Verwaltungsgericht Trier Urteil, 03. Feb. 2016 - 3 K 2619/15.TR

ECLI:ECLI:DE:VGTRIER:2016:0203.3K2619.15.00
bei uns veröffentlicht am03.02.2016

Tenor

Der Beklagte wird aus dem Dienst entfernt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des behördlichen Disziplinarverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst.

2

Der am A...in B...geborene Beklagte steht als Polizeikommissar im Dienst des klagenden Landes. Nach der Hauptschule besuchte er von 1993 bis 1995 die Berufsfachschule C... Am 1. September 1995 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf als Polizeianwärter des Landes Rheinland-Pfalz eingestellt. Nach seiner Ausbildung erfolgte am 1. September 1996 die Ernennung zum Polizeioberwachtmeister und am 1. September 1997 zum Polizeimeister. In der Zeit vom 1. September 1997 bis 30. April 2000 wurde der Beklagte bei der Bereitschaftspolizei verwendet. Am 1. Mai 2000 erfolgte die Versetzung zum Polizeipräsidium D..., wo er mit Ausnahme einer vorübergehenden Abordnung zur PD E... anlässlich der dort stattfindenden Expo 2000 vom 18. August 2000 bis 13. November 2000 bei der Polizeiinspektion F... eingesetzt wurde.

3

Der Beklagte wurde am 18. Mai 2002 zum Polizeiobermeister, am 18. Mai 2008 zum Polizeihauptmeister und am 18. Juli 2008 zum Polizeikommissar befördert. Die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit wurde dem Beamten am 2. Juni 2004 verliehen.

4

Seit dem 15. Dezember 2013 ist der Beklagte dauerhaft erkrankt. Mit Schreiben vom 13. Juli 2015 hat der Beklagte wegen Dienstunfähigkeit nach einem Dienstunfall am 28. September 2013 seine Versetzung in den Ruhestand beantragt.

5

Der Beamte ist geschieden und hat zwei Kinder im Alter von elf und zehn Jahren.

6

In der letzten Anlassbeurteilung vom 25. März 2010 wurde der Beklagte mit der Gesamtbewertung „B“ (gute Leistung) beurteilt.

7

Eine Leistungseinschätzung anlässlich des vorliegenden Disziplinarverfahrens vom 7. April 2015 bescheinigte ihm Folgendes:

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„PK G... kam zum 02.05.2011 von der Dienstgruppe “D“ zur Dienstgruppe “B“. Grund hierfür war, dass PK G... auf der Dienstgruppe „D“ nicht mehr zu Recht kam und mittlerweile von den Kollegen auch nicht akzeptiert wurde, so dass ein reibungsloser Ablauf nicht mehr möglich bzw. nur schwer möglich war.

9

Auf hiesiger Dienstgruppe wurde er mit POK´in H... als „festes Streifenteam“ eingesetzt.

10

Sein Arbeitsvolumen im Außendienst war gut. Der Umgang mit dem polizeilichen Gegenüber würde ich nicht immer als ausgeglichen bezeichnen. Er war oft forsch bis aggressiv.

11

Sein Arbeitsvolumen ließ aber sofort nach, wenn es darum ging, die getroffenen Maßnahmen und Sachverhalte zu Papier zu bringen. Meist wurden die schriftlichen Arbeiten von POK´in H... erledigt. Hier gab es erhebliche Defizite. Dies führte dazu, dass ich die Anordnung vom 08.12.2012 schreiben musste und ihm gegen Unterschrift aushändigte.

12

Bemerkenswert war auch die Anzahl seiner Krankheitstage. Vom 01.01.2012 bis 31.07.2013 waren es insgesamt 707 Krankstunden. Auffallend bei den „Krankheiten“ war der Umstand, dass er die gleichen Krankheiten aufwies, die zuvor jemand aus der Dienstgruppe bzw. seine Streifenpartnerin hatte.

13

Anzumerken war auch der Umstand, dass die Krankheitstage meist auf Tage fielen, an denen er frei wollte, es aus dienstlichen Gründen nicht ging. Hier muss aber angefügt werden, dass PK G... fast für alle Krankentage ein Attest vorlegte.

14

Durch die Kollegen wurde im Laufe der Zeit ermittelt, dass er öfters an seinen kranken Tagen zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin, die eine Hundeschule betrieb, unterwegs war. Er hat regelmäßig per facebook diese Ausflüge dokumentiert.

15

Durch permanente Aufsicht und Druck von mir konnten bis Juli 2013 seine Minusstunden fast vollständig abgebaut werden. Dies gelang dadurch, dass er bei „frei“ seine Urlaubsstunden einsetzen musste oder er halt krank wurde.

16

Sein Verhalten innerhalb der Schicht würde ich als „asozial“ bezeichnen. Die anderen waren ihm mehr oder weniger egal, solange er „sein“ Ding machen konnte. Er bedurfte einer permanenten Aufsicht.

17

Zuletzt machte ihm seine „Schilddrüse“ zu schaffen, was dazu führte, dass er seit Dezember 2013 in den Krankenstand ging. Für die Kollegen, die ihn kannten, war klar, dass das Ereignis in I... irgendwann für ihn ein Thema sein wird. Sein Verhalten nach dem Vorfall war mehr oder weniger normal. Es konnten keine außergewöhnlichen Feststellungen bezüglich seines Verhaltens oder Person getroffen werden. Eine „Krankmeldung“ wegen der Explosion in I... ist nur die logische Konsequenz aus den vorher gezeigten Verhaltensmustern.

18

Eine Besonderheit von PK G... war auch die Tatsache, dass es ihm gelang, völlig ungepflegt und in nicht dienstlich gelieferter Kleidung herumzulaufen. Meist war seine Kleidung mit Hundehaaren übersät.....“

19

Disziplinarrechtlich ist der Beamte nicht vorbelastet. Gegen ihn ist bei der Staatsanwaltschaft J... derzeit ein Strafverfahren wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen anhängig (Az.: K...). Der strafrechtliche Sachverhalt ist Gegenstand der Disziplinarklage.

20

Mit Verfügung vom 4. Dezember 2013 wurde gegen den Beklagten wegen des Verdachtes des leichtfertigen Schuldenmachens in vier Fällen ein Disziplinarverfahren eingeleitet, welches mit Verfügung vom 10. Februar 2014 auf zwei weitere Pfändungssachen ausgedehnt wurde. Die Verfügungen wurden dem Beklagten am 13. Februar 2014 ausgehändigt.

21

Am 19. Februar 2014 erfolgte die Ausdehnung auf den Vorwurf der Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit als Hundeausbilder. Von einer Unterrichtung wurde zunächst wegen Gefährdung der Sachverhaltsaufklärung abgesehen.

22

Auf Antrag des Klägers erging durch das erkennende Gericht am 9. April 2014 ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss (3 O 609/14.TR). Der Beschluss kam am 23. April 2014 zur Ausführung.

23

Eine weitere Ausdehnung erfolgte mit Verfügung vom 22. April 2014 auf die Vorwürfe: Leichtfertiges Schuldenmachen in nunmehr neun Fällen, Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit während Dienstunfähigkeit, Nichtwahrnehmung von Terminen beim Gesundheitsamt, unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst, verspätete Vorlage von Attesten, unentschuldigtes Fernbleiben bei einer Gerichtsverhandlung, Nichtwahrnehmung von Terminen bei Vorgesetzten und Äußerung von Unwahrheiten, Nichtbearbeitung eines Vorgangs und Nichtvorlage eines Erklärungsvordruckes. Der Beklagte wurde über seine Rechte belehrt und ihm wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

24

Mit Verfügungen vom 15. Mai 2014, 24. Juni 2014, 11. August 2014, 15. August 2014, 21. Oktober 2014 und 4. Dezember 2014 wurde das Disziplinarverfahren ausgedehnt auf weitere Forderungssachen sowie auf die Vorwürfe der verspäteten Vorlage von Attesten, des Nichtantritts von amtsärztlich empfohlenen Therapiemaßnahmen, der Nichtvorlage eines Anamnesebogens an die Zentrale Medizinische Untersuchungsstelle L... (ZMU) trotz mehrmaliger Aufforderung, des unberechtigten Aufbewahrens von dienstlichen Unterlagen in Privaträumlichkeiten, der Nichtwahrnehmung eines Termins bei der ZMU, der Verletzung der Auskunftspflicht und des unberechtigten Fertigens eines Lichtbildes von einem amtlichen Dokument und Weiterleitens an eine Dritte.

25

Mit der letztgenannten Verfügung vom 4. Dezember 2014 wurde der Beklagte zur beabsichtigten vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung von Dienstbezügen angehört. Die Maßnahmen wurden jedoch nicht umgesetzt.

26

Am 24. Juni 2014 fand ein Gespräch mit dem Beklagten und dessen Verfahrensbevollmächtigten statt. Dem Beklagten wurde Bedenkzeit eingeräumt, ob er das Dienstverhältnis durch eine eigene Kündigung beenden wolle. Dies lehnte der Beklagte nach einer Bedenkzeit ab.

27

Das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten mit Schreiben vom 25. Juni 2015 mitgeteilt. Der Beamte wurde über seine Rechte belehrt. Nach Ablauf einer gewährten Fristverlängerung zur Stellungnahme äußerte der Beklagte sich persönlich per E-Mail - beim Kläger eingegangen am 3. August 2015 –.

28

Dem Beklagten wurde mit Schreiben vom 7. August 2015 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, Disziplinarklage mit dem Ziel seiner Entfernung aus dem Dienst zu erheben. Auf die Möglichkeit, die Mitbestimmung des Personalrates zu beantragen, wurde hingewiesen. Mit Schreiben vom 18. August 2015 wurde dem Beklagten abermals Gelegenheit zur Stellungnahme und Beantragung weiterer Ermittlungen gegeben. Eine Äußerung des Beklagten erfolgte erst mit E-Mail vom 5. November 2015.

29

Am 3. September 2015 hat der Kläger die vorliegende Disziplinarklage erhoben, mit der er die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst betreibt. Dem Beamten werden folgende Verfehlungen vorgehalten:

30

1. In der Zeit ab Mitte 2011 eine Nebentätigkeit ohne Genehmigung auch während einer von ihm angegebenen Dienstunfähigkeit ausgeübt zu haben.

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Der Beklagte habe gemeinsam mit seiner früheren Lebensgefährtin Frau M... das von ihr am 30. August 2012 unter der damaligen gemeinsamen Wohnadresse in N..., angemeldete Gewerbe für Hundesporttätigkeiten, Verkauf von Hundezubehör und Hundefutter, betrieben. Im Internet hätten beide die Hundeschule unter O... präsentiert. Bei zahlreichen Hundesportvereinen habe der Beklagte regelmäßig als Trainer gearbeitet und hierbei, zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin M..., auch Unterordnungs- und Schutzdiensttrainingsseminare gegen Entgelt oder geldwerten Vorteil veranstaltet bzw. durchgeführt. Zusätzlich habe der Beklagte Akquise bei zahlreichen, auch weiter entfernten Hundesportvereinen betrieben und hierbei auch längere Anreisen mit seinem PKW zurückgelegt:

32

a) Beim HSZ P... habe er am 1. November 2011 gemeinsam mit Frau M... ein Unterordnungs- und Schutzdiensttraining gegen Entgelt veranstaltet. Darüber hinaus habe er dort seit Ende 2011 bis Mitte 2013 zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin zu festen Trainingszeiten, d.h. freitags, samstags und sonntags entsprechende Übungsstunden angeboten. Dabei habe sich der Beklagte wahrheitswidrig als polizeilicher Diensthundeführer ausgegeben. Erst auf Intervention der Vereinsvorsitzenden, der Zeugin Q..., habe er dies unterlassen. U.a. diese habe sich über die längeren Abwesenheitszeiten des Beklagten von der Dienststelle gewundert. Im Januar 2012 sei die weitere Zusammenarbeit vom Verein aufgekündigt worden.

33

b) Beim HSV R... habe der Beklagte gemeinsam mit Frau M... vom 13. Januar bis 15. Januar 2012 ein Seminar abgehalten. Beide seien wiederholt auf dem Vereinsgelände anwesend gewesen und hätten dort mit ihren Hunden privat trainiert. Es sei bekannt gewesen, dass der Beklagte Polizeibeamter sei. Es sei beabsichtigt gewesen, für den Verein längerfristig als Schutzdiensthelfer zu arbeiten.

34

c) Der Beklagte und Frau M... hätten sich bereit erklärt, ab März 2012 bis Ende 2013 den Unterricht für die im Oktober 2012 verstorbene Frau S..., T..., durchzuführen. Der Beklagte habe die Trainings größtenteils begleitet, ohne selbst aktiv gewesen zu sein. In wenigen Fällen habe Frau M... das Training gemeinsam mit dem Beklagten durchgeführt. Den Teilnehmern sei der Beruf des Beklagten bekannt gewesen.

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d) Am 2. und 3. Juni 2012 habe der erkrankte Beklagte mit Frau M... ein Unterordnungs- und Schutzdiensttraining beim HSV U... II durchgeführt.

36

e) Im März und April 2013 und 2014 habe der Beklagte mit Mitgliedern des Hundesportvereins V... im Vorfeld einer Prüfung für die Landesgruppenausscheidung Pinscher–Schnauzer den Schutzdienst trainiert. In den Monaten März bis April 2013 als auch in den Monaten März bis April 2014 sei der Beklagte erkrankt gewesen. Darüber hinaus habe der Beklagte versucht, weitere Kurse gegen Entgelt anzubieten. Frau M... habe dem Verein auch handschriftliche Angebote offeriert.

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Im Juni/Juli 2013 habe der Beklagte für den Vereinsvorsitzenden, Herrn W..., einen Riesen-Schnauzer begutachtet. Hierzu seien mehrere Fahrten in den Raum X... erforderlich gewesen. Als Aufwandsentschädigung für die Fahrtkosten sei dem Beklagten ein Betrag i.H.v. 100 € gezahlt und die Verpflegungskosten seien übernommen worden.

38

f) Beim Schäferhundeverein Y..., der überwiegend aus Mitgliedern im Rentenalter bestehe, habe der Beklagte im Herbst 2013 bis April 2014 mit einem größeren Kundenkreis für eine Begleit-/Schutzhundeprüfung trainiert.

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g) Im Frühjahr 2014 seien Frau M... und der Beklagte nach einem Umzug nach Z... in den HSV A1... eingetreten. In der Folgezeit hätten beide dort Hundetrainings sowohl mit Vereinsmitgliedern als auch externen Personen (Privatkunden) durchgeführt. Der Beklagte habe über einen vereinseigenen Schlüsselbund verfügt, so dass er das Trainingsgelände sowie die Einrichtungen des Vereinsheims jederzeit habe nutzen können. Mit Frau M... sei ein Unkostenbeitrag für die Benutzung des Übungsplatzes i.H.v. 5 Euro für jeden privaten Kunden der Hundeschule vereinbart worden. Der Verein habe letztlich jedoch kein Geld erhalten. Nicht ermittelbar sei gewesen, ob Frau M... oder der Beklagte für diese Trainingsstunden Geld erhalten hätten.

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h) Seit März/April 2014 bis August 2014 seien der Beklagte und Frau M... regelmäßig zum Hundetraining beim SV B1... gewesen. Dem Verein sei bekannt gewesen, dass es sich bei dem Beklagten um einen Polizeibeamten gehandelt habe. In dieser Zeit sei der Beklagte erkrankt gewesen.

41

i) Im Zeitraum seiner Erkrankung habe er zudem vom 15. März 2014 bis 16. März 2014 gemeinsam mit Frau M... bei J1... einen Workshop „Funtrailing“ angeboten und durchgeführt.

42

j) Im Weitern habe er beim OG C1...e.V., VdH D1... und HSV E1... versucht, Seminare anzubieten.

43

Der Beklagte betreibe Hundesport ausschließlich im Bereich „Schutzdienst“. Diese Sportart sei für den Helfer körperlich und mental anstrengend. Er habe diese Tätigkeit trotz Erkrankung mehr oder minder täglich über mehrere Stunden, zum Teil bis spät in die Nacht hinein, ausgeführt.

44

Für die ausgeübte Nebentätigkeit habe der Beklagte keine Genehmigung besessen. Hierdurch habe er schuldhaft nicht nur formell, sondern infolge der Ausübung der Nebentätigkeit u.a. während Zeiten seiner angegebenen Krankheit auch in materieller Hinsicht gegen das für ihn geltende Nebentätigkeitsrecht, gleichzeitig gegen seine Hingabepflicht und seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten, insbesondere in Ausprägung der besonderen Wohlverhaltenspflicht der Polizeibeamten, verstoßen. Allein hierdurch habe der Beklagte bereits einen endgültigen Vertrauensbruch bewirkt.

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2. Leichtfertig Schulden gemacht zu haben

46

Der Beklagte mache bereits seit fast fünf Jahren leichtfertig Schulden und habe offensichtlich kein Interesse an einem geregelten Finanzgebaren.

47

Seit Mitte 2013 seien beim Beklagten 18 Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse eingegangen. Ab 2012 seien durch 18 Gläubiger insgesamt 25 Vollstreckungsbescheide für 18 Einzelforderungen erwirkt worden, wovon sich vier Fälle durch Zahlungen erledigt hätten. In einem Fall hätten sich der Beklagte und der Gläubiger auf eine Ratenzahlung geeinigt. Am 29. Juli 2013 sei ein Pfändungsversuch erfolglos verlaufen. In vier Fällen sei der Beklagte Terminen zur Abgabe einer Vermögensauskunft ohne Angabe von Gründen ferngeblieben. Insgesamt seien vier Haftbefehle durch das Amtsgericht B1... auf Abgabe einer Vermögensauskunft ergangen, in deren Folge der Beklagte am 11. Dezember 2013 von dem zuständigen Obergerichtsvollzieher für die Abgabe verhaftet worden sei. Fünf Zwangsvollstreckungsbescheide beruhten auf Forderungen für ärztliche Leistungen, die der Beklagte zumindest bei der Beihilfestelle nicht geltend gemacht habe, da er letztmals am 14. April 2011 einen Antrag auf Gewährung von Beihilfe gestellt habe. Das Gehalt des Beklagten sei bis auf das Existenzminimum i.H.v. 880 € gepfändet. Die Gesamtforderungen beliefen sich derzeit auf ca. 65.000 €, wobei bei dem Landesamt für Finanzen Ansprüche an dem Gehalt des Beklagten in Höhe von ca. 47.000 € gepfändet bzw. Ansprüche an dem Gehalt abgetreten seien.

48

Hierdurch habe der Beklagte außerdienstlich gegen seine Pflicht zu geordneter Wirtschaftsführung und damit gegen seine Achtungs- und Wohlverhaltenspflicht verstoßen. Er habe sich nicht lediglich als „schlechter Schuldner“ erwiesen, sondern er habe die berechtigten Gläubigerinteressen in einer über das bloße Nichterfüllen hinausgehenden Weise beeinträchtigt. Selbst nach Einleitung des Disziplinarverfahrens am 4. Dezember 2013 habe er es zu noch 14 weiteren Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen kommen lassen.

49

3. Anordnungen des Dienstherrn nicht befolgt und Unwahrheiten geäußert zu haben

50

a) Der Beklagte habe sich ohne Rechtfertigung einer amtsärztlichen Untersuchung über mehrere Monate entzogen und einen erforderlichen Anamnesebogen erst nach mehrmaligen Aufforderungen an die ZMU übersandt.

51

b) Einer Aufforderung seines Vorgesetzten, am 12. Februar 2014, 10:00 Uhr, zu einem Gespräch zu erscheinen, habe er nicht Folge geleistet und das Nichterscheinen mit einem tatsächlich nicht wahrgenommenen Arzttermin begründet.

52

c) Anlässlich der Übergabe der Disziplinarverfügung am 16. Februar 2014 sei der Beklagte aufgefordert worden, binnen drei Tagen in einem ihm zugeteilten Vorgang (Tgb.-Nr. F1...) noch dringend einen Bericht zu fertigen. Dieser Aufforderung sei er nicht nachgekommen.

53

d) Einen Erklärungsvordruck zum Familienzuschlag habe er trotz mehrmaliger Aufforderung bis zum heutigen Tag nicht vorgelegt.

54

Durch dieses Fehlverhalten habe der Beklagte gegen seine Pflicht zur vollen Hingabe sowie seine Gehorsamspflicht verstoßen. Außerdem habe nach § 81 Abs. 2 S. 2 LBG die Pflicht bestanden, sich der geforderten amtsärztlichen Untersuchung zeitnah zu unterziehen. Schließlich habe er durch die Äußerung von Unwahrheiten gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen.

55

4. Seine Erkrankung nicht bzw. nicht rechtzeitig angezeigt und entsprechende Atteste teils verspätet vorgelegt zu haben.

56

Der Beklagte habe seit seiner Erkrankung am 15. Dezember 2013 in der Regel ärztliche Krankmeldungen mit zum Teil mehrwöchiger Verspätung vorgelegt, bzw. er habe sich überhaupt nicht krank gemeldet. Nach Ablauf von Arbeitsunfähigkeitsfristen seien neue Arztbesuche häufig erst nach mehreren Wochen wahrgenommen worden.

57

Hierdurch habe er gegen seine Gehorsamspflicht i.V.m. § 81 S. 2 und S. 3 LBG verstoßen.

58

5. Durch das Gesundheitsamt für erforderlich gehaltene und durch den Dienstherrn angeordnete Therapiemaßnahmen nicht bzw. verspätet durchgeführt zu haben.

59

Nach anhaltender Erkrankung des Beklagten ab dem 15. Dezember 2013 sei der Beklagte am 27. März 2014 durch das Gesundheitsamt bei der Kreisverwaltung G1... untersucht worden. Mit Schreiben vom 10. April 2014 sei der Beklagte aufgefordert worden, Nachweise über die vom Gesundheitsamt für erforderlich erachteten Therapien zur Stabilisierung seines Gesundheitszustandes bis spätestens 25 April 2014 vorzulegen. Bescheinigungen seien jedoch trotz erneuter Anmahnung und Fristsetzung nicht vorgelegt worden. Erst nach Aufforderung vom 21. November 2014 sei die auch von der der ZMU mit Gutachten vom 22. Oktober 2014 für erforderlich erachtete weitere Behandlung durchgeführt worden, indem der Beklagte sich ab dem 8. Dezember 2014 in stationäre Behandlung in das ... in V... begeben habe.

60

Mit diesem Verhalten habe der Beklagte gegen seine Pflicht, seinem Dienstherrn die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und diese, im Falle der Einschränkung, bestmöglich wiederherzustellen, verstoßen. Darüber hinaus habe er seine Gehorsamspflicht verletzt.

