies gilt erst recht für Konvertiten, die vom Islam zu den Bahá’í konvertiert sind. Denn die Bahá’í gelten als eine vom Islam abgefallene Sekte. Das Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung, die jedenfalls den konvertierten Mitgliedern der Gemeinschaft der Bahá’í die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gewährt (vgl. etwa VG Darmstadt, U.v. 8.7.2014 - 5 K 185/13. DA.A; VG München, U.v. 6.5.2014 - M 2 K 13.31341 - juris; VG Trier, U.v. 21.11.2013 - 2 K 334/13.TR; U.v. 16.5.2013 - 2 K 1011/12.TR; VG Wiesbaden, U.v. 19.11.2013 - 6 K 971/13.WI.A; VG Düsseldorf, U.v. 11.10.2011 - 2 K 4175/10.A - juris; VG Ansbach, U.v. 31.03.2011 - AN 18 K 11.30040; VG Meiningen, U.v. 11.06.2008 - 5 K 20406/04 Me; kritisch VG Darmstadt, U.v. 28.6.2014 - 5 K 1087/12.DA.A - Entscheiderbrief 2014, 4).

Der Einschätzung liegen im Einzelnen die eingeführten Erkenntnisse zur aktuellen Lage im Iran zugrunde. So hat etwa das Auswärtige Amt in seinen Berichten über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran (zuletzt vom 24.2.2015, Stand: September 2014, S. 18 f.; siehe auch Auswärtiges Amt, Auskunft vom 16.3.2015 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie vom 9.2.2015 an das VG Würzburg) ausdrücklich ausgeführt: Die Situation der Bahá’í ist nach wie vor problematisch. Ihre Mitglieder werden - unter anderem wegen ihrer Nähe zu Israel - diskriminiert. Bahá’í sind starker gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Bahá’í sind von dem Pensions- und Sozialversicherungssystem Irans ausgeschlossen. Kriminalitätsopfer erhalten keine staatliche Kompensation. Beim Zugang für Hochschulen kann die Religion der Bahá’í nicht angekreuzt werden. Bahá’í erhalten keine offizielle Heiratsurkunden. Sie sind explizit von den Regelungen über das Blutgeld ausgenommen. Es gibt immer wieder Berichte sowohl in den staatlichen als auch in oppositionellen Medien über Verhaftungen von Bahá’í oder von Zwangsschließungen von Geschäften sowie von Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen. Weitere Repressionen sind aktuell bis heute dokumentiert. Gerichtsverfahren gegen Führungsmitglieder der Bahá’í sind mit Haftstrafen zu Ende gegangen. Zurzeit sind über 100 Bahá’ís inhaftiert, darunter der gesamte 7-köpfige Vorstand. Augenfällig ist die Benachteiligung im Bildungsbereich. Außerdem werden Friedhöfe überbaut. Zudem drohen Konvertiten im Iran allgemein Verfolgung und Bestrafung bis hin zur Todesstrafe.

Den Informationen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Informationszentrum Asyl und Migration: Lage der Religionsgemeinschaft in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, S. 42) ist zur Situation der Bahá’í Folgendes zu entnehmen: Die Bahá’í stellen mit 0,5% der iranischen Bevölkerung, also ungefähr 330.000 bis 350.000 Personen, die größte religiöse Minderheitsgruppe im Iran dar. Der Bahá’í-Glaube ist die jüngste Weltreligion. Die Situation der Bahá’í bleibt schwierig, da sie im Gegensatz zu Christen, Juden und Zoroastriern nicht zu den neben dem Islam verfassungsmäßig anerkannten Religionsgemeinschaften gehören. Die Bahá’í werden von der iranischen Regierung als vom Islam abgefallene Sekte angesehen. Ihre Mitglieder werden diskriminiert, sind von staatlicher Beschäftigung ausgeschlossen, haben Probleme, in weiterführenden Schulen aufgenommen zu werden, und dürfen ihre Religion nur in privaten Häusern mit nicht mehr als 15 Personen ausüben. Den Bahá’í wird der ungehinderte Zugang zu Universitäten nur gewährt, wenn sie ihre Religion verleugnen. Hatten die staatlichen Zwangsmaßnahmen gegen die Bahá’í in den letzten Jahren etwas nachgelassen, sind sie gegenwärtig wieder im besonderen Maße der Willkür lokaler Behörden ausgesetzt. Die Bahá’í sind die einzige Minderheit, die direkt in den Strudel der Repressionen infolge der Präsidentenwahl 2009 gerieten. Bahá’í wurden verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Unterstrichen werden diese Aussagen durch die Erkenntnisse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, die jeweils über staatliche Repressionen wie Hausdurchsuchungen und Festnahmen sowie Haftstrafen gegenüber den Bahá’í berichten (vgl. auch Bahá’í-Gemeinde in Deutschland, K.d.ö.R., Vertretung Berlin, Fact Sheet: Menschenrechtslage der Bahá’í im Iran, Stand: Januar 2015; UN, 27. Iran-Resolution vom 19.11.2014; ai, Report 2012, Iran, S. 4 f.; Süddeutsche.de vom 6.3.2013, Verfolgte Bahá’í-Minderheit im Iran; Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in Deutschland, Zur Verfolgung der Bahá’í im Iran, Stand: Dezember 2013).

Schließlich ist dem Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung zu entnehmen, dass laut einem BBC-Bericht vom 16. Juli 2012 sechs Mitglieder der Bahá’í-Gemeinde in Teheran festgenommen worden sind. Ein Bahá’í war wegen „Mitgliedschaft in der Bahá’í-Gemeinde“ sowie „Teilnahme an einer Versammlung mit der Absicht, die nationale Sicherheit zu stören“ zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Nach der iranischen Revolution 1979 wurden den Bahá’í das Recht, zu studieren und im Staatsdienst zu arbeiten, abgesprochen. Ihnen wurde auch untersagt, sich zu versammeln. Zudem wurden immer wieder Gräber der Bahá’í geschändet. Zurzeit sind mehr als 100 Bahá’í aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit in Haft, darunter sieben Führer. Einem BBC-Bericht zufolge werden zurzeit die Akten von etwa 300 Bahá’í von der Justiz bearbeitet. Zuletzt wurden zahlreiche Verhaftungen, Einschüchterungen, Schmierereien an Hauswänden, Hasspropaganda in den Medien und Moscheen, Zwangsschließungen von Geschäften und die Exmatrikulation von Studenten der iranischen Stadt Semnan dokumentiert, die das Leben der Anhänger der Bahá’í-Religion erheblich erschweren. Zudem hat der iranische Revolutionsführer die Bahá’í geächtet. Die Repressionen treffen sowohl einfache Mitglieder als auch Repräsentanten (Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung 12/2012, S. 8 f., 06/2013, S. 22, 09/2013, S. 9, 10/2013, S. 7, 9/2014, S. 6 und 11/2014, S. 23 sowie 1/2015, S. 6 f.; vgl. auch Bahá’í-Gemeinde in Deutschland, K.d.ö.R., Vertretung Berlin, Fact Sheet: Menschenrechtslage der Bahá’í im Iran, Stand: Januar 2015; UN, 27. Iran-Resolution vom 19.11.2014; Süddeutsche.de vom 6.3.2013, Verfolgte Bahá’í-Minderheit im Iran; Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in Deutschland, Zur Verfolgung der Bahá’í im Iran, Stand: Dezember 2013).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Situation der Bahá’í, die als vom Islam abgefallene Sekte angesehen werden, im Iran von Diskriminierung und Benachteiligung in vielen Bereichen (Schulbildung, Studium, Religionsausübung, gewerbliche Betätigung) bestimmt ist. Die Religionsgemeinschaft der Bahá’í ist im Iran nicht anerkannt und in ihrer Glaubensausübung stark beeinträchtigt. Bahá’í werden im Alltagsleben zum Teil diskriminiert und verfolgt. Auch der Einzelne ist der Willkür von staatlichen Behörden ausgesetzt. Unter Zugrundelegung dieser Erkenntnisse hat die Klägerin wegen ihres Religionswechsels bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit flüchtlingsrelevanter Verfolgung zu rechnen.

3. Aufgrund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung und des schriftlichen Vorbringens besteht nach Überzeugung des Gerichts für die Klägerin eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran, da sich die Klägerin aufgrund einer tiefen inneren Glaubensüberzeugung lebensgeschichtlich nachvollziehbar vom Islam abgewandt und den Glauben der Bahá’í angenommen hat. Das Gericht ist weiterhin davon überzeugt, dass die Klägerin aufgrund ihrer persönlichen religiösen Prägung das unbedingte Bedürfnis hat, ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen Gläubigen auszuüben und dass sie ihn auch tatsächlich ausübt. Das Gerichtet erachtet weiter als glaubhaft, dass eine andauernde Prägung der Klägerin von ihrem neuen Glauben vorliegt und dass sie auch bei einer Rückkehr in den Iran ihren neuen Glauben leben will. Das Gericht hat nach der Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck, dass sich die Klägerin bezogen auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nur vorgeschoben aus opportunistischen, asyltaktischen Gründen der Religionsgemeinschaft der Bahá’í zugewandt hat. Die Würdigung der Angaben der Klägerin zu ihrer Konversion ist ureigene Aufgabe des Gerichts im Rahmen seiner Überzeugungsbildung gemäß § 108 VwGO (BVerwG, B.v. 25.8.2015 - 1 B 40.15 - juris; BayVGH, B.v. 9.4.2015 - 14 ZB 14.30444 - NVwZ-RR 2015, 677; NdsOVG, B.v. 16.9.2014 - 13 LA 93/14 - juris; VGH BW, B.v. 19.2.2014 - A 3 S 2023/12 - juris; OVG NRW, B.v. 11.11.2013 - 13 A 2252/13.A - AuAS 2013, 271).

Das Gericht ist nach informatorischer Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sowie aufgrund der schriftlich vorgelegten Unterlagen davon überzeugt, dass diese ernsthaft vom Islam zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í konvertiert ist. So legte die Klägerin ein persönliches Bekenntnis zu ihrem neuen Glauben ab. Die Klägerin schilderte weiter nachvollziehbar und ohne Widersprüche glaubhaft ihren Weg vom Islam zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í, Inhalte des neuen Glaubens und ihre Aktivitäten in der Religionsgemeinschaft der Bahá’í. Die Schilderungen der Klägerin sind plausibel und in sich schlüssig. Die Klägerin legte verschiedene Unterlagen vor, die ihre Konversion bestätigen.

Besonders erwähnenswert ist die vorgelegte ausdrückliche Bestätigung des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í in Deutschland über die Mitgliedschaft der Klägerin in der Bahá’í-Gemeinde und ihre Aktivitäten. Denn nach der Auskunft des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í in Deutschland an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 16. November 2011 wird bei einem Aufnahmegesuch jeder Fall einzeln sorgfältig geprüft. Dabei werde in einem persönlichen Gespräch zwischen zwei Beauftragten und dem Bewerber versucht, die Person kennenzulernen und ihre Motive einzuschätzen. So werde in Erfahrung gebracht, wie und wo die Person den Bahá’í-Glauben kennengelernt habe, wie die Lebensumstände und der Aufenthaltsstatus seien oder ob über einen längeren Zeitraum hinweg das Interesse am Glauben deutlich geworden sei, ob Kenntnisse über den Glauben vorhanden seien und eine regelmäßige Teilnahme an den Bahá’í-Aktivitäten vorliege. Ziel sei es weiterhin, sich ein Bild von der Aufrichtigkeit und Rechtschaffenheit des Verhaltens zu machen. So würden Einkünfte vor Ort eingeholt. Eine Aufnahme in die Gemeinde erfolge nur dann, wenn keinerlei Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Glaubensüberzeugung bestünden und der Nationale Geistige Rat sich von der Aufrichtigkeit der Motive habe überzeugen können. Es müsse deutlich erkennbar sein, dass der Beweggrund ausschließlich die Anerkennung des Bahá’u’lláhs sei. Andere Beweggründe würden nicht akzeptiert. Wo dies nicht eindeutig der Fall sei, seien Anträge auf Aufnahme in die Gemeinde abgelehnt oder zur erneuten Prüfung nach mehreren Monaten zurückgestellt worden (vgl. auch Auskunft des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í in Deutschland vom 05.09.2012 an das VG Regensburg).

