Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 22. Apr. 2015 - W 6 K 15.30041

bei uns veröffentlicht am22.04.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1. Der Kläger ist nach eigenen Angaben ein am ... 1976 geborene iranischer Staatsangehöriger. Er reiste am 29. Juli 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 30. Juli 2013 einen Asylantrag. Zur Begründung gab er im Wesentlichen an, er habe wegen der Äußerung religiöser Ansichten Schwierigkeiten an seiner Arbeitsstelle bekommen. Er habe sich schon im Iran dem christlichen Glauben zugewandt. Die Freien Christengemeinde K. teilte mit Schreiben vom 13. Februar 2014 und 5. Juni 2014 mit, der Kläger besuche seit geraumer Zeit die Gottesdienste. Er habe an einen Grundkurs des Glaubens teilgenommen und sei am 25. Mai 2014 getauft worden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat den Kläger angehört, hat aber bislang noch nicht über seinen Antrag entschieden. Der Klägerbevollmächtigte forderte die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. Januar 2015 unter Fristaufsetzung auf über den Asylantrag zu entschieden.

2. Am 31. Januar 2015 ließ der Kläger Klage erheben und beantragen:

Die Beklagte wird verpflichtet, innerhalb einer Frist von drei Monaten über den am 30. Juli 2013 gestellten Asylantrag zu entscheiden.

Zur Begründung ließ er im Wesentlichen ausführen, er habe eine Entscheidung angemahnt, die - laut Medien - derzeitige durchschnittliche Verfahrensdauer von 5,7 Monaten sei deutlich überschritten.

Mit Schriftsatz vom 6. April 2015 ließ der Kläger die positive Verbescheidung seines Asylantrags in allen Teilen beantragen. Zur Begründung ließ der Kläger ausführen: Der Kläger habe befürchten müssen, aufgrund seiner religiösen Überzeugung und der hierauf fußenden Meinungsäußerungen verhaftet zu werden. Er habe nachvollziehbar geschildert, wie er bereits im Iran in Kontakt mit dem christlichen Glauben gekommen sei. Dazu würden Handybilder von und mit der armenischen Christin „R.“ vorgelegt. Außerdem existierten zwei Videos. Der Kläger habe bei der Freien Christengemeinde K. an einem Grundkurs des Glaubens teilgenommen. Am 25. Mai 2014 sei er getauft worden ist. Er besuche regelmäßig die Gottesdienste, pflege Kontakt zu Gemeindemitgliedern, nehmen an Veranstaltungen mit anderen Christen zusammen teil, helfe mit beim Umbau der Gemeinderäume, bete und lese in der Bibel. Außerdem tausche er sich mit anderen Iranern im Asylheim aus. Aufgrund der Hinwendung zum christlichen Glauben, der Taufe und seiner Ausübung des christlichen Glaubens wäre der Kläger bei der Rückkehr in den Iran mit hinreichender Sicherheit religiöser Verfolgung ausgesetzt.

3. Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 12. Februar 2015,

die Untätigkeitsklage abzuweisen.

Zur Begründung wurde ausgeführt: Die derzeitige Situation sei bekannt. Es läge noch kein Uraltfall vor, wie Iran-Anträge aus dem Jahr 2012. Neben S. und Irak werde jetzt auch Kosovo priorisiert. Grundsätzlich könne auch im Fall von Untätigkeitsklagen keine bevorzugte Bearbeitung erfolgen. Das Verfahren des Klägers gehöre nicht zu den derzeit priorisierten Fällen.

4. Die Kammer übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 5. März 2015 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

Mit Beschluss vom 12. März 2015 bewilligte das Gericht dem Kläger unter Beiordnung seines Bevollmächtigten Prozesskostenhilfe.

In der mündlichen Verhandlung am 22. April 2015 nahm der Kläger den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter zurück. Das Gericht trennte diesen Klageteil ab, führte ihn in einem gesonderten Verfahren unter dem Az. W 6 K 15.30289 fort und stellte ihn infolge der Klagerücknahme auf Kosten des Klägers ein. Der Klägerbevollmächtigte beantragte sodann,

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;

hilfsweise, dem Kläger den subsidiären Schutz zuzuerkennen;

hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Das Gericht hörte den Kläger informatorisch an.

5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet.

1. Die Klage ist als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig. Denn die Beklagte hat über den Asylantrag des Klägers ohne zureichenden Grund bis Ende der mündlichen Verhandlung nicht entschieden. Der allgemeine Verweis der Beklagten auf die bekannte Situation und die derzeitige Arbeitsbelastung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, verbunden mit der Priorisierung anderer Fälle, reicht nicht als zureichender Grund aus, da bei einer permanenten Überlastung bestimmter Behörden ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung eines Antrags i. S. von § 75 Satz 3 VwGO grundsätzlich nicht anzunehmen ist, weil es in einem solchen Fall Aufgabe des zuständigen Bundesministeriums bzw. der Behördenleitung ist, für hinreichenden Ersatz zu sorgen und entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen (vgl. etwa VG Dresden, U. v. 13.2.2015 - A 2 K 3657/14 - juris; VG Düsseldorf, U. v. 30.10.2014 - 24 K 992/14.A - juris; VG Braunschweig, U. v. 8.9.2014 - 8 A 618/13). Vorliegendes gilt insbesondere dann, wenn die Behörde wie hier keine Perspektive für eine Entscheidung aufzeigt, so dass auf zunächst unbestimmte Zeit offenbleibt, wann überhaupt über den Antrag entschieden wird.

Die Klage ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt (teilweise) unzulässig, dass der Kläger mit seinem zuletzt gestellten Antrag nicht nur mehr die Verpflichtung der Behörde über Bescheidung seines Asylantrags geltend macht, sondern eine Durchentscheidung im Hinblick auf sein materielles Begehren (Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft) anstrebt. Eine solche Umstellung des Klageantrags ist als bloße Berichtigung bzw. als sachdienliche Klageänderung zulässig (VG Ansbach, B. v. 30.1.2015 - AN 14 K 14.00440 - juris; vgl. auch BayVGH, B. v. 11.2.2014 - 10 C 11.1680 - juris). Das Gericht sieht sich auch angesichts der Besonderheiten des Asylverfahrens jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung nicht gehindert, in der Sache durch zu entscheiden. Es geht überwiegend um gebundene Entscheidungen. Der Kläger wurde von der Beklagten angehört. Das Gericht lässt dahingestellt, ob es verpflichtet ist, die Sache spruchreif zu machen und durch zu entscheiden, jedenfalls hat es bei der hier gegebenen Konstellation die Möglichkeit des Durchentscheidens (ebenso VG Dresden, U. v. 13.2.2015 - A 2 K 3657/14 - juris; vgl. auch BayVGH, B. v. 11.2.2014 - 10 C 11.1680 - juris; anderer Ansicht VG Düsseldorf, U. v. 30.10.2014 - 24 K 992/14.A - juris; VG Braunschweig, U. v. 8.9.2014 - 8 A 618/13).

2. Die Klage ist mit dem zuletzt gestellten Antrag auch begründet. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylVfG). Über die hilfsweise gestellten Anträge zum subsidiären Schutz (§ 4 AsylVfG) bzw. zu den nationalen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) war nicht zu entscheiden.

2.1 Unter Berücksichtigung der aktuellen abschiebungsrelevanten Lage im Iran hat der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG.

Gemäß §§ 3 ff. AsylVfG darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Bedrohung liegt dann vor, wenn anknüpfend an Verfolgungsgründe wie die Religion (vgl. dazu Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 - so genannte Anerkennungsrichtlinie bzw. § 3b AsylVfG) Verfolgungshandlungen i. S. v. Art. 9 der Anerkennungsrichtlinie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (§ 3a AsylVfG). Eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit kann eine Verfolgungshandlung darstellen, wenn der Betreffende aufgrund der Ausübung dieser Freiheit tatsächlich Gefahr läuft, verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Dabei ist es nicht zumutbar, von seinen religiösen Betätigungen Abstand zu nehmen, um nicht verfolgt zu werden (EuGH, U. v. 5.9.2012 - C-71/11 und C-99/11 - ABl. EU 2012, Nr. C 331 S. 5 - ZAR 2012, 433).

2.2 Nach Überzeugung des Gerichts besteht für den Kläger aufgrund seiner Konversion vom Islam zum Christentum eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran.

Denn aufgrund der aktuellen Lage, welche sich aus den in den Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln ergibt, besteht im Iran für christliche Konvertiten, die ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen ausüben, die beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (vgl. im Einzelnen VG Würzburg, U. v. 11.7.2012 - W 6 K 11.30392) sowie verschiedener Obergerichte (vgl. OVG Saarl, U. v. 26.6.2007 - 1 A 222/07 - InfAuslR 2008, 183; BayVGH, U. v. 23.10.2007 - 14 B 06.30315 - DÖV 2008, 164; SächsOVG, U. v. 3.4.2008 - A 2 B 36/06 - juris; OVG NRW, U. v. 30.7.2009 - 5 A 982/07.A - EzAR-NF 62 Nr. 19 sowie U. v. 7.11.2012 - 13 A 1999/07.A - DÖV 2013, 323; HessVGH, U. v. 18.11.2009 - 6 A 2105/08.A - ESVGH 60, 248 - jeweils mit weiteren Nachweisen; kritischer OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 9.6.2011 - 13 A 947/10.A - DVBl. 2011, 1166 in einem gesondert gelagerten Einzelfall) unterliegen iranische Staatsangehörige, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, bereits dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung im Sinne des Art. 9 der Anerkennungsrichtlinie, wenn sie im Iran lediglich ihren Glauben ausüben und an öffentlichen Riten teilnehmen. Insgesamt betrachtet ist eine religiöse Betätigung von muslimischen Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, im Iran selbst im häuslich-privaten oder nachbarschaftlich kommunikativen Bereich nicht mehr gefahrlos möglich (vgl. HessVGH, U. v. 18.11.2009 - 6 A 2105/08 A - ESVGH 60, 248; B. v. 23.2.2010 - 6 A 2067/08.A - Entscheiderbrief 10/2010, 3; B. v. 11.2.2013 - 6 A 2279/12.Z.A - Entscheiderbrief 3/2013, 5).

2.3 Aufgrund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung besteht nach Überzeugung des Gerichts für den Kläger eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran, da der Kläger aufgrund einer tiefen inneren Glaubensüberzeugung lebensgeschichtlich nachvollziehbar den christlichen Glauben angenommen hat. Das Gericht ist weiterhin davon überzeugt, dass der Kläger aufgrund seiner persönlichen religiösen Prägung entsprechend seiner neu gewonnenen Glaubens- und Moralvorstellungen das unbedingte Bedürfnis hat, seinen Glauben auch in Gemeinschaft mit anderen Gläubigen öffentlich auszuüben, und dass er ihn auch tatsächlich ausübt. Das Gerichtet erachtet weiter als glaubhaft, dass eine andauernde christliche Prägung des Klägers vorliegt und dass er auch bei einer Rückkehr in den Iran seinen christlichen Glauben leben will. Das Gericht hat nach der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck, dass sich der Kläger bezogen auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nur vorgeschoben aus opportunistischen, asyltaktischen Gründen dem Christentum zugewandt hat. Die Würdigung der Angaben des Klägers zu seiner Konversion ist ureigene Aufgabe des Gerichts im Rahmen seiner Überzeugungsbildung gemäß § 108 VwGO (BayVGH, B. v. 9.4.2015 - 14 ZB 14.30444 - juris; NdsOVG, B. v. 16.9.2014 - 13 LA 93/14 - juris; VGH BW, B. v. 19.2.2014 - A 3 S 2023/12 - juris; OVG NRW, B. v. 11.11.2013 - 13 A 2252/13.A - AuAS 2013, 271).

Das Gericht ist nach informatorischer Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung sowie aufgrund der schriftlich vorgelegten Unterlagen davon überzeugt, dass dieser ernsthaft vom Islam zum Christentum konvertiert ist. So legte der Kläger ein persönliches Bekenntnis zum Christentum ab. Der Kläger schilderte weiter nachvollziehbar und ohne Widersprüche glaubhaft seinen Weg vom Islam zum Christentum, Inhalte des christlichen Glaubens und seine christlichen Aktivitäten. Die Schilderungen des Klägers sind plausibel und in sich schlüssig. Der Kläger legte verschiedene Unterlagen vor. In diesen Unterlagen werden die Taufe des Klägers, seine Konversion zum Christentum sowie seine christlichen Aktivitäten bestätigt. Außerdem bekräftigte seine christliche Gemeinde seine Angaben und den Eindruck einer ehrlichen und aufrichtigen Konversion zum Christentum.

Der Kläger hat glaubhaft seinen Weg vom Islam zum Christentum dargetan. Er gab an, im Iran als Moslem geboren zu sein und dort als Moslem gelebt, aber sich schon im Jahr 1993/1994 vom Islam entfernt zu haben. Der Kläger beschrieb in der mündlichen Verhandlung ausführlich die Umstände und seine Beweggründe für den Abfall vom Islam und die Hinwendung zum christlichen Glauben. Er erläuterte, dass er aus seinem täglichen Leben im Iran im Umgang mit dem Islam seinen seinerzeitigen Gott nicht verstanden habe. Dies sei ein Gott, der Strafe und Angst verbreite. Er habe Gott verloren, er habe in sich eine Leere gespürt. Er schilderte, wie er in Kontakt zu einer armenischen Christin gekommen sei und sich dadurch auch dem Christentum angenähert habe. Sie habe auch ca. sieben bis acht Hauskreise in den ca. sechs Monaten vor seiner Ausreise vermittelt. Außerdem habe ein besonderes Erlebnis gehabt, als er mit der armenischen Christin eine christliche Kirche besucht habe. Er habe ein Kreuz berührt und sich dabei mit einer Bitte an Jesus Christus gewandt. Weiter erläuterte der Kläger seinen Kontakt zum Christentum in Deutschland, erst in Zirndorf bzw. in Fürth und dann bei der Freien Christengemeinde in K. Er habe auf Empfehlung des dortigen Pastors auf seinen Taufwunsch hin zunächst einen mehrmonatigen Vorbereitungskurs besucht. Danach habe er ein persönliches Gespräch mit dem Pastor geführt. Der in der mündlichen Verhandlung anwesende Pastor bestätigt das Gespräch und dessen Sinn in der Überprüfung der Ernsthaftigkeit der Glaubenskonversion. Am 25. Mai 2014 erfolgte die Taufe als Ganzkörpertaufe im M. Er, der Kläger, lese im Übrigen regelmäßig in der Bibel und besuche sonntags die Gottesdienste.

Besonders zu erwähnen ist in dem Zusammenhang, dass der Kläger seinen Glauben nicht nur öffentlich und nach außen hin lebt, sondern dass er sich auch für seinen Glauben engagiert. So gab er glaubhaft an, fürs Christentum geworben und erfolgreich missioniert zu haben. Der Kläger räumte ein, dass Moslems sensibel seien, was das Thema Christentum anbelange. Er versuche aber, mit ihnen über das Christentum zu reden und mit der Zeit näher darauf einzugehen. In einem Fall habe er schon erfolgreich missioniert, in einem anderen sei er noch im Gespräch. Seinen Eltern habe er mitgeteilt, dass er die christliche Kirche besuche. Diese hätten auch festgestellt, dass er ruhiger und gelassener geworden sei. Er gab an, er wolle sie jetzt langsam über seine Konversion informieren. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der christlichen Aktivitäten des Klägers schon im Iran vor seiner Ausreise wird der Eindruck bestätigt, dass der Kläger bei seiner Glaubensbetätigung auch nicht vor seiner Heimat Halt macht, was für eine nachhaltige und ehrliche Konversion sowie für eine entsprechende Glaubensbetätigung auch bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran spricht.

Der Kläger verdeutlichte in der mündlichen Verhandlung des Weiteren plausibel und glaubhaft seine Beweggründe für die Abkehr vom Islam und die Hinwendung zum Christentum. In dem Zusammenhang legte er - in seinen Worten und in seinem Verständnis - auch zentrale Elemente des christlichen Glaubens als für sich wichtig dar. Gerade mit seinen Aussagen zur Stellung von Jesus Christus im Christentum sowie zur Erbsünde machte der Kläger zentrale Elemente des christlichen Glaubens und den fundamentalen Unterschied zwischen Islam und Christentum deutlich und zeigte, dass er dies verinnerlicht hat. Er erklärte, im Islam würden die Taten nach dem Tode beurteilt. Beim Christentum würden alle Sünden bereinigt. Das Christentum sei eine Religion der Liebe und Zuneigung. Man habe einen direkten Kontakt zu Gott. Jesus Christus sei der Sohn Gottes. Gott habe seinen Sohn geopfert, damit unsere Sünden bereinigt würden. Mohammed sei ein Prophet; Jesus Christus sei von den Toten auferstanden. Jesus Christus sei der Sohn Gottes. Er sei über den Heiligen Geist in den Körper eines Menschen auf die Erde gekommen. Es gebe im Christentum nur einen Gott mit drei Persönlichkeiten: Heiliger Geist, Jesus Christus und Gott Vater. Das nenne man die Dreieinigkeit. Die Sünde komme daher, dass Adam das verbotene Obst zu sich genommen habe. So seien alle Menschen zu Sündern geworden.

Der Kläger offenbarte weiter konkrete wesentliche Glaubensinhalte und Glaubenskenntnisse, die seine Glaubensentscheidung und seinen Gewissensschritt zusätzlich belegen. Der Kläger benannte in dem Zusammenhang einzelne christliche Feiertage und die Zehn Gebote. Des Weiteren kannte der Kläger auch christliche Gebete, wie das „Vater unser“. Der Kläger bezog sich zudem auf die Bibel und auf einzelne Bibelstellen.

Der Kläger erklärte, er könne sich nicht vorstellen, zum Islam zurückzukehren. Er sei vom Islam abgefallen. Der einzige Weg der Rettung sei das Christentum. Der Kläger gab weiter glaubhaft an, dass er bei einer theoretischen Rückkehr in den Iran seine Konversion nicht verheimlichen könne. Er verwies auf seine Vorfluchtgeschichte bei der Arbeitsstelle. Jesus Christus habe gesagt, man solle seinen Glauben nicht leugnen und sein Licht nicht verstecken. Wenn man an einen Ort komme, an dem man nicht gegrüßt werde, solle man den Staub von der Hose wischen und an einen anderen Ort gehen. Wenn es künftig bei einer anderen Regierung im Iran keine Verfolgung des Christentums mehr gebe, könne er dort leben und seine Religion ausüben.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das gesamte Verhalten des Klägers vor und nach seiner Ausreise im Zusammenhang mit der Konversion zum Christentum sowie die von ihm vorgetragenen Glaubensinhalte und Glaubenskenntnisse über die christliche Religion - auch in Abgrenzung zum Islam - eine ehrliche Konversion glaubhaft machen und erwarten lassen, dass der Kläger bei einer angenommenen Rückkehr in seine Heimat seiner neu gewonnenen Religion entsprechend leben würde. Der Kläger hat lebensgeschichtlich nachvollziehbar seine Motive für die Abkehr vom Islam und seine Hinwendung zum christlichen Glauben dargestellt. Er hat seine Konversion anhand der von ihm gezeigten Glaubenskenntnisse über das Christentum und durch seine Glaubensbetätigung gerade auch in Bezug zur Öffentlichkeit nachhaltig und glaubhaft vorgebracht. Der Eindruck einer ernsthaften Konversion wird dadurch verstärkt, dass der Kläger missionarische Aktivitäten entwickelt, indem er bei anderen für den christlichen Glauben wirbt. Weiter ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger bei einer theoretischen Rückkehr in den Iran seine Konversion verheimlichen würde, da prognostisch von einer andauernden christlichen Prägung auszugehen ist. Abgesehen davon, kann einem Gläubigen nicht als nachteilig entgegengehalten werden, wenn er aus Furcht vor Verfolgung auf eine Glaubensbetätigung verzichtet, sofern die verfolgungsrelevante Glaubensbetätigung wie hier die religiöse Identität des Schutzsuchenden kennzeichnet. Ein so unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungener Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen und hindert nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - BVerwGE 146, 67; Berlit, juris, Praxisreport-BVerwG 11/2013, Anm. 1; Marx, Anmerkung, InfAuslR 2013, 308). Umgekehrt kann einem Gläubigen von den deutschen Behörden bzw. Gerichten nicht zugemutet werden, bei einer Rückkehr in den Iran von seiner religiösen Betätigung Abstand zu nehmen, um nicht verfolgt zu werden (EuGH, U. v. 5.9.2012 - C-71/11 und C-99/11 - ABl. EU 2012, Nr. C 331 S. 5 - ZAR 2012, 433).

Der Kläger hat insgesamt durch sein Auftreten in der mündlichen Verhandlung und durch die Darlegung seiner Beweggründe nicht den Eindruck hinterlassen, dass er nur aus opportunistischen und asyltaktischen Gründen motiviert dem christlichen Glauben nähergetreten ist, sondern aufgrund einer ernsthaften Gewissensentscheidung und aus einer tiefen Überzeugung heraus den religiösen Einstellungswandel vollzogen hat. Dieser Eindruck erhärtet sich durch das schriftliche Vorbringen sowie die vorgelegten Unterlagen.

Dazu tragen auch die überzeugenden Ausführungen seines Beistands, des Pastors seiner Kirchengemeinde, in der mündlichen Verhandlung bei. Dieser erklärte, er sei überzeugt, dass der Kläger wirklich zum Christentum konvertiert sei und das Christentum liebe. Diese Überzeugung komme aus den Gesprächen mit dem Kläger sowie aus seinem Verhalten im täglichen Leben und aus Hausgesprächen mit anderen Gemeindemitgliedern, mit denen der Kläger Kontakt habe. Der Kläger komme und stelle auch Glaubensfragen. Er berichte, wenn er Gott im Leben verspürt habe. Das Ganze bestätige seinen Eindruck, dass der Kläger wirklich Christ sei.

2.4 Nach § 28 Abs. 1a AsylVfG kann sich ein Kläger bzw. eine Klägerin bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG auch auf Umstände stützen, die nach Verlassen des Herkunftslandes entstanden sind. Dies gilt gerade, wenn wie hier vorliegend ein Iraner seine religiöse Überzeugung aufgrund ernsthafter Erwägungen wechselt und nach gewissenhafter Prüfung vom Islam zum Christentum übertritt (Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 28 AsylVfG Rn. 17).

Nach alledem ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG zuzuerkennen. Über die hilfsweise gestellten Antrag zum subsidiären Schutz (§ 4 AsylVfG) bzw. zu den nationalen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) war nicht zu entscheiden (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG).

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.

Zur Klarstellung wird im Hinblick auf die erhobene und nach Klagerücknahme und Abtrennung im gesonderten Verfahren W 6 K 15.30289 eingestellte Asylklage betreffend die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten darauf hingewiesen, dass das Gericht in der Sache eine entsprechende Anwendung von § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO für angemessen hält, da der zurückgenommene Teil der Klage durch die weitgehende Angleichung des Flüchtlingsstatus an die Rechtstellung des Asylberechtigten kostenmäßig nicht ins Gewicht fällt (HessVGH, U. v. 21.9.2011 - 6 A 1005/10.A - EzAR-NF 63 Nr. 4; VG Würzburg, B. v. 12.9.2011 - W 6 M 11.30245 - juris).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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Verwaltungsgericht Köln Urteil, 18. März 2016 - 3 K 2531/15.A

bei uns veröffentlicht am 18.03.2016

Tenor Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1T a t b e s t a n d 2Die am 00.00.1987 im Irak in der Stadt Adna

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 5. August 2013, unter Abänderung des Bescheides vom 19. Mai 1995 in der Person der Klägerin Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen, zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Klägerin und die Beklagte jeweils zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.


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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Änderung seines Vornamens durch Hinzufügen eines weiblichen Vornamens.

Mit Schreiben vom 1. Oktober 2013 beantragte der Kläger beim Standesamt der Beklagten die Ergänzung seines Vornamens durch den weiblichen Vornamen „...“. Zur Begründung führte der Kläger an, sich gleichermaßen männlich und weiblich zu fühlen. Im Rahmen der Therapie einer fachärztlich diagnostizierten Identitätsstörung habe sich herausgestellt, dass es für den Kläger enorm wichtig sei, den weiblichen Vornamen „...“, mit dem sich der Kläger identifiziere, auch offiziell führen zu können. Eine Geschlechtsumwandlung sei nicht beabsichtigt, vielmehr sei es Ziel des Klägers, beide Geschlechter gleichberechtigt leben zu können.

Die Beklagte lehnte die begehrte Namensänderung mit nicht datiertem Schreiben im Oktober 2013 mit der Begründung ab, dass ein wichtiger Grund für die Namensänderung nicht vorliege und das Namensänderungsgesetz bei männlichen Personen die Hinzufügung eines weiblichen Vornamens nicht vorsehe.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 3. Dezember 2013 Widerspruch bei der Beklagten. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine Störung der Geschlechtsidentität als psychische Erkrankung einen wichtigen Grund für die Änderung des Vornamens begründe. Als Transvestit lebe er phasenweise als Mann und als Frau. Um als Frau im Rechtsverkehr auftreten zu können, müsse ein weiblicher Vorname in die Personenstandsdaten mit aufgenommen werden. Die Ablehnung der Namensänderung verletze sein Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit.

Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 20. März 2014 erhob der Kläger Untätigkeitsklage auf Erlass eines Widerspruchsbescheides.

Die Beklagte ist der Klage mit Schriftsatz vom 10. April 2014 mit dem Hinweis entgegengetreten, dass nach Art. 15 Abs. 2 AGVwGO ein Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid nicht statthaft sei.

Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 18. April 2014 verfolgt der Kläger seine Klage als Verpflichtungsklage weiter.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Oktober 2013 zu verpflichten, den Vornamen des Klägers zu ändern und im Personenstandsregister des Klägers den zweiten Vornamen „...“ einzutragen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt, die Hinzufügung eines weiblichen Vornamens sei bei männlichen Personen gemäß Nr. 67 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen nicht möglich. Das Personenstandsrecht, die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung und auch das Transsexuellengesetz gingen davon aus, dass im Vornamen die Zuordnung zu einem Geschlecht zum Ausdruck kommen müsse. Eine Korrektur personenstandsrechtlicher Grundentscheidungen durch das Namensänderungsrecht komme dagegen nicht in Betracht.

Mit Schriftsätzen vom 14., 15., 27. und 28. Januar 2015 trägt der Klägerbevollmächtigte unter Verweis auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Dezember 2008 (Az. 1 BvR 576/07) und des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2000 (Az. 8 A 3628/00) weiter vor, der Hinzufügung eines 2. Vornamens stehe die Kennzeichnungsfunktion des Namens nicht entgegen, und ein Erfordernis der geschlechtsspezifischen Namensgebung bestehe nach dem Gesetz nicht. Eine gesetzliche Grundlage für die Verwaltungspraxis, nur weibliche oder nur männliche Vornamen einzutragen, existiere nicht. Eine Registerverwirrung oder Beeinträchtigung des Rechtsverkehrs sei im Hinblick auf das Beibehalten des männlichen Vornamens nicht zu befürchten. Die Realität der Namensgebung habe sich gewandelt. Im Hinblick auf die Eintragung des Geschlechts im Geburtsregister sei eine geschlechtsspezifische Namensgebung nicht erforderlich und im Gesetz nicht vorgesehen.

Die Beklagte trägt mit Schriftsatz vom 23 Januar 2015 vor, geschlechtswidrige Vornamen seien auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts weiterhin familien- und personenstandsrechtlich unzulässig. Ein diesem Grundsatz widersprechender späterer Namenswechsel bedürfe einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Kläger hat die auf Erlass eines Widerspruchsbescheids erhobene Untätigkeitsklage in zulässiger Weise als statthafte Verpflichtungsklage fortgeführt. Offen bleiben kann dabei, ob es sich um eine bloße Berichtigung des Klageantrags (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 91 RdNr. 9) oder um eine Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO handelt, da eine solche sachdienlich ist und die Beklagte sich auch zu dem neuen Klagebegehren eingelassen hat.

Die Klage ist somit als Verpflichtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere wegen unterbliebener Rechtsbehelfsbelehrung im ablehnenden Bescheid vom Oktober 2013 fristgemäß erhoben (§ 58 Abs. 2, § 74 Abs. 1 VwGO).