61

6. Unberechtigt vertrauliche Daten einem Dritten zugänglich gemacht und dienstliche Unterlagen außerhalb dienstlicher Räume aufbewahrt zu haben

62

Im Rahmen einer Verkehrskontrolle am 9. Juli 2013 um 6:10 Uhr habe der Beklagte den Personalausweis einer kontrollierten Person mit seinem privaten Handy abfotografiert und das Foto seiner ehemaligen Lebensgefährtin per WhatsApp mit der Bemerkung: „Haben wir gerade kontrolliert.... Man beachte den Vornamen“, zugesandt.

63

Aufgrund dieses Sachverhalts sei derzeit bei der Staatsanwaltschaft J... ein Strafverfahren wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen gemäß § 203 StGB anhängig (Aktenzeichen: K...).

64

Im Rahmen der bei dem Beklagten am 23. April 2014 durchgeführten Durchsuchung seiner Privaträumlichkeiten sei ein Einsatzbefehl der PI J... vom 9. Februar 2013 aufgefunden worden. Auf dem Einsatzbefehl sei vermerkt: „VS- nur für den Dienstgebrauch“. Der Einsatzbefehl sei frei zugänglich für Dritte aufbewahrt gewesen.

65

Aufgrund dieses Verhaltens habe der Beklagte gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten sowie gegen seine Gehorsamspflicht verstoßen.

66

7. Einer Gerichtsverhandlung unentschuldigt ferngeblieben zu sein

67

Am 5. Februar 2014 seien mehrere Beamte der PI F..., darunter auch der Beklagte, in der Eigenschaft als Polizeibeamte als Zeugen im Strafverfahren ... zum Landgericht J... geladen gewesen. Der Beklagte sei jedoch zu dem Termin nicht erschienen.

68

Hierdurch habe er gegen seine Einsatzpflicht, seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten sowie seine besonderen Pflichten als Polizeibeamter verstoßen.

69

8. Am 9. Dezember 2013 unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben zu sein und gegenüber dem Vorgesetzten die Unwahrheit geäußert zu haben.

70

Am 9. Dezember 2013 sei der Beklagte nicht zum Dienst erschienen. Auf telefonische Nachfrage des Kollegen POK H1... habe der Beklagte wahrheitswidrig angegeben, dass ihm der Dienstgruppenleiter, PHK I1..., Dienstbefreiung genehmigt habe.

71

Der Beklagte habe gegen seine Dienstleistungspflicht nach § 81 Abs. 1 S. 1 LBG sowie seine Hingabepflicht verstoßen. Weiterhin habe er erneut seine Wahrheitspflicht verletzt.

72

Unter Berücksichtigung aller Umstände sowie der Schwere des Dienstvergehens sei von einer endgültigen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses auszugehen. Bereits die Ausübung der Nebentätigkeit über mehrere Jahre, teilweise auch während der längerfristig andauernden Erkrankung und während Kurzzeiterkrankungen, die Werbung mit seinem Polizeiberuf sowie der Umstand, dass die Erkrankung des Beklagten einer Vielzahl von Personen bekannt gewesen sei, rechtfertige die Verhängung der Höchstmaßnahme. Die übrigen Dienstpflichtverletzungen bestätigten, dass der Beamte sich derart weit vom Dienst entfernt habe, dass eine weitere dienstliche Verwendung bei der Polizei überhaupt nicht mehr möglich sei. Insbesondere sei sein nach wie vor uneinsichtiges Verhalten nach Einleitung und Ausdehnung des Disziplinarverfahrens belegt durch weiterhin eingegangene Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse sowie die Tatsache, dass aktuell für den Zeitraum vom 3. März 2015 bis 2. Juli 2015 abermals keine Krankmeldung vorliege. All dies indiziere seine Untragbarkeit im Dienst.

73

Der Kläger beantragt,

74

den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.

75

Der Beklagte beantragt,

76

die Klage abzuweisen.

77

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Beklagte sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen eingelassen.

78

Mit Beschluss vom 21. Januar 2016 wurde dem Beamten Prozesskostenhilfe mit monatlichen Ratenzahlungen bewilligt.

79

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie die Personal- und Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese lagen dem Gericht vor und waren ebenso wie die Gerichtsakte 3 O 609/14.TR Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

80

Der Beklagte hat sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht, das unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Umfangs, in dem der Beamte seine Pflichten verletzt und das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat, sowie unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes (§ 11 Landesdisziplinargesetz H2... vom 2. März 1998, GVBl S. 29, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juni 2013, GVBl S. 157, – LDG –) die Entfernung aus dem Dienst erforderlich macht (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 und 8 LDG). Aufgrund des eingetretenen irreparablen Vertrauensverlustes und der nicht wiedergutzumachenden Ansehensschädigung ist eine mildere disziplinarrechtliche Ahndung des Dienstvergehens nicht angezeigt.

81

Dabei ist das Gericht am Ausspruch der Disziplinarmaßnahme nicht durch die vom Verfahrensbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung in den Raum gestellte mögliche Beeinträchtigung der Verhandlungsfähigkeit des persönlich anwesenden Beklagten gehindert.

82

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt Verhandlungsunfähigkeit dann vor, wenn der Beamte nicht in der Lage ist, die Bedeutung des Disziplinarverfahrens und der einzelnen Verfahrensvorgänge zu erkennen und sich sachgemäß zu verteidigen. Verhandlungsfähigkeit des Beamten setzt allerdings nicht notwendig die Fähigkeit voraus, selbst Argumentations- und Verhandlungsstrategien zu entwickeln, weil dies in erster Linie Aufgabe eines Prozessbevollmächtigten ist (BVerwG, Urteil vom 12. September 2000 – 1 D 96.97 –, Beschluss vom 25. Januar 2001 – 1 D 31.99 –, juris). Um verhandlungsfähig zu sein, muss der Beamte in jeder Lage des Verfahrens im Stande sein, sich in verständiger Weise zu verteidigen. Dies erfordert sowohl die Fähigkeit, anderen verständlich zu machen, was vorgetragen werden soll, als auch diejenige, das in sich aufzunehmen und zu verstehen, was andere erklären (BVerwG, Beschlüsse vom 4. November 2003 – 1 D 8.02 und 12. Mai 2005 – 2 WD 34.04 –, juris).

83

Verhandlungsunfähigkeit begründet grundsätzlich noch kein Prozesshindernis, das einer Prüfung des disziplinarrechtlichen Vorwurfs eines Dienstvergehens in der Sache entgegensteht (§ 17 Abs. 1 LDG). Diesem, das Disziplinarverfahren tragenden Grundsatz liegt das öffentliche Interesse zu Grunde, die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und dessen hierfür erforderliches Ansehen zu wahren. Aufgrund dessen ist es dem Dienstherrn nicht von vornherein verwehrt, das grundsätzlich auf Lebenszeit angelegte Dienstverhältnis einseitig zu beenden, wenn der Beamte durch eigene Schuld vertrauensunwürdig und damit für den öffentlichen Dienst untragbar geworden ist. In prozessualer Hinsicht ist der Verhandlungsunfähigkeit nach Maßgabe der Prozessgesetze gegebenenfalls durch die Bestellung eines Prozesspflegers zu begegnen, um dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht des Beamten auf rechtliches Gehör und dem Gebot des fairen Verfahrens Rechnung zu tragen (BVerwG, Urteil vom 4. September 2009 – 2 C 80/08 -, juris).

84

Ob und inwieweit eine Verhandlungsunfähigkeit im Disziplinarverfahren prozessuale Bedeutung erlangt, kann nicht aufgrund allgemeingültiger Maßstäbe beantwortet werden, sondern hängt insbesondere von der Beweislage im Einzelfall ab. Das Recht auf rechtliches Gehör beinhaltet den Zugang des Beamten zu allen Quellen der Sachverhaltsermittlung. Er muss insbesondere in die Lage versetzt werden, rechtzeitig zu Inhalt und Aussagekraft aller potentiell belastenden Beweismittel, Erklärungen und Indizien Stellung zu nehmen, die den Prozessstoff des Disziplinarverfahrens bilden. Dazu gehört, dass der Beamte die Glaubwürdigkeit von Belastungszeugen und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen auf jede prozessual zulässige Art infrage stellen kann. Dies ist nur möglich, wenn er sich einen unmittelbaren Eindruck von den Zeugen verschaffen kann. (BVerwG, Beschluss vom 31. Oktober 2012 – 2 B 33/12 –, juris). Kann das Recht auf Beweisteilhabe auch nicht über einen Prozesspfleger bewältigt werden, etwa weil es um den Nachweis von Tatsachen geht, zu denen sich nur der Beamte selbst aufgrund seiner höchstpersönlichen Wahrnehmung des angeschuldigten Geschehens infolge unmittelbaren Erlebens äußern kann, wird die Verhandlungsunfähigkeit im Regelfall zu einem verfassungsrechtlich geforderten Maßnahmeverbot führen (BVerwG, Urteil vom 24. September 2009, a.a.O.).

85

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze bestehen vorliegend zunächst keine konkreten Anhaltspunkte, die für eine Verhandlungsunfähigkeit des Beklagten sprechen könnten, so dass das Gericht auch nach Amtsermittlungsgrundsätzen nicht gehalten ist, der Frage der Verhandlungsfähigkeit durch Einholung eines fachärztlichen Gutachtens nachzugehen. Eine die aktuelle Verhandlungsunfähigkeit auch nur nahelegende attestierende ärztliche Bescheinigung hat der Beklagte nicht vorgelegt. Die in der Vergangenheit vorgelegten ärztlichen Atteste, die beim Beklagten u.a. eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostizieren, verhalten sich ebenso nicht zur Frage einer daraus resultierenden Verhandlungsunfähigkeit. Der Bevollmächtigte des Beklagten hat auch weder im Vorfeld der Verhandlung noch in der Verhandlung selbst von der prozessualen Möglichkeit, bei aktueller Verhandlungsunfähigkeit eine Terminverlegung oder –aufhebung zu beantragen, Gebrauch gemacht.

86

Soweit der Verfahrensbevollmächtigte des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung auf eine Medikation des Beklagten hingewiesen hat, die möglicherweise Einfluss auf die Verhandlungsfähigkeit des Beamten haben könnte, handelt es sich um eine Mutmaßung, die im Laufe der Verhandlung aufgrund des persönlichen Eindrucks, den sich das Gericht von der Person des Beklagten verschaffen konnte, durch nichts bestätigt werden konnte. Auf Nachfrage war der Beklagte jeweils in der Lage, das gegen ihn vorliegende Belastungsmaterial durch entsprechende Einlassungen zu kommentieren und Vorhaltungen entgegen zu treten. Mithin war das Gericht auch nicht von Amts wegen gehalten, die Verhandlung zu vertagen.

87

Schließlich war nach den gegebenen Umständen die Feststellung eines objektiven Dienstvergehens im vorliegenden Einzelfall auch ohne Durchführung einer Beweisaufnahme und damit ohne wesentliche Mitwirkung des angeschuldigten Beamten allein aufgrund der Ermittlungen des Klägers im Disziplinarverfahren möglich, so dass sich eine Verhandlungsunfähigkeit auch nicht auf die dem Disziplinarmaß zugrunde zu legende Tatsachenfeststellung ausgewirkt hätte. Vorliegend hat der Beklagte sich zudem noch nach Erhebung der Disziplinarklage schriftlich per E-Mail vom 5. November 2015 umfassend zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen eingelassen und entlastende Gesichtspunkte vorgetragen, die in die Gesamtwürdigung des Gerichts mit einbezogen wurden, jedoch nicht geeignet waren, von der Höchstmaßnahme abzusehen.

88

In der Sache steht aufgrund der Ermittlungen im behördlichen Disziplinarverfahren und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung und des Inhalts der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Unterlagen fest, dass der Beklagte sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht hat. Nach § 47 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern vom 17. Juni 2008 (BGBl. I S. 1010) – BeamtStG - begehen Beamtinnen und Beamte ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes ist ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Zu den elementaren und im Interesse der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes unabdingbaren beamtenrechtlichen Verhaltensgeboten gehört die sich aus § 34 S. 1 BeamtStG ergebende Pflicht des Beamten, sich mit vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf zu widmen, wozu die Dienstleistungspflicht und die Pflicht gehört, zur Wiederherstellung einer beeinträchtigten Arbeitskraft infolge Erkrankung, die notwendigen Maßnahmen zur Genesung zu ergreifen. Nach S. 3 dieser Vorschrift muss ferner das Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Hierzu zählt insbesondere die Pflicht zu gesetzmäßigem Verhalten. Eine besondere Ausprägung entfaltet diese Pflicht nach § 115 Landesbeamtengesetzes vom 20. Oktober 2010 (GVBl S. 319), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Oktober 2013 (GVBl S. 359), – LBG – für Beamte im Polizeidienst.

89

Nach § 83 Abs. 1 LBG bedarf der Beamte zur Übernahme jeder Nebentätigkeit der vorherigen Genehmigung des Dienstherrn. Darüber hinaus ist der Beamte verpflichtet, dienstliche Anordnungen der Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen (§ 35 S. 2 BeamtStG). Gegen diese Dienstpflichten hat der Beklagte über einen langen Zeitraum in unterschiedlicher Ausprägung und mit einer derartigen Beharrlichkeit verstoßen (I.), dass dem Dienstherrn eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beamten nicht mehr zuzumuten ist. Der Beamte hat sich für den öffentlichen Dienst als untragbar erwiesen (II.). Gründe, die geeignet wären, im Einzelfall von der Verhängung der Höchstmaßnahme abzusehen, hat der Beamte nicht geltend gemacht und sind nach den gegebenen Umständen auch nicht ersichtlich.

I.

90

Dieser Würdigung legt das erkennende Gericht folgenden Sachverhalt zu Grunde:

91

1. Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit in der Zeit ab November 2011 bis Ende 2014

92

Auf die ehemalige Lebensgefährtin des Beklagten, Frau M..., war seit dem 30. August 2012 unter der gemeinsamen Wohnadresse ein Gewerbe für Hundesporttätigkeiten, Verkauf von Hundezubehör und Hundefutter angemeldet. Auf der Internetseite der Hundeschule O... präsentierte sich bildlich sowie textlich neben Frau M... auch der Beklagte. Gemeinsam mit Frau M... hat der Beklagte bei zahlreichen Hundesportvereinen regelmäßig als Trainer gearbeitet und auch Unterordnungs- und Schutzdiensttrainingsseminare gegen Entgelt oder geldwerte Vorteile veranstaltet bzw. durchgeführt. Ferner hat er Akquise bei zahlreichen, auch weiter entfernten Hundesportvereinen betrieben, um in diesem Gewerbe Fuß zu fassen:

93

a) Beim HSZ P... hielt der Beklagte sich gemeinsam mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin ab Ende 2011 regelmäßig zum Training auf dem Vereinsgelände auf. Am 1. November 2011 hat der Beklagte gemeinsam mit Frau M... ein Unterordnungs- und Schutzdiensttraining veranstaltet. An dem Seminar haben etwa 8 bis 10 Personen teilgenommen. Der Beklagte hat den Bereich Schutzdienst geleitet. Das Entgelt pro Teilnehmer i.H.v. 40 bzw. 15 € (mit oder ohne Hund) ist beiden Referenten ausbezahlt worden. Das Geld ist jedoch größtenteils vom Beklagten vereinnahmt worden.

94

Ansonsten hat der Beklagte dort seit Ende 2011 bis Mitte 2013 zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin zu festen Trainingszeiten, d.h. freitags, samstags und sonntags entsprechende Übungsstunden angeboten. Frau M... hat überwiegend theoretische Anweisungen erteilt, während der Beamte die praktischen Übungen ausgeführt bzw. geleitet hat. Er hat hierfür auch über die erforderliche Schutzbekleidung verfügt. Das Training hat regelmäßig stattgefunden und hat von 17:00 Uhr bis ca. 2:00/3:00 Uhr nachts gedauert. Insgesamt hat er einen Personenkreis von etwa 20 Personen mehr oder weniger regelmäßig trainiert. Bei den Teilnehmern handelte es sich um Freunde und Bekannte des Beklagten und seiner ehemaligen Lebensgefährtin oder um Vereinsmitglieder des HSV P... Dabei hat sich der Beklagte wahrheitswidrig als polizeilicher Diensthundeführer ausgegeben. Erst auf Intervention der Vereinsvorsitzenden, der Zeugin Q..., hat er dies unterlassen. U.a. diese hat sich über die längeren Abwesenheitszeiten des Beklagten von der Dienststelle gewundert.

95

b) Ein Seminar beim HSV R... vom 13. Januar bis 15. Januar 2012 hat der Beklagte selbstständig geleitet. An dem Seminar haben 14 Personen teilgenommen. Die Seminargebühr i.H.v. 530 € ist gegen Quittungsbeleg in bar an die Referenten übergeben worden. Der Beleg ist von Frau M... unterzeichnet, das Geld jedoch größtenteils vom Beklagten vereinnahmt worden. Frau M... hat lediglich einen geringen Anteil erhalten.

96

Beide sind im Übrigen wiederholt auf dem Vereinsgelände anwesend gewesen und haben dort mit ihren Hunden privat trainiert. Es ist bekannt gewesen, dass der Beklagte Polizeibeamter ist. Zudem ist beabsichtigt gewesen, für den Verein längerfristig als Schutzdiensthelfer zu arbeiten.

97

c) Der Beklagte hat beim HSV U... am 2./3. Juni 2012, obwohl er an diesen beiden Tagen erkrankt war, gemeinsam mit Frau M... ein Unterordnungs- und Schutzdiensttraining durchgeführt. Er hat eigenständig den Bereich „Schutzdienst“ geleitet. Zu dem Seminar waren 8 bis 10 Personen angemeldet gewesen. Die Teilnahmegebühr hat pro Person 60 bzw. 30 € (mit bzw. ohne Hund) betragen. Die Gebühr ist vom Verein eingesammelt und an Frau M... bzw. den Beklagten nach Beendigung des Seminars in bar ausbezahlt worden. Der Verein hat hiervon jeweils zehn Euro pro Teilnehmer als Unkostenbeitrag einbehalten. Während des Seminars haben beide in ihrem mitgeführten Wohnwagen übernachtet. Sie haben kostenfrei die Einrichtungen des Vereinsheimes (Bad, Küche etc.) benutzen können. Dem Verein war bekannt, dass es sich bei dem Beklagten um einen Polizeibeamten handelt.

98

d) Im März und April 2013 und 2014 hat der Beklagte mit Mitgliedern des Hundesportvereins V... im Vorfeld einer Prüfung für die Landesgruppenausscheidung Pinscher–Schnauzer den Schutzdienst trainiert. Der Zeitaufwand hierfür hat 5 bis 6 komplette Arbeitstage betragen. Als Gegenleistung ist der Beklagte vom Verein kostenlos mit Essen und Trinken versorgt worden. In den Monaten März bis April 2013 als auch in den Monaten März bis April 2014 war der Beklagte erkrankt.

99

Darüber hinaus hat er versucht, weitere Kurse gegen Entgelt anzubieten. Frau M... hat dem Verein auch handschriftliche Angebote offeriert.

100

Im Juni/Juli 2013 hat der Beklagte für den Vereinsvorsitzenden, Herrn W..., einen Riesen-Schnauzer begutachtet. Hierzu waren mehrere Fahrten in den Raum X... erforderlich. Als Aufwandsentschädigung für die Fahrtkosten ist dem Beklagte ein Betrag i.H.v. 100 € gezahlt und die Verpflegungskosten sind übernommen worden.

101

e) In der Zeit von April bis Dezember 2014 waren der Beklagte und seine ehemalige Lebensgefährtin Mitglieder im Hundesportverein A1... In der gleichen Zeit, d.h. seit März/April 2014 und damit wesentlich in der Zeit der langfristigen Erkrankungsphase des Beklagten, waren beide regelmäßig zum Hundetraining beim SV B1... Der Beklagte hat dort für den Verein als Trainer im Schutzdienst gearbeitet und mit Vereinsmitgliedern an den ständigen Trainingstagen (mittwochs, samstags und sonntags) regelmäßig Schutzdienst trainiert. Darüber hinaus war er auch an Montagabenden zum privaten Training auf dem dortigen Übungsplatz. Dem Verein war bekannt, dass es sich bei dem Beklagten um einen Polizeibeamten handelt.

102

f) Im Zeitraum vom 15. März 2014 bis 16. März 2014, d.h. ebenfalls während der Erkrankung des Beklagten, hat dieser gemeinsam mit Frau M... bei J1... einen Workshop „Funtrailing“ durchgeführt bzw. geleitet. Er war über die gesamte Zeit des Workshops anwesend und hat die Teilnehmer und die Hunde in gleichem Maße betreut wie Frau M...

103

g) Darüber hinaus hat der Beklagte versucht, bei den Vereinen OG C1...e.V. und VdH D1... Seminare für das Schutzdiensttraining anzubieten. Die Vereine hatten jedoch kein Interesse.

104

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Ermittlungen im behördlichen Disziplinarverfahren, u.a. durch Vernehmung der Zeugen K1..., M..., Q..., W..., L1..., M1..., N1...und O1... Im Übrigen hat der Beklagte selbst im Disziplinarverfahren eingeräumt, gemeinsam mit Frau M... die Seminare in P... und beim HSV R... sowie den Workshop in J1... abgehalten zu haben. Darüber hinaus bestätigte der Beklagte die angebotenen Trainingszeiten beim HSZ P..., beim Hundesportverein V..., beim Schäferhundeverein OG B1... sowie die Begutachtung eines Riesenschnauzers für den Zeugen W...

105

Durch seine Betätigung im Bereich des „Hundetrainings“ hat der Beklagte eine ungenehmigte Nebentätigkeit ausgeübt. Nach § 83 Abs. 1 LBG bedarf der Beamte zur Übernahme jeder Nebentätigkeit, mit Ausnahme der in § 84 Abs. 1 LBG genannten und für solche, zu deren Wahrnehmung er verpflichtet ist (§ 82 Abs. 1 LBG), einer Genehmigung. Eine Genehmigung hat der Beklagte zu keinem Zeitpunkt beantragt.