Das Vorstehende hat der Sekretär des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í in Deutschland bei einer Zeugenaussage am 15. Februar 2013 im Verfahren W 6 K 12.30204, auf die Bezug genommen wird, ausdrücklich bestätigt. So erklärte der Zeuge zunächst in Bezug auf eine gegenläufige Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 28. August 2012 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, wonach die Aufnahme bei den Bahá’í nicht durch Beitritt, sondern durch Geburt erfolge, es gelte das Gegenteil. Vielmehr sollten die Bahá’í frei nach ihrer inneren Glaubensüberzeugung entscheiden. Deshalb gebe es bei ihnen auch den Grundsatz, dass Kinder und Jugendliche mit 15 Jahren ihren Glauben bestätigen müssten. Der Zeuge wies weiter darauf hin, dass es bei der Aufnahme von Bewerbern in die Religionsgemeinschaft der Bahá’í Besonderheiten gebe für Personen etwa aus Ländern wie dem Iran, in dem Verfolgung herrsche. Deshalb würden bei diesen Personen die Aufnahmevoraussetzungen besonders geprüft. Eine Voraussetzung für den Glauben der Bahá’í sei der Glaube an Bahá’u’lláh. Erforderlich sei der Glaube an Bahá’u’lláh als Religionsstifter und als Gottesbote, aber auch der Glauben an seine Schriften als Grundlage. Es gehe um eine innere Überzeugung. Deshalb sei es weltweit (nicht nur in Deutschland) so, dass die Aufrichtigkeit des Glaubens geprüft werde. Der Glaube habe weniger mit Wissen zu tun, sondern es gehe um die Aufrichtigkeit. Gerade auch um Missbrauch vorzubeugen, gehe es bei der Aufnahmeprüfung darum, die Aufrichtigkeit der Beweggründe festzustellen und ob sich die innere Glaubensüberzeugung manifestiert habe. Es gehe auch darum, andere Absichten auszuschließen. Ihr höchstes Gremium habe für die Aufnahmeprüfung religionsinterne Direktiven aufgestellt. Verschiedene zu berücksichtigende Faktoren seien benannt wie etwa: Aufrichtige Lebensführung, anhaltendes Interesse am Glauben, die Art und das Engagement in der Gemeinde und dergleichen. Es gehe darum, die Spreu vom Weizen zu trennen. Zwei Personen würden die Aufnahmeprüfung durchführen. Der Zeuge betonte wiederholt, dass es bei ihrer Aufnahmeprüfung weniger um konkretes Wissen gehe, sondern mehr um die Aufrichtigkeit. Es gehe darum, besser abzuschätzen, wie der Betreffende zum Glauben gekommen sei, woher er komme und wie er mit dem Glauben umgehe. Es erfolge eine Einzelfallprüfung. Zudem würden auch Informationen eingeholt. Feste Vorgaben, auch zeitlicher Art, gebe es allerdings nicht. Es gebe keine festen Kriterien, die erfüllt sein müssten. Genauso wenig sei es Voraussetzung, an konkreten Aktivitäten teilzunehmen. Entscheidend sei das Gesamtbild. Der Zeuge betonte ausdrücklich, dass die Auskunft des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í vom 16. November 2011 an das Bundesamt im Grundsatz weiterhin Gültigkeit habe. Allerdings befänden sie sich in einem Lernprozess. Sie wollten noch besser werden. Sie seien in ihrer Verfahrensweise bei der Aufnahmeprüfung nicht lockerer geworden, sondern hielten sich vielmehr an die Vorgaben ihres höchsten Gremiums, um Vorkehrungen gegen Missbrauch zu treffen. Um Missbrauch von Bewerbern mit asyltaktischen Motiven auszuschließen, würden sie prüfen, ob der Bewerber Bahá’í sei. Sie selbst hätten kein Interesse, einen Nicht-Bahá’í aufzunehmen. Bei Zweifeln würden die Bahá’í die Aufnahme zurückstellen und den Bewerber bitten, sich nach sechs Monaten nochmals zu melden. Sie würden auch regelmäßig Bewerber ablehnen, auch zum zweiten Mal, von denen sie nicht überzeugt seien, dass sie aufrichtige Bahá’í seien. Aufnahmen in die Religionsgemeinschaft der Bahá’í erfolgten im Gegensatz zu früher auch während des laufenden Asylverfahrens, da seit dem 2009 ein dauerhafter Wohnsitz nicht mehr Voraussetzung für die Aufnahme sei. Erfahrungen zeigten, auch im Nachhinein betrachtet, dass sie in der Regel bei der Aufnahme richtig entschieden hätten.

Zusammenfassend hat der Zeuge, der im Verfahren W 6 K 12.30204 in der dortigen mündlichen Verhandlung persönlich einen sehr seriösen und glaubwürdigen Eindruck hinterließ, so dass keinerlei Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage bestehen, klargemacht, dass der Nationale Geistige Rat der Bahá’í die Aufrichtigkeit und Ernsthaftigkeit des Übertritts zu seiner Religionsgemeinschaft gewissenhaft und intensiv prüft. Gerade auch angesichts der eigenen internen Direktiven ist es ein eigenes Anliegen der Religionsgemeinschaft der Bahá’í, dem Missbrauch vorzubeugen und Bewerber mit asyltaktischen Motiven auszuschließen. Die Prüfung der Glaubhaftigkeit der Konversion liegt im eigenen Interesse der Bahá’í. Dies wird bei der Aufnahmeprüfung der Bahá’í sorgfältig beachtet, da es weniger um die Abfrage von Wissen geht, als vielmehr um die Aufrichtigkeit der Konversion nach dem Gesamtbild im Einzelfall.

4. Ausgehend davon hat die Klägerin auf ein entsprechendes Aufnahmegespräch und eine Aufnahmeprüfung bei den Bahá’í hingewiesen und diese glaubhaft geschildert. Ihrer Schilderungen decken sich mit den soeben zitierten Auskünften. Die Klägerin erklärte das Aufnahmegespräch habe im Sommer 2014 stattgefunden. Das Aufnahmegespräch sei Bedingung gewesen, dass sie den Mitgliedsausweis erhalte. Bei dem Gespräch sei sie Vertretern der Bahá’í-Gemeinde allein gewesen. Sie hätten allgemein über die Bahá’í gesprochen. Die lange Dauer vom Aufnahmegespräch im Sommer 2014 bis zur Ausstellung des Mitgliedsausweises im Mai 2015 spricht für die Gewissenhaftigkeit der Prüfung seitens der Religionsgemeinschaft der Bahá’í und ist ein weiteres Indiz für die Ernsthaftigkeit der Konversion der Klägerin.

Die Klägerin hat des Weiteren ihre Beweggründe für die Konversion zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í auch gerade im Vergleich zum Islam dargelegt. Sie habe schon im Iran Kontakt mit den Bahá’í gehabt. Die Religion der Bahá’í habe ihr geholfen. Auch eine Großmutter von ihr sei schon Bahá’í gewesen. Bahá’í werde man, wenn man an Bahá’u’lláh und Bab glaube. Sie habe als gebürtige Muslimin mit den Bahá’í einen neuen Weg beschritten. Zum damaligen Zeitpunkt sei sie sich noch nicht zu 100% sicher gewesen. Die neue Religion sei ein neuer Anfang. Sie habe mittlerweile auch den Ruhi-Kurs 1 beendet, den Ruhi-Kurs 2 beginne sie nächste Woche. Bahá’í sei eine neue Kultur. Die Religion der Bahá’í sei die beste für die jetzige Zeit. Sie nehme auch regelmäßig an Sitzungen teil. Sie stehe in Kontakt mit anderen Bahá’í-Familien.

Besonders zu erwähnen ist der Umstand, dass die Klägerin ihren Glauben nicht nur öffentlich und nach außen hin lebt, sondern sich auch in der Öffentlichkeit zu ihrem Glauben bekennt. Sie gab an, dass es auch schon Konflikte gegeben habe aufgrund ihres Bahá’ítums. Überwiegend syrische Asylbewerber fragten sie, ob sie Schweinefleisch in die Hand nehmen dürfe. Sie gab aber ehrlich an, dass sie bei den Syrern nicht für Bahá’í werbe. Die Klägerin gab weiter an, dass sie Kontakt mit der Heimat habe und dass ihre Verwandten wüssten, dass sie Bahá’í seien. Die Eltern seien zwar Moslems, aber sie seien letztlich damit einverstanden, weil sie glücklich sei. So macht die Klägerin bei ihrer Glaubensbetätigung nicht vor ihrer Heimat Halt, was für eine nachhaltige und ehrliche Konversion bei einer entsprechenden Glaubensbetätigung auch bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran spricht.

Die Klägerin verdeutlichte des Weiteren plausibel ihre Beweggründe für die Abkehr vom Islam und ihre Hinwendung zu den Bahá’í gerade aus den Unterschieden zwischen den beiden Religionen. In dem Zusammenhang legte sie - in ihren Worten und im Rahmen ihrer Persönlichkeit und intellektuellen Disposition (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 - 1 B 40.15 - juris) - auch zentrale Elemente des Glaubens der Bahá’í als für sie wichtig dar. In ihren Aussagen machte die Klägerin wesentliche Elemente des Glaubens der Bahá’í und den fundamentalen Unterschied zwischen dem Islam und ihrem neuen Glauben deutlich und zeigte, dass sie dies verinnerlicht hat. Sie erklärte, die Gesetze von Mohamed gälten nicht für die heutige Zeit. Sie hätten keine Gültigkeit mehr. Man müsse mit der Zeit gehen. Das Bahá’í sei wie eine neue Kultur. Eigentlich gebe es keine großen Unterschiede zwischen den Weltreligionen, aber bei den Bahá’í gebe es den Bahá’u’lláh als Propheten. Er sei gekommen und habe ein neues Gesetz erlassen. Der Islam sei das alte. Bahá’u’lláh habe auch gesagt, zum Christentum und zum Islam gebe es keine Unterschiede. Im Islam seien aber die Männer auf einer höheren Stufe als Frauen. Bei den Bahá’í`s seien alle gleich. Nach dem Tod werde bei den Bahá’í anders als im Islam keiner verurteilt. Es gebe nach dem Tod bei den Bahá’í kein Paradies und keine Hölle. Als Bahá’í müsse man im Herzen glauben. Es gebe zwölf wichtige Glaubensgrundsätze, etwa dass es zwischen den Weltreligionen keinen Unterschied gebe, dass es zwischen Männer und Frauen keinen Unterschied gebe und dass es einen Ort gebe, an dem alle Menschen miteinander redeten und über Probleme sprächen und dass alle eine einheitliche Sprache sprächen.

Die Klägerin offenbarte weiter konkrete Glaubensinhalte und Glaubenskenntnisse, die ihre Glaubensentscheidung und ihren Gewissensschritt zusätzlich belegen. Sie verwies auf die Bücher von Bahá’u’lláh, etwa das Buch Aqdas. Das Buch Aqdas sei sprachlich recht schwer zu verstehen, deshalb habe sie im Internet über dieses Buch gelesen. Sie beschäftige sich eher über das Internet mit den Werken von Bahá’u’lláh. Weiter kannte die Klägerin den Kalender der Bahá’í, der aus 19 Monaten zu je 19 Tagen sowie aus vier bzw. fünf weiteren Tagen bestehe. Sie verwies auf die Veranstaltungen alle 19 Tage. Weiter zählte die Klägerin die Gebote und Verbote auf, wie etwa, keinen Alkohol zu trinken, keinen Ehebruch zu begehen oder im letzten Monat des Jahres zu fasten. Bei den Bahá’í gebe es verschiedene Gebete, ein großes, ein mittelgroßes und ein kleines Gebet. Alle Gebete sollen alleine für sich gebetet werden. Das einzige Gebet, das gemeinsam gebetet werde, sei das Totengebet. Des Weiteren kannte die Klägerin verschiedene Feiertage der Bahá’í und listete sie beispielshalber unter Hinweis auf ihre Bedeutung auf. Außerdem müsste jeder wahre Bahá’í 95 Mal am Tag Allah-u-Abha sagen. Diesen Spruch sage man auch zur Begrüßung.

Vor dem Hintergrund ihres eindeutigen und überzeugenden Bekenntnisses zum Glauben der Bahá’í leuchtet die Aussage der Klägerin ein, dass sie sich nicht vorstellen könne, zum Islam zurückzukehren. Sie erklärte, sie denke nicht einmal daran. Sie denke vielmehr, dass nach Bahá’u’lláh wieder ein neuer Prophet kommen werde. Auch auf Vorhalt einer Koran-Sure seitens des Gerichts, wonach der schwer bestraft werde, der sich von Allah abkehre, erklärte die Klägerin, was im Koran stehe, spiele für sie keine Rolle mehr. Sie sei eine Bahá’í. Des Weiteren ist die Angabe der Klägerin plausibel und glaubhaft, sie könne bei einer theoretischen Rückkehr in den Iran ihren Glauben nicht verheimlichen. Sie sei eine Bahá’í und wolle sich nicht verstecken, sondern auch die Bahá’í-Religion entsprechend ihrer Überzeugung im Iran praktizieren. Zudem wüssten die Behörden im Iran aus ihren Akten, dass sie Bahá’í sei.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das gesamte Verhalten der Klägerin vor und nach ihrer Ausreise im Zusammenhang mit der Konversion zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í sowie die von ihr vorgetragenen Glaubensinhalte und Glaubenskenntnisse über die neue Religion - auch in Abgrenzung zum Islam - eine ehrliche Konversion glaubhaft machen und erwarten lassen, dass die Klägerin bei einer angenommenen Rückkehr in ihre Heimat ihrer neu gewonnenen Religion entsprechend leben würde. Die Klägerin hat lebensgeschichtlich nachvollziehbar ihre Motive für die Abkehr vom Islam und ihrer Hinwendung zum Glauben der Bahá’í dargestellt. Sie hat ihre Konversion anhand der von ihr gezeigten Glaubenskenntnisse über die Religion der Bahá’í und durch ihre Glaubensbetätigung gerade auch mit Bezug zur Öffentlichkeit nachhaltig und glaubhaft vorgetragen. Der Eindruck einer ernsthaften Konversion wird dadurch verstärkt, dass die Klägerin sich auch gegenüber Andersgläubigen, insbesondere Moslems, zu ihrem neuen Glauben bekennt. Weiter ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin bei einer theoretischen Rückkehr in den Iran ihre Konversion verheimlichen würde, da prognostisch von einer andauernden Prägung der Klägerin durch ihren neuen Glauben auszugehen ist. Abgesehen davon kann einer Klägerin nicht als nachteilig entgegengehalten werden, wenn sie aus Furcht vor Verfolgung auf eine Glaubensbetätigung verzichtet, sofern die verfolgungsrelevante Glaubensbetätigung wie hier die religiöse Identität der Schutzsuchenden kennzeichnet. Ein so unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungener Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen und hindert nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 - 1 B 40.15 - juris; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - BVerwGE 146, 67; Berlit, juris, Praxisreport-BVerwG 11/2013 Anm. 1; Marx, Anmerkung, InfAuslR 2013, 308). Umgekehrt kann einer Gläubigen von den deutschen Behörden bzw. Gerichten nicht zugemutet werden, bei einer Rückkehr in den Iran von ihrer religiösen Betätigung Abstand zu nehmen, um nicht verfolgt zu werden (EuGH, U.v. 05.09.2012 - C-71/11 und C-99/11 - ABl. EU 2012, Nr. C 331, 5 - NVwZ 2012, 1612).

Die Klägerin hat insgesamt durch ihr Auftreten in der mündlichen Verhandlung und durch die Darlegung seiner Beweggründe nicht den Eindruck hinterlassen, dass sie nur aus opportunistischen und asyltaktischen Gründen motiviert dem Glauben der Bahá’í nähergetreten ist, sondern aufgrund einer ernsthaften Gewissensentscheidung und aus einer tiefen Überzeugung heraus den religiösen Einstellungswandel vollzogen hat. Dieser Eindruck erhärtet sich durch das schriftliche Vorbringen sowie die vorgelegten Unterlagen, wobei gerade die ausdrückliche Bestätigung des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í in Deutschland ein starkes Indiz für eine ehrliche und ernsthafte Konversion ist. Die Gewissenhaftigkeit und Sorgfältigkeit der Aufnahmeprüfung der Bahá’í hat der Sekretär des Nationalen Geistigen Rates dem Gericht gegenüber im Verfahren W 6 K 12.30204 nachdrücklich und überzeugend bestätigt.