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Entscheidung der Beklagten vom Oktober 2013, der erkennbar die Regelungswirkung einer Ablehnung der begehrten Namensänderung beizumessen ist, ist im Ergebnis zu Recht erfolgt und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf die begehrte Namensänderung durch Hinzufügung des weiblichen Vornamens „...“. Das klägerische Begehren, dem bestehenden männlichen Vornamen den weiteren, weiblichen Vornamen „...“ hinzuzufügen, stützt sich auf § 11 i. V. m. § 3 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen v. 5.1.1938 (RGBl I 1938, 9), zul. geändert d. G v. 17.12.2008 (BGBl. I S. 2586) (NamÄndG). Auch das Hinzufügen weiterer Vornamen zu einem bereits geführten Vornamen ist eine Vornamensänderung im Sinne des Gesetzes (vgl. BVerwG, U. v. 26.03.2003 – 6 C 26/02 - juris).

Nach § 3 Abs. 1 NamÄndG darf die zuständige Verwaltungsbehörde den Familiennamen eines deutschen Staatsangehörigen auf Antrag abändern, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt.

Bei dieser Voraussetzung handelt es sich um einen gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung es darauf ankommt, ob das schutzwürdige Interesse des Antragstellers an der Namensänderung so wesentlich ist, dass die in der sozialen Ordnungsfunktion des Namens zusammengefassten Interessen der Allgemeinheit, die in der Regel die Beibehaltung des bisherigen Namens fordern, zurücktreten müssen. Ein wichtiger Grund im Sinne der Vorschrift liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 11.1.2011 – 6 B 65/10 u.a. – juris Rn. 5; B.v. 17.5.01 – 6 B 23/01 – Buchholz 402.10 § 3 NamÄndG Nr. 76; B.v. 27.9.93 – 6 B 58/93 – Buchholz 402.10 § 11 NamÄndG Nr. 4, S. 5; B.v. 1.2.89 – 7 B 14/89 – Buchholz 402.10 § 11 NamÄndG Nr. 3, S.3) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B. v. 4.11.2014 – 5 C 14.2016 - juris Rn. 5; B.v. 22.7.10 – 5 ZB 10.406 – juris Rn. 5; U.v. 28.10.2004 – 5 B 04.692 – juris Rn.15; U.v. 27.11.00 – 5 B 99.2679 – juris Rn. 14 m.w.N.) dann vor, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers an der Führung des neuen Namens Vorrang hat vor den in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden Grundsätzen der Namensführung, zu denen neben der Ordnungsfunktion des Namens und sicherheitsrechtlichen Interessen auch die Identifikationsfunktion des Namens gehört, die nach Namenskontinuität verlangt, weshalb der Name nicht jeder Änderung der Verhältnisse anzupassen ist. Das Interesse an der Namenskontinuität besteht vornehmlich darin, den Namensträger zu kennzeichnen und diesem sein Verhalten auch in Zukunft ohne weitere Nachforschung zurechnen zu können.

Nach § 11 NamÄndG ist die Regelung des § 3 Abs. 1 NamÄndG über die Änderung von Familiennamen auch auf die Änderung von Vornamen anzuwenden. Eine freie Abänderbarkeit des Vornamens ist gesetzlich nicht vorgesehen; auch das in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung steht der gesetzlichen Forderung, Vornamen nur aus wichtigem Grund zu ändern, nicht entgegen (vgl. BVerwG, B. v. 9.11.1988 – 7 B 167.88 – juris m. w. N.). Von der Änderung des Familiennamens unterscheidet sich die Änderung des Vornamens nur insoweit, als den öffentlichen Interessen, auf die bei der Änderung eines Vornamens Bedacht zu nehmen ist, ein geringeres Gewicht zukommt als dem öffentlichen Interesse am unveränderten Fortbestand eines Familiennamens (vgl. BVerwG, a. a. O.; so auch Nr. 62 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen - NamÄndVwV). Gleichwohl steht auch der Vorname nicht zur freien Verfügung des Namensträgers, da insoweit ebenfalls ein – wenngleich geringer ausgeprägtes - öffentliches Interesse an der Beibehaltung des überkommenen Namens besteht. Mit der Eintragung eines Vornamens in das Geburtenbuch ist dieser grundsätzlich unabänderlich geworden und kann nur nach Maßgabe des öffentlich-rechtlichen Namensänderungsrechts geändert werden. Ein lediglich einsehbarer, verständiger Grund genügt mithin nicht, eine Namensänderung zu begründen (vgl. Säcker, Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 12 Rn. 224). Der Vorname hat die soziale Funktion, den jeweiligen Namensträger zu kennzeichnen, ihn von anderen Personen mit demselben Familiennamen zu unterscheiden und eine Identitätsfindung und Individualisierung zu ermöglichen. Dass in Bezug auf den Vornamen ebenfalls ein Interesse an Namenskontinuität besteht, wird aus der Kennzeichnungs- und Zurechnungsfunktion des Namens deutlich (vgl. § 111 OWiG, der den Vornamen miteinbezieht). Der Grundsatz der Namenskontinuität ist bei Hinzufügung eines weiteren Vornamens unter Beibehaltung des bisherigen Vornamens auch insofern tangiert, als es eine Unterscheidung zwischen sogenannten Rufnamen und „zweiten Vornamen“ nicht gibt, so dass mehrere Vornamen gleichermaßen geführt werden können. Insofern sind Belange des Rechtsverkehrs auch bei Hinzufügen eines weiteren Vornamens berührt.

Bei der Auslegung des Begriffs „wichtiger Grund“ ist zu berücksichtigen, dass die Bestimmungen des Namensänderungsgesetzes Ausnahmecharakter haben. Sie dienen dazu, Unzuträglichkeiten im Einzelfall zu beseitigen, nicht aber dazu, die gesetzlichen Wertungen des zivilrechtlichen Namensrechts oder des Personenstandsrechts zu revidieren (vgl. BayVGH, B. v. 4.11.2014 – 5 C 14.2016 - juris; BVerfG v. 17.9.2008 – 1 BvR 1173/08 – juris; OVG Lüneburg, B. v. 26.3.2008 - 11 LA 345/07 - juris). Die nur in besonderen Ausnahmefällen vorgesehene Abänderbarkeit des Vornamens stellt sich gewissermaßen als „restriktive Kehrseite“ des freien Namensgebungsrechts der Eltern bei Geburt eines Menschen dar, das aus dem Recht der elterlichen Sorge resultiert und nur durch eine Beeinträchtigung des Kindeswohls eine Begrenzung erfährt (vgl. zum elterlichen Namensgebungsrecht BVerfG, B. v. 5.12.2008 – 1 BvR 576/07 – juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen liegt im vorliegenden Verfahren kein wichtiger Grund zur Änderung des bisher männlichen Vornamens in einen geschlechtsdivergierenden Vornamen durch Hinzufügung eines weiblichen Vornamens vor. Der begehrten Namensänderung steht der Ausnahmecharakter des öffentlich-rechtlichen Namensänderungsrecht sowie der Grundsatz der Namenskontinuität und das der Kennzeichnungsfunktion des Namens entsprechende Verbot einer geschlechtswidrigen Namensgebung entgegen.

Für das Namensgebungsrecht der Eltern hat das Bundesverfassungsgericht zwar entschieden, dass mangels einer gesetzlichen Regelung keine Begrenzung der elterlichen Vornamensgebung auf einen geschlechtsbezogenen Namen existiere, solange eine geschlechtsspezifische Identifikation des Kindes mit dem Vornamen möglich sei (vgl. BVerfG, B. v. 5.12.2008 – 1 BvR 576/07 – juris). Dies bedeutet, dass der gewählte Vorname nicht eindeutig über das Geschlecht des Namensträgers informieren muss, mithin geschlechtsoffen formuliert sein kann. Aus dem Gebot, dass der gewählte Name eine geschlechtsspezifische Identifikation ermöglichen muss, lässt sich jedoch die Schlussfolgerung ziehen, dass kein Vorname bestimmt werden darf, der dem Geschlecht des Namensträgers eindeutig widerspricht (so auch Wendt, Eingriff in das Recht auf Vornamenswahl, FPR 2010, 12 ff.). Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur geschlechtsoffenen elterlichen Namensgebung, die sich darauf gründet, dass auch ein geschlechtsoffener Vorname die Entwicklung der Individualität und geschlechtsspezifischen Identität ermöglicht, lässt sich daher nicht auf eine geschlechtsdivergierende Namensführung im Wege der öffentlich-rechtlichen Namensänderung übertragen. Soweit das Bundesverfassungsgericht ausführt, dass mangels einer gesetzlichen Regelung keine Begrenzung der elterlichen Vornamenswahl auf einen geschlechtsbezogenen Namen existiert (vergleiche BVerfG, a. a. O.), steht diese Entscheidung nicht im Widerspruch zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1968, wonach der Vorname dem im Geburtenbuch eingetragenen Geschlecht entsprechen muss, und männliche Personen auch im Wege der Namensänderung grundsätzlich keine weiblichen Vornamen erhalten dürfen (vgl. BVerwG, U. v. 6.12.1968 – VII C 33.67 – juris). Wenngleich die Namensgebung einer stetigen Entwicklung unterliegt, entspricht diese Rechtsprechung ohne eine ausdrückliche gesetzliche Normierung über die Möglichkeit einer geschlechtsdivergierenden Namensgebung auch der heutigen Rechtslage.

Ein wichtiger Grund für eine Vornamensänderung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig zu verneinen, wenn die angestrebte Namensführung ihrerseits wieder einen nahe liegenden Grund für eine spätere Namensänderung setzen würde oder den allgemein anerkannten Grundsätzen der Vornamensgebung, namentlich hinsichtlich der Kennzeichnung der Geschlechtszugehörigkeit, widersprechen würde (BVerwG, U. v. 26.3.2003 – 6 C 26/02 – juris unter Verweis auf BVerwG, U. v. 6.12.1968 - 7 C 33.67 - BVerwGE 31, 130/131; BGH, B. v. 17. 1.1979 - IV ZB 39/78 - BGHZ 73, 239/243). Das Hinzufügen eines weiteren Vornamens des anderen Geschlechts aus rein persönlichen Gründen kann einen wichtigen Grund zur Namensänderung nicht begründen (vgl. VG Trier, U. v. 7.7.2014 – 6 K 392/14.TR -, BeckRS 2014, 55485). Die Tatsache, dass sich der Kläger aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung mit dem weiblichen Vornamen „...“ identifiziert, vermag kein das öffentliche Interesse überwiegendes, schutzwürdiges Interesse des Klägers an der Namensänderung zu begründen.

Allein das langjährige Führen eines eigenmächtig gewählten und nunmehr beantragten Vornamens im Verwandten- und Bekanntenkreis und die Identifikation mit diesem Namen stellt keinen wichtigen Grund im Sinne von §§ 11, 3 Abs. 1 S. 1 NamÄndG dar (vgl. BVerwG, B. v. 1.2.1989 – 7 B 14/89 – juris). Das Selbstverständnis des Namensinhabers, dass der beantragte Name dem Identitätsverständnis entspricht, kann insofern nicht genügen, als ansonsten die Namensgebung ins Belieben des jeweiligen Namensträgers gestellt wäre und damit die gesetzliche Grundentscheidung, demzufolge es keine freie Abänderbarkeit des Vornamens gibt, aufgehoben würde (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 22.5.2007 – OVG 5 N 71.05 – und B. v. 2.10.2012 – OVG 5 N 29.09 –; BayVGH 25.4.2002 – 5 ZB 01.2014 - jeweils juris). Der Umstand, dass jemand schon mehrere Jahre einen nicht eingetragenen Namen führt, kann für sich gesehen eine Namensänderung nicht ohne weiteres rechtfertigen, da anderenfalls eine Namensänderung durch eine vorausgegangene personenstandsrechtlich nicht legitimierte Führung des erstrebten Namens mehr oder weniger erzwungen werden könnte (vgl. OVG NRW, U. v. 8.12.2000 – 8 A 3628/00). Die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, wonach bei einer seit Geburt bestehenden Divergenz zwischen Rufnamen und eingetragenem Namen und der zum Zeitpunkt der Geburt bestehenden rechtlichen Unmöglichkeit, den kurdischen Rufnamen in der Türkei als Vornamen eintragen zu lassen, ausnahmsweise von einem wichtigen Grund für die Namensänderung auszugehen ist (vgl. OVG NRW a. a. O.), lässt sich auf den vorliegenden Fall der Wahl eines weiblichen Zweitnamens im Erwachsenenalter nicht übertragen. Es ist in Fällen der selbst gewählten Verwendung von Pseudonymen, Kosenamen oder abweichenden Namensformen grundsätzlich zumutbar, eine Divergenz zwischen der tatsächlichen Gebrauchsform und der amtlichen Form des Namens hinzunehmen.

Auch die geltend gemachte krankhafte Störung der Geschlechtsidentität sowie die weiteren psychischen Erkrankungen des Klägers führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Zwar kann nach der Rechtsprechung eine erhebliche seelische Belastung und Persönlichkeitsstörung als wichtiger Grund angesehen werden, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist (BVerwG, B.v. 11.1.2011 – 6 B 65/10 u.a. –; OVG Hamburg, U. v. 14.9.2010 – 3 Bf 207/08 – jeweils juris). Wird eine Namensänderung aus psychiatrischer Sicht befürwortet, so lässt dies jedoch nicht schon per se die Schlussfolgerung zu, es läge eine an einen wichtigen Grund geknüpfte Ausnahme vom Grundsatz der Namenskontinuität vor (vgl. BayVGH, B. v. 21.1.2009 – 5 C 08.3193 – juris). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das öffentlich-rechtliche Namensänderungsrecht unter Berücksichtigung der Wahrung der Namenskontinuität nicht dazu berufen sein kann, krankhaften Veränderungen, die nicht statisch feststehend, sondern dynamisch sein können, zu begegnen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt die vorliegend gebotene Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden schutzwürdigen Interessen, dass ein Übergewicht der für die Änderung des Namens des Klägers sprechenden Interessen nicht besteht.

Die Ablehnung der begehrten Namensänderung verletzt den Kläger auch nicht in seinem Grundrecht auf freie Persönlichkeitsentfaltung nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das Grundrecht der freien Persönlichkeitsentfaltung aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sichert jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, der die sexuelle Selbstbestimmung des Menschen und damit das Finden und Erkennen der eigenen geschlechtlichen Identität sowie der eigenen sexuellen Orientierung mit umfasst (BVerfG, B. v. 6.12.2005 - 1 BvL 3/03 – juris). In diesem Zusammenhang erfährt der Vorname eines Menschen zum einen als Mittel zu seiner Identitätsfindung und Entwicklung der eigenen Individualität und zum anderen als Ausdruck seiner erfahrenen oder gewonnenen geschlechtlichen Identität Schutz (vgl. BVerfG, a. a. O.). Es gehört somit zum intimsten Bereich der Persönlichkeit, dass der geführte Vorname die eigene Geschlechtszuordnung widerspiegelt. Dementsprechend hat der Gesetzgeber in § 1 des Transsexuellengesetzes (TSG) eine gerichtliche Änderungsmöglichkeit des Vornamens vorgesehen, wenn sich eine Person auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet, seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, und mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird. Diese gesetzliche Regelung lässt indes keine Rückschlüsse auf die vorliegende Fallgestaltung einer krankhaften Störung der Geschlechtsidentität im Sinne einer Identifikation mit beiden Geschlechtern und einer angestrebten Namensänderung im Wege des öffentlich-rechtlichen Namensänderungsrechts zu. Denn im vorliegenden Verfahren führt der Kläger einen männlichen Namen, mit dem er sich auch identifiziert. Seine Namensführung entspricht somit - zumindest auch – seiner empfundenen sexuellen Identität soweit im Attest der Facharztpraxis für (Sozial-) Psychiatrie, Psychotherapie Dr. ... vom 28. November 2014 ausgeführt wird, weil das Transsexuellengesetz nicht greife, so zur erheblichen Minderung des extremen Leidensdruckes die Vergabe eines weiblichen Vornamens erforderlich, genügt das nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der oben dargestellten Sach- und Rechtslage nicht, um das Vorliegen eines wichtigen Grundes bejahen zu können. Etwaige andere Maßnahmen sind hier schon zu wenig substantiiert, so dass auch keine Veranlassung bestand, aus Gründen der Amtsermittlung hier ein darüber hinausgehendes Gutachten in Auftrag zu geben. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ist daher nicht ersichtlich.

Das öffentlich-rechtliche Namensänderungsverfahren kann indes nur Unzuträglichkeiten im Einzelfall begegnen und ist zu grundlegenden Korrekturen des Namensrechts nicht berufen. Zwar besteht keine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Namensgebung. Diese Regelungsfreiheit entspricht dem im Rahmen des Kindeswohls grundsätzlich freien, dem Recht der elterlichen Sorge entspringenden Recht der Eltern zur Bestimmung des Vornamens ihres Kindes. Gleichwohl ist aus der Identifikationsfunktion des Namens erkennbar, dass das ein Vorname regelmäßig einen – wenn zwar nicht eindeutigen, so doch zumindest offenen – Geschlechtsbezug aufweist, von dem auch die Regelung des § 1 TSG ausgeht. Der tradierte Grundsatz der Geschlechtsoffenkundigkeit, der sich von einer positiven Geschlechtsoffenkundigkeit im Sinne eines eindeutigen Geschlechtsbezugs des Vornamens zu einer negativen Geschlechtsoffenkundigkeit dergestalt gewandelt hat, dass der gewählte Vorname eine Identifikation mit dem jeweiligen Geschlecht nicht unmöglich machen darf, steht einer geschlechtswidrigen Vornamenswahl entgegen (vgl. v. Sachsen/Gessaphe, Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 1618 Rn. 9; Grünberger, von Bernhard Markus Antoinette zu Anderson Bernd Peter, AcP 207 (2007), 314/336). Die Änderung des Namens durch Hinzufügung eines Vornamens, der der im Geburtenbuch eingetragenen Geschlechtsbezeichnung widerspricht, ist wegen Widerspruchs zur Kennzeichnungsfunktion des Namens daher nicht zulässig.

Die deutsche Rechtsordnung, auch das Transsexuellengesetz, geht von der Dichotomie der Geschlechter aus. Das Grundgesetz unterscheidet in Art. 3 Abs. 2 S. 1 zwischen den beiden Geschlechtern männlich und weiblich. Nach den Vorstellungen des Bürgerlichen Gesetzbuches ist jeder Mensch einem der beiden Geschlechter zuzuordnen. Dieser bipolare Geschlechtsbegriff liegt ebenso dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG zu Grunde, nach dem an das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelungen nur zulässig sind, soweit sie zur Lösung von Problemen zwingend erforderlich sind, die ihrer Natur nach nur bei Männern oder Frauen auftreten können. Das Merkmal „Geschlecht“ in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist ebenfalls Ausdruck eines Zweigeschlechtermodells. Auch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur sexuellen Identität und das im Transsexuellengesetz zum Ausdruck kommende Verständnis des Gesetzgebers geht von der Zuordnung zu einem bestimmten Geschlecht aus.

Im Hinblick auf diese Dichotomie der Geschlechter in der Rechtsordnung bedarf es nach Auffassung der Kammer für die Anerkennung und den Ausdruck einer Zweigeschlechtlichkeit im Vornamen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, ähnlich wie sie im Falle der Transsexualität durch das Transsexuellengesetz getroffen wurde. Die öffentlich-rechtliche Namensänderung kann unter Berücksichtigung des Ausnahmecharakters nicht berufen sein, an Stelle des Gesetzgebers eine Grundsatzentscheidung über eine zweigeschlechtliche Namensgebung herbeizuführen.

Mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes kann der Kläger daher die begehrte Hinzufügung eines zweiten, weiblichen Vornamens nach §§ 11, 3 Abs. 1 NamÄndG nicht beanspruchen, weshalb die Klage abzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Einen Anspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit hat die Kammer nicht als veranlasst gesehen.

Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Nach Auffassung der Kammer erscheint grundsätzlich klärungsbedürftig, inwieweit die dem Transsexuellengesetz zugrunde liegenden Wertungen zur empfundenen geschlechtlichen Identität im Rahmen der Abwägung zum Vorliegen eines richtigen Grundes nach § 3 Abs. 1 NamÄndG zu übertragen und zu berücksichtigen sind.
 

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 4. Juli 2011 wird dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Martin Eilhardt, Schleiermacherstraße 26, 64283 Darmstadt, unter den Bedingungen eines im Bezirk des Bayerischen Verwaltungsgerichts München niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Dem Kläger ist nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (a. F.; vgl. § 40 EGZPO in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013 [BGBl I S.3533]) zu bewilligen (I.) und der ihn vertretende Rechtsanwalt unter den Bedingungen eines im Bezirk des Verwaltungsgerichts München niedergelassenen Rechtsanwalts beizuordnen (II.).

I. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO a. F. liegen vor. Nach dieser Regelung erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Danach ist dem Kläger, der nach der vorgelegten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Denn die beabsichtigte (2.) Rechtsverfolgung bot zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt (1.) hinreichende Aussicht auf Erfolg (3.).

1. Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (vgl. BayVGH, B. v. 10.4.2013 - 10 C 12.1757 - juris Rn. 25; B. v. 19.3.2013 - 10 C 13.334, 10 C 1310 C 13.371 - juris Rn. 26 m. w. N.). Entscheidungsreif ist ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erst dann, wenn das Gericht nach dem Sach- und Streitstand in der Lage ist zu beurteilen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BayVGH, B. v. 29.11.2010 - 7 C 10.10396 - juris Rn. 12). Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO a. F.) ein (vgl. BVerwG, B. v. 12.9.2007 - 10 C 39.07 u. a. - juris Rn. 1). Die vollständige Vorlage der Prozesskostenhilfeunterlagen beinhaltet dabei, dass das Streitverhältnis im Antrag dargestellt ist (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und dem Antrag eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beigefügt sind (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 117 Abs. 2 Satz 1 und § 117 Abs. 4 ZPO; vgl. BayVGH, B. v. 29.11.2010 - 7 C 10.10396 - juris Rn. 12). Danach war der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe aber noch vor dem Eingang der Klageerwiderung vom 20. Oktober 2010 am 25. Oktober 2010 entscheidungsreif.

a) Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 26. August 2010 Untätigkeitslage mit dem Antrag erhoben, den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und Ausstellung eines Ausweisersatzes vom 15. Juli 2009 zu entscheiden, und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für diese Klage beantragt. Dem Schriftsatz ist eine vollständig ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 4. August 2010 beigefügt.

b) Außerdem war das Streitverhältnis im Schriftsatz vom 26. August 2010 ausreichend dargestellt, um die Beurteilung zu ermöglichen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte. Denn unter Bezugnahme auf das den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG in einem Ausweisersatz enthaltende Schreiben vom 15. Juli 2009 und dessen Korrektur durch Schreiben vom 4. August 2009 hat der Klägerbevollmächtigte die Klage im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger sei somalischer Staatsangehöriger, lebe seit 2004 in Deutschland und werde als abgelehnter Asylbewerber seit mehr als fünf Jahren geduldet. Eine Abschiebung des Klägers nach Somalia sei nicht möglich. Im Hinblick darauf, dass somalische Personaldokumente in Deutschland nicht anerkannt würden, könne der Kläger keine Papiere vorlegen. Für diesen Fall sehe das Aufenthaltsgesetz die Ausstellung eines Ausweisersatzes vor. Das vom Kläger ausgefüllte Formular zu dem mit Schreiben vom 15. Juli 2009 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei bereits mit Schreiben vom 11. September 2009 an die Ausländerbehörde zurückgesandt worden. Mit Schreiben vom 21. April 2010 habe diese um eine Fristverlängerung von drei Monaten gebeten, weil eine von der zuständigen Regierung an das Innenministerium weitergeleitete Anfrage zur rechtlichen Bewertung der somalischen Mission in Genf, die die somalische Staatsangehörigkeit des Klägers bescheinigt habe, noch nicht beantwortet worden sei. Die erbetenen drei Monate seien inzwischen verstrichen.

c) Schließlich war die angemessene Frist von vier Wochen, die das Verwaltungsgericht dem Beklagten gesetzt hatte, um ihm Gelegenheit zu geben, sich zur Klage und zu dem in der Klageschrift enthaltenen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu äußern, bereits vor dem Eingang der Klageerwiderung vom 20. Oktober 2010 am 25. Oktober 2010 abgelaufen. Denn das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten die Klage und den darin enthaltenen Prozesskostenhilfeantrag bereits mit Schreiben vom 1. September 2010 zugestellt und um Äußerung innerhalb von vier Wochen gebeten.

d) Zu prüfen sind damit die Erfolgsaussichten der vom Kläger erhobenen Untätigkeitsklage nach § 75 Satz 1 VwGO zum Zeitpunkt des Ablaufs der Äußerungsfrist vier Wochen nach Zustellung von Klage und Prozesskostenhilfeantrag Ende September oder Anfang Oktober 2010.

Dass der Kläger nach diesem Zeitpunkt auf die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch den Bescheid vom 18. Oktober 2010 reagiert hat, indem er mit Schriftsatz vom 18. November 2010 die Klage auf diesen Bescheid erstreckt und nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO beantragt hat, unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Oktober 2010 den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 15. Juli 2009 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, ändert daran entgegen der Ansicht des Beklagten nichts. Denn zum einen liegt darin eine Änderung der Sach- und Rechtslage, die nach dem maßgeblichen Zeitpunkt eingetreten und deshalb bei der Beurteilung der Frage, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, nicht zu berücksichtigen ist. Zum anderen hat sich das Klagebegehren durch die Anpassung des Klageantrags an die veränderte Sachlage, die durch den Erlass des die Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis ablehnenden Bescheids entstanden war, nicht geändert. Denn auch die Untätigkeitsklage war bereits auf die Verpflichtung des Beklagten gerichtet, über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Dies folgt aus § 88 VwGO.

Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Bei der Ermittlung des Klagebegehrens sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden §§ 133, 157 BGB anzuwenden. Maßgebend ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt. Zu berücksichtigen sind insbesondere der Klageantrag und die Klagebegründung (vgl. BVerwG, B. v. 17.5.2004 - 9 B 29.04 - juris Rn. 5 m. w. N.). Legt man dies zugrunde, so beschränkte sich das Klagebegehren der Untätigkeitsklage aber entgegen der Auffassung des Beklagten nicht auf die Verpflichtung des Beklagten, überhaupt über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden. Es umfasste vielmehr auch bereits die Verpflichtung des Beklagten, bei der Entscheidung die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zu beachten.

Zwar ließe sich der Antrag, den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und Ausstellung eines Ausweisersatzes vom 15. Juli 2009 zu entscheiden, auch in dem Sinne verstehen, dass das Gericht den Beklagten nur dazu verpflichten sollte, überhaupt über den Antrag zu entscheiden. Ein solches Verständnis des Klagebegehrens stünde aber schon mit § 75 Satz 1 VwGO nicht im Einklang. Denn wie sich daran zeigt, dass nach dieser Regelung die Untätigkeitsklage zulässig ist, wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts nicht entschieden worden ist, handelt es sich bei der Untätigkeitsklage um einen Unterfall der Verpflichtungsklage (vgl. BVerwG, U. v. 16.6.1983 - 3 C 65.82 - juris Rn. 25), die im Falle ihrer Zulässigkeit nach Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) oder Bescheidungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) fortgeführt wird (vgl. BVerwG, U. v. 16.6.1983 - 3 C 65.82 - juris Rn. 26; B. v. 9.12.1983 - 4 B 232.83 - juris Rn. 4), so dass sich an dem auf Verpflichtung der Behörde zum Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts gerichteten Klagebegehren nichts ändert (vgl. BVerwG, B. v. 9.12.1983 - 4 B 232.83 - juris Rn. 4). Dementsprechend begehrt der Kläger, wie aus seiner Klagebegründung ohne weiteres hervorgeht, auch mit der Untätigkeitsklage die Verpflichtung zu einer der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entsprechenden ermessensfehlerfreien Entscheidung über die Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis. Denn der Kläger legt nicht nur dar, dass eine weitere Verzögerung der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr hinnehmbar sei und deshalb Anlass zur Erhebung einer Untätigkeitsklage bestehe. Er begründet vielmehr auch, warum seiner Ansicht nach die Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gegeben sind, indem er darauf hinweist, dass er nicht nach Somalia abgeschoben werden könne, dass gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden solle, wenn der Betroffene länger als 18 Monate im Besitz einer Duldung sei, und dass der Kläger bereits seit fünf Jahren geduldet werde.

2. Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht nicht entgegen, dass das Klageverfahren, für das der Kläger Prozesskostenhilfe begehrt, durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. Juli 2011 eingestellt worden ist, nachdem die Beteiligten es übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Denn obwohl nach dem Abschluss des Klageverfahrens eine weitere Rechtsverfolgung nicht mehr im Sinne von § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO beabsichtigt ist, kann der Kläger seinen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren weiterverfolgen und rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung Prozesskostenhilfe erhalten, wenn der Prozesskostenhilfeantrag beim Verwaltungsgericht rechtzeitig und vollständig vor dem Abschluss des Klageverfahrens gestellt worden ist (vgl. BayVGH, B. v. 20.11.2012 - 10 C 12.491 - juris Rn. 2; B. v. 14.10.2013 - 10 C 13.1262 - juris Rn. 3; B. v. 17.12.2013 - 10 ZB 12.2741 - juris Rn. 4). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Verwaltungsgericht über den Prozesskostenhilfeantrag vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens entschieden hat (vgl. BayVGH, B. v. 20.11.2012 - 10 C 12.491 - juris Rn. 2).

Danach kommt hier aber die Gewährung von Prozesskostenhilfe trotz der Beendigung des Hauptsacheverfahrens durch übereinstimmende Erledigungserklärungen in Betracht. Denn wie ausgeführt, wurde der Prozesskostenhilfeantrag zum einen bereits bei Klageerhebung unter Beifügung der vollständigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gestellt. Zum anderen hat das Verwaltungsgericht diesen Antrag mit Beschluss vom 4. Juli 2011 noch vor Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen vom 15. Juli 2011 und 19. Juli 2011 abgelehnt.

3. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage vor dem Eingang der Klageerwiderung am 25. Oktober 2010 hatte die Klage schließlich hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn die Erfolgsaussichten waren zumindest offen.

a) Die Klage war als Untätigkeitsklage nach § 75 Satz 1 und 2 VwGO zulässig.

Danach kann die Verpflichtungsklage in Form der Bescheidungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) erhoben werden, wenn über den Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund innerhalb angemessener Frist nicht entschieden worden ist (§ 75 Satz 1 VwGO), wobei die Klage grundsätzlich nicht vor Ablauf von drei Monaten erhoben werden kann (§ 75 Satz 2 VwGO). Wird die Klage nach Ablauf von drei Monaten erhoben, so ist sie unabhängig davon zulässig, ob über den Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund und innerhalb angemessener Frist nicht entschieden worden ist (vgl. BVerwG, U. v. 23.3.1973 - IV C 2.71 - juris Rn. 26). So lag der Fall aber hier. Denn der Beklagte hatte über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG vom 15. Juli 2009, den der Kläger durch Nachreichen eines ausgefüllten Formblattantrags am 14. September 2009 ergänzt hatte, auch zum Zeitpunkt des Eingangs der Klage beim Verwaltungsgericht am 27. August 2010 und damit deutlich mehr als drei Monate nach Antragstellung noch nicht entschieden.

b) In der Sache waren die Erfolgsaussichten der Klage zum maßgeblichen Zeitpunkt zumindest offen. Denn es hätte im Hauptsacheverfahren weiterer Klärung bedurft, ob dem Kläger ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zustand und der Beklagte daher nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu verpflichten gewesen wäre, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Ob diese Voraussetzungen vorlagen, war aber zumindest offen.

aa) Der Kläger war seit der Ablehnung seines Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet und der Ablehnung seines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 18a Abs. 4 Satz 1 AsylVfG in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, der sich nach § 18a Abs. 5 Satz 1 AsylVfG auf Gewährung der Einreise und für den Fall der Einreise gegen die Abschiebungsandrohung richtete, vollziehbar ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG, § 18a Abs. 2, § 34 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 1, § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG).

bb) Weiterer Klärung im Hauptsacheverfahren bedurfte hingegen, ob die Ausreise des Klägers aus tatsächlichen Gründen unmöglich war. Zwar macht der Beklagte geltend, die Ausreise des Klägers sei deshalb nicht aus tatsächlichen Gründen unmöglich gewesen, weil der Kläger mit seinem am 16. Juni 2009 ausgestellten somalischen Pass oder einem Laissez-Passer freiwillig nach Somalia habe ausreisen können. Ob dies tatsächlich möglich gewesen wäre, hätte allerdings im Hauptsacheverfahren erst noch geklärt werden müssen.

Zum einen zweifelt der Beklagte selbst trotz des somalischen Passes des Klägers und der von ihm vorgelegten Bescheinigung der Ständigen Mission von Somalia beim Büro der Vereinten Nationen in Genf vom 5. September 2008 bereits an, dass der Kläger somalischer Staatsangehöriger ist. Das Bundesministerium des Innern hält nach dem bei den Behördenakten befindlichen Schreiben an die Innenministerien und Senatsverwaltungen für Inneres der Länder vom 27. November 2008 jedenfalls entsprechende Bescheinigungen der somalischen Botschaft nicht für geeignet, bei den deutschen Behörden als Nachweis der Identität verwendet zu werden, weil keine Möglichkeit bestehe, über amtliche Register in Somalia verlässliche Auskünfte über somalische Staatsangehörige zu erhalten. Zum anderen begegnet es Zweifeln, ob der Kläger mit Hilfe seines Passes tatsächlich nach Somalia hätte ausreisen können. Der Beklagte weist darauf hin, dass das Bundesministerium des Innern bereits 1993 verfügt habe, dass somalische Pässe, die nach dem 31. Januar 1991 ausgestellt oder verlängert worden seien, bis zur Herstellung geordneter Verhältnisse in Somalia nicht mehr als ausreichend für den Grenzübertritt oder den Aufenthalt in der Bundesrepublik anerkannt seien. Dies gelte nach dem weiteren Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 25 Juli 2007 auch für die seit 2007 ausgestellten Reisepässe mit biometrischen Merkmalen. Ob der Kläger mit seinem erst am 16. Juni 2009 ausgestellten Pass daher, wie der Beklagte geltend macht, nach Somalia ausreisen konnte, war aber ohne weitere Nachforschungen im Hauptsacheverfahren ebenso wenig zu beantworten wie die Frage, ob eine Ausreise des Klägers nach Somalia mit Hilfe eines von der Ausländerbehörde ausgestellten Laissez-Passer möglich gewesen wäre.

cc) War danach aber aufgrund der politischen Verhältnisse in Somalia die Frage, ob die Ausreise des Klägers aus tatsächlichen Gründen unmöglich war, vor einer weiteren Klärung im Hauptsacheverfahren zumindest offen, so gilt dies auch für das Vorliegen der weiteren Voraussetzung des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG, dass mit dem Wegfall des in einer etwaigen Unmöglichkeit der Ausreise liegenden Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden konnte.

dd) Schließlich war auch zumindest offen, ob der Kläger unverschuldet an der Ausreise gehindert war. Denn war unklar, ob es sich bei ihm um einen somalischen Staatsangehörigen handelt und ob ihm mit Hilfe seines somalischen Passes oder eines Laissez-Passer die Ausreise nach Somalia möglich gewesen wäre, so war auch offen, ob er unverschuldet an der Ausreise gehindert war, wie es § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis voraussetzt. Insbesondere war ungeklärt, ob ein Verschulden des Klägers nach § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG deshalb vorlag, weil er über seine Staatsangehörigkeit getäuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt hatte.

Abgesehen davon, dass offenbar weder die vorgelegte Bescheinigung der Ständigen Mission von Somalia beim Büro der Vereinten Nationen in Genf vom 5. September 2008 oder eine entsprechende Bescheinigung der somalischen Botschaft in der Bundesrepublik noch der Reisepass die somalische Staatsangehörigkeit des Klägers belegten und deshalb offen war, ob er über seine Staatsangehörigkeit getäuscht hatte, war auch unklar, welche zumutbaren Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse er, seine somalische Staatsangehörigkeit vorausgesetzt, nicht erfüllt gehabt hätte. Ob er mit Hilfe seines somalischen Reisepasses oder eines Laissez-Passer hätte ausreisen können, war, wie ausgeführt, ungeklärt. Welche weiteren Nachweise er angesichts der Untauglichkeit der Bescheinigungen der somalischen Botschaft und der Nichtanerkennung somalischer Pässe für seine somalische Staatsangehörigkeit hätte vorlegen können (§ 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), ist nicht ersichtlich. Dementsprechend hat die Ausländerbehörde dem Kläger auch weder nach § 82 Abs. 1 Satz 2 AufenthG eine Frist zur Vorlage weiterer Dokumente gesetzt noch nach § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG angeordnet, dass der Kläger bei den zuständigen Behörden sowie den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheinen sollte.

ee) Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG war auch nicht nach § 10 Abs. 3 AufenthG ausgeschlossen. Als einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden war, durfte dem Kläger nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ein Aufenthaltstitel nach Maßgabe des Abschnitts 5 und damit auch nach der Regelung des in diesem Abschnitt enthaltenen § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG erteilt werden. Ein Fall des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, nach dem vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 AsylVfG (in der derzeit gültigen Fassung: nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 AsylVfG) abgelehnt worden ist, lag nicht vor. Zwar war diese Regelung auf den Kläger wohl anwendbar, weil bei ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 2005 die Ablehnung des Asylantrags des Klägers durch den Bescheid vom 23. September 2004 wegen der dagegen erhobenen Klage noch nicht bestandskräftig war (vgl. BVerwG, U. v. 16.12.2008 - 1 C 37.07 - juris Rn. 13 f.; U. v. 25.8.2009 - 1 C 30.08 - juris Rn. 13). Denn das die Klage abweisende Urteil wurde nach dem Bescheid des Beklagten vom 18. Oktober 2010 erst am 25. Mai 2005 rechtskräftig. Jedoch reicht es für eine Ablehnung des Asylantrags nach § 30 Abs. 3 AsylVfG nicht aus, dass der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist. Erforderlich ist vielmehr, dass § 30 Abs. 3 AsylVfG wenn schon nicht im Tenor des den Asylantrag ablehnenden Bescheids, so doch zumindest in dessen Begründung ausdrücklich genannt ist (vgl. BVerwG, B. v. 25.8.2009 - 1 C 30.08 - juris Rn. 19). Daran fehlt es hier jedoch, weil der Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 23. September 2004 den Asylantrag des Klägers zwar als offensichtlich unbegründet ablehnt, aber weder im Tenor noch in der Begründung ausdrücklich auf § 30 Abs. 3 AufenthG Bezug nimmt.

ff) Schließlich standen unabhängig davon, ob der Lebensunterhalt des Klägers gesichert war (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG), ob die Staatsangehörigkeit des Klägers geklärt war (§ 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG), ob im Hinblick auf seine wiederholten Verstöße gegen die räumliche Beschränkung seiner Duldung ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vorlag (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG), ob der Kläger die Passpflicht erfüllte (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) oder ob er mit dem erforderlichen Visum eingereist war (§ 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), auch § 5 Abs. 1 und § 5 Abs. 2 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht zwingend entgegen. Denn von der Anwendung dieser Bestimmungen kann in den Fällen des § 25 Abs. 5 AufenthG nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abgesehen werden.

gg) Hätte der Beklagte von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und dabei von der Erfüllung der Passpflicht nach § 3 Abs. 1 AufenthG abgesehen, so wäre dem Kläger schließlich auch, wie beantragt, nach § 48 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ein Ausweisersatz auszustellen gewesen.

II. Lagen danach die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO a. F. vor, so ist dem Kläger auch nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO der ihn vertretende Rechtsanwalt beizuordnen. Denn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt war angesichts der Bedeutung der Sache für den Kläger erforderlich. Im Hinblick darauf, dass nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 3 ZPO ein nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt wie der des Klägers nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen, erfolgt die Beiordnung allerdings unter den Bedingungen eines am Bezirk des Verwaltungsgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts (vgl. BayVGH, B. v. 5.3.2010 - 19 C 10.236 - juris Rn. 7).

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Weder fallen Gerichtskosten an, noch können Kosten erstattet werden. Gerichtskosten können im Prozesskostenhilfeverfahren gemäß § 3 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) nur erhoben werden, soweit anders als hier eine Beschwerde gegen die erstinstanzliche Prozesskostenhilfeentscheidung verworfen oder zurückgewiesen wird. Eine Kostenerstattung ist sowohl für das Bewilligungs- als auch für das Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4 und § 127 Abs. 4 ZPO).

Da Gerichtskosten nicht erhoben werden können, ist eine Streitwertfestsetzung entbehrlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 5. August 2013, unter Abänderung des Bescheides vom 19. Mai 1995 in der Person der Klägerin Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen, zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Klägerin und die Beklagte jeweils zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.


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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der 1978 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Zur Zeit seiner am 19.8.2002 auf dem Landweg erfolgten Einreise in das Bundesgebiet war er muslimischer Religionszugehöriger.

Unmittelbar nach seiner Einreise wurde er von der Bundesgrenzschutzinspektion A-Stadt im Zug von Paris nach Frankfurt/Main wegen der Verwendung eines manipulierten niederländischen Reisepasses aufgegriffen und vernommen. Er gab an, sich im Iran vom Islam abgewandt und zum Christentum bekannt zu haben, weswegen er in Schwierigkeiten geraten sei und sich entschlossen habe, in Deutschland Asyl zu beantragen. Vor ca. 14 Monaten habe er den Iran zu Fuß in Richtung Türkei verlassen und sei mit kurdischer Hilfe in einem LKW nach Istanbul gebracht worden. Dort sei er etwa drei Monate geblieben, bis er zusammen mit anderen Flüchtlingen in einem verplombten Sattelschlepper habe ausreisen können. Die Fahrt habe ca. 10 bis 15 Tage gedauert und am 17.8.2002 in der Nähe von Paris geendet. Von dort habe er mit dem Zug nach Frankfurt fahren wollen.

Am 12.9.2002 beantragte der Kläger Asyl und begründete dies mit Schwierigkeiten infolge seines Interesses für den christlichen Glauben. Zu den Modalitäten der Ausreise gab er an, im Juni 2002 mit vier Freunden mit dem Auto von seiner Heimatstadt Teheran nach Urumijee, einer iranischen Stadt nahe der türkischen Grenze, gefahren zu sein. Schlepper hätten sie mit Wagen und Pferden durch die Berge in die Türkei, dann mit einem Auto nach Istanbul und nach zweimonatigem Aufenthalt dort mit einem LKW nach Frankreich gebracht. Im Verlauf der Anhörung korrigierte er seine Angaben dahingehend, Teheran bereits im Februar 2002 verlassen und sich ca. vier bis fünf Monate in Urumijee aufgehalten zu haben. Zur Sache führte er aus, nach Ableistung seines zweijährigen Militärdienstes habe er ein Jahr studiert und sich im Jahr 2000 mit fünf Studienkollegen angefreundet, von denen einer armenischer Christ gewesen sei. Dieser habe ihnen viel von seiner Religion erzählt, woraufhin sie auch ein paar Mal mit in die Kirche gegangen seien. Er - der Kläger - habe seinem Vater, der streng religiös sei, von dem christlichen Freund erzählt, was diesen veranlasst habe, seine Lehrer an der Universität zu informieren und sie zu bitten, auf ihn aufzupassen. Seitens der Universität sei ihm und seinen Freunden sodann vorgeworfen worden, religiöse Agitationen auszuüben. Im Februar 2002 sei er exmatrikuliert worden. Zwei oder drei Tage später, am 9.2.2002, habe er eine Vorladung vor Gericht erhalten, da es im Iran ein Verbrechen sei, die Religion wechseln zu wollen. Hieraufhin seien er und die Freunde, die ebenfalls vorgeladen worden seien, sofort nach Urumijee geflohen, wo einer von ihnen zu Hause gewesen sei. Dort habe er von seinem Vater die Nachricht erhalten, dass er immer noch gesucht werde und dass ihm eine zweite Vorladung zugestellt worden sei. Er müsse damit rechnen, zum Tode verurteilt und gesteinigt zu werden. Das Geld für die Ausreise habe sein Vater ihm nach Urumijee überwiesen, weil er ihn vor dem Tod habe retten wollen. Zur christlichen Religion befragt gab der Kläger an, diese sei freier als der Islam. Am Islam störe ihn, dass alles unter Zwang geschehe; man werde gezwungen, zu beten und bestimmte Dinge zu tun. Der ständige Zwang verhindere auch die Entstehung einer Demokratie. Jeden Samstag habe er mit seinem armenischen Freund die Kirche in Madjihe, einer armenischen Siedlung in Teheran, besucht. In der Kirche habe jeder zunächst das Kreuz geschlagen, sich dann hingesetzt und gebetet. Da er kein Armenisch verstanden habe, habe der armenische Freund immer Anleitungen gegeben, was zu tun sei. Die armenische Gemeinde sei sehr zurückhaltend gewesen. Man habe nicht gerne gesehen, dass Muslime mit in der Kirche sitzen. Er habe auch christliche Bücher in persischer Sprache gelesen, die sein armenischer Freund ihm besorgt habe. Zu Hause in seinem Zimmer habe er Kreuze hängen gehabt, was seinen Vater, als er dies bemerkt habe, sehr erzürnt habe.

Durch Bescheid vom 14.10.2002, zugestellt am 17.10.2002, wurde der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter unter Hinweis auf die Einreisemodalitäten abgelehnt, festgestellt, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 bzw. 53 AuslG nicht vorliegen, und der Kläger unter Androhung seiner Abschiebung in den Iran zur Ausreise aufgefordert. Zur Begründung wurde unter Aufzeigen verschiedener Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten ausgeführt, dass der behauptete Entschluss, zum Christentum zu konvertieren, nicht glaubhaft sei. Der Kläger habe trotz seines guten Bildungsstandes nicht klar und deutlich darlegen können, warum er sich zum Christentum hingezogen fühle und wo die Unterschiede beider Religionen liegen. Ebenso wenig habe er nähere Angaben zum Ablauf der Gottesdienste machen können. Christliche Bücher in persischer Sprache, die der Kläger gelesen haben wolle, seien im Iran verboten. Ferner sei nicht anzunehmen, dass armenische Christen Schwierigkeiten mit den iranischen Behörden riskiert hätten, indem sie geduldet hätten, dass der Kläger und seine Freunde mehrmals an einem Gottesdienst teilnehmen. Auch sei das behauptete Verhalten seines Vaters untypisch für einen strengreligiösen Moslem. Schließlich spreche gegen das Vorliegen wahrer Verfolgungsfurcht, dass der Kläger nicht bereits in Frankreich Asyl beantragt habe, sondern über Deutschland in die Niederlande habe reisen wollen.

Mit seiner hiergegen am 24.10.2002 erhobenen Klage hat der Kläger behauptet, die vermeintlichen Widersprüchlichkeiten fänden ihre Ursache in Verständigungsschwierigkeiten mit der vom Bundesamt eingesetzten Dolmetscherin. In der Sache habe die Beklagte verkannt, dass er bereits im Iran wegen seines bekannt gewordenen Interesses für den christlichen Glauben gefährdet gewesen sei und dass er hinsichtlich der christlichen Glaubensinhalte und der Entscheidung über eine Konversion noch im Lern- beziehungsweise Entscheidungsprozess begriffen gewesen sei. Dass christliche Bücher in armenischer Sprache im Iran verboten seien, bedeute nicht, dass es sie nicht gebe. Die Zweifel an den geschilderten Verhaltensweisen seines Vaters seien nicht berechtigt; sein Vater habe gemeint, ihn durch sein Vorgehen von einer Konversion abhalten zu können. Keinesfalls könne daraus, dass der Schlepper ihm einen niederländischen Pass gegeben habe, geschlossen werden, dass er beabsichtigt habe, in die Niederlande weiterzureisen. Infolge der Asylantragstellung müsse er im Falle der Rückkehr mit einer eingehenden Befragung durch die iranischen Behörden unter Anwendung der „ortsüblichen Vernehmungsmethoden“ rechnen.

Mit Schriftsatz vom 14.12.2004 hat der Kläger unter Vorlage einer pfarramtlichen Bescheinigung der Evangelischen Kirchengemeinde B-Stadt vom 8.12.2004 mitgeteilt, dass er am 11.4.2004 getauft worden und damit zum christlichen Glauben konvertiert sei. In der Bescheinigung heißt es weiter, der Kläger habe im Vorfeld der Taufvorbereitungen erzählt, sein Großvater sei evangelischer Christ gewesen; mit diesem sei er bereits im Iran zum Gottesdienst gegangen. Seit Mitte 2003 nehme der Kläger aktiv am Gemeindeleben teil und besuche regelmäßig die Gottesdienste, zu denen er immer wieder muslimische Freunde mitbringe, um ihnen den christlichen Glauben nahe zu bringen. Bei Festen der Gemeinde helfe er tatkräftig mit.

Ergänzend hat der Kläger behauptet, die Konversion sei seinem Vater zwischenzeitlich bekannt geworden; auch von dessen Seite drohten ihm Repressionen. Zudem habe sich die allgemeine Lage im Iran infolge der Zugewinne fundamentalistischer Muslime bei den letzten Parlamentswahlen verschärft.

Im Rahmen seiner Anhörung durch das Verwaltungsgericht hat der Kläger angegeben, die Annahme, sein Großvater sei evangelischer Christ gewesen, müsse auf einem Missverständnis beruhen. Er stamme aus einem streng muslimischen Elternhaus und habe deshalb eine Abneigung gegenüber dem Islam entwickelt. Ungefähr ein Jahr lang sei er mit seinem armenischen Freund etwa jeden zweiten Samstag zur Kirche gegangen. Die Messe sei nur sonntags gewesen; auch diese habe er bei besonderen Gelegenheiten mit seinem Freund zusammen besucht. Ohne diesen hätte man ihn nicht in die Kirche gelassen. Mit seinem Vater habe er ständig über Religion diskutiert. Schließlich sei diesem sein Interesse am christlichen Glauben verdächtig erschienen und er habe die Universität informiert. Irgendwann habe der Vater auch ein Kreuz in seinem Zimmer entdeckt und dieses hängen lassen, um einen Beweis gegen ihn zu haben. Der Vater, der im Sicherheitsministerium arbeite, habe den Fund dort Ende 2001 gemeldet, um seinen guten Ruf zu schützen. Ende 2001 - nicht erst im Februar 2002 - sei auch die Exmatrikulation erfolgt. Es sei nicht auszuschließen, dass ihm zu Beginn seines Aufenthalts in Deutschland bei der Berechnung von Daten Fehler unterlaufen seien.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter entsprechender teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 14.10.2002 zu verpflichten, festzustellen, dass hinsichtlich einer Abschiebung in den Iran die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,

hilfsweise,

festzustellen, dass einer Abschiebung in den Iran Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2-7 AufenthG entgegenstehen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihre Auffassung, das Vorbringen des Klägers sei unglaubhaft, bekräftigt und darauf hingewiesen, dass der Kläger anlässlich seiner Anhörung vom 12.9.2002 bestätigt habe, keine Verständigungsschwierigkeiten mit der Dolmetscherin gehabt zu haben. Nach Auskunftslage werde ein Konvertit im Iran nicht gehindert, den christlichen Glauben im privaten Bereich auszuüben, solange er nicht versuche, missionierend tätig zu werden.

Der Beteiligte hat sich zu der Klage nicht geäußert.

Durch Urteil vom 14.9.2005, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 6.10.2005, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe seine Heimat unverfolgt verlassen. Seine Angaben zur behaupteten Vorverfolgung seien auch unter Berücksichtigung seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung unglaubhaft, zumal er sein Vorbringen teilweise gesteigert und sich in neue Widersprüchlichkeiten verwickelt habe. Der Kläger habe nach der Auskunftslage auch wegen seiner im Bundesgebiet erfolgten Konversion zum christlichen Glauben im Falle der Rückkehr keine Verfolgung zu befürchten. Er sei weder in herausgehobener Funktion für den angenommenen christlichen Glauben tätig noch sei er für die muslimische Gesellschaft wahrnehmbar missionarisch tätig. Dem Kläger sei nach der obergerichtlichen Rechtsprechung zuzumuten, die Religionsausübung außerhalb des häuslich-privaten Umfeldes zu unterlassen und seinen Glauben nur abseits der Öffentlichkeit in persönlicher Gemeinschaft mit anderen gleichgesinnten Gläubigen zu leben. Beschränke er sich hierauf, so seien asylrelevante staatliche Repressionen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Zwar könne es vorkommen, dass iranische Moslems, die zum Christentum übergetreten sind, Benachteiligungen aus dem gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen - insbesondere dem familiären - Umfeld ausgesetzt seien. Es gebe jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass diese Benachteiligungen jeden zum Christentum konvertierten Moslem im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit treffen und darüber hinaus einen Schweregrad erreichen, der die Schwelle zur politischen Verfolgung beziehungsweise menschenrechtswidrigen Behandlung überschreitet. Die behauptete Gefährdung durch seinen Vater sei nicht glaubhaft. Sein diesbezügliches Vorbringen sei grob widersprüchlich und durch Steigerung des Sachvortrags gekennzeichnet. Schließlich sei die Asylantragstellung als solche nicht asylrelevant.

Auf den Zulassungsantrag des Klägers vom 12.10.2005 hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 16.5.2007 mit Blick auf die seit dem 11.10.2006 unmittelbare Geltung beanspruchenden Vorschriften der Richtlinie 2004/83/EG des Rates der Europäischen Union vom 29.4.2004 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Die am 8.6.2007 bei Gericht eingegangene Berufungsbegründung setzt sich mit den Vorgaben der genannten EG-Richtlinie auseinander. Der Kläger ist der Auffassung, dass er seit Wirksamwerden des Art. 10 Abs. 1 b RL nicht mehr darauf verwiesen werden dürfe, die Praktizierung seines Glaubens auf den häuslich-privaten Bereich zu beschränken. Weil er aber seinen Glauben im Iran öffentlich bekennen würde, müsste er mit staatlichen Verfolgungsmaßnahmen rechnen. Dies habe zwischenzeitlich mehrere im Einzelnen aufgeführte Verwaltungsgerichte veranlasst, von der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung abzurücken und den Betroffenen Schutz zu gewähren.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14.9.2005 - 5 K 5/05.A - sowie unter entsprechender Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 14.10.2002 - - zu verpflichten, festzustellen, dass hinsichtlich einer Abschiebung in den Iran die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,

hilfsweise,

festzustellen, dass einer Abschiebung in den Iran Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG entgegenstehen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beteiligte hat sich zur Sache geäußert und mit eingehender Begründung die Auffassung vertreten, Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/83/EG erfordere für Fallgestaltungen der vorliegenden Art keine grundlegende Änderung der bisherigen Rechtsprechung zu den Voraussetzungen, unter denen ein im europäischen Ausland vollzogener Glaubenswechsel eines iranischen Moslems zum Christentum von asylrechtlicher Relevanz sein könne.

Der Senat hat den Kläger zu seinem Verfolgungsschicksal informatorisch angehört.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte 1. und 2. Instanz und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten, der ebenso wie die im Einzelnen benannten Auszüge aus der Dokumentation Iran Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Das Ausbleiben des Beteiligten im Termin stand einer Verhandlung und Entscheidung in der Sache nicht entgegen, da er ordnungsgemäß und unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 VwGO zur mündlichen Verhandlung geladen worden war.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig; der Kläger hat weder einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (I) noch stehen seiner Abschiebung in den Iran Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG entgegen (II).

I.

Ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich des Herkunftslandes setzt nach genannter Vorschrift voraus, dass Leben oder Freiheit des Ausländers in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist, wobei die drohende Verfolgung ausgehen kann von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) - unter bestimmten Voraussetzungen - nichtstaatlichen Akteuren.

Hinsichtlich des in § 60 Abs. 1 AufenthG verwendeten Begriffs der Verfolgung sind spätestens seit dem 11.10.2006 die Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12, berichtigt im ABl. L 204 vom 5.8.2005, S. 24) (so genannte Qualifikationsrichtlinie) - nachfolgend: RL - zu beachten. Durch Art. 38 RL wurden die Mitgliedstaaten verpflichtet, die zur Umsetzung der Richtlinie erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften spätestens bis zum 10.10.2006 zu erlassen. Dieser Verpflichtung ist die Bundesrepublik Deutschland nicht gerecht geworden, was nach der auf Art. 189 Abs. 3 und Art. 5 EWG-Vertrag verweisenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteile vom 5.4.1979 - Rs. 148/78 - , Slg. 1979, 1629 Rdnr. 23, und vom 20.9.1988 - 190/87 -, Slg. 1988, 4689) zur Folge hat, dass die Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie seit dem 11.10.2006 im Bundesgebiet unmittelbar Anwendung finden, soweit sie von ihrem Regelungsgehalt her einer unmittelbaren Anwendung zugänglich sind. Dies ist hinsichtlich der Vorschriften, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft festlegen, ohne Einschränkung zu bejahen. (BVerwG, Urteile vom 21.11.2006 - 1 C 10/06 -, NVwZ 2007, 465 ff. = DVBl. 2007, 446 ff. = InfAuslR 2007, 213 ff., und vom 20.3.2007 - 1 C 21/06 -, amtl. Abdr. S. 14)

Nach Art. 13 RL erkennen die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen die Flüchtlingseigenschaft zu, wenn er die Voraussetzungen der Kapitel II und III der Richtlinie erfüllt. Der Begriff des Flüchtlings ist in Art. 2 c RL hinsichtlich eines Drittstaatsangehörigen dahingehend definiert, dass dieser sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen der Furcht nicht in Anspruch nehmen will, sofern die Ausschlussgründe des Art. 12 RL auf ihn keine Anwendung finden. Maßgeblich ist damit, ob der Betroffene sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatstaates aufhält. Dieser Ansatz ist bei der Auslegung des § 60 Abs. 1 AufenthG, der auf eine Bedrohung von Leben oder Freiheit abstellt, zu beachten, da die Bundesrepublik als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gehalten ist, den als Mindestnormen für die Flüchtlingsanerkennung (vgl. Art. 1 und 3 RL) konzipierten Vorschriften der Richtlinie im Bundesgebiet Geltung zu verschaffen.