106

Von der Notwendigkeit einer Genehmigung war vorliegend auch nicht aus dem Grund abzusehen, dass die Tätigkeiten des Beklagten unter den Begriff der Freizeitgestaltung und nicht unter den der Nebentätigkeit zu subsumieren sind. Die Abgrenzung zwischen einer Hobbybetätigung und einer Nebentätigkeit bewegt sich im Spannungsfeld der von Art. 2 des Grundgesetzes – GG - geschützten Freizeitgestaltung einerseits und der Frage, wann eine genehmigungspflichtige, insbesondere gewerbliche Nebentätigkeit, die dem Regelungsgehalt des Art. 33 Abs. 5 GG unterfällt, vorliegt. Die maßgeblichen Vorschriften des Beamtenrechts sowie die Nebentätigkeitsverordnung beantworten die hier streitige Frage nicht. § 82 Abs. 1 LBG definiert als Nebentätigkeit das Nebenamt und die Nebenbeschäftigung. Aus § 83 Abs. 1 LBG ergibt sich, dass eine gewerbliche Tätigkeit, selbst dann, wenn sie unentgeltlich ausgeübt wird, nicht genehmigungsfrei ist. Nach § 3 Abs. 3 Nebentätigkeitsverordnung vom 2. Februar 1987 (GVBl 1987, 31) – NebVO - ist Nebenbeschäftigung jede nicht zu einem Haupt- oder Nebenamt gehörende Tätigkeit innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes. Eine weitergehende Abgrenzung zur hier relevanten Hobbybetätigung enthält das Gesetz nicht. Daher ist ergänzend auf Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Vorschriften abzustellen. Danach muss eine Nebentätigkeit im beamtenrechtlichen Sinne eine gewisse Parallelität zum Beamtendienst aufweisen, die typischerweise im Erwerbsstreben zu sehen ist. Eine Nebentätigkeit liegt demnach grundsätzlich bei einer wirtschaftlichen Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht vor, wobei egal ist, ob auch tatsächlich nach Abzug der Kosten ein Gewinn erzielt wird (BVerwG, Urteil vom 1. Januar 2007 – 1 D 16/05 -, OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Februar 2002 – 3 A11578/01. OVG –, Beschluss vom 6. April 2009 – 3 B 10160/09.OVG – ; VG Trier, Urteil vom 10. November 2009 – 3 K 361/09 -, juris ). Zum nebentätigkeitsrechtlich unbeachtlichen Freizeitverhalten zählen etwa das Familienleben, nicht berufsmäßig betriebener Sport oder z.B. Aktivitäten beim Hausbau oder unvergütete Mitgliedschaften in Vereinen, Verbänden und politischen Parteien. Wesentlich bleibt damit darauf abzustellen, ob die Tätigkeit auf Erwerb gerichtet oder wirtschaftlich bedeutsam ist, oder ob sie den Beamten erheblich in Anspruch nimmt (HessVGH, Urteil vom 24. September 2003 – 1 UE 783/02 – m.w.N., juris). Für die Einordnung als – gewerbliche – Nebentätigkeit spricht dabei insbesondere, wenn die Betätigung auf Dauer angelegt ist, mit einer gewissen auf Erwerb ausgerichteten Struktur erfolgt und dieses durch ein entsprechendes Auftreten nach außen dokumentiert wird. Von einer gewerblichen Nebentätigkeit wird in der Regel dann auszugehen sein, wenn erkennbar allmählich ein Zweitberuf aufgebaut werden soll (vgl. VG Koblenz, Urteil vom 20. November 2001 – 6 K 1546/01.KO –; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. März 2002 – 2 A 10067/02 –).

107

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze bedürfen die dem Beklagten vorgehaltenen Betätigungen, die auf den ersten Blick unter den Begriff des “Hundesports“ fallen, in nebentätigkeitsrechtlicher Hinsicht einer differenzierenden Betrachtung. Keinesfalls schließt diese Kategorisierung jedoch – wie vom Beklagten behauptet – das Vorliegen einer genehmigungspflichtigen Nebentätigkeit von vornherein aus. Ausgangspunkt der Betrachtung ist, dass die ehemalige Lebensgefährtin des Beklagten selbstständig eine Hundeschule und damit ein Gewerbe betrieben hat, in dem der Beklagte – zumindest unterstützend – tätig gewesen ist. Dies ergibt sich nicht nur aus der dargestellten Internetpräsenz sondern auch aus der unstreitigen Tatsache, dass der Beklagte gemeinsam mit der ehemaligen Lebensgefährtin in einer Vielzahl von Vereinen, in denen sie nicht Mitglieder waren, zu festen Zeiten Trainingseinheiten für Vereinsmitglieder und auch Externe sowie Seminare gegen Entgelt angeboten hat. Hiervon zu unterscheiden waren nach Aussagen der Zeugen Zeiten, zu denen sich der Beklagte ausschließlich zum privaten Training auf den jeweiligen Übungsplätzen aufgehalten hat. Bereits den Trainingseinheiten war eine auf Dauer und Regelmäßigkeit ausgelegte Struktur immanent, die einem gewerbsmäßig geführten Betrieb nahe kommt. Diese Trainingszeiten haben den Beklagten auch zeitlich vergleichbar einer regelmäßig ausgeübten Beschäftigung an festen Wochentagen und über mehrere Stunden in Anspruch genommen (HSZ P1..., regelmäßige Trainingszeiten: freitags, samstags und sonntags von 17:00 Uhr bis ca. 2/3:00 Uhr nachts, 5-6 komplette Arbeitstage für die Vorbereitung der Mitglieder des Hundesportvereins V... auf den Landesgruppenausscheid Pinscher – Schnauzer, regelmäßige Trainingszeiten beim Schäferhundeverein OG B1...: mittwochs samstags und sonntags sowie die mehrtägigen Seminare). Zudem verfügte der Beklagte über die für das angebotene Schutzdiensttraining erforderliche Ausrüstung.

108

Zwar konnte eine Vergütung dieser Tätigkeiten in Geld oder zumindest geldwerten Vorteilen nicht in jedem Einzelfall nachgewiesen werden, jedoch wird dieser Umstand dadurch kompensiert, dass die Trainingseinheiten in der Gesamtschau der außerdienstlichen Beschäftigung des Beklagten darauf ausgerichtet waren, in den jeweiligen Vereinen zumindest zunächst einmal Fuß zu fassen, sich den Vereinsvorständen und Mitgliedern – sei es auch durch Begutachtung eines Hundes im Falle einer Kaufabsicht – als Fachmann vorzustellen, um sodann dort auch entgeltliche Unterordnungs- und Schutzdiensttrainingsseminare anbieten zu können. Dass eine solche Anbahnungsabsicht bestand, ergibt sich unschwer daraus, dass der Beklagte an verschiedene Vereine gezielt mit dem Anliegen, dort Schutzdiensttrainingseinheiten anbieten zu können, herangetreten ist, tatsächlich Seminare u.a. in verschiedenen Vereinen durchgeführt wurden, der Beklagte in den Vereinen gezielt das Schutzdiensttraining für sich beansprucht hat, obwohl hierfür Trainer zur Verfügung standen, und nicht zuletzt daraus, dass der Beklagte unter erheblichen finanziellen Problemen gelitten hat, wie sich unter anderem auch aus den disziplinarrechtlichen Ermittlungen ergibt, und er – wie von ihm eingeräumt - nach einer weiteren Einnahmequelle gesucht hat.

109

Dass die Beschäftigung darüber hinaus – wie von ihm geltend gemacht - auch dem persönlichen Training seiner eigenen Hunde gedient hat, lässt den Charakter einer beachtlichen Nebentätigkeit nicht entfallen, da diesem Umstand lediglich eine untergeordnete Bedeutung zukommt, wie beispielsweise die Aussage des Zeugen N1...(Blatt 364ff der Disziplinarakte) belegt. Dieser konnte angeben, dass der Beklagte im Laufe der festen Trainingszeiten mittwochs, samstags und sonntags, an denen der Beklagte zunächst nur als normaler Teilnehmer anwesend war, über mehrere Stunden sukzessive fast das gesamte Schutzdiensttraining übernommen hat, was letztlich auch zu Unstimmigkeiten in dem Verein führte. Unbeachtet lässt das erkennende Gericht in Anbetracht der Hobbyinteressen des Beklagten jedoch seine Aktivitäten in dem Hundesportverein A1..., in den er im Frühjahr 2014 gemeinsam mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin als Mitglied eingetreten ist. Ebenso nicht berücksichtigt wird der Vorwurf, in der Hundeschule in S... tätig gewesen zu sein, da der Kläger eigenen Ausführungen zufolge davon ausgeht, dass der Beklagte Frau M... zu diesen Trainings lediglich begleitet habe, ohne selbst aktiv gewesen zu sein. Schließlich sieht es das Gericht unter Berücksichtigung der hierzu durchgeführten Ermittlungen nicht als erwiesen an, dass der Beklagte im Schäferhundeverein Y... aktiv tätig geworden ist. Insgesamt gesehen lässt dieser Umstand den Vorwurf der Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit jedoch nicht entfallen.

110

Der Beklagte hat die von ihm ausgeübte Tätigkeit weder angezeigt noch hierfür die Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung beantragt. Damit hat er nicht nur formal, sondern auch in materieller Hinsicht gegen das Nebentätigkeitsrecht verstoßen. Die Nebentätigkeit war materiell – rechtlich nicht genehmigungsfähig. Nach § 83 Abs. 2 LBG ist die Genehmigung zu versagen, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Der Begriff der dienstlichen Interessen ist verwaltungsgerichtlich voll nachprüfbar und durch die Aufzählung wesentlicher Versagungsgründe in § 83 Abs. 2 S. 2 LBG konkretisiert, ohne abschließend zu sein, wie es sich aus der Verwendung des Begriffs „insbesondere“ ergibt.

111

Nach § 83 Abs. 2 Nr. 1 LBG ist eine Nebentätigkeitsgenehmigung zu versagen, wenn die Tätigkeit des Beamten nach Art und Umfang so stark in Anspruch nimmt, dass die ordnungsgemäße Erfüllung der dienstlichen Pflichten behindert werden kann. Diese Voraussetzung ist in der Regel erfüllt, wenn die zeitliche Beanspruchung durch die genehmigungs- und anzeigepflichtige Nebentätigkeit 8 Stunden in der Woche bzw. ein Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit überschreitet. Dies war vorliegend unter Berücksichtigung der regelmäßigen Trainingszeiten in den Vereinen HSZ P1... ab November 2011 bis Anfang/Mitte 2013, Schäferhundeverein OG B1... in der Zeit von März bis August 2014 sowie den darüber hinaus angebotenen Vorbereitungstrainings für Prüfungen und den durchgeführten mehrtägigen Seminaren der Fall.

112

Daneben ist nach § 83 Abs. 2 Nr. 5 LBG eine Nebentätigkeit auch dann zu unterbinden, wenn die Tätigkeit dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich sein kann. Insoweit ist relevant, ob die Tätigkeit des Betreffenden geeignet ist, aus der Sicht eines objektiven Dritten dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung zu schaden. Von der Öffentlichkeit kann kein Verständnis dafür erwartet werden, dass ein Beamter nicht nur ungenehmigt außerdienstliche Nebentätigkeiten ausübt und hierdurch den Anschein erweckt, er sei in seinem Hauptberuf nicht ausgelastet, sondern diese auch in Zeiten wahrnimmt, in denen er andererseits nicht in der Lage ist, seinen alimentierten Pflichten als Beamter nachzukommen. Wie die Ermittlungen im Disziplinarverfahren belegen, hat der Beklagte seine Nebentätigkeit in einer Vielzahl von Fällen in Zeiten kurzfristiger Erkrankungen aber auch durchgängig in der Zeit ab dem 15. Dezember 2013, dem Beginn seiner nach wie vor andauernden Dauererkrankung, ausgeübt. Während Zeiten der Erkrankung hat sich der Beamte aller Tätigkeiten zu enthalten, die auch nur im Ansatz den Eindruck erwecken könnten, der Beamte werde zu Unrecht voll alimentiert oder, dass eine Erkrankung tatsächlich nicht vorliegt.

113

Diese zu unterbindende Gefahr der Ansehensbeeinträchtigung bestand unzweifelhaft im Fall des Beklagten mit seinem außenwirksamen Auftreten. Einer Vielzahl von Zeugen war nicht nur der Umstand seines Beamtenstatus sondern auch seiner Erkrankung bekannt. Seine umfangreiche Beschäftigung in den Vereinen wurde demzufolge teilweise bereits mit Unverständnis zur Kenntnis genommen (Zeugen Q... und W...), so dass sich die geschilderte Gefahr, die durch das Erfordernis der Genehmigung zu verhindern gilt, auch realisiert hat.

114

Der Verstoß gegen das formelle und materielle Nebentätigkeitsrecht – insbesondere wegen des Verstoßes gegen § 83 Abs. 2 Nr. 5 LBG - indiziert zugleich einen Verstoß gegen die beamtenrechtliche Pflicht des Beklagten, sich mit vollem persönlichen Einsatz nach § 34 S. 1 BeamtStG seinem Beruf zu widmen. Im Beamtenverhältnis als öffentlich–rechtliches Dienst- und Treueverhältnis werden die Beteiligten umfassend in Anspruch genommen. Einerseits ist der Beamte verpflichtet, sich seinem Beruf hinzugeben und von daher seine Arbeitskraft grundsätzlich voll dem Dienstherrn zu widmen. Im Gegenzug ist der Dienstherr verpflichtet, dem Beamten in Gestalt von Dienst- und Versorgungsbezügen eine angemessene Alimentation zu leisten. Ausgehend hiervon steht dem Dienstherrn – gewährleistet durch die Vorschriften des Nebentätigkeitsrechts – eine Prüfungs- und Entscheidungsmöglichkeit zu, wenn ein Beamter durch eine nicht dienstlich veranlasste Nebentätigkeit seine Arbeitskraft auch außerhalb des beruflichen Pflichtenkreises nutzbar machen will. Diesem Interesse dient die Notwendigkeit der Zustimmung des Dienstherrn zu der beabsichtigten Tätigkeit; der Dienstherr soll in dem berechtigten Interesse an einer vollwertigen, nicht durch anderweitige Verausgabung der körperlichen oder psychischen Arbeitskraft beeinträchtigten Dienstleistung des Beamten geschützt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1990, BVerwGE 84, 299 ff; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Januar 2002 – 3 A11578/01.OVG). Dies schließt das berechtigte Interesse des Dienstherrn mit ein, dass der Beamte im Fall einer Dienstunfähigkeit seine Kräfte auf eine nachhaltige Genesung verwendet und den Gesundungsprozess nicht durch eine Nebentätigkeit behindert oder verzögert. In einer derartigen Situation muss der Beamte auf die Wahrnehmung außerdienstlicher Tätigkeiten verzichten, ohne dass es eines konkreten medizinischen Nachweises bedarf, dass die ausgeübte Nebentätigkeit den Gesundungsprozess des Beamten behindert oder verzögert. Das entscheidende disziplinarische Gewicht erhält die Nebentätigkeit allein dadurch, dass der Beamte die Nebentätigkeit in einer Zeit ausübt, in der er krankgeschrieben ist und seine Kräfte nicht schont, sondern sie zu eigenen Erwerbszwecken einsetzt (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 1999, BVerwGE 113,337; Beschluss vom 17. Juli 2013 – 2 B 27/12; Sächs. OVG, Urteil vom 20. Oktober 2014 – D 6 B 403/13 –, juris).

115

Gegen diese Interessenlage hat der Beklagte vehement verstoßen. Insbesondere war er nicht berechtigt, sich in einem Akt therapeutischer Selbsthilfe eigenmächtig über die Bestimmungen des Nebentätigkeitsrechts hinwegzusetzen und hierdurch das Ansehen seines Dienstherrn in der Öffentlichkeit zu schädigen. Von daher kann der Beklagte kein Gehör damit finden, dass ihm seine Erkrankung so zugesetzt habe, dass er einerseits nicht in der Lage gewesen sei, Dinge des täglichen Lebens zu organisieren, und er andererseits – quasi zu therapeutischen Zwecken – auf die Beschäftigung mit seinen Hunden angewiesen gewesen sei. Der Beklagte wurde im Zeitraum seiner Dauererkrankung – wie noch aufzuzeigen sein wird - zu Gesprächen und amtsärztlichen Untersuchungen aufgefordert. Ihm wurden Therapien aufgegeben, denen er sich - zumindest zeitweise – bewusst verschlossen hat. In dieser Lage wäre er umso mehr verpflichtet gewesen, seinem Dienstherrn die zeitintensive Beschäftigung mit Hunden offenzulegen und um eine entsprechende Genehmigung seiner Nebentätigkeit nachzusuchen, um dem Dienstherrn im Interesse der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes die Möglichkeit einer Steuerung zu geben.

116

Gleichfalls hat der Beklagte seine Gehorsamspflicht (§ 35 S. 2 BeamtStG) sowie seine Pflicht, sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes so auszurichten, dass es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert (§ 34 S. 3 BeamtStG), verletzt. Ein Beamter, der die für ihn geltende nebentätigkeitsrechtliche Rechtslage aus eigennützigen Motiven außer Acht lässt, verstößt gegen dieses Gebot. Dies gilt umso mehr, wenn der Beamte seiner angezeigten Krankheit zum Trotz nach außen sichtbar Tätigkeiten ausübt, die von der Allgemeinheit als Arbeitsleistung aufgefasst werden können, wie bereits ausgeführt.

117

Hinsichtlich der vorgenannten Pflichtenverstöße ist dem Beklagten Vorsatz insofern vorzuhalten, als er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin im November 2011 in P..., vom 13. Januar bis 15. Januar 2012 in R..., am 2. und 3. Juni 2012 beim HSV U... und am 15. und 16. März 2014 in J1... Seminare gegen Entgelt abgehalten hat. Dem Beklagten war bekannt, dass er zur Ausübung einer derartigen unzweifelhaft als „Nebentätigkeit“ zu qualifizierende Beschäftigung der vorherigen Genehmigung bedarf. Über diese Obliegenheit hat er sich bewusst hinweggesetzt.

118

Soweit er im Übrigen in einer Vielzahl von Vereinen unter Erbringung eines erheblichen Zeitaufwandes Trainingseinheiten geleitet hat, geschah dies in der Absicht, in den jeweiligen Vereinen Fuß zu fassen, um auch dort auf Dauer als Trainer eingesetzt zu werden mit der Möglichkeit, hier entsprechende Seminare gegen Entgelt anbieten zu können. Dass er auch damit gegen das Nebentätigkeitsrecht verstößt, hätte sich dem Beklagten bei gehörigem Einsatz seiner Erkenntniskräfte erschließen müssen, so dass ihm insoweit grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Wäre er seiner Pflicht, zur Einholung einer Nebentätigkeitsgenehmigung für die o.g. Tätigkeiten nachgekommen, hätte in diesem Zusammenhang auch geklärt werden können, inwieweit nicht nur generell Trainertätigkeiten in dem hier ausgeübten Umfang genehmigungsfrei sind, sondern es hätte insbesondere zudem die Frage nach der Genehmigungspflicht von geschäftsanbahnendem Verhalten geklärt werden können. Da er all dies unterlassen hat, hat er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet gelassen, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Es liegt ein unentschuldbares Fehlverhalten vor, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (VGH Mannheim, Urteil vom 19. Februar 1991 – 4 S 2895/90 –; BGH, Urteil vom 29 Januar 2003 – IV ZR 173/01 –, Urteil vom 8. Juli 1992 – IV ZR 223/91 –, juris)

119

2. Pflichtwidrige Schuldenwirtschaft

120

Der Beklagte hat eine pflichtwidrige Schuldenwirtschaft an den Tag gelegt. Dabei sind Gegenstand des disziplinarrechtlichen Vorwurfs ausschließlich die Tatsachen, die Gegenstand der Einleitungs- und der Ausdehnungsverfügungen sowie des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen waren:

121

a) Forderungssache Frau Rechtsanwältin Q1..., Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 17. Juli 2013 – 1M 505/13 – i.H.v. 1076,91 €,

122

b) Forderungssache Rechtsanwälte R1..., ..., Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 8. August 2013 – 1444–11/HM/sch; und 1M 1038/13 – i.H.v. 3710,42 € und 618,00 € und Kosten i.H.v. 153,66 €,

123

c) Forderungssache Oberfinanzdirektion ..., ..., Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 15. Oktober 2013 – 1644803749600 in Höhe von 2584,94 €,

124

d) Forderungssache ... GmbH, Rechtsanwälte S1..., ..., Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 14. November 2013 – 1M 1494/13 i.H.v. 220,27 €,

125

e) Forderungssache Dr. med. ..., Rechtsanwälte T1..., ..., Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 20. Dezember 2013 – 1M 1740/13 – i.H.v. 324,35 € zuzüglich Zinsen,

126

f) Forderungssache Tierärztliche Verrechnungsstelle, U1..., Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 27. Januar 2014, 1M 48/14 i.H.v. 732,28 € zuzüglich Zinsen,

127

g) Rechtsanwälte ..., T..., Forderungssache Dr. med. ..., Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 28. Januar 2014 – 1M 59/14 i.H.v. 441,00 € zuzüglich Zinsen,

128

h) Forderungssache Stadtverwaltung B1..., Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 3. Februar 2014 – 143; FAD 88497 i.H.v. 298,34 € zuzüglich Zinsen,

129

i) Forderungssache Finanzamt B1... Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 6. März 2014 – 713/WILL–LY113/6 – i.H.v. 207,96 €,

130

j) Forderungssache Rechtsanwalt V1..., Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 3. April 2014 – 1M 358/14 – i.H.v. 430,79 € zuzüglich Zinsen,

131

k) Forderungssache Privatärztliche Verrechnungsstelle, Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 18. Juli 2014 – 1M 848/14 – i.H.v. 368,60 € zuzüglich Zinsen,

132

l) Forderungssache Prof. Dr. W1..., Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 18. Juli 2014 – 1M 849/14 – i.H.v. 371,62 € zuzüglich Zinsen,

133

m) Forderungssache G..., Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 18. Juni 2014 – 1M 751/14 – i.H.v. 762,70 € zuzüglich Zinsen,

134

n) Forderungssache Kreisverwaltung X1..., Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 12. August 2014 – 03–2113–40421 – i.H.v. 53,91 € zuzüglich Zinsen,

135

o) Forderungssache Sparkasse Y1..., Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 26. August 2014 – 1M 1095/14 – i.H.v. 12.999,02 € zuzüglich Zinsen,

136

p) Forderungssache Z1..., Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 3. September 2014 – 1M 1125/14 i.H.v. 823,38 € zuzüglich Zinsen und

137

q) Forderungssache G..., Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 10. November 2014 – 22M 2479/14 – i.H.v. 380,67 € zuzüglich Zinsen.

138

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Ermittlungen des Klägers im behördlichen Disziplinarverfahren und wird vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.