5. Nach § 28 Abs. 1a AsylVfG kann sich ein Kläger bzw. eine Klägerin bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG auch auf Umstände stützen, die nach Verlassen des Herkunftslandes entstanden sind. Dies gilt gerade, wenn wie hier vorliegend eine Iranerin ihre religiöse Überzeugung aufgrund ernsthafter Erwägungen wechselt und nach gewissenhafter Prüfung vom Islam zu einer anderen Religion übertritt (Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 28 AsylVfG, Rn. 17). Hinzu kommt, dass sich die Situation für Angehörige der Bahá’í im Iran im Laufe der letzten Jahre eher verschärft hat, so dass eine gestiegene Verfolgungsgefahr auch auf Gründen beruht, die unabhängig vom Verhalten der Klägerin sind.

Nach alledem ist der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG zuzuerkennen und der angefochtene Bundesamtsbescheid insoweit in seinen Nummern 1 und 3 bis 5 aufzuheben. Über die hilfsweise gestellten Anträge zum subsidiären Schutz (§ 4 AsylVfG) bzw. zu den nationalen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) war nicht zu entscheiden (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG).

6. Neben der Aufhebung der entsprechenden Antragsablehnung im Bundesamtsbescheid sind auch die verfügte Abschiebungsandrohung sowie die Ausreisefristbestimmung rechtswidrig und daher aufzuheben. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlässt nach § 34 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG die Abschiebungsandrohung insbesondere nur, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt und ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wird. Umgekehrt darf im Fall der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine Abschiebungsandrohung nicht ergehen. Letzteres ist im gerichtlichen Verfahren - wenn auch noch nicht rechtskräftig - festgestellt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.

Zur Klarstellung wird im Hinblick auf die erhobene und nach Klagerücknahme und Abtrennung im gesonderten Verfahren W 6 K 15.30699 eingestellte Asylklage betreffend die Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte darauf hingewiesen, dass das Gericht in der Sache eine entsprechende Anwendung von § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO für angemessen hält, da der zurückgenommene Teil der Klage durch die weitgehende Angleichung des Flüchtlingsstatus an die Rechtsstellung der Asylberechtigten kostenmäßig nicht ins Gewicht fällt (Hess. VGH, U.v. 21.9.2011 - 6 A 1005/10.A - EzAR-NF 63 Nr. 4; VG Würzburg, B.v. 12.9.2011 - W 6 M 11.30245 - juris).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Fragen, ob Barausgleiche, die der Kläger als Stillhalter bei Optionsgeschäften in den Streitjahren 2009 bis 2011 zahlte, steuerlich zu berücksichtigen sind und ob Prämien aus Glattstellungsgeschäften, die der Kläger zur Löschung seiner Verpflichtungen als Stillhalter ausführte, zu negativen Kapitaleinkünften führen.

2

Der Kläger war in den Streitjahren Verkäufer von Optionen (Stillhalter, Short-Positionen) auf den Aktienindex DAX, die er in seinem Privatvermögen hielt. Die Optionen wurden an der Eurex Deutschland abgewickelt.

3

Nach den Kontraktspezifikationen für Optionskontrakte an der Eurex Deutschland war der Käufer eines Optionskontrakts verpflichtet, an den Stillhalter den Preis für den Erwerb des Optionsrechts, die Optionsprämie, zu zahlen (für den Stillhalter: Stillhalterprämie). Der Käufer einer Kaufoption (Call) auf Aktienindizes hatte das Recht, eine Zahlung in Höhe der Differenz zwischen dem Ausübungspreis der Option und einem höheren Schlussabrechnungspreis der Optionsserie (Barausgleich) zu verlangen. Der Käufer einer Verkaufsoption (Put) auf Aktienindizes hatte das Recht, eine Zahlung in Höhe der Differenz zwischen dem Ausübungspreis der Option und einem niedrigeren Schlussabrechnungspreis der Optionsserie (Barausgleich) zu verlangen. Für den Fall der Ausübung der Option durch den Käufer der Option war der Stillhalter verpflichtet, die Differenz zwischen dem Ausübungspreis der Option und einem höheren (Call) bzw. niedrigeren (Put) Schlussabrechnungspreis der Optionsserie in bar auszugleichen.

4

In der Regel schloss der Kläger Glattstellungsgeschäfte (Closings) ab. Bei einigen Geschäften leistete der Kläger jedoch den Barausgleich als Stillhalter, und zwar im Jahr 2009 in Höhe von insgesamt 4.319,35 Euro (einschließlich Provision), im Jahr 2010 in Höhe von insgesamt 4.762,70 Euro (einschließlich Provision) und im Jahr 2011 in Höhe von insgesamt 3.147,60 Euro (einschließlich Provision). Auf die vom Kläger eingereichten Abrechnungen wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

5

Die für die vorgenannten Stillhaltergeschäfte depotführende A GmbH nahm in den Jahren 2009 und 2010 den Kapitalertragsteuerabzug von den Einkünften aus Kapitalvermögen des Klägers vor, wobei sie die gezahlten Barausgleiche nicht berücksichtigte. Einen Kapitalertragsteuerabzug für das Jahr 2011 bescheinigte die A GmbH nicht.

6

Der Beklagte stellte einen verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2008 für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 115.572 Euro und für die Einkünfte aus Leistungen in Höhe von 30.943 Euro fest.

7

Der Kläger reichte seine Einkommensteuererklärung 2009 und seine Erklärung zur Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags zum 31. Dezember 2009 erstmalig am 11. Juni 2012 ein.

8

Am 29. Januar 2013 erließ der Beklagte nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide über Einkommensteuer 2009 sowie über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009, wobei jeweils der Vorbehalt der Nachprüfung bestehen blieb.

9

Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen zog der Beklagte von den Stillhalterprämien in Höhe von 30.779 Euro sowie von den Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanlagen (ohne Aktien) in Höhe von 958 Euro und von den Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien in Höhe von 12.016 Euro jeweils die Verlustvorträge aus Leistungen bzw. aus privaten Veräußerungsgeschäften in entsprechender Höhe ab und berücksichtigte im Ergebnis nach Abzug des Sparer-Pauschbetrages von den übrigen Kapitaleinkünften in Höhe von 457 Euro Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 0 Euro. Dementsprechend stellte der Beklagte den verbleibenden Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der bis zum 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung (a. F.) auf 102.598 Euro und für die Einkünfte aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG a. F. auf 164 Euro fest.

10

Mit Bescheiden vom 6. Februar 2013 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung jeweils für den Einkommensteuerbescheid 2009 und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009 auf.

11

Ebenfalls am 6. Februar 2013 erließ der Beklagte zudem Einkommensteuerbescheide für 2010 und 2011 sowie über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2010 und zum 31. Dezember 2011.

12

Gegen die vorgenannten Bescheide vom 6. Februar 2013 legte der Kläger am 9. März 2013 Einsprüche ein. Im Einspruchsverfahren beantragte der Kläger erstmalig, die von ihm gezahlten Barausgleiche steuerlich zu berücksichtigen.

13

Der Beklagte erließ aus hier nicht streitigen Gründen am 15. Juli 2013 geänderte Einkommensteuerbescheide für 2010 und 2011.

14

Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2013 setzte der Beklagte nach Verböserungshinweis aus hier nicht streitigen Gründen die Einkommensteuer für 2009 auf 9.398 Euro höher fest und wies die Einsprüche im Übrigen zurück. Die von dem Kläger als Stillhalter gezahlten Barausgleiche berücksichtigte der Beklagte nicht.

15

Am 2. Dezember 2013 hat der Kläger gegen die Einkommensteuerbescheide 2009 bis 2011 und gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2013 Klage erhoben.

16

Der Kläger erklärte im Februar 2014 für 2010 und 2011 weitere Einkünfte aus einem dem Beklagten bis dahin unbekannten Brokerkonto bei der B wie folgt nach:

                          
        

2010   

2011   

Einkünfte aus Aktienveräußerungen

- 469,68 Euro

-2.481,78 Euro

Stillhaltergeschäft DAX- und Aktien-Optionen

29.426,30 Euro

14.850,80 Euro

Stillhaltergeschäft Option auf Euro-Bund-Futures

 15.976,00 Euro

-43.256,00 Euro

Barausgleich als Stillhalter einer DAX-Option

 0,00 Euro

 -1.536,70 Euro

Währungsgeschäfte

 16.021,87 Euro

 -93.792,23 Euro

17

Diese Geschäfte wurden nach Angaben des Klägers ebenfalls sämtlich über die Eurex Deutschland abgewickelt. Ausweislich des eingereichten "Activity Statements" nahm der Kläger bei den Optionsgeschäften auf den DAX und auf Aktien sowie auf Euro-Bund-Futures nur "Short Term"-Positionen als Stillhalter ein. Seine Verpflichtungen als Stillhalter aus diesen Geschäften stellte er jeweils - bis auf den 2011 geleisteten Barausgleich - mit Closing-Geschäften glatt, was teilweise zu den vorgenannten negativen Einkünften führte.

18

Die steuerliche Behandlung der Einkünfte aus den Aktienveräußerungen und den Währungsgeschäften, bei denen die Währungen jeweils effektiv bei Abschluss des Geschäftes geliefert wurden, ist zwischen den Beteiligten dem Grunde und der Höhe nach nicht streitig.

19

Aufgrund der Nacherklärung erließ der Beklagte am 22. Oktober 2014 geänderte Einkommensteuerbescheide für 2010 und 2011, mit denen er die Einkommensteuer für 2010 auf 30.387 Euro und für 2011 auf 13.064 Euro festsetzte.

20

Dabei erfasste der Beklagte die Beträge aus den Stillhaltergeschäften der DAX- und Aktienoptionen nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG sowie die Beträge der Optionen auf die Euro-Bund-Futures als Einkünfte nach § 23 EStG. Den Barausgleich berücksichtigte der Beklagte nicht.

21

Für das Jahr 2010 zog der Beklagte danach bei der Berechnung der Einkünfte, die der Abgeltungsteuer unterlagen, von den Stillhalterprämien in Höhe von 81.277 Euro einen Verlustvortrag in Höhe von 164 Euro und von den Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanlagen (ohne Aktien) in Höhe von 818 Euro sowie von den Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien in Höhe von 4.973 Euro einen Verlustvortrag in Höhe von 5.791 Euro ab. Des Weiteren verrechnete der Beklagte Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 31.997 Euro in voller Höhe mit Verlustvorträgen.

22

Dementsprechend stellte der Beklagte zum 31.12.2010 den Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG a. F. auf 64.810 Euro und für die Einkünfte aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG a. F. auf 0 Euro fest.

23

Für das Jahr 2011 legte der Beklagte bei der Berechnung der Einkünfte, die der Abgeltungsteuer unterlagen, die erklärten Kapitalerträge in Höhe von 675 Euro sowie Stillhalterprämien in Höhe von 14.850 Euro zugrunde. Dementsprechend stellte er zum 31.12.2011 den Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG a. F. auf 64.810 Euro fest.

24

Der Kläger ist der Auffassung, der von ihm als Stillhalter gezahlte Barausgleich sei steuerlich zu berücksichtigen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Verluste aus dem Barausgleich bei dem Käufer der Option zu berücksichtigen seien, bei dem Stillhalter hingegen nicht. Es sei eine einheitliche Betrachtung des Optionsgeschäftes geboten. Ebenso wenig sei nachvollziehbar, dass Aktienoptionen, bei denen die Aktien vom Stillhalter angeschafft werden müssten, anders besteuert werden als Optionen auf einen Aktienindex. Durch die Einführung der Abgeltungssteuer sei es zudem irrelevant, ob die Geschäfte der Vermögenssphäre zuzuordnen seien.

25

Des Weiteren ist der Kläger der Meinung, die von ihm als Stillhalter eingegangenen Optionsgeschäfte auf die Euro-Bund-Futures seien genauso wie die Stillhaltergeschäfte auf den DAX zu erfassen, wobei auch negative Einkünfte der Besteuerung zugrunde zu legen seien.

26

Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid für 2009 und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009, jeweils vom 6. Februar 2013, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2013,
und die Einkommensteuerbescheide für 2010 und 2011, zuletzt geändert am 22. Oktober 2014,
in der Weise zu ändern, dass unter Berücksichtigung der als Stillhalter gezahlten Barausgleiche
für 2009 in Höhe von 4.319,35 Euro,
für 2010 in Höhe von 4.762,70 Euro und
für 2011 in Höhe von 4.684,30 Euro
sowie der Einkünfte aus den als Stillhalter getätigten Optionsgeschäften auf die Euro-Bund-Futures
für 2010 in Höhe von 15.976 Euro und
für 2011 in Höhe von -43.256 Euro,
jeweils als Kapitalerträge,
die Einkommensteuer 2009 bis 2011 niedriger festgesetzt bzw. der verbleibende Verlustvortrag zum 31. Dezember 2009 neu festgestellt werden.

27

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

28

Er ist der Auffassung, die gezahlten Barausgleiche des Stillhalters beträfen auch nach Einführung der Abgeltungssteuer die steuerlich nicht relevante Vermögensebene des Klägers. Die von dem Kläger vorgebrachte einheitliche Betrachtung der Beteiligten eines Optionsgeschäftes sei nicht vorzunehmen.

29

Des Weiteren ist der Beklagte der Meinung, die Prämien aus den Glattstellungsgeschäften könnten nicht zu negativen Einkünften aus Kapitalvermögen führen, sondern seien in einem Verlustverrechnungstopf nur mit zukünftigen positiven Kapitalerträgen zu verrechnen.

...

30

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie die Protokolle des Erörterungstermins vom 01. März 2016 und der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

31

I. Die Klage ist unzulässig, soweit sie die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009 betrifft. Im Übrigen ist sie zulässig.