Ob die Furcht vor Verfolgung im Heimatstaat im Sinne des Art. 2 c RL begründet ist, ist unter Berücksichtigung der Vorgaben des Art. 4 Abs. 3 RL individuell zu prüfen und richtet sich materiell-rechtlich nach den in Art. 4 bis 10 RL vorgegebenen objektiven Kriterien.

Nach Art. 4 Abs. 4 RL ist die Tatsache, dass der Schutzsuchende in seiner Heimat bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, beziehungsweise dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründen sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Im Zusammenspiel mit Art. 8 Abs. 1 RL, der die Notwendigkeit internationalen Schutzes im Falle einer inländischen Fluchtalternative entfallen lässt, entspricht dies der bisherigen bundesdeutschen Rechtsprechung, wonach einem Schutzsuchenden, der seine Heimat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen hat, ein Schutzanspruch zusteht, wenn ihm ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates unzumutbar war und die fluchtbegründenden Umstände zum Zeitpunkt der Entscheidung ohne wesentliche Änderungen fortbestehen oder mit ihrem Wiederaufleben zu rechnen ist, so dass an seiner Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ernsthafte Zweifel bestehen. (BVerwG, Urteil vom 3.12.1985 - 9 C 22.85 -, NVwZ 1986, 760,761)

Wer hingegen unverfolgt ausgereist ist, kann die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL nicht für sich in Anspruch nehmen. Er muss - so auch die bisherige Rechtsprechung - glaubhaft machen, dass beachtliche Nachfluchttatbestände gegeben sind, was bedeutet, dass ihm bei Rückkehr in seinen Heimatstaat die Gefahr der Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. (BVerwG, Urteil vom 20.3.2007 - 1 C 21/06 -, amtl. Abdr. S. 15) Dies ist anzunehmen, wenn bei zusammenfassender Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Die insofern erforderliche Zukunftsprognose muss auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abstellen und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein. (BVerfG, Beschlüsse vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315, 345 f. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 3.12.1985, a.a.O., S. 760 f.)

Zentrale Bedeutung kommt im Rahmen der asylrechtlichen Prüfung seit dem Verbindlichwerden der Richtlinie 2004/83/EG dem in Art. 9 Abs. 1 und 2 RL umschriebenen Begriff der Verfolgungshandlungen sowie den in Art. 10 RL aufgelisteten Verfolgungsgründen und schließlich dem Erfordernis des Art. 9 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 c RL zu, wonach eine Verknüpfung zwischen den in Art. 10 RL genannten Gründen und den in Art. 9 Abs. 1 RL als Verfolgung eingestuften Handlungen bestehen muss.

Angesichts des durch Art. 9 und Art. 10 RL vorgegebenen Prüfungsrasters ist nicht auszuschließen, dass verschiedene durch die deutsche höchstrichterliche Asylrechtsprechung entwickelte Grundsätze der Hinterfragung auf ihre Vereinbarkeit mit den europarechtlichen Vorgaben bedürfen, sofern die jeweiligen Grundsätze fallbezogen entscheidungsrelevant sind. So spricht die in Art. 9 und Art. 10 RL zum Ausdruck kommende Systematik dafür, dass das Vorliegen beziehungsweise Nichtvorliegen einer Verfolgungshandlung anhand der Kriterien des Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 RL zu prüfen ist, ohne dass in diesem Zusammenhang der eventuelle Verfolgungsgrund eine Rolle spielt. Ob ein Verfolgungsgrund zu bejahen ist, ist in einem eigenen Prüfungsschritt zu ermitteln und beurteilt sich nach den Vorgaben des Art. 10 RL. Sodann ist gemäß Art. 9 Abs. 3 RL erforderlichenfalls festzustellen, ob die Verfolgungshandlung dem Schutzsuchenden wegen des bejahten Verfolgungsgrundes droht. Diese Systematik wirft die Frage auf, ob die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung, die differenziert zwischen politisch-motivierten Eingriffen in die Schutzgüter Leib, Leben oder persönliche Freiheit, die stets als Verfolgung anerkannt wurden, und Beeinträchtigungen sonstiger Rechtsgüter wie der freien Religionsausübung oder der ungehinderten beruflichen und wirtschaftlichen Betätigung, die den Flüchtlingsstatus bisher nur begründen konnten, wenn sie nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaates aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben, richtlinienkonform ist. (BVerwG, Urteil vom 24.3.1987 - 9 C 321.85 -, NVwZ 1987, 701 f. und Beschluss vom 3.4.1995 - 9 B 758/94 -, NVwZ-RR 1995, 607) Angesichts der Regelung des Art. 9 Abs. 1 b RL, der unter bestimmten Voraussetzungen eine Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen als Verfolgungshandlung definiert, ohne zu fordern, dass jeweils dasselbe Schutzgut durch die verschiedenen Maßnahmen betroffen wird, stellt sich die weitere Frage, ob die bisherige deutsche Rechtsprechung, nach der mehrere Eingriffe, von denen jeder seiner Intensität nach allein nicht als Verfolgung zu qualifizieren ist, auch nicht als ein „insgesamt“ die erforderliche Intensität erreichendes Verfolgungsgeschehen angesehen werden können, wenn die Eingriffe sich gegen unterschiedliche Schutzgüter richten, (BVerwG, Beschluss vom 3.4.1995, a.a.O.) mit den europarechtlichen Vorgaben der genannten Vorschrift zu vereinbaren ist.

Diese Fragen bedürfen allerdings in vorliegend relevantem Zusammenhang keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung, da das Begehren des Klägers gemessen an den Vorgaben des Art. 10 Abs. 1 b RL daran scheitert, dass sein durch die im Bundesgebiet erfolgte Taufe zum evangelischen Christ vollzogener Glaubenswechsel ihm unter den konkreten Gegebenheiten mangels religiös-motivierter Entscheidung für das Christentum nicht die Möglichkeit eröffnet, sich auf den Verfolgungsgrund der Religion zu berufen.

Art. 10 RL definiert die Verfolgungsgründe, indem er die in Art. 2 c RL abschließend aufgeführten Verfolgungsgründe aufgreift, und hinsichtlich jedes einzelnen Verfolgungsgrundes vorgibt, was die Mitgliedstaaten bei der jeweiligen Prüfung in materiell-rechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen haben.

Im vorliegenden Zusammenhang ist Art. 10 Abs. 1 b RL maßgeblich. Nach dieser Vorschrift umfasst der Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme beziehungsweise Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Dabei sind unter religiösen Riten die in einer Religionsgemeinschaft üblichen oder geregelten Praktiken oder Rituale zu verstehen, die der religiösen Lebensführung dienen, insbesondere Gottesdienste, kulturelle Handlungen und religiöse Feste. (VG Düsseldorf, Urteil vom 8.2.2007 - 9 K 2278/06.A -, juris)

Unter Einbeziehung dieser Definition ist die in Art. 2 c RL als Merkmal eines Flüchtlings aufgeführte begründete Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion tatbestandlich gegeben, wenn der Schutzsuchende wegen seiner theistischen, nichttheistischen oder atheistischen Glaubensüberzeugung oder wegen der alleinigen oder gemeinschaftlichen Teilnahme beziehungsweise Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich oder wegen sonstiger religiöser Betätigungen beziehungsweise Meinungsäußerungen oder wegen eigener oder gemeinschaftlicher Verhaltensweisen, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind, befürchten muss, in seiner Heimat von Verfolgungshandlungen betroffen zu werden.

Das Verständnis des durch Art. 10 Abs. 1 b RL gewährleisteten Schutzes muss sich am Normalfall eines Schutzsuchenden orientieren, der die Religion der Religionsgemeinschaft, in die er hineingeboren ist, in der Heimat ausüben will, weswegen zunächst festzustellen ist, welche religiösen Betätigungen grundsätzlich vom Schutzbereich umfasst werden und welchen Schranken die Religionsausübung gegebenenfalls unterliegt. In einem zweiten Schritt ist der Sonderfall des Konvertiten in den Blick zu nehmen und zu klären, ob insoweit Besonderheiten gelten. Vermengt man diese beiden Fragen, so läuft man Gefahr, den Schutzbereich religiöser Betätigung aus dem Bestreben, der Gefahr nur formal erfolgender Glaubensübertritte entgegen zu wirken, im allgemeinen zu eng zu umgrenzen.

Art. 10 Abs. 1 b RL bietet dem Einzelnen sehr weitgehenden Schutz, indem er sowohl die Entscheidung, aus innerer Überzeugung religiös zu leben, wie auch die Entscheidung, aufgrund religiösen Desinteresses jegliche religiöse Betätigung zu unterlassen, schützt und dem Einzelnen zubilligt, dass er sich zu seiner religiösen Grundentscheidung auch nach außen bekennen darf. Unter das geschützte Verhalten fällt auch der Glaubenswechsel, wobei dahinstehen kann, ob man diesen als sonstige religiöse Betätigung oder Verhaltensweise eines Einzelnen, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützt, begreift oder ob man - wie dies der Kläger und die Beklagte in der mündlichen Verhandlung befürwortet haben - den Glaubenswechsel als geschützt ansieht, weil Art. 10 Abs. 1 b RL sowohl theistische wie auch nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen erfasst. Auch unter letzterer Prämisse muss der Glaubenswechsel seinen Grund in einer wie auch immer gearteten Glaubensüberzeugung finden (vgl. hierzu S. 24 des Urteils).

Nach Art. 10 Abs. 1 b RL umfasst der Begriff der Religion auch die Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen. Die Vorschrift geht damit ihrem Wortlaut nach über den Schutz hinaus, der nach der bisherigen Rechtsprechung unter dem Stichwort des religiösen Existenzminimums zuerkannt wurde. (BVerfG, Beschluss vom 1.7.1987 - 2 BvR 478, 962/86 -, BVerfGE 76, 143, 158 ff.; BVerwG, Ur- teil vom 20.1.2004 - 1 C 9/03 - , BVerwGE 120, 16 ff. = NVwZ 2004, 1000 ff. = InfAuslR 2004, 319 ff.) Dafür, dass der europäische Richtliniengeber die religiöse Betätigung im öffentlichen Bereich auch inhaltlich als geschützt verstanden wissen will, spricht die Betrachtung der historischen Wurzeln der Vorschrift.

Bereits im Minderheitenschutzabkommen des Völkerbundes findet sich ein Vorläufer, der die rechtliche Verpflichtung enthielt, die freie Religionsausübung im öffentlichen und privaten Bereich zu gewährleisten. (Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung, Erläuterungen zur Richtlinie 2004/83/EG, 13. Ak-tualisierungslieferung November 2006, § 17 Rdnr. 7) Ebenso schützt Art. 18 des Internationalen Paktes vom 19.12.1966 über bürgerliche und politische Rechte - IpbpR -, der durch Bundesgesetz vom 15.11.1973 (BGBl. II, S. 1533) in innerstaatliches Recht transformiert wurde, die private und die öffentliche Glaubenspraxis. Nach Art. 18 Abs. 1 IPbpR umfasst das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit die Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, und die Freiheit, seine Religion oder eine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekunden. Aus völkerrechtlicher Sicht ist daher festzustellen, dass das Recht auf private und öffentliche Religionsausübung als fundamentales Menschenrecht allgemein anerkannt ist. (vgl. auch Art. 1 der Erklärung Nr. 36/55 der Generalversammlung der Vereinten Nationen über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion und der Überzeugung vom 25.11.1981)

Europarechtlich wird die Ausübung der Religionsfreiheit auch in der Öffentlichkeit bereits durch Art. 9 EMRK gewährleistet. Geschützt ist hiernach die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen.

Art. 10 Abs. 1 b RL ist die konsequente Fortschreibung dieser Garantien bezogen auf den (Mindest-)Schutz, der Flüchtlingen seitens der Mitgliedstaaten zu gewähren ist. Angesichts des weiten Schutzbereichs der Vorschrift, die selbst keine Schranken vorgibt, liegt es nahe, die Schranken des Art. 18 IPbpR beziehungsweise des Art. 9 EMRK als immanente Schranken zu begreifen. Sowohl Art. 18 IPbpR wie auch Art. 9 EMRK differenzieren zwischen der Uneinschränkbarkeit der Freiheit, eine Religion eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, und der an bestimmte Voraussetzungen gebundenen Einschränkbarkeit der freien Religionsausübung und bieten auch im Flüchtlingsrecht eine angemessene Handhabe zur Abschichtung zulässiger Einschränkungen der in Art. 10 Abs. 1 b RL definierten Religionsfreiheit. Dies bedeutet, dass die Freiheit eines Asylbewerbers, eine Religion eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, nicht beschränkbar ist, während die Freiheit, seine Religion im privaten wie im öffentlichen Bereich zu bekennen beziehungsweise zu bekunden, den immanenten Schranken unterliegt, die in Art. 18 Abs. 3 IPbpR beziehungsweise Art. 9 Abs. 2 EMRK Ausdruck gefunden haben. Dementsprechend darf die religiöse Betätigung Einzelner oder der Gemeinschaft nur zum Schutz der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, der Gesundheit, der Sittlichkeit (Moral) und der Rechte und Freiheiten anderer verboten oder reglementiert werden. Dabei ist - wie auch in Art. 18 Abs. 3 IPbpR und Art. 9 Abs. 2 EMRK vorgeschrieben - zu fordern, dass das Gesetz, das verbietet oder reglementiert beziehungsweise aufgrund dessen verboten oder reglementiert wird, allgemeiner Natur ist, d.h. es muss für alle Staatsbürger - egal welcher religiösen Ausrichtung sie angehören - gleichmäßig Geltung entfalten, darf daher nicht auf bestimmte religiöse Gruppen zielen und ausschließlich für diese Einschränkungen vorsehen. Gemessen hieran sind beispielsweise Meldepflichten oder Sicherheitsauflagen für die Veranstaltung einer Prozession ebenso unbedenklich wie Vorschriften über Impfpflichten oder das Verbot religiöser Bräuche oder Riten, die die Sittlichkeit verletzen oder die Gesundheit der Teilnehmer gefährden. (Marx, a.a.O., § 17 Rdnr. 25)

Festzuhalten bleibt damit zunächst, dass das Recht des Einzelnen, seinen Glauben aus innerer Überzeugung zu wechseln, keinen Einschränkungen unterliegt, d.h. die Mitgliedstaaten haben die Entscheidung des Einzelnen, aus religiöser Überzeugung einen anderen Glauben anzunehmen, zu respektieren und ihm - wenn dies die Verhältnisse im Heimatstaat erforderlich machen - nach Maßgabe der Richtlinie Schutz zu gewähren. Hinsichtlich des Rechts eines Gläubigen auf Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich gilt auch im Flüchtlingsrecht, dass Beschränkungen nur nach Maßgabe der aufgezeigten der Religionsfreiheit immanenten Schranken durch allgemeine Gesetze zulässig sind.

Gesetze oder religiöse Vorschriften beziehungsweise die behördlichen Praktiken des Heimatstaates zu ihrer Umsetzung, die die aufgezeigten Grenzen nicht respektieren, sind an Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 RL zu messen. Als Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 a oder b RL sind sie zu qualifizieren, wenn sie allein oder in Kumulierung mit anderen Maßnahmen eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte bewirken. Hat der Asylbewerber eine schwer menschenrechtswidrige Behandlung in seiner Heimat bereits erfahren oder droht ihm eine solche für den Fall seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, so bedarf es gemäß Art. 9 Abs. 3, Art. 2 c RL der Feststellung, ob diese Behandlung wegen der in Art. 10 Abs. 1 b RL definierten Religion des Asylbewerbers erfolgt ist oder droht. Bejahendenfalls ist ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Fehlt es hingegen an einer Verknüpfung mit einem in Art. 10 Abs. 1 RL aufgeführten Verfolgungsgrund, so sind die Voraussetzungen eines Anspruchs auf subsidiären Schutz nach Maßgabe des Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 RL zu prüfen. (Marx, a.a.O., Teil 2, Subsidiärer Schutz, I.4)

Die den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 b RL enger fassende Auslegung des Beteiligten überzeugt nicht. Er meint, der die Vorschrift des Art. 10 Abs. 1 b RL abschließende Relativsatz „die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind“ beziehe sich auf alle aufgeführten Fallgruppen und schränke den Verfolgungsgrund der „Religion“ dahingehend ein, dass nicht jedwede Form der - zum Beispiel öffentlichen - Glaubensbetätigung, sondern nur die aus religiöser Sicht glaubensprägenden beziehungsweise unverzichtbar gebotenen Verhaltensweisen geschützt werden. Dem kann nicht gefolgt werden. Art. 10 Abs. 1 b RL schützt ausdrücklich etwa auch die Nichtteilnahme an religiösen Riten, also die Entscheidung des Einzelnen, sich religiöser Betätigungen zu enthalten, indem er Dinge, die die Religion als Verhaltensweise zu bestimmten Anlässen vorgibt, gerade nicht tut. Dies zeigt, dass die seitens des Beteiligten vorgeschlagene einschränkende Auslegung, die Vorschrift schütze nur die aus religiöser Sicht glaubensprägenden beziehungsweise unverzichtbar gebotenen Verhaltensweisen, nicht richtlinienkonform sein kann. Dass der Beteiligte zur Stützung seiner Auffassung auf den derzeitigen Stand des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zur Umsetzung der Richtlinie verweist, ändert nichts daran, dass der Gesetzgeber durch die Vorgaben der Richtlinie gebunden ist und diesen nur gerecht werden wird, wenn er sie vollständig umsetzt.

Soweit erkennbar ist das Sächsische Oberverwaltungsgericht bisher das einzige Obergericht, das nach Verbindlichwerden der Richtlinie 2004/83/EG über die Verfolgungsgefährdung konvertierter Christen im Iran entschieden hat. (Sächsisches OVG, Urteile vom 27.3.2007 - A 2 B 38/06 - und vom 24.4.2007 - A 2 B 832/05 -, beide nicht veröffentlicht) Es nimmt ebenfalls an, dass der Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 b RL auf einen weit gefassten Schutzbereich schließen lasse, und meint, im Ergebnis gingen Art. 9 und Art. 10 Abs. 1 b RL über die bisherige, nur das religiöse Existenzminimum sicherstellende Rechtsprechung hinaus, da unter der Geltung der Richtlinie grundsätzlich auch der Schutz des „forum externum“ in Betracht komme. Die weitere Argumentation, wonach wegen der in Art. 9 Abs. 3 RL vorgesehenen Verknüpfung zu fordern sei, dass sich der Eingriff in die Religionsausübung als mit der Wahrung der Menschenwürde unvereinbar darstelle, überzeugt hingegen nicht uneingeschränkt, da der Verfolgungsgrund der Religion in die Prüfung des Vorliegens einer Verfolgungshandlung einbezogen wird. Die erste sich hieran anschließende Feststellung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass ein - flüchtlingsrechtsrelevanter - Eingriff in die Religionsausübung vorliege, wenn die Religionsausübung mit Sanktionen verbunden ist, die bereits selbst den Charakter einer Verfolgungshandlung aufweisen, spiegelt den Verordnungstext wider und ist daher zweifelsohne zutreffend. Allerdings folgt dieser Feststellung keine Prüfung, ob einem Konvertiten im Iran Sanktionen drohen, die im Sinne des Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 RL als Verfolgungshandlung zu bewerten sind. Dies, obwohl sich nach der Auskunftslage beispielsweise die Frage aufdrängt, ob die Verfahrensweise, einen etwa wegen Gottesdienstbesuchen auffällig gewordenen Konvertiten mit Hilfe konstruierter Vorwürfe vor Gericht zu stellen, um ihn so einer Bestrafung für den Abfall vom islamischen Glauben zuzuführen, den Charakter einer Verfolgungshandlung aufweist. Einen Menschen zur Ahndung erfundener Straftaten der Justiz auszuliefern, um ihn aus religiösen Gründen zu bestrafen beziehungsweise ihn zumindest gefügig zu machen, beinhaltet eine bereits als solche diskriminierende polizeiliche Maßnahme im Sinne des Art. 9 Abs. 2 b RL, die es nahe legt, eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte anzunehmen, zumal die Vernehmungsmethoden und Bedingungen einer etwaigen Haft im Iran dem internationalen Standard bei weitem nicht genügen, weil körperliche und/oder psychische Übergriffe nie auszuschließen sind. (Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 5, 6, 15, 23, 35) Noch problematischer erscheint die weitere Feststellung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, die bloße Unterbindung bestimmter Formen der religiösen Betätigung könne eine Verfolgungshandlung (nur) darstellen, wenn unabdingbare Elemente des religiösen Selbstverständnisses des Betroffenen in Rede stünden. Dass diese Einschränkung des nach der Richtlinie zu gewährenden Schutzes durch Art. 9 Abs. 3 RL vorgegeben wird, ist aus der Sicht des Senats zu verneinen, wobei die Frage aber im vorliegenden Zusammenhang mangels Entscheidungsrelevanz keiner Vertiefung bedarf.

Das seitens des Beteiligten in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.1.2004 (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.1.2004 - 1 C 9/03 -, a.a.O.) spricht ebenfalls nicht gegen die hier vertretene Auslegung des Art. 10 Abs. 1 b RL. Das die langjährige bundesdeutsche Rechtsprechung fortführende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erging vor Erlass der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004 und konnte deren Vorgaben daher naturgemäß nicht berücksichtigen. Das Bundesverwaltungsgericht hielt damals Feststellungen für erforderlich, ob die Teilnahme an Gottesdiensten gemeinsam mit anderen Christen, insbesondere anderen Apostaten, abseits der Öffentlichkeit nach dem Selbstverständnis der evangelischen Kirche, der der Kläger jenes Verfahrens angehörte, unter den besonderen Bedingungen der Diaspora in einem Land wie dem Iran zum schlechthin unverzichtbaren Bestandteil des religiösen Lebens gehöre. Des Weiteren seien Feststellungen zu treffen, ob jener Kläger durch die Beschränkung von derartigen Gottesdienstbesuchen selbst in seiner religiös-personalen Identität betroffen ist, da das religiöse Existenzminimum für jeden Gläubigen je nach dem Grad seiner praktizierten religiösen Betätigung unterschiedlich zu bestimmen und daher zu prüfen sei, ob der Besuch von Gottesdiensten abseits der Öffentlichkeit gerade für jenen Kläger selbst unverzichtbar sei.

Diese Rechtsprechung ist nach Verbindlichwerden der Richtlinie 2004/83/EG in deren Licht zu sehen. Dabei ist auch nach Auffassung des Senats davon auszugehen, dass Art. 10 Abs. 1 b RL nur religiöse Verhaltensweisen im öffentlichen Bereich schützt, die der Religion des Schutzsuchenden entsprechen. Zutreffend hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes kürzlich hinsichtlich eines irakischen Schutzsuchenden yezidischer Religionszugehörigkeit darauf abgestellt, dass nach der yezidischen Religion keine religiösen Riten vor den Augen Ungläubiger praktiziert werden dürfen. Da die yezidische Religion die Vornahme religiöser Riten vor den Augen der moslemischen Öffentlichkeit verbiete, sei hinsichtlich dieser Religion ein genereller Konflikt zwischen einem Öffentlichkeitsanspruch der Religion und einer dieser feindlichen islamischen Öffentlichkeit ausgeschlossen. (OVG des Saarlandes, Beschluss vom 26.3.2007 - 3 A 30/07 -, juris) Demgegenüber steht hinsichtlich evangelischer Christen außer Frage, dass der Besuch öffentlicher Gottesdienste nach dem Selbstverständnis der evangelischen Kirche unverzichtbarer Bestandteil des religiösen Lebens ist. Nach Verbindlichwerden der Richtlinie 2004/83/EG ist die weitere vom Bundesverwaltungsgericht formulierte Frage, ob dies auch in einem Land wie dem Iran gelte, nicht mehr erheblich. Der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 b RL richtet sich gerade gegen staatliche Einschränkungen der Religionsfreiheit, was es verbietet, ihn nach dem zu bestimmen, was einzelne Staaten nach ihrer bisherigen Praxis an religiösen Freiheiten und damit an religiösem Selbstverständnis religiöser Minderheiten zugelassen haben. Die anschließend vom Bundesverwaltungsgericht angesprochene Frage, ob etwa die Teilnahme an Gottesdiensten für den Schutzsuchenden von unverzichtbarer Bedeutung sei, stellt sich demgegenüber nach wie vor. Nur wenn ein Schutzsuchender seinen Glauben aufgrund seiner religiösen Überzeugung in der Heimat auch praktizieren will, kann er in flüchtlingsrechtsrelevante Schwierigkeiten mit staatlichen Behörden, die ihm dies verbieten wollen, geraten. Allerdings wird man einem Schutzsuchenden, der sozusagen von Geburt an einer bestimmten Religionsgemeinschaft angehört, nicht ohne konkrete Anhaltspunkte im Einzelfall unterstellen können, dass er seinen Glauben in der Heimat nicht praktizieren will, weswegen die angesprochene, vom Bundesverwaltungsgericht aufgeworfene Frage sich insbesondere stellt, wenn der Schutz des Art. 10 Abs. 1 b RL von einem Konvertiten beansprucht wird.

Wie bereits ausgeführt erkennt Art. 10 Abs. 1 b RL dem Einzelnen auch das Recht zu, sich aus religiöser Überzeugung/aus Glaubensüberzeugung für eine andere als die bisherige Religion zu entscheiden und sich zu der angenommenen Religion zu bekennen. Die Garantien des Art. 10 Abs. 1 b RL - etwa das Recht auf Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich - gelten für Konvertiten, die ihren Glauben aus religiöser Überzeugung gewechselt haben, in gleichem Umfang wie für Gläubige, die ihre praktisch durch Geburt erworbene Religion beibehalten. Voraussetzung des Schutzes der Ausübung der „neuen“ Religion ist nach der Konzeption des Art. 10 Abs. 1 b RL allein, dass der Glaubenswechsel aufgrund religiöser Überzeugung/aus Glaubensüberzeugung erfolgt ist.

Damit bedarf es im Falle einer Konversion einer eingehenden Prüfung, ob der Konvertit seinen Glauben nicht nur - etwa aus auf ein Bleiberecht bezogenen taktischen Gründen - durch einen bloß formalen Akt, sondern aus religiöser Überzeugung gewechselt hat und durch den neuen Glauben in seiner religiösen Identität geprägt wird. Ist letzteres der Fall, kommt ihm der Schutz des Art. 10 Abs. 1 b RL in vollem Umfang zugute. Drohen ihm in der Heimat Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 RL, wenn er dort durch Art. 10 Abs. 1 b RL geschützte Verhaltensweisen praktiziert, so ist ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Ob einem zum Christentum konvertierten Moslem im Iran Verfolgungshandlungen drohen, beurteilt sich nach den sich in der aktuellen Auskunftslage widerspiegelnden Verhältnissen vor Ort.