139

Indem der Beklagte in den oben genannten Fällen Zahlungsverpflichtungen nicht eingehalten hat, so dass seine Gläubiger Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse haben erwirken bzw. Vollstreckungsersuchen haben abgeben müssen, hat der Beklagte seine außerdienstliche Pflicht zu geordneter Wirtschaftsführung und damit gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nach § 34 Abs. 1 S. 3 BeamtStG LBG verstoßen. Zwar kann ein Beamter grundsätzlich – wie jeder andere Bürger – Schulden machen, ohne dass seine beamtenrechtlichen Pflichten davon betroffen werden. Dienstvergehensqualität erhält ein Verhalten in diesem Zusammenhang erst dann, wenn der Leichtfertigkeit der Eingehung einer Verpflichtung eine Abwicklungsstörung folgt, die nach den Umständen vorhersehbar ist, wenn sich der Beamte beim Eingehen oder Abwickeln der Verbindlichkeiten unlauter oder unredlich verhält oder wenn er seine Schulden nicht mit der ihm möglichen, gebotenen und zumutbaren Sorgfalt tilgt und dadurch die Gefahr gerichtlicher Maßnahmen gegen ihn heraufbeschwört (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1995 – 1 D 66/94 –, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23. November 1990, 3 A 11324/90.OVG).

140

Unter dieser Prämisse hat der Beklagte zumindest im Rahmen der Abwicklung seiner Verbindlichkeiten ein pflichtwidriges Verhalten an den Tag gelegt. Als offensichtlich zahlungsunfähiger Beamter hat er Mahnungen der Gläubiger unbeantwortet gelassen und diese in ein Pfändungs- und gerichtliches Mahnverfahren gedrängt. Am 29. Juli 2013 verlief ein Pfändungsversuch erfolglos. In vier Fällen blieb der Beklagte Terminen zur Abgabe einer Vermögensauskunft ohne Angabe von Gründen fern. Mit Datum vom 20. März 2013, 7. und 23. Oktober 2013 ergingen insgesamt vier Haftbefehle durch das Amtsgericht B1... auf Abgabe einer Vermögensauskunft, in deren Folge der Beklagte am 11. Dezember 2013 verhaftet wurde. Von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes muss verlangt werden, dass er seine Gläubiger über seine Zahlungsunfähigkeit aufklärt, sie um Stundung bittet und, soweit möglich, geeignete Zahlungsvorschläge macht. Als beamtenunwürdig gilt insbesondere, wenn ein Beamter – wie hier – Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger erschwert und es sogar zu Haftbefehlen gegen ihn kommen lässt.

141

Dem Beklagten ist hinsichtlich der ungeordneten Schuldenwirtschaft ein vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen. Über die Bemühungen seiner Gläubiger, eine Zahlung zu erwirken, hat der Beklagte sich bewusst hinweggesetzt. Obwohl sich ihm durch die Vielzahl der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, die festgesetzten Termine zur Abgabe einer Vermögensauskunft und die Haftbefehle ein dringender Handlungsbedarf aufgedrängt hat, hat er es bewusst unterlassen, rechtzeitig mit den Gläubigern Zahlungsvereinbarungen zu treffen, um diese - zumindest teilweise - zu befriedigen.

142

Anhaltspunkte für das Vorliegen von Schuldausschlussgründen sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte gesundheitlich nicht in der Lage gewesen wäre, seine finanziellen Verhältnisse zu ordnen. Soweit er sich auf eine Posttraumatische Belastungsstörung nach einem Polizeieinsatz anlässlich eines Großbrandes am 28. September 2013 beruft, ist er zunächst darauf zu verweisen, dass zumindest die unter a) bis g) genannten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ihren Ursprung in der Zeit vor dem genannten Unfall hatten. Diese reihten sich vielmehr bereits in eine Vielzahl von unbefriedigten Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit ein, so dass es insoweit an einem kausalen Bezug zwischen einer Posttraumatischen Belastungsstörung und dem Fehlverhalten des Beklagten fehlt. Für die Zeit nach dem 28. September 2013 wurde dem Beklagten privatärztlicherseits eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert, die nach Aussage des Dr. A2..., Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie, Chefarzt des Klinikums für Psychosomatik, Psychotherapie, ..., dazu geführt habe, dass der Beklagte nicht mehr in der Lage gewesen sei, seine persönlichen Angelegenheiten zu regeln und insbesondere Rechnungen zu bezahlen. Unabhängig davon, ob der Diagnose der Posttraumatischen Belastungsstörung überhaupt zu folgen ist, bestehen jedoch zumindest anhand des tatsächlichen Verlaufs der vorwerfbaren Schuldenwirtschaft Bedenken an der von Seiten des Facharztes vermuteten Kausalität zwischen der diagnostizierten Krankheit und den daraus resultierenden Folgen für den täglichen Lebensablauf. Jedenfalls ergeben sich aus den vorgelegten privatärztlichen Attesten u.a. des Dr. A2... vom Dezember 2014, 5. Februar 2015 und 3. Juli 2015 keine Anhaltspunkte dafür, dass die behauptete Posttraumatische Belastungsstörung zu einem kompletten Ausschluss der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beim Beklagten geführt hat. Hiergegen sprechen zudem auch die den privatärztlichen Bescheinigungen ohnehin vorrangigen amtsärztlichen Aussagen vom 9. April 2014, 22. Oktober 2014 und 21. Mai 2015. Im Gutachten des Gesundheitsamtes bei der Kreisverwaltung G1... vom 9. April 2014 wurde ausgeführt, dass der Hausarzt weitere fachärztliche und therapeutische Schritte geplant habe, die auch nach Auffassung des Gesundheitsamtes durchzuführen seien. Ausdrücklich wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Therapiemaßnahmen „nach unserem Eindruck auch von Herr G... selbst angestrebt werden“, und dass aus Sicht des Gesundheitsamtes ihm diese nicht als Auflage gemacht werden müssen. Die ZMU bescheinigt dem Beklagten am 22. Oktober 2014 gesundheitliche Beeinträchtigungen, die eine möglichst rasche Einleitung einer stationären Behandlung in einer psychosomatischen Fachklinik dringend erforderlich machen. Gleichzeitig soll eine regelmäßige Inanspruchnahme einer nervenfachärztlichen und auch einer richtlinienkonformen psychotherapeutischen Behandlung berufsbegleitend medizinisch durchgeführt werden. Hierauf wurde der Beklagte ausweislich des Gutachtens ausdrücklich hingewiesen und er wurde über die weitere Vorgehensweise aufgeklärt. Mit weiterem Gutachten der ZMU vom 21. Mai 2015 wird angemerkt, dass die mit Krankenhausentlassung am 5. Februar 2015 empfohlene Inanspruchnahme einer ambulanten Psychotherapie in der Zwischenzeit nicht in die Wege geleitet worden sei. Krankheitsbedingte Gründe dies nicht zu tun, gebe es nicht. Die Ausführungen in sämtlichen amtsärztlichen Bescheinigungen bestätigen mithin eine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beklagten, da ihm ansonsten die dort aufgeführten Therapiemaßnahmen nicht zur selbständigen Durchführung und Inanspruchnahme hätten empfohlen werden können. Dafür, dass beim Beklagten eine lediglich partielle Einsichts- und Steuerungsfähigkeit vorgelegen haben könnte, spricht indessen nichts.

143

Ob und inwieweit möglicherweise die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit eingeschränkt war, bedarf hier keiner näheren Erläuterung, da eine solche an einer Schuldhaftigkeit des Fehlverhaltens nichts ändert, sondern allenfalls im Rahmen der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden kann.

144

3. Der Beklagte ist Anordnungen seines Dienstherrn nicht nachgekommen.

145

a) Mit Schreiben seines Dienstherrn vom 23. Januar 2014 wurde der Beklagte darüber in Kenntnis gesetzt, dass aufgrund seiner Erkrankung seit dem 15. Dezember 2013 die Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung geboten ist und er sich wegen eines Termins mit dem Gesundheitsamt in Verbindung setzen soll. Den auf den 4. Februar 2014 festgesetzten Termin hat der Beamte unentschuldigt nicht wahrgenommen. Daraufhin ist er durch das Personalreferat darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass ein neuer Termin für den 17. Februar 2014, 14:00 Uhr, festgelegt sei. Auch diesen Termin hat der Beklagte unentschuldigt nicht wahrgenommen. Vielmehr hat er mit Schreiben des gleichen Tages mitgeteilt, dass er das Schreiben des Personalreferats erst an diesem Tag zur Kenntnis erhalten habe, da er sich aufgrund seiner Erkrankung längere Zeit nicht an seiner Wohnanschrift aufgehalten habe. Diese Aussage entsprach nicht der Wahrheit, da er zwecks Aushändigung der Disziplinarverfügung vom 10. Februar 2014 den stellvertretenden Leiter der PI F... am 16. Februar 2014 aufgesucht hat und er am 12. und 13. Februar 2014 dabei beobachtet wurde, wie er sich unter seiner Wohnadresse in B1... aufgehalten und Erledigungen getätigt hat. Mit Schreiben vom 18. Februar 2014 ist er aufgefordert worden, bis zum 25. Februar 2014 einen Termin für eine amtsärztliche Untersuchung zu vereinbaren. Der Beklagte ist zwar anschließend mit dem Gesundheitsamt in Kontakt getreten und hat einen Untersuchungstermin für den 6. März 2014 vereinbart, den er jedoch am 5. März 2014 mit der Begründung abgesagt hat, aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht in der Lage zu sein, ein Auto zu führen. Eine Überprüfung seiner Wohnadresse hat ergeben, dass sich sein Kraftfahrzeug und sein Wohnanhänger nicht vor Ort befanden. Vielmehr hat der Kläger sich anlässlich seiner Nebentätigkeit zu diesem Zeitpunkt in V... aufgehalten.

146

Durch das Gesundheitsamt wurde ein neuer Termin für den 17. März 2014, 10:30 Uhr, vereinbart, den der Beklagte abermals unentschuldigt nicht wahrgenommen hat. Das Personalreferat vereinbarte daraufhin einen weiteren Termin für den 27. März 2014, 9:00 Uhr. Mit Schreiben vom 17. März 2014 ist der Beklagte aufgefordert worden, diesen Termin wahrzunehmen. Er wurde eindringlich auf seine dienstlichen Pflichten hingewiesen. Diesen Termin nahm er sodann auch wahr.

147

Auf Empfehlung des Amtsarztes bei der Kreisverwaltung G1... vom 9. April 2014, eine Untersuchung durch die Zentrale Medizinische Untersuchungsstelle in L... (ZMU) durchführen zu lassen, ist der Beklagte mit Schreiben vom 10. April 2014 durch das Personalreferat über die anstehende Untersuchung bei der ZMU informiert worden. Ihm wurde ein Anamnesebogen mit gleicher Post zugesandt. Da er diesen Bogen bis zum 24. Juni 2014 trotz schriftlicher Erinnerung der ZMU vom 7. Mai 2014 und mündlicher Erinnerung vom 17. Juni 2014 nicht übersandt hatte, konnte eine Untersuchung bei der ZMU nicht stattfinden. Erst nach erneuter Zusendung des Anamnesebogens und Rücksendung durch den Beklagten wurde ein Untersuchungstermin für den 11. August 2014 vereinbart. Diesen Termin nahm der Beklagte jedoch nicht wahr. Vielmehr ging die Terminvorladung als unzustellbar an die ZMU zurück. Aufgrund des letzten vorgelegten Attestes ging man sodann davon aus, dass der Beklagte nach B2... Z..., C2..., umgezogen war. Eine Meldung des Umzugs war nicht erfolgt. Erst am 13. Oktober 2014 konnte die amtsärztliche Untersuchung durch die ZMU durchgeführt werden. Unter dem 21. November 2014 wurde der Beklagte aufgefordert, die von der ZMU für erforderlich erachtete stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Fachklinik durchzuführen. Mit Schreiben vom 6. Januar 2015 wurde der Beklagte davon in Kenntnis gesetzt, dass eine Nachuntersuchung bei der ZMU veranlasst worden sei. Er wurde darauf hingewiesen, dass der Anamnesebogen innerhalb von zehn Tagen an die ZMU zurückzusenden sei. Unter dem 2. März 2015 wurde er erneut auf seine Mitwirkungspflicht hingewiesen. Erst in der Folge legte der Beklagte den Bogen vor, so dass auch erst am 19. Mai 2015 die amtsärztliche Untersuchung durchgeführt werden konnte.

148

b) Auf Aufforderung seines Vorgesetzten sollte der Beklagte am 12. Februar 2014, 10:00 Uhr, zu einem Gespräch zu erscheinen, in dem unter anderem die Disziplinarverfügung vom 10. Februar 2014 ausgehändigt werden sollte. Der Beklagte sagte diesen Termin um 10:00 Uhr mit der Begründung ab, einen Arzttermin zu haben. Er kündigte ein Erscheinen nach diesem Termin an. Gegen 13:45 Uhr meldete er sich erneut bei seinem Vorgesetzten und gab an, die gesamte Zeit bei seinem behandelnden Arzt gewesen zu sein. Tatsächlich war der Beklagte lediglich um 11:11 Uhr am Haupteingang der Praxis des Herrn Dr. D2...H1... und warf etwas in den Briefkasten. Bereits um 11:12 Uhr fuhr er mit seinem Auto zurück in Richtung Ortsmitte E2...

149

e) Anlässlich der Übergabe der Disziplinarverfügung am 16. Februar 2014 wurde der Beklagte aufgefordert, binnen drei Tagen in einem ihm zugeteilten Vorgang (Tgb.-Nr. F1...) noch dringend einen Bericht zu fertigen. Dieser Aufforderung kam der Beklagte trotz der ausdrücklichen Weisung nicht nach.

150

f) Die Oberfinanzdirektion F2... teilte dem Kläger mit Schreiben vom 26. März 2014 mit, dass der Beklagte trotz mehrfacher Aufforderung (24. April, 21. Oktober, 3. Dezember 2013, 13. Januar 2014) den Erklärungsvordruck zum Familienzuschlag nicht ausgefüllt und unterschrieben zurückgesandt habe. Ebenso habe er das Scheidungsurteil mit dem amtlichen Rechtskraftvermerk nicht vorgelegt. Durch das Rechtsreferat PV 1 wurde der Beklagte am 1. April 2014 aufgefordert, bis zum 14. April 2014 den Erklärungsvordruck hinsichtlich der Neuberechnung seiner Bezüge der OFD bzw. dem PP D... vorzulegen. Dem kam der Beklagte bis zum 8. Oktober 2014 nicht nach. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 wurde er erneut aufgefordert, den Erklärungsvordruck bis spätestens 28. Oktober 2014 ausgefüllt dem Referat PV 1 vorzulegen. Auch dieser Aufforderung kam er bislang nicht nach.

151

Dieser Sachverhalt steht ausweislich der Ermittlungen fest und wird vom Beklagten nicht in Abrede gestellt.

152

Aufgrund des geschilderten Verhaltens hat der Beklagte gegen seine Dienstpflichten, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen (§ 34 S. 1 BeamtStG) sowie Anordnungen und allgemeine Richtlinien der Vorgesetzten zu befolgen (§ 35 S. 2 BeamtStG), verstoßen. Die an den Beklagten gerichteten dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten waren jeweils klar verständlich und inhaltlich eindeutig. Ebenso bestehen keine Bedenken an deren Rechtmäßigkeit.

153

Aus der Pflicht zu vollem persönlichem Einsatz folgt die Pflicht des Beamten, dem Dienstherrn seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Dies umfasst die Pflicht, die Arbeitskraft im Interesse des Dienstherrn nicht nur zu erhalten, sondern die beschränkte oder verlorene Arbeitskraft best- und schnellstmöglich wieder herzustellen. Zur Wiederherstellung seiner Arbeitskraft muss er alle ihm angebotenen und zumutbaren Möglichkeiten nutzen.

154

Vorliegend war der Beklagte aufgrund einer länger andauernden Erkrankung auf Weisung des Dienstherrn verpflichtet, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen (§ 81 Abs. 2 S. 2 LBG). Dieser Pflicht hat der Beklagte sich beharrlich über einen nicht unerheblichen Zeitraum verweigert.

155

Die Pflicht, nach Aufforderung des Dienstherrn, zu einem Personalgespräch zu erscheinen, gehört zu den Kernpflichten eines jeden Beamten. Stünde das Befolgen derartiger Anordnungen im Belieben eines jeden Beamten, wäre die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung erheblich infrage gestellt.

156

Mit den genannten Verstößen gegen die Gehorsamspflicht (§ 35 S. 2 BeamtStG) geht ein Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 S. 3 BeamtStG) einher, da der Beklagte die Nichtwahrnehmung der Termine mit einer vorgetäuschten Ortsabwesenheit, seiner Erkrankung und einem nicht stattgefundenen Arzttermin zu entschuldigen versucht hat. Mit der vorgenannten Pflicht ist es grundsätzlich unvereinbar, dass der Beamte gegenüber seinem Vorgesetzten die Unwahrheit äußert. Nach den Umständen des Einzelfalls liegt auch kein Ausnahmefall von der Wahrheitspflicht vor. Weder befand der Beklagte sich in einer besonderen Konfliktsituation, die ein Abweichen von der Wahrheit menschlich verständlich erscheinen lässt, noch liegt ein Fall der geforderten Selbstbezichtigung im Disziplinarverfahren vor.

157

Ebenso ergingen die Weisungen, eine dienstlichen Stellungnahme sowie den Erklärungsvordruck zum Familienzuschlag abzugeben, zu Recht. Auch diesen Weisungen hat der Beklagte sich beharrlich entzogen.

158

Hinsichtlich der Pflichtverstöße ist dem Beklagten ein vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen. Soweit der Beklagte sich auch insoweit auf eine Posttraumatische Belastungsstörung beruft, ist auch hier auf die vorgenannten Ausführungen zur Schuldenwirtschaft zu verweisen.

159

4. Keine rechtzeitige Anzeige der Erkrankungen

160

Seine Erkrankung hat der Beklagte nicht bzw. nicht rechtzeitig angezeigt und entsprechende Atteste teils verspätet vorgelegt. Am 28. Januar 2014 wurde der Beklagte auf die Pflicht zur Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ab dem dritten Tage hingewiesen. Zu einer beabsichtigten Anordnung, zukünftig die Vorlage eines privat ärztlichen Attestes ab dem erstens Krankheitstag anzuordnen, wurde er am 28. Januar 2014 angehört. Wegen Nichtbefolgens der Pflicht wurden mit Verfügungen vom 19. Februar 2014 und 10. März 2014 die Einbehaltung der Dienstbezüge für den 15. und 19. Januar 2014 sowie für die Zeit ab dem 1. Februar 2014 bis 26. Februar 2014 festgestellt. Seit seiner Erkrankung am 15. Dezember 2013 hat der Beklagte am 18. Dezember 2013, 9. Januar 2014, 20. Januar 2014, 27. Februar 2014, 11. März 2014, 4. April 2014, 5. Mai 2014, 18. Mai 2014, 3. Juni 2014, 15. August 2014, 9. Oktober 2014, 8. Dezember 2014, 3. Februar 2015 und 13. August 2015 ärztliche Krankmeldungen mit teilweise mehrwöchiger Verspätung vorgelegt, bzw. sich überhaupt nicht krank gemeldet. Insoweit wird auf die ausführliche Darlegung der Umstände der Verfristungen in der Klageschrift verwiesen. Lediglich exemplarisch sei erwähnt, dass der Beklagte am 20. Dezember 2014 eine Folgekrankmeldung hätte vorlegen müssen. Eine solche ging erst am 3. Februar 2015 ein, worin eine weitere Dienstunfähigkeit bis zum 1. März 2015, festgestellt am 30. Januar 2015, bescheinigt worden war. Erst am 13. August 2015, also fast sechs Monate später, legte er ein Attest des Herrn Dr. G2... vor, ausgestellt am 5. August 2015 vor, aus dem sich ergibt, dass er voraussichtlich vom 3. Juli 2015 bis voraussichtlich 31. August 2015 erkrankt sei. Dies bestätigt nicht nur, dass Krankmeldungen mit erheblicher Verspätung vorgelegt wurden, sondern dass nach Ablauf von Arbeitsunfähigkeitsfristen neue Arztbesuche erst nach mehreren Wochen wahrgenommen wurden.

161

Dieser Sachverhalt steht nach den Ermittlungen fest und wird von dem Beklagten nicht bestritten.

162

Durch dieses Gebaren hat der Beklagte gegen seine Dienstpflicht nach § 35 S. 2 BeamtStG i.V.m. § 81 S. 2 und 3 LBG verstoßen, wonach eine Dienstunfähigkeit infolge Erkrankung spätestens am folgenden Arbeitstag unter Angabe der Dauer der Erkrankung gegenüber dem Vorgesetzten anzuzeigen ist. Dies gilt sowohl bezüglich einer erstmaligen Erkrankung als auch bezüglich einer weiteren Dienstunfähigkeit nach bereits attestierter Erkrankung. Ohne Einhaltung dieser Dienstpflicht ist ein funktionsfähiger Ablauf der Dienstgeschäfte nicht möglich.

163

In Bezug auf diese Pflichtverletzung ist dem Beklagten ebenso unbeschadet der ihm attestierten Posttraumatischen Belastungsstörung ein Verschulden in Gestalt eines vorsätzlichen Verhaltens vorzuwerfen. Auf die vorangegangenen Ausführungen wird verwiesen.

164

5. Der Beklagte hat die durch das Gesundheitsamt für erforderlich gehaltenen und durch den Dienstherrn angeordneten Therapiemaßnahmen nicht bzw. verspätet durchgeführt.

165

Nach anhaltender Erkrankung des Beklagten ab dem 15. Dezember 2013 ist der Beklagte am 27. März 2014 durch das Gesundheitsamt bei der Kreisverwaltung G1... untersucht worden. Ausweislich des Gutachtens vom 9. April 2014 wurde darauf hingewiesen, dass nach Auskunft des Hausarztes weitere fachärztliche und therapeutische Schritte geplant seien (nervenärztlich bzw. psychiatrisch bzw. psychosomatisch bzw. psychotherapeutisch), die zunächst ambulant, nach fachärztlichem Dafürhalten dann eventuell auch stationär durchzuführen seien. Diese Therapiemaßnahmen hat das Gesundheitsamt auch für erforderlich gehalten, um die Dienstfähigkeit des Beklagten zu verbessern bzw. wieder herzustellen. Mit Schreiben vom 10. April 2014 wurde der Beklagte aufgefordert, Nachweise über bereits begonnene Therapien zur Stabilisierung seines Gesundheitszustandes, wie in dem Gutachten formuliert, dem zuständigen Referat PV 3 bis spätestens 25 April 2014 vorzulegen. Auf seine dienstlichen Pflichten und die Folgen einer Pflichtverletzung wurde er hingewiesen. Mit Schreiben vom 13. Mai 2014 wurde er erneut auf seine beamtenrechtlichen Pflichten hingewiesen und die Vorlage der Nachweise wurde bis zum 23. Mai 2014 angemahnt.