32

1. Es fehlt nicht an einer Beschwer gemäß § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2009.

33

a) Zwar fehlt es an einer Beschwer, wenn der Kläger mit seinem Begehren keine Veränderung der festgesetzten Steuer erreichen kann, da eine Rechtsverletzung grundsätzlich nur dann vorliegt, wenn zu Unrecht eine zu hohe Steuer festgesetzt wurde. Denn die Besteuerungsgrundlagen sind gemäß § 157 Abs. 2 AO grundsätzlich nicht selbständig anfechtbar.

34

Im Streitfall würde sich das Begehren des Klägers, den als Stillhalter gezahlten Barausgleich steuerlich zu berücksichtigen, nicht auf die festgesetzte Einkommensteuer 2009 auswirken.

35

In dem Einkommensteuerbescheid 2009 erfolgte bei der Berechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen eine vollständige Verrechnung der Stillhalterprämien sowie der Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanlagen und von Aktien mit den zum 31.12.2008 festgestellten Verlustvorträgen. An der vollständigen Verrechnung mit den Verlustvorträgen würde sich auch dann nichts ändern, wenn sich der gezahlte Barausgleich bei den Einkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG oder nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG auswirkte und die entsprechenden Einkünfte jeweils minderte.

36

Wäre der gezahlte Barausgleich den Einkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG zuzuordnen, würden sich die entsprechenden Einkünfte verringern und in der entsprechend niedrigeren Höhe die Verlustverrechnung nach § 22 Nr. 3 Satz 5 EStG erfolgen. Wäre der gezahlte Barausgleich den Einkünften nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG zuzuordnen, würden sich die entsprechenden positiven Einkünfte nach § 20 Abs. 2 EStG verringern und in der entsprechend niedrigeren Höhe die Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG in Verbindung mit (i. V. m.) § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG erfolgen.

37

b) Allerdings liegt dann eine Beschwer vor, wenn die Besteuerungsgrundlagen eines Steuerbescheides Feststellungen enthalten, denen Bindungswirkung zukommt.

38

So verhält es sich im Streitfall. Der Einkommensteuerbescheid 2009 entfaltet eine "Quasi-Bindung" für die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009. Dies gilt sowohl für die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags für Einkünfte aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG a. F. als auch für die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags für Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG a. F.

39

aa) Eine gesonderte Feststellung für diese verbleibenden Verlustvorträge ist vorzunehmen, da gemäß § 22 Nr. 3 Satz 4 zweiter Halbsatz EStG bzw. § 23 Abs. 3 Satz 8 zweiter Halbsatz EStG § 10d Abs. 4 EStG entsprechend gilt (vergleiche - vgl. - zur verfahrensrechtlichen Bedeutung dieser Verweisung Heuermann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand: Mai 2012, § 10d Randziffer - Rz. - A 128).

40

bb) Im Streitfall sind § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010, Bundesgesetzblatt Teil I - BGBl I - 2010, 1768) gemäß § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG in der Fassung des JStG 2010 anzuwenden, da der Kläger erstmals nach dem 13. Dezember 2010 eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben hatte, nämlich erst am 11. Juni 2012 (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit des zeitlichen Anwendungsbereichs Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 10. Februar 2015 IX R 6/14, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2015, 812).

41

Gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG in der Fassung des JStG 2010 sind bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 FGO gelten entsprechend. Nach § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG in der Fassung des JStG 2010 dürfen die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung nur insoweit abweichend von § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt.

42

cc) Der Einkommensteuerbescheid 2009 ist danach gemäß § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG in der Fassung des JStG 2010 im oben genannten Sinne bindend für die Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge zum 31.12.2009.

43

§ 10d Abs. 4 Satz 4 EStG in der Fassung des JStG 2010 erreicht eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid, obwohl der Einkommensteuerbescheid kein Grundlagenbescheid ist.

44

Danach sind die Besteuerungsgrundlagen im Feststellungsverfahren so zu berücksichtigen, wie sie der letzten bestandskräftigen bzw. nach den Vorschriften der AO noch änderbaren Einkommensteuerfestsetzung zugrunde liegen. Unterbleibt eine Änderung der letzten Einkommensteuerfestsetzung ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer, ergeht dennoch ein Verlustfeststellungsbescheid (§ 10d Abs. 4 Satz 5 EStG in der Fassung des JStG 2010). Ist eine Änderung des Einkommensteuerbescheids unabhängig von der fehlenden betragsmäßigen Auswirkung auch verfahrensrechtlich nicht möglich, bleibt es jedoch bei der in § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG in der Fassung des JStG 2010 angeordneten Bindungswirkung (BFH-Urteil vom 13. Januar 2015 IX R 22/14, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE - 248, 530, Bundessteuerblatt Teil II - BStBl II - 2015, 829; BFH-Urteil vom 10. Februar 2015 IX R 6/14, BFH/NV 2015, 812).

45

Daraus ergibt sich für den Streitfall, dass eine Bindungswirkung des Einkommensteuerbescheides 2009 für eine Verlustfeststellung zum 31.12.2009 vorliegt. Wäre allein eine Klage gegen die Verlustfeststellung zum 31.12.2009 anhängig, könnte eine solche Klage nach den vorstehenden Grundsätzen keinen Erfolg haben, da eine Änderung des inhaltlich bindenden Einkommensteuerbescheides nicht möglich wäre und dies nicht allein auf einer fehlenden betragsmäßigen Auswirkung beruhen würde.

46

dd) Bindende Besteuerungsgrundlagen (vgl. § 199 Abs. 1 AO) des Einkommensteuerbescheides 2009 für die Verlustfeststellungen sind im Streitfall die Höhe der Stillhalterprämien bzw. die Höhe der Einkünfte aus der Veräußerung von Kapitalanlagen (ohne Aktien).

47

Die Höhe der Stillhalterprämien, auf die der geltend gemachte Barausgleich Einfluss haben könnte, ist Besteuerungsgrundlage für die Feststellung der Verluste aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG a. F., da gemäß § 22 Nr. 3 Satz 5 EStG die Stillhalterprämien als Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG die genannten Verluste ausgleichen. Der Feststellungsbescheid hat auch die verbleibenden (Alt-)Verluste aus Stillhaltergeschäften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG festzustellen (Buge, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Stand: Februar 2014, § 20 EStG Rz. 619).

48

Die Höhe der Einkünfte aus der Veräußerung von Kapitalanlagen nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG, auf die der geltend gemachte Barausgleich Einfluss haben könnte, ist entsprechend Besteuerungsgrundlage für die Feststellung der Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, auf die § 23 EStG a. F. anzuwenden ist, da gemäß § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG diese Einkünfte die genannten Verluste ausgleichen. Der Verlustfeststellungsbescheid hat danach zu unterscheiden, ob ein Verlust aus Kapitalvermögen oder ein Verlust aus Aktiengeschäften im Sinne des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG festgestellt wird (Buge, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Stand: Februar 2014, § 20 EStG Rz. 619).

49

2. Es liegt keine Beschwer gemäß § 40 Abs. 2 FGO für die Klage gegen die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2009 vor.

50

Wegen der vorgenannten Bindungswirkung der Besteuerungsgrundlagen im Einkommensteuerbescheid 2009 (§ 10d Abs. 4 Satz 4 zweiter Halbsatz EStG) für die Verlustfeststellung macht der Kläger keine Beschwer im Sinne von § 40 Abs. 2 FGO geltend (Steinhauff, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand: Februar 2015, § 42 FGO Rz. 171 und 24 f. mit weiteren Nachweisen - m. w. N. -; anderer Ansicht - a. A. - BFH in nahezu ständiger Rechtsprechung, der in diesen Fällen die Klage gegen den Folgebescheid als unbegründet erachtet, zum Beispiel - z. B. - BFH-Urteil vom 05.11.2015 III R 12/13, BFH/NV 2016, 834 m. w. N.; vgl. hierzu Steinhauff, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand: Februar 2015, § 42 FGO Rz. 23).

51

3. Eine Beschwer hinsichtlich der Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 ist gegeben.

52

Auch wenn der von dem Kläger begehrte Barausgleich mit den nachträglich erklärten Einkünften aus Stillhaltergeschäften aus Optionen auf Euro-Bund-Futures zu saldieren wäre und sich die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 EStG entsprechend vermindern würden, was zu einer höheren Steuer führen würde, liegt aufgrund der unter I.1. beschriebenen Bindungswirkung für die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG a. F. eine Beschwer vor.

53

4. Es liegt auch eine Beschwer hinsichtlich der Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 vor. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Einkommen-steuer bei einer Berücksichtigung der nachträglich erklärten negativen Einkünfte aus den Stillhaltergeschäften aus Optionen auf Euro-Bund-Futures nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG anstelle nach § 23 EStG niedriger festzusetzen ist.

54

II. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie insoweit begründet, als die nachträglich erklärten Einkünfte aus den als Stillhalter getätigten Optionsgeschäften auf die Euro-Bund-Futures in den Jahren 2010 und 2011 nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG zu erfassen sind und nicht nach § 23 EStG. Insoweit verletzen die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

55

Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

56

1. Die Überprüfung des Einkommensteuerbescheides 2009 erfolgt in vollem Umfang, da die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung für 2009 mit Bescheid vom 6. Februar 2013, gegen die der Kläger Einspruch einlegte, gemäß § 164 Abs. 3 Satz 2 AO einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich steht.

57

2. Die von dem Kläger als Stillhalter gezahlten Barausgleiche sind ebenso wie die nachträglich erklärten Einkünfte aus dem Brokerkonto bei der B in die Veranlagung des Klägers einzubeziehen.

58

a) Gemäß § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG können die gezahlten Barausgleiche für die Jahre 2009 und 2010 in die besondere Besteuerung von Kapitalerträgen nach § 32d Abs. 1 EStG einbezogen werden, auch wenn die A GmbH von den Stillhalterprämien bzw. von den Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanlagen (ohne Aktien) Kapitalertragsteuer einbehalten hat und damit grundsätzlich die Einkommensteuer mit dem Steuerabzug abgegolten ist (§ 43 Abs. 5 Satz 1 EStG). Denn der Kläger hat den gemäß § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG erforderlichen Antrag zur besonderen Besteuerung nach § 32d EStG rechtzeitig gestellt.

59

aa) Der Kläger hat noch im Einspruchsverfahren beantragt, die gezahlten Barausgleiche im Rahmen einer Steuerfestsetzung zu berücksichtigen. Rechtsschutzgewährend ist der Antrag für die Jahre 2009 und 2010 als Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG auszulegen, da in diesen Jahren von seinen Stillhalterprämien und seinen Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanlagen (ohne Aktien) Kapitalertragsteuer von der A GmbH einbehalten wurde und mit dem Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG die Rechtmäßigkeit des Steuereinbehalts dem Grunde oder der Höhe nach geprüft wird, insbesondere im Fall eines noch nicht im Rahmen des § 43a Abs. 3 EStG berücksichtigten Verlusts. Damit kann auch geprüft werden, ob der gezahlte Barausgleich zu den Stillhalterprämien bzw. zu den Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanlagen (ohne Aktien) gehört und damit die Bemessungsgrundlage für den Kapitalertragsteuerabzug zu hoch gewesen ist (vgl. auch Bundesministerium der Finanzen - BMF -, Schreiben vom 18. Januar 2016, IV C 1-S 2252/08/10004:017, 2015/0468306, Bundessteuerblatt Teil I - BStBl I - 2016, 85, Textziffer - Tz. - 182).

60

bb) Der Antrag erfolgte rechtzeitig, da er bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheides gestellt werden kann. Nach dem Wortlaut der Vorschrift kann der Antrag mit der Einkommensteuererklärung gestellt werden. Hieraus ergibt sich aber - anders als z. B. nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG - keine zeitliche Beschränkung. Der Wortlaut ("kann") schließt es nicht aus, den Antrag nach Abgabe der Einkommensteuererklärung gesondert zu stellen (vgl. auch BMF-Schreiben vom 18. Januar 2016, IV C 1-S 2252/08/10004:017, 2015/0468306, BStBl I 2016, 85, Tz. 145; Weber-Grellet, in Schmidt, EStG, 35. Auflage - Aufl. - 2016, § 32d Rz. 16; Koss, in: Korn, EStG, Stand: Januar 2015, § 32d Rz. 87; Oellerich, in: Bordewin/Brandt, EStG, Stand: August 2014, § 32d Rz. 114; vgl. auch Finanzgericht - FG - Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Mai 2014, 7 K 7337/11, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2014, 1680, Revisionsaktenzeichen - Rev.Az. - VIII R 27/14; vgl. zur Abgrenzung zum Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG BFH-Urteil vom 28. Juli 2015 VIII R 50/14, BFHE 250, 413, BStBl II 2015, 894; a. A. Baumgärtel/Lange, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Stand: Januar 2010, § 32d EStG Rz. 67).

61

b) Auch für 2011 ist im Veranlagungsverfahren zu prüfen, ob die gezahlten Barausgleiche steuerlich zu berücksichtigen sind. Die Bank hat im Jahr 2011 keine Kapitalertragsteuer einbehalten. Demnach kann der gezahlte Barausgleich nach § 32d Abs. 3 EStG in die Veranlagung einzubeziehen sein.

62

Gemäß § 32d Abs. 3 Satz 1 EStG hat der Steuerpflichtige steuerpflichtige Kapitalerträge, die nicht der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, in seiner Einkommensteuererklärung anzugeben. Für diese Kapitalerträge erhöht sich die tarifliche Einkommensteuer um den nach § 32d Abs. 1 EStG ermittelten Betrag (§ 32d Abs. 3 Satz 1 EStG).