Zur allgemeinen Lage der Christen im zu 99 % muslimisch bevölkerten Iran ist festzustellen, dass die iranische Verfassung den Islam und die schiitische Glaubensschule als Staatsreligion bestimmt (Art. 12) und die Zoroastrier, die Juden und die Christen als staatlich anerkannte religiöse Minderheiten benennt (Art. 13), wobei den Angehörigen dieser Religionsgemeinschaften als Nichtmuslimen der Zugang zu Ämtern in der iranischen Exekutive, dem Richteramt sowie höheren Offiziersrängen in der iranischen Armee verwehrt ist. Anstellungen in der Verwaltung sind selten und werden zumeist niedriger entlohnt als bei Muslimen. Vertreter anerkannter religiöser Minderheiten können nicht regulär ins Parlament gewählt werden, sondern haben nur die Möglichkeit, sich für einen der insgesamt fünf jeweils für spezielle Religionsgemeinschaften reservierten Sitze zu bewerben. In religiöser Hinsicht wird den anerkannten religiösen Minderheiten innerhalb des gesetzlichen Rahmens das Recht zugestanden, ihre jeweiligen religiösen Gebräuche zu pflegen und sich in persönlichen und glaubensspezifischen Belangen gemäß ihrer religiösen Vorschriften zu verhalten. Die alteingesessenen christlichen Nationalkirchen Irans, insbesondere die armenisch-orthodoxe Kirche, die assyrische Kirche und die chaldäischen Katholiken sind staatlicherseits anerkannte Religionsgemeinschaften; ihre Mitglieder unterscheiden sich nicht nur von ihrer religiösen, sondern auch von ihrer ethnischen Herkunft her von der weit überwiegend muslimischen Bevölkerung Irans. Ihnen ist es solange unbenommen, ihre Religion - etwa durch den Besuch von Gottesdiensten und die Teilnahme an sonstigen religiösen Riten - zu praktizieren, wie sie grundlegende Prinzipien der islamischen Gesellschaft, etwa die strengen Vorschriften über die zu tragende Bekleidung, beachten und sich jeglicher auf die muslimische Bevölkerung zielenden Missionierungstätigkeit enthalten. Die christliche Mission ist im Iran verboten, was seitens der traditionellen christlichen Kirchen respektiert wird. Der iranische Staat versteht jegliche Missionsversuche als Angriff auf die Staatssicherheit, da der Islam für die muslimische Bevölkerung nicht nur religiöse Bedeutung hat, sondern gleichzeitig die staatstragende Religion ist. Der Islam kennt keine legale Möglichkeit, vom Islam zum Christentum überzutreten. Ein Konvertit bleibt daher aus islamischer Sicht weiterhin Muslim, der sich allerdings religionsschädlich verhält, indem er eine andere - aus islamischer Sicht nicht religiöse - Gruppe unterstützt und sich dadurch dem Verdacht aussetzt, das auf muslimischer Grundlage etablierte Mullah-Regime schwächen zu wollen. Die Konversion zum Christentum begründet in der muslimisch-iranischen Öffentlichkeit den Verdacht einer regimekritischen Haltung. Es kommt vor, dass auch nicht missionierende zum Christentum konvertierte Iraner wirtschaftlich, etwa bei der Arbeitssuche, oder gesellschaftlich bis hin zur Ausgrenzung benachteiligt werden. Der Abfall vom Islam (Apostasie) ist nach islamisch-religiösem Recht mit der Todesstrafe bedroht. Obwohl das kodifizierte iranische Strafrecht die Todesstrafe im Fall der Apostasie nicht vorsieht, erging wegen dieses Vorwurfs zuletzt im November 2002 ein - später in eine Haftstrafe umgewandeltes - Todesurteil. Fälle einer Vollstreckung der Todesstrafe wegen Apostasie wurden in den letzten Jahren nicht mehr aktenkundig. Bei Bekanntwerden der Konversion tritt neben die Gefahr staatlicher Repressionen die Möglichkeit einer Verfolgung durch fanatische Muslime, da Konvertiten gemäß islamischem Recht von allen Muslimen getötet werden dürfen. Die christlichen Kirchen werden staatlicherseits dazu angehalten, muslimischen Interessenten Zugang zu ihren religiösen Veranstaltungen zu verweigern und Versuche muslimischer Personen, mit ihren Gemeinden in Kontakt zu treten, zurückzuweisen. Da die Konversion zum Christentum im Iran seit jeher ein Tabu und auch aus christlicher Sicht sehr ungewöhnlich ist, stößt ein Konvertit bei den traditionellen christlichen Kirchen Irans auf starke Vorbehalte und setzt sich dem Verdacht aus, ein Spitzel zu sein. Ein Konvertit kann vor diesem Hintergrund nicht erwarten, als neues Gemeindemitglied anerkannt und aufgenommen zu werden. (Deutsches Orient-Institut, Stellungnahmen vom 6.9.2004 - 531 i/br - und vom 6.12.2004 – 585 i/br -; SFH, Christen und Christinnen im Iran, Themenpapier vom 18.10.2005, S. 4 f., 7 -11; SFH, Iran-Reformen und Repression, Update der Entwicklungen seit Juni 2001, vom 20.1.2004, S. 11 f.; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 21.9.2006 - 508-516.80/3 IRN -, S. 6, 15, 20 f., 23, 33 f.) Anders als die traditionellen christlichen Kirchen Irans betreiben einige, zu neueren christlichen Strömungen zu zählende protestantisch-evangelische Glaubensgemeinschaften mit westlicher Unterstützung insbesondere der protestantischen Kirche beziehungsweise (frei-)kirch-lich-evangelischer Gruppierungen im Iran auch Missionsarbeit und zeigen sich bereit, muslimische Konvertiten in ihre Kirchengemeinde aufzunehmen. Folge sind häufige Schwierigkeiten mit den iranischen Behörden, von denen sie überwacht werden, wobei sie mit harten Sanktionen rechnen müssen. Immer wieder sind in der Vergangenheit missionarisch tätig gewesene Priester dieser Religionsgemeinschaften verschwunden und oftmals später tot aufgefunden worden. Nach Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe werden Konvertiten, deren Übertritt den iranischen Behörden bekannt wird, zunächst zum Informationsministerium zitiert, wo sie scharf verwarnt werden. Sollten sie weiter in der Öffentlichkeit auffallen, etwa durch Besuche von Gottesdiensten oder Missionsaktivitäten, müssen sie damit rechnen, mit Hilfe konstruierter Vorwürfe wie Spionage oder Aktivitäten in einer illegalen Gruppe vor Gericht gestellt zu werden. Unbehelligt blieben Konvertiten im Iran, solange es ihnen gelinge, ihren Glauben - etwa in einer der ca. 100 christlichen Hausgemeinschaften - unbemerkt von den iranischen Behörden beziehungsweise von Familienangehörigen, Nachbarn und Bekannten auszuüben. Gerade fanatische muslimische Familienangehörige seien ein Risikofaktor, da sie den Übertritt als Hochverrat, Staatsverrat beziehungsweise Abfall von der eigenen Sippe und dem eigenen Stamm sähen und es daher häufig zu Anzeigen an die iranischen Sicherheitsbehörden komme, die schwere körperliche Misshandlungen und unter Umständen längere Verhaftungen zur Folge haben könnten. (SFH, Christen und Christinnen im Iran, a.a.O., S. 11 - 18)

Die vor dem Hintergrund dieser tatsächlichen Gegebenheiten zu klärende Frage, ob der Kläger glaubhaft gemacht hat, seine Heimat im Sinne des Art. 4 Abs. 4 RL wegen unmittelbar drohender Verfolgung verlassen zu haben oder - verneinendenfalls - ob er infolge der zwischenzeitlichen Konversion zum Christentum im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu befürchten hat, ist zu verneinen.

Der Kläger hat seine Heimat unverfolgt verlassen.

Er hat nicht glaubhaft gemacht, auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender Verfolgung aus dem Iran ausgereist zu sein. Wie bereits das Verwaltungsgericht festgestellt hat, weist sein diesbezügliches Vorbringen eine Vielzahl von Ungereimtheiten, Widersprüchlichkeiten und auch Steigerungen des Sachvortrags auf und ist daher nicht zur Vermittlung der notwendigen Überzeugungsgewissheit betreffend das Bestehen begründeter Verfolgungsfurcht geeignet. Anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger sein angebliches Verfolgungsschicksal in verschiedenen Punkten erneut umgestaltet, was seine Bekundungen zu den Geschehnissen in seiner Heimat vollends unglaubhaft macht.

So behauptet er nun erstmals, das Geld für die Ausreise stamme nicht von seinem Vater (so aber Anhörungsprotokoll vom 12.9.2002, S. 5 und 6), sondern aus eigenen Ersparnissen, die er sich als Inhaber einer eigenen - neben dem Studium betriebenen - Kleiderfirma erwirtschaftet haben will, sowie dass er von Urumijee aus nur mit seinem jüngeren Bruder, nicht mit seinem Vater (so aber Anhörungsprotokoll vom 12.9.2002, S. 4), telefonischen Kontakt gehabt habe. Soweit der Kläger auf entsprechenden Vorhalt durch den Senat gemeint hat, es müsse sich um einen Übersetzungsfehler handeln, überzeugt dies nicht. So hat er gegenüber der Beklagten mehrfach zu Protokoll (S. 5 und 6) erklärt, sein Vater habe die Ausreise finanziert; von einer eigenen selbständigen Tätigkeit war bisher auch nicht ansatzweise die Rede. Der Grund für seine nunmehrige völlig neue Darstellung dürfte vielmehr darin liegen, dass das Verwaltungsgericht ihm das angebliche Verhalten des Vaters - einerseits Anzeige bei der Staatssicherheit und Hängenlassen der Kreuze als Beweis gegen den Kläger und andererseits Finanzierung der Ausreise und Aufrechterhaltung telefonischen Kontakts, um den Kläger jeweils über den aktuellen Stand der Dinge zu informieren - als nicht nachvollziehbar und daher unglaubhaft vorgehalten hat.

Neu ist auch die Darstellung des Klägers, er sei nicht, wie anlässlich seiner Anhörung durch die Beklagte behauptet, im Februar 2002 und nicht, wie vor dem Verwaltungsgericht angegeben, Ende 2001, sondern erst während seines Aufenthalts in Urumijee exmatrikuliert worden. Ebenfalls neu ist die Behauptung, er sei nach Urumijee geflohen, nachdem er an der Universität mündlich aufgefordert worden sei, bei der ideologischen - der staatlichen Schutzbehörde unterstehenden - Stelle der Universität zu erscheinen, und ein dort tätiger Freund ihm deshalb geraten habe, besser zu fliehen. Die schriftliche Vorladung sei erst zu Hause eingegangen, als er bereits in Urumijee gewesen sei. Vor der Beklagten und dem Verwaltungsgericht hatte der Kläger demgegenüber noch bekundet, sich nach Erhalt der ersten schriftlichen Ladung direkt (Anhörung durch die Beklagte) beziehungsweise nach einigen Tagen (Anhörung durch das Verwaltungsgericht) nach Urumijee begeben zu haben.

Schließlich gab er anlässlich seiner nunmehrigen Anhörung hinsichtlich seiner angeblichen Kirchenbesuche im Iran als Adresse der armenischen Kirche, die er des Öfteren aufgesucht haben will, eine andere (Baharistanstraße) als gegenüber der Beklagten (Schunsde Metrie 2 in der 9. Straße Hausnummer 23) an. Auch behauptet er nun, anlässlich der Kirchenbesuche das Gefühl gehabt zu haben, dass die Armenier ihn eher positiv aufgenommen hätten, während er früher bekundet hatte, die armenischen Gemeindemitglieder seien sehr zurückhaltend gewesen, weil es verschiedene Vorfälle, auch Todesfälle, gegeben habe; sie hätten nicht so gerne gewollt, dass er und seine Freunde mit in der Kirche sitzen.

Insgesamt bekräftigen die Einlassungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung den schon im Vorfeld nach der Aktenlage naheliegenden Eindruck, dass der Kläger sich immer wieder in neue Widersprüche und Ungereimtheiten verstrickt, weil er kein selbst erlebtes, sondern ein zur Zeit der Einreise vor ca. viereinhalb Jahren frei erfundenes Geschehen schildert.

Demnach ist davon auszugehen, dass der Kläger den Iran unverfolgt verlassen hat, weswegen ihm hinsichtlich der Frage, ob er im Falle seiner Rückkehr wegen der zwischenzeitlichen Entwicklung trotzdem gefährdet wäre, die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL nicht zugute kommt.

Ein Anspruch aus § 60 Abs. 1 AufenthG setzt daher voraus, dass bei zusammenfassender Bewertung des zur Prüfung gestellten Sachverhalts die im Falle der Rückkehr für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und daher gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen, der Kläger also mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu befürchten hat. Dies ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht der Fall.

Die im Bundesgebiet erfolgte Konversion des Klägers zum Christentum begründet unter den konkreten Gegebenheiten nicht die Annahme, dass ihm im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr droht, wegen der Annahme des christlichen Glaubens Verfolgung seitens des iranischen Staates oder seitens nichtstaatlicher Akteure befürchten zu müssen.

Wie bereits ausgeführt, schützt Art. 10 Abs. 1 b RL unter anderem die Freiheit, einen anderen Glauben anzunehmen, sowie die Freiheit, den ursprünglichen oder den angenommenen Glauben durch Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich zu betätigen.

Der Umfang des durch Art. 10 Abs. 1 b RL im Falle der Annahme eines anderen Glaubens garantierten Schutzes hängt nach der Konzeption der Vorschrift nicht davon ab, ob der Glaubenswechsel im Heimatstaat oder im Ausland vollzogen wurde. In beiden Konstellationen kann er eine Verfolgungsgefahr nur auslösen, wenn er dem Heimatstaat beziehungsweise nichtstaatlichen Akteuren in der Heimat bekannt wird und aus deren Sicht Anlass gibt, auf den Konvertiten einzuwirken. Lediglich im Rahmen der Prüfung, ob der Glaubenswechsel unter Berücksichtigung der landesspezifischen Gegebenheiten ein derartiges Verfolgungsinteresse zu begründen vermag, kann es eine Rolle spielen, wo der Wechsel vollzogen wurde, wobei diese Frage sich erst stellt, wenn feststeht, dass der seitens des Schutzsuchenden behauptete Glaubenswechsel durch Art. 10 Abs. 1 b RL geschützt wird.

Wie bereits ausgeführt löst ein Glaubenswechsel den Schutz des Art. 10 Abs. 1 b RL aus, wenn er aus religiöser Überzeugung erfolgt ist und den Schutzsuchenden in seiner religiösen Identität prägt.

Vorliegend hat der Kläger den Glaubenswechsel förmlich vollzogen, als er am 11.4.2004 in der evangelischen Kirche in B-Stadt getauft wurde. Ob dieser Wechsel zum Christentum für den Kläger auch eine Glaubenssache war, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Klägers unter Einbeziehung des Eindruckes, den er in der mündlichen Verhandlung vermittelt hat, zu überprüfen und vorliegend im Ergebnis zu verneinen.

Die Bekundungen des Klägers lassen zwar vermuten, dass er sich innerlich vom Islam abgewandt hat und diesen nicht mehr als „seine“ Religion empfindet. In diese Richtung deuten etwa seine Ausführungen zu den Inhalten der mit seinem Vater geführten Diskussionen und seine Bekundung, sich nach der Taufe „befreit“ gefühlt zu haben. Hinsichtlich seiner behaupteten kritischen Einstellung zu den Einflüssen des Islam auf die gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Verhältnisse im Iran ist der Kläger im Übrigen kein Einzelfall, da sich nach der Auskunftslage viele junge Iraner aus den gleichen Gründen wie der Kläger dem Islam entfremden. (Deutsches Orient-Institut, Stellungnahme vom 11.12.2003 - 494 i/br -)

Dem Vorbringen des Klägers ist allerdings nicht zu entnehmen, dass seine Entscheidung für eine Konversion zum Christentum eine religiöse Grundüberzeugung widerspiegelt. Die Gründe, aus denen er sich angeblich zum Christentum hingezogen fühlt und diese Religion als künftig für ihn maßgeblich gewählt haben will, sind weder anlässlich seiner Anhörung durch den Senat noch anlässlich der Anhörung durch die Beklagte (Bl. 5 des Anhörungsprotokolls vom 12.9.2002) noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (Bl. 3 des Sitzungsprotokolls vom 14.9.2005) deutlich geworden.

So antwortete der Kläger auf die Frage des Verwaltungsgerichts, warum er sich für den christlichen Glauben interessiere, dass er aus einer streng moslemischen Familie stamme. Alle seine Familienmitglieder seien Moslems, und zwar Schiiten. Ähnlich war seine Reaktion auf die im Rahmen der Anhörung durch die Beklagte gestellte Frage, was er an der christlichen Religion besser als an der islamischen finde. Damals beschrieb er, was ihn am Islam störe und betonte seinen Wunsch, dass die Religion frei sein solle. Im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat hat er beteuert, er fühle sich seit seiner Taufe frei, da er keinen Pflichten mehr nachgehen müsse, die ihm nicht logisch erschienen. Nach diesen Bekundungen scheint der Kläger keine konkreten Vorstellungen von christlichen Glaubensinhalten zu haben. Zu den Auswirkungen des Religionswechsels auf seine Lebensführung befragt gab er an, an kirchlichen Feiertagen den Gottesdienst grundsätzlich und an Sonntagen, wenn er nicht zu arbeiten habe, zu besuchen. Er sei bei einer Kleiderreinigung beschäftigt und arbeite dort von montags bis donnerstags und manchmal auch samstags. Die Woche über gehe er - von eventuellen Feiertagen abgesehen - nicht zur Kirche. Der letzte Gottesdienstbesuch sei am Sonntag vor zwei Wochen gewesen. Diese Angaben lassen nicht erkennen, dass der Gottesdienstbesuch dem Kläger im täglichen Leben ein Bedürfnis ist beziehungsweise dass seine Lebensführung in sonstiger Weise durch christliche Glaubensinhalte verändert worden ist. All das, was der Kläger vor dem Senat zum Christentum vorbrachte, wurde ohne innere Anteilnahme und ohne Engagement, in weiten Teilen schleppend, gleichsam gleichgültig, wiedergegeben.

Sein Interesse für religiöse Dinge stellt sich auch im Übrigen als eher gering dar. Beispielsweise stimmen seine nunmehrigen Angaben zur Taufvorbereitung nicht mehr mit denjenigen in der von ihm vorgelegten pfarramtlichen Bescheinigung vom 8.12.2004 überein. Dort heißt es, der Kläger habe im Januar 2004 in der Pfarrei vorgesprochen, weil er nicht wie andere Iraner aus B-Stadt zum Taufunterricht und zur Taufe nach Hannover fahren, sondern in B-Stadt Taufunterricht nehmen wollte. Nach einem dreimonatigen Taufunterricht sei er in der evangelischen Kirche in B-Stadt getauft worden. In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger demgegenüber an, einige Monate nach seiner Ankunft in B-Stadt habe er Kontakt mit der persisch-sprachigen Kirche in Bad Kreuznach aufgenommen, von dort Unterrichtsmaterial und Fragen dazu übersandt bekommen, sich mit diesen Materialien befasst und die Fragen beantwortet zurückgesandt. Die Taufe sei dann in B-Stadt erfolgt. Der Lebacher Pfarrer habe sich zuvor mehrfach mit ihm unterhalten und ihn zu seinem Wunsch, Christ zu werden, befragt. Ein Taufunterricht habe in B-Stadt nicht mehr stattgefunden. Aus Sicht des Senats deutet die von der selbst vorgelegten Bescheinigung doch in zentralen Punkten abweichende heutige Darstellung des Klägers darauf hin, dass die Umstände der Taufvorbereitung in seiner Erinnerung bereits verblasst sind, was nicht heißen soll, dass der Senat die Kontakte nach Bad Kreuznach nicht glaubt. Bedenklich ist vielmehr, dass der ihm pfarramtlich bescheinigte dreimonatige Taufunterricht in B-Stadt in der Erinnerung des Klägers nur als „einige Unterhaltungen mit dem Pfarrer“ haften geblieben ist, was nicht von intensivem Interesse für die christliche Sache zeugt.

Den gleichen Eindruck vermittelt der Versuch des Klägers, sich an seinen Taufspruch zu erinnern. Die Auswahl des Taufspruches ist für einen erst als Erwachsenen getauften evangelischen Christen ebenso wie die Auswahl eines Spruches für einen Konfirmanden eine ganz persönliche Angelegenheit, wobei der individuell gewählte Taufspruch auf der Taufurkunde wörtlich wiedergegeben wird, was seine religiöse Bedeutung für den Täufling widerspiegelt. Angesprochen auf seinen Taufspruch gab der Kläger an, sich an diesen zu erinnern und reihte sodann - nicht wörtlich, sondern ihrem Sinn nach - rudimentäre Auszüge aus dem Anfang des christlichen Glaubensbekenntnisses aneinander. Berücksichtigt man, dass auch das Glaubensbekenntnis im Rahmen der Erwachsenentaufe eine zentrale Rolle spielt, was äußerlich darin zum Ausdruck kommt, dass es ebenfalls textlicher Bestandteil der Taufurkunde ist, wird deutlich, dass die Erinnerung des Klägers an Inhalte des Taufunterrichts und die Taufe selbst bereits sehr verblasst ist.

Auf die Gründe angesprochen, aus denen er den in der Taufurkunde vermerkten zusätzlichen christlichen Vornamen „Josef“ gewählt hat, antwortete der Kläger, sein eigentlicher Vorname „“ deute auf einen arabischen Stamm hin. Damit wolle er nichts mehr zu tun haben. Warum er sich gerade für „Josef“ entschieden hatte, erläuterte er nicht. Dass er im Bekanntenkreis weiterhin „“ genannt werde, weil das so in seinen Papieren stünde, missfalle ihm zwar; er behauptet aber nicht, seine Bekannten gebeten zu haben, ihn mit dem neuen Vornamen zu rufen. Dass die Entscheidung für einen zusätzlichen christlichen Vornamen nicht nur ein formales Zeichen, sondern für den Kläger von religiöser Bedeutung war, lässt sich diesen Bekundungen nicht entnehmen.

Alles in allem konnte der Kläger nicht den Eindruck vermitteln, dass seine Entscheidung, sich evangelisch taufen zu lassen, religiös motiviert war. Der einzige christliche Wert, den er konkret benannte, war das Gebot der Nächstenliebe, was insofern nicht verwundert, als seine gegen den Islam gerichteten Äußerungen durchaus belegen, dass er durch eine humanitäre Grundeinstellung geprägt wird. Das Bekenntnis zur Nächstenliebe reicht allerdings als einziger konkreter Anknüpfungspunkt der Kenntnis christlichen Gedankengutes nicht zur Bejahung einer religiös motivierten Annahme des christlichen Glaubens aus, da nach allem Gesagten nicht erkennbar ist, dass der christliche Glaube den Kläger in seiner religiösen Identität prägt.

Fehlt es - wie vorliegend - an einer seine religiöse Identität prägenden christlichen Glaubensüberzeugung des Schutzsuchenden, so vermittelt der rein formal durch die Taufe vollzogene Akt des Glaubenswechsels nicht den Schutz des Art. 10 Abs. 1 b RL. Der Kläger kann nicht unter Hinweis auf diese Vorschrift und die tatsächlichen Gegebenheiten in seinem Heimatstaat Iran verlangen, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird. Diesem Begehren steht entgegen, dass er im Iran wegen des nur formal angenommenen christlichen Glaubens keine Verfolgungshandlungen zu befürchten hat.

So steht schon nicht zu erwarten, dass die Tatsache der evangelischen Taufe den iranischen Behörden überhaupt bekannt geworden ist beziehungsweise noch bekannt werden könnte. Der Kläger hat sich bislang in keiner irgendwie auffälligen Weise christlich-religiös betätigt. Dass er an Feiertagen und, wenn er Zeit hat, an Sonntagen die evangelische Kirche in B-Stadt besucht, ist kein Verhalten, das ausreicht, um die Aufmerksamkeit iranischer Spitzel in Deutschland zu erregen. Selbst wenn er insoweit irgendwann aufgefallen und daraufhin beobachtet worden sein sollte, wäre nicht anzunehmen, dass die gelegentlichen Kirchgänge aus Sicht der Beobachter von nachhaltigem Interesse sein könnten. Insbesondere kann sein Bekunden, er habe im Laufe der Zeit - wobei seit seiner Taufe bereits mehr als drei Jahre verstrichen sind - etwa acht bis zehn Iraner mit zur Kirche genommen, nicht als missionarische Tätigkeit gewertet werden. Dies gilt ungeachtet dessen, dass angeblich mindestens zwei dieser Personen zum christlichen Glauben konvertiert sein sollen. Der Kläger hat hierzu weder schriftsätzlich vorgetragen noch in der mündlichen Verhandlung den Versuch unternommen, nähere Angaben zu machen, insbesondere darzulegen, dass deren angebliche Konversion auf seine christliche Überzeugungsarbeit zurückgeht.

Selbst wenn die Tatsache der christlichen Taufe im Iran bekannt geworden wäre beziehungsweise im Falle der Rückkehr bekannt würde, ist nach der Auskunftslage und der auf dieser basierenden obergerichtlichen Rechtsprechung (Sächsisches OVG, Urteil vom 28.3.2007, amtl. Abdr. S 10 f.; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 27.4.2006 - 5 LB 106/02 -, juris, m.w.N.; Hamburgisches OVG, Urteil vom 24.3.2006 - 1 Bf 15/98.A-, juris; OVG des Saarlandes, Urteil vom 23.10.2002 -9 R 3/00-, juris, amtl. Abdr. S. 38 f.) nicht anzunehmen, dass der im Ausland im Verlauf eines Asylverfahrens vollzogene Glaubenswechsel für sich genommen die iranischen Behörden veranlassen könnte, asylrelevante Maßnahmen gegenüber dem Rückkehrer zu ergreifen. Durch eine Konversion im Ausland fühlt der iranische Staat sich in der Regel nicht bedroht, wenn es sich um eine einfache Mitgliedschaft handelt, die weder mit - ernstzunehmender - missionarischer Tätigkeit noch mit Leitungsaufgaben oder anderen hervorgehobenen Funktionen verbunden ist.

Damit gibt der Sachverhalt keine Veranlassung zur Klärung, ob die Konsequenzen, die ein religiös motivierter und den Konvertiten in seiner religiösen Identität prägender Glaubenswechsel vom Islam zum Christentum nach der Erkenntnislage im Falle der Rückkehr und der Praktizierung des neuen Glaubens in der Heimat auslöst, gemessen an Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 RL einzeln oder in Kumulation als asylrechtliche Verfolgungshandlung zu qualifizieren sind.

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht auch nicht zu befürchten, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Repressalien seitens nichtstaatlicher Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 c AufenthG in Verbindung mit Art. 6 c RL drohen.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, sein Vater sei strenggläubiger Moslem und mit der Hinwendung des Klägers zum Christentum nicht einverstanden, genügt dies nicht zur Annahme, dass vom Vater eine Gefährdung für Leib oder Leben des Klägers ausgehen könnte. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zwar einerseits behauptet, der Familie seine Adresse aus Angst vor seinem Vater nicht mitzuteilen, andererseits aber bekundet, mit dem Vater telefonischen Kontakt zu haben. Grundsätzlich rede er mit seinem Vater nicht über religiöse, sondern nur über persönliche Dinge, da der Vater einen Herzinfarkt gehabt habe und er ihn nicht aufregen wolle. So frage der Vater etwa, wie es ihm gehe, ob er schon eine Familie habe und ob er nicht zurückkommen wolle. Dass er letzteres wegen seiner Konversion verneine, könne der Vater nicht akzeptieren. Der Kläger behauptet aber nicht, dass es wegen derartiger Antworten zu religiösen Streitgesprächen oder massiven Vorwürfen seitens des Vaters käme, und beim nächsten Telefonat scheinen wieder persönliche Dinge besprochen zu werden.

Die so aktuell in der mündlichen Verhandlung beschriebene Haltung des Vaters zu dem Kläger lässt nicht erwarten, dass der Vater ihm im Falle der Rückkehr Schaden an Leib oder Leben zufügen würde. Dasselbe gilt für andere Familienmitglieder und Bekannte, hinsichtlich derer der Kläger keine Bedrohung geltend gemacht hat.

Ebenso wenig ist beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger allein aufgrund der Asylantragstellung mit abschiebungsschutzrechtlich relevanten Übergriffen rechnen müsste. Insoweit teilt der erkennende Senat die Einschätzung des früher für das Herkunftsland Iran zuständig gewesenen 3. Senats des Gerichts (OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 16.8.2006 - 3 Q 78/06 - und vom 9.8.2006 - 3 Q 23/06-, jeweils juris, sowie Urteil vom 23.10.2002, a.a.O., S. 24 ff., jeweils m.w.N.) , der in Fortführung der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung ebenso wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, Beschluss vom 14.5.2007 - 14 ZB 07.30240 -, juris, m.w.N.) in einer kürzlich ergangenen Entscheidung eine allein auf die Asylantragstellung gründende Verfolgungsgefahr verneint. Der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes hat in den zitierten Beschlüssen vom August 2006 unter Berücksichtigung der neueren Auskunftslage und zahlreicher Presseberichte über das aktuelle Geschehen im Iran überzeugend dargelegt, dass zwar infolge der letzten Wahlen die fundamentalistischen Kräfte im Verhältnis zu den reformorientierten Kreisen die Oberhand gewonnen und mit dem neuen Staatspräsidenten Ahmadinadschad ein konservatives Staatsoberhaupt an ihrer Spitze haben, es aber keine Anzeichen dafür gebe, dass sich infolge dieser Entwicklung die Situation für zurückkehrende Asylbewerber verschlechtert habe und diese nun alleine wegen der Asylantragstellung und der Entfaltung gewisser Exilaktivitäten zur Untermauerung ihres Begehrens abschiebungsschutzrechtlich relevante Maßnahmen zu befürchten hätten. Den iranischen Amtswaltern sei bekannt, dass ein Asylverfahren für die meisten in Europa lebenden Iraner die einzige Möglichkeit sei, ein - wenn auch nur zeitweiliges - Aufenthaltsrecht zu erlangen. Der neueste Lagebericht (Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 37 f.) und die aktuelle Auskunftslage geben keine Veranlassung zu einer geänderten Einschätzung.