166

Bescheinigungen sind jedoch in der Folgezeit nicht eingegangen. Die nachfolgende Untersuchung bei der ZMU hat ausweislich des Gutachtens vom 22. Oktober 2014 die Erforderlichkeit der Einleitung einer stationären Behandlung in einer psychosomatischen Fachklinik ergeben, da der Beklagte seit seiner Krankschreibung „nur relativ anspruchslose Behandlungsmaßnahmen“ in Anspruch genommen habe. Mit Schreiben vom 21. November 2014 wurde der Beklagte aufgefordert, sich der geforderten stationären Behandlung zu unterziehen und unverzüglich diese Behandlung anzutreten. Soweit der Therapieantritt feststehe, solle er nachgewiesen werden und bis zum 10. Dezember 2014 seien Kopien der Anträge an die Beihilfestelle und die Krankenkasse wegen der Kostenübernahme vorzulegen. Erst ausweislich eines am 12. Dezember 2014 ausgestellten Attestes konnte festgestellt werden, dass der Beklagte sich ab dem 8. Dezember 2014 stationär in dem ... in V... der angeordneten Therapie unterzogen hat.

167

Dieser Sachverhalt wurde vom Kläger ausermittelt und wird vom Beklagten nicht bestritten.

168

Mit dem aufgezeigten Verhalten hat der Beklagte entsprechend den Ausführungen zu dem Vorwurf, sich nicht bzw. verzögert einer amtsärztlichen Untersuchung unterzogen zu haben (Ziff. 3 a)) gegen seine Pflicht, seinem Dienstherrn die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, und diese, im Falle der Einschränkung, bestmöglich wiederherzustellen (§ 34 S. 1 BeamtStG), verstoßen. Darüber hinaus hat er rechtmäßig ergangene und klar definierte Anordnungen seines Dienstvorgesetzten nicht befolgt und damit seine Gehorsamspflicht (§ 35 S. 2 BeamtStG) verletzt.

169

Der Beklagte hat beharrlich seit Anfang April des Jahres 2014 die Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit dadurch blockiert, dass er die ihm aufgegebenen Therapiemaßnahmen letztlich erst am 8. Dezember 2014 in die Wege geleitet hat. Da er sich seiner Gesunderhaltungspflicht damit bewusst widersetzt hat, ist ihm hinsichtlich dieses Pflichtverstoßes Vorsatz vorzuhalten. Soweit der Beklagte sich insoweit ebenso auf eine Posttraumatische Belastungsstörung beruft, die ihm die Bewältigung der Dinge des täglichen Lebens und damit möglicherweise die Einleitung entsprechender therapeutischer Maßnahmen unmöglich gemacht haben soll, bleibt auf die zu den übrigen Anschuldigungspunkten gemachten Ausführungen zu verweisen. Ergänzend bleibt anzumerken, dass auch der Verlauf der Dinge der Vergangenheit, nämlich die Wahrnehmung von Privatarztterminen überhaupt, dem behaupteten Fehlen der Schuldhaftigkeit entgegensteht.

170

6. Zugänglichmachen vertraulicher Daten und Aufbewahrung dienstlicher Unterlagen in privaten Räumen

171

Der Beklagte hat im Rahmen einer Verkehrskontrolle am 9. Juli 2013, um 6:10 Uhr den Personalausweis einer kontrollierten Person mit seinem privaten Handy abfotografiert und das Foto seiner ehemaligen Lebensgefährtin per WhatsApp mit der Bemerkung: „Haben wir gerade kontrolliert..... Man beachte den Vornamen“, zugesandt.

172

Im Rahmen der bei dem Beklagten am 23. April 2014 durchgeführten Durchsuchung seiner Privaträumlichkeiten wurde ein Einsatzbefehl der PI J... vom 9. Februar 2013 aufgefunden. Auf dem Einsatzbefehl war vermerkt: „VS- nur für den Dienstgebrauch“. Der Einsatzbefehl wurde frei zugänglich für Dritte aufbewahrt.

173

Der Sachverhalt steht fest nach Aktenlage und wird vom Beklagten nicht bestritten.

174

Aufgrund dieses Verhaltens hat der Beklagte gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 S. 3 BeamtStG) sowie gegen seine Gehorsamspflicht (§ 35 S. 2 BeamtStG) i.V.m. § 8 Landesdatenschutzgesetz sowie Nr. 2.2 der Dienstvereinbarung über Datenschutz und Datensicherheit bei der Polizei H2... und Ziff. 5.2 der Rahmendienstanweisung für den Datenschutz und Sicherheit bei der Aufbewahrung von Akten mit personenbezogenen Daten verstoßen, wonach es einem Beamten untersagt ist, dienstliche Daten zu einem anderen als dem zur jeweiligen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck zu verarbeiten oder unbefugt zu offenbaren. Schützenswert sind sowohl die Daten des BPA als auch der Einsatzbefehl. Bei der Einstufung „VS-Nur für den Dienstgebrauch, VS-VfD“ handelt es sich um eine so genannte Geheimhaltungsvorschrift (MinBl. 1996, S. 66, hier: Geringste Geheimhaltungsstufe).

175

Dem Beklagten ist dahingehend ein vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen, da ihm als langjährigem Beamten die entsprechenden Obliegenheiten bekannt waren und er die Ablichtung des BPA erkennbar bewusst zu Belustigungszwecken weitergeleitet hat. Ebenso war ihm bewusst und bekannt, dass Dokumente, die der Geheimhaltung unterliegen, nicht offen in Privaträumlichkeiten aufbewahrt werden dürfen.

176

7. Nichtwahrnehmung seiner Zeugenpflicht

177

Am 5. Februar 2014 waren mehrere Beamte der PI F..., darunter auch der Beklagte, in der Eigenschaft als Polizeibeamte als Zeugen im Strafverfahren ... zum Landgericht J... geladen. Der Beklagte ist zu dem Termin nicht erschienen.

178

Die Ermittlungen bestätigen diesen Sachverhalt.

179

Hierdurch hat der Beamte gegen seine Einsatzpflicht (§ 34 S. 1 BeamtStG), seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 S. 3 BeamtStG) sowie seine besonderen Pflichten als Polizeibeamter (§ 115 LBG) verstoßen. Als potentieller Zeuge in einem Strafverfahren war der Beklagte verpflichtet, den Termin wahrzunehmen bzw. sich zumindest zu entschuldigen. Die Öffentlichkeit kann insbesondere kein Verständnis dafür aufbringen, dass ein Polizeibeamter, der in dieser Funktion zum Zwecke der Wahrheitsfindung als Zeuge vor Gericht geladen ist, sich seiner Zeugenpflicht entzieht.

180

Der Beklagte handelte insoweit mit Vorsatz. Selbst wenn die Zeugenaussage, wie im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht geltend gemacht, für ihn mit unangenehmen Erinnerungen an das angeblich seine Posttraumatische Belastungsstörung auslösende Ereignis verbunden gewesen wäre, konnte ihn dies von seiner Pflicht nicht entbinden. Zumindest wäre er zu einer ordnungsgemäßen Entschuldigung, gegebenenfalls unter Vorlage eines ärztlichen Attestes, verpflichtet gewesen.

181

8. Unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst

182

Am 9. Dezember 2013 war für die Dienstgruppe des Beklagten ein Einsatztraining beim SETZ in I2... dienstlich angeordnet. Auch der Beklagte war angemeldet und der Termin war seit dem 1. November 2013 in die Dienstvorplanung eingetragen. Der Beklagte erschien jedoch nicht zum Dienst, weshalb er von seinem Kollegen POK H1... angerufen und zu seinem Verbleib befragt wurde. Diesem Kollegen gegenüber gab der Beklagte an, dass ihm der Dienstgruppenleiter, PHK I1..., Dienstbefreiung genehmigt habe, weil er am 7. Dezember 2013 einen Zusatznachtdienst bei der Dienstgruppe „C“ abgeleistet gehabt habe. Dies entsprach jedoch nicht der Wahrheit. PHK I1... hatte dem Beklagten keine Dienstbefreiung gewährt. Darüber hinaus wies das Arbeitszeitkonto des Beklagten zu diesem Zeitpunkt ein Minus von 52 Stunden und 15 Minuten auf, so dass bereits aus diesem Grunde eine Dienstbefreiung überhaupt nicht möglich war.

183

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Ermittlungen im behördlichen Disziplinarverfahren und wird vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.

184

Der Beklagte hat hiermit gegen seine Hingabe- und Dienstleistungspflicht nach §§ 34 S. 1 BeamtStG, 81 Abs. 1 S. 1 LBG verstoßen, da er ungenehmigt vom Dienst ferngeblieben ist. Weiterhin hat er erneut seine Wahrheitspflicht verletzt (§ 34 S. 3 BeamtStG).

185

Der Beklagte handelte vorsätzlich, da er sich bewusst durch eine geäußerte Unwahrheit eine unberechtigte Dienstbefreiung erschlichen hat.

II.

186

Welche Disziplinarmaßnahme für das nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens zu würdigende Fehlverhalten erforderlich ist, richtet sich gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 LDG nach dessen Schwere unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung.

187

Maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der disziplinaren Maßnahme ist demnach die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale). Zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens.

188

Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild“ des Beamten erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor und nach der Tat. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht. Einen Aspekt des Persönlichkeitsbildes stellt auch tätige Reue dar, wie sie durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils noch vor der drohenden Entdeckung zum Ausdruck kommt.

189

Das Bemessungskriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion.

190

Aus den gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 LDG folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu befinden, ob der Beamte auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen wird, oder ob die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Beeinträchtigung des Ansehens des Berufsbeamtentums bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen ist. Ergibt die prognostische Gesamtwürdigung, dass ein endgültiger Vertrauensverlust noch nicht eingetreten ist, haben die Verwaltungsgerichte diejenige Disziplinarmaßnahme zu verhängen, die erforderlich ist, um den Beamten zur Beachtung der Dienstpflichten anzuhalten und der Ansehensbeeinträchtigung entgegenzuwirken (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007, Az.: 2 C 9/06 – juris -).

191

Vorliegend hat der Beklagte durch das festgestellte Dienstvergehen nicht nur das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit verloren; die Entfernung aus dem Dienst ist auch unter Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes und Abwägung aller für und gegen ihn sprechenden Gesichtspunkte unausweichlich.

192

Dabei ergibt sich die Schwere des Dienstvergehens weniger aus einem einzigen für die Maßnahmebemessung richtungsweisenden Fehlverhalten, sondern vielmehr aus der Vielzahl der dem Beamten vorzuhaltenden Verfehlungen unterschiedlicher Qualität und unterschiedlichen Ursprungs, die in ihrer Gesamtheit den Schluss rechtfertigen, dass der Beamte sich innerlich wie äußerlich bereits seit mehreren Jahren von seinem dienstlichen Pflichtenkreis gelöst hat.

193

Der Beklagte hat sich im außerdienstlichen Bereich ein Betätigungsfeld geschaffen, welches aufgrund der Art der dort entfalteten Tätigkeiten und der langjährigen und zeitintensiven Praktizierung nicht nur nebentätigkeitsrechtliche Relevanz entfaltete, sondern offenkundig den Schwerpunkt seiner Arbeitskraft und auch seiner Interessen bildete. Erschwerend wirkt, dass der Beklagte die nicht genehmigten Nebentätigkeiten auch in Zeiten ausgeübt hat, in denen er als von Steuergeldern alimentierter Beamter aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage war, seinem Dienstherrn seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Ein derartiges Gebaren stößt sowohl bei dem Dienstherrn als auch bei der Allgemeinheit auf Unverständnis und weckt in der Regel derart erhebliche Zweifel an der Integrität eines Beamten als auch an derjenigen des öffentlichen Dienstes insgesamt, dass die Entfernung aus dem Dienst geboten sein kann (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Mai 2001 – 3 A 10366/01.OVG, vom 10. März 2004 – 3 A 10118/04.OVG, vom 9. Dezember 2005 – 3 A 11300/05.OVG).

194

Die ungeordnete Schuldenwirtschaft des Beklagten über mehrere Jahre und mit weitreichenden Folgen bis zu seiner Verhaftung hat nach ihren objektiven und subjektiven Merkmalen ebenso nicht nur ein erhebliches Gewicht, sondern zeugt insgesamt von einer Persönlichkeit, die nicht nur im dienstlichen, sondern auch im privaten Bereich die wesentlichen Gepflogenheiten eines sozialen Miteinander verlassen hat. Den Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen Kindern und seiner geschiedenen Ehefrau ist der Beklagte wiederholt und ohne Rücksicht der damit für seine Familie verbundenen Folgen nicht nachgekommen. Obwohl ihm ein Beihilfeanspruch gegen das Land Rheinland-Pfalz zum Zwecke der Begleichung von Arztkosten zugestanden hat, hat der Beklagte seit mehreren Jahren keine Beihilfeanträge mehr gestellt und die von ihm in Anspruch genommenen Ärzte wegen ihrer Forderungen in gerichtliche Mahnverfahren laufen lassen. Selbst die Abgabe eidesstattlicher Versicherungen, Haftbefehle und schließlich seine Verhaftung vermochten den Beklagten nicht eines Besseren zu belehren und ihn zu einem Umlenken seines Verhaltens zu bewegen. Dementsprechend ließ der Beklagte es auch noch nach Einleitung des Disziplinarverfahrens wegen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen in vier Fällen noch zu weiteren 13 zum Gegenstand des Disziplinarverfahrens gemachten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen kommen, womit er seiner durch Gleichgültigkeit geprägten Pflichtvergessenheit erheblich Nachdruck verleihen hat.

195

Im dienstlichen Bereich setzte sich seine Unbelehrbarkeit darin fort, dass er sich trotz längerfristiger Erkrankung zunächst über Monate der vom Dienstherrn geforderten amtsärztlichen Untersuchung und schließlich auch den angeordneten Therapiemaßnahmen versperrte. Damit boykottierte er nicht nur seine Genesung, sondern auch das immer wieder bekundete Interesse seines Dienstherrn, ihn bei der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit zu unterstützen. Die von ihm praktizierte Vorlage der Krankmeldungen zeigt zudem deutlich, dass er sich – sogar nachdem der Einbehalt von Dienstbezügen festgestellt worden war - an seine dienstlichen Obliegenheiten nicht mehr gebunden fühlt. Die Interessen an einer ordnungsgemäßen Dienstplanung sowie diejenigen seiner Kollegen, die immer wieder für ihn, infolge verspäteter Krankmeldung auch kurzfristig, einspringen mussten, waren ihm offenkundig gleichgültig. Der Umstand, dass der Beklagte im gleichen Zeitraum in der Lage war, sich mit höchster Konzentration der von ihm ausgeübten Nebentätigkeit zu widmen, belegt umso mehr, dass der Beamte sich von seinem beruflichen Pflichtenkreis und seinem Dienstherrn unumkehrbar und endgültig gelöst hat.

196

Demzufolge war es dem Beamten auch gleichgültig, dass seine Bezüge mangels der mehrfach angemahnten Vorlage des Erklärungsvordrucks zum Familienzuschlag nicht aktualisiert werden konnten, dass er geheimhaltungsbedürftige Unterlagen nicht in der dafür vorgesehenen Form in seinen privaten Räumlichkeiten aufbewahrt, und dass er seine Zeugenpflichten missachtet und damit möglicherweise die Rechtspflege behindert hat. Darüber hinaus schreckte er nicht davor zurück, zum Zwecke der Verfolgung eigennütziger Motive gegenüber seinem Dienstherrn und auch Kollegen gezielt die Unwahrheit zu äußern. Das gezeigte Verhalten stimmt folglich mit der im Disziplinarverfahren abgegebenen Leistungseinschätzung seines Vorgesetzten und der darin zum Ausdruck gekommenen Charakterstruktur des Beklagten überein, nämlich dass es dem Beklagten wesensimmanent ist, dass er ohne Rücksicht auf andere und die damit verbundenen Folgen im dienstlichen und - wie durch das Disziplinarverfahren belegt - privaten Bereich vordergründig „sein Ding“ machen will. Entsprechend der Prognose seines unmittelbaren Dienstvorgesetzten ging der durch die Vorhaltungen im Disziplinarverfahren schließlich in Erklärungsnot geratene Beklagte dann auch dazu über, das Ereignis in I... als Schuldausschlussgrund für fast alle ihm vorgehaltenen Verfehlungen vorzuschieben, ohne dass die Richtigkeit dieser Behauptung von ihm nachgewiesen wurde. All dies belegt, dass der Beamte nicht gewillt ist, eine Verantwortlichkeit gegenüber sich selbst, seinen Kollegen, seinem Dienstherrn und auch gegenüber der Allgemeinheit zu übernehmen. Das Zurückziehen in eine Opferrolle ist nach den Feststellungen im behördlichen Disziplinarverfahren durch nichts gerechtfertigt und bestätigt wesentlich seine fehlende Integrationsfähigkeit und -willigkeit in die geordneten Strukturen des öffentlichen Dienstes, die für dessen Funktionsfähigkeit unerlässlich ist. Der Beklagte hat sich über Jahre hinweg mit stoischer Beharrlichkeit seinen Dienstpflichten entzogen und damit das Vertrauen des Dienstherrn und auch der Allgemeinheit in seine Integrität verloren. Zugleich hat er in der Öffentlichkeit einen derart erheblichen Ansehensschaden bewirkt, der mit einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Dienst nicht mehr wiedergutzumachen ist.

197

Mildernde Gesichtspunkte, die es dennoch ausnahmsweise rechtfertigen könnten, von der Höchstmaßnahme abzusehen, sind nicht ersichtlich. Zwar wurden dem Beklagten ausweislich der Anlassbeurteilung vom 5. März 2010 noch gute Leistungen („B“) bescheinigt. Diese ließen jedoch bereits ab dem Jahr 2011 ausweislich der im Disziplinarverfahren eingeholten Leistungseinschätzung nachhaltig nach.

198

Sonstige Umstände, die geeignet wären, das Dienstvergehen in einem wesentlich milderen Licht erscheinen zu lassen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere vermag der Beklagte sich nicht auf eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit infolge einer Posttraumatischen Belastungsstörung zu berufen. Zwar kann die Frage danach, ob der Beamte im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit ein Dienstvergehen begangen hat, nach der von den Bemessungsvorgaben des §§ 11 Abs. 1 LDG geforderten Prognoseentscheidung nicht schematisch als unbeachtlich behandelt werden. Jedoch bietet der vorgehaltene Sachverhalt bereits keinen hinreichenden Anlass dazu, von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Beklagten auszugehen. (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 – 2 C 9/06 –, juris).

199

Erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte. Die daran anknüpfende Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung „erheblich“ war, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne des § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab.

200

Dies vorausgeschickt, bestehen keine Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Persönlichkeitsveränderung des Beklagten im Tatzeitraum, die zu einer erheblichen Verminderung seiner Schuldfähigkeit geführt hat. Die vom Beklagten geltend gemachte Posttraumatische Belastungsstörung, die durch ein Ereignis am 28. September 2013 ausgelöst worden sein soll, kann den Beklagten ohnehin nur hinsichtlich der nach diesem Zeitpunkt begangenen Verfehlungen entlasten. Mithin entfaltet dieser Umstand keinerlei Relevanz für den wesentlichen Zeitraum der Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit. Auch die vorwerfbare Schuldenwirtschaft stellte sich beim Beklagten bereits vor seiner angeblichen Erkrankung in wesentlichen Grundzügen und in nicht unerheblichem Ausmaß ein. Entsprechendes gilt hinsichtlich des Vorwurfs, den Erklärungsvordruck zum Familienzuschlag nicht vorgelegt zu haben, vertrauliche Daten unberechtigt weitergeleitet und dienstliche Unterlagen in Privaträumen aufbewahrt zu haben.

201

Unbeschadet dessen, vermag der Beklagte sich aber auch hinsichtlich der übrigen Verfehlungen nicht auf diesen Milderungsgrund zu berufen. Denn selbst wenn nach dem Grundsatz in dubio pro reo aufgrund der privatärztlicherseits diagnostizierten „komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung“ seit der Brandkatastrophe in I... am 28. September 2013 von einer verminderten Schuldfähigkeit auszugehen wäre, hätte diese in seinem Fall nach den vorgenannten Grundsätzen nicht die Grenze zur Erheblichkeit überschritten. Hierfür sprechen nach der vom Disziplinargericht vorzunehmenden Würdigung der Gesamtumstände seine Persönlichkeit und sein Erscheinungsbild vor, während und nach den Verfehlungen, die Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten sowie die konkreten Tatumstände.

202

Wie dargelegt, hat der Beklagte sich auch schon vor dem 28. September 2013 in vielfältiger Form resistent gegen seine dienstlichen Pflichten erwiesen, wie insbesondere seine nachhaltig gleichgültige Schuldenwirtschaft und die Ausübung nicht genehmigter Nebentätigkeiten auch während seiner Erkrankung belegen. Infolgedessen ist dem Beklagten vorzuhalten, dass er in Fortführung seiner Pflichtvergessenheit und Gleichgültigkeit und mithin offenkundig ohne wesentlichen Einfluss des die diagnostizierte Posttraumatische Belastungsstörung angeblich auslösenden Ereignisses weiterhin Pflichtverletzungen begangen hat. Im Übrigen handelt es sich bei den in die Zeit nach diesem Ereignis fallenden Pflichtenverstößen vorwiegend um Weisungsverstöße und Verstöße gegen die Vorlagepflicht von Attesten, mithin um leicht einsehbare Kernpflichten, deren Erfüllung auch bei Vorliegen einer eingeschränkten Einsichts- und Steuerungsfähigkeit von einem Beamten erwartet werden kann, dies zumal der Beamte seine Nebentätigkeit im gleichen Zeitraum unter Einsatz seiner vollen geistigen und körperlichen Kräfte bewerkstelligen konnte.

203

Da das Gericht sich im Termin zur mündlichen Verhandlung zudem davon überzeugen konnte, dass es dem Beklagten an Einsicht, Reue und vor allem an Verantwortungsbewusstsein hinsichtlich der von ihm begangenen Verfehlungen fehlt, kann dem Beamten insgesamt keine positive Zukunftsprognose gestellt werden. Dem Dienstherrn ist eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beklagten nicht mehr zuzumuten. Die Entfernung aus dem Dienst ist unausweichlich.

204

Die Verhängung der Höchstmaßnahme verstößt vor diesem Hintergrund auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dabei sind in das Verhältnis zu setzen die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum Dienstherrn, zu der das Fehlverhalten geführt hat, und die zu verhängende Disziplinarmaßnahme. Hat ein Beamter – wie hier – durch vorwerfbares Verhalten die Vertrauensgrundlage und damit die wesentliche Voraussetzung für eine Fortdauer des Beamtenverhältnisses zerstört, dann ist seine Entfernung aus dem Dienst die einzige Möglichkeit, dass durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig. Sie beruht vielmehr auf ihm zurechenbarem Verhalten (stg. Rspr. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1997 – 1 D 60/97 –, juris).