63

Auch wenn § 32d Abs. 3 Satz 1 EStG von einer Erhöhung der tariflichen Einkommensteuer ausgeht, schließt dies die Prüfung nicht aus, ob gezahlte Barausgleiche im Streitjahr 2011 steuerlich zu berücksichtigen sind, was zu einer niedrigeren Steuer führen würde (vgl. auch zur Möglichkeit, im Rahmen des § 32d Abs. 3 EStG zur Anwendung des Abgeltungssteuersatzes als niedrigerem Steuersatz zu kommen Koss, in: Korn, EStG, Stand: Januar 2015, § 32d Rz. 84). Denn die gezahlten Barausgleiche könnten als negative Kapitalerträge zu qualifizieren sein, da Kapitalerträge auch negativ sein können (vgl. z. B. BMF-Schreiben vom 18. Januar 2016, IV C 1-S 2252/08/10004:017, 2015/0468306, BStBl I 2016, 85, Tz. 212). Des Weiteren kommt es nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 3 Satz 1 EStG nur darauf an, ob die Kapitalerträge de facto nicht der Kapitalertragsteuer unterlegen haben. Nicht entscheidend ist es danach, ob für diese Kapitalerträge ein Kapitalertragsteuerabzug nach dem Katalog des § 43 Abs. 1 EStG vorzunehmen ist (so auch Baumgärtel/Lange, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Stand: Januar 2010, § 32d EStG Rz. 58; vgl. auch BMF-Schreiben vom 18. Januar 2016, IV C 1-S 2252/08/10004:017, 2015/0468306, BStBl I 2016, 85, Tz. 144; a. A. ggf. Oellerich, in: Bordewin/Brandt, EStG, Stand: August 2014, § 32d Rz. 108).

64

c) Soweit der Kläger in den Jahren 2010 und 2011 Einkünfte aus dem Brokerkonto bei der B nacherklärt hat, sind diese gemäß § 32d Abs. 3 EStG in die Veranlagung einzubeziehen, auch wenn die Einkünfte teilweise negativ sind (s. II.2.b]).

65

3. Die von dem Kläger als Stillhalter gezahlten Barausgleiche sind steuerlich nicht zu berücksichtigen.

66

Es handelt sich weder um Einkünfte aus sonstigen Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (II.3.a]) noch um Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG (II.3.b]), sondern um Werbungskosten zu den Stillhalterprämien, deren tatsächlicher Abzug gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 zweiter Halbsatz EStG ausgeschlossen ist (II.3.c]).

67

Die als Stillhalter gezahlten Barausgleiche sind nicht im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG zu erfassen, da diese Vorschrift nur für den Käufer einer Option anwendbar ist, nicht jedoch für den Stillhalter. Die Sondervorschrift des § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG, wonach Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Termingeschäft stehen, zu berücksichtigen sind, ist nicht anwendbar (II.3.d]).

68

a) Die als Stillhalter gezahlten Barausgleiche sind keine Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

69

Der Kläger hat als Stillhalter keine Kapitalforderungen. Er hat kein Kapitalvermögen zur Nutzung überlassen. Es sollte auch kein Kapitalvermögen ausgeglichen bzw. zurückgezahlt werden. Vielmehr hing die Zahlung des Barausgleiches allein davon ab, ob der Käufer der Option sein Optionsrecht ausübte.

70

b) Die Barausgleiche als Stillhalter sind nicht im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen.

71

Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 11 erster Halbsatz EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen die Stillhalterprämien, die für die Einräumung von Optionen vereinnahmt werden. Schließt der Stillhalter ein Glattstellungsgeschäft ab, mindern sich die Einnahmen aus den Stillhalterprämien um die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 zweiter Halbsatz EStG).

72

aa) Danach erfasst der Wortlaut zunächst nur die Optionsprämie, die der Stillhalter erhält (Stillhalterprämie). Dies ist die Prämie, die der Kläger dafür erhielt, dass er sich verpflichtete, bei eventueller Ausübung der Option den Barausgleich zu zahlen. Die Stillhalterprämie erhielt der Kläger auch dann, wenn die Option nicht ausgeübt wurde.

73

Des Weiteren erfasst der Wortlaut die Prämien, die der Stillhalter für das Glattstellungsgeschäft zahlen muss, wenn er ein solches abschließt.

74

Nicht vom Wortlaut erfasst ist jedoch der Barausgleich des Stillhalters, wenn der Käufer der Option seine Option ausübt (so auch von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 15. Aufl. 2016, § 20 EStG Rz. 116a).

75

Der Barausgleich ist dem Wortlaut nach nicht als Stillhalterprämie zu erfassen. Der Stillhalter "vereinnahmt" den Barausgleich nicht für die Einräumung der Option. Vielmehr muss der Stillhalter diesen Barausgleich zahlen, also "verausgaben", wenn die Option ausgeübt wird. Auch die Kontraktspezifikationen unterscheiden zwischen der Optionsprämie, die der Stillhalter von dem Käufer der Option erhält, und dem Barausgleich, den der Stillhalter zu zahlen hat, wenn der Käufer einer Option die Option ausübt.

76

Der Barausgleich ist dem Wortlaut nach nicht als Prämie für ein Glattstellungsgeschäft anzusehen. Denn mit einem Glattstellungsgeschäft löst sich der Stillhalter von seinen Verpflichtungen aus der Option (vgl. Jachmann/Lindenberg, in: Lademann/Söffing, EStG, Stand: Januar 2011, § 20 Rz. 489). Demgegenüber ist der Barausgleich gerade deshalb zu zahlen, weil die Verpflichtung des Stillhalters aus der Option noch besteht und der Käufer der Option diese ausübt. Der Kläger musste den Barausgleich danach zahlen, weil er schließlich kein Glattstellungsgeschäft abgeschlossen hatte (gegen eine Subsumtion des Barausgleichs unter den Begriff "Glattstellung" auch Zanzinger, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2010, 149, 151).

77

bb) Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich nichts Anderes.

78

Danach erfasst § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG die Stillhalterprämie, die der Stillhalter unabhängig vom Zustandekommen des Wertpapiergeschäftes allein für die Stillhaltung erhält und die bislang der Besteuerung nach § 22 Nr. 3 EStG a. F. unterlag. Die Neufassung sollte dazu führen, dass zukünftig alle Finanzinstrumente einheitlich im Rahmen des § 20 EStG besteuert werden. Dabei sollte nur der beim Stillhalter nach Abschluss eines Gegengeschäfts (Glattstellung) verbliebene Vermögenszuwachs der Besteuerung (Nettoprinzip) unterworfen werden (Bundestags-Drucksache - BT-Drs. - 16/4841 Seite 54).

79

Dass der Gesetzgeber zugleich auch den Barausgleich, den der Stillhalter gegebenenfalls (ggf.) zahlen musste, entgegen der früheren Rechtslage in § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG erfassen wollte, ist danach nicht ersichtlich (vgl. zur früheren Rechtslage vor Einführung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl I 1999, 402 auch BFH-Urteil vom 13.02.2008 IX R 68/07, BFHE 220, 436, BStBl II 2008, 522, sowie Jachmann/Lindenberg, in: Lademann/Söffing, EStG, Stand: Januar 2011, § 20 Rz. 510 m. w. N.; vgl. auch zur Erfassung der Stillhalterprämie nach § 22 Nr. 3 EStG a. F. BFH-Urteil vom 28.11.1990 X R 197/87, BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300 sowie BFH-Urteil vom 29.06.2004 IX R 26/03, BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995).

80

Selbst wenn eine Regelungslücke angenommen werden sollte (so z. B. Philipowski, DStR 2010, 2283, 2287, und Niedersächsisches FG, Urteil vom 28.08.2013, 2 K 35/13, EFG 2014, 541, Rev.Az. VIII R 55/13, wobei nicht eindeutig ist, ob nach Auffassung des Niedersächsischen FG die Regelungslücke bei § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG oder bei § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht), führt die weitere Auslegung dazu, dass der Barausgleich nicht von § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG erfasst ist (für eine analoge Anwendung Haisch/Helios, Finanz-Rundschau - FR - 2011, 88, 89; vgl. auch zu dieser Möglichkeit Aigner/Balbinot, DStR 2015, 198, 203; anders noch Haisch/Krampe, FR 2010, 311, 315).

81

cc) Der vom Stillhalter gezahlte Barausgleich ist nicht aus systematischen Gründen von § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG erfasst.

82

aaa) Der Gesetzgeber hat die Stillhalterprämie in den Katalog des § 20 Abs. 1 EStG aufgenommen, obwohl die dortige Erfassung nicht in die Systematik des § 20 Abs. 1 EStG passt. Stillhalterprämien sind weder ein Entgelt für die Überlassung von Kapital zur Nutzung auf Zeit noch Ausfluss eines Mitgliedschaftsrechtes aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, sondern werden nur als Entgelt für die besonderen Verpflichtungen und die Leistung des Stillhalters gezahlt (Buge, in Herrmann/Heuer/Raupach, Stand: Januar 2014, § 20 EStG Rz. 401 m. w. N.; Jachmann/Lindenberg, in: Lademann/Söffing, EStG, Stand: Januar 2011, § 20 Rz. 477).

83

bbb) Die Minderung der Einnahmen aus Stillhalterprämien um die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 zweiter Halbsatz EStG) führt nicht dazu, dass die gezahlten Barausgleiche des Stillhalters gleichfalls nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG aus systematischen Gründen zu berücksichtigen sind.

84

Ausdrücklich werden nur die Aufwendungen für das Glattstellungsgeschäft als Aufwendungen, die in einem Zusammenhang mit den Stillhalterprämien stehen, in § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG erfasst. Die Berücksichtigung der Glattstellungsgeschäfte in § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG beruht allerdings lediglich auf der seinerzeitigen Rechtsprechung des BFH, wonach die Prämien aus den Optionsgeschäften um die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien als Erwerbsaufwendungen zu mindern waren. Die Prämien für das Glattstellungsgeschäft waren danach Werbungskosten zu den Einnahmen nach § 22 Nr. 3 EStG a. F. (BFH-Urteil vom 17.04.2007 IX R 23/06, BFHE 217, 562, BStBl II 2007, 606 m. w. N.; BFH-Urteil vom 29.06.2004 IX R 26/03, BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995).

85

Dass der Gesetzgeber darüber hinaus auch den Barausgleich, den der Stillhalter ggf. zu zahlen hatte und der zuvor steuerlich nicht berücksichtigt wurde, aus systematischen Gründen in die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG übernehmen wollte, lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen.

86

Dabei ist ferner zu beachten, dass die Aufnahme der Aufwendungen für das Glattstellungsgeschäft in § 20 Abs. 1 Nr. 11 zweiter Halbsatz EStG einen Systembruch darstellt, da es sich hierbei um Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG handelt, die gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG im System der Abgeltungssteuer grundsätzlich nicht abziehbar sind (Buge, in Herrmann/Heuer/Raupach, Stand: Januar 2014, § 20 EStG Rz. 401 m. w. N.; Jachmann/Lindenberg, in: Lademann/Söffing, EStG, Stand: Januar 2011, § 20 Rz. 478).

87

ccc) Das System der Abgeltungssteuer führt nicht dazu, den Barausgleich unter die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG zu subsumieren.

88

Auch wenn nach der Gesetzesbegründung "zukünftig alle Finanzinstrumente einheitlich im Rahmen des § 20 EStG besteuert werden" sollten (BT-Drs. 16/4841, Seite 54), ist der Barausgleich des Stillhalters nicht im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG zu berücksichtigen. Das Nettoprinzip sollte nach der Gesetzesbegründung bei § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG ausdrücklich nur dazu führen, dass die Glattstellungsgeschäfte berücksichtigt werden. Andere hiermit im Zusammenhang stehende Aufwendungen (Werbungskosten) sind in der Gesetzesbegründung nicht erwähnt. Diese wären im System der Abgeltungsteuer gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG nicht zu berücksichtigen.

89

Es kann zudem systematisch nicht darauf abgestellt werden, dass § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG zu einer Berücksichtigung des vom Stillhalter gezahlten Barausgleichs führen muss. Die besondere Ermittlung des Gewinns bei Veräußerungsgeschäften des § 20 Abs. 2 EStG nach § 20 Abs. 4 EStG kommt im Bereich des § 20 Abs. 1 EStG gerade nicht zur Anwendung. Bei § 20 Abs. 1 EStG sollen Aufwendungen, die in einem Zusammenhang mit diesen Einnahmen stehen, gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG gerade nicht abgezogen werden können.

90

dd) Eine Berücksichtigung des Barausgleichs des Stillhalters nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG ergibt sich nicht nach Sinn und Zweck der Regelung.

91

aaa) § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG sollte die zuvor von § 22 Nr. 3 EStG a. F. als sonstige Leistungen erfassten Stillhalterprämien in den Bereich der Kapitaleinkünfte aufnehmen. Zugleich bezog der Gesetzgeber die Prämien aus Glattstellungsgeschäften in die Regelung ein, die die Einnahmen mindern und anderenfalls von dem Werbungskostenabzugsverbot im Rahmen der Abgeltungssteuer betroffen gewesen wären, um der seinerzeitigen Rechtsprechung des BFH zu genügen (siehe II.3.b]bb]).

92

Der Vorschrift lässt sich kein weitergehender Sinn entnehmen. Dass der Barausgleich des Stillhalters steuerlich nach der seinerzeitigen Rechtsprechung nicht zu berücksichtigen war, war bekannt. Auch wenn mit den Regelungen des § 20 Abs.1 Nr. 11 EStG und § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG die Besteuerung von Termingeschäften "umfassend" erfolgen sollte (so Jochum, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand: April 2016, § 20 Rz. C/11 16), wird der Barausgleich des Stillhalters nicht von § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG erfasst. Eine umfassende Besteuerung kann auch dadurch erfolgen, dass der Barausgleich dem Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 Satz 1 zweiter Halbsatz EStG unterfällt.

93

Soweit vertreten werden sollte, dass der Barausgleich des Stillhalters deshalb bei § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG zu berücksichtigen sei, weil dies im Hinblick auf die Einkommensermittlung bei privaten Veräußerungsgeschäften nach den Grundsätzen einer Gewinneinkunftsart geboten sei (so etwa Hamacher/Dahm, in: Korn, EStG, Stand: Oktober 2014, § 20 Rz. 303), ist dem nicht zu folgen. Dem widerspricht die grundsätzliche Unterscheidung zwischen § 20 Abs. 1 EStG (laufende Erträge) und § 20 Abs. 2 EStG (Veräußerungsgewinne; siehe II.3.b]cc]ccc]).