Da der Kläger nicht glaubhaft machen konnte, seine Heimat aus begründeter Furcht vor Verfolgung verlassen zu haben, und ihm auch wegen seiner Nachfluchtaktivitäten nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen des iranischen Staates beziehungsweise seitens seines Vaters oder sonstiger Verwandter oder Bekannter drohen, ist die Berufung hinsichtlich des Hauptantrags, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festzustellen, unbegründet und unterliegt daher der Zurückweisung.

II.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Feststellung, dass ihm Abschiebungsschutz nach Maßgabe des § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG zu gewähren ist. Sein Vorbringen ist - wie im Einzelnen dargelegt - nicht glaubhaft, so dass ihm Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG nicht zusteht.

Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung der auch in diesem Zusammenhang zu beachtenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG. Nach Art. 2 e RL hat ein Drittstaatsangehöriger, der die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt, Anspruch auf subsidiären Schutz, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorbringt, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 RL zu erleiden, sofern auf ihn die Ausschlussgründe des Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 RL keine Anwendung finden und er den Schutz seines Herkunftslandes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will.

Voraussetzung der Gewährung subsidiären Schutzes ist demnach, dass der Kläger stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei Rückkehr in den Iran tatsächlich Gefahr liefe, dass ihm gegenüber die Todesstrafe verhängt oder vollstreckt würde oder dass ihm Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohen (Art. 15 a und b RL). Aus welchen Gründen ihm eine derartige Behandlung droht, spielt dabei nach der in Art. 18 und Art. 2 e RL zum Ausdruck kommenden Konzeption der Richtlinie - anders als bei der an einen Verfolgungsgrund anknüpfenden Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft - keine Rolle. Ausreichend ist, dass stichhaltige Gründe für die tatsächliche Gefahr, im Falle der Rückkehr einen ernsthaften Schaden zu erleiden, vorgebracht sind. Dies ist im Falle des Klägers zu verneinen, da der von ihm geschilderte Lebenssachverhalt entweder nicht glaubhaft oder (so die im Bundesgebiet erfolgte Taufe zum evangelischen Christen) unter den konkreten Gegebenheiten nicht geeignet ist, die Gefahr, von einem ernsthaften Schaden bedroht zu werden, zu begründen.

Die Berufung ist daher insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Zwar geht das seitens des Senats mit Blick auf Art. 10 Abs. 1 b RL befürwortete Verständnis des nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu gewährenden Schutzes vor Verfolgungshandlungen wegen der Religion über das hinaus, was nach der bisherigen bundesdeutschen Rechtsprechung als Inhalt eines religiös bedingten Schutzanspruchs anerkannt ist. Diese grundsätzlichen Erwägungen zu den aus dem Inkrafttreten der Richtlinie zu ziehenden Konsequenzen sind indes für die getroffene Entscheidung, die Berufung zurückzuweisen, nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Das Begehren des Klägers hätte unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung erst recht keine Erfolgsaussichten gehabt. Insoweit wird hinsichtlich der Bewertung der Relevanz der geltend gemachten Konversion zum Christentum auf die Darstellung der bis zum Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG unangefochtenen Rechtsprechung in dem gegenüber dem Kläger ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts verwiesen.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG und beträgt nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschlüsse vom 21.12.2006 - 1 C 29/03 - und vom 14.2.2007 - 1 C 22/04 -, jeweils juris) zur Auslegung dieser Vorschrift 3.000 EUR.

Gründe

Das Ausbleiben des Beteiligten im Termin stand einer Verhandlung und Entscheidung in der Sache nicht entgegen, da er ordnungsgemäß und unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 VwGO zur mündlichen Verhandlung geladen worden war.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig; der Kläger hat weder einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (I) noch stehen seiner Abschiebung in den Iran Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG entgegen (II).

I.

Ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich des Herkunftslandes setzt nach genannter Vorschrift voraus, dass Leben oder Freiheit des Ausländers in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist, wobei die drohende Verfolgung ausgehen kann von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) - unter bestimmten Voraussetzungen - nichtstaatlichen Akteuren.

Hinsichtlich des in § 60 Abs. 1 AufenthG verwendeten Begriffs der Verfolgung sind spätestens seit dem 11.10.2006 die Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12, berichtigt im ABl. L 204 vom 5.8.2005, S. 24) (so genannte Qualifikationsrichtlinie) - nachfolgend: RL - zu beachten. Durch Art. 38 RL wurden die Mitgliedstaaten verpflichtet, die zur Umsetzung der Richtlinie erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften spätestens bis zum 10.10.2006 zu erlassen. Dieser Verpflichtung ist die Bundesrepublik Deutschland nicht gerecht geworden, was nach der auf Art. 189 Abs. 3 und Art. 5 EWG-Vertrag verweisenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteile vom 5.4.1979 - Rs. 148/78 - , Slg. 1979, 1629 Rdnr. 23, und vom 20.9.1988 - 190/87 -, Slg. 1988, 4689) zur Folge hat, dass die Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie seit dem 11.10.2006 im Bundesgebiet unmittelbar Anwendung finden, soweit sie von ihrem Regelungsgehalt her einer unmittelbaren Anwendung zugänglich sind. Dies ist hinsichtlich der Vorschriften, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft festlegen, ohne Einschränkung zu bejahen. (BVerwG, Urteile vom 21.11.2006 - 1 C 10/06 -, NVwZ 2007, 465 ff. = DVBl. 2007, 446 ff. = InfAuslR 2007, 213 ff., und vom 20.3.2007 - 1 C 21/06 -, amtl. Abdr. S. 14)

Nach Art. 13 RL erkennen die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen die Flüchtlingseigenschaft zu, wenn er die Voraussetzungen der Kapitel II und III der Richtlinie erfüllt. Der Begriff des Flüchtlings ist in Art. 2 c RL hinsichtlich eines Drittstaatsangehörigen dahingehend definiert, dass dieser sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen der Furcht nicht in Anspruch nehmen will, sofern die Ausschlussgründe des Art. 12 RL auf ihn keine Anwendung finden. Maßgeblich ist damit, ob der Betroffene sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatstaates aufhält. Dieser Ansatz ist bei der Auslegung des § 60 Abs. 1 AufenthG, der auf eine Bedrohung von Leben oder Freiheit abstellt, zu beachten, da die Bundesrepublik als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gehalten ist, den als Mindestnormen für die Flüchtlingsanerkennung (vgl. Art. 1 und 3 RL) konzipierten Vorschriften der Richtlinie im Bundesgebiet Geltung zu verschaffen.

Ob die Furcht vor Verfolgung im Heimatstaat im Sinne des Art. 2 c RL begründet ist, ist unter Berücksichtigung der Vorgaben des Art. 4 Abs. 3 RL individuell zu prüfen und richtet sich materiell-rechtlich nach den in Art. 4 bis 10 RL vorgegebenen objektiven Kriterien.

Nach Art. 4 Abs. 4 RL ist die Tatsache, dass der Schutzsuchende in seiner Heimat bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, beziehungsweise dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründen sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Im Zusammenspiel mit Art. 8 Abs. 1 RL, der die Notwendigkeit internationalen Schutzes im Falle einer inländischen Fluchtalternative entfallen lässt, entspricht dies der bisherigen bundesdeutschen Rechtsprechung, wonach einem Schutzsuchenden, der seine Heimat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen hat, ein Schutzanspruch zusteht, wenn ihm ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates unzumutbar war und die fluchtbegründenden Umstände zum Zeitpunkt der Entscheidung ohne wesentliche Änderungen fortbestehen oder mit ihrem Wiederaufleben zu rechnen ist, so dass an seiner Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ernsthafte Zweifel bestehen. (BVerwG, Urteil vom 3.12.1985 - 9 C 22.85 -, NVwZ 1986, 760,761)

Wer hingegen unverfolgt ausgereist ist, kann die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL nicht für sich in Anspruch nehmen. Er muss - so auch die bisherige Rechtsprechung - glaubhaft machen, dass beachtliche Nachfluchttatbestände gegeben sind, was bedeutet, dass ihm bei Rückkehr in seinen Heimatstaat die Gefahr der Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. (BVerwG, Urteil vom 20.3.2007 - 1 C 21/06 -, amtl. Abdr. S. 15) Dies ist anzunehmen, wenn bei zusammenfassender Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Die insofern erforderliche Zukunftsprognose muss auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abstellen und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein. (BVerfG, Beschlüsse vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315, 345 f. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 3.12.1985, a.a.O., S. 760 f.)

Zentrale Bedeutung kommt im Rahmen der asylrechtlichen Prüfung seit dem Verbindlichwerden der Richtlinie 2004/83/EG dem in Art. 9 Abs. 1 und 2 RL umschriebenen Begriff der Verfolgungshandlungen sowie den in Art. 10 RL aufgelisteten Verfolgungsgründen und schließlich dem Erfordernis des Art. 9 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 c RL zu, wonach eine Verknüpfung zwischen den in Art. 10 RL genannten Gründen und den in Art. 9 Abs. 1 RL als Verfolgung eingestuften Handlungen bestehen muss.

Angesichts des durch Art. 9 und Art. 10 RL vorgegebenen Prüfungsrasters ist nicht auszuschließen, dass verschiedene durch die deutsche höchstrichterliche Asylrechtsprechung entwickelte Grundsätze der Hinterfragung auf ihre Vereinbarkeit mit den europarechtlichen Vorgaben bedürfen, sofern die jeweiligen Grundsätze fallbezogen entscheidungsrelevant sind. So spricht die in Art. 9 und Art. 10 RL zum Ausdruck kommende Systematik dafür, dass das Vorliegen beziehungsweise Nichtvorliegen einer Verfolgungshandlung anhand der Kriterien des Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 RL zu prüfen ist, ohne dass in diesem Zusammenhang der eventuelle Verfolgungsgrund eine Rolle spielt. Ob ein Verfolgungsgrund zu bejahen ist, ist in einem eigenen Prüfungsschritt zu ermitteln und beurteilt sich nach den Vorgaben des Art. 10 RL. Sodann ist gemäß Art. 9 Abs. 3 RL erforderlichenfalls festzustellen, ob die Verfolgungshandlung dem Schutzsuchenden wegen des bejahten Verfolgungsgrundes droht. Diese Systematik wirft die Frage auf, ob die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung, die differenziert zwischen politisch-motivierten Eingriffen in die Schutzgüter Leib, Leben oder persönliche Freiheit, die stets als Verfolgung anerkannt wurden, und Beeinträchtigungen sonstiger Rechtsgüter wie der freien Religionsausübung oder der ungehinderten beruflichen und wirtschaftlichen Betätigung, die den Flüchtlingsstatus bisher nur begründen konnten, wenn sie nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaates aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben, richtlinienkonform ist. (BVerwG, Urteil vom 24.3.1987 - 9 C 321.85 -, NVwZ 1987, 701 f. und Beschluss vom 3.4.1995 - 9 B 758/94 -, NVwZ-RR 1995, 607) Angesichts der Regelung des Art. 9 Abs. 1 b RL, der unter bestimmten Voraussetzungen eine Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen als Verfolgungshandlung definiert, ohne zu fordern, dass jeweils dasselbe Schutzgut durch die verschiedenen Maßnahmen betroffen wird, stellt sich die weitere Frage, ob die bisherige deutsche Rechtsprechung, nach der mehrere Eingriffe, von denen jeder seiner Intensität nach allein nicht als Verfolgung zu qualifizieren ist, auch nicht als ein „insgesamt“ die erforderliche Intensität erreichendes Verfolgungsgeschehen angesehen werden können, wenn die Eingriffe sich gegen unterschiedliche Schutzgüter richten, (BVerwG, Beschluss vom 3.4.1995, a.a.O.) mit den europarechtlichen Vorgaben der genannten Vorschrift zu vereinbaren ist.

Diese Fragen bedürfen allerdings in vorliegend relevantem Zusammenhang keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung, da das Begehren des Klägers gemessen an den Vorgaben des Art. 10 Abs. 1 b RL daran scheitert, dass sein durch die im Bundesgebiet erfolgte Taufe zum evangelischen Christ vollzogener Glaubenswechsel ihm unter den konkreten Gegebenheiten mangels religiös-motivierter Entscheidung für das Christentum nicht die Möglichkeit eröffnet, sich auf den Verfolgungsgrund der Religion zu berufen.

Art. 10 RL definiert die Verfolgungsgründe, indem er die in Art. 2 c RL abschließend aufgeführten Verfolgungsgründe aufgreift, und hinsichtlich jedes einzelnen Verfolgungsgrundes vorgibt, was die Mitgliedstaaten bei der jeweiligen Prüfung in materiell-rechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen haben.

Im vorliegenden Zusammenhang ist Art. 10 Abs. 1 b RL maßgeblich. Nach dieser Vorschrift umfasst der Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme beziehungsweise Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Dabei sind unter religiösen Riten die in einer Religionsgemeinschaft üblichen oder geregelten Praktiken oder Rituale zu verstehen, die der religiösen Lebensführung dienen, insbesondere Gottesdienste, kulturelle Handlungen und religiöse Feste. (VG Düsseldorf, Urteil vom 8.2.2007 - 9 K 2278/06.A -, juris)

Unter Einbeziehung dieser Definition ist die in Art. 2 c RL als Merkmal eines Flüchtlings aufgeführte begründete Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion tatbestandlich gegeben, wenn der Schutzsuchende wegen seiner theistischen, nichttheistischen oder atheistischen Glaubensüberzeugung oder wegen der alleinigen oder gemeinschaftlichen Teilnahme beziehungsweise Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich oder wegen sonstiger religiöser Betätigungen beziehungsweise Meinungsäußerungen oder wegen eigener oder gemeinschaftlicher Verhaltensweisen, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind, befürchten muss, in seiner Heimat von Verfolgungshandlungen betroffen zu werden.

Das Verständnis des durch Art. 10 Abs. 1 b RL gewährleisteten Schutzes muss sich am Normalfall eines Schutzsuchenden orientieren, der die Religion der Religionsgemeinschaft, in die er hineingeboren ist, in der Heimat ausüben will, weswegen zunächst festzustellen ist, welche religiösen Betätigungen grundsätzlich vom Schutzbereich umfasst werden und welchen Schranken die Religionsausübung gegebenenfalls unterliegt. In einem zweiten Schritt ist der Sonderfall des Konvertiten in den Blick zu nehmen und zu klären, ob insoweit Besonderheiten gelten. Vermengt man diese beiden Fragen, so läuft man Gefahr, den Schutzbereich religiöser Betätigung aus dem Bestreben, der Gefahr nur formal erfolgender Glaubensübertritte entgegen zu wirken, im allgemeinen zu eng zu umgrenzen.

Art. 10 Abs. 1 b RL bietet dem Einzelnen sehr weitgehenden Schutz, indem er sowohl die Entscheidung, aus innerer Überzeugung religiös zu leben, wie auch die Entscheidung, aufgrund religiösen Desinteresses jegliche religiöse Betätigung zu unterlassen, schützt und dem Einzelnen zubilligt, dass er sich zu seiner religiösen Grundentscheidung auch nach außen bekennen darf. Unter das geschützte Verhalten fällt auch der Glaubenswechsel, wobei dahinstehen kann, ob man diesen als sonstige religiöse Betätigung oder Verhaltensweise eines Einzelnen, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützt, begreift oder ob man - wie dies der Kläger und die Beklagte in der mündlichen Verhandlung befürwortet haben - den Glaubenswechsel als geschützt ansieht, weil Art. 10 Abs. 1 b RL sowohl theistische wie auch nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen erfasst. Auch unter letzterer Prämisse muss der Glaubenswechsel seinen Grund in einer wie auch immer gearteten Glaubensüberzeugung finden (vgl. hierzu S. 24 des Urteils).

Nach Art. 10 Abs. 1 b RL umfasst der Begriff der Religion auch die Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen. Die Vorschrift geht damit ihrem Wortlaut nach über den Schutz hinaus, der nach der bisherigen Rechtsprechung unter dem Stichwort des religiösen Existenzminimums zuerkannt wurde. (BVerfG, Beschluss vom 1.7.1987 - 2 BvR 478, 962/86 -, BVerfGE 76, 143, 158 ff.; BVerwG, Ur- teil vom 20.1.2004 - 1 C 9/03 - , BVerwGE 120, 16 ff. = NVwZ 2004, 1000 ff. = InfAuslR 2004, 319 ff.) Dafür, dass der europäische Richtliniengeber die religiöse Betätigung im öffentlichen Bereich auch inhaltlich als geschützt verstanden wissen will, spricht die Betrachtung der historischen Wurzeln der Vorschrift.

Bereits im Minderheitenschutzabkommen des Völkerbundes findet sich ein Vorläufer, der die rechtliche Verpflichtung enthielt, die freie Religionsausübung im öffentlichen und privaten Bereich zu gewährleisten. (Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung, Erläuterungen zur Richtlinie 2004/83/EG, 13. Ak-tualisierungslieferung November 2006, § 17 Rdnr. 7) Ebenso schützt Art. 18 des Internationalen Paktes vom 19.12.1966 über bürgerliche und politische Rechte - IpbpR -, der durch Bundesgesetz vom 15.11.1973 (BGBl. II, S. 1533) in innerstaatliches Recht transformiert wurde, die private und die öffentliche Glaubenspraxis. Nach Art. 18 Abs. 1 IPbpR umfasst das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit die Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, und die Freiheit, seine Religion oder eine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekunden. Aus völkerrechtlicher Sicht ist daher festzustellen, dass das Recht auf private und öffentliche Religionsausübung als fundamentales Menschenrecht allgemein anerkannt ist. (vgl. auch Art. 1 der Erklärung Nr. 36/55 der Generalversammlung der Vereinten Nationen über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion und der Überzeugung vom 25.11.1981)

Europarechtlich wird die Ausübung der Religionsfreiheit auch in der Öffentlichkeit bereits durch Art. 9 EMRK gewährleistet. Geschützt ist hiernach die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen.

Art. 10 Abs. 1 b RL ist die konsequente Fortschreibung dieser Garantien bezogen auf den (Mindest-)Schutz, der Flüchtlingen seitens der Mitgliedstaaten zu gewähren ist. Angesichts des weiten Schutzbereichs der Vorschrift, die selbst keine Schranken vorgibt, liegt es nahe, die Schranken des Art. 18 IPbpR beziehungsweise des Art. 9 EMRK als immanente Schranken zu begreifen. Sowohl Art. 18 IPbpR wie auch Art. 9 EMRK differenzieren zwischen der Uneinschränkbarkeit der Freiheit, eine Religion eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, und der an bestimmte Voraussetzungen gebundenen Einschränkbarkeit der freien Religionsausübung und bieten auch im Flüchtlingsrecht eine angemessene Handhabe zur Abschichtung zulässiger Einschränkungen der in Art. 10 Abs. 1 b RL definierten Religionsfreiheit. Dies bedeutet, dass die Freiheit eines Asylbewerbers, eine Religion eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, nicht beschränkbar ist, während die Freiheit, seine Religion im privaten wie im öffentlichen Bereich zu bekennen beziehungsweise zu bekunden, den immanenten Schranken unterliegt, die in Art. 18 Abs. 3 IPbpR beziehungsweise Art. 9 Abs. 2 EMRK Ausdruck gefunden haben. Dementsprechend darf die religiöse Betätigung Einzelner oder der Gemeinschaft nur zum Schutz der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, der Gesundheit, der Sittlichkeit (Moral) und der Rechte und Freiheiten anderer verboten oder reglementiert werden. Dabei ist - wie auch in Art. 18 Abs. 3 IPbpR und Art. 9 Abs. 2 EMRK vorgeschrieben - zu fordern, dass das Gesetz, das verbietet oder reglementiert beziehungsweise aufgrund dessen verboten oder reglementiert wird, allgemeiner Natur ist, d.h. es muss für alle Staatsbürger - egal welcher religiösen Ausrichtung sie angehören - gleichmäßig Geltung entfalten, darf daher nicht auf bestimmte religiöse Gruppen zielen und ausschließlich für diese Einschränkungen vorsehen. Gemessen hieran sind beispielsweise Meldepflichten oder Sicherheitsauflagen für die Veranstaltung einer Prozession ebenso unbedenklich wie Vorschriften über Impfpflichten oder das Verbot religiöser Bräuche oder Riten, die die Sittlichkeit verletzen oder die Gesundheit der Teilnehmer gefährden. (Marx, a.a.O., § 17 Rdnr. 25)

Festzuhalten bleibt damit zunächst, dass das Recht des Einzelnen, seinen Glauben aus innerer Überzeugung zu wechseln, keinen Einschränkungen unterliegt, d.h. die Mitgliedstaaten haben die Entscheidung des Einzelnen, aus religiöser Überzeugung einen anderen Glauben anzunehmen, zu respektieren und ihm - wenn dies die Verhältnisse im Heimatstaat erforderlich machen - nach Maßgabe der Richtlinie Schutz zu gewähren. Hinsichtlich des Rechts eines Gläubigen auf Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich gilt auch im Flüchtlingsrecht, dass Beschränkungen nur nach Maßgabe der aufgezeigten der Religionsfreiheit immanenten Schranken durch allgemeine Gesetze zulässig sind.

Gesetze oder religiöse Vorschriften beziehungsweise die behördlichen Praktiken des Heimatstaates zu ihrer Umsetzung, die die aufgezeigten Grenzen nicht respektieren, sind an Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 RL zu messen. Als Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 a oder b RL sind sie zu qualifizieren, wenn sie allein oder in Kumulierung mit anderen Maßnahmen eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte bewirken. Hat der Asylbewerber eine schwer menschenrechtswidrige Behandlung in seiner Heimat bereits erfahren oder droht ihm eine solche für den Fall seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, so bedarf es gemäß Art. 9 Abs. 3, Art. 2 c RL der Feststellung, ob diese Behandlung wegen der in Art. 10 Abs. 1 b RL definierten Religion des Asylbewerbers erfolgt ist oder droht. Bejahendenfalls ist ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Fehlt es hingegen an einer Verknüpfung mit einem in Art. 10 Abs. 1 RL aufgeführten Verfolgungsgrund, so sind die Voraussetzungen eines Anspruchs auf subsidiären Schutz nach Maßgabe des Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 RL zu prüfen. (Marx, a.a.O., Teil 2, Subsidiärer Schutz, I.4)

Die den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 b RL enger fassende Auslegung des Beteiligten überzeugt nicht. Er meint, der die Vorschrift des Art. 10 Abs. 1 b RL abschließende Relativsatz „die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind“ beziehe sich auf alle aufgeführten Fallgruppen und schränke den Verfolgungsgrund der „Religion“ dahingehend ein, dass nicht jedwede Form der - zum Beispiel öffentlichen - Glaubensbetätigung, sondern nur die aus religiöser Sicht glaubensprägenden beziehungsweise unverzichtbar gebotenen Verhaltensweisen geschützt werden. Dem kann nicht gefolgt werden. Art. 10 Abs. 1 b RL schützt ausdrücklich etwa auch die Nichtteilnahme an religiösen Riten, also die Entscheidung des Einzelnen, sich religiöser Betätigungen zu enthalten, indem er Dinge, die die Religion als Verhaltensweise zu bestimmten Anlässen vorgibt, gerade nicht tut. Dies zeigt, dass die seitens des Beteiligten vorgeschlagene einschränkende Auslegung, die Vorschrift schütze nur die aus religiöser Sicht glaubensprägenden beziehungsweise unverzichtbar gebotenen Verhaltensweisen, nicht richtlinienkonform sein kann. Dass der Beteiligte zur Stützung seiner Auffassung auf den derzeitigen Stand des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zur Umsetzung der Richtlinie verweist, ändert nichts daran, dass der Gesetzgeber durch die Vorgaben der Richtlinie gebunden ist und diesen nur gerecht werden wird, wenn er sie vollständig umsetzt.

Soweit erkennbar ist das Sächsische Oberverwaltungsgericht bisher das einzige Obergericht, das nach Verbindlichwerden der Richtlinie 2004/83/EG über die Verfolgungsgefährdung konvertierter Christen im Iran entschieden hat. (Sächsisches OVG, Urteile vom 27.3.2007 - A 2 B 38/06 - und vom 24.4.2007 - A 2 B 832/05 -, beide nicht veröffentlicht) Es nimmt ebenfalls an, dass der Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 b RL auf einen weit gefassten Schutzbereich schließen lasse, und meint, im Ergebnis gingen Art. 9 und Art. 10 Abs. 1 b RL über die bisherige, nur das religiöse Existenzminimum sicherstellende Rechtsprechung hinaus, da unter der Geltung der Richtlinie grundsätzlich auch der Schutz des „forum externum“ in Betracht komme. Die weitere Argumentation, wonach wegen der in Art. 9 Abs. 3 RL vorgesehenen Verknüpfung zu fordern sei, dass sich der Eingriff in die Religionsausübung als mit der Wahrung der Menschenwürde unvereinbar darstelle, überzeugt hingegen nicht uneingeschränkt, da der Verfolgungsgrund der Religion in die Prüfung des Vorliegens einer Verfolgungshandlung einbezogen wird. Die erste sich hieran anschließende Feststellung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass ein - flüchtlingsrechtsrelevanter - Eingriff in die Religionsausübung vorliege, wenn die Religionsausübung mit Sanktionen verbunden ist, die bereits selbst den Charakter einer Verfolgungshandlung aufweisen, spiegelt den Verordnungstext wider und ist daher zweifelsohne zutreffend. Allerdings folgt dieser Feststellung keine Prüfung, ob einem Konvertiten im Iran Sanktionen drohen, die im Sinne des Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 RL als Verfolgungshandlung zu bewerten sind. Dies, obwohl sich nach der Auskunftslage beispielsweise die Frage aufdrängt, ob die Verfahrensweise, einen etwa wegen Gottesdienstbesuchen auffällig gewordenen Konvertiten mit Hilfe konstruierter Vorwürfe vor Gericht zu stellen, um ihn so einer Bestrafung für den Abfall vom islamischen Glauben zuzuführen, den Charakter einer Verfolgungshandlung aufweist. Einen Menschen zur Ahndung erfundener Straftaten der Justiz auszuliefern, um ihn aus religiösen Gründen zu bestrafen beziehungsweise ihn zumindest gefügig zu machen, beinhaltet eine bereits als solche diskriminierende polizeiliche Maßnahme im Sinne des Art. 9 Abs. 2 b RL, die es nahe legt, eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte anzunehmen, zumal die Vernehmungsmethoden und Bedingungen einer etwaigen Haft im Iran dem internationalen Standard bei weitem nicht genügen, weil körperliche und/oder psychische Übergriffe nie auszuschließen sind. (Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 5, 6, 15, 23, 35) Noch problematischer erscheint die weitere Feststellung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, die bloße Unterbindung bestimmter Formen der religiösen Betätigung könne eine Verfolgungshandlung (nur) darstellen, wenn unabdingbare Elemente des religiösen Selbstverständnisses des Betroffenen in Rede stünden. Dass diese Einschränkung des nach der Richtlinie zu gewährenden Schutzes durch Art. 9 Abs. 3 RL vorgegeben wird, ist aus der Sicht des Senats zu verneinen, wobei die Frage aber im vorliegenden Zusammenhang mangels Entscheidungsrelevanz keiner Vertiefung bedarf.