205

Anhaltspunkte für eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Feststellung des Unterhaltsbeitrages sind nicht ersichtlich (§§ 8 Abs. 2, 70 LDG).

206

Die Kostenentscheidung folgt aus § 99 Abs. 1 LDG. Verfahren nach dem Landesdisziplinargesetz sind gebührenfrei (§ 109 Abs. 1 LDG).

207

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 21 LDG i.V.m. §§ 167 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –, 708 Nr. 11, 711 ZivilprozessordnungZPO –.

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Verwaltungsgericht Trier Urteil, 03. Feb. 2016 - 3 K 2619/15.TR zitiert 13 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 33


(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. (2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte. (3) Der Genuß bürgerlicher und st

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 34 Wahrnehmung der Aufgaben, Verhalten und Erscheinungsbild


(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und d

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 47 Nichterfüllung von Pflichten


(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße g

Strafgesetzbuch - StGB | § 203 Verletzung von Privatgeheimnissen


(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als 1. Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilbe

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 35 Folgepflicht


(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach b

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Verwaltungsgericht Trier Urteil, 03. Feb. 2016 - 3 K 2619/15.TR zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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Gründe 1 Die auf Verfahrensfehler und auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg.

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 31. Okt. 2012 - 2 B 33/12

bei uns veröffentlicht am 31.10.2012

Gründe 1 Die Beschwerde der Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO, § 67 Satz 1 LDG NRW unter Aufhebung des Berufungsurteils an das
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Verwaltungsgericht Trier Urteil, 24. Mai 2016 - 3 K 3823/15.TR

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Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe v

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(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als

1.
Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
2.
Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlußprüfung,
3.
Rechtsanwalt, Kammerrechtsbeistand, Patentanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren, Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten,
3a.
Organ oder Mitglied eines Organs einer Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder einer Berufsausübungsgesellschaft von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten, einer Berufsausübungsgesellschaft von Rechtsanwälten oder europäischen niedergelassenen Rechtsanwälten oder einer Berufsausübungsgesellschaft von Patentanwälten oder niedergelassenen europäischen Patentanwälten im Zusammenhang mit der Beratung und Vertretung der Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Berufsausübungsgesellschaft im Bereich der Wirtschaftsprüfung, Buchprüfung oder Hilfeleistung in Steuersachen oder ihrer rechtsanwaltlichen oder patentanwaltlichen Tätigkeit,
4.
Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist,
5.
Mitglied oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes,
6.
staatlich anerkanntem Sozialarbeiter oder staatlich anerkanntem Sozialpädagogen oder
7.
Angehörigen eines Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung oder einer privatärztlichen, steuerberaterlichen oder anwaltlichen Verrechnungsstelle
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als

1.
Amtsträger oder Europäischer Amtsträger,
2.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten,
3.
Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt,
4.
Mitglied eines für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes tätigen Untersuchungsausschusses, sonstigen Ausschusses oder Rates, das nicht selbst Mitglied des Gesetzgebungsorgans ist, oder als Hilfskraft eines solchen Ausschusses oder Rates,
5.
öffentlich bestelltem Sachverständigen, der auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist, oder
6.
Person, die auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Geheimhaltungspflicht bei der Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist,
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. Einem Geheimnis im Sinne des Satzes 1 stehen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse eines anderen gleich, die für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfaßt worden sind; Satz 1 ist jedoch nicht anzuwenden, soweit solche Einzelangaben anderen Behörden oder sonstigen Stellen für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bekanntgegeben werden und das Gesetz dies nicht untersagt.

(2a) (weggefallen)

(3) Kein Offenbaren im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen Geheimnisse den bei ihnen berufsmäßig tätigen Gehilfen oder den bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätigen Personen zugänglich machen. Die in den Absätzen 1 und 2 Genannten dürfen fremde Geheimnisse gegenüber sonstigen Personen offenbaren, die an ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirken, soweit dies für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der sonstigen mitwirkenden Personen erforderlich ist; das Gleiche gilt für sonstige mitwirkende Personen, wenn diese sich weiterer Personen bedienen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit der in den Absätzen 1 und 2 Genannten mitwirken.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm bei der Ausübung oder bei Gelegenheit seiner Tätigkeit als mitwirkende Person oder als bei den in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen tätiger Datenschutzbeauftragter bekannt geworden ist. Ebenso wird bestraft, wer

1.
als in den Absätzen 1 und 2 genannte Person nicht dafür Sorge getragen hat, dass eine sonstige mitwirkende Person, die unbefugt ein fremdes, ihr bei der Ausübung oder bei Gelegenheit ihrer Tätigkeit bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, zur Geheimhaltung verpflichtet wurde; dies gilt nicht für sonstige mitwirkende Personen, die selbst eine in den Absätzen 1 oder 2 genannte Person sind,
2.
als im Absatz 3 genannte mitwirkende Person sich einer weiteren mitwirkenden Person, die unbefugt ein fremdes, ihr bei der Ausübung oder bei Gelegenheit ihrer Tätigkeit bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, bedient und nicht dafür Sorge getragen hat, dass diese zur Geheimhaltung verpflichtet wurde; dies gilt nicht für sonstige mitwirkende Personen, die selbst eine in den Absätzen 1 oder 2 genannte Person sind, oder
3.
nach dem Tod der nach Satz 1 oder nach den Absätzen 1 oder 2 verpflichteten Person ein fremdes Geheimnis unbefugt offenbart, das er von dem Verstorbenen erfahren oder aus dessen Nachlass erlangt hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 sind auch anzuwenden, wenn der Täter das fremde Geheimnis nach dem Tod des Betroffenen unbefugt offenbart.

(6) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

Gründe

1

Die Beschwerde der Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO, § 67 Satz 1 LDG NRW unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Das Berufungsurteil beruht auf einem Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, weil das Oberverwaltungsgericht nicht aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens entschieden hat, ob die Voraussetzungen eines Maßnahmeverbots aus rechtsstaatlichen Gründen vorliegen. Dagegen sind die weiteren ausdrücklich oder sinngemäß erhobenen Divergenz-, Grundsatz- und Verfahrensrügen der Beklagten nicht begründet.

2

Der Kläger legt der Beklagten mit der Disziplinarklage zur Last, im Mai 1999 und im Dezember 2004 ihre dienstlichen Möglichkeiten als Mitarbeiterin der Kassenstelle des Klägers ausgenutzt zu haben, um durch Buchungsmanipulationen dienstliche Gelder zu veruntreuen. Die Beklagte ist aufgrund einer psychischen Krankheit dauerhaft verhandlungsunfähig. Das Amtsgericht hat ihren Ehemann als Betreuer für das Disziplinarklageverfahren bestellt; dieser nimmt seitdem die Aufgaben eines Prozesspflegers wahr. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Nachdem der Kläger sie während des Berufungsverfahrens wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt hatte, hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass ihr das Ruhegehalt aberkannt wird.

3

In den Gründen des Berufungsurteils heißt es, die Verhandlungsunfähigkeit der Beklagten stehe der Durchführung eines Disziplinarverfahrens nicht entgegen. Die Tatvorwürfe seien zur gerichtlichen Überzeugung erwiesen. Im Mai 1999 habe die Beklagte vor der Fälligkeit des ihr bewilligten Arbeitgeberdarlehens einen Teilbetrag von 18 400 DM von einem Konto des Klägers auf ihr Konto überwiesen, um eine Zwischenfinanzierung sicherzustellen. Im Dezember 2004 habe sie 5 413,25 € von einem Konto des Klägers auf das Konto ihres Ehemannes und von dort wenige Tage später auf ein eigenes Konto überwiesen. Der gerichtliche Sachverständige habe überzeugend dargelegt, dass die Beklagte auch zum Zeitpunkt der zweiten Tat voll schuldfähig gewesen sei. Erst nach der Aufdeckung dieser Tat Ende 2005 habe sich eine krankhafte Persönlichkeitsstörung manifestiert. Entgegen der Annahme des privaten Gutachters gebe es keine Anhaltspunkte für eine Schizophrenie.

4

1. Die Beklagte macht geltend, das Berufungsurteil beruhe auf einer Divergenz zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 2009 - BVerwG 2 C 80.08 - BVerwGE 135, 24 = Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 4). Das Oberverwaltungsgericht habe den Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts nicht beachtet, dass gegen verhandlungsunfähige Beamte aus verfassungsrechtlichen Gründen regelmäßig keine Disziplinarmaßnahme verhängt werden dürfe. Die Divergenzrüge greift nicht durch.

5

Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der in Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines bestimmten Rechtsgrundsatzes bestehen. Eine Divergenz liegt nicht vor, wenn das Berufungsgericht den Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts, ohne ihm inhaltlich zu widersprechen, in dem zu entscheidenden Fall rechtsfehlerhaft angewandt oder daraus nicht die Folgerungen gezogen hat, die für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind (stRspr; vgl. nur Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 25. Mai 2012 - BVerwG 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 5). So liegt der Fall hier.

6

Der Senat hat in dem Urteil vom 24. September 2009 (a.a.O.) zwei abstrakte Rechtssätze aufgestellt: Zum einen steht die dauerhafte Verhandlungsunfähigkeit des Beamten der Einleitung und Fortsetzung eines Disziplinarverfahrens wegen Pflichtenverstößen, die er vor dem Eintritt der Verhandlungsunfähigkeit begangen hat, nicht entgegen, wenn ein Verfahrens- oder Prozesspfleger bestellt ist (a.a.O., Leitsatz 2 und Rn. 17). Zum anderen darf gegen einen dauerhaft verhandlungsunfähigen Beamten eine Disziplinarmaßnahme, d.h. in aller Regel die Aberkennung oder Kürzung des Ruhegehalts, nicht verhängt werden, wenn sich dessen Recht auf umfassende Mitwirkung im Verfahren in wesentlichen Teilen nicht durch den Pfleger verwirklichen lässt. Das behördliche Disziplinarverfahren muss dann eingestellt, die Disziplinarklage muss abgewiesen werden (a.a.O., Leitsatz 3 und Rn. 24).

7

Der Senat hat dieses disziplinarrechtliche Maßnahmeverbot aus den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs, insbesondere des Rechts auf Beweisteilhabe hergeleitet. Danach muss der Beamte Zugang zu allen Quellen der Sachverhaltsermittlung erhalten. Er muss insbesondere in die Lage versetzt werden, rechtzeitig zu Inhalt und Aussagekraft aller potentiell belastenden Beweismittel, Erklärungen und Indizien Stellung zu nehmen, die den Prozessstoff des Disziplinarverfahrens bilden. Dazu gehört, dass der Beamte die Glaubwürdigkeit von Belastungszeugen und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen auf jede prozessual zulässige Art in Frage stellen kann. Dies ist nur möglich, wenn er sich einen unmittelbaren Eindruck von den Zeugen verschaffen kann. Die Kenntnis des gesamten Belastungsmaterials ist auch Voraussetzung für die Ausübung des aus dem Gehörsgebot folgenden Rechts, eigene Beweismittel und Erklärungen zum Zweck der Entlastung in das Disziplinarverfahren einzuführen. Das Gericht muss die Äußerungen des Beamten in ihrer Gesamtheit bei der Aufklärung und Würdigung des Sachverhalts berücksichtigen (vgl. Beschluss vom 14. Juni 2005 - BVerwG 2 B 108.04 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 S. 2 = NVwZ 2005, 1199<1200>; Urteil vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 2 A 4.04 - Buchholz 235.1 § 24 BDG Nr. 1 Rn. 25).

8

Ein dauerhaft verhandlungsunfähiger Beamter kann diese Verfahrensrechte nicht persönlich ausüben. An seine Stelle tritt im Disziplinarklageverfahren der zu diesem Zweck bestellte Prozesspfleger. Dessen Tätigkeit stößt jedoch an Grenzen, wenn ein angeschuldigter Pflichtenverstoß aus tatsächlichen Vorgängen oder Ereignissen hergeleitet wird, zu denen sich nur der Beamte selbst aufgrund seines persönlichen Erlebens äußern kann. Dies kommt vor allem dann in Betracht, wenn der Nachweis eines bestimmten Verhaltens des Beamten durch Zeugenaussagen geführt werden soll. Kann der Beamte in einer derartigen Situation vor Gericht seine Darstellung aufgrund seiner dauerhaften Verhandlungsunfähigkeit nicht in das Verfahren einführen, wird dem Gericht eine abschließende Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen und der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben oftmals nicht möglich sein. Sachverhaltsaufklärung und Beweiswürdigung bleiben dann zwangsläufig unvollständig. Das Gericht darf das Unvermögen des Beamten, die Aussagekraft belastender Angaben zum Tatgeschehen oder zu seinem sonstigen Verhalten durch seine Darstellung der persönlich erlebten Vorgänge - auch in der Gegenüberstellung mit den Zeugen - zu erschüttern, nicht mit der Begründung für unbeachtlich erklären, es bestünden keine vernünftigen Zweifel an der Richtigkeit der belastenden Aussagen. Dies steht einer unzulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung gleich, weil das Gericht der Mitwirkung des Beamten von vornherein jeglichen Erkenntniswert abspricht. Die prozessrechtliche Situation stellt sich grundlegend anders dar, als wenn sich der zur Mitwirkung fähige Beamte auf sein Schweigerecht beruft. Hier ist der Beamte nicht an der persönlichen Mitwirkung gehindert, sondern macht davon aus freien Stücken keinen Gebrauch.

9

Ob diese Voraussetzungen eines Maßnahmeverbots vorliegen, kann nicht aufgrund allgemeingültiger Maßstäbe beantwortet werden, sondern hängt von der Beweislage im Einzelfall ab. Die Tatsachengerichte müssen sich über die mögliche Konsequenz einer dauerhaften Verhandlungsunfähigkeit des Beamten im Klaren sein und aufgrund einer Gesamtwürdigung der fallbezogenen Umstände entscheiden, ob sie sich über den Ausfall des Beamten hinwegsetzen können (Urteil vom 24. September 2009 a.a.O. Rn. 24).

10

Das Oberverwaltungsgericht hat den abstrakten Rechtssatz, auch gegen einen dauerhaft verhandlungsunfähigen Beamten könne ein Disziplinarverfahren durchgeführt und grundsätzlich eine Disziplinarmaßnahme verhängt werden, seiner Entscheidung ausdrücklich zugrunde gelegt. In Bezug auf die Voraussetzungen des verfassungsrechtlich gebotenen Maßnahmeverbots lässt sich dem Berufungsurteil kein abstrakter Rechtssatz entnehmen, der in Widerspruch zu dem Urteil vom 24. September 2009 (a.a.O.) steht. Das Oberverwaltungsgericht hat allerdings die seinem Urteil zugrunde gelegten Veruntreuungen der Beklagten und ihre Schuldfähigkeit zur Tatzeit ohne deren Mitwirkung für erwiesen gehalten, ohne auf das Maßnahmeverbot einzugehen. Es hat weder erwogen noch festgestellt, ob ein Maßnahmeverbot unabweisbar ist, weil der Ausfall der dauerhaft verhandlungsunfähigen Beklagten nach der konkreten Beweislage zum Tatnachweis und zur Schuldfähigkeit nicht durch ihren Betreuer kompensiert werden kann. Dies lässt auf eine unrichtige Anwendung des hierzu aufgestellten abstrakten Rechtssatzes des Senats schließen, stellt aber keine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dar.

11

2. Die Beschwerde hat allerdings Erfolg, soweit sie rügt, dass das Oberverwaltungsgericht mit dieser Vorgehensweise gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen hat, weil es den festgestellten Sachverhalt seiner Würdigung nicht vollständig zugrunde gelegt hat.

12

Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus folgt auch die Verpflichtung, der Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Gericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist (Urteile vom 2. Februar 1984 - BVerwG 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339> = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 145 S. 36 f. und vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.> = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 174 S. 26 ff.; Beschluss vom 18. November 2008 - BVerwG 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 = NVwZ 2009, 399). Dem wird das Oberverwaltungsgericht nicht gerecht, weil sich seinem Urteil in zweifacher Hinsicht - sowohl hinsichtlich des Tatnachweises, als auch hinsichtlich der Schuldfähigkeit der Beklagten - nicht entnehmen lässt, dass und warum auf die von ihm verhängte Disziplinarmaßnahme erkannt werden konnte, obwohl die Beklagte selbst von ihrem verfassungsrechtlich verbürgten Recht auf Beweisteilhabe nicht Gebrauch machen konnte.

13

Das Oberverwaltungsgericht hat die der Beklagten zur Last gelegte Veruntreuung von 5 413,25 € im Dezember 2004 insbesondere aufgrund der schriftlichen Dokumente über die Zahlungsvorgänge und die Kontobewegungen sowie der früheren Geständnisse der Beklagten für erwiesen gehalten. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Beklagte hätte, wäre sie verhandlungsfähig, keine die Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit der Zeugen betreffenden Vorbehalte oder Fragen stellen können (UA S. 46), ist eine auf einer Vermutung basierende unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung. Dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass es der Ansicht ist, der Tatnachweis könne auch ohne persönliche Mitwirkung der Beklagten geführt werden, weil die schriftlichen Beweismittel hierfür ausreichen. Dies setzt voraus, dass die Urheberschaft der Beklagten an den Dokumenten zweifelsfrei feststeht. Für diese Beweisführung kann der Betreuer das rechtliche Gehör an Stelle der Beklagten wahrnehmen.

14

Das Oberverwaltungsgericht hat seine Überzeugung von der Schuldfähigkeit der Beklagten zum Zeitpunkt der zweiten Tat auf die schriftlichen und mündlichen Erläuterungen des gerichtlichen Sachverständigen gestützt. Dieser hat seinen Befund, die krankhafte Persönlichkeitsstörung habe zum Tatzeitpunkt noch nicht vorgelegen, sondern sich erst nach der Aufdeckung der Veruntreuung Ende 2005 manifestiert, maßgebend die Aussagen der ehemaligen Kollegen der Beklagten gestützt, die diese in der mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 2011 zu deren Auftreten im Dienst gemacht haben. Nach der dargestellten Rechtsprechung des Senats erscheint die Verwertung dieser im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen ohne persönliche Beweisteilhabe der Beklagten zumindest zweifelhaft. Allerdings kann der Nachweis der Schuldfähigkeit nach den Angaben des Sachverständigen in dessen ergänzendem Gutachten vom 8. Dezember 2011 durch eine weitere Untersuchung der Beklagten geführt werden. Hierfür könnten auch die Angaben des fachärztlichen Entlassungsberichts vom 28. Februar 2006 sprechen, der aufgrund des ersten stationären Klinikaufenthalts der Beklagten erstellt wurde. Dem Berufungsurteil lässt sich nicht entnehmen, aus welchen medizinischen Gründen der Sachverständige eine weitere Untersuchung nach den Zeugenvernehmungen nicht mehr für erforderlich gehalten hat.

15

3. Zu den weiteren Rügen der Beklagten merkt der Senat an:

16

a) Die Versetzung der Beklagten in den Ruhestand hat nicht zu einer Änderung des Streitgegenstandes der Disziplinarklage geführt. Das Oberverwaltungsgericht war nicht gehindert, der Beklagten anstelle der vom Verwaltungsgericht ausgesprochenen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis das Ruhegehalt abzuerkennen. Dies ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt:

17

Streitgegenstand des Disziplinarklageverfahrens ist der Anspruch des Dienstherrn, gegen den beklagten Beamten wegen des ihm mit der Disziplinarklage zur Last gelegten Dienstvergehens eine Disziplinarmaßnahme zu verhängen. Dieser Anspruch besteht, wenn zur gerichtlichen Überzeugung feststeht, dass der Beamte die angeschuldigten Handlungen ganz oder teilweise begangen hat, die nachgewiesenen Handlungen als Dienstvergehen zu würdigen sind und dem Ausspruch der hierfür erforderlichen Disziplinarmaßnahme kein rechtliches Hindernis entgegensteht (§ 59 Abs. 2 Satz 1 und 2; § 57 Abs. 1 Satz 1; §§ 5 ff.; § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 LDG NRW). Bei den Prüfungsgegenständen "Feststellung des Dienstvergehens" und "Bestimmung der Disziplinarmaßnahme" handelt es sich um materiellrechtliche Voraussetzungen des einheitlichen Disziplinaranspruchs, die verfahrensrechtlich nicht selbstständig geltend gemacht werden können (Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 = Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 18 ).

18

Gelangt das Tatsachengericht zu der Überzeugung, dass ein mit der Disziplinarklage verfolgtes Dienstvergehen vorliegt und kein disziplinarrechtliches Maßnahmeverbot besteht, bestimmt es die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer eigenen Bemessungsentscheidung, ohne in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden zu sein (sog. Disziplinarbefugnis der Verwaltungsgerichte; vgl. § 59 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDG NRW). Die Zulässigkeit der Disziplinarklage hängt nicht davon ab, dass der Dienstherr den Antrag stellt, eine bestimmte Disziplinarmaßnahme festzusetzen. Ein derartiger Antrag ist für das Verwaltungsgericht unverbindlich (Urteile vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <255 f.> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 Rn. 16 und vom 28. Juli 2011 a.a.O. Rn. 18).

19

Für die Ausübung der Disziplinarbefugnis gelten die gesetzlichen Maßnahmenkataloge für aktive Beamte und für Ruhestandsbeamte (§ 5 Abs. 1 und 2 LDG NRW). Als Disziplinarmaßnahme gegen Ruhestandsbeamte kommen nur die Kürzung und die Aberkennung des Ruhegehalts in Betracht (§ 5 Abs. 2, §§ 11, 12 LDG NRW). Tritt ein Beamter in den Ruhestand, nachdem er ein Dienstvergehen begangen hat, das die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach sich gezogen hätte, ist stattdessen das Ruhegehalt abzuerkennen (§ 13 Abs. 3 Satz 2 LDG NRW). Diese Regelung stellt aus Gründen der Gleichbehandlung sicher, dass sich der Beamte der Sanktionierung eines im aktiven Dienst begangenen schweren Dienstvergehens, das ihn als Beamter untragbar macht und deshalb zur Auflösung des Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit führen muss, nicht durch den Eintritt in den Ruhestand entziehen kann. Ebenso wie die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis dient die Aberkennung des Ruhegehalts der Wahrung der Integrität des Berufsbeamtentums und des Ansehens des öffentlichen Dienstes (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. November 2001 - 2 BvR 2138/00 - NVwZ 2002, 467; BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 a.a.O. Rn. 32; Beschluss vom 13. Oktober 2005 - BVerwG 2 B 19.05 - Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2 Rn. 6).