94

bbb) Der Barausgleich des Stillhalters ist nicht als "Stillhalterprämie" im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG zu erfassen, auch wenn nach der jüngeren Rechtsprechung des BFH die frühere Trennung des Eröffnungsgeschäftes von dem Basisgeschäft bei Optionsgeschäften im Rahmen der Abgeltungssteuer nicht länger aufrechterhalten werden kann (BFH-Urteile vom 12. Januar 2016, IX R 48/14, BFH/NV 2016, 657; IX R 49/14, BFH/NV 2016, 660; IX R 50/14, BFH/NV 2016, 662). Diese Rechtsprechung betrifft nur den Käufer einer Option, nicht jedoch den Stillhalter, auf den die gesonderte Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG anzuwenden ist.

95

Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob die von dem Stillhalter gezahlten Barausgleiche aufgrund eines nunmehr anzuerkennenden Veranlassungszusammenhangs mit der erhaltenen Stillhalterprämie als Werbungskosten zu der Stillhalterprämie anzusehen sind (siehe dazu unten II.3.c]).

96

ccc) Ebenso wenig erfordert eine verfassungskonforme Auslegung, dass der Barausgleich des Stillhalters bei § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG zu berücksichtigen ist.

97

Auch wenn im Einkommensteuerrecht die finanzielle Leistungsfähigkeit maßgeblich ist und der Gesetzgeber seine Belastungsentscheidung folgerichtig umsetzen muss, ist die Nichterfassung des Barausgleiches des Stillhalters sachlich gerechtfertigt (offen lassend Ratschow, in: Blümich, Stand: August 2015, § 20 EStG Rz. 349a; a. A. wohl Niedersächsisches FG, Urteil vom 28.08.2013, 2 K 35/13, EFG 2014, 541, Rev.Az. VIII R 55/13; Philipowski, DStR 2009, 353, 357; Philipowski, DStR 2010, 2283, 2287).

98

Der Gesetzgeber hat mit der Aufnahme der Stillhalterprämie in den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG entschieden, dass der Stillhalter Kapitaleinkünfte im Sinne des § 20 Abs. 1 EStG erzielt und nicht im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG. Für die Kapitaleinkünfte des § 20 Abs. 1 EStG gilt jedoch das grundsätzliche Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 Satz 1 zweiter Halbsatz EStG, das wegen der Befugnis des Gesetzgebers, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, verfassungsgemäß ist (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 1. Juli 2014 VIII R 53/12, BFHE 246, 332, BStBl II 2014, 975). Der erkennende Senat schließt sich der vorgenannten Auffassung des BFH hierzu an. Auch wenn vom Stillhalter gezahlte Barausgleiche die erhaltenen Stillhalterprämien übersteigen können und dadurch ein Werbungskostenüberschuss entsteht, führt dies nicht zur Verfassungswidrigkeit. Dem Steuerpflichtigen bleibt es unbenommen, rechtzeitig durch Glattstellungsgeschäfte von seiner Verpflichtung als Stillhalter frei zu werden. Die hierfür gezahlten Prämien werden dann von § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG erfasst und steuerlich wirksam.

99

c) Die vom Kläger als Stillhalter gezahlten Barausgleiche sind als Werbungskosten zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG anzusehen, deren tatsächlicher Abzug gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 zweiter Halbsatz EStG ausgeschlossen ist.

100

Die als Stillhalter gezahlten Barausgleiche stehen in einem unmittelbaren objektiven und subjektiven Veranlassungszusammenhang mit den Stillhalterprämien. Denn die Verpflichtung des Stillhalters, bei Ausübung der Option ggf. den Barausgleich zu zahlen, und die tatsächliche Zahlung des Barausgleiches im Fall der Ausübung der Option sind als wirtschaftliche Einheit zu betrachten. Die vor Einführung der Abgeltungssteuer von der Rechtsprechung vertretene Trennung zwischen Eröffnungsgeschäft und Basisgeschäft lässt sich nach Einführung der Abgeltungssteuer nicht mehr aufrechterhalten (BFH-Urteil vom 12. Januar 2016, IX R 48/14, BFH/NV 2016, 657).

101

Dem steht nicht entgegen, dass die Rechtsprechung des BFH nur den Käufer einer Option betraf und nicht den Stillhalter. Denn wirtschaftlich gesehen ist die Verpflichtung des Stillhalters, den Käufer einer Option ggf. bar auszugleichen, als Einheit mit seiner eingegangenen Verpflichtung als Stillhalter zu sehen.

102

Allerdings ist für Werbungskosten, die - wie im Streitfall die als Stillhalter gezahlten Barausgleiche - im Zusammenhang mit Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 EStG stehen, gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 zweiter Halbsatz EStG der Abzug ausgeschlossen und nur der Sparer-Pauschbetrag zugelassen.

103

Die Regelung des § 20 Abs. 9 Satz 1 zweiter Halbsatz EStG ist verfassungsgemäß (siehe oben II.3.b]dd]ccc]).

104

d) Die von dem Kläger als Stillhalter gezahlten Barausgleiche sind nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift erfasst nur den Käufer einer Option, nicht aber den Verkäufer der Option (Stillhalter). Dementsprechend sind die als Stillhalter gezahlten Barausgleiche nicht gemäß § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG zu berücksichtigen, da diese Regelung nur die Ermittlung des Gewinns nach § 20 Abs. 2 EStG betrifft.

105

aa) Die Zahlung eines Barausgleiches durch den Stillhalter ist nicht bei § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG zu erfassen (a. A. Jachmann/Lindenberg, in: Lademann/Söffing, EStG, Stand: Januar 2011, § 20 Rz. 511; Jochum, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand: April 2016, § 20 Rz. C/11 12 und D/3 29; Moritz/Strohm, in: Frotscher, EStG, Stand: März 2013, § 20 n. F. Rz. 213 und Rz. 245; Helios/Philipp, FR 2010, 1052, 1055; Aigner/Balbinot, DStR 2015, 198, 203; für § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG analog Haisch/Helios, FR 2011, 88, 90; anders noch Haisch/Krampe, FR 2010, 311, 315; für eine Einbeziehung de lege ferenda Dahm/Hamacher, DStR 2014, 455, 461). Diese Norm ist nur auf den Käufer einer Option, nicht aber auf den Stillhalter anzuwenden (Ratschow, in: Blümich, Stand: August 2015, § 20 EStG Rz. 348; a. A. Helios/Philipp, Betriebs-Berater - BB - 2010, 95, 100).

106

Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn bei Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt.

107

aaa) Der Wortlaut des Tatbestandes des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG stellt zunächst nur auf den Abschluss eines Termingeschäfts und dessen wirtschaftliches Ergebnis ab. Erfasst ist der Gewinn "bei Termingeschäften", wobei zu den Termingeschäften die Optionsgeschäfte gehören (BFH-Urteil vom 12. Januar 2016, IX R 48/14, BFH/NV 2016, 657 m. w. N.).

108

Einen Gewinn bei Termingeschäften durch einen Barausgleich konnte allerdings im Streitfall nur der Käufer der Option und nicht der Kläger als Stillhalter, der für seine Verpflichtung nur die Stillhalterprämie erhielt, erzielen. Denn nach den Kontraktspezifikationen erhielt der Käufer eines Call bzw. Put im Fall der Ausübung der Option einen nur positiven Barausgleich als Differenz zwischen einem Ausübungspreis und dem höheren (Call) bzw. niedrigeren (Put) Schlussabrechnungspreis.

109

Soweit der Stillhalter einen Barausgleich zahlen muss, könnte dieser Barausgleich nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG nur dann als "Gewinn" bei Termingeschäften anzusehen sein, wenn hiervon auch ein negativer Differenzausgleich erfasst sein sollte (so für den Käufer einer Option BFH-Urteil vom 12. Januar 2016, IX R 48/14, BFH/NV 2016, 657 unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 26. September 2012 IX R 50/09, BFHE 239, 95, BStBl II 2013, 231, das ebenfalls zu einem Käufer einer Option erging, und auf das BFH-Urteil vom 13. Februar 2008 IX R 68/07, BFHE 220, 436, BStBl II 2008, 522, das dies in einem obiter dictum für den Stillhalter erwähnt; so auch Moritz/Strohm, Der Betrieb - DB - 2013, 603, 608, von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 15. Aufl. 2016, § 20 Rz. 130; für den Stillhalter; Heuermann, DB 2013, 718).

110

Dem steht jedoch entgegen, dass nach dem weiteren Wortlaut der Norm der Steuerpflichtige durch das Termingeschäft einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt. Danach müsste auch der Stillhalter einen (negativen) Differenzausgleich, d. h. den Barausgleich, erlangt haben. Den Barausgleich hat der Stillhalter jedoch nicht erlangt, sondern der Stillhalter muss diesen im Gegenteil gerade zahlen, also geben.

111

bbb) Auch wenn der Gesetzgeber mit der Einführung des Systems der Abgeltungssteuer alle Finanzinstrumente einheitlich im Rahmen des § 20 EStG besteuern wollte (BT-Drs. 16/4841, Seite 54), führt dies nicht dazu, den Barausgleich, den der Stillhalter zu zahlen hat, unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG zu subsumieren.

112

Denn die Besteuerung des Stillhalters sollte unter Berücksichtigung von Glattstellungsgeschäften von § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG erfasst werden (BT-Drs. 16/4841, Seite 54), während hingegen die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a. F., die den Erwerb des Rechtes betraf und danach nur für den Käufer einer Option Anwendung fand (BFH-Urteil vom 17.04.2007 IX R 40/06, BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608), lediglich unabhängig von dem Zeitpunkt der Beendigung des Rechtes steuerlich nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG erfasst werden sollte (BT-Drs. 16/4841, Seite 55).

113

Eine einheitliche Besteuerung im Rahmen des § 20 EStG kann auf der Grundlage der Begründung des Gesetzgebers auch dadurch erfolgen, dass der Barausgleich als Werbungskosten bei den Einkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG tatsächlich gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 zweiter Halbsatz EStG nicht abgezogen werden kann. Dass der Gesetzgeber entgegen der Rechtslage vor Einführung der Abgeltungssteuer den Barausgleich des Stillhalters steuerlich wirksam berücksichtigen wollte, ist danach nicht zwingend anzunehmen (siehe auch II.3.b]dd]aaa]).

114

ccc) Eine Einbeziehung des vom Stillhalter gezahlten Barausgleiches in die Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG ist nicht aus systematischen Gründen vorzunehmen.

115

Systematisch werden die Einkünfte des Stillhalters in § 20 Abs. 1 EStG bei den laufenden Erträgen aus Kapitalvermögen erfasst, während hingegen der Käufer einer Option nach dem Wortlaut der Norm und unter Berücksichtigung der Historie unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG fällt. Hieraus folgt zugleich ein systematischer Unterschied bei der Ermittlung der Einkünfte.

116

In § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG werden entgegen der für § 20 Abs. 1 EStG geltenden Systematik Werbungskosten des Stillhalters, die aus Glattstellungsgeschäften resultieren, berücksichtigt (II.3.b]cc]bbb]). Im Übrigen sind Werbungskosten bei Einkünften nach § 20 Abs. 1 EStG, zu denen der Barausgleich des Stillhalters gehört (II.3.c]), nach der gesetzgeberischen Entscheidung gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG nicht abziehbar

117

Hingegen gilt für den Gewinn im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG die Sondervorschrift des § 20 Abs. 4 EStG20 Abs. 4 Satz 1 EStG). Diese enthält mit § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG in Bezug auf die bei einem Termingeschäft angefallenen Aufwendungen eine der Regelung des § 20 Abs. 9 EStG vorgehende Sondervorschrift (BFH-Urteil vom 12. Januar 2016, IX R 48/14, BFH/NV 2016, 657). Danach ist die Optionsprämie, die der Käufer einer Option an den Stillhalter zu zahlen hat und die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Termingeschäft steht, also grundsätzlich zu Werbungskosten zu zählen ist, im Rahmen des § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG zu berücksichtigen. Die Regelung ist hingegen systematisch nicht für den vom Stillhalter gezahlten Barausgleich einschlägig.

118

ddd) § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG ist nur für den Käufer einer Option anwendbar, auch wenn es teleologisch allein auf das wirtschaftliche Ergebnis eines Termingeschäfts ankommen sollte.

119

(1) Die jüngere Rechtsprechung des BFH zu § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG bezieht sich teleologisch nur auf den Käufer einer Option, da dieser mit dem Erwerb der Option das (bedingte) Recht auf einen Barausgleich erwirbt und damit einen "Vorteil" aus einem Termingeschäft erlangt (BFH-Urteil vom 12. Januar 2016, IX R 48/14, BFH/NV 2016, 657).

120

Der Erwerb des Rechts ist zur Erfüllung des Tatbestandes des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG weiterhin erforderlich (a. A. Moritz/Strom, DB 2013, 603, 607). Zwar fehlt das Wort "Erwerb" in dem Tatbestand der Norm. Dies erscheint allerdings nur dem Umstand geschuldet, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG a. F. insoweit in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a EStG übernommen wurde, als die Wertzuwächse unabhängig von dem Zeitpunkt der Beendigung des Rechts steuerbar sein sollten (BT-Drs. 16/4841, Seite 55; so auch Haisch, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 2007, 762, 766 und 772, unter Hinweis auf die Übergangsvorschrift des § 52a Abs. 10 Satz 3 EStG). Im Übrigen bleibt darauf hinzuweisen, dass die Besteuerung des Stillhalters in § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG erfolgt.

121

(2) Soweit nach Auffassung des BFH § 20 Abs. 2 EStG nicht nur eine positive Differenz, sondern auch eine negative Differenz als Verlust erfassen soll (BFH-Urteil vom 12. Januar 2016, IX R 48/14, BFH/NV 2016, 657), ist dies nach Auffassung des erkennenden Senates der besonderen Einkünfteermittlungsvorschrift des § 20 Abs. 4 EStG geschuldet.

122

Die im Urteil vom 12. Januar 2016 (IX R 48/14) in Bezug genommene frühere Rechtsprechung des BFH verwies zwar darauf, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a. F. mit dem Barausgleich auch eine negative Differenz erfasse (BFH-Urteil vom 26. September 2012 IX R 50/09, BFHE 239, 95, BStBl II 2013, 231, das zu einem Käufer einer Option erging; BFH-Urteil vom 13. Februar 2008 IX R 68/07, BFHE 220, 436, BStBl II 2008, 522, das dies in einem obiter dictum für den Stillhalter erwähnt, da § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a. F. in dem dortigen Streitfall noch nicht anwendbar war).