Das seitens des Beteiligten in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.1.2004 (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.1.2004 - 1 C 9/03 -, a.a.O.) spricht ebenfalls nicht gegen die hier vertretene Auslegung des Art. 10 Abs. 1 b RL. Das die langjährige bundesdeutsche Rechtsprechung fortführende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erging vor Erlass der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004 und konnte deren Vorgaben daher naturgemäß nicht berücksichtigen. Das Bundesverwaltungsgericht hielt damals Feststellungen für erforderlich, ob die Teilnahme an Gottesdiensten gemeinsam mit anderen Christen, insbesondere anderen Apostaten, abseits der Öffentlichkeit nach dem Selbstverständnis der evangelischen Kirche, der der Kläger jenes Verfahrens angehörte, unter den besonderen Bedingungen der Diaspora in einem Land wie dem Iran zum schlechthin unverzichtbaren Bestandteil des religiösen Lebens gehöre. Des Weiteren seien Feststellungen zu treffen, ob jener Kläger durch die Beschränkung von derartigen Gottesdienstbesuchen selbst in seiner religiös-personalen Identität betroffen ist, da das religiöse Existenzminimum für jeden Gläubigen je nach dem Grad seiner praktizierten religiösen Betätigung unterschiedlich zu bestimmen und daher zu prüfen sei, ob der Besuch von Gottesdiensten abseits der Öffentlichkeit gerade für jenen Kläger selbst unverzichtbar sei.

Diese Rechtsprechung ist nach Verbindlichwerden der Richtlinie 2004/83/EG in deren Licht zu sehen. Dabei ist auch nach Auffassung des Senats davon auszugehen, dass Art. 10 Abs. 1 b RL nur religiöse Verhaltensweisen im öffentlichen Bereich schützt, die der Religion des Schutzsuchenden entsprechen. Zutreffend hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes kürzlich hinsichtlich eines irakischen Schutzsuchenden yezidischer Religionszugehörigkeit darauf abgestellt, dass nach der yezidischen Religion keine religiösen Riten vor den Augen Ungläubiger praktiziert werden dürfen. Da die yezidische Religion die Vornahme religiöser Riten vor den Augen der moslemischen Öffentlichkeit verbiete, sei hinsichtlich dieser Religion ein genereller Konflikt zwischen einem Öffentlichkeitsanspruch der Religion und einer dieser feindlichen islamischen Öffentlichkeit ausgeschlossen. (OVG des Saarlandes, Beschluss vom 26.3.2007 - 3 A 30/07 -, juris) Demgegenüber steht hinsichtlich evangelischer Christen außer Frage, dass der Besuch öffentlicher Gottesdienste nach dem Selbstverständnis der evangelischen Kirche unverzichtbarer Bestandteil des religiösen Lebens ist. Nach Verbindlichwerden der Richtlinie 2004/83/EG ist die weitere vom Bundesverwaltungsgericht formulierte Frage, ob dies auch in einem Land wie dem Iran gelte, nicht mehr erheblich. Der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 b RL richtet sich gerade gegen staatliche Einschränkungen der Religionsfreiheit, was es verbietet, ihn nach dem zu bestimmen, was einzelne Staaten nach ihrer bisherigen Praxis an religiösen Freiheiten und damit an religiösem Selbstverständnis religiöser Minderheiten zugelassen haben. Die anschließend vom Bundesverwaltungsgericht angesprochene Frage, ob etwa die Teilnahme an Gottesdiensten für den Schutzsuchenden von unverzichtbarer Bedeutung sei, stellt sich demgegenüber nach wie vor. Nur wenn ein Schutzsuchender seinen Glauben aufgrund seiner religiösen Überzeugung in der Heimat auch praktizieren will, kann er in flüchtlingsrechtsrelevante Schwierigkeiten mit staatlichen Behörden, die ihm dies verbieten wollen, geraten. Allerdings wird man einem Schutzsuchenden, der sozusagen von Geburt an einer bestimmten Religionsgemeinschaft angehört, nicht ohne konkrete Anhaltspunkte im Einzelfall unterstellen können, dass er seinen Glauben in der Heimat nicht praktizieren will, weswegen die angesprochene, vom Bundesverwaltungsgericht aufgeworfene Frage sich insbesondere stellt, wenn der Schutz des Art. 10 Abs. 1 b RL von einem Konvertiten beansprucht wird.

Wie bereits ausgeführt erkennt Art. 10 Abs. 1 b RL dem Einzelnen auch das Recht zu, sich aus religiöser Überzeugung/aus Glaubensüberzeugung für eine andere als die bisherige Religion zu entscheiden und sich zu der angenommenen Religion zu bekennen. Die Garantien des Art. 10 Abs. 1 b RL - etwa das Recht auf Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich - gelten für Konvertiten, die ihren Glauben aus religiöser Überzeugung gewechselt haben, in gleichem Umfang wie für Gläubige, die ihre praktisch durch Geburt erworbene Religion beibehalten. Voraussetzung des Schutzes der Ausübung der „neuen“ Religion ist nach der Konzeption des Art. 10 Abs. 1 b RL allein, dass der Glaubenswechsel aufgrund religiöser Überzeugung/aus Glaubensüberzeugung erfolgt ist.

Damit bedarf es im Falle einer Konversion einer eingehenden Prüfung, ob der Konvertit seinen Glauben nicht nur - etwa aus auf ein Bleiberecht bezogenen taktischen Gründen - durch einen bloß formalen Akt, sondern aus religiöser Überzeugung gewechselt hat und durch den neuen Glauben in seiner religiösen Identität geprägt wird. Ist letzteres der Fall, kommt ihm der Schutz des Art. 10 Abs. 1 b RL in vollem Umfang zugute. Drohen ihm in der Heimat Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 RL, wenn er dort durch Art. 10 Abs. 1 b RL geschützte Verhaltensweisen praktiziert, so ist ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Ob einem zum Christentum konvertierten Moslem im Iran Verfolgungshandlungen drohen, beurteilt sich nach den sich in der aktuellen Auskunftslage widerspiegelnden Verhältnissen vor Ort.

Zur allgemeinen Lage der Christen im zu 99 % muslimisch bevölkerten Iran ist festzustellen, dass die iranische Verfassung den Islam und die schiitische Glaubensschule als Staatsreligion bestimmt (Art. 12) und die Zoroastrier, die Juden und die Christen als staatlich anerkannte religiöse Minderheiten benennt (Art. 13), wobei den Angehörigen dieser Religionsgemeinschaften als Nichtmuslimen der Zugang zu Ämtern in der iranischen Exekutive, dem Richteramt sowie höheren Offiziersrängen in der iranischen Armee verwehrt ist. Anstellungen in der Verwaltung sind selten und werden zumeist niedriger entlohnt als bei Muslimen. Vertreter anerkannter religiöser Minderheiten können nicht regulär ins Parlament gewählt werden, sondern haben nur die Möglichkeit, sich für einen der insgesamt fünf jeweils für spezielle Religionsgemeinschaften reservierten Sitze zu bewerben. In religiöser Hinsicht wird den anerkannten religiösen Minderheiten innerhalb des gesetzlichen Rahmens das Recht zugestanden, ihre jeweiligen religiösen Gebräuche zu pflegen und sich in persönlichen und glaubensspezifischen Belangen gemäß ihrer religiösen Vorschriften zu verhalten. Die alteingesessenen christlichen Nationalkirchen Irans, insbesondere die armenisch-orthodoxe Kirche, die assyrische Kirche und die chaldäischen Katholiken sind staatlicherseits anerkannte Religionsgemeinschaften; ihre Mitglieder unterscheiden sich nicht nur von ihrer religiösen, sondern auch von ihrer ethnischen Herkunft her von der weit überwiegend muslimischen Bevölkerung Irans. Ihnen ist es solange unbenommen, ihre Religion - etwa durch den Besuch von Gottesdiensten und die Teilnahme an sonstigen religiösen Riten - zu praktizieren, wie sie grundlegende Prinzipien der islamischen Gesellschaft, etwa die strengen Vorschriften über die zu tragende Bekleidung, beachten und sich jeglicher auf die muslimische Bevölkerung zielenden Missionierungstätigkeit enthalten. Die christliche Mission ist im Iran verboten, was seitens der traditionellen christlichen Kirchen respektiert wird. Der iranische Staat versteht jegliche Missionsversuche als Angriff auf die Staatssicherheit, da der Islam für die muslimische Bevölkerung nicht nur religiöse Bedeutung hat, sondern gleichzeitig die staatstragende Religion ist. Der Islam kennt keine legale Möglichkeit, vom Islam zum Christentum überzutreten. Ein Konvertit bleibt daher aus islamischer Sicht weiterhin Muslim, der sich allerdings religionsschädlich verhält, indem er eine andere - aus islamischer Sicht nicht religiöse - Gruppe unterstützt und sich dadurch dem Verdacht aussetzt, das auf muslimischer Grundlage etablierte Mullah-Regime schwächen zu wollen. Die Konversion zum Christentum begründet in der muslimisch-iranischen Öffentlichkeit den Verdacht einer regimekritischen Haltung. Es kommt vor, dass auch nicht missionierende zum Christentum konvertierte Iraner wirtschaftlich, etwa bei der Arbeitssuche, oder gesellschaftlich bis hin zur Ausgrenzung benachteiligt werden. Der Abfall vom Islam (Apostasie) ist nach islamisch-religiösem Recht mit der Todesstrafe bedroht. Obwohl das kodifizierte iranische Strafrecht die Todesstrafe im Fall der Apostasie nicht vorsieht, erging wegen dieses Vorwurfs zuletzt im November 2002 ein - später in eine Haftstrafe umgewandeltes - Todesurteil. Fälle einer Vollstreckung der Todesstrafe wegen Apostasie wurden in den letzten Jahren nicht mehr aktenkundig. Bei Bekanntwerden der Konversion tritt neben die Gefahr staatlicher Repressionen die Möglichkeit einer Verfolgung durch fanatische Muslime, da Konvertiten gemäß islamischem Recht von allen Muslimen getötet werden dürfen. Die christlichen Kirchen werden staatlicherseits dazu angehalten, muslimischen Interessenten Zugang zu ihren religiösen Veranstaltungen zu verweigern und Versuche muslimischer Personen, mit ihren Gemeinden in Kontakt zu treten, zurückzuweisen. Da die Konversion zum Christentum im Iran seit jeher ein Tabu und auch aus christlicher Sicht sehr ungewöhnlich ist, stößt ein Konvertit bei den traditionellen christlichen Kirchen Irans auf starke Vorbehalte und setzt sich dem Verdacht aus, ein Spitzel zu sein. Ein Konvertit kann vor diesem Hintergrund nicht erwarten, als neues Gemeindemitglied anerkannt und aufgenommen zu werden. (Deutsches Orient-Institut, Stellungnahmen vom 6.9.2004 - 531 i/br - und vom 6.12.2004 – 585 i/br -; SFH, Christen und Christinnen im Iran, Themenpapier vom 18.10.2005, S. 4 f., 7 -11; SFH, Iran-Reformen und Repression, Update der Entwicklungen seit Juni 2001, vom 20.1.2004, S. 11 f.; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 21.9.2006 - 508-516.80/3 IRN -, S. 6, 15, 20 f., 23, 33 f.) Anders als die traditionellen christlichen Kirchen Irans betreiben einige, zu neueren christlichen Strömungen zu zählende protestantisch-evangelische Glaubensgemeinschaften mit westlicher Unterstützung insbesondere der protestantischen Kirche beziehungsweise (frei-)kirch-lich-evangelischer Gruppierungen im Iran auch Missionsarbeit und zeigen sich bereit, muslimische Konvertiten in ihre Kirchengemeinde aufzunehmen. Folge sind häufige Schwierigkeiten mit den iranischen Behörden, von denen sie überwacht werden, wobei sie mit harten Sanktionen rechnen müssen. Immer wieder sind in der Vergangenheit missionarisch tätig gewesene Priester dieser Religionsgemeinschaften verschwunden und oftmals später tot aufgefunden worden. Nach Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe werden Konvertiten, deren Übertritt den iranischen Behörden bekannt wird, zunächst zum Informationsministerium zitiert, wo sie scharf verwarnt werden. Sollten sie weiter in der Öffentlichkeit auffallen, etwa durch Besuche von Gottesdiensten oder Missionsaktivitäten, müssen sie damit rechnen, mit Hilfe konstruierter Vorwürfe wie Spionage oder Aktivitäten in einer illegalen Gruppe vor Gericht gestellt zu werden. Unbehelligt blieben Konvertiten im Iran, solange es ihnen gelinge, ihren Glauben - etwa in einer der ca. 100 christlichen Hausgemeinschaften - unbemerkt von den iranischen Behörden beziehungsweise von Familienangehörigen, Nachbarn und Bekannten auszuüben. Gerade fanatische muslimische Familienangehörige seien ein Risikofaktor, da sie den Übertritt als Hochverrat, Staatsverrat beziehungsweise Abfall von der eigenen Sippe und dem eigenen Stamm sähen und es daher häufig zu Anzeigen an die iranischen Sicherheitsbehörden komme, die schwere körperliche Misshandlungen und unter Umständen längere Verhaftungen zur Folge haben könnten. (SFH, Christen und Christinnen im Iran, a.a.O., S. 11 - 18)

Die vor dem Hintergrund dieser tatsächlichen Gegebenheiten zu klärende Frage, ob der Kläger glaubhaft gemacht hat, seine Heimat im Sinne des Art. 4 Abs. 4 RL wegen unmittelbar drohender Verfolgung verlassen zu haben oder - verneinendenfalls - ob er infolge der zwischenzeitlichen Konversion zum Christentum im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu befürchten hat, ist zu verneinen.

Der Kläger hat seine Heimat unverfolgt verlassen.

Er hat nicht glaubhaft gemacht, auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender Verfolgung aus dem Iran ausgereist zu sein. Wie bereits das Verwaltungsgericht festgestellt hat, weist sein diesbezügliches Vorbringen eine Vielzahl von Ungereimtheiten, Widersprüchlichkeiten und auch Steigerungen des Sachvortrags auf und ist daher nicht zur Vermittlung der notwendigen Überzeugungsgewissheit betreffend das Bestehen begründeter Verfolgungsfurcht geeignet. Anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger sein angebliches Verfolgungsschicksal in verschiedenen Punkten erneut umgestaltet, was seine Bekundungen zu den Geschehnissen in seiner Heimat vollends unglaubhaft macht.

So behauptet er nun erstmals, das Geld für die Ausreise stamme nicht von seinem Vater (so aber Anhörungsprotokoll vom 12.9.2002, S. 5 und 6), sondern aus eigenen Ersparnissen, die er sich als Inhaber einer eigenen - neben dem Studium betriebenen - Kleiderfirma erwirtschaftet haben will, sowie dass er von Urumijee aus nur mit seinem jüngeren Bruder, nicht mit seinem Vater (so aber Anhörungsprotokoll vom 12.9.2002, S. 4), telefonischen Kontakt gehabt habe. Soweit der Kläger auf entsprechenden Vorhalt durch den Senat gemeint hat, es müsse sich um einen Übersetzungsfehler handeln, überzeugt dies nicht. So hat er gegenüber der Beklagten mehrfach zu Protokoll (S. 5 und 6) erklärt, sein Vater habe die Ausreise finanziert; von einer eigenen selbständigen Tätigkeit war bisher auch nicht ansatzweise die Rede. Der Grund für seine nunmehrige völlig neue Darstellung dürfte vielmehr darin liegen, dass das Verwaltungsgericht ihm das angebliche Verhalten des Vaters - einerseits Anzeige bei der Staatssicherheit und Hängenlassen der Kreuze als Beweis gegen den Kläger und andererseits Finanzierung der Ausreise und Aufrechterhaltung telefonischen Kontakts, um den Kläger jeweils über den aktuellen Stand der Dinge zu informieren - als nicht nachvollziehbar und daher unglaubhaft vorgehalten hat.

Neu ist auch die Darstellung des Klägers, er sei nicht, wie anlässlich seiner Anhörung durch die Beklagte behauptet, im Februar 2002 und nicht, wie vor dem Verwaltungsgericht angegeben, Ende 2001, sondern erst während seines Aufenthalts in Urumijee exmatrikuliert worden. Ebenfalls neu ist die Behauptung, er sei nach Urumijee geflohen, nachdem er an der Universität mündlich aufgefordert worden sei, bei der ideologischen - der staatlichen Schutzbehörde unterstehenden - Stelle der Universität zu erscheinen, und ein dort tätiger Freund ihm deshalb geraten habe, besser zu fliehen. Die schriftliche Vorladung sei erst zu Hause eingegangen, als er bereits in Urumijee gewesen sei. Vor der Beklagten und dem Verwaltungsgericht hatte der Kläger demgegenüber noch bekundet, sich nach Erhalt der ersten schriftlichen Ladung direkt (Anhörung durch die Beklagte) beziehungsweise nach einigen Tagen (Anhörung durch das Verwaltungsgericht) nach Urumijee begeben zu haben.

Schließlich gab er anlässlich seiner nunmehrigen Anhörung hinsichtlich seiner angeblichen Kirchenbesuche im Iran als Adresse der armenischen Kirche, die er des Öfteren aufgesucht haben will, eine andere (Baharistanstraße) als gegenüber der Beklagten (Schunsde Metrie 2 in der 9. Straße Hausnummer 23) an. Auch behauptet er nun, anlässlich der Kirchenbesuche das Gefühl gehabt zu haben, dass die Armenier ihn eher positiv aufgenommen hätten, während er früher bekundet hatte, die armenischen Gemeindemitglieder seien sehr zurückhaltend gewesen, weil es verschiedene Vorfälle, auch Todesfälle, gegeben habe; sie hätten nicht so gerne gewollt, dass er und seine Freunde mit in der Kirche sitzen.

Insgesamt bekräftigen die Einlassungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung den schon im Vorfeld nach der Aktenlage naheliegenden Eindruck, dass der Kläger sich immer wieder in neue Widersprüche und Ungereimtheiten verstrickt, weil er kein selbst erlebtes, sondern ein zur Zeit der Einreise vor ca. viereinhalb Jahren frei erfundenes Geschehen schildert.

Demnach ist davon auszugehen, dass der Kläger den Iran unverfolgt verlassen hat, weswegen ihm hinsichtlich der Frage, ob er im Falle seiner Rückkehr wegen der zwischenzeitlichen Entwicklung trotzdem gefährdet wäre, die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL nicht zugute kommt.

Ein Anspruch aus § 60 Abs. 1 AufenthG setzt daher voraus, dass bei zusammenfassender Bewertung des zur Prüfung gestellten Sachverhalts die im Falle der Rückkehr für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und daher gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen, der Kläger also mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu befürchten hat. Dies ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht der Fall.

Die im Bundesgebiet erfolgte Konversion des Klägers zum Christentum begründet unter den konkreten Gegebenheiten nicht die Annahme, dass ihm im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr droht, wegen der Annahme des christlichen Glaubens Verfolgung seitens des iranischen Staates oder seitens nichtstaatlicher Akteure befürchten zu müssen.

Wie bereits ausgeführt, schützt Art. 10 Abs. 1 b RL unter anderem die Freiheit, einen anderen Glauben anzunehmen, sowie die Freiheit, den ursprünglichen oder den angenommenen Glauben durch Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich zu betätigen.

Der Umfang des durch Art. 10 Abs. 1 b RL im Falle der Annahme eines anderen Glaubens garantierten Schutzes hängt nach der Konzeption der Vorschrift nicht davon ab, ob der Glaubenswechsel im Heimatstaat oder im Ausland vollzogen wurde. In beiden Konstellationen kann er eine Verfolgungsgefahr nur auslösen, wenn er dem Heimatstaat beziehungsweise nichtstaatlichen Akteuren in der Heimat bekannt wird und aus deren Sicht Anlass gibt, auf den Konvertiten einzuwirken. Lediglich im Rahmen der Prüfung, ob der Glaubenswechsel unter Berücksichtigung der landesspezifischen Gegebenheiten ein derartiges Verfolgungsinteresse zu begründen vermag, kann es eine Rolle spielen, wo der Wechsel vollzogen wurde, wobei diese Frage sich erst stellt, wenn feststeht, dass der seitens des Schutzsuchenden behauptete Glaubenswechsel durch Art. 10 Abs. 1 b RL geschützt wird.

Wie bereits ausgeführt löst ein Glaubenswechsel den Schutz des Art. 10 Abs. 1 b RL aus, wenn er aus religiöser Überzeugung erfolgt ist und den Schutzsuchenden in seiner religiösen Identität prägt.

Vorliegend hat der Kläger den Glaubenswechsel förmlich vollzogen, als er am 11.4.2004 in der evangelischen Kirche in B-Stadt getauft wurde. Ob dieser Wechsel zum Christentum für den Kläger auch eine Glaubenssache war, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Klägers unter Einbeziehung des Eindruckes, den er in der mündlichen Verhandlung vermittelt hat, zu überprüfen und vorliegend im Ergebnis zu verneinen.

Die Bekundungen des Klägers lassen zwar vermuten, dass er sich innerlich vom Islam abgewandt hat und diesen nicht mehr als „seine“ Religion empfindet. In diese Richtung deuten etwa seine Ausführungen zu den Inhalten der mit seinem Vater geführten Diskussionen und seine Bekundung, sich nach der Taufe „befreit“ gefühlt zu haben. Hinsichtlich seiner behaupteten kritischen Einstellung zu den Einflüssen des Islam auf die gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Verhältnisse im Iran ist der Kläger im Übrigen kein Einzelfall, da sich nach der Auskunftslage viele junge Iraner aus den gleichen Gründen wie der Kläger dem Islam entfremden. (Deutsches Orient-Institut, Stellungnahme vom 11.12.2003 - 494 i/br -)

Dem Vorbringen des Klägers ist allerdings nicht zu entnehmen, dass seine Entscheidung für eine Konversion zum Christentum eine religiöse Grundüberzeugung widerspiegelt. Die Gründe, aus denen er sich angeblich zum Christentum hingezogen fühlt und diese Religion als künftig für ihn maßgeblich gewählt haben will, sind weder anlässlich seiner Anhörung durch den Senat noch anlässlich der Anhörung durch die Beklagte (Bl. 5 des Anhörungsprotokolls vom 12.9.2002) noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (Bl. 3 des Sitzungsprotokolls vom 14.9.2005) deutlich geworden.

So antwortete der Kläger auf die Frage des Verwaltungsgerichts, warum er sich für den christlichen Glauben interessiere, dass er aus einer streng moslemischen Familie stamme. Alle seine Familienmitglieder seien Moslems, und zwar Schiiten. Ähnlich war seine Reaktion auf die im Rahmen der Anhörung durch die Beklagte gestellte Frage, was er an der christlichen Religion besser als an der islamischen finde. Damals beschrieb er, was ihn am Islam störe und betonte seinen Wunsch, dass die Religion frei sein solle. Im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat hat er beteuert, er fühle sich seit seiner Taufe frei, da er keinen Pflichten mehr nachgehen müsse, die ihm nicht logisch erschienen. Nach diesen Bekundungen scheint der Kläger keine konkreten Vorstellungen von christlichen Glaubensinhalten zu haben. Zu den Auswirkungen des Religionswechsels auf seine Lebensführung befragt gab er an, an kirchlichen Feiertagen den Gottesdienst grundsätzlich und an Sonntagen, wenn er nicht zu arbeiten habe, zu besuchen. Er sei bei einer Kleiderreinigung beschäftigt und arbeite dort von montags bis donnerstags und manchmal auch samstags. Die Woche über gehe er - von eventuellen Feiertagen abgesehen - nicht zur Kirche. Der letzte Gottesdienstbesuch sei am Sonntag vor zwei Wochen gewesen. Diese Angaben lassen nicht erkennen, dass der Gottesdienstbesuch dem Kläger im täglichen Leben ein Bedürfnis ist beziehungsweise dass seine Lebensführung in sonstiger Weise durch christliche Glaubensinhalte verändert worden ist. All das, was der Kläger vor dem Senat zum Christentum vorbrachte, wurde ohne innere Anteilnahme und ohne Engagement, in weiten Teilen schleppend, gleichsam gleichgültig, wiedergegeben.

Sein Interesse für religiöse Dinge stellt sich auch im Übrigen als eher gering dar. Beispielsweise stimmen seine nunmehrigen Angaben zur Taufvorbereitung nicht mehr mit denjenigen in der von ihm vorgelegten pfarramtlichen Bescheinigung vom 8.12.2004 überein. Dort heißt es, der Kläger habe im Januar 2004 in der Pfarrei vorgesprochen, weil er nicht wie andere Iraner aus B-Stadt zum Taufunterricht und zur Taufe nach Hannover fahren, sondern in B-Stadt Taufunterricht nehmen wollte. Nach einem dreimonatigen Taufunterricht sei er in der evangelischen Kirche in B-Stadt getauft worden. In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger demgegenüber an, einige Monate nach seiner Ankunft in B-Stadt habe er Kontakt mit der persisch-sprachigen Kirche in Bad Kreuznach aufgenommen, von dort Unterrichtsmaterial und Fragen dazu übersandt bekommen, sich mit diesen Materialien befasst und die Fragen beantwortet zurückgesandt. Die Taufe sei dann in B-Stadt erfolgt. Der Lebacher Pfarrer habe sich zuvor mehrfach mit ihm unterhalten und ihn zu seinem Wunsch, Christ zu werden, befragt. Ein Taufunterricht habe in B-Stadt nicht mehr stattgefunden. Aus Sicht des Senats deutet die von der selbst vorgelegten Bescheinigung doch in zentralen Punkten abweichende heutige Darstellung des Klägers darauf hin, dass die Umstände der Taufvorbereitung in seiner Erinnerung bereits verblasst sind, was nicht heißen soll, dass der Senat die Kontakte nach Bad Kreuznach nicht glaubt. Bedenklich ist vielmehr, dass der ihm pfarramtlich bescheinigte dreimonatige Taufunterricht in B-Stadt in der Erinnerung des Klägers nur als „einige Unterhaltungen mit dem Pfarrer“ haften geblieben ist, was nicht von intensivem Interesse für die christliche Sache zeugt.

Den gleichen Eindruck vermittelt der Versuch des Klägers, sich an seinen Taufspruch zu erinnern. Die Auswahl des Taufspruches ist für einen erst als Erwachsenen getauften evangelischen Christen ebenso wie die Auswahl eines Spruches für einen Konfirmanden eine ganz persönliche Angelegenheit, wobei der individuell gewählte Taufspruch auf der Taufurkunde wörtlich wiedergegeben wird, was seine religiöse Bedeutung für den Täufling widerspiegelt. Angesprochen auf seinen Taufspruch gab der Kläger an, sich an diesen zu erinnern und reihte sodann - nicht wörtlich, sondern ihrem Sinn nach - rudimentäre Auszüge aus dem Anfang des christlichen Glaubensbekenntnisses aneinander. Berücksichtigt man, dass auch das Glaubensbekenntnis im Rahmen der Erwachsenentaufe eine zentrale Rolle spielt, was äußerlich darin zum Ausdruck kommt, dass es ebenfalls textlicher Bestandteil der Taufurkunde ist, wird deutlich, dass die Erinnerung des Klägers an Inhalte des Taufunterrichts und die Taufe selbst bereits sehr verblasst ist.

Auf die Gründe angesprochen, aus denen er den in der Taufurkunde vermerkten zusätzlichen christlichen Vornamen „Josef“ gewählt hat, antwortete der Kläger, sein eigentlicher Vorname „“ deute auf einen arabischen Stamm hin. Damit wolle er nichts mehr zu tun haben. Warum er sich gerade für „Josef“ entschieden hatte, erläuterte er nicht. Dass er im Bekanntenkreis weiterhin „“ genannt werde, weil das so in seinen Papieren stünde, missfalle ihm zwar; er behauptet aber nicht, seine Bekannten gebeten zu haben, ihn mit dem neuen Vornamen zu rufen. Dass die Entscheidung für einen zusätzlichen christlichen Vornamen nicht nur ein formales Zeichen, sondern für den Kläger von religiöser Bedeutung war, lässt sich diesen Bekundungen nicht entnehmen.

Alles in allem konnte der Kläger nicht den Eindruck vermitteln, dass seine Entscheidung, sich evangelisch taufen zu lassen, religiös motiviert war. Der einzige christliche Wert, den er konkret benannte, war das Gebot der Nächstenliebe, was insofern nicht verwundert, als seine gegen den Islam gerichteten Äußerungen durchaus belegen, dass er durch eine humanitäre Grundeinstellung geprägt wird. Das Bekenntnis zur Nächstenliebe reicht allerdings als einziger konkreter Anknüpfungspunkt der Kenntnis christlichen Gedankengutes nicht zur Bejahung einer religiös motivierten Annahme des christlichen Glaubens aus, da nach allem Gesagten nicht erkennbar ist, dass der christliche Glaube den Kläger in seiner religiösen Identität prägt.