20

b) Aus dem disziplinarrechtlichen Durchführungsgrundsatz folgt, dass die dauerhafte Verhandlungsunfähigkeit des Beamten der Einleitung und Fortsetzung eines Disziplinarverfahrens nicht schon deshalb entgegensteht, weil das Verfahren eine Selbstgefährdung des Beamten nach sich zieht. Der Beamte muss im Verfahren nicht mitwirken; an seine Stelle tritt der zu diesem Zweck bestellte Pfleger. Kann dieser den Ausfall des Beamten in wesentlichen Fragen der Sachverhaltsermittlung und -würdigung nicht kompensieren, besteht ein Maßnahmeverbot. Es ist zunächst Sache der Vertreter des Beamten, der Gefährdung im Zusammenwirken mit den behandelnden Ärzten zu begegnen.

21

c) Die Ablehnung der zahlreichen Befangenheitsanträge der Beklagten gegen die Mitglieder des Spruchkörpers des Oberverwaltungsgerichts begründet keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

22

Die Ablehnung eines derartigen Antrags unterliegt nicht der revisionsgerichtlichen Nachprüfung, weil es sich um eine unanfechtbare Vorentscheidung handelt (§ 173 Satz 1 VwGO, § 557 Abs. 2 ZPO; § 146 Abs. 2 VwGO). Daher begründet sie nur dann einen Verfahrensmangel, wenn sie zu einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts im Sinne von § 138 Nr. 1 VwGO führt. Die Ablehnung muss dem Antragsteller den gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entziehen. Dies ist nur der Fall, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Entscheidung auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruht. Dieser Maßstab gilt auch für die Ablehnung eines Befangenheitsantrags unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als rechtsmissbräuchlich (stRspr; vgl. nur Urteil vom 5. Dezember 1975 - BVerwG 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <37 ff.> = Buchholz 448.0 § 34 WehrPflG Nr. 48 S. 11 ff.; Beschluss vom 21. Dezember 2004 - BVerwG 1 B 66.04 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 65). Nach diesem Maßstab hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten eine Verletzung des grundrechtlichen Anspruchs auf den gesetzlichen Richter nicht dargelegt:

23

Das Telefonat des Vorsitzenden mit einem als Prozesspfleger in Betracht kommenden Berufsbetreuer ist nicht geeignet, Besorgnis einer Befangenheit zu begründen. Der Senat verweist insoweit auf die Gründe des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts vom 1. September 2010, die er vollständig teilt. Dies gilt auch für die Annahme, die auf den Inhalt des Telefonats gestützten Anträge gegen die beisitzenden Richter seien rechtsmissbräuchlich, weil offensichtlich nicht geeignet, deren Voreingenommenheit zu begründen. Es ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher Rechtsgrundlage das Vorgehen des Vorsitzenden den beisitzenden Richtern zugerechnet werden könnte.

24

Die Ablehnung der nachfolgenden Befangenheitsanträge als rechtsmissbräuchlich begründet jedenfalls keinen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 138 Nr. 1 VwGO. Dies ergibt sich daraus, dass der Prozessbevollmächtigte durch die Anträge auf Verfahrenshandlungen des Spruchkörpers oder des Vorsitzenden, etwa auf Terminsbestimmungen oder Ablehnungen von Anträgen auf Terminsaufhebung reagiert hat. Er hat die Befangenheitsanträge offenbar eingesetzt, um gegen die rechtlich gebotene Fortführung des Berufungsverfahrens zu protestieren. Insoweit sieht der Senat von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

25

d) Die Durchführung der Verhandlungen am 24. Februar, 2. Dezember und 20. Dezember 2011 jeweils in Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten und des Betreuers der Beklagten begründet keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, weil das Oberverwaltungsgericht dadurch den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt hat. Es hat die Anträge des Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf Terminsaufhebung zu Recht abgelehnt, weil dieser jeweils keinen erheblichen Grund für eine Aufhebung im Sinne von § 173 Satz 1 VwGO, § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht hat. Daraus folgt, dass Prozessbevollmächtigter und Betreuer der Beklagten den Verhandlungen auf eigenes Risiko ferngeblieben sind.

26

Das Gericht ist nur dann verpflichtet, einen Verhandlungstermin auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten aufzuheben oder zu verlegen, wenn anderenfalls dessen grundrechtlicher Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt wäre. Das von § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO eröffnete Ermessen ist dann auf Null reduziert. Das rechtliche Gehör gebietet die Aufhebung oder Verlegung eines Verhandlungstermins, wenn der Prozessbevollmächtigte eines Verfahrensbeteiligten ohne sein Verschulden an der Teilnahme gehindert ist. Bei dem Prozesspfleger kommt es wie beim Beteiligten zusätzlich darauf an, ob die Teilnahme an der Verhandlung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen geboten ist.

27

Einen beachtlichen Hinderungsgrund stellt insbesondere die vorübergehende Verhandlungsunfähigkeit wegen einer Erkrankung dar. Zu deren Nachweis genügt in der Regel die Vorlage einer privatärztlichen Bescheinigung. Hat das Gericht berechtigte Zweifel an der Verhandlungsunfähigkeit, etwa weil wie im vorliegenden Verfahren wiederholt kurzfristig ärztliche Bescheinigungen ohne Diagnose vorgelegt werden, muss es Nachforschungen anstellen. Zusätzliche Anforderungen an den Nachweis einer Erkrankung setzen voraus, dass greifbare Anhaltspunkte für die Absicht der Prozessverschleppung bestehen. Auch in diesem Fall muss das Gericht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren versuchen, sich vor der Entscheidung über den Aufhebungs- oder Verlegungsantrag Klarheit zu verschaffen (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 3. August 1994 - BVerwG 6 B 31.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 257 S. 4 f. und vom 2. November 1998 - BVerwG 8 B 162.98 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 285 S. 45). Hiervon ausgehend lässt sich ein Gehörsverstoß nicht feststellen:

28

In Bezug auf den Verhandlungstermin vom 17. Februar 2011 war ein derartiger Verstoß bis zum Ende der mündlichen Verhandlung am 20. Dezember 2011 jedenfalls geheilt. Diese Verhandlung hat das Oberverwaltungsgericht ersichtlich nur zum Anlass genommen, den Beschluss über die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Gesundheitszustand der Beklagten zu verkünden. Die Beklagte hat die Notwendigkeit einer medizinischen Begutachtung nicht in Frage gestellt und in der Folgezeit ausführlich zu medizinischer Sachkunde und Unparteilichkeit des ernannten Sachverständigen Stellung genommen. Entgegen ihrer Auffassung waren beide Voraussetzungen für die Bestellung offensichtlich gegeben; eine weitere Begründung hält der Senat insoweit nicht für angezeigt (vgl. § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

29

In Bezug auf den Verhandlungstermin vom 2. Dezember 2011 hat die Beklagte einen erheblichen Grund im Sinne von § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht dargelegt. Die Einwendungen gegen die Arbeitsweise des Oberverwaltungsgerichts stellen keinen derartigen Grund dar. Sie entbinden insbesondere einen Prozessbevollmächtigten nicht davon, zum Termin zu erscheinen und die Einwände dort geltend zu machen. Die angeführten Betriebsferien der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten sind für sich genommen nicht geeignet, eine Verhinderung darzulegen. Gleiches gilt für den unsubstanziierten Hinweis auf die Abwesenheit vom Ort des Kanzleisitzes am Verhandlungstag.

30

Der Betreuer der Beklagten hat zwar eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt, in der ihm eine akute Erkrankung mit der Folge der Verhandlungsunfähigkeit attestiert worden ist. Auch diese Angabe lässt für sich genommen nicht den Schluss zu, der Betreuer sei tatsächlich verhandlungsunfähig gewesen. Die darauf zielende rechtliche Bewertung des behandelnden Arztes ist unbeachtlich. Aufklärungsmöglichkeiten haben nicht bestanden, weil das Attest erst am Terminstag vorgelegt, der behandelnde Arzt nicht von der Schweigepflicht entbunden und keine Begründung für dieses Vorgehen gegeben worden ist. Es ist nachvollziehbar, dass das Oberverwaltungsgericht daraus den Schluss gezogen hat, die Nachprüfung der Bescheinigung vor der Verhandlung solle aus Gründen der Prozessverschleppung unmöglich gemacht werden.

31

In Bezug auf den Verhandlungstermin am 20. Dezember 2011 fehlt es ebenfalls an der Darlegung eines erheblichen Grundes im Sinne von § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO für die Verhinderung des Prozessbevollmächtigten und des Betreuers der Beklagten. Dies gilt vor allem für die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung mit Datum vom 19. Dezember 2011, in der dem Prozessbevollmächtigten attestiert worden ist, er könne infolge einer Kehlkopfentzündung nicht sprechen. Diese ärztliche Erklärung ist zwar inhaltlich geeignet, eine Verhandlungsunfähigkeit zu belegen. Dennoch bestehen auch hier greifbare Anhaltspunkte für eine Prozessverschleppungsabsicht, weil der Prozessbevollmächtigte dem Oberverwaltungsgericht erneut jede Möglichkeit der Nachprüfung genommen hat. Er hat die Bescheinigung erst am Terminstag, nämlich ungefähr anderthalb Stunden vor dem Verhandlungsbeginn um 10.15 Uhr, vorgelegt, den behandelnden Arzt nicht von der Schweigepflicht entbunden und keine Begründung für dieses Vorgehen gegeben.

32

Der Betreuer der Beklagten hat seinen Antrag auf Aufhebung des Termins mit einem Selbstmordversuch der Beklagten Anfang Dezember 2011 begründet. Die Beklagte befand sich im Anschluss in stationärer Behandlung, so dass dies nicht erklärt, warum ihr Betreuer an der Wahrnehmung des Verhandlungstermins am 20. Dezember 2011 gehindert gewesen sein soll.

33

e) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 57 Abs. 1 LDG NRW, § 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen, weil es dem Gutachter der Beklagten keine Gelegenheit gegeben hat, sich schriftlich und in der mündlichen Verhandlung mit dem Gutachten des gerichtlich beauftragten Sachverständigen auseinander zu setzen.

34

Über Art und Zahl der einzuholenden Sachverständigengutachten entscheidet das Tatsachengericht nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 98 VwGO, § 412 Abs. 1 ZPO). Es ist nur dann verpflichtet, ein weiteres Gutachten einzuholen, wenn das bereits vorliegende Gutachten nicht geeignet ist, dem Gericht die sachlichen Grundlagen zu vermitteln, die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendig sind. Das Gutachten ist hierfür ungeeignet, wenn es von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare inhaltliche Widersprüche enthält oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht. Einwendungen eines Verfahrensbeteiligten, der das vorliegende Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält, verpflichten das Tatsachengericht für sich genommen nicht, einen anderen Sachverständigen einzuschalten (Beschlüsse vom 30. März 1995 - BVerwG 8 B 167.94 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 48; vom 28. Januar 2003 - BVerwG 4 B 4.03 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 53 S. 12 und vom 4. Januar 2007 - BVerwG 10 B 20.06 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 353 Rn. 12).

35

Das Verhältnis zwischen dem vom Gericht bestellten Sachverständigen und dem Gutachter eines Verfahrensbeteiligten bestimmt sich nach den Grundsätzen, die für das Verhältnis von Amtsarzt und behandelndem Arzt gelten. Ebenso wie dem Amtsarzt und einem von ihm hinzugezogenen Facharzt kommt dem gerichtlichen Sachverständigen grundsätzlich Vorrang zu. Dies hat seinen Grund in ihrer rechtlichen Stellung. Im Gegensatz zu einem Privatarzt, der womöglich bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu erhalten, nehmen sowohl Amtsarzt als auch gerichtlicher Sachverständiger die Beurteilung nach ihrer Aufgabenstellung unbefangen und unabhängig vor. Sie stehen Beamten und Dienstherrn gleichermaßen fern. Daher darf sich das Gericht auf ihre medizinischen Beurteilungen stützen, wenn die oben dargestellten Voraussetzungen vorliegen. Erhebt der Privatarzt dagegen substanziierte Einwendungen, hängt die Verwertbarkeit davon ab, ob der gerichtliche Sachverständige bzw. der Amtsarzt mit fachärztlicher Unterstützung schlüssig und nachvollziehbar darlegen können, aus welchen Gründen sie den Einwendungen nicht folgen (Urteile vom 11. Oktober 2006 - BVerwG 1 D 10.05 - Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 30 Rn. 36 f. und vom 12. Oktober 2006 - BVerwG 1 D 2.05 - juris Rn. 34 f.).

36

Nach diesen Grundsätzen hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen, der gerichtliche Sachverständige habe die Diagnose des Privatgutachters entkräftet, die Beklagte leide an Schizophrenie. Der Sachverständige hat schlüssig dargelegt, dass sich der Privatgutachter weder damit befasst habe, ob die Beklagte an - eine Schizophrenie ausschließenden - Pseudohalluzinationen leide, noch damit, dass die zugrunde gelegten Symptome auch bei einer depressiven Episode mit Krankheitswert aufträten. Weiterhin hat er nachvollziehbar dargelegt, dass die Beklagte im Falle einer Schizophrenie den Arbeitsalltag in der Kassenstelle nicht viele Jahre lang hätte bewältigen können. Ob die vom gerichtlichen Sachverständigen diagnostizierte chronische depressive Episode nicht erst seit Ende 2005 besteht, sondern bereits zum Tatzeitpunkt Ende 2004 vorgelegen hat, muss gegebenenfalls durch eine weitere Untersuchung der Beklagten durch diesen Sachverständigen geklärt werden (vgl. die Ausführungen auf Seite 8).

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

Gründe

1

Die auf Verfahrensfehler und auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg.

2

1. Der Beklagte stand bis zu seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand im Jahr 2005 als Polizeikommissar im Dienst des Klägers. Die im Jahr 2007 erhobene Disziplinarklage war nach Auffassung des Verwaltungsgerichts auf eine nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Klageschrift gestützt, sodass der Klägerin durch Beschluss nach § 54 Abs. 3 Satz 2 LDG NRW eine Frist zur Einreichung einer inhaltlich hinreichend bestimmten Klageschrift gesetzt wurde. Die neugefasste Klageschrift verwies hinsichtlich der näheren Umstände der dem Beklagten vorgeworfenen Pflichtenverstöße, insbesondere der Tatzeitpunkte auf eine in der Disziplinarakte enthaltene Aufstellung, die dem Bevollmächtigten des Beklagten vorab übermittelt worden war.

3

Das Verwaltungsgericht erkannte dem Beklagten das Ruhegehalt ab, die hiergegen gerichtete Berufung blieb ohne Erfolg. Die Maßnahme sei geboten, weil der Beklagte in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 21. Dezember 2004 einer unerlaubten Nebentätigkeit nachgegangen sei, die nach Art und Umfang als Zweitberuf eingestuft werden müsse. Dieses Dienstvergehen wiege besonders schwer, weil der Beklagte seine gewerblichen Tätigkeiten auch während der Zeiten krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit ausgeübt habe.

4

2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

5

Die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Frage des revisiblen Rechts bezeichnet und aufzeigt, dass die Frage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. Klärungsbedarf besteht, wenn eine von der Beschwerde aufgeworfene Frage von Bundesverfassungs- oder Bundesverwaltungsgericht weder beantwortet worden ist noch auf der Grundlage ihrer Rechtsprechung eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4).

6

a) Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht geklärt und bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, dass auch im Falle einer überlangen Dauer des Disziplinarverfahrens nicht von der Aberkennung des Ruhegehalts abgesehen werden kann, wenn der Ruhestandsbeamte die Dienstpflichtverletzungen im aktiven Dienst begangen hat und deshalb die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten wäre, wenn er sich noch im Dienst befände (§ 13 Abs. 3 Satz 2 BDG). Auch aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK folgt nicht, dass dem Betroffenen wegen einer unangemessen langen Verfahrensdauer eine Rechtsstellung eingeräumt werden muss, die im Widerspruch zu dem entscheidungserheblichen innerstaatlichen materiellen Recht steht. Vielmehr kann die unangemessene Verfahrensdauer für den Ausgang eines zu lange dauernden Rechtsstreits nur dann berücksichtigt werden, wenn das innerstaatliche Recht dies vorsieht oder zulässt. In den Fällen, in denen ein Beamter durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 LDG NRW), sieht das Disziplinarrecht aber zwingend die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts vor (stRspr, vgl. zuletzt Urteile vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - Rn. 44 ff. und BVerwG 2 C 62.11 - Rn. 59 ff. ). Darüber hinausgehenden oder neuen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

7

b) Der Kläger hat auch im Hinblick auf die Maßnahmebemessung keinen weiteren Klärungsbedarf aufgezeigt. Welche generellen Anforderungen an die Bemessung der Disziplinarmaßnahme durch die Tatsachengerichte im Hinblick auf Beamte zu stellen sind, die während der Zeit einer Dienstunfähigkeit Nebentätigkeiten ohne Genehmigung ausgeübt haben, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt. Für die Ahndung ungenehmigter Nebentätigkeiten steht wegen der Vielfalt der möglichen Pflichtverstöße grundsätzlich der gesamte disziplinarrechtliche Maßnahmenkatalog zur Verfügung. Es kommt auf Dauer, Häufigkeit und Umfang der Nebentätigkeiten an. Weiterhin muss berücksichtigt werden, ob der Ausübung der Nebentätigkeiten gesetzliche Versagungsgründe entgegenstehen, d.h. die Betätigungen auch materiell rechtswidrig sind und ob sich das Verhalten des Beamten nachteilig auf die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben ausgewirkt hat. Erschwerend wirkt sich aus, wenn ein Beamter ungenehmigte Nebentätigkeiten in Zeiten der Krankschreibung wahrnimmt (Urteile vom 11. Dezember 1990 - BVerwG 1 D 63.89 - BVerwGE 86, 370 <378>, vom 1. Juni 1999 - BVerwG 1 D 49.97 - BVerwGE 113, 337 <338> und vom 11. Januar 2007 - BVerwG 1 D 16.05 - juris Rn. 59).

8

Darüber hinaus ist geklärt, dass der Beamte, der während der Krankschreibung Nebentätigkeiten ausübt, gegen die Pflicht zum vollen beruflichen Einsatz verstößt, wenn die Nebentätigkeit nach Art und Umfang generell geeignet ist, die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit zumindest zu verzögern. Eines konkreten medizinischen Nachweises bedarf es nicht (stRspr; Urteile vom 12. Februar 1992 - BVerwG 1 D 2.91 -, vom 1. Juni 1999 - BVerwG 1 D 49.97 - BVerwGE 113, 337 <338> und vom 14. November 2001 - BVerwG 1 D 60.00 - jeweils m.w.N.). Ob derartiges angenommen werden kann, ist nach den jeweiligen Einzelfallumständen zu beantworten und einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

9

Ein Verstoß gegen das Schuldprinzip liegt hierin nicht. Anknüpfungspunkt sind vielmehr schuldhafte Verhaltensweisen des Beklagten, nämlich die Fortführung (und Intensivierung) der ungenehmigten Nebentätigkeiten während des Zeitraums der Krankschreibung. Auf einen individuellen Nachweis wird lediglich hinsichtlich der konkreten Beeinträchtigung des Gesundungsprozesses verzichtet. Dies findet Grund und Rechtfertigung darin, dass der Beamte durch die ungeschmälerte Alimentierung während der Dienstunfähigkeit in die Lage versetzt werden soll, seine Genesung bestmöglich zu fördern. Ist die Arbeitskraft wiederhergestellt, hat er sie seinem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen. Die Ausübung einer gewerblichen Nebentätigkeit während des Zeitraums einer Krankschreibung kommt deshalb nur in Betracht, wenn die Nebentätigkeit der Erholung nicht schaden kann. Ist sie dagegen geeignet, den Gesundungsprozess zu behindern oder zu verlangsamen, hat sie - ebenso wie die Dienstausübung - zu unterbleiben. Eine Privilegierung privater Nebentätigkeiten dergestalt, dass sie von einer Krankschreibung nicht umfasst würden, ist nicht veranlasst.

10

Aus dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 2003 - 2 BvR 1413/01 - (NVwZ 2003, 1504) folgt entgegen der Auffassung des Beklagten nichts anderes. Dass das dort angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen auf die Verfassungsbeschwerde aufgehoben wurde, beruhte vielmehr darauf, dass eine Ausübung der Nebentätigkeit während krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit von der Tatsacheninstanz nicht festgestellt worden war. Beanstandet worden ist damit nicht der grundsätzliche Rechtssatz, dass es eines konkreten Nachweises der Beeinträchtigung des Gesundungsprozesses nicht bedürfe. Fehlerhaft war nur die Annahme des Gerichts, dass von einem hierzu erforderlichen Verstoß gegen die Gesunderhaltungspflicht ausgegangen werden könne. Die insoweit vom Oberverwaltungsgericht ergänzend getroffenen Tatsachenfeststellungen konnten wegen der Beschränkung des Rechtsmittelverfahrens auf das Disziplinarmaß nicht berücksichtigt werden.

11

Soweit der Beklagte die fallbezogene disziplinarrechtliche Würdigung auf der Grundlage der dargestellten Rechtsprechung in Zweifel zieht, ist dies nicht geeignet, eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die langjährige pflichtgemäße Dienstausübung selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, gravierende Pflichtenverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (Urteile vom 23. November 2006 - BVerwG 1 D 1.06 - juris Rn. 40 § 70 bbg nr. 12 nicht abgedruckt>, vom 7. Februar 2008 - BVerwG 1 D 4.07 - juris Rn. 28 , vom 19. Juni 2008 - BVerwG 1 D 2.07 - juris Rn. 76 ; Beschluss vom 23. Januar 2013 - BVerwG 2 B 63.12 - juris Rn. 13 und Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - Rn. 43). Eine "Mobbing-Situation" kann nicht berücksichtigt werden, weil das Oberverwaltungsgericht insoweit keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat. Daran ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.

12

3. Die Beschwerde hat auch keinen Verfahrensmangel aufgezeigt, auf dem die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruhen könnte (§ 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

13

Die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme beruht zwar nicht auf einer den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Klageschrift. Dieser Fehler zieht auch einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nach sich, weil das Oberverwaltungsgericht die sich aus § 54 Abs. 3 Satz 1, § 65 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW ergebende Verpflichtung verletzt hat, auf die Beseitigung eines solchen Mangels durch den Dienstherrn hinzuwirken (Beschluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 2 Rn. 3 zur entsprechenden Regelung in § 55 BDG). Die Fehlerhaftigkeit der Klageschrift erweist sich angesichts der vorliegenden Einzelfallumstände aber nicht als wesentlicher Mangel im Sinne des § 54 LDG NRW.