123

Diese frühere Rechtsprechung ist jedoch für die Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG im Streitfall für den erkennenden Senat angesichts der konkreten Kontraktspezifikationen für Optionen auf den Aktienindex DAX nicht entscheidungserheblich (vgl. auch BMF-Schreiben vom 27.03.2013 IV C 1-S 2256/07/10005:013, BStBl I 2013, 403, zur Nichtanwendung des BFH-Urteils vom 26. September 2012 IX R 50/09 auf § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG).

124

Der Käufer einer Option kann im Fall der Ausübung der Option nur einen für ihn positiven Barausgleich erhalten. Das maximale Risiko des Käufers einer Option besteht darin, dass der Kontrakt wertlos verfällt und der Käufer die Optionsprämie zu zahlen hatte. Einen "Verlust" erleidet der Käufer einer Option danach maximal in Höhe der Optionsprämie, wenn er die Option nicht ausübt bzw. erleidet der Käufer einer Option einen geringeren "Verlust" als die gezahlte Optionsprämie, wenn der Kurs des Basiswertes niedriger (Call) bzw. höher (Put) ist als die Summe (Call) bzw. Differenz (Put) von Ausübungspreis und Optionsprämie. Der "Verlust" des Käufers bei dem Optionsgeschäft beruht dann darauf, dass die Optionsprämie bei ihm gemäß § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG zu berücksichtigen ist (BFH-Urteil vom 12. Januar 2016, IX R 48/14, BFH/NV 2016, 657; a. A. Heuermann, DB 2013, 718, 719 zur verfassungsgeleiteten, teleologischen Auslegung, die zu einer Steuerbarkeit des hypothetischen Falles führe, bei dem der Käufer der Option einen negativen Barausgleich zahlen müsse).

125

Im Übrigen ordnete der BFH auch in seinem Urteil vom 26. September 2012 (IX R 50/09, BFHE 239, 95, BStBl II 2013, 231) die vom Käufer einer Option gezahlte Optionsprämie bei diesem als Werbungskosten ein, die nunmehr im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG für die Einkünfte aus Termingeschäften im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG zu berücksichtigen ist (BFH-Urteil vom 12. Januar 2016, IX R 48/14, BFH/NV 2016, 657).

126

Für den Fall des Stillhalters erwähnt der BFH in seinem Urteil vom 13. Februar 2008 (IX R 68/07, BFHE 220, 436, BStBl II 2008, 522) lediglich in seinem obiter dictum, dass eine negative Differenz (Verlust) zu erfassen sei, wobei er dies ebenfalls den Werbungskosten zuordnet.

127

(3) Auch wenn der BFH die früher vertretene Trennung zwischen Eröffnungsgeschäft und Basisgeschäft im Rahmen der Abgeltungssteuer nicht mehr aufrechterhält (BFH-Urteil vom 12. Januar 2016, IX R 48/14, BFH/NV 2016, 657), führt dies zu keinem anderen Ergebnis.

128

Zwar wurde mit Einführung der Abgeltungssteuer für die betroffenen Einkünfte die Unterscheidung zwischen steuerbaren Erträgen und der nicht steuerbaren Vermögensebene aufgegeben (anders ggf. BMF-Schreiben vom 18. Januar 2016, IV C 1-S 2252/08/10004:017, 2015/0468306, BStBl I 2016, 85, Tz. 34). Allerdings folgt nach Auffassung des erkennenden Senats daraus nur, dass der gezahlte Barausgleich im Rahmen des § 20 EStG grundsätzlich als Werbungskosten zu berücksichtigen ist. Der früher infolge der Trennung zwischen Eröffnungsgeschäft und Basisgeschäft fehlende Zusammenhang zwischen der Stillhalterprämie und dem gezahlten Barausgleich des Stillhalters ist infolge der Betrachtung als wirtschaftlicher Einheit nunmehr gegeben. Ein tatsächlicher Abzug scheidet jedoch wegen der Regelung des § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG aus (II.3.c]).

129

(4) Schließlich ist es nicht geboten, die steuerliche Behandlung des Käufers einer Option mit der des Verkäufers einer Option korrespondieren zu lassen. Es handelt sich um verschiedene Steuersubjekte, die nach der gesetzgeberischen Entscheidung verschiedenen steuerlichen Regelungen unterworfen werden.

130

bb) Der vom Kläger als Stillhalter gezahlte Barausgleich ist nicht gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b EStG zu berücksichtigen. Danach gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung eines als Termingeschäft ausgestalteten Finanzinstruments. Der Kläger hat jedoch als Stillhalter, der den Barausgleich zahlen musste, keine Option veräußert. Vielmehr hat er seine Position als Stillhalter gerade bis zur Ausübung der Option durch den Käufer gehalten.

131

4. Die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 sind insoweit unter Beachtung des im gerichtlichen Verfahren bestehenden Verböserungsverbotes zu ändern, als die Einkünfte aus den als Stillhalter getätigten Optionsgeschäften auf die Euro-Bund-Futures in den Jahren 2010 und 2011 nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG in der erklärten Höhe zu erfassen sind.

132

a) Die als Stillhalter vorgenommenen Optionen auf Euro-Bund-Futures (...) sind nicht anders zu behandeln als die als Stillhalter vorgenommenen Optionen auf den Aktienindex DAX. Danach sind die als Stillhalter eingenommenen Prämien sowie die Prämien aus den Glattstellungsgeschäften nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG zu erfassen.

133

Nach den Kontraktspezifikationen der Eurex Deutschland für Optionskontrakte auf Fixed Income Futures-Kontrakte (also auf die hier in Rede stehenden Euro-Bund-Futures) erhält der Stillhalter ebenfalls eine Optionsprämie (vergleiche Kontraktspezifikationen für Futures-Kontrakte und Optionskontrakte an der Eurex Deutschland und der Eurex C, Ziff. 2.1.1. und Ziff. 2.3.4). Die Ergebnisse der Glattstellungsgeschäfte, die zur Befreiung des Klägers von seiner Position als Stillhalter führten, sind gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG zu berücksichtigen.

134

b) Hinsichtlich der geltend gemachten Beträge besteht kein Streit zwischen den Beteiligten.

135

Anders als der Beklagte meint, sind im Jahr 2011 die insgesamt erzielten negativen Einkünfte aus den Geschäften als Stillhalter von Optionen auf Euro-Bund-Futures als Einkünfte im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG zu erfassen.

136

Dem Wortlaut der Norm lässt sich eine Beschränkung der Minderung der Stillhalterprämien um die Prämien aus Glattstellungsgeschäften lediglich bis auf den Betrag der erzielten Stillhalterprämien nicht entnehmen. Auch wenn nach der Gesetzesbegründung nur der beim Stillhalter nach Abschluss eines Glattstellungsgeschäfts verbliebene Vermögenszuwachs der Besteuerung unterworfen werden sollte (BT-Drs. 16/4841 S. 54), entspricht es doch der hier hinsichtlich der Glattstellungsprämien gewollten Verwirklichung des Nettoprinzips, einen negativen Saldo der Stillhalter- und Glattstellungsprämien als Einkünfte im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG zu erfassen (Buge, in Herrmann/Heuer/Raupach, Stand: Januar 2014, § 20 EStG Rz. 401; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 15. Aufl. 2016, § 20 Rz. 116; Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, 35. Aufl. 2016, § 20 Rz. 120).

137

Für die Berücksichtigung eines negativen Saldos spricht auch, dass der unbeschränkt steuerpflichtige Kläger anderenfalls im Hinblick auf diese Einkünfte von einer möglichen Verlustverrechnung mit anderen Kapitaleinkünften gemäß § 20 Abs. 6 EStG ausgeschlossen wäre. Denn die B ist nicht gemäß § 43a Abs. 3 Satz 3 EStG verpflichtet, nicht ausgeglichene Verluste auf das nächste Kalenderjahr innerhalb eines bei ihr geführten sogenannten "Verlustverrechnungstopfs" im Sinne des § 43a Abs. 3 Satz 2 EStG zu übertragen. Sie ist keine "auszahlende Stelle" im Sinne des § 43a Abs. 3 EStG, da sie die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchstabe a EStG nicht erfüllt. Die B ist kein inländisches Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift.

138

c) Demnach sind für das Jahr 2010 die Stillhalterprämien um 15.976 Euro auf insgesamt 97.253 Euro zu erhöhen und die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften um den entsprechenden Betrag auf 16.021 Euro zu vermindern. Für das Jahr 2011 sind die Stillhalterprämien um 43.256 Euro auf -28.406 Euro zu vermindern und die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften auf -93.792 Euro zu erhöhen.

139

Die Berechnung der festzusetzenden Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen, wobei die Einkommensteuer 2010 wegen des im gerichtlichen Verfahren bestehenden Verböserungsverbots auf 30.387 Euro festzusetzen ist. Unberührt bleibt hiervon die Erfassung der jeweiligen Besteuerungsgrundlagen in der vorgenannten Höhe in den Einkommensteuerbescheiden, auch wenn die Besteuerungsgrundlagen eine Quasi-Bindungswirkung für die Verlustfeststellung entfalten.

140

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 155, 151 Abs. 3 FGO, §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

141

Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 Alternative 1 FGO zur Fortbildung des Rechts im Hinblick auf die steuerliche Behandlung des Barausgleichs des Stillhalters im Rahmen der Abgeltungssteuer bzw. gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 Alternative 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf das gegen das Urteil des Niedersächsischen FG vom 28.08.2013 (Az.: 2 K 35/13) anhängige Revisionsverfahren zu dem Az. VIII R 55/13, insbesondere wegen der Einkünfteermittlung, die im Hinblick auf die Zuordnung zu § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG oder zu § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a EStG unterschiedlich ist, zuzulassen.

142

Des Weiteren ist die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 Alternative 1 FGO zuzulassen, da noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob Prämien aus Glattstellungsgeschäften zu negativen Einkünften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG führen können.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 VwGO) sind nicht in der gebotenen Weise (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG) dargelegt bzw. liegen jedenfalls nicht vor.

1. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) wurde bereits nicht in der gebotenen Weise dargelegt und liegt im Übrigen auch nicht vor.

Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Rechtsfrage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt; Darlegungen zu offensichtlichen Punkten sind dabei entbehrlich (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72 m. w. N.). Hiervon ausgehend haben die Kläger schon keine den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG genügende Rechtsfrage formuliert.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung liegt aber auch nicht vor. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder - bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen - durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (st. Rspr., z. B. BayVGH, B. v. 25.2.2013 - 14 ZB 13.30023 - juris Rn. 2 m. w. N.; Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 36 ff. m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass ein in Deutschland zum Christentum übergetretener Asylbewerber, der sich darauf beruft, wegen der Betätigung seines christlichen Glaubens in seinem Heimatland von Verfolgung bedroht zu sein, die innere Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen muss (vgl. BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 30). Der formale, kirchenrechtlich wirksam vollzogene Übertritt zum Christentum in Gestalt der Taufe reicht für die Gewinnung dieser Überzeugung jedenfalls im Regelfall nicht aus (BayVGH, B. v. 12.1.2012 - 14 ZB 11.30346 - juris Rn. 4). Welcher Beweiswert der Taufbestätigung einer Religionsgemeinschaft für die Frage der Ernsthaftigkeit eines Glaubenswechsels zukommt ist ebenso wenig klärungsbedürftig wie die Frage, ob die Überprüfung der Ernsthaftigkeit des Glaubensübertritts die nach innerkirchlichem Recht zuständige Stelle vorzunehmen hat und staatliche Behörden und Gerichte daran staatskirchenrechtlich gebunden sind. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass es für die Frage, ob ein ernsthafter Glaubenswechsel vorliegt, entscheidend auf die Glaubhaftigkeit der Schilderung und die Glaubwürdigkeit der Person des Asylbewerbers ankommt, die das Gericht selbst im Rahmen einer persönlichen Anhörung des Asylbewerbers zu überprüfen und tatrichterlich zu würdigen hat (BVerwG, U. v. 9.12.2010 - 10 C 13.09 - juris Rn. 19; BayVGH, B. v. 8.8.2013 - 14 ZB 13.30199 - juris Rn. 8 m. w. N.). Dies ist ureigene Aufgabe des Gerichts. An die Ausstellung eines Taufscheins sowie an die Einschätzung der Glaubensüberzeugung eines Konvertiten durch eine Kirchengemeinde bzw. einen Pastor ist das Gericht nicht gebunden (vgl. BayVGH a. a. O.). Da die Klärung, ob ein Glaubenswechsel vorliegt, jeweils nur anhand der individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Sachverhalts erfolgen kann, kommt diesen Fragen regelmäßig auch keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (BayVGH a. a. O.; vgl. auch OVG NW, B. v. 24.5.2013 - 5 A 062/12.A - juris Rn. 10).

2. Soweit die Kläger zudem rügen, das Urteil sei i. S. v. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 3 (wohl Nr. 6 gemeint) VwGO nicht mit Gründen versehen, da sich das Verwaltungsgericht in der Urteilsbegründung nicht mit der Grundgesetzproblematik des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften auseinandergesetzt habe und daher dem Urteil jedwede Begründung für die Verneinung der Nachfluchtgründe fehle, können sie ebenfalls nicht durchdringen.