Fehlt es - wie vorliegend - an einer seine religiöse Identität prägenden christlichen Glaubensüberzeugung des Schutzsuchenden, so vermittelt der rein formal durch die Taufe vollzogene Akt des Glaubenswechsels nicht den Schutz des Art. 10 Abs. 1 b RL. Der Kläger kann nicht unter Hinweis auf diese Vorschrift und die tatsächlichen Gegebenheiten in seinem Heimatstaat Iran verlangen, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird. Diesem Begehren steht entgegen, dass er im Iran wegen des nur formal angenommenen christlichen Glaubens keine Verfolgungshandlungen zu befürchten hat.

So steht schon nicht zu erwarten, dass die Tatsache der evangelischen Taufe den iranischen Behörden überhaupt bekannt geworden ist beziehungsweise noch bekannt werden könnte. Der Kläger hat sich bislang in keiner irgendwie auffälligen Weise christlich-religiös betätigt. Dass er an Feiertagen und, wenn er Zeit hat, an Sonntagen die evangelische Kirche in B-Stadt besucht, ist kein Verhalten, das ausreicht, um die Aufmerksamkeit iranischer Spitzel in Deutschland zu erregen. Selbst wenn er insoweit irgendwann aufgefallen und daraufhin beobachtet worden sein sollte, wäre nicht anzunehmen, dass die gelegentlichen Kirchgänge aus Sicht der Beobachter von nachhaltigem Interesse sein könnten. Insbesondere kann sein Bekunden, er habe im Laufe der Zeit - wobei seit seiner Taufe bereits mehr als drei Jahre verstrichen sind - etwa acht bis zehn Iraner mit zur Kirche genommen, nicht als missionarische Tätigkeit gewertet werden. Dies gilt ungeachtet dessen, dass angeblich mindestens zwei dieser Personen zum christlichen Glauben konvertiert sein sollen. Der Kläger hat hierzu weder schriftsätzlich vorgetragen noch in der mündlichen Verhandlung den Versuch unternommen, nähere Angaben zu machen, insbesondere darzulegen, dass deren angebliche Konversion auf seine christliche Überzeugungsarbeit zurückgeht.

Selbst wenn die Tatsache der christlichen Taufe im Iran bekannt geworden wäre beziehungsweise im Falle der Rückkehr bekannt würde, ist nach der Auskunftslage und der auf dieser basierenden obergerichtlichen Rechtsprechung (Sächsisches OVG, Urteil vom 28.3.2007, amtl. Abdr. S 10 f.; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 27.4.2006 - 5 LB 106/02 -, juris, m.w.N.; Hamburgisches OVG, Urteil vom 24.3.2006 - 1 Bf 15/98.A-, juris; OVG des Saarlandes, Urteil vom 23.10.2002 -9 R 3/00-, juris, amtl. Abdr. S. 38 f.) nicht anzunehmen, dass der im Ausland im Verlauf eines Asylverfahrens vollzogene Glaubenswechsel für sich genommen die iranischen Behörden veranlassen könnte, asylrelevante Maßnahmen gegenüber dem Rückkehrer zu ergreifen. Durch eine Konversion im Ausland fühlt der iranische Staat sich in der Regel nicht bedroht, wenn es sich um eine einfache Mitgliedschaft handelt, die weder mit - ernstzunehmender - missionarischer Tätigkeit noch mit Leitungsaufgaben oder anderen hervorgehobenen Funktionen verbunden ist.

Damit gibt der Sachverhalt keine Veranlassung zur Klärung, ob die Konsequenzen, die ein religiös motivierter und den Konvertiten in seiner religiösen Identität prägender Glaubenswechsel vom Islam zum Christentum nach der Erkenntnislage im Falle der Rückkehr und der Praktizierung des neuen Glaubens in der Heimat auslöst, gemessen an Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 RL einzeln oder in Kumulation als asylrechtliche Verfolgungshandlung zu qualifizieren sind.

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht auch nicht zu befürchten, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Repressalien seitens nichtstaatlicher Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 c AufenthG in Verbindung mit Art. 6 c RL drohen.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, sein Vater sei strenggläubiger Moslem und mit der Hinwendung des Klägers zum Christentum nicht einverstanden, genügt dies nicht zur Annahme, dass vom Vater eine Gefährdung für Leib oder Leben des Klägers ausgehen könnte. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zwar einerseits behauptet, der Familie seine Adresse aus Angst vor seinem Vater nicht mitzuteilen, andererseits aber bekundet, mit dem Vater telefonischen Kontakt zu haben. Grundsätzlich rede er mit seinem Vater nicht über religiöse, sondern nur über persönliche Dinge, da der Vater einen Herzinfarkt gehabt habe und er ihn nicht aufregen wolle. So frage der Vater etwa, wie es ihm gehe, ob er schon eine Familie habe und ob er nicht zurückkommen wolle. Dass er letzteres wegen seiner Konversion verneine, könne der Vater nicht akzeptieren. Der Kläger behauptet aber nicht, dass es wegen derartiger Antworten zu religiösen Streitgesprächen oder massiven Vorwürfen seitens des Vaters käme, und beim nächsten Telefonat scheinen wieder persönliche Dinge besprochen zu werden.

Die so aktuell in der mündlichen Verhandlung beschriebene Haltung des Vaters zu dem Kläger lässt nicht erwarten, dass der Vater ihm im Falle der Rückkehr Schaden an Leib oder Leben zufügen würde. Dasselbe gilt für andere Familienmitglieder und Bekannte, hinsichtlich derer der Kläger keine Bedrohung geltend gemacht hat.

Ebenso wenig ist beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger allein aufgrund der Asylantragstellung mit abschiebungsschutzrechtlich relevanten Übergriffen rechnen müsste. Insoweit teilt der erkennende Senat die Einschätzung des früher für das Herkunftsland Iran zuständig gewesenen 3. Senats des Gerichts (OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 16.8.2006 - 3 Q 78/06 - und vom 9.8.2006 - 3 Q 23/06-, jeweils juris, sowie Urteil vom 23.10.2002, a.a.O., S. 24 ff., jeweils m.w.N.) , der in Fortführung der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung ebenso wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, Beschluss vom 14.5.2007 - 14 ZB 07.30240 -, juris, m.w.N.) in einer kürzlich ergangenen Entscheidung eine allein auf die Asylantragstellung gründende Verfolgungsgefahr verneint. Der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes hat in den zitierten Beschlüssen vom August 2006 unter Berücksichtigung der neueren Auskunftslage und zahlreicher Presseberichte über das aktuelle Geschehen im Iran überzeugend dargelegt, dass zwar infolge der letzten Wahlen die fundamentalistischen Kräfte im Verhältnis zu den reformorientierten Kreisen die Oberhand gewonnen und mit dem neuen Staatspräsidenten Ahmadinadschad ein konservatives Staatsoberhaupt an ihrer Spitze haben, es aber keine Anzeichen dafür gebe, dass sich infolge dieser Entwicklung die Situation für zurückkehrende Asylbewerber verschlechtert habe und diese nun alleine wegen der Asylantragstellung und der Entfaltung gewisser Exilaktivitäten zur Untermauerung ihres Begehrens abschiebungsschutzrechtlich relevante Maßnahmen zu befürchten hätten. Den iranischen Amtswaltern sei bekannt, dass ein Asylverfahren für die meisten in Europa lebenden Iraner die einzige Möglichkeit sei, ein - wenn auch nur zeitweiliges - Aufenthaltsrecht zu erlangen. Der neueste Lagebericht (Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 37 f.) und die aktuelle Auskunftslage geben keine Veranlassung zu einer geänderten Einschätzung.

Da der Kläger nicht glaubhaft machen konnte, seine Heimat aus begründeter Furcht vor Verfolgung verlassen zu haben, und ihm auch wegen seiner Nachfluchtaktivitäten nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen des iranischen Staates beziehungsweise seitens seines Vaters oder sonstiger Verwandter oder Bekannter drohen, ist die Berufung hinsichtlich des Hauptantrags, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festzustellen, unbegründet und unterliegt daher der Zurückweisung.

II.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Feststellung, dass ihm Abschiebungsschutz nach Maßgabe des § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG zu gewähren ist. Sein Vorbringen ist - wie im Einzelnen dargelegt - nicht glaubhaft, so dass ihm Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG nicht zusteht.

Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung der auch in diesem Zusammenhang zu beachtenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG. Nach Art. 2 e RL hat ein Drittstaatsangehöriger, der die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt, Anspruch auf subsidiären Schutz, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorbringt, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 RL zu erleiden, sofern auf ihn die Ausschlussgründe des Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 RL keine Anwendung finden und er den Schutz seines Herkunftslandes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will.

Voraussetzung der Gewährung subsidiären Schutzes ist demnach, dass der Kläger stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei Rückkehr in den Iran tatsächlich Gefahr liefe, dass ihm gegenüber die Todesstrafe verhängt oder vollstreckt würde oder dass ihm Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohen (Art. 15 a und b RL). Aus welchen Gründen ihm eine derartige Behandlung droht, spielt dabei nach der in Art. 18 und Art. 2 e RL zum Ausdruck kommenden Konzeption der Richtlinie - anders als bei der an einen Verfolgungsgrund anknüpfenden Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft - keine Rolle. Ausreichend ist, dass stichhaltige Gründe für die tatsächliche Gefahr, im Falle der Rückkehr einen ernsthaften Schaden zu erleiden, vorgebracht sind. Dies ist im Falle des Klägers zu verneinen, da der von ihm geschilderte Lebenssachverhalt entweder nicht glaubhaft oder (so die im Bundesgebiet erfolgte Taufe zum evangelischen Christen) unter den konkreten Gegebenheiten nicht geeignet ist, die Gefahr, von einem ernsthaften Schaden bedroht zu werden, zu begründen.

Die Berufung ist daher insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Zwar geht das seitens des Senats mit Blick auf Art. 10 Abs. 1 b RL befürwortete Verständnis des nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu gewährenden Schutzes vor Verfolgungshandlungen wegen der Religion über das hinaus, was nach der bisherigen bundesdeutschen Rechtsprechung als Inhalt eines religiös bedingten Schutzanspruchs anerkannt ist. Diese grundsätzlichen Erwägungen zu den aus dem Inkrafttreten der Richtlinie zu ziehenden Konsequenzen sind indes für die getroffene Entscheidung, die Berufung zurückzuweisen, nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Das Begehren des Klägers hätte unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung erst recht keine Erfolgsaussichten gehabt. Insoweit wird hinsichtlich der Bewertung der Relevanz der geltend gemachten Konversion zum Christentum auf die Darstellung der bis zum Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG unangefochtenen Rechtsprechung in dem gegenüber dem Kläger ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts verwiesen.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG und beträgt nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschlüsse vom 21.12.2006 - 1 C 29/03 - und vom 14.2.2007 - 1 C 22/04 -, jeweils juris) zur Auslegung dieser Vorschrift 3.000 EUR.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 VwGO) sind nicht in der gebotenen Weise (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG) dargelegt bzw. liegen jedenfalls nicht vor.

1. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) wurde bereits nicht in der gebotenen Weise dargelegt und liegt im Übrigen auch nicht vor.

Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Rechtsfrage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt; Darlegungen zu offensichtlichen Punkten sind dabei entbehrlich (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72 m. w. N.). Hiervon ausgehend haben die Kläger schon keine den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG genügende Rechtsfrage formuliert.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung liegt aber auch nicht vor. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder - bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen - durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (st. Rspr., z. B. BayVGH, B. v. 25.2.2013 - 14 ZB 13.30023 - juris Rn. 2 m. w. N.; Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 36 ff. m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass ein in Deutschland zum Christentum übergetretener Asylbewerber, der sich darauf beruft, wegen der Betätigung seines christlichen Glaubens in seinem Heimatland von Verfolgung bedroht zu sein, die innere Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen muss (vgl. BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 30). Der formale, kirchenrechtlich wirksam vollzogene Übertritt zum Christentum in Gestalt der Taufe reicht für die Gewinnung dieser Überzeugung jedenfalls im Regelfall nicht aus (BayVGH, B. v. 12.1.2012 - 14 ZB 11.30346 - juris Rn. 4). Welcher Beweiswert der Taufbestätigung einer Religionsgemeinschaft für die Frage der Ernsthaftigkeit eines Glaubenswechsels zukommt ist ebenso wenig klärungsbedürftig wie die Frage, ob die Überprüfung der Ernsthaftigkeit des Glaubensübertritts die nach innerkirchlichem Recht zuständige Stelle vorzunehmen hat und staatliche Behörden und Gerichte daran staatskirchenrechtlich gebunden sind. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass es für die Frage, ob ein ernsthafter Glaubenswechsel vorliegt, entscheidend auf die Glaubhaftigkeit der Schilderung und die Glaubwürdigkeit der Person des Asylbewerbers ankommt, die das Gericht selbst im Rahmen einer persönlichen Anhörung des Asylbewerbers zu überprüfen und tatrichterlich zu würdigen hat (BVerwG, U. v. 9.12.2010 - 10 C 13.09 - juris Rn. 19; BayVGH, B. v. 8.8.2013 - 14 ZB 13.30199 - juris Rn. 8 m. w. N.). Dies ist ureigene Aufgabe des Gerichts. An die Ausstellung eines Taufscheins sowie an die Einschätzung der Glaubensüberzeugung eines Konvertiten durch eine Kirchengemeinde bzw. einen Pastor ist das Gericht nicht gebunden (vgl. BayVGH a. a. O.). Da die Klärung, ob ein Glaubenswechsel vorliegt, jeweils nur anhand der individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Sachverhalts erfolgen kann, kommt diesen Fragen regelmäßig auch keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (BayVGH a. a. O.; vgl. auch OVG NW, B. v. 24.5.2013 - 5 A 062/12.A - juris Rn. 10).

2. Soweit die Kläger zudem rügen, das Urteil sei i. S. v. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 3 (wohl Nr. 6 gemeint) VwGO nicht mit Gründen versehen, da sich das Verwaltungsgericht in der Urteilsbegründung nicht mit der Grundgesetzproblematik des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften auseinandergesetzt habe und daher dem Urteil jedwede Begründung für die Verneinung der Nachfluchtgründe fehle, können sie ebenfalls nicht durchdringen.

Ein Verfahrensmangel nach § 138 Nr. 6 VwGO (Fehlen von Entscheidungsgründen) scheidet bei einer - wie hier - auf den allein entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin zu 1 eingehenden und die maßgeblichen Gründe erläuternden Begründung des Urteils aus. Ein solcher Verfahrensmangel wäre nur gegeben, wenn dem Tenor der Entscheidung überhaupt keine Gründe beigegeben sind oder die Begründung völlig unverständlich und verworren ist, so dass sie in Wirklichkeit nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind (vgl. BayVGH, B. v. 23.6.2014 - 14 ZB 14.30157 - juris Rn. 3 m. w. N.). Das Verwaltungsgericht hat vorliegend auf den Seiten 25 bis 27 seines Urteils begründet, warum es aufgrund des - allein maßgeblichen - Vortrags der Klägerin zu 1 die notwendige Überzeugungsgewissheit nicht gewinnen konnte, dass die behauptete Hinwendung zum christlichen Glauben auf einer ernsthaften Gewissensentscheidung, d. h. auf einem ernstgemeinten religiösen Einstellungswandel mit identitätsprägender fester Überzeugung beruht. Die Kläger legen nichts dafür dar, inwieweit dies nicht in verständlicher Form geschehen sein sollte. Mit dem in diesem Zusammenhang allein erfolgten Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften ist nicht dargetan, warum die Bewertungen des Verwaltungsgerichts nicht nachvollziehbar sein sollten.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 9. August 2012 - A 6 K 1056/12 - wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

 
Der zulässige Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 9.8.2012 hat keinen Erfolg.
I.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte mit Bescheid vom 24.4.2012 den Antrag der Klägerin - einer iranischen Staatsangehörigen - auf Anerkennung als Asylberechtigte ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen und drohte der Klägerin bei nicht freiwilliger Ausreise innerhalb von 30 Tagen die Abschiebung in den Iran unter dem Hinweis an, dass sie auch in einen anderen Staat abgeschoben werden könne, in den sie einreisen könne oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei.
Die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 9.8.2012 - A 6 K 1046/12 - abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Angaben der Klägerin zu ihren Vorfluchtgründen seien nicht glaubhaft. Der in der Bundesrepublik Deutschland erfolgte Übertritt der Klägerin zum Christentum und ihre Taufe begründe gleichfalls weder einen Asylanspruch noch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG. Gleiches gelte für die Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG. Nach Überzeugung des Gerichts sei die Klägerin nicht aufgrund eines ernsthaften Willensentschlusses zum christlichen Glauben konvertiert. Die Konversion diene alleine dazu, missbräuchlich ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zu erwerben. Der Glaubenswechsel habe in keiner Weise auch nur im Ansatz prägenden Einfluss auf ihre Persönlichkeit erlangt. Allein der Umstand, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt habe, führe zu keinen staatlichen Repressionen nach der Rückkehr in den Irak. Dies gelte im vorliegenden Fall umso mehr, als die Klägerin den Iran legal verlassen habe. Die Geltendmachung einer posttraumatischen Belastungsstörung - PTBS -, die durch eine Stellungnahme von Lic. Ing. Lic. Psych. M. ... - Psychologische Beratungsstelle für politisch Verfolgte und Vertriebene - PBV Stuttgart - vom 2.7.2011 belegt werden solle, führe gleichfalls nicht zum Vorliegen von Abschiebungsverboten. Angesichts des widersprüchlichen Vorbringens der Klägerin blieben durchgreifende Zweifel am Wahrheitsgehalt derjenigen Schilderung, die der Stellungnahme vom 2.7.2011 zugrunde gelegen habe. Ferner genüge die Stellungnahme nicht den Mindestanforderungen, die an die Substantiierung eines PTBS-Leidens zu stellen seien.
II.
Der von der Klägerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG (grundsätzliche Bedeutung) rechtfertigt aus den mit dem Antrag genannten Gründen nicht die Zulassung der Berufung.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG kommt einer Rechtssache zu, wenn das erstrebte weitere Gerichtsverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechtsfragen oder im Bereich der Tatsachenebene nicht geklärten Fragen mit über den Einzelfall hinausreichender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts höhergerichtlicher Klärung bedürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - NJW 2009, 364; Bay. VGH, Beschl. v. 9.8.2011 - 13a ZB 11.30007 - AuAS 2011, 250). Das Darlegungsgebot nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG verlangt bei diesem Zulassungsgrund entweder in rechtlicher oder in tatsächlicher Hinsicht die Formulierung einer bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärten konkreten Frage und außerdem die Angabe, worin diese Bedeutung bestehen soll (BVerwG, Beschl. v. 6.7.2012 - 10 B 18.12 - juris). Schließlich muss dargelegt werden, warum die aufgeworfene konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage für das Verwaltungsgericht erheblich war und warum sie sich auch im Berufungsverfahren als entscheidungserheblich stellen würde (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.9.2009 - BvR 814/09 - NJW 2009, 3642; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24.9.2008 - 2 L 86/08 - NVwZ 2009, 192). Insoweit ist es erforderlich, dass die aufgeworfene Grundsatzfrage rechtlich derart aufbereitet wird, wie dies nach Maßgabe der Begründung in der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts erforderlich ist. Damit ist eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts notwendig, die verdeutlicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dem Klärungsbedarf nicht gerecht wird.
Wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Bereich der Tatsachenfeststellung geltend gemacht, erfordert das Darlegungsgebot insbesondere, dass die Antragsbegründung erkennen lässt, warum das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse in einer über den Einzelfall hinausgehenden Weise unzutreffend beurteilt haben soll, dass also z.B. einschlägige Erkenntnisquellen unberücksichtigt geblieben sind, das Gewicht einer abweichenden Meinung verkannt worden ist und die Bewertungen des Verwaltungsgerichts deshalb nicht haltbar sind (OVG Sachsen, Beschl. v. 18.9.2009 - A 1 A 498/09 - NVwZ-RR 2010, 167; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 21.3.2007 - 15 A 750/07.A - juris).
1. Die Klägerin hält zunächst die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam,
ob eine fehlende tiefe Überzeugung geeignet sein könnte, einen vom Islam zum Christentum übergetretenen Iraner auf eine Geheimhaltung seiner Religionszugehörigkeit oder sogar auf einen möglichen Übertritt wieder zurück zum Islam zu verweisen.
Sie trägt in diesem Zusammenhang vor, das Verwaltungsgericht habe behauptet, dass den Betroffenen ein Verschweigen, ein Verleugnen oder die Aufgabe der neuen Glaubenszugehörigkeit zur Vermeidung staatlicher oder nichtstaatlicher Repressionen im Heimatland zugemutet werden könne, wenn eine Konversion nicht auf einer glaubhaften Zuwendung zum christlichen Glauben im Sinne einer ernsthaften Gewissensentscheidung und nicht auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel mit einer Identitätsprägenden festen Überzeugung, sondern lediglich auf bloßen Opportunitätsgründen beruhe. Gegen diesen allgemeinen Rechtssatz bestünden durchgreifende die Berufung eröffnende Bedenken.
10 
Mit ihrem Vorbringen übersieht die Klägerin jedoch, dass die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage für das angestrebte Berufungsverfahren nicht entscheidungserheblich ist. Zur Beurteilung einer der Klägerin drohenden Verfolgung im Sinne des Art. 16a GG oder des § 60 Abs. 1 AufenthG aus religiösen Gründen kommt es nicht entscheidend darauf an, ob zum Zeitpunkt der Taufe der Klägerin eine ernsthafte Hinwendung zum Christentum stattgefunden hat. Wie der Senat schon mehrfach entschieden hat (vgl. Beschl. v. 23.4.2013 - 3 S 2022/12 -, v. 3.4.2013 - A 3 S 2021/12 -, v. 13.3.2013 - A 3 S 103/12 -, v. 25.2.2013 - A 3 S 3081/11 -, 17.9.2013 - A 3 S 2306/12 -), hätte er vielmehr in einem Berufungsverfahren in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 5.9.2012 - C-71/11 und C-99/11 - InfAuslR 2012, 444) und des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - InfAuslR 2013, 300) zu prüfen, ob im Hinblick auf die persönlichen Umstände der Klägerin vernünftigerweise anzunehmen ist, dass sie nach einer Rückkehr in ihr Herkunftsland dort religiöse Betätigungen vornehmen wird (so EuGH, a.a.O.) bzw. dort unterdrückte religiöse Betätigungen ihres Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um ihre religiöse Identität zu wahren (BVerwG, a.a.O.). Aus einer ernsthaften Hinwendung zum christlichen Glauben im Zeitpunkt der Taufe folgt jedoch noch nicht, dass diese Hinwendung fortdauern wird. Die Verwaltungsgerichte sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 9.12.2010 - 10 C 13.09 - BVerwGE 138, 289), des Senats (vgl. Beschl. v. 9.2.2010 - 3 S 474/08 -) und anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. nur OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 30.7.2009 - 5 A 982/07.A - juris) berechtigt und verpflichtet, das Vorliegen einer voraussichtlich andauernden christlichen Prägung des Konvertierten nachzuprüfen (a. A., soweit ersichtlich, nur VG Schwerin, Urt. v. 13.2.2013 - 3 A 1877/10 As - juris). Der formale, kirchenrechtlich wirksam vollzogene Übertritt zum Christentum in Gestalt der Taufe reicht für die Gewinnung der dafür erforderlichen Überzeugungsgewissheit im Regelfall nicht aus, insbesondere kommt ihm für die zu bildende Prognose keine bindende präjudizielle Wirkung zu (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 9.1.2014 - 2 S 1812/13 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 24.5.2013 - 5 A 1062/12.A - juris).
11 
2. Die Klägerin hält ferner die Tatsachenfrage für von grundsätzlicher Bedeutung,
12 
ob es einem in Deutschland abgelehnten und in den Iran abgeschobenen Asylbewerber möglich ist, seinen Übertritt zum Christentum zu verheimlichen.
13 
Das Verwaltungsgericht habe entscheidend darauf abgestellt, dass es der Klägerin zumutbar sei, ihren Übertritt zum Christentum zu verheimlichen, womit es vorausgesetzt habe, dass sie es allein in der Hand habe, dass ihr Glaubenswechsel im Iran nicht bekannt werde. Die dieser Annahme zugrunde liegende Tatsache, dass eine in Deutschland stattgefundene Taufe nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Iran bekannt würde, gehe angesichts eines hervorragend organisierten Spitzelnetzes des iranischen Regimes im Ausland fehl. Außerdem würden erfolglose Asylbewerber bei der Ankunft in den Iran einer Befragung auch dann unterzogen, wenn sie „legal“ ausgereist seien. Hierbei würden auch nach internationalen Standards unzulässige Befragungsmethoden angewandt.
14 
Der Tatsachenfrage fehlt es ebenfalls an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit (vgl. auch insoweit VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.4.2013 - 3 S 2022/12 -, v. 3.4.2013 - A 3 S 2021/12 -, v. 13.3.2013 - A 3 S 103/12 -, v. 25.2.2013 - A 3 S 3081/11 -, 17.9.2013 - A 3 S 2306/12 -). Da das Verwaltungsgericht eine dauerhafte Hinwendung der Klägerin zum Christentum nicht als glaubhaft erachtet hat, könnte die aufgeworfene Frage nur dann entscheidungserheblich sein, wenn allein der formale Akt des Übertritts zum christlichen Glauben im Ausland, auch wenn dieser nach einer Rückkehr in den Iran nicht mehr gelebt wird, Repressionen seitens des iranischen Staates nach sich zöge. Dafür benennt die Klägerin jedoch keine nachvollziehbaren Belege (anders auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.8.2012 - 13 A 1703/12.A -; Urt. v. 7.11.2012 - 13 A 1999/07.A - beide in juris). Sie zitiert zwar aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 4.11.2011, dass Konvertiten Verfolgung und Bestrafung bis hin zur Todesstrafe drohten, übersieht aber, dass es sich bei diesem Zitat um eine allgemeine Äußerung zur Religionsfreiheit im Iran handelt und dass es in demselben Lagebericht zur Situation der Christen heißt, Repressionen träfen missionierende Christen unabhängig davon, ob diese zuvor konvertiert seien.
15 
3. Schließlich ist nach Auffassung der Klägerin auch die Tatsachenfrage von grundsätzlicher Bedeutung,
16 
ob iranische Staatsangehörige, die nach erfolglosem Ausgang ihres Asylverfahrens in den Iran abgeschoben werden, einem beachtlichen Risiko unterliegen, dort bereits bei der Ankunft verhaftet und unter Folter zu ihrem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland befragt zu werden.
17 
Das Verwaltungsgericht habe - so die Klägerin - diese Frage ohne hinreichende Tatsachengrundlage verneint. Denn die letzte Rückführung aus Deutschland in den Iran habe im Mai 2010 stattgefunden. Sie berufe sich insoweit auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9.3.2010 (- 41827/07 - R.C. v. Sweden).
18 
Mit diesem Vorbringen wird die Klärungsbedürftigkeit der für rechtsgrundsätzlich angesehenen Tatsachenfrage nicht hinreichend dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung auf die Einschätzung des Auswärtigen Amts in den Lageberichten vom 18.3.2008, 23.2.2009, 28.7.2010, 27.2.2011 und 4.11.2011 gestützt, wonach allein die Stellung eines Asylantrags im Ausland keine staatlichen Repressionen nach der Rückkehr in den Iran auslöst. Dem setzt die Klägerin nur entgegen, diese Einschätzung entbehre einer hinreichenden Tatsachengrundlage, weil die letzte Rückführung aus Deutschland in den Iran im Mai 2010 stattgefunden habe. Belege für eine gegenteilige Einschätzung werden von ihr nicht genannt. Die von ihr angeführte Auskunft der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 18.8.2011 berichtet zwar von zwei namentlich genannten, nach Abschiebung misshandelten Rückkehrern in den Iran. Diese haben aber im Ausland nicht nur einen Asylantrag gestellt, sondern - anders als die Klägerin - sich dort auch regimekritisch politisch betätigt. Auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urt. v. 9.3.2010 - 41827/07 - R.C. v. Sweden), auf die die Klägerin sich beruft, hat eine Rückkehrgefährdung für den dortigen iranischen Beschwerdeführer nicht allein wegen seiner Asylantragstellung, sondern wegen des Zusammentreffens verschiedener Umstände, insbesondere auch einer individuellen Vorverfolgung des Beschwerdeführers angenommen. Eine Vorverfolgung der Klägerin hat das Verwaltungsgericht dagegen nicht als glaubhaft erachtet (vgl. zu alledem wiederum VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.4.2013 - 3 S 2022/12 -, v. 3.4.2013 - A 3 S 2021/12 -, v. 13.3.2013 - A 3 S 103/12 -, v. 25.2.2013 - A 3 S 3081/11 -, 17.9.2013 - A 3 S 2306/12 -).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO sowie § 83b AsylVfG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.