14

a) Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW muss die Klageschrift die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen. Die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, müssen aus sich heraus verständlich geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben sowie die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich der Beamte gegen die disziplinarischen Vorwürfe sachgerecht verteidigen kann. Auch tragen die gesetzlichen Anforderungen an die Klageschrift dem Umstand Rechnung, dass sie Umfang und Grenzen der gerichtlichen Disziplinarbefugnis festlegt. Denn gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW dürfen nur Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder der Nachtragsklage als Dienstvergehen zur Last gelegt worden sind. Aus der Klageschrift muss bei verständiger Lektüre deshalb eindeutig hervorgehen, welche konkreten Handlungen dem Beamten als Dienstvergehen zur Last gelegt werden (Urteil vom 25. Januar 2007 - BVerwG 2 A 3.05 - Buchholz 235.1 § 52 BDG Nr. 4 Rn. 27 f. und Beschluss vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 2 B 59.11 - juris Rn. 5 m.w.N.).

15

Diesen Anforderungen entspricht auch die neugefasste Klageschrift nicht. Dem Beklagten wird darin vorgeworfen, im Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis 21. Dezember 2004 dadurch eine unerlaubte Nebentätigkeit ausgeübt zu haben, dass er Waren bei der Fa. M. bestellt, abgeholt und anschließend wieder veräußert hat. An 284 Tagen sei er dabei krankgeschrieben gewesen, in diesen habe er insgesamt 794 Positionen mit einem Warenwert von über 500.000 € abgewickelt. Damit war zwar der Tatzeitraum eingegrenzt und die Gesamtzahl und das Umsatzvolumen der getätigten Bestellungen angegeben (vgl. Beschluss vom 26. Oktober 2011 - BVerwG 2 B 69.10 - juris Rn. 7). Die Klageschrift enthält aber den Zeitpunkt der dem Beklagten zur Last gelegten einzelnen Handlungen nicht. Ihr kann deshalb auch nicht entnommen werden, welche konkreten Sachverhalte vom Dienstherrn zur Begründung der von ihm angenommenen Dienstvergehen herangezogen worden waren. Diese Bezeichnung der Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, ist aber das "Kernstück" der Disziplinarklagebegründung (Weiß, in: GKÖD, Band II, Stand: Mai 2013, M § 52 Rn. 86).

16

Die Klageschrift durfte hierzu nicht auf die in der Disziplinarakte befindliche Einzelaufstellung verweisen (Urteil vom 25. Januar 2007 a.a.O. Rn. 29). Durch eine derartige Verweisung auf die Behördenakten kann die Klageschrift nicht mehr die ihr durch § 52 LDG NRW zugedachte Eingrenzungs- und Informationsfunktion erfüllen. Die Klageschrift ist nicht mehr aus sich heraus verständlich, sodass der Beklagte sich nicht auf sie beschränken kann, um den genauen Gegenstand der gegen ihn erhobenen Vorwürfe und sein hiergegen mögliches Prozessverhalten bestimmen zu können.

17

Zwar kann in einem Disziplinarverfahren, in dem einem Beamten - wie hier - eine Vielzahl gleichförmiger Taten zur Last gelegt werden, die durch eine gleichartige Begehungsweise gekennzeichnet sind, hinsichtlich der näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten auf eine tabellarische Aufstellung verwiesen werden (vgl. zur entsprechenden Erleichterung im Strafverfahren BGH, Beschluss vom 15. März 2011 - 1 StR 260/09 - NStZ 2011, 420 Rn. 19). Diese Aufstellung muss indes Teil der Klageschrift sein, weil nur so der Sachverhalt, aus dem das Dienstvergehen hergeleitet wird, in dieser hinreichend bestimmt dargestellt ist (Urteile vom 23. November 2006 - BVerwG 1 D 1.06 - juris Rn. 14 § 70 bbg nr. 12> und vom 25. Januar 2007 - BVerwG 2 A 3.05 - a.a.O. Rn. 27; Beschlüsse vom 13. März 2006 - BVerwG 1 D 3.06 - Buchholz 235 § 67 BDO Nr. 1 Rn. 13, vom 18. November 2008 - BVerwG 2 B 63.08 - juris Rn. 22 § 17 bdg nr. 1>, vom 21. April 2010 - BVerwG 2 B 101.09 - juris Rn. 6, vom 28. März 2011 - BVerwG 2 B 59.10 - juris Rn. 5, vom 26. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 6 sowie vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 2 B 59.11 - juris Rn. 5).

18

b) Der in dem unzulässigen Verweis auf die Disziplinarakte liegende Mangel der Klageschrift ist unter den hier gegeben Umständen jedoch ausnahmsweise als unwesentlich einzustufen und hinderte deshalb den Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme nicht.

19

Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich im Sinne des § 54 LDG NRW, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann. Hingegen kommt es für die Frage der Wesentlichkeit eines Mangels weder darauf an, ob er behebbar ist noch darauf, ob und ggf. wie intensiv schutzwürdige - insbesondere grundrechtsbewehrte - Rechtspositionen Betroffener durch den Mangel berührt worden sind. Maßgeblich ist wegen der Funktion des Disziplinarverfahrensrechts, bei der Prüfung und ggf. Ahndung von Dienstvergehen gesetzmäßige Ergebnisse zu erzielen, vielmehr die Ergebnisrelevanz. Nur solche Mängel sind wesentlich und bedürfen einer Korrektur oder führen zur Einstellung des Verfahrens nach § 54 Abs. 3 Satz 3 LDG NRW, bei denen nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist, dass sie sich auf das Ergebnis des Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben können. Wann ein Mangel in diesem Sinne wesentlich ist, ist eine Frage des Einzelfalles (Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 = Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 6, jeweils Rn. 19 zur gleichlautenden Vorschrift des § 55 BDG; Beschluss vom 28. März 2013 - BVerwG 2 B 113.12 - juris Rn. 9 zu § 52 HmbDG). Eine inhaltlich nicht ausreichend bestimmte Klageschrift weist grundsätzlich einen wesentlichen Mangel auf, weil sie die sachgerechte Verteidigung des Beamten gegen die disziplinaren Vorwürfe erschwert (Urteil vom 25. Januar 2007 a.a.O. Rn. 26 f.).

20

Vorliegend ist dem Beklagten indes eine Kopie der in der Disziplinarakte enthaltenen Einzelaufstellung vorab übermittelt worden, auf der jeweils bestimmten Tagen zugeordnet die Zahl der bestellten Artikel, der Warenwert, die Abholung sowie das Vorliegen einer Krankschreibung vermerkt war. Aus der Zusammenschau von auf diese Einzelaufstellung Bezug nehmender Klageschrift und der dem Beklagten zur Verfügung gestellten Einzelaufstellung konnte kein Zweifel daran bestehen, welche Sachverhalte vom Dienstherrn zur Begründung des angenommenen Dienstvergehens herangezogen worden sind. Der Beklagte ist nicht durch vage und unbestimmte Vorwürfe belastet worden, sondern wusste genau, welche Handlungen ihm zur Last gelegt wurden. Auch hinsichtlich der näheren Umstände der Einzeltaten und ihres exakten Zeitpunktes ist durch die Bezugnahme auf die dem Beklagten vorab übersandte Einzelaufstellung eine präzise Eingrenzung erfolgt. Der Beklagte war damit auch in die Lage versetzt, sich sachgerecht zu verteidigen. Er war noch vor Zustellung der Klageschrift über die konkretisierten Einzelvorwürfe unterrichtet und hatte Gelegenheit, sein Prozessverhalten hierauf einzustellen. Warum und wie sich der Mangel auf das Ergebnis der Disziplinarklage hätte auswirken können, ist weder vom Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es kann daher mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sich der Verstoß gegen § 52 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW auf das Disziplinarklageverfahren ausgewirkt hat.

21

Soweit die Beschwerde nunmehr vorträgt, die übermittelte Kopie sei schlecht leserlich gewesen, hätte es dem Beklagten oblegen, hierauf zeitnah hinzuweisen. Im Übrigen sind in der Berufungserwiderung derartige Einwände nicht geltend gemacht und nur inhaltliche Einwendungen gegen die - offenbar auch für den Beklagten lesbaren - Anlagen vorgetragen worden.

22

Hinsichtlich der Rüge, durch die Verwendung von Kreuzen und Sternchen sei die Spalte Krankmeldung nicht verständlich gewesen, ist der Beschwerde zuzugeben, dass die unmittelbare Verständlichkeit der Tabelle durch die Schwarz-Weiß-Kopie Einbußen erfahren hat. Die in roter Farbe vorgenommene Durchstreichung des Kreuzes in der Spalte "krank nein" mag dem Beklagten so im ersten Moment als Sternchen erschienen sein. Schon die zusätzliche Markierung im Feld "krank ja" ließ jedoch keinen anderen Schluss zu, als dass es sich bei dem "Sternchen" um eine Streichung des ursprünglichen Kreuzes gehandelt hat. Dies gilt in Anbetracht des jeweils angebrachten Berichtigungsvermerks sowie der entsprechend geänderten Beträge im Erkrankungszeitraum erst recht. Die Aufstellung über die Krankheitszeiten ließ damit auch in Schwarz-Weiß-Kopie keine Zweifel an ihrem Aussagegehalt. Welche andere Interpretationsmöglichkeit bestanden hätte, legt auch die Beschwerde nicht dar.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 173/01 Verkündet am:
29. Januar 2003
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Es gibt keinen Grundsatz, nach dem das Nichtbeachten des Rotlichts einer Verkehrsampel
stets als grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls anzusehen
ist. Aus der Entscheidung BGHZ 119, 147 ergibt sich nichts anderes.
BGH, Urteil vom 29. Januar 2003 - IV ZR 173/01 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmstadt
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert und Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Januar 2003

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Mai 2001 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt vom Beklagten, seinem Kaskoversicherer, aus einem Verkehrsunfall Schadensersatz in Höhe von 26.900 DM. Er fuhr mit seinem PKW am 28. Oktober 1998 gegen 6.00 Uhr in Darmstadt in eine weitläufige Kreuzung ein, obwohl die für ihn maßgebliche Ampel Rotlicht zeigte. Im Kreuzungsbereich stieß er mit dem von rechts herankommenden Fahrzeug eines anderen Verkehrsteilnehmers zusammen, der bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren war. Der Beklagte hält sich nach § 61 VVG für leistungsfrei, weil der Kläger den Unfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt habe.

Der Kläger behauptet, er habe sich der Kreuzung bei Rotlicht genähert und als erstes Fahrzeug auf der linken Geradeausspur angehalten. Rechts neben ihm hätten keine Fahrzeuge gestanden. Direkt neben ihm auf der Linksabbiegespur habe ein anderes Fahrzeug gestanden. Darin habe er einen Arbeitskollegen erkannt und diesen gegrüßt. Als er wieder nach rechts geschaut habe, habe er "Grün" gesehen und sei in der Meinung losgefahren, das Umschalten der Ampel während des Hinüberschauens zu seinem Arbeitskollegen verpaßt zu haben. Seinen Irrtum könne er sich nur so erklären, daß er das Umschalten eines anderen Elements der Ampelanlage mißgedeutet habe oder durch das im Rückspiegel registrierte Grünlicht einer hinter ihm an der zurückliegenden Kreuzung installierten Ampelanlage getäuscht worden sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht (r+s 2001, 313) hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
I. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts zum Unfallverlauf hat der Kläger zunächst bei Rotlicht angehalten, seinen Arbeitskollegen gesehen und gegrüßt und ist erst danach angefahren, weil er durch irgendein nachträglich nicht exakt

zu konkretisierendes, in seinem Blickfeld liegendes optisches Signal und dessen fehlerhafte Verarbeitung zu dem gleichsam natürlichen Eindruck gekommen sei, die Ampel sei auf "Grün" umgesprungen. Zu dieser Überzeugung ist das Berufungsgericht aufgrund der Zeugenaussage des Arbeitskollegen und des persönlich glaubwürdigen Eindrucks vom Kläger gelangt, den es auf seine früheren schriftlichen Äußerungen und seine Anhörung in der mündlichen Verhandlung gestützt hat.
Das Berufungsgericht meint, bei dem von ihm festgestellten Sachverhalt wäre auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 8. Juli 1992 - IV ZR 223/91 - VersR 1992, 1085 = BGHZ 119, 147 und vom 18. Dezember 1996 - IV ZR 321/95 - VersR 1997, 351) Leistungsfreiheit nach § 61 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls anzunehmen. Dieser Rechtsprechung sei aber nicht zu folgen, weil ihr Sinn und Zweck von § 61 VVG entgegenstünden. Der Begriff der groben Fahrlässigkeit sei nicht für alle Rechtsgebiete gleich, sondern bei einer Verknüpfung mit der Leistungspflicht eines Versicherers nach dem Zweck der konkreten Versicherung zu bestimmen. Es würde eine mit dem Zweck der Vollkaskoversicherung unvereinbare Aushöhlung des Versicherungsschutzes bedeuten, die Folgen eines durch typisch menschliche Unzulänglichkeit verursachten Augenblicksversagens aus dem Kreise der versicherten Risiken auszunehmen. Mit dem regelhaften Schluß vom objektiv groben Pflichtverstoß auf die subjektive Unentschuldbarkeit dieses Verstoßes werde auch die nach § 61 VVG erforderliche positive Feststellung der besonderen subjektiven Vorwerfbarkeit in ein negatives Merkmal umgewandelt. Nunmehr müsse der Versicherungsnehmer das Gericht davon überzeugen, daß ein äußerlich grober Mißgriff ausnahmsweise zu entschuldigen sei.

Auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung nimmt das Berufungs- gericht an, der Kläger habe den Unfall zwar durch einen objektiv groben Verstoß gegen die Regeln des Straßenverkehrs schuldhaft herbeigeführt. Subjektive Unentschuldbarkeit lasse sich aber nicht feststellen, weil sich das Fehlverhalten des Klägers den Umständen nach nur durch ein Augenblicksversagen erklären lasse, das nicht auf Sorglosigkeit oder Gleichgültigkeit im Umgang mit dem versicherten Fahrzeug beruhe.
II. Die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts geben keinen Anlaß, die Rechtsprechung des Senats zu ändern. Auf der Grundlage der Entscheidungen des Senats zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls im Sinne von § 61 VVG, auch der Entscheidung in BGHZ 119, 147, ist das angefochtene Urteil im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach ständiger Rechtsprechung der Zivilsenate des Bundesgerichtshofs wird der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit grundsätzlich einheitlich bestimmt (vgl. Urteil vom 17. Oktober 1966 - II ZR 123/64 - VersR 1966, 1150 unter III; Urteil vom 8. Februar 1989 - IVa ZR 57/88 - VersR 1989, 582 unter 2; Urteil vom 29. September 1992 - XI ZR 265/91 - NJW 1992, 3235 unter I 2 a und b; Urteil vom 30. Januar 2001 - VI ZR 49/00 - NJW 2001, 2092 unter II 1 a). An diesem Grundsatz ist schon aus Gründen der Rechtssicherheit festzuhalten. Die vom Berufungsgericht befürwortete unterschiedliche Definition des Begriffs jeweils nach der konkreten Versicherung würde im Versicherungsrecht wegen der zahlreichen verschiedenen Arten von Versicherungen zu einer kaum

noch überschaubaren Aufsplitterung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit im Sinne von § 61 VVG und damit zu einer nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit führen.
2. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet läßt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muß es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 - IV ZR 321/95 - VersR 1997, 351 unter II 2 c; vgl. ferner die oben unter II. 1. aufgeführten Urteile). Diese Begriffsbestimmung berücksichtigt den Grundgedanken des § 61 VVG. Danach soll der Versicherungsnehmer, der sich in bezug auf das versicherte Interesse völlig sorglos oder sogar unlauter verhält, keine unverdiente Vergünstigung erhalten. So hat § 61 VVG ähnlich wie § 162 BGB den Gedanken von Treu und Glauben übernommen (BGH, Urteil vom 8. Februar 1989 aaO unter 1 a m.w.N.).
3. a) Aus dem Senatsurteil in BGHZ 119, 147 ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Grundsatz abzuleiten, nach dem die Mißachtung des roten Ampellichts stets grob fahrlässig ist (Römer, NVersZ 2001, 539 unter II; ders. ZfS 2001, 289 unter I 2 c). Der Senat hat lediglich die Ansicht der Vorinstanz als rechtsfehlerfrei bezeichnet, das Überfahren einer roten Ampel sei in aller Regel objektiv als grob fahrlässig zu bewerten (aaO S. 148 unter 1 der Gründe). Über eventuelle Ausnahmen in objektiver Hinsicht war nichts auszuführen, weil das Berufungsgericht mit Recht keine Ausnahme in Betracht gezogen hatte.


b) Das Nichtbeachten des roten Ampellichts wird wegen der damit verbundenen erheblichen Gefahren in aller Regel als objektiv grob fahr- lässig anzusehen sein. Nach den jeweiligen Umständen kann es jedoch schon an den objektiven oder an den subjektiven Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit fehlen. Dies kann der Fall sein, wenn die Ampel nur schwer zu erkennen oder verdeckt ist und bei besonders schwierigen , insbesondere überraschend eintretenden Verkehrssituationen (vgl. OLG Hamm VersR 2002, 603 f.; OLG Köln NVersZ 1999, 331 f.; OLG Nürnberg NJW-RR 1996, 986 f.; OLG Köln r+s 1991, 82 f.). Eine Beurteilung als nicht grob fahrlässig kann auch in Betracht kommen, wenn der Fahrer zunächst bei "Rot" angehalten hat und dann in der irrigen Annahme , die Ampel habe auf "Grün" umgeschaltet, wieder angefahren ist (so neuerdings wieder OLG Hamm r+s 2000, 232; OLG Jena VersR 1997, 691 f.; OLG München NJW-RR 1996, 407). Diese Beispiele sind nicht abschließend. Wegen der "Verschlingung" objektiver und subjektiver Gesichtspunkte und der Notwendigkeit, die Würdigung auf die besonderen Umstände des Einzelfalles abzustellen, lassen sich nur mit großen Vorbehalten allgemeine Regeln darüber entwickeln, wann eine unfallursächliche Fahrlässigkeit als grobe zu qualifizieren ist (BGH, Urteil vom 11. Juli 1967 - VI ZR 14/66 - VersR 1967, 909).

c) Ob die Fahrlässigkeit im Einzelfall als einfach oder grob zu werten ist, ist Sache der tatrichterlichen Würdigung. Sie erfordert eine Abwägung aller objektiven und subjektiven Tatumstände und entzieht sich deshalb weitgehend einer Anwendung fester Regeln (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1966 - II ZR 174/65 - VersR 1967, 127 unter 1 und 2; BGH, Urteil vom 5. April 1989 - IVa ZR 39/88 - VersR 1989, 840 unter 2;

Römer, VersR 1992, 1187 unter II 3). Diese tatrichterliche Würdigung ist mit der Revision nur beschränkt angreifbar. Nachgeprüft werden kann nur, ob in der Tatsacheninstanz der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt worden ist oder ob beim Bewerten des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht geblieben sind (BGH, Urteil vom 8. Februar 1989 aaO unter 1 b).
4. a) Aus dem Senatsurteil in BGHZ 119, 147 ergibt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht, daß aus einem objektiv groben Pflichtverstoß regelhaft auf die subjektive Unentschuldbarkeit geschlossen werden könne und entgegen der anerkannten Beweislast des Versicherers für das Eingreifen eines Risikoausschlusses der Versicherungsnehmer den Entschuldigungsbeweis zu führen habe (siehe dazu Römer, NVersZ 2001, 539 f.; Rixecker, ZfS 2001, 550 f.). Der Senat hat vielmehr daran festgehalten, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge und deren gesteigerte Vorwerfbarkeit geschlossen werden könne (BGHZ 119, 147, 151) und dazu auf sein Urteil vom 8. Februar 1989 (aaO unter 4 d) hingewiesen. Dort ist ausdrücklich klargestellt, daß auch für die subjektive Seite des Schuldvorwurfs gemäß § 61 VVG der Versicherer darlegungs- und beweispflichtig ist. Dabei sind die Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 21. April 1970 - VI ZR 226/68 - VersR 1970, 568 unter II 2). Allerdings ist es Sache des Versicherungsnehmers, ihn entlastende Tatsachen vorzutragen. Das entspricht dem allgemeinen prozessualen Grundsatz, wonach die nicht beweisbelastete Partei ausnahmsweise eine Substantiierungslast treffen kann. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm dar-

zulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während sie der anderen Partei bekannt sind und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (BGH, Urteil vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98 - NJW 1999, 1404 unter II 2 b aa m.w.N.; Zöller/Greger, ZPO 23. Aufl. vor § 284 Rdn. 24, 34 ff.). Bei einem Verkehrsunfall wird diese Konstellation regelmäßig gegeben sein. An der Beweislast ändert dies nichts (OLG Hamm VersR 2002, 603).

b) Der Senat hält daran fest, daß die bloße Berufung des Kraftfahrers auf ein "Augenblicksversagen" kein ausreichender Grund ist, grobe Fahrlässigkeit zu verneinen. Die nur momentane Unaufmerksamkeit kann unterschiedliche Ursachen haben. Trägt der Versicherungsnehmer zur Ursache des kurzzeitigen Fehlverhaltens und den sonstigen Umständen nichts vor, kann der Tatrichter den Schluß ziehen, daß ein objektiv grob fahrlässiges Mißachten des Rotlichts auch subjektiv als unentschuldbares Fehlverhalten zu werten ist.
5. Das Berufungsurteil ist nicht deshalb aufzuheben, weil das Berufungsgericht der Ansicht ist, die von ihm gefundene Rechtsauffassung weiche von der Senatsrechtsprechung ab. Diese Ansicht beruht im wesentlichen auf einem nicht zutreffenden Verständnis der Senatsurteile vom 8. Juli 1992 (BGHZ 119, 147) und vom 18. Dezember 1996 (IV ZR 321/95 - VersR 1997, 351). Auch auf der Grundlage dieser Urteile und der vorstehend dargestellten sonstigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Würdigung des Berufungsgerichts Bestand, subjektiv grobe Fahrlässigkeit sei dem Kläger nicht anzulasten. Der Kläger hat sich nicht lediglich auf ein "Augenblicksversagen" berufen. Er hat im einzelnen dargelegt, was der Fehlreaktion vorausgegangen ist und wie es

nach seiner Erinnerung dazu gekommen ist oder gekommen sein muß. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger bei "Rot" zunächst angehalten und ist nur deshalb noch bei "Rot" wieder angefahren , weil er aufgrund der Fehldeutung irgendeines in seinem Blickfeld liegenden optischen Signals zu der Überzeugung gelangt sei, die Ampel sei soeben auf "Grün" umgesprungen. Daß das Berufungsgericht dies nicht als ein in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten bewertet hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es ist auszuschließen, daß das Berufungsgericht nach einer Zurückverweisung zu einem anderen Ergebnis gelangt.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

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(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

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(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.