Ein Verfahrensmangel nach § 138 Nr. 6 VwGO (Fehlen von Entscheidungsgründen) scheidet bei einer - wie hier - auf den allein entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin zu 1 eingehenden und die maßgeblichen Gründe erläuternden Begründung des Urteils aus. Ein solcher Verfahrensmangel wäre nur gegeben, wenn dem Tenor der Entscheidung überhaupt keine Gründe beigegeben sind oder die Begründung völlig unverständlich und verworren ist, so dass sie in Wirklichkeit nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind (vgl. BayVGH, B. v. 23.6.2014 - 14 ZB 14.30157 - juris Rn. 3 m. w. N.). Das Verwaltungsgericht hat vorliegend auf den Seiten 25 bis 27 seines Urteils begründet, warum es aufgrund des - allein maßgeblichen - Vortrags der Klägerin zu 1 die notwendige Überzeugungsgewissheit nicht gewinnen konnte, dass die behauptete Hinwendung zum christlichen Glauben auf einer ernsthaften Gewissensentscheidung, d. h. auf einem ernstgemeinten religiösen Einstellungswandel mit identitätsprägender fester Überzeugung beruht. Die Kläger legen nichts dafür dar, inwieweit dies nicht in verständlicher Form geschehen sein sollte. Mit dem in diesem Zusammenhang allein erfolgten Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften ist nicht dargetan, warum die Bewertungen des Verwaltungsgerichts nicht nachvollziehbar sein sollten.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 9. August 2012 - A 6 K 1056/12 - wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

 
Der zulässige Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 9.8.2012 hat keinen Erfolg.
I.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte mit Bescheid vom 24.4.2012 den Antrag der Klägerin - einer iranischen Staatsangehörigen - auf Anerkennung als Asylberechtigte ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen und drohte der Klägerin bei nicht freiwilliger Ausreise innerhalb von 30 Tagen die Abschiebung in den Iran unter dem Hinweis an, dass sie auch in einen anderen Staat abgeschoben werden könne, in den sie einreisen könne oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei.
Die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 9.8.2012 - A 6 K 1046/12 - abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Angaben der Klägerin zu ihren Vorfluchtgründen seien nicht glaubhaft. Der in der Bundesrepublik Deutschland erfolgte Übertritt der Klägerin zum Christentum und ihre Taufe begründe gleichfalls weder einen Asylanspruch noch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG. Gleiches gelte für die Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG. Nach Überzeugung des Gerichts sei die Klägerin nicht aufgrund eines ernsthaften Willensentschlusses zum christlichen Glauben konvertiert. Die Konversion diene alleine dazu, missbräuchlich ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zu erwerben. Der Glaubenswechsel habe in keiner Weise auch nur im Ansatz prägenden Einfluss auf ihre Persönlichkeit erlangt. Allein der Umstand, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt habe, führe zu keinen staatlichen Repressionen nach der Rückkehr in den Irak. Dies gelte im vorliegenden Fall umso mehr, als die Klägerin den Iran legal verlassen habe. Die Geltendmachung einer posttraumatischen Belastungsstörung - PTBS -, die durch eine Stellungnahme von Lic. Ing. Lic. Psych. M. ... - Psychologische Beratungsstelle für politisch Verfolgte und Vertriebene - PBV Stuttgart - vom 2.7.2011 belegt werden solle, führe gleichfalls nicht zum Vorliegen von Abschiebungsverboten. Angesichts des widersprüchlichen Vorbringens der Klägerin blieben durchgreifende Zweifel am Wahrheitsgehalt derjenigen Schilderung, die der Stellungnahme vom 2.7.2011 zugrunde gelegen habe. Ferner genüge die Stellungnahme nicht den Mindestanforderungen, die an die Substantiierung eines PTBS-Leidens zu stellen seien.
II.
Der von der Klägerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG (grundsätzliche Bedeutung) rechtfertigt aus den mit dem Antrag genannten Gründen nicht die Zulassung der Berufung.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG kommt einer Rechtssache zu, wenn das erstrebte weitere Gerichtsverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechtsfragen oder im Bereich der Tatsachenebene nicht geklärten Fragen mit über den Einzelfall hinausreichender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts höhergerichtlicher Klärung bedürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - NJW 2009, 364; Bay. VGH, Beschl. v. 9.8.2011 - 13a ZB 11.30007 - AuAS 2011, 250). Das Darlegungsgebot nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG verlangt bei diesem Zulassungsgrund entweder in rechtlicher oder in tatsächlicher Hinsicht die Formulierung einer bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärten konkreten Frage und außerdem die Angabe, worin diese Bedeutung bestehen soll (BVerwG, Beschl. v. 6.7.2012 - 10 B 18.12 - juris). Schließlich muss dargelegt werden, warum die aufgeworfene konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage für das Verwaltungsgericht erheblich war und warum sie sich auch im Berufungsverfahren als entscheidungserheblich stellen würde (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.9.2009 - BvR 814/09 - NJW 2009, 3642; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24.9.2008 - 2 L 86/08 - NVwZ 2009, 192). Insoweit ist es erforderlich, dass die aufgeworfene Grundsatzfrage rechtlich derart aufbereitet wird, wie dies nach Maßgabe der Begründung in der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts erforderlich ist. Damit ist eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts notwendig, die verdeutlicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dem Klärungsbedarf nicht gerecht wird.
Wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Bereich der Tatsachenfeststellung geltend gemacht, erfordert das Darlegungsgebot insbesondere, dass die Antragsbegründung erkennen lässt, warum das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse in einer über den Einzelfall hinausgehenden Weise unzutreffend beurteilt haben soll, dass also z.B. einschlägige Erkenntnisquellen unberücksichtigt geblieben sind, das Gewicht einer abweichenden Meinung verkannt worden ist und die Bewertungen des Verwaltungsgerichts deshalb nicht haltbar sind (OVG Sachsen, Beschl. v. 18.9.2009 - A 1 A 498/09 - NVwZ-RR 2010, 167; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 21.3.2007 - 15 A 750/07.A - juris).
1. Die Klägerin hält zunächst die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam,
ob eine fehlende tiefe Überzeugung geeignet sein könnte, einen vom Islam zum Christentum übergetretenen Iraner auf eine Geheimhaltung seiner Religionszugehörigkeit oder sogar auf einen möglichen Übertritt wieder zurück zum Islam zu verweisen.
Sie trägt in diesem Zusammenhang vor, das Verwaltungsgericht habe behauptet, dass den Betroffenen ein Verschweigen, ein Verleugnen oder die Aufgabe der neuen Glaubenszugehörigkeit zur Vermeidung staatlicher oder nichtstaatlicher Repressionen im Heimatland zugemutet werden könne, wenn eine Konversion nicht auf einer glaubhaften Zuwendung zum christlichen Glauben im Sinne einer ernsthaften Gewissensentscheidung und nicht auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel mit einer Identitätsprägenden festen Überzeugung, sondern lediglich auf bloßen Opportunitätsgründen beruhe. Gegen diesen allgemeinen Rechtssatz bestünden durchgreifende die Berufung eröffnende Bedenken.
10 
Mit ihrem Vorbringen übersieht die Klägerin jedoch, dass die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage für das angestrebte Berufungsverfahren nicht entscheidungserheblich ist. Zur Beurteilung einer der Klägerin drohenden Verfolgung im Sinne des Art. 16a GG oder des § 60 Abs. 1 AufenthG aus religiösen Gründen kommt es nicht entscheidend darauf an, ob zum Zeitpunkt der Taufe der Klägerin eine ernsthafte Hinwendung zum Christentum stattgefunden hat. Wie der Senat schon mehrfach entschieden hat (vgl. Beschl. v. 23.4.2013 - 3 S 2022/12 -, v. 3.4.2013 - A 3 S 2021/12 -, v. 13.3.2013 - A 3 S 103/12 -, v. 25.2.2013 - A 3 S 3081/11 -, 17.9.2013 - A 3 S 2306/12 -), hätte er vielmehr in einem Berufungsverfahren in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 5.9.2012 - C-71/11 und C-99/11 - InfAuslR 2012, 444) und des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - InfAuslR 2013, 300) zu prüfen, ob im Hinblick auf die persönlichen Umstände der Klägerin vernünftigerweise anzunehmen ist, dass sie nach einer Rückkehr in ihr Herkunftsland dort religiöse Betätigungen vornehmen wird (so EuGH, a.a.O.) bzw. dort unterdrückte religiöse Betätigungen ihres Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um ihre religiöse Identität zu wahren (BVerwG, a.a.O.). Aus einer ernsthaften Hinwendung zum christlichen Glauben im Zeitpunkt der Taufe folgt jedoch noch nicht, dass diese Hinwendung fortdauern wird. Die Verwaltungsgerichte sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 9.12.2010 - 10 C 13.09 - BVerwGE 138, 289), des Senats (vgl. Beschl. v. 9.2.2010 - 3 S 474/08 -) und anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. nur OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 30.7.2009 - 5 A 982/07.A - juris) berechtigt und verpflichtet, das Vorliegen einer voraussichtlich andauernden christlichen Prägung des Konvertierten nachzuprüfen (a. A., soweit ersichtlich, nur VG Schwerin, Urt. v. 13.2.2013 - 3 A 1877/10 As - juris). Der formale, kirchenrechtlich wirksam vollzogene Übertritt zum Christentum in Gestalt der Taufe reicht für die Gewinnung der dafür erforderlichen Überzeugungsgewissheit im Regelfall nicht aus, insbesondere kommt ihm für die zu bildende Prognose keine bindende präjudizielle Wirkung zu (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 9.1.2014 - 2 S 1812/13 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 24.5.2013 - 5 A 1062/12.A - juris).
11 
2. Die Klägerin hält ferner die Tatsachenfrage für von grundsätzlicher Bedeutung,
12 
ob es einem in Deutschland abgelehnten und in den Iran abgeschobenen Asylbewerber möglich ist, seinen Übertritt zum Christentum zu verheimlichen.
13 
Das Verwaltungsgericht habe entscheidend darauf abgestellt, dass es der Klägerin zumutbar sei, ihren Übertritt zum Christentum zu verheimlichen, womit es vorausgesetzt habe, dass sie es allein in der Hand habe, dass ihr Glaubenswechsel im Iran nicht bekannt werde. Die dieser Annahme zugrunde liegende Tatsache, dass eine in Deutschland stattgefundene Taufe nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Iran bekannt würde, gehe angesichts eines hervorragend organisierten Spitzelnetzes des iranischen Regimes im Ausland fehl. Außerdem würden erfolglose Asylbewerber bei der Ankunft in den Iran einer Befragung auch dann unterzogen, wenn sie „legal“ ausgereist seien. Hierbei würden auch nach internationalen Standards unzulässige Befragungsmethoden angewandt.
14 
Der Tatsachenfrage fehlt es ebenfalls an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit (vgl. auch insoweit VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.4.2013 - 3 S 2022/12 -, v. 3.4.2013 - A 3 S 2021/12 -, v. 13.3.2013 - A 3 S 103/12 -, v. 25.2.2013 - A 3 S 3081/11 -, 17.9.2013 - A 3 S 2306/12 -). Da das Verwaltungsgericht eine dauerhafte Hinwendung der Klägerin zum Christentum nicht als glaubhaft erachtet hat, könnte die aufgeworfene Frage nur dann entscheidungserheblich sein, wenn allein der formale Akt des Übertritts zum christlichen Glauben im Ausland, auch wenn dieser nach einer Rückkehr in den Iran nicht mehr gelebt wird, Repressionen seitens des iranischen Staates nach sich zöge. Dafür benennt die Klägerin jedoch keine nachvollziehbaren Belege (anders auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.8.2012 - 13 A 1703/12.A -; Urt. v. 7.11.2012 - 13 A 1999/07.A - beide in juris). Sie zitiert zwar aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 4.11.2011, dass Konvertiten Verfolgung und Bestrafung bis hin zur Todesstrafe drohten, übersieht aber, dass es sich bei diesem Zitat um eine allgemeine Äußerung zur Religionsfreiheit im Iran handelt und dass es in demselben Lagebericht zur Situation der Christen heißt, Repressionen träfen missionierende Christen unabhängig davon, ob diese zuvor konvertiert seien.
15 
3. Schließlich ist nach Auffassung der Klägerin auch die Tatsachenfrage von grundsätzlicher Bedeutung,
16 
ob iranische Staatsangehörige, die nach erfolglosem Ausgang ihres Asylverfahrens in den Iran abgeschoben werden, einem beachtlichen Risiko unterliegen, dort bereits bei der Ankunft verhaftet und unter Folter zu ihrem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland befragt zu werden.
17 
Das Verwaltungsgericht habe - so die Klägerin - diese Frage ohne hinreichende Tatsachengrundlage verneint. Denn die letzte Rückführung aus Deutschland in den Iran habe im Mai 2010 stattgefunden. Sie berufe sich insoweit auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9.3.2010 (- 41827/07 - R.C. v. Sweden).
18 
Mit diesem Vorbringen wird die Klärungsbedürftigkeit der für rechtsgrundsätzlich angesehenen Tatsachenfrage nicht hinreichend dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung auf die Einschätzung des Auswärtigen Amts in den Lageberichten vom 18.3.2008, 23.2.2009, 28.7.2010, 27.2.2011 und 4.11.2011 gestützt, wonach allein die Stellung eines Asylantrags im Ausland keine staatlichen Repressionen nach der Rückkehr in den Iran auslöst. Dem setzt die Klägerin nur entgegen, diese Einschätzung entbehre einer hinreichenden Tatsachengrundlage, weil die letzte Rückführung aus Deutschland in den Iran im Mai 2010 stattgefunden habe. Belege für eine gegenteilige Einschätzung werden von ihr nicht genannt. Die von ihr angeführte Auskunft der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 18.8.2011 berichtet zwar von zwei namentlich genannten, nach Abschiebung misshandelten Rückkehrern in den Iran. Diese haben aber im Ausland nicht nur einen Asylantrag gestellt, sondern - anders als die Klägerin - sich dort auch regimekritisch politisch betätigt. Auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urt. v. 9.3.2010 - 41827/07 - R.C. v. Sweden), auf die die Klägerin sich beruft, hat eine Rückkehrgefährdung für den dortigen iranischen Beschwerdeführer nicht allein wegen seiner Asylantragstellung, sondern wegen des Zusammentreffens verschiedener Umstände, insbesondere auch einer individuellen Vorverfolgung des Beschwerdeführers angenommen. Eine Vorverfolgung der Klägerin hat das Verwaltungsgericht dagegen nicht als glaubhaft erachtet (vgl. zu alledem wiederum VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.4.2013 - 3 S 2022/12 -, v. 3.4.2013 - A 3 S 2021/12 -, v. 13.3.2013 - A 3 S 103/12 -, v. 25.2.2013 - A 3 S 3081/11 -, 17.9.2013 - A 3 S 2306/12 -).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO sowie § 83b AsylVfG